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Der Schneckenbaum

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11.12.2015
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Der Schneckenbaum

„Ach ja!“, seufzt Erwin und streicht Greta liebevoll über den Arm. „Das waren gute Zeiten damals.“
Greta schaut kurz auf, nickt, lächelt versonnen. „Ja, Erwin. Das waren sie.“ Mit einem verzagten Lächeln widmet sie sich wieder ihrer Arbeit und schält weiter die Kartoffeln. Lose verstreut liegen die noch zu schälenden auf dem Tisch unter dem Apfelbaum. Erdklümpchen fallen von ihnen ab.
Einige Schnecken sind in der Nacht am Baumstamm hochgekrochen und suchen nun Schutz in der schattigen Krone. Sanft, im Rhythmus des Windes, tanzen die Schatten der Blätter auf der Tischdecke. Es ist ein ruhiger Vormittag. Friedvoll. Die Luft ist schwer vom Duft des Flieders und es ist zu erahnen, dass es wieder ein sehr heißer Tag wird.

Erwin beobachtet eine Biene. Lauscht ihrem Summen. Damals, als er Greta kennenlernte, trug sie ein zitronengelbes Kleid mit kleinen hellblauen Blüten bedruckt über ihrem Badeanzug. Ihr helles Lachen war über den ganzen See zu hören. Ihr Haar leuchtete in der untergehenden Sonne golden. Es lag ein Zauber über allem. Keiner der Freunde wollte nach Hause gehen, obwohl es bereits dämmerte. So wurde ein Lagerfeuer entzündet und alle versammelten sich darum. Schon bald fanden sich ihre Blicke und ließen einander nicht mehr los. Sie nahm seine Hand und zog ihn mit sich fort. Ihre Haut roch nach Sonnenmilch, der Badeanzug nach Seewasser.
Das ist fast ein halbes Jahrhundert her.

Greta legt die nächste Kartoffel in den Topf mit Wasser. Sie ist nur halb geschält und Reste der Erde lösen sich langsam im Wasser ab. Es ist schon ganz braun. Erwin wendet schnell den Blick ab. „Ich mache uns einen Tee, Greta!“

Er geht in die Küche und bereitet das Teegeschirr vor. Tassen, Löffel, Filter in die Kanne. Wasser kochen. Früher hat Greta das immer getan. Er stützt sich am Herd ab.

Damals, als ihr Kind viel zu früh geboren wurde. Als die Ärzte sagten, er würde es nicht schaffen, ihr Sohn, der Peter. Damals saß sie wochenlang neben seinem Bettchen, mit all den Schläuchen und Apparaten. Klein, rosa und unfertig lag er da. Und sie wachte über ihn. Tag und Nacht. Sie gab ihn nie auf, dachte nicht mal daran, kämpfte um ihn. Bis dieses Würmchen, ihr Peter, wohl eines Tages beschloss, eben doch ein fertiges Baby zu sein und überlebte.

Er blickt durch die Fensterscheiben in den Garten, wo eine alte Frau Kartoffeln schnitzt. Seine Nase wird rot und er muss sich heftig die Augen reiben. Einen verzweifelten Schluchzer kann er nicht unterdrücken. Tränen tropfen auf die Tassen.

Nächtelang hat er wachgelegen und darüber nachgegrübelt, ob es richtig sei.
Der Arzt hatte ihnen den Verlauf der Krankheit genau geschildert. Sie wussten, was sie erwartet. Er gab ihr sein Versprechen.
Er liebt sie so sehr! Doch dieser hilflose, ängstliche Blick: das ist nicht seine Greta. Das ist sie nicht!

Das Pfeifen des Teekessels holt ihn aus seinen Gedanken zurück. Er reibt sich das Gesicht trocken. Heute erst hatte er ihm geschrieben, seinem Sohn, dem Peter, der inzwischen mit eigener Familie glücklich im Westen lebt. Auch ihn liebt er.

Mit leisem Klappern stellt Erwin das Teegeschirr auf einem Tablett zusammen. Es ist ein helles Klappern, klingt fast fröhlich. Er hat alles vorbereitet.

Zurück im Garten umfängt ihn wieder dieser Frieden. Die Blätter rascheln im Wind. Die Schnecken haben einen kühlen Platz am Baumstamm gefunden und sich ins Häuschen zurückgezogen. Greta schält emsig die Kartoffeln. Es sind nur noch wenige übrig. Erwin stellt dass Tablett zwischen die Erdklümpchen, die von den Kartoffeln abgefallen sind, auf den Tisch und schenkt beiden ein.

Dann lehnt er sich in seinem Stuhl zurück, so dass ihm die Sonne ins Gesicht scheinen kann und schließt die Augen. „Ich habe Peter einen Brief geschrieben", murmelt er müde.
„Wer ist Peter?“, fragt Greta mit überraschtem Blick.
„Trink noch einen Schluck Tee, mein Liebes!“, beflissen wie ein braves Kind nimmt Greta die Tasse und trinkt sie leer.

Die Schatten tanzen über die Tischdecke. Eine kleine Schnecke fällt vom Baum.

