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Johannisbeere

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01.07.2016
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Johannisbeere

Dunkelheit, obwohl ihre Augen weit geöffnet waren.
Der scharfe Duft von brennenden Kerzen, Schweiß und schwerem Moschus drang in ihre Nase.
War es wirklich so? So wie es sein sollte?

Die nasse Strasse glitzerte vom Schein der Laternen. Die Kühle des abendlichen Regens nahm die Hitze des Tages mit hinfort und gab ihm das Leuchten in seine Augen zurück. Er mochte die Hitze der Stadt einfach nicht. Langsam schritt er weiter, kein festes Ziel vor Augen, er wanderte gerne umher, sog die die Luft ein, schmeckte sie förmlich.
Diese Stadt, die ihn gleichzeitig erheiterte und anwiderte. Nirgends anders konnte er sein.
Er bog um eine Ecke, die ihn zum Park führte. Dieser Park war fast sein zweites Zuhause, jeden Tag kam er hierher, setzte sich auf die zimmergleiche Bank und starrte in sich hinein.
Hier war er frei, hier konnte er er selbst sein.
Mochten ihn die vorüber gehenden Menschen findet oder misstrauisch anschauen, hier war er frei.

Er schreckte auf.
„…strasse ist?“
Sein Blick wurde starr, eisig.
Er konnte es nicht glauben, wie sie vor ihm stand. Noch bevor die Worte verklungen waren hatte er sich wieder gefasst. Er durchblickte sie. Sah alles. Lächelte.
„Natürlich, entschuldigen Sie …!“, drang seine Stimme zäh wie aushärtender Karamell zu ihr.
„Einfach durch den Park und an der dritten Kreuzung links.“
Sie nickte unsicher lächelnd und ging.

Als er in seine dunkle Wohnung kam, drückte er langsam die Tür zu.
Er schloss die Augen und erstarrte.
Dieser fragile Duft …
Vorsichtig atmete er ein, vorsichtig, nicht ein einzelnes Molekül freigebend.
Johannisbeere.
Er öffnete seinen Mantel und zog ihn mit bedachten Bewegungen aus. Nachdem er ihn aufgehängt hatte, schritt er in das dunkle Wohnzimmer. Die Leuchtreklame auf der gegenüberliegende Seite des Hauses drang durch die halboffene Jalousie und brachte die Schatten zum Tanzen.
Er ging zu seinem Sessel und nahm Platz. Er schlug die Beine übereinander und legte die gefalteten Hände zu seinem Kinn.
Ruhig saß er da. Starrte mit geschlossenen Augen in die Dunkelheit und die Stille.
„Ich habe dich nicht so früh erwartet.“
Das Erklingen seiner Stimme schnitt durch die finstere Stille. Seine Stimme kam ihm wie ein Fremdkörper vor.
„Sie ist hier.“
Er öffnete die Augen.
„Sag das nicht. Wir beide wissen, dass sie es nicht wagen würde.“
„Und dennoch bin ich hier und sage dir, dass sie hier ist.“
Er schloss die Augen und ein kaum merkliches Lächeln umspielte seine Lippen.
Energisch stand er auf und eilte, seinen Mantel greifend aus der Tür.
Im Schatten des Vorhangs verschmolz eine Gestalt mir der Dunkelheit.

Sie biss ihre Lippe. Der süße, metallische Geschmack einzelner Tropfen Blutes erinnerten sie. Die Fesseln rieben an einander. Rieben an ihrer Haut. Sie zitterte. Und als sie plötzlich von dieser warmen, festen Hand berührt wurde, schmeckte sie das Salz eine einzelnen ihrer Tränen.

Sein Blick wand die Strasse entlang. Er kannte jedes Detail. Jede Unebenheit.
Es war, als ob es er vor einer halben Stunde hier gewesen wäre. 14 Jahre war es her … Lange Jahre.
Ihr Abschied war ein einzelner Blick über einen vollen Bahnsteig hinweg. Und dennoch so voller unausgesprochener Worte.
Sie würden sich nie wieder sehen. Das wußte er. Das hoffte er.
Und doch war er wieder hier. Starrte auf das erleuchtete Fenster.

Die Tür war immer noch so schwergängig wie zu jener Zeit. Die Erinnerungen an diese eine Woche miteinander blitzten vor seinen Augen auf. Ihre Stimme klang in seinen Ohren nach.
Es roch immer noch wie damals.
Er ging langsam die Treppe hinauf. Er kannte jede Stufe, jede lose Diele, jede Rauheit des Treppengeländers.
Er griff den Knauf der Tür und atmete tief ein.
Johannisbeere.

