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Grenzen in Fluss

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21.04.2014
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Grenzen in Fluss

Etienne trat aus dem Gebäude, das ich einmal schön gefunden hatte. Ich hob den Arm, um seine Aufmerksamkeit zu wecken. Er schirmte die Augen mit der Hand gegen die Sonne ab, nickte und kam näher.
»Hat ziemlich lang gedauert!«, sagte ich. Die Glut der Zigarette schnippte ich ab, prüfte mit Daumen und Zeigefinger, ob was nachglomm, und warf den Stummel in den Mülleimer.
»Ich musste was mit der Haberer klären. Kennst sie ja.« Etienne sah mich mit einem Lächeln an. »Gehen wir?«
»Jepp.« Ich schulterte den Rucksack, dann schlenderten wir vom Schulhof zur Hauptstraße hinüber.
Etienne war einen halben Kopf größer als ich, hatte fein geschliffene Gesichtszüge und dichtes, schwarzes Haar, das er nach hinten gekämmt trug. Er war mit dem schönsten Mädchen der Oberstufe zusammen gewesen. Niemand konnte verstehen, weshalb er sie hatte sausen lassen. Mann, ich hätte gerne mit ihm getauscht. Selbst der Haberer wäre ich gefährlich geworden!
»Kommst du mit rein?«, fragte Etienne. Er stand vorm EDEKA, wo seine Mutter arbeitete. »Muss nur kurz Brot kaufen.«
»Nee, lass mal«, sagte ich und setzte mich neben das Einkaufswagenhäuschen auf den Boden.
»Okay. Bis gleich.«
Schweiß sammelte sich klebrig unterm Rucksack. Klara, meine Ex, kam mir in den Sinn. Sie habe es nicht mehr ausgehalten mit mir, ein Psycho sei ich, hatte sie gesagt. Keine Ahnung, was sie meinte. Endlich stand der Sommer in den Startlöchern, man konnte bald am Fluss übernachten, mit Zelt und Schlafsack. Vielleicht wäre dort mal was gelaufen. Stattdessen war sie fortgegangen. Und jetzt verbrachte ich Zeit mit dem Oberstreber schlechthin, um von der zweiten Fünf runterzukommen.
»Auf geht’s!« Zwei Baguettes ragten wie riesige Essstäbchen aus der Tüte.
»Wow, ging ja ratzfatz!«, sagte ich.
Er grinste. »Meine Mutter geht morgen sowieso arbeiten.« Das Grinsen erstarb. »Hoffe ich.«
»Wieso hoffst du das?«
»Ach, weiß nicht. So halt.«

Etienne zögerte einen Moment, bevor er die Wohnungstür aufschloss. Er schob den Kopf durch den Türspalt. »Mama?« Keine Antwort. »Komm rein«, sagte er zu mir.
Ich folgte ihm und er rief erneut nach Manou, seiner Mutter, die mit einem gedämpften Grunzlaut antwortete. Sie war mir früher bereits aufgefallen. Im Laden. Ich fand sie ziemlich scharf für ihr Alter. Herrliche, rotblonde Haare, die sie manchmal zu Zöpfen flocht.
»Geh schon mal in mein Zimmer, ja? Da, vorne links.« Er stellte die Einkaufstüte auf den Tisch neben einen Aschenbecher voller halb aufgerauchter Zigarettenstummel. Kaffeeflecken verzierten die Oberfläche. »Meine Mutter hat sich wohl hingelegt.«
Etiennes Zimmer war genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Akkurat. Gemachtes Bett. Sortierte Bücherregale. Immerhin fand sich »The Stand« und »Es« im Regal, was Etienne einen Pluspunkt einbrachte. Das Paolo-Maldini-Poster überraschte mich. Etienne war ein Bücherwurm, soweit ich wusste, für einen Fußballfan hätte ich ihn nicht gehalten.