Greta sackt ganz leise neben Erwin zusammen. Ihre Hand öffnet sich, und das Schälmesser fällt zu Boden. Erwin schließt sie in seine Arme und streicht ihr wie einem schlafenden Kind über die Wange. Dann trinkt er den letzten Schluck aus seiner Tasse.

 

Hej Lind,

am allerliebsten würde ich solche traurigen Geschichten gar nicht lesen, mich mit ihnen auseinandersetzen, bzw. mit dieser Thematik. Aber sie war so schön dagestellt und so schnell zu Ende, dass ich gar keine echte Wahl hatte.

Und deswegen möchte ich dir sagen, dass mir dein lauschiger Sommervormittag sehr schön geschildert scheint, sanft, liebevoll. Ich kann ihn riechen, fühlen, sehen. Ich sehe Greta (beide) und den tragischen Erwin.
Wirklich schön, wie wir der Auflösung näher kamen. Schöne Bilder, die du konstruierst.

Achnee. Das Leben ist echt eins der härtesten. :confused:

Tapferer, alter Erwin.

Freudvoller, Betroffener Gruß , Kanji

 

Hola Lind,

vom klug gewählten Titel bis zum berührenden Ende hast Du ein kleines, stilles Kunststück fabriziert, sodass der Leser teilnimmt an diesem unaufgeregten Drama, das ja gerade wegen seiner Schlichtheit so eindringlich ist.
Bei der nur halb geschälten Kartoffel war es dann um die Idylle geschehen.

Ein geschickter Text, mir hat er sehr gefallen.
Viele Grüße!

José

 

Hallo Lind,

das trifft sich gut, erst kürzlich dachte ich so für mich, dass uns hier im Forum der Verfasser der „Kältekammer“ abhanden gekommen ist. Dem ist wohl doch nicht so.

In meinen Augen ist dir da eine leise, gefühlvolle Geschichte gelungen, die nicht ins Sentimentale abgleitet.
Im Grund genommen passiert ja nicht viel: Du lässt mich teilhaben am Tagesablauf eines älteren Ehepaares, durch wenige Rückblenden erfasst du das Leben der beiden im Zeitraffer, zeigst so eindringlich die Veränderung, die Vergänglichkeit. Ein bisschen friedliche Natur als Umrahmung, die Idylle ist trügerisch, sie steht im klaren Kontrast zur Problematik Demenz.
Ich finde, das kannst du sehr gut, mit knappen, treffenden Worten eine Stimmung erzeugen, die dann die gesamte Handlung trägt (hab ich schon bei der „Kältekammer“ so empfunden, hab dummerweise meinen Kommentar nicht gepostet).

Das Ende erschien mir zuerst etwas zu dramatisch, ich dachte, ein kurzes Einnicken der alten Dame wäre auch eine Möglichkeit gewesen (schrecklich, mein Hang zu Friede, Freude, Eierkuchen). Beim Nachsinnen fand ich dann Trost in der Erkenntnis, dass wir es letztlich mit einem Happyende zu tun haben, da Greta weiterer Verfall erspart bleibt.

Ich hab gerade gesehen, das ´zu´ hast du schon vom ´widmen´ entfernt und aus ´ihren´ einen ´ihrem Badeanzug´ gemacht. Schade, jetzt hab ich nicht mal Flüchtigkeitsfehler zu bemängeln.

Deine KG hab ich gerne gelesen. Schön, dass du wieder hier bist.

Gruß peregrina

 

Hallo Lind

Wow, was soll ich sagen. Ist es deine unaufgeregte, klare Sprache, ganz ohne Patos, ist es die Kürze oder einfach der richtige Moment. Eine berührende Geschichte über eine der grausamsten Krankheiten unserer Zeit. Der Erwin war tapfer, und nun nimmt er die Verantwortung, für sich und seine Greata eine vorzeitge Entscheidung zu treffen. Einen schönen, friedvollen Moment hat er sich dazu ausgesucht. Klar, das Leid wird weiter ziehen, spätestens wenn Peter den Brief erhält, aber die Zeit und Hoffnung auf Verständnis wird auch diese Wunden heilen.

Ich fand den Aufhänger mit den Schnecken sehr gelungen, das schleichende "Fortbewegen" und sich ins Schneckenhaus zurückziehen, das sind erkennbare Parallelen zu der furchtbaren Krankheit.

Die Luft ist schwer vom Duft des Flieders und es ist zu [er]ahnen, dass es wieder ein sehr heißer Tag werden wird.
das erahnen kann man auch ganz weglassen: "... und es wird wohl wieder ein sehr heisser Tag werden."

Schon bald fanden sich ihre Blicke und ließen einander nicht mehr los. Sie nahm seine Hand und zog ihn mit sich fort.
Sehr schön gezeichnet, damit ist alles gesagt.

Greta legt die nächste geschälte Kartoffel in den Topf mit Wasser. Sie ist nur halb geschält
WW. Das erste geschält kann weg.

Klein, rosa und unfertig lag er da.
Schön!

Er blickt durch die Fensterscheiben in den Garten, wo eine alte Frau Kartoffeln schnitzt.
Auch hier wieder, die richtigen Worte gewählt, um die schleichende Entfremdung aufzuzeigen. Klasse gemacht.

das ist nicht seine Greta. Das ist sie nicht!
Vorschlag, aber wirklich nur so als kleine Idee:
"das ist nicht seine Greta. Nicht mehr!"

