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Kubitschs Regeln

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28.05.2016
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Kubitschs Regeln

Herr Kubitsch stand in einem der Gänge auf einer Leiter vor einem der Regale und sortierte Dosen ein.
Er war früh gekommen, um das in aller Ruhe machen zu können.
Er machte das gern.
Niemand störte ihn dabei.
Die Angestellten wussten das.
Sie hielten sich an seine Regeln.
Das war gut.
Mittlerweile waren die ersten Kunden im Laden.
Die hielten sich nicht immer an die Regeln.
Vermutlich weil sie keine hatten.
Herr Kubitsch zählte und ...
... konnte das Geschrei nicht ignorieren, das sich näherte. Er drehte sich widerwillig um. Er war in seiner Konzentration gestört.
Schon seit ein paar Minuten. Das Kind hatte bereits geschrien, als es in den Laden gekommen war. Unüberhörbar für alle Anwesenden. Er hatte es gehört und zu ignorieren versucht.
Er hatte gehört, wie es näher gekommen war.
Jetzt war es in seinem Gang.
Eine junge Frau schob den Einkaufwagen durch den Gang an ihm vorbei und redete laut mit einem unsichtbaren Gesprächspartner und gestikulierte mit dem freien Arm.
„Ja ... nein ... das hab ich so doch gar nicht gesagt ... doch, hab ich, das hast du nur nicht richtig verstanden ... nein. Du hörst nie richtig zu. Wirklich ... jetzt hör mir doch einfach mal ... jetzt hörst du mir ... das muss bis Freitag ... das kann doch wohl nicht wahr sein ...“
Sie war gestehen geblieben. Er sah das kleine Mobilgerät an ihrem Ohr.
„Sie wissen, wo du bist“, dachte er. „Du weißt aber nicht, wer sie sind. Außerdem wirst du verstrahlt. Das macht dich krank. Du bist nervös. Jetzt schon.“
Er schätzte sie auf Mitte zwanzig. Nicht schlank, aber auch nicht wirklich kräftig. Oder gar dick. Ein bewusst tief gewählter Ausschnitt ließ den Ansatz großer Brüste erkennen. Geschminkt. Mittelgroß. Gut gekleidet. Gut frisiert. Alleinerziehend. Unabhängig.
Ein wenig affektiert.
Je länger er schaute: Affektiert, nicht nur ein wenig.
Er hörte nicht mehr auf das, was sie sagte. Es ergab keinen Sinn. Er schaute auf das Kind. Sie ignorierte das Kind weiterhin.
Wenn er ihr in den Ausschnitt gestarrt hätte, hätte sie ihn vermutlich angeblafft: „Was glotzen Sie so?!“
Das Kind saß im Kindersitz des Einkaufwagens und schrie aus vollem Hals, während es die Arme in die Luft streckte und mit den Händen in der Luft nach etwas griff, das nur das Kind sehen konnte. Es schien sich in den Regalen rechts und links zu befinden. Oder überall. In einem anderen Gang des Supermarktes. Das Kind wollte es haben, unbedingt. Die junge, geschäftig wirkende Mutter und Frau ignorierte die Wünsche des Kindes und den damit verbundenen Lärm. Sie schien darin Erfahrung zu haben.
Ignoranz schien ein probates Mittel.
Sie redete und schaute Kubitsch irritiert an. Redete und ging weiter. Das Kind schrie. Weiter ignoriert von der Mutter. Und das, was es haben wollte, ließ sich einfach nicht greifen.
Er schaute den beiden nach.
„Du wirst wohl gleich in den Hort abgeschoben, wo du den ganzen Tag mit Gleichaltrigen verbringen musst, ohne Mutter“, dachte Kubitsch.
Fluch oder Segen?!
Er wusste es nicht. Kubitsch wusste es nicht.
Der Gong erklang. Dann:
„Sehr geehrte Kunden!“, scholl es aus den unsichtbaren Lautsprechern, „Kasse drei wird in Kürze für Sie geöffnet. Bitte legen Sie die Ware bereits auf das Band.“
Dann die Wiederholung.
Für diese frühe Zeit war viel los im Laden.
Er drehte den Kopf und stellte die nächste Dose ins Regal vor sich. Das machte er bereits seit über einer Stunde. Regale auffüllen, in seinem Supermarkt. Eine Dose nach der anderen. Er arbeitete konzentriert und zügig, aber nicht hektisch. Niemand redete ihm dazwischen, wenn er Ware in die Regale sortierte. Dann wussten alle bescheid.
Er zählte die Dosen und drehte sie so, dass der Kunde das Etikett gut sehen konnte. Das machte er mit allen Packungen. Mit allen Waren. Das ließ er sich nicht nehmen. Trotz seiner Position.
„Zweihundertfünfunddreißig.“
Es hatte etwas Beruhigendes, die Dosen zu nehmen und hinzustellen und zu zählen.
„Zweihundertsechsunddreißig.“
Auch wenn er wusste, dass die Kunden die Ordnung im Laufe des Tages durcheinander bringen würden. Er sorgte am Anfang des Tages für Ordnung.

