Was ist neu

Lena

Mitglied
Beitritt
24.05.2016
Beiträge
4
Zuletzt bearbeitet:

Lena

Meine Hände zittern, als ich versuche, den Wasserhahn aufzudrehen.
Ich muss mich am Waschbeckenrand festhalten, um nicht zu fallen.
Als ich mich wieder aufrichte, sehe ich mein Gesicht im Spiegel. Mein Gesicht?
Er hat gesagt, dass ich schön bin. Dass er noch nie solche Augen gesehen hat. Wie das Meer.
Jetzt sind sie rot. Und schwarz.
Das Wasser, das ich mit den Händen auffange, ist eiskalt. Ich klatsche es mir ins Gesicht.
Ich reibe und reibe und reibe. Versuche zu vergessen. Am liebsten würde ich mein ganzes Gesicht auslöschen.
Einmal mit aller Kraft darüber. Die Augen verschwinden. Weg mit dem Meer.
Nochmal darüber gewischt. Jetzt ist die Nase weg. Und mit ihr der Gestank nach Zigaretten und Bier, die er mir anbot.
Ein letztes Mal gehen meine Hände über meinen Mund. Endlich. Keine falschen Antworten mehr jetzt. Ich bin frei und schwebe.
Vor Erleichterung fange ich wieder an zu weinen. Wo ist das verdammte Klopapier?
Ich gehe in eine der Kabinen. Zwischen meinen Beinen tut es weh.
Ich fasse hin. Blut klebt an meinen Fingern.
Mein Kleid ist blau. Blau wie das Meer? Passt doch gut, oder? Hat er mir auch gesagt.
Wie sehr ich mich darüber gefreut habe. Jetzt kommt ein verächtliches Lachen aus meiner Kehle.
Blau wie das Meer ...
Ich war noch nie am Meer. Es muss schön sein, die Welt ohne Grenzen zu sehen.
Ich ziehe den Rotz mit meiner geschwollen Nase hoch. Meine Jacke liegt noch draußen.
Ohne sie kann ich nicht gehen. Mein Kleid ist zerrissen. Das Geld hab ich bei mir.
Nicht viel. Ich versprach mir mehr von diesem Abend.
Auf dem Weg zur Toilette muss ich meine Schuhe verloren haben. Egal.
Taxis fahren nicht für Schuhe, sondern für die dünnen Papiere, die mir gestern noch so viel bedeutet haben. Weswegen bin ich hier hergekommen? Doch nicht wegen ihnen, oder?
Ich stolpere aus der Tür. Da, meine Jacke. Vorsichtig lausche ich. Kein Geräusch.
Oh Gott.
Jetzt renne ich. Ich reiße die Tür auf und atme die Nacht ein.
Es ist kalt und klar. Wenigstens scheinen keine Sterne. Das hätte ich nicht ertragen.
Ich war noch nie am Meer.

 

Liebe Elli,
Deine Geschichte gefällt mir gut. Du sprichst nicht alles aus, trotzdem ist klar worum es geht. Die Thematik ist anregend und aufregend. (:
Allerdings würde ich beim Ausdruck noch ein bisschen was verändern damit das ganze vielleicht ein wenig abgerundeter wirkt und der innere Zwiespalt der Frau besser zur Geltung kommt.
Über ein paar Sätze bin ich ein wenig gestolpert weil sie sehr kurz sind und als vereinter Satz vielleicht besser zu lesen sind.
Bsp.: "Jetzt sind sie rot. Und schwarz."
Diese zwei Sätze in einem zu schreiben würde vielleicht flüssiger klingen.
Lg, Ana

 

Liebe Ana,
vielen Dank für deine Rückmeldung!
Ich hatte absichtlich versucht, die abgehackten Sätze einzubauen, um so vielleicht den verwirrten Zustand, in welchem sich die Frau gerade befindet noch besser zum Ausdruck zu bringen. Sobald der Leser aber über meine Experimente stolpert, ist der Sinn wahrscheinlich nicht ganz richtig erfüllt worden.
Ich versuche mal, hier noch ein paar Änderungen vorzunehmen.
Beste Grüße
Elli

 

Hola Elli,

da hast Du einen guten Start hingelegt! Deinen Text finde ich gelungen.
Er ist deutlich genug, lässt dem Leser trotzdem Spielraum, das Geschehene zu interpretieren.

In der Kürze liegt die Würze, und Du hast eine ganze Geschichte eindringlich und spannend erzählt. Außerdem fehlerfrei! Da blitzt die geübte Schreiberin bei jedem Satz durch. Das hab ich gleich zweimal gelesen – macht richtig Spaß!
Herzlich willkommen bei den Wortkriegern!

Eine Winzigkeit gäbe es anzumerken:

Das Wasser, dass ich mit den Händen auffange K ist eiskalt.