Eine kleine Schnecke fällt vom Baum.
Subtiles Gleichnis, gefällt mir.

Sehr, sehr gern gelesen.

Liebe Grüsse,
dot

 

Hallo Lind,

ein kleiner Vorschlag:

streicht ihr wie bei einem schlafenden Kind über die Wange

Sonst kann ich niht viel dazu sagen. Ich bin oft mit dementen Menschen zusammen und es ist zu Tränen rührend, wenn in den wenigen Fällen, in denen ein Ehepaar zusammen im Heim lebt, erlebe, wie der (noch) geistig rege Partner den demtenten Partner umsorgt. Es bleibt nicht aus, dass man sich fragt: Wann wird es bei mir so weit sein? Und doch: Greta ist in ihrer kleiner werdenden Welt zufrieden. Sie vermisst nichts. Aber Erwin leidet. Ober da die richtige Entscheidugn trifft? Ich möchte diese Frage nicht entscheiden müssen.

Sehr gerne gelesen

Jobär

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo zusammen!
ein Dank an alle für die Kommentare und Anregungen. Euer Feedback beruhigt mich. Ich war nicht sicher, ob ich die Geschichte überhaupt posten sollte, da es sich doch um ein sensibles Thema handelt, welches respektvoll behandelt werden muss.
Ich möchte ganz klar abgrenzen, dass die Entscheidung Erwins in dieser Geschichte, nicht meine persönliche ist. Es ist und bleibt eine Geschichte. Wie Jobär schon sagte: "Ich möchte diese Frage nicht entscheiden müssen."
Kanji: es ist nur eine Geschichte!!! Aber danke, dass du so tapfer bis zum Schluss durchgehalten hast, bei diesem tief gehendem Thema. Man darf auch mal Betroffenheit zeigen.
josefelipe: "Kleines, stilles Kunststück" - schön! Dank dir! Freut mich, dass es dir gefallen hat.
peregrina: Ja. Ich bin noch da. War auch nie richtig weg. Ich lese viele Geschichten, aber mit dem Kommentieren tue ich mich so schwer.
Schön, dass dir meine Kurzgeschichte gefallen hat. Auch "die Kältekammer".
Gelobe Besserung in allen Punkten! Mehr Kommentare und mehr Geschichten. Wenn da bloß der lästige Alltag nicht wär...
dotslash: Habe zwei Änderungen von dir übernommen.
Bei: "Das ist nicht seine Greta. Das ist sie nicht!" oder "Das ist nicht seine Greta. Nicht mehr!"
Tatsächlich ist das ein Satz, an dem ich beim Schreiben lange hin und her überlegt habe.
Aber ich finde und fand deine vorgeschlagene Variante zu offensichtlich. Zu sehr mit dem Finger draufgezeigt und für Erwin irgendwie nicht kämpferisch genug, um den Rest durchzuziehen.
Freut mich, dass du die Geschichte gerne gelesen hast.
jobär: deine vorgeschlagene Änderung werde ich vornehmen.
Schön, dass du geantwortet hast. Wie ich schon erwähnte, war ich mir nicht sicher, wegen der Reaktionen darauf und deshalb freut es mich, dass du, der oft mit dementen Menschen zusammen bist, dieser Geschichte sogar eine Empfehlung gegeben hast. Vielen, lieben Dank dafür!
Dass es Greta in ihrer immer kleiner werdenden Welt gut geht, will ich nicht abstreiten. Vielleicht hat sie das ja mit Erwin alles vorher so besprochen, in früheren, klareren Tagen. Dass sie zusammen gehen werden. Wer weiß?

Ich habe mit Absicht viele Fragen offen gelassen und nicht ein einziges Mal Worte wie "Vergesslichkeit" oder gar "Demenz" verwendet. Alles ist nur angedeutet. Auch das Ende der Geschichte. Alles passiert im Kopf des Lesers.

Grüße
Lind

 
Zuletzt bearbeitet:

"In der abendlichen Sonne
sitzen wir gebeugten Rückens
auf den Bänken in dem Grünen.
Unsere Arme hängen nieder,
unsere Augen linzeln traurig."​

Er blickt durch die Fensterscheiben in den Garten, wo eine alte Frau Kartoffeln schnitzt.
Nichts zeigt die Entfremdung deutlicher als dieser kleine Satz.

Hallo Lind,

alles vielleicht schon gesagt und doch nicht so ganz.

Der Gegensatz von jung und alt (zu werden +, wie in dieser schön erzählten Geschichte) sein spiegelt sich auch in der Wahl des Getiers: Dort die emsige Biene, dort die träge Schnecke bis hin, als eine Schnecke vom Baum und Greta leise ... ja, müde ist/wird ...

Er weiß, was sie erwartet. Er liebt sie so sehr!
Womit wir an die Pforte des Trivialeren stoßen, denn was Peter da erwartet mag manchem nicht gar so schlimm erscheinen und ist doch für den im vollen Bewusstsein Stehenden viel schlimmer noch, als seiner Liebe (jetzt kann man's ja getrost sagen) des Lebens. Vielleicht darum besser statt
Er weiß, was sie erwartet
den Plural des Pronomens verdeutlichen "..., was beide erwartet".