Es zog an ihr. Der Schmerz durchflutete sie. Wie von einem entfernten Raum hörte sie ihr Wimmern. Sie konnte nicht anders als knien. Die Fesseln hielten sie. Die Fesseln gaben ihr Sicherheit.

Die Dusche perlte den feinen Schweiß, den der Tag auf ihren Leib gebracht hatte, ab. Sie genoss das Prasseln, das Strömen des Wasser auf ihrem Körper. Genoss die Kühle, die ihren Kopf hinunter rann, an ihrem Brustbein entlang, über ihre Schenkel.
Sie öffnete ihren Mund und liess das Wasser hineinlaufen. Mit geschlossenen Augen spürte sie, wie ihr Mund überlief, das Prickeln und Kitzeln, dass die feinen Strahlen auf ihrer Zunge verursachten.
Sie stieg aus der Dusche und konzentrierte sich auf das Gefühl, wie die verbliebenen Tropfen haltlos an ihrer Haut herunterrannen. Sie verharrte einige Sekunden in ihrer Selbsterfahrung.
Das nasse Haar klebte an ihrem Kopf.
Er liebte es, wenn sie so vor ihm stand.
Sie hielt inne.
Er.
Sie spürte wie ihr Herz anfing zu pochen.
Wieso musste sie nun ausgerechnet an ihn denken? Sie wusste, dass sie nicht hier sein sollte. Nicht hier sein durfte.
Aber sie war erst vor einer Stunde angekommen und würde in zwei Stunden wieder fort sein.
Sie spürte das Spannen der Haut ihres Halses, zum Pulsieren ihres Blutes.

Sie schaute zu ihrem beschlagenen Spiegel hinüber. Sie sah sich an. Sah sich nackt, nass, die schwarzen Haare, die sich einem Wasserfall gleich über ihre Brüste ergossen.
Sie ließ ihren Blick wandern, sah sich in ihre Augen. In diesem flüchtigen Moment sah sie sich, wie sie nur jemand anders sehen konnte, wie man jemanden sieht, den man durch das Fenster auf der anderen Strassenseite sieht.
Sie sah eine hübsche Frau.
Eine begehrenswerte Frau.
In diesem flüchtigen Moment sah sie sich, wie er sie sah.

Sie spürte ihren Körper. Jeden einzelnen Zentimeter ihrer Haut. Jede Faser der Fesseln. Ihre Lider rieben gegen die Binde, während sie versuchte zu sehen. Ihr ganzer Körper war gereizt, empfindlich für die sanftesten Eindrücke. Spürte jeden Hauch von Luft. Sie war ganz ruhig.
Sie spürte seine Hand an ihrem Hals.

Sie fröstelte.
Sie musste sich beeilen. Ihr Zug würde nicht warten.
Sie drehte sich um und ging zur Tür. Ihre Kleider und ihr Koffer lagen bereit. Nicht mehr lange und sie würde wieder fort sein.
Sie öffnete die Tür.
Schwärze empfing sie.
Er war da.
Er holte sie zu sich.

Endlich.

 

Worum geht es denn in deiner Geschichte?
Ich hab es nicht verstanden :(

 

Es geht um die Beziehung zwischen ihm und ihr.
Beide sehnen sich nacheinander, doch er wird nur von seinem "dunklen" Inneren geleitet.
Beide hatten um ihren gegenseitigen Willen eingestimmt, sich nie wieder zu sehen, doch er bringt sie wieder in seinen Bann.
Das wäre jetzt der Kurzabriss dazu.

Aber ich danke dir vielmals für die Kritik!

 

Hallo Rubik,

Ich habe aus deiner Geschichte drei Erzählstränge herausgelesen. Einmal seine Sicht im heute, ihre Sicht im heute und ihre Sicht von früher - aber so sicher bin ich mir nicht.
Meine Interpretation wäre, dass sie sich vor einigen Jahren schonmal begegnet sind, er sie entführt/gefangen genommen hat in einem dunklen Raum. Nun sehen sie sich wieder. Offensichtlich hat die weibliche Person durch dieses (traumatische) Erlebnis eine enge Bindung zu ihrem Peiniger aufgebaut, und statt sich vor ihm zu fürchten, bildet sie sich ein Gefühle für ihn zu empfinden. Sie hat das Gefühl, dass sie etwas teilen, eine gemeinsame, kostbare Erfahrung. Psychologisch gesehen nennt man das denke ich das Stockholm-Syndrom ;)

Aber - bin ich damit denn auf der richtigen Spur oder hast du es ganz anders gemeint?
Du verrätst nicht viel in deiner Geschichte, das lässt einen als Leser eher unbefriedigt zurück. Auch machst du nicht deutlich, an welchen Punkten die Perspektive und ggf. die Zeit wechselt, was zusätzlich Verwirrung stiftet.
Auch was der Titel mit der Geschichte zu tun hat ist mir nicht klar geworden.
Für mich sind solche Geschichten immer eher anstrengend zu lesen, ich will am Ende wissen, um was es nun ging. Da solltest du noch konkreter werden ;)

Liebe Grüße,
Sommerdieb.