„Wo finde ich Zahnpaste?“, hörte er eine Stimme neben sich.
Er drehte den Kopf. Neben ihm stand eine ältere Frau. Sie hatte sich genähert, ohne dass er sie gehört hatte. Trotz des Stocks, den sie als Gehilfe benutzte. Er ärgerte sich, weil er beim Klang ihrer hohen Stimme ein wenig zusammengezuckt war.
„Hallo?!“, sagte ihre Stimme energisch. „Junger Mann? Wo ist die Zahnpasta?“
Kubitsch schaute die Frau an.
Er schien ihr nicht schnell genug zu reagieren.
Sie starrte ihn mürrisch an. Ungeduldig.
„So früh am Morgen schon so ungeduldig“, dachte Kubitsch. „Warum ... warum waren sie alle immer nur so ungeduldig?“
Auch ältere Frauen waren oft hektisch. Und ungeduldig, sie hatten oft noch weniger Zeit als die jungen Leute mit ihren Smartphones und Kindern für den Hort. Mit ihren Terminen und Deadlines.
„Zahnpasta? Ich suche die Zahnpasta?“ Sie klopfte mit dem Stock auf den Boden. „Zahn – tock – pas – tock – ta – tock.“ Drei Silben, drei Klopfer.
Vielleicht war sie Lehrerin gewesen. Grundschullehrerin. Deswegen sprach sie ihm das Wort im Takt der Silben vor, damit sie sicher gehen konnte, dass er sie verstand. Früher hätte sie die Silben geklatscht, heute benutzte sie den Stock.
„Warum ließ sie ihre Aussage wie eine Frage klingen?“, fragte sich Kubitsch. „Zweifelt sie daran, dass mein Laden Zahnpasta führt?“
Er nickte geduldig.
Und schloss kurz die Augen.
Als er sie wieder öffnete, war sie noch immer da und schaute zu ihm hoch.
„Gehen Sie bis zum Ende des Ganges, dann rechts und dann in den vierten Gang links. Am Ende des Ganges auf der linken Seite finden Sie in den zwei unteren Regalen Zahnpasta. Sonderangebote ganz unten.“
Sie starrte ihn an.
Waren das zu viele Anweisungen hintereinander? Zu viele Arbeitsaufträge in wenigen Sätzen? Als Lehrerin war sie es eventuell gewohnt, immer nur eine Anweisung zu geben, und erst nach deren korrekter Ausführung die nächste Anweisung. Oder hatte sie nicht erwartet, dass er ihr so präzise Auskunft geben konnte?
Sie schaute ihn etwas vorwurfsvoll an, drehte sich wortlos um und ging den Gang entlang. Er schaute ihr hinterher. Sie brummte noch irgendetwas vor sich hin, das er nicht verstehen konnte. Am Ende des Ganges ging sie nach rechts. Er nickte zufrieden.
Sie drehte sie noch einmal um, bevor sie hinter dem Regal verschwand.
Er nahm die nächste Dose.
„Zweihundertsiebenunddreißig.“
Die nächste Dose. Er fand seinen Rhythmus wieder und atmete gleichmäßig.
Es wurde wieder ruhiger in seinem Kopf.