Die Luft ist schwer vom Duft des Flieders und es ist zu erahnen, dass es wieder ein sehr heißer Tag werden wird.
Warum hier das mir umständlich erscheinend, gedoppelte werden?, wenn "wird" doch genügt?

Bissken Zeichensetzung

Damals[,] als ihr Kind viel zu früh geboren wurde.
„Wer ist Peter?“[,] fragt Greta mit überraschtem Blick.

Und einem Zwitter, wenn es so stehen bleibt, Komma
„Trink noch einen Schluck Tee, mein Liebes!“[,] beflissen wie ein braves Kind nimmt Greta die Tasse und trinkt sie leer.
sollte ein neuer Satz angefangen werden
„... Tee, mein Liebes!“ eflissen wie ein braves Kind ...

Gern gelesen vom

Friedel,

der manchmal auf kleine Schätze gestoßen werden muss wie hier.
Dank Dir, jobär!

"Und die Menschen gehn in Kleidern
schwankend auf dem Kies spazieren
unter diesem großen Himmel,
der von Hügeln in der Ferne
sich zu fernen Hügeln breitet."
Kafka​

 

Hallo Friedel,
Vielen Dank für deine Anmerkungen. Hab soweit alles korrigiert.
Den Satz: "Er weiß, was sie erwartet" möchte ich so stehen lassen, da er mehr Raum bietet als "Er weiß, was beide erwartet" und mehr umfasst.
So könnte Erwin nicht nur wissen, "was sie (Greta) erwartet" sondern sogar "was sie (beide) erwartet" oder "was sie (alle, einschließlich Peter) erwartet."
Natürlich ist im folgenden Satz dann die Rede von Greta, die er so liebt. Damit relativiert sich das dann ein wenig. Aber trotzdem will ich das so stehen lassen.

Freut mich, dass du es gern gelesen hast.

Grüße
Lind

 

Nix zu danken,

Lind,

es sind alles nur Vorschläge, mehr kann und vor allem will es zu einem Text eines anderen auch gar nicht sein.

Gruß

Friedel

 

Hallo Lind,


ich finde, der Text macht es sich zu einfach. Natürlich spielt sich das Meiste im Kopf des Lesers ab - das gelingt dir - auf manipulative Weise - gut. Denke ich eingehender über den Inhalt deiner Geschichte nach, fehlen da doch klare Motive für mich, um den "Mord" (bleibt natürlich Interpretation des Lesers, aber ich glaube, auf die Tötung(en) zielst du schon ab, oder?), nachvollziehbarer, ja, moralisch vertretbarer zu machen. Das Bild von Demenz ist dafür zu weich und lieblich gezeichnet - für meinen Geschmack; keine Aggression, kein "Ich kann nicht mehr, halte das nicht aus", keine Überforderung. Da sitzt diese lächelnde (senile), gut gelaunte, alte Dame beim Kartoffelschälen im sommerlichen Garten. Hm. Wenn du die dunklen Seiten dieser Erkrankung nicht zeigen möchtest, kann ich sein Handeln nur dadurch erklären/verstehen, wenn sich die beiden in der Vergangenheit ein Versprechen abgegeben haben. Das ließe sich in einem Satz einbauen. Alternativ müsstest du den echten Verfall darlegen und einiges mehr, was zu diesem gehört, finde ich. So bekommt das einen schalen Beigeschmack, denn einen Krimi wolltest du ja nicht schreiben, nicht wahr?

Ein paar Dinge, die mir aufgefallen sind:

„Ach ja!“, seufzt Erwin und streicht Greta liebevoll über den Arm. „Das waren gute Zeiten damals.“
Greta schaut kurz auf, nickt, lächelt versonnen. „Ja, Erwin. Das waren sie.“ Mit einem verzagten Lächeln widmet sie sich wieder ihrer Arbeit und schält weiter die Kartoffeln.
Der Anfang gefällt mir nicht. Ich würde nicht mit direkter Rede anfangen, schon gar nicht mit diesem "Ach, ja".
Dass sie sich an die Zeiten erinnert, versteht, was er ihr mitteilen möchte und auch noch seinen Namen kennt, den des Sohnes aber nicht, will mir nicht zum Bild passen, das du zu zeichnen beabsichtigt hast(?).
Sie lächelt versonnen, lächelt verzagt - da würde ich mich entscheiden.
Vorschlag:
Erwin streicht Greta liebevoll über den Arm und seufzt. „Das waren gute Zeiten damals.“
Greta schaut kurz auf, dann schält sie weiter Kartoffeln.

Damals, als er Greta kennenlernte, trug sie ein zitronengelbes Kleid mit kleinen hellblauen Blüten bedruckt überihre Badeanzug. Ihr helles Lachen war über den ganzen See zu hören. Ihr Haar leuchtete in der untergehenden Sonne golden. Es lag ein Zauber über allem. Keiner der Freunde wollte nach Hause gehen, obwohl es schon dämmerte. So wurde ein Lagerfeuer entzündet und alle versammelten sich darum. Schon bald fanden sich ihre Blicke und ließen einander nicht mehr los.
Da sind viele Wiederholungen im Text und m. E. zu viele Adjektive/Adverbien. Bei so einem kurzen Text, sticht mir das besonders ins Auge.
Vorschlag:
Als er Greta kennenlernte, trug sie ein zitronengelbes Kleid mit hellblauen Blüten bedruckt, darunter ihren Badeanzug. Ihr Lachen schallte über den ganzen See. Ihr Haar leuchtete in der untergehenden Sonne golden. Dem Ganzen lag ein Zauber inne. Keiner der Freunde wollte nach Hause gehen, obwohl es dämmerte. So wurde ein Lagerfeuer entzündet und jeder versammelte sich darum. Schon bald fanden sich ihre Blicke und ließen einander nicht mehr los.