 

Hej Rubik,

in deiner Geschichte komme ich mir vor wie in einem Kaleidoskop, und ich drehe mich im Kreis und versuche, ein Ornament festzuhalten.

Die ersten beiden Absätze erkenne ich noch, das zwei Personen sich an unterschiedlichen Orten aufhalten. Beide fühlen sich etwas unwohl.

Dieser Park war fast sein zweites Zuhause, jeden Tag kam er hierher, setzte sich auf die zimmergleiche Bank und starrte in sich hinein.

Ich hätte erwartet, dass mir das noch erklärt wird, dachte erst, es wäre ein Obdachloser. :shy:
Was meinst du mit 'zimmergleich'?

Die Leuchtreklame auf der gegenüberliegende Seite des Hauses drang durch die halboffene Jalousie und brachte die Schatten zum Tanzen.

Das ist hübsch.

Sie ist hier.“

Wer sagt denn das? :hmm:

Sag das nicht. Wir beide wissen, dass sie es nicht wagen würde.“

Wieso spricht er mit ihr in der dritten Person?

Und wieso ist die gefesselt und geht dann duschen?

Und da hab ich dann leider die Lust verloren, weil den Durchblick.

Geblieben ist der Wunsch nach einem Parfum, das nach Johannisbeere duftet. :shy:

Vielleicht hast du Lust, die Geschichte so umzuschreiben, dass ich/Leser folgen kann.

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Hallo Sommerdieb,

danke für deine Worte.
Du hast Recht damit, dass es sich um drei Stränge handelt, die eine ist "Er - jetzt" die andere "Sie - Jetzt" im gleichen Zeitstrahle, wie "Er - jetzt".
Die dritte ist allerdings nicht in der Vergangenheit, sondern in der Zukunft im Verhältnis zu der Erzählung, also nachdem er sie mitgenommen hat.
Ich hatte die perspektivischen Wechsel etwas zu filmisch im Kopf, für mich hatte es in der Situation totalen Sinn gemacht, kann aber deutlich nachvollziehen, dass es für andere nicht so klar wird.

Der Titel bezieht sich auf den Duft, den Er in der Nase hat, wenn er an Sie denkt, bzw. in ihrer Nähe ist.
Ich habe Johannisbeere gewählt als fragilen, süß-säuerlichen Duft, bezugnehmend auf das Verhältnis der beiden zueinander.

Der Hintergrund ist auch nicht an das Stockholm-Syndrom angelehnt.
Vielmehr soll es um eine sado-masochistische Affäre gehen, der sie beide verfallen, aber auch wissen, dass ihre gegenseitige Leidenschaft eigentlich nur zu einem schlimmen Ende führen kann. Deswegen trennten sie sich und wollten sich für immer aus dem Weg gehen, weil sie wissen, dass sie nicht voneinander lassen können, sich aber sozusagen ineinander verlieren würden.

Ich hatte das Ende absichtlich so offen gelassen, um damit einen gewissen "Mehr davon"-Reiz zu erwirken, was bei dir offensichtlich insofern geklappt hat, dass du den Kontext wolltest.
Das ist aber natürlich nicht das erwünschte Ergebnis, ich verstehe also das von dir beschriebene Problem.

Ich danke dir für deine Tips und werde sie konkret weiter in mein Schreiben einbeziehen.

 

Hallo Kanji,

vielen Dank für deinen Kommentar.

Ich hätte erwartet, dass mir das noch erklärt wird, dachte erst, es wäre ein Obdachloser. :shy:
Was meinst du mit 'zimmergleich'?
Das war ein Tippfehler …

Ich verstehe die Problematik, wenn du den Durchblick verloren hast, ist es natürlich schwer, sich darauf einzulassen.

Ich werde mich, deinem Tip folgend, tatsächlich daran setzen und die Geschichte umschreiben, ich habe einige tolle Tips bekommen und würde mich freuen, wenn du die editierte Fassung nochmal lesen könntest, wenn sie fertig ist.

Beste Grüße

Rubik

 

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