Das hätte ich nicht vertragen.
‚Vertragen’ im Zusammenhang mit Speisen ist üblich; wäre hier ‚ertragen’ die bessere Formulierung?
In Deinem Profil schreibst Du:
Ich kann mir nichts schöneres vorstellen, als für meine ersten Versuche ein ehrliches Feedback zu bekommen, um so die Möglichkeit zu haben, mich weiterzuentwickeln.
Eine junge Dame kann sich nichts schöneres vorstellen? Da staun ich aber:). Und ‚meine ersten Versuche’ nehme ich Dir nicht ab. Diese Textqualität hat ein Vorspiel. Und sag nicht, dass ich mich irre.

Schöne Grüße vom sehr beeindruckten
José

 

Hola José,
sehr herzlichen Dank für das liebe Feedback.
Gut, vielleicht habe ich was "die ersten Versuche" für Texte allgemein angeht, ein wenig geschummelt.
Ich habe bereits Artikel für die Regionalzeitung meiner Umgebung verfasst. Das waren allerdings immer nur Berichte oder kürzere Reportagen. Was kreativere Texte angeht, ist die vorliegende Kurzgeschichte tatsächlich der erste Versuch, den jemand anderes zu lesen bekommt. Diese Geschicht hat noch nicht einmal ein Familienmitglied zuvor zu Gesicht bekommen.
Deshalb freue ich mich über deine freundlichen Worte umso mehr.
Alles Gute!
Elli

 

Hallo Elli,

Sobald der Leser aber über meine Experimente stolpert, ist der Sinn wahrscheinlich nicht ganz richtig erfüllt worden.
Mal abwarten, was du noch Feedback erhältst, aber mich persönlich stören diese abgehackten Sätze gar nicht. Ganz im Gegenteil, ich finde sie passend. Da steht eine Frau vor dem Spiegel, verletzt und durcheinander, und denkt in Gedankenfetzen, in Bruchstücken. Sie versucht sich zu sortieren. Bei mir ist das gut angekommen.

Eine Kleinigkeit hier:

Ich gehe in eine der Kabine.
- "Ich gehe in eine der Kabinen."

Atmosphärisch fand ich deinen kurzen Text echt gut. Nur hier war ich verwirrt, da musst du mich bitte aufklären:

Ich stolpere aus der Tür. Da, meine Jacke. Vorsichtig lausche ich. Kein Geräusch.
Weiter oben steht, dass sie "in eine der Kabinen" geht, um nach Klopapier zu suchen. Das implizierte für mich, sie ist in einer Bar oder in einem Club, denn zu Hause hat ja niemand mehrere Kabinen in seinem Badezimmer. Nun aber stolpert sie aus der Tür und lauscht und alles ist still. Ist sie also doch bei ihm zu Hause? Hier wäre ich an deiner Stelle noch ein wenig exakter. Klar, der Text deutet mehr an, als er erzählt, aber bei der Kürze würde ich die Situation an sich, also wo ist sie und warum, ein wenig deutlicher herausarbeiten.

Ansonsten gefällt mir deine Art zu schreiben.
Viele Grüße
RinaWu

 

Hej Elli,

mir erging es etwas anders während des Lesens. Und daher musste ich ihn dreimal durchgehen, bevor mir "klar" wurde :hmm: was Lena widerfahren ist.

Mir fehlt da leider etwas, um mit Lena mitzuleiden, vor allem warum. Ich betrachte sie lieber mit Abstand und alles bleibt so vage, dass es mir keine Spaß gemacht hat.

Taxis fahren nicht für Schuhe sondern für die dünnen Papiere, die mir gestern noch so viel bedeutet haben.

Dieser Satz hat mich dann komplett verwirrt - kann gut an mir liegen - denn ich brachte ihn mit den vorherigen "Grenzen" in Verbindung, bevor ich mich dann doch für Geld entschieden und Lena damit völlig "verloren" habe.

Manchen kann das Rätselraten in Geschichten Spaß machen, mir anscheinend eher nicht. :shy:

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Hallo Elli,

Und willkommen.

Auch ich mag solch kurzen Texte, die mit wenigen Worten alles sagen. :)

Nur ein paar Kleinigkeiten:

Das Wasser, dass ich mit den Händen auffange, ist eiskalt.
Das Wasser, das ich

Und mit ihr der Gestank nach Zigaretten und Bier, das er mir anbot.
, die er mir anbot (Mehrzahl; du meinst doch Zigaretten und Bier, richtig?)