Sie nahm seine Hand und zog ihn mit sich fort. Ihre Haut roch nach Sonnenmilch, der Badeanzug nach Seewasser.
Hat mir gefallen. Ich verstehe das, habe ein Bild und einen weiteren Sinneseindruck.

Damals, als ihr Kind viel zu früh geboren wurde. Als die Ärzte sagten, er würde es nicht schaffen, ihr Sohn, der Peter. Damals saß sie wochenlang neben seinem Bettchen, mit all den Schläuchen und Apparaten. Klein, rosa und unfertig lag er da. Und sie wachte über ihn. Tag und Nacht. Sie gab ihn nie auf, dachte nicht mal daran, kämpfte um ihn. Bis dieses Würmchen, ihr Peter, wohl eines Tages beschloss, eben doch ein fertiges Baby zu sein und überlebte.
Ist mir zu kompliziert geschrieben alles. Wiederholungen, Füllwörter, Würde-Wurde-Kombination ...
Vorschlag:
Als ihr Sohn Peter viel zu früh geboren wurde, glaubten die Ärzte, er werde nicht lange überleben. Damals saß sie wochenlang neben seinem Bettchen, mit all den Schläuchen und Apparaten. Rosa und unfertig lag er da. Und sie wachte über ihn. Tag und Nacht. Gab ihn nie auf, dachte nicht mal daran, kämpfte um ihn. Bis Peter eines Tages beschlossen hatte, ein kräftiges Baby zu sein.

Er blickt durch die Fensterscheiben in den Garten, wo eine alte Frau Kartoffeln schnitzt. Seine Nase wird rot und er muss sich heftig die Augen reiben. Einen verzweifelten Schluchzer kann er nicht unterdrücken. Tränen tropfen auf die Tassen.
Finde ich auch gut, die Distanz sagt eine Menge aus.
Die rote Nase stört mich allerdings :). Streng genommen, werden Nasen erst vom ständigen Putzen rot. Lass doch seine Nase einfach laufen ...

Der Arzt hatte ihm den Verlauf der Krankheit genau geschildert. Er weiß, was sie erwartet. Er liebt sie so sehr! Doch Dieser hilflose, ängstliche Blick: Das ist nicht [mehr] seine Greta. Das ist sie nicht!
Ist mir zu dick aufgetragen und ich würde ein wenig eindampfen/umstellen.

Das Pfeifen des Teekessels holt ihn aus seinen Gedanken zurück. Er reibt sich das Gesicht trocken. Heute erst hatte er ihm geschrieben, seinem Sohn, dem Peter, der inzwischen mit eigener Familie glücklich im Westen lebt. Auch ihn liebt er.
Du verwendest insgesamt sehr viele Personalpronomen in deiner Geschichte, die sich ersetzen ließen. Lass ihn doch einfach dem Peter schreiben. Der letzte Satz dürfte für meinen Geschmach auch weg. Ich gehe erst mal davon aus, dass er Zuneigung zu seinem Sohn verspürt.

Mit leisem Klappern stellt Erwin das Teegeschirr auf einem Tablett zusammen. Es ist ein helles Klappern, klingt fast fröhlich. Er hat alles vorbereitet.
Es klappert leise, hell und fröhlich. Würde ich ganz klar eindampfen.

... wie ein braves Kind ...
... wie einem schlafenden Kind ...
Kurz hintereinander der Vergleich mit einem Kind ist zu viel, finde ich.


Ja, Lind, ist dann doch 'ne Menge an Kritik geworden. Mir hat der Text dann gut gefallen, wenn es um Stimmungen geht. Die hast du gut eingefangen. Ob sie immer zum Inhalt passen, gerade hinsichtlich des Bildes, dass du von Greta zeichnest, weiß ich nicht so recht.
Wie schon angemerkt, solltest du die Verzweiflung klarer erklären, oder eben sowas wie ein Schwur aus der Vergangenheit mit einbringen (Wir lassen nie zu, dass wir so enden ...), um seine Ansichten bzw. die Tat gegen Ende zu verdeutlichen.
Stilistisch solltest du mMn auch noch mal durch den Text. Der ließe sich noch aufpolieren.


Danke fürs Hochladen


hell

 

Hallo Lind,

der Text ist leise, wie von einem Streichinstrument gespielt. Du erzeugst bei mir ein herbstliches Bild ( auch wenn die Geschichte im Sommer spielt, was mich dann doch gewundert hat) mit viel Melancholie und Zwischentönen. Diese mach deine Geschichte so stark und vermitteln eine wunderbare Stimmung. Eine kleine Szene aus dem Alltag einer an Demenz erkrankten alten Frau, mit großen Auswirkungen. Und das ist mein (einziges) Problem an der Geschichte. Ich nehme dir das Ende nicht ab. Es ist natürlich immer schwierig einen Prozess in Kurzgeschichten dynamisch, stimmig und ebenso verknappt zu beschreiben. Aber das ist wohl die Herausforderung. hell hat dir einige gute Ideen gegeben, mein Vorschlag wäre noch, dass eine Situation gezeigt wird, wo ein Streit entsteht, aus einer Banalität. Diese Streits entstehen oft bei Demenz erkrankten, weil sie an ihre Grenzen kommen. Ich denke an meine Oma, welche mit mir gestritten hat, weil ich ihr ihren Mann nicht ans Telefon bringen wollte, der 25 Jahre verstorben war. Das sind Situationen wo weder Enkel noch Ehemann weiter wissen, sich die Betroffenen, aber vorallem die Beteiligten Hilflosfühlen. Das fehlt mir an der Geschichte, diese Emotionen.

Ich bedanke mich aber dennoch sehr herzlich, sprachlich schön und ich habe sie gerne gelesen. Glückwunsch zur Empfehlung! Da mache ich gerne Platz :D

Beste Grüße,

Sonne

 

Hallo Lind,

ich habe die anderen Kommentare noch nicht gelesen, also verzeih mir, wenn ich etwas erwähne, was schon gesagt wurde.

Deine Geschichte ist sprachlich toll. Sie ist kurz, aber dafür sitzt jeder Satz. Einzig diesen hier würde ich kürzen: Die Luft ist schwer vom Duft des Flieders und es ist zu erahnen, dass es wieder ein sehr heißer Tag wird. Der zweite Teil dieses Satzes ist mir zu erklärend und stört die ruhige und dichte Atmosphäre, die zuvor aufgebaut wird. Ich würde tatsächlich nur schreiben: Die Luft ist schwer vom Duft des Flieders.

Greta und Erwin habe ich ins Herz geschlossen. Man erfährt an sich nicht viel über sie, aber dennoch genug, um sie sich vorstellen zu können. Da schwingt eine Liebe mit, die sich über die Jahrzehnte gehalten hat. Das hast du wirklich gut mitschwingen lassen. Dann der Umschwung, die Andeutung von etwas Ungutem: Sie ist nur halb geschält und Reste der Erde lösen sich langsam im Wasser ab. Es ist schon ganz braun. Erwin wendet schnell den Blick ab. Sehr gut gemacht. Ich stelle es mir schlimm vor, bei einem geliebten Menschen mitzubekommen, wie er seine geistigen Kräfte verliert. Wie aus dem Menschen jemand anderes wird. Unsicher, verklärt, fremd. Das muss sehr schmerzhaft sein.

Ich glaube nicht, dass ich den von mir geliebten Menschen umbringen könnte, geschweige denn mich selbst. Aber ich weiß es nicht. Erwins Entscheidung empfinde ich als hart. Nicht unverständlich, aber sehr verzweifelt. So richtig anfreunden kann ich mich damit nicht. Aber das muss ich ja auch nicht.

Sehr einfühlsam geschrieben, Lind.
Viele Grüße
RinaWu

 

Lieber Lind, liebe Kommentatoren,
schwarze sonne

Das fehlt mir an der Geschichte, diese Emotionen.
Es gab ja bisher weit auseinanderweisende Kommentierungen und das finde ich gut. Nicht jeder Text ruft zu unterschiedlichen Reaktionen auf. Was mir aber besonders gefallen hat, ist eben das Fehlen der Emotionen und der Beispiele. Wie sich schwarze sonne und andere an eigene Erlebnisse erinnert fühlen, das wird durch die Offenheit des Textes m.E. viel stärker hervorgerufen. Ich werde durch die Geschichte nicht in eine bestimmte Richtung gedrängt, sondern durch einige eher allgemeine Sätze erinnert. Und dieses Erinenrn ist es ja, was Menschen mit Demenz fehlt. Es braucht schon sehr starke Impulse - zum Beispiel Lieder, die sie als Kinder auswendig gelernt haben - um eine Erinnerung hervorzurufen. Da kann man sich schon fragen: Wieso dement? Aber inm nächsten Augenblick wollen sie nach Hause gehen und denken an ihr Elternhaus, in dem sie schon sehr lange nicht mehr leben.

Ich habe mich gefreut, dass mich diese Geschichte angeregt hat mich zu erinnern und nachzudenken.

Jobär

 

Stille ruhige Szene und die mit wenigen Worte beschriebenen Szenenblitze verschiedener Zeit-Ebenen passen verdammt stimmig zur geschilderten Situation. Mir gefällt, dass ohne Aufhebens hier eine Situation beschrieben wird, die ich gut nachvollziehen kann.
Meiner Meinung nach ist die Wahl de Autors, nicht auf "große Gefühle" sondern stilles Miterleben zu setzen, genau die richtige Wahl- Chapeau!