„Herr Kubitsch?“
„Zweihundert ...“
Er hielt inne.
„Frau Metzler ist jetzt da.“
Die Stimme von Frau Müller war direkt hinter ihm. Im selben Gang. Er hatte sie wieder nicht kommen hören. Er hielt in der Bewegung inne. Atmete ein und wieder aus und stellte die Dose an ihren Platz.
„Zweihundertachtundneunzig.“
Er drehte der Kopf und sah Frau Müller und eine andere junge Frau, von der er annahm, dass es sich um Frau Metzler handelte.
Ja, es war die Frau auf dem Foto. Die Bewerbung für die Kasse. Zunächst ein Aushilfsjob. Mit Aussicht auf Festanstellung.
Er war immer bemüht, Aushilfen langfristig zu binden.
Wenn die Bewerberinnen denn das nötige Talent mitbrachten und fleißig, geschickt und ausdauernd waren und die notwendige Motivation hatten. Letzteres, das wusste er auch, war bei einem Job als Kassiererin nicht so einfach. Die Bezahlung war nicht immer Motivation genug.
Er drehte sich vollends um.
„Frau Metzler?“
„Ja“, sagte die junge Frau.
Das notwendige äußere Erscheinungsbild stimmte. Er stieg von der Leiter.
Frau Metzler lächelte.
„Machen Sie hier weiter“, sagte er zu Frau Müller.
„Ja.“
Er konnte sich auf Frau Müller verlassen, sie war bereits seit drei Jahren im Supermarkt angestellt.
„Kommen Sie“, sagte er und machte sich bereits auf den Weg. „Wir gehen in mein Büro.“
Er ging vor. Sie folgte ihm.
„Setzen Sie sich“, sagte er im Büro.
Sie setzte sich auf einen der beiden Stühle vor seinem Schreibtisch.
Er setzte sich, nachdem sie Platz genommen hatte.
„Ihren Unterlagen entnehme ich, dass sie eine Ausbildung als Verkäuferin haben.“
„Ja.“
„Das ist schon mal gut, dann wissen Sie ja, worum es geht.“
„Ja.“
„Sie haben Erfahrung?“
„Ja.“
Er hob fragend die Augenbrauen.
„Bisher nur als Aushilfe. Stundenweise.“
Er nickte.
„Wie wichtig ist Ihnen diese Stelle?“
Sie schaute fragend.
Er stand auf und ging um den Schreibtisch herum. „Was wären Sie bereit zu tun, um diese Stelle zu bekommen und zu behalten?“, fragte er und blieb dicht neben ihr stehen. Fast berührte er mit dem Bauch ihre Schulter. Er sah den Ansatz ihrer Brüste. Deutlich.
Auch sie hatte ihre Kleidung bewusst gewählt. Da war er sicher.
Sie drehte den Kopf und den Oberkörper zu ihm und schaute nach oben.
„Es ist ganz einfach“, dachte Kubitsch.
„Sie wissen, dass Sie nicht die einzige Bewerberin sind“, stellte er fest. „Viele wären froh, diese Stelle zu bekommen und viele sind bereit viel zu tun dafür.“
„Was meinen Sie?“, fragte sie unsicher.
Sie sah, wo er hinschaute.
„Was meinen Sie?!“, fragte er.
„Ich weiß nicht.“