Passt doch gut (KOMMA)oder?
Doch nicht wegen ihnen(KOMMA) oder?
Komma, da zwar keine Konjunktion, aber Ersatz für „nicht wahr“

Blau wie das Meer...
Blau wie das Meer ... (Leerzeichen; ohne Leerzeichen nur, wenn das Wort unvollständig ist)

Taxis fahren nicht für Schuhe (KOMMA)sondern für die dünnen Papiere
Komma wegen Konjunktion

Ein gelungener Einstand. :thumbsup:
Viel Spaß hier noch.

Liebe Grüße,
GoMusic

 
  • Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:
Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:

Hallo RinaWu,
ich denke, ich hatte einen geschlossenen Club bzw. eine Bar vor Augen, die Lena zu später Stunde verlässt. Ich merke aber selbst den logischen Denkfehler, da es dort wohl trotzdem noch Geräusche geben würde oder der Club zu dieser Zeit noch gar nicht geschlossen wäre. Ich muss mal überlegen, wie ich das abändern könnte.
Danke!
Liebe Grüße
Elli


Liebe Kanji,
danke für deine Rückmeldung!
Ich wollte in dieser Kurzgeschichte mal was Neues Ausprobieren und so wenig wie möglich Infos geben. Ich kann dich sehr gut verstehen und ich kenne mich selbst. Manchmal ärgere ich mich sehr, wenn ich nicht noch ein paar Details von Figuren oder zu einer Geschichte bekomme.
Vielleicht probiere ich es beim nächsten Mal etwas ausführlicher.
Viele Grüße von Elli


Hallo GoMusic,

Danke für die Verbesserungen!

Viele Grüße

Elli

 

Hallo Elli!

Willkommen bei den Wortkriegern!

Im Grunde habe ich nichts gegen solche verkürzten Geschichten, aber bei deiner "Lena" ist mir das etwas zu wenig. Im Grunde erzählt die Geschichte (aus Lenas Sicht) nur: Mir ist Gewalt angetan worden. Und dann ist die Geschichte (oder besser die Szene) zu Ende.
Also, inhaltlich ist mir das zu wenig.

Da sind noch ein paar Fragen, die ich mir gestellt habe:

=> Wenn die dort in diesem Club vergewaltigt worden ist, warum hat das keiner mitgekriegt? Warum hat sich keiner auf der Toilette um sie gekümmert oder nur mal nachgefragt: Geht es dir gut? (Oder falls sie außerhalb des Clubs vergewaltigt worden ist, als sie in den Club kam?)

"Jetzt renne ich. Ich reiße die Tür auf und atme die Nacht ein."
=> Okay, nehmen wir an, sie hat sich auf der Toilette versteckt, bis der Club geschlossen wurde ("Vorsichtig lausche ich. Kein Geräusch.") - wie kommt sie nach draußen? Es müsste doch alles abgeschlossen sein.

So viel von mir.

Grüße,
Chris

 

Hallo Elli

du versuchst es zu greifen, das gefällt mir, benutzt gute Vergleiche, hast, eine knappe Sprache, die zur Situation passt. Darauf lässt sich aufbauen. Für meinen Geschmack machst du an einigen Stellen zu wenig und an anderen zu viel. So ein kurzer Text muss sehr ausgewogen sein, da zählt jedes Wort.
Ich schau mal in den Text:

Einmal mit aller Kraft darüber. (Die Augen verschwinden.) Weg mit dem Meer.
Nochmal darüber gewischt.
Ein letztes Mal (gehen meine Hände) über meinen Mund. Endlich. Keine falschen Antworten mehr jetzt. Ich (bin frei und) schwebe.
Das "darüber" kommt im nächsten Satz gleich wieder, klingt nicht elegant, die eingeklammerten Worte könntest du weglassen...

Auf dem Weg zur Toilette muss ich meine Schuhe verloren haben. Egal.
Taxis fahren nicht für Schuhe, sondern für die dünnen Papiere, die mir gestern noch so viel bedeutet haben. Weswegen bin ich hier hergekommen? Doch nicht wegen ihnen, oder?
die Stelle kapier ich nicht, was ist das mit dem Geld? Geht sie wegen des Geldes in den Club?

Ich war noch nie am Meer.
das Bild mit den meerblauen Augen ist an sich schön, nur für was steht es, für die Unschuld, die reine Schönheit?
Und insgesamt: warum vergewaltigt der Typ sie? Kein Wort darüber, keine Andeutung...

An dem Text kann man durchaus noch arbeiten :Pfeif:
Willkommen hier :thumbsup:
viele Grüße
Isegrims

 

Liebe Elli,
Ich meinte damit nicht dass mir das abgehackte grundsätzlich nicht gefällt, das finde ich sehr gut, eben genau weil es die verwirrte Situation der Frau besser zur Geltung bringt. Nur an ein zwei Sätzen hat es für meinen Geschmack ein bisschen zu sehr gerumpelt. Aber das ist ja Ansichtssache.
Lg, Ana

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom