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Die Gleise

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26.09.2016
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Die Gleise

Er schaute hinaus auf die Gleise.

Die Schienen, dachte, er, die Schienen sind wie wir. Sie laufen nebeneinander her, unzählige Stunden, endlose Kilometer, ohne sich je zu berühren. Wie ich und Margaret, wir leben ohne Nähe, aber auch ohne Distanz. Sogar zwei Betten hatten sie mittlerweile, obwohl sie noch im selben Zimmer schliefen.

Er war sich ihrer Anwesenheit bewusst. Wie sie da in ihrem Pyjamakleid, welches er nicht mochte, saß und ein Buch las. Einen Liebesroman, was für eine Ironie! Und sie bemerkte diese nicht einmal, bemerkte ihre aufdringliche Präsenz ebenso nicht wie seine Annäherungsversuche. Dabei hatte er sich wirklich Mühe gegeben. Hatte ihr Blumen gekauft und auf den Schrank im Wohnzimmer gestellt, doch sie war so vertieft in ihre Büche, dass sie diese noch nicht einmal bemerkte.

Aufgebracht zog er an seiner Zigarette.

Dabei hatte es so perfekt angefangen und ihr Kennenlernen auf der Hochzeit ihres Freundes Tom war traumhaft gewesen. Sie hatten stundenlang geredet und viele Gemeinsamkeiten entdeckt. Es schien, als wäre ihr Treffen das Schicksal zweier Seelengefährten gewesen. Diese Faszination, die er ihr gegenüber verspürte, war nie ganz verschwunden. Auch wenn er sich nicht sicher war, ob es ihr umgekehrt genauso erging. Wann hatte sie ihn das letzte Mal angelächelt?

Er versuchte, eine positive Bilanz aus seinen letzten Ehejahren zu ziehen. Scheiterte. Es herrschte Funkstille. Schweigen, so laut wie das Rattern der Züge auf den Schienen. So ohrenbetäubend laut. Doch einen Scheidungsgrund sah er nicht, sie waren zu alt und außerdem mochte er sie ja immer noch. Und welche Ehe ist schon perfekt? Tom hatte sich mittlerweile schon wieder geschieden. Angeblich weil seine Frau sich zu stark verändert habe. Als ob das ein Grund wäre, sich scheiden zu lassen! Überflüssig zu sagen, dass er seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihm hatte.

Doch plötzlich roch er es. Den Geruch von Tod und Verwesung. Langsam wurde der Geruch stärker, schlängelte sich aus der Kommode und stieg in seine Nase. Erstaunt erkannte er den Grund, den einzig möglichen Grund: seinen Wellensittich. Seine einzige Freude, sein einziges Glück. Wieso war ihm das fehlende Gezwitscher nicht schon eher aufgefallen? Sein Blick zuckte zu dem leeren Käfig, der förmlich nach Aufmerksamkeit schrie. Überall Federn, der Fressnapf war auch umgeworfen worden.

Langsam drehte er sich zu Margaret um. Erkannte die brutale eifersüchtige Wahrheit an ihrer entspannten Haltung, ihrem leicht lächelnden Gesichtsausdruck, der Position des Sessels, der die Schubladen der Kommode blockierte. Und fasste eine Entscheidung.

„Bist du nicht durstig, Margaret? Soll ich dir nicht etwas Wasser bringen?“ fragte er.
Gelöst lächelnd sah sie ihn an, ihre versteckte Genugtuung sprang ihm förmlich ins Gesicht. Wartete nur darauf, offen gezeigt werden zu dürfen.
„Danke, das ist sehr lieb von dir.“, antwortete sie.

Gerne brachte er ihr ein Glas. Lies die leere Kapsel achtlos auf dem Tisch liegen.
Beim Trinken bemerkte sie nichts.

Wie immer.

 

Hallo The Incredible Holg,

sorry, das mit dem separaten Post wusste ich noch nicht!
Könntest du mir vielleicht noch sagen, wo ich den jetzt finde, bzw. wie ich den das nächste Mal erstellen kann? Ich finde die Funktion nämlich einfach nicht...
Darf ich sowas eigentlich hier schreiben? Wenn nicht, nochmal sorry ;)
Danke!
Grüße TaloToecan

 

Hallo TaloToecan,

kein Drama, du bist ja neu hier. Aber es kann nicht schaden, mal die Regeln unter "Hilfe" durchzublättern.

Mit dem separaten Post ist nur gemeint, dass du einen zweiten Beitrag unter den ersten setzt. So, wie ich es für dich gemacht habe, und so, wie du es dann mit deiner Rückfrage getan hast. Also quasi antworten auf deinen eigenen Text. Es geht bloß darum, Erläuterungen, die nicht Teil des Textes sind, etwas abzugrenzen.

That's all. ;)

Grüße vom Holg ...

 
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Hej TaloToecan

es fiel mir sehr leicht, deine kleine Geschichte zu lesen, weil du sie gut geschrieben hast. Aufgefallen sind mir währenddessen einige Dinge:

Die Schienen, dachte, er, die Schienen sind wie wir. Sie laufen nebeneinander her, unzählige Stunden, endlose Kilometer, ohne sich je zu berühren. Wie ich und Margaret,

wir leben ohne Nähe, aber auch ohne Distanz.

Dafür bräuchte ich noch ein Bild mehr.

Das ist ein guter Einstieg. Sowohl von der Metapher her, als auch aufgrund des inneren Monologs.

Einen Liebesroman, ha! Was für eine Ironie.

Ohne die Interjektion käme die Stimmung des Protagonisten deutlicher hervor, denke ich. Ich möchte zudem nicht "ha" lesen/sagen. ;)

Und sie bemerkte diese nicht einmal, bemerkte ihre aufdringliche Präsenz ebenso nicht wie seine Annäherungsversuche.

Ich bin nicht sicher, um welche Annäherungsversuche es sich handeln soll. Schließlich ist er ziemlich genervt von ihr. Eventuell würdest du mich einer näheren Beschreibung dessen, seine Aversion noch stärker definieren. :hmm:

Aufgebracht zog er an seiner Zigarette.

Auf mich machte er bisher einen ruhigen Eindruck. Vielleicht würde ein Zusatz seiner inneren Aufregung helfen.

Dabei hatte es so perfekt angefangen und ihr Kennenlernen auf der Hochzeit ihres Freundes Tom war traumhaft gewesen. Sie hatten stundenlang geredet und viele Gemeinsamkeiten entdeckt. Es schien, als wäre ihr Treffen das Schicksal zweier Seelengefährten gewesen.

Das kann doch nicht alles an Erinnerung sein, die seine Ehe so lange rechtfertigt.:hmm:

Doch einen Scheidungsgrund sah er nicht, sie waren zu alt und außerdem mochte er sie immer noch. Und welche Ehe ist schon perfekt?

Hier wären ein paar mehr Gedanken in diese Richtung hilfreich, um glaubhaft zu sein.

Erstaunt erkannte er den Grund, den einzig möglichen Grund: seinen Wellensittich. Seine einzige Freude, sein einziges Glück.

Auch an dieser Stelle benötigte ich einen weiteren Hinweis, weswegen ich glauben soll, dass sie den Wellensittich in die Schublade legt. Sie wird ja nicht verrückt sein. Das hätte er erwähnt.

Erkannte die brutale, grausame Wahrheit an ihrer entspannten Haltung, ihrem leicht lächelnden Gesichtsausdruck, der Position des Sessels, der die Schubladen der Kommode blockierte.

Für mich hätte es mehr Sinn gemacht, wenn sie nicht brutal und grausam handeln würde, sondern aus Eifersucht oder Trauer. Schließlich scheint er dem Vogel mehr positive Gefühle beizumessen als seiner Frau.

...ihre versteckte Genugtuung sprang ihm förmlich ins Gesicht.

Sie ist doch verrückt?

Gerne brachte er ihr einen Schluck.

Er wird ihr doch bestimmt ein Glas Wasser bringen mit mehr als einem Schluck. Ich würde mich sonst wundern.

Beim Trinken bemerkte sie nichts.

Ist sie alkoholkrank?

Wie immer.

Oder vergiftet er sie schon über einen längeren Zeitraum?

Du schaffst für einen derart kurzen Text eine ganze Menge Atmosphäre. Aber eben auch Verwirrung. Er wirft etliche Fragen auf, die ich lieber verbildert und meinetwegen auch subtil vorgelegt bekommen hätte, weißt du?

Ich wünsche mir, du könntest mit meinem Kommentar herausfinden, was mir gefehlt hat, um deine Geschichte voller zu gestalten.

Freundlicher Gruß, Kanji

 
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Hej @Kanji,

erst einmal danke für die konstruktive Kritik und die Mühe deinerseits! Manche Sachen sind mir gar nicht aufgefallen... Aber deshalb bin ich ja hier ;)

Ich habe meinen Text mit deinen Kritikpunkten überarbeitet, bei dem Ende bin ich aber noch unschlüssig, ob das jetzt ein zu auffälliger "Wink mit dem Zaunpfahl" ist... Ich finde, man sollte schon überlegen müssen bzw sich sogar teilweise selbst das Ende ausdenken können. Aber vielleicht bin ich als Verfasser nicht ganz subjektiv, was die Aussagekraft der Hinweise betrifft ;)

Danke nochmal und schöne Grüße
TaloToecan


Hallo @maria.meerhaba,

das ist meine erste Kurzgeschichte und deshalb sind mir alle Meinungen wichtig. Ich habe die Geschichte überarbeiten und habe das Gefühl, deinen Kritikpunkt (keine richtigen Gesichter, keine Seele, d.h. zu oberflächlich) wenigsten etwas beseitigt zu haben. Auch habe ich die Stelle mit dem Tod des Vogels noch ausgebessert und erweitert und wäre an deiner Meinung interessiert: Hat sich die Kurzgeschichte für dich verbessert?

Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen!
Liebe Grüße
TaloToecan

 

Ach ja ... unmittelbar aufeinanderfolgende Antworten bitte in einem Beitrag zusammenfassen, dann wird es nicht so schnell unübersichtlich. Danke! :)

Grüße vom Holg ...

 

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