„Sie sind jung, sehen gut aus und brauchen eine Arbeit, um sich Ihre Wünsche zu erfüllen. Ich kann Ihnen dabei helfen. Ich kann Ihnen diese Arbeitsstelle geben. Doch was sind Sie bereit dafür zu tun.“
Sie drehte sich wieder nach vorn und schaute geradeaus, dorthin, wo er eben noch gesessen hatte. Er sah, dass sie nervös war und dass diese Nervosität größer wurde. Sie dachte nach.
„Ich weiß nicht.“
„Wissen Sie, wir sind hier mehr so eine Familie. Keine Firma. Nicht das normale nullachtfuffzehn Angestelltenverhältnis. Hier ist einer für den anderen da. Wir respektieren uns und nehmen aufeinander Rücksicht.“
Sie schaute ihn an.
„Was meinen Sie?", fragte er noch einmal.
„Ich weiß nicht.“
„Sie wissen viel nicht.“
„Reichen Ihnen meine Bewerbungsunterlagen nicht?“, fragte sie.
„Das sind nur Zahlen und Buchstaben. Was sagen die über Sie aus? Ich kann hier niemanden gebrauchen, der nicht bereit ist, für seine Arbeitsstelle etwas zu tun. Wer hier arbeitet, arbeitet nicht nur für den Markt. Das hier ist mein Laden und ich will wissen, mit wem ich es zu tun habe. Noten und Zeugnisse oder Empfehlungsschreiben sind für mich nicht ausschlaggebend. Ich will den Menschen hinter den Zahlen und Buchstaben sehen. Und kennen.“
„Was wollen Sie von mir?“
„Ich? Ich will gar nichts von Ihnen. Sie wollen etwas von mir. Und zwar die Zusage für diese Stelle als Verkäuferin. Oder stimmt das etwa nicht?“
„Doch, doch. Ich hätte diese Stelle schon gern.“
„Also wollen Sie etwas von mir. Und jetzt noch einmal meine Frage: Was sind Sie bereit für diese Stelle zu geben, was sind Sie bereit dafür zu tun, um sie zu bekommen und zu behalten? Auch gutes Aussehen und Jugend sind keine Kriterien, um eine Stelle bei mir zu bekommen.“
Er legt eine Hand auf ihre Schulter.
„Ich verstehe nicht.“
„Oh“, seufzte er, „das ist schade.“
Er nahm die Hand weg.
In diesem Moment klingelte es. Nein, eigentlich klingelte es nicht. Irgendeine Melodie war zu hören. Er hatte sie schon einmal gehört. Ständig hörte er irgendwelche Melodien. Überall. Nur nicht hier im Laden und schon gar nicht in seinem Büro.
Das war eine seiner Regeln. Die Angestellten kannten sie.
Er schaute sie an und wartete.
„Das wird sie jetzt nicht tun. Dafür ist dieses Gespräch zu wichtig. Für sie“, dachte er und blieb dicht neben ihr stehen.
Er sah, dass sie seine Nähe spürte. Er sah ihre Brüste. Sie bewegten sich.
Sie griff in ihre Jackentasche, holte ihr Smartphone heraus und nahm den Anruf entgegen.
„Hallo, Simone.“
Sie hörte zu.
„Nein, ich kann jetzt gerade nicht. Später. Ja.“
Er drehte sich um und ging zur Tür. Er öffnete die Tür und verließ das Büro.
„Ja, ich ruf dich nachher zurück“, hörte er sie noch sagen.

Er ging zu Frau Müller.
Die Leiter stand im selben Regal drei Meter weiter links.
„Sagen Sie dieser Frau in meinem Büro, dass wir uns melden, wenn wir uns entschieden haben.“
„Ja.“
Frau Müller stieg von der Leiter.
Er schaute sie an.
„Siebenundvierzig.“
Er nickte. Sie drehte sich um und ging zum Büro. Er schaute ihr nach und stieg dann die Leiter hoch.
Die nächste Verpackung.
„Achtundvierzig“, sagte er und atmete langsam sehr tief ein und sehr langsam wieder aus. Niemand würde ihn ansprechen.
Er schloss die Augen und atmete.
Er atmete ein und er atmete aus.
„Neunundvierzig.“
Er hörte nur seinen Atem. Und ein leises Rauschen im Ohr, das bald verstummte.
Er atmete tief ein und er atmete tief wieder aus.
Und dann war es absolut still. Auch in seinem Kopf.
„Fünfzig.“

„Herr Kubitsch?“
Er erkannte die Stimme und ... seufzte. Er hatte es geahnt. Lächelte kurz.
Er drehte sich um. Er wusste, was jetzt kommen würde.
Doch noch bevor sie ihre Entschuldigung aussprechen konnte, schüttelte er langsam den Kopf.
Er sah, wie sich ihre Finger vor ihrem Bauch umeinander wanden und sie ihre Hände knetete.
„Bitte!“
Er betrachtete den Ansatz ihrer jugendlichen Brüste.
Sie schaute zu ihm auf.
„Herr Kubitsch, bitte! Ich weiß es jetzt.“
Er schaute sie lange an. Und schwieg.
Dann nickte er.
„Gut. Dann kommen Sie nächste Woche noch einmal wieder. Und denken Sie gut darüber nach.“
„Ich will diese Stelle.“
„Gut, dann wissen Sie, was von Ihnen erwartet wird.“
Sie nickte und lächelte.
„Danke.“
Er sah die Verkrampfung in ihrem Gesicht. Aber die würde sich noch lösen. Ja, die würde sich lösen, die Verkrampfung.
Er drehte sich zum Regal.
„Einundfünfzig.“
„Bis nächste Woche, Herr Kubitsch.“
Ihre Schritte entfernten sich.
Der Rest des Tages schwebte an ihm vorbei.

Bereits vor dem Abendessen zitterte seine rechte Hand. Und er wusste es, er spürte es. An diesem Abend war es Zeit für den Schrank.
Nach dem Essen räumte er den Tisch ab, stellte alles weg und wusch das Geschirr ab. Er ging in den Flur. Und stellte fest, dass er nicht auf die Toilette musste. Er ging nach rechts.
Und blieb vor der Tür zum Keller stehen und wartete.
Es war still in ihm, noch, aber er spürte es, es würde kommen. Seine Hände zitterten jetzt beide. Er wurde nicht ruhiger.
Frau Metzler würde nächste Woche noch einmal vorbei kommen. Und sie wusste, was er erwartete. Sie wusste es jetzt. Das hatte sie gesagt.
Er atmete tief durch. Ein und aus.
Er lächelt.
Dann öffnete er entschlossen die schwere Tür zum Keller, schaltete das Licht an, machte einen Schritt auf die erste Stufe und zog die Tür hinter sich zu. Er ging die Treppe hinunter und als er die untere, ebenfalls sehr schwere Tür öffnete, die auf der Innenseite mit Schaumstoff ausgeschlagen war, schaltete sich das Licht im Keller ein. Er machte das Licht für die Treppe aus.
Er betrat den Keller und zog die Tür hinter sich zu. Er ging durch den schmalen Flur zum hinteren Raum und öffnete die Tür. Das Licht im Flur ging aus.
Er betrat den Raum. Das Licht ging an und er zog hinter sich die schwere Tür zu.
Stille.
Auch diese Tür, sowie die Decke, der Boden und die Wände des fensterlosen Raumes waren mit Dämmmaterial ausgelegt. Der Raum war ursprünglich größer, fast fünfundzwanzig Quadratmeter groß.
Er atmete tief ein und wieder aus. Eine Minute.
Stille.
Er zog die Schuhe aus und berührte den dicken Teppichboden. Er bewegte die Zehen und ging zum Schrank.
Der große, alte Bauernschrank stand mitten im Raum.
Er zog die Türen auf und stieg in den Schrank. Er setzte sich auf die kleine Bank und zog eine Tür zu. Als das Licht ausging, zog er die andere Tür zu.
Dunkelheit.
Und Stille.
Niemand, der ihn ansprechen würde.
Er schloss die Augen und atmete.
Hier brauchte er nicht zählen.
Er atmete ein und er atmete aus.
Er hörte nur seinen Atem. Und ein leises Rauschen im Ohr, das bald verstummte.
Er atmete tief ein und er atmete tief wieder aus.
Keine Zahlen.
Keine Stimmen.
Keine Frau Metzler.
Und dann war es absolut still. Auch in seinem Kopf.
Er atmete nur noch.
Und konnte es kontrollieren.
Für den Moment …

 

Hola marc,

amüsante Geschichte! In Deinem Profil lese ich:

Vielleicht befinde ich mich schreibtechnisch ja auf dem falschen Weg.

Aber hallo! Wieso denn? Ich hätte nichts zu mäkeln: Beinahe fehlerfrei, Formatierung okay, eine spürbar sichere Schreibweise.
Nur bei den folgenden Punkten blieb ich einen Moment hängen:

... dass die Kunden die Ordnung im Laufe des Tages durcheinander bringen würde(n)
Neben ihm stand eine ältere Frau.
Plötzlich ist Kubitsch über ihr:
... war sie noch immer da und schaute zu ihm hoch.
An anderer Stelle:
Die Stimme von Frau Müller war direkt hinter ihm.
Aber:
Er stieg von der Leiter.

Er nahm die nächste Dose.
„Zweihundertsiebenunddreißig.“
Das kommt mir unwahrscheinlich vor. Er entnimmt die Dosen irgendwelchen Kartons. Jeder Karton enthält z.B. 24 Dosen. 5 Kartons hat er von diesem Artikel, also ...
Oder es sind lose Dosen – dann wird er sie im Rechteck aufstellen und Länge mal Breite (und ev.) mal Höhe multiplizieren. Auf jeden Fall wird er nicht so wie beschrieben arbeiten. Außerdem ist er der Betreiber des Ladens und kein Dämel.

... sind bereit K viel zu tun dafür.“

„Was meinen Sie"?“, fragte er noch einmal.

High Noon findet im Keller statt. Ich dachte, er wolle sich da sexuell entspannen, aber nein: Er braucht es dunkel und mucksmäuschenstill. So ein Tinnitus kann einen schon verrückt machen. Doch wenn es das sein sollte, dann würde diese Qual auch im tiefen Keller anhalten.
(Oder im vegetativen Nervensystem stimmt etwas nicht.)

Hier brauchte er nicht zählen.
Möglicherweise muss er zählen, um nicht verrückt zu werden, und meine Effizienzvorschläge sind für ihn nicht geeignet. Kann auch sein, dass ich ziemlich daneben liege mit meinen Vermutungen.
(Aber wenn er froh ist, nicht zählen zu müssen, dann wackelt die ganze Geschichte. Denn einen Chef, der wie eine Hilfskraft arbeitet, kann ich Dir bei der heutigen Marktsituation leider nicht abkaufen.)
Aber das ist nicht schlimm – es sind ja nur meine Leseeindrücke.
Und es las sich prima!

José

 

Hallo josefelipe,

vielen Dank für die klaren Worte.

Ich sehe und lese, dass da noch einiges zu tun ist.
Vermutlich habe ich zu viel im Kopf von dem ich denke, dass es der Leser ja auch schon weiß, so wie ich als Autor ....
Ich habe offensichtlich noch nicht das ausdrücken können, was ich im Sinn habe.

Vielleicht gibts ja noch mehr Feedback und dann sehe ich mal, wie es weitergeht ...

G, marc

 

Hallo Marc,

so wie Josefelipe finde ich deine KG sehr gut. Der Herr Kubitsch ist ja schon ein seltsamer Typ, aber gerade das macht die KG so interessant. Er hat also so ein paar Zwänge, seine Regeln, und hört so ein Rauschen. Oder sind es keine Zwänge und er macht es gerne, aber dann ist das Ende mit dem vom Zählen entspannen nicht glaubwürdig. Und da muss die Bewerberin sogar körperlich ran, um die Stelle zu bekommen. In Wahrheit gäbe es da wohl schnell eine Anzeige von der jungen Dame, oder? Das stört mich aber nicht an der Geschichte.
Ich habe nicht viel zu bemängeln. Zu Beginn störte es mich, dass du nach jedem Satz einen Absatz gemacht hast. Später fand ich, dass du an ein paar Stellen statt eines Nebensatzen mit zuvor einem Komma einen ganz neuen Satz gemacht hast. Weißt du was ich meine? Das klang dann so abgehackt.

Aber insgesamt fand ich die KG lesenswert.

Lg, chico

 

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