Wir hatten uns am Vortag bis sechs, halb sieben abends abgemüht – also ich, Etienne hatte es sichtlich genossen, mit mir über Laplace und Brenouillie zu quatschen. Man musste wohl einen französischen Namen tragen, um gefallen an dem Mist zu finden. Immerhin wollte er sich heute am Fluss mit mir treffen. Bei einem antiken Zirkuswagen aus Holz, unmittelbar am Wasser. Lebensbäume umsäumten das Gärtchen und ein Kieselstrand führte zum grün schimmernden Strom. »Das Coolste, was mein Vater zurückgelassen hat«, sagte Etienne. Und es stimmte, ein saucooler Ort war das! Ich fragte nach seinem Vater, erfuhr allerdings nur, dass er in Heidelberg wohne; bei einer neuen Familie. Ich beließ es dabei.
Wir paukten etwa eine Stunde, dann verblüffte mich Etienne, indem er sich bis auf die Shorts auszog und mir die Schulter knuffte. »Na, was ist? Kommst du?« Er rannte zum Wasserlauf und sprang in die Fluten.
»Was ist denn?«, schrie er, nachdem er prustend aufgetaucht war. Er rieb sich die Haare wie ein nasser Affe.
»Alles klar«, rief ich, streifte das T-Shirt ab und jagte hinterher. »Eiskalt!«, protestierte ich, bevor er mich untertauchte. Das Wasser schmeckte brackig, ich spuckte ihm eine Ladung auf die Stirn.
»Hey Mann, wie eklig!«
Wir lachten, rauften, hatten Spaß. Zurück am Ufer legten wir uns keuchend auf die Wiese. Etienne drehte sich auf die Seite. Er grinste mich an, wirbelte den Kopf wie ein verrückt gewordener Headbanger. Ein feiner Flussregenschauer prasselte auf mich herab.
»Schön?«
»Fantastisch«, nuschelte ich und winkte ab.
Die Sonne wärmte uns die Gänsehaut. Ich schloss die Augen und versuchte, weiße Pünktchen hinter den Lidern einzufangen. »Wusste gar nicht, dass du dich für Fußball interessierst.«
»Wegen Maldini?«, fragte er.
»Hast nie über Fußball geredet. Bist du Mailand-Fan?«
»Nein, kein Mailand-Fan, aber Maldini gefällt mir.«
»Okay«. Ich wischte mir irgendein Krabbelvieh vom Bauch. »Ich hab‘s nicht so mit Abwehrspielern.«
»Sondern?«
»Baggio finde ich ganz cool«, sagte ich.
Etienne nickte, dann tätschelte er mir die Hand. Ich blickte auf. »Machen wir uns noch ein bisschen an Mathe?«
»Forget it! Scheiß auf Schule!«
»Hast recht, scheiß auf Schule!«, sagte er und lachte.

»Schreibst du nicht die Arbeit nächste Woche?« Vater legte die Welt am Sonntag beiseite und trank einen Schluck Kaffee.
»Dienstag«, nuschelte ich mit vollem Mund.
»Meinst du nicht, du müsstest dich vorbereiten? Wenn du erneut ...«
»Mach ich ja!«
»So, machst du. Wie die letzten Male, ja?
»Glaub’s oder nicht, ist mir egal.« Ich schob den Teller nach vorne.
»Bist du schon satt? Es ist noch mehr da!« Mutter biss von ihrem Marmeladentoast ab. Ein glänzender roter Streifen zierte ihre Oberlippe.
»Hab‘ keinen Hunger«, sagte ich. »Kann ich aufstehen?«
»Wenn du es versaust, bleibst du wieder sitzen. Das weißt du.« Vater fixierte mich, als wäre ich zehn.
»Ich weiß gar nichts.«
»Genau das scheint mir das Problem zu sein!«
»Ist ja gut, ich hab’s kapiert. Kann ich jetzt?«
»Ich finde, du solltest deinem Vater zuhören«, mischte sich Mutter ein und wischte sich den Mund mit einer Stoffserviette.
»Ich hab‘ all meinen Kumpels fürs Wochenende abgesagt und treffe mich nachher mit Etienne. Wir lernen zusammen.«
Mutter sagte: »Gut. Du verstehst hoffentlich, dass du das nicht für uns, sondern für dich machst.«
»Klar. Wir sehen uns in«, ich sah auf die Küchenuhr, »schon in einer Stunde! Darf ich aufstehen ... bitte?«
»Wenn du mich anlügst!« Vater schob seinen Teller ebenfalls vor und verschränkte die Arme vor der Brust. »Deine Mutter und ich möchten dich ohnehin an der Angell anmelden.«
Ich sah auf meine zu Fäusten geballten Hände. »Ich geh‘ nicht auf diese Scheiß-Schule! Vergiss es! Und wieso glaubst du mir eigentlich nie, hm?«
»Wir dachten auch, dass du vielleicht von Frau Sommer ...«
»Auf keinen Fall! Nie mehr zu der Psychotante!«, unterbrach ich Mutter.
»Liegt ganz bei dir.« Vater nickte erneut. »Ganz bei dir«, wiederholte er gedehnt und räusperte sich. »Du weißt, wir müssen Montag auf die Messe. Wenn wir Freitag zurück sind ...«
»Okay«, sagte ich.
»Ich sag’s nur.«
»Ja, ist gut, wirklich.«
»Dann kannst du von mir aus aufstehen.«
In meinem Zimmer ignorierte ich das Gebrüll im Anschluss – ein beschissener Choleriker war er. Und Mutter bekam es wieder mal ab. Wie üblich. Neben Collegeblock und Schulbuch packte ich ein Handtuch in den Rucksack. Am liebsten wäre ich für immer verschwunden.

Die Vespa stellte ich direkt am Weidenzaun ab. Etienne schien noch nicht da zu sein.
»Hallo?«
Ich erschrak und ließ die Rollerschlüssel ins Gras fallen. Manou lag in einem Liegestuhl. Sie trug einen schwarzen Bikini und eine Pilotenbrille.
»Äh ... hallo«, erwiderte ich und griff nach dem Schlüsselbund. »Ist Etienne da?«
»Nein.« Sie schob die Sonnenbrille ein Stück die Nase runter und blitzte mich mit grünen, glänzenden Augen an. »Und wer bist du?«
Mir fiel auf, dass ich die tiefe Spalte zwischen ihren Brüsten anstarrte. Ich zwang mich, ihren Blick zu erwidern. »Josh. Also ... äh, Joshua, entschuldigen Sie bitte.«
»Ein Freund von Etienne?«
»Wir gehen beide in die 10b ... wollten gemeinsam lernen.«
Sie lachte. »Etienne, ja, Etienne lernt gerne.« Manou erhob sich. »Was natürlich gut ist.« Sie zupfte sich den Slip zurecht – ich sah krause Haare an den Bündchen. »Ich heiße Manou.« Sie streckte mir die Hand entgegen, mit der sie sich ans Höschen gefasst hatte.
»Hallo, freut mich.« Schweißgeruch und schaler Nikotinatem umwölkten mich. Ich unterdrückte den Impuls, meinen Schwanz zurechtzulegen. »Tut mir leid, ich komme einfach später wieder.«
Manou lächelte, sie hielt mich fest. »Auf keinen Fall! Etienne taucht bestimmt jeden Moment auf. Setz dich!« Sie zeigte auf Gartenmöbel aus Kunststoff. »Willst du was trinken?«
»Ich ...«
»Keine Widerrede! Ich bin froh, mal einen Freund von Etienne kennenzulernen. Viele lädt er ja nicht gerade ein.« Sie zog einen Stuhl zurück. »Du kommst mir bekannt vor.«
»Echt?« Ich nahm Platz, faltete meine Hände, wusste nicht, wohin mit ihnen, und legte sie auf den Tisch. Ein feuchter Vorhof bildete sich auf ihm.
Manou verschwand im Wagen und kam mit einer Coladose und einem Weinglas wieder. »Ja«, sagte sie. »So einen feschen jungen Mann ...«
Ich stierte auf meine Finger, mein Kopf glühte.
»Warte mal, ich ziehe mir lieber was über.« Ihr Lachen gefiel mir, ich wollte trotzdem weg, hoffte, Etienne käme gleich.
Sie trug jetzt ein weißes T-Shirt, die Sonnenbrille hatte sie abgenommen, die rötlichen Haare waren zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie sah müde aus, Krähenfüße, ein paar Fältchen am Hals. Sie durfte so um die vierzig sein. Monou steckte sich eine Zigarette an, nahm einen Zug und trank Rotwein aus ihrem Glas. Dem verschmierten Rand nach zu urteilen, becherte sie schon eine Weile daraus.
»Vielleicht aus dem Laden«, sagte ich.
»Hm?« Rauch ließ sie die Augen zukneifen.
»Vielleicht kennen sie mich vom EDEKA.«
»Das kann natürlich sein.« Sie strahlte mich an. »Sag‘ doch bitte Manou zu mir, ja?«
»Äh ... ja, klar, okay.«
Sie trank wieder. »Und wie läuft es in der Schule, Joshua?«
Manou hatte garantiert einen im Tee, so wie sie Schule und Joshua aus dem Takt warfen.
»Na ja, ehrlich gesagt, nicht so gut. Deshalb will mir ja Etienne helfen.«
»Etienne«, sagte sie und schüttelte den Kopf. »Das hat er eindeutig von seinem Vater. Den Lerneifer, meine ich. Und das Aussehen ... Es kommt vor, dass ich ihn Hendrik nenne.«
Sie starrte aufs Wasser hinaus. Ich folgte ihrem Blick und sah einen Schwan vorbeischwimmen, der uns interessiert zu beobachten schien.
»Ansonsten gibt es null Gemeinsamkeiten«, sie lachte auf. »Nicht die geringsten.« Erneut der Griff zum Glas, dann sah sie mich an. »Das Flittchen, das Hendrik jetzt hat, dürfte nicht viel älter sein als du.« Ihre Lippen verzogen sich zu einem Schlitz. »Kannst du dir das vorstellen?« Die Zigarette drückte sie halb aufgeraucht in den Aschenbecher. »Egal, entschuldige bitte ...«, sagte sie.
Ich nippte an der Cola. Manou schüttete den letzten Rest Wein runter und sprang unerwartet auf