 

Ich werde durch die Geschichte nicht in eine bestimmte Richtung gedrängt ...
Da, jobär, möchte ich dir widersprechen, denn gegen Ende fühle ich mich schon in eine bestimmte Richtung gedrängt. Es drängt sich mir eben auf, dass da Tötung und Selbsttötung angeschnitten werden. Und das ist eben der Knackpunkt, finde ich. Lässt man das in diese Richtung laufen, sollte das vorbereitet werden, durch den Text als solchen erklärbar sein.
Das Ende erschien mir zuerst etwas zu dramatisch, ich dachte, ein kurzes Einnicken der alten Dame wäre auch eine Möglichkeit gewesen ...
Bei dieser Möglichkeit, die peregrina vorgeschlagen hat, würde mir auch nichts weiter fehlen, der Autor hat sich aber zu mehr Drama entschieden, zumindest andeutungsweise.
Übrigens kann man ja nicht sagen, es sei gänzlich auf Emotionen verzichtet worden, denn - da gebe ich dir recht - durch das Auslassen solcher, könnte sich der von dir beschriebene Effekt verstärken. Deshalb würde ich da auch weiter eindampfen im Text :).

Gruß

hell

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Kommentatoren,
ich hatte damit gerechnet, scharfe Kritik zu erhalten. Alleine der Thematik wegen. Deshalb ja auch meine anfänglichen Bedenken, die Geschichte hochzuladen.
Doch wie ich schon früher einmal schrieb, es ist nur eine Geschichte. Also, liebe Wortkrieger, bleibt entspannt!
Außerdem gefällt ja auch einigen diese Geschichte. Das freut mich natürlich sehr.

Da ihr meiner Geschichte so viel Aufmerksamkeit und vor allem Zeit gewidmet habt, möchte ich nun den fleißigen Kommentatoren antworten:

hell: Ja, es ist eine krasse Geschichte, die da auf sanften, unschuldig anmutenden Pfötchen daherkommt. Auf vielen Ebenen liegt der Schmerz verborgen: Die Demenz, die Frühgeburt des Sohnes und der eventuelle erweiterte Suizid (weil nirgends ist von Gift, Tötungsabsicht oder Ähnlichem die Rede. Hast du da was gelesen?). Passiert eben doch alles im Kopf des Lesers....

Vielen Dank für deine umfangreiche Kritik. Deswegen sind wir ja alle hier bei den Wortkriegern, oder? Du hast ja selbst mal geschrieben, dass man auch was auf die Nase bekommen könnte, wenn man etwas öffentlich postet. Also, alles im grünen Bereich.
Ich habe eine kleine Änderung bei den WW übernommen, bei vielen anderen ist dies aber durchaus beabsichtigt und bleibt so.

Dass die Stimmung und selbst die kartoffelschälende Greta, die gezeichnet werden, nicht zur Tragik von Gretas Erkrankung und Erwins Entscheidung passen, ist ja gerade mein Mittel, um diese "schmerzhafte Schwebe" zu schaffen, auf der die gesamte Geschichte funktioniert. Gretas Erkrankung (mit allen manchmal äußerst unschönen Momenten) wird nicht offensichtlich bloßgestellt, nur damit der Leser es gelesen hat und sich Erwins Handeln irgendwie verstehen lässt.

Und da nähere ich mich der Problematik, die schwarze sonne angesprochen hat:
Dir fehlt ein Beispiel, eine Alltagssituation, um Erwins Entscheidung irgendwie "begründen" zu können. Gut, das ist ein Argument!
Ich wollte das eigentlich nur über die Beschreibung der intensiven Beziehung zwischen Greta und ihrem Sohn laufen lassen. Solch eine enge Beziehung vom allerersten Tag an, und dann weiß sie plötzlich nicht mehr, wer Peter ist. Das muss doch das Schlimmste sein, wenn man sein eigenes Kind nicht mehr kennt. Und das für Greta, die ja von Anfang an, wie eine Löwin, um ihn gekämpft hat. Das kann Erwin so nicht mehr mit ansehen. Da muss er sich vor Sie stellen. Da entscheidet er für sie.

Ich habe also deinen Vorschlag ausprobiert, heute Nachmittag eine Alltagssituation niedergeschrieben und versucht, sie in die Geschichte einzubauen. Es war ein ganz gewöhnliches Beispiel der brutalen "Boshaftigkeit" dieser Krankheit, die ich da beschrieb.
Zuerst fand ich das nicht schlecht, aber nach längerer Betrachtung verliert die Geschichte damit gewaltig. Greta wird da zu nahe getreten. Die Feinheit und das Liebliche, welche die ganze Schwere der Thematik, auf die eben nicht mit dicken Fingern gezeigt wird, tragen, wird damit komplett zerrissen und ruiniert.

Sorry. Ich bleibe bei meiner Version. Ich habe es aber ausprobiert, kannste nix sagen...
Danke, dass du die Geschichte trotzdem gerne gelesen hast.

jobär: Danke, dass du dich für meine Geschichte in deine Ritterrüstung geschmissen hast.
Es freut mich sehr, dass du das Fehlen von Emotionen und Beispielen (bei denen unweigerlich Gretas Würde angetastet werden müsste), als bewusst gewähltes Mittel akzeptierst, welches die schmerzliche Stimmung schafft und trägt. Nachdenklich - oder im besten Falle verstört - bleibt der Leser zurück, auch weil alles schon nach weniger als 700 Wörtern vorbei ist. Das soll die Geschichte erreichen.
Du schreibst, du seist nachdenklich geworden. Na super!

RinaWu: Danke für deinen Kommentar.
Das mit dem Flieder ist eine gute Idee. Ich lass es mir noch etwas durch den Kopf gehen. Mal sehen..

Auhan: Ganz klares und einfaches "Danke"! Freut mich sehr.

Grüße
Lind

 

Hallo Lind!

Mir gefällt deine Geschichte auch.

In diesem Punkt denke ich allerdings genauso wie hell: "Denke ich eingehender über den Inhalt deiner Geschichte nach, fehlen da doch klare Motive für mich, um den "Mord" (bleibt natürlich Interpretation des Lesers, aber ich glaube, auf die Tötung(en) zielst du schon ab, oder?), nachvollziehbarer, ja, moralisch vertretbarer zu machen."
"kann ich sein Handeln nur dadurch erklären/verstehen, wenn sich die beiden in der Vergangenheit ein Versprechen abgegeben haben. Das ließe sich in einem Satz einbauen."
=> Auch das sehe ich wie hell. (Immer vorausgesetzt, du möchtest, dass Erwin am Ende nicht als Mörder, sondern als Helfer in der Not dasteht.)

Dieses Verhalten: "Dass sie sich an die Zeiten erinnert, versteht, was er ihr mitteilen möchte und auch noch seinen Namen kennt, den des Sohnes aber nicht, will mir nicht zum Bild passen, das du zu zeichnen beabsichtigt hast" finde ich hingegen schlüssig. Da könnte ich sagen: Das ist meine eigene, ebenfalls demente, Oma.

"Diese Streits entstehen oft bei Demenz erkrankten, weil sie an ihre Grenzen kommen."
=> Bei meiner Oma glücklicherweise nicht.

Da du auf die vorausgegangenen Kommentare bereits geantwortet hast, möchte ich auch noch auf deine Antwort eingehen:

"der eventuelle erweiterte Suizid (weil nirgends ist von Gift, Tötungsabsicht oder Ähnlichem die Rede. Hast du da was gelesen?)."
"Passiert eben doch alles im Kopf des Lesers..."
=> Nein, du hast es in den Text geschrieben. Sehr eindeutig zwischen den Zeilen. ("Er hat alles vorbereitet." "Erwin schließt sie in seine Arme und streicht ihr wie einem schlafenden Kind über die Wange. Dann trinkt er den letzten Schluck aus seiner Tasse.")

"Gretas Erkrankung (mit allen manchmal äußerst unschönen Momenten) wird nicht offensichtlich bloßgestellt"
=> Das sehe ich als Problem. Wenn du die unschönen Momente nicht darstellst, nicht in den Text schreibst, warum sollte ein Leser dann annehmen, dass es unschöne Momente gibt? Nicht alle Dementen erleben dermaßen "unschöne Momente", dass es sie unglücklich macht. Steht nichts vom Unglück im Text, gehe ich davon aus, dass Greta glücklich ist. Punkt.

"sich Erwins Handeln irgendwie verstehen lässt."
=> Ich verstehe Erwin. Er denkt egoistisch (das ist eine sehr menschliche Verhaltensweise). Er erträgt es nicht und daher begeht er den erweiterten Selbstmord. Finde ich ebenfalls sehr klar dargestellt in deiner Geschichte.

"dann weiß sie plötzlich nicht mehr, wer Peter ist. Das muss doch das Schlimmste sein, wenn man sein eigenes Kind nicht mehr kennt."
=> Warum? Wenn sie nicht mehr weiß, dass sie je einen Sohn gehabt hat, macht sie sich keine Gedanken um das Thema "ich habe meinen Sohn vergessen". Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Das trifft hier hundertprozentig.

"Das kann Erwin so nicht mehr mit ansehen."
=> Ja, eben, er kann es nicht. Es geht allein um ihn!

"Da muss er sich vor Sie stellen."
=> Das bildet er sich ein, so sehe ich das, weil er deiner Argumentation mit dem Sohn folgt.

"Ich bleibe bei meiner Version."
=> Wie eingangs gesagt: Mir gefällt deine Geschichte. Aber auf die Argumentation musste ich eingehen.

Grüße,
Chris

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich noch mal,

lieber Lind,

wobei ich Deine Namenswahl - selbst wenn sie gar nicht bewusst vorgenommen wurde - für passend halte (ich halt nämlich Namen, selbst wenns der Göttervater auf dem Weimarer Olymp behauptet hat, nicht für Schall und Rauch. In jedem Fall zeigt die Wahl an, wes Geistes Kind die Namensgeber sind.)

Erwin (mutmaßlich aus einem älteren Herwin entstanden, setzt sich aus den Alt(hoch)deutschen "hari / heri" = der einzelne Krieger wie das ganze Heer - und dem Freund "wini" zusammen), Greta, Grete, eine Kurzform der Margarete, die eigentlich aus Persien kommt und dort die "Perle" meint.

So viel oder wenig zur Geschichte hinter der Geschichte vom

Friedel

 

Chris Stone, danke für deinen ehrlichen Kommentar. Ich bin nochmal an den Text gegangen.

Friedrichard: Namen sind tatsächlich sehr interessant.

Grüße
Lind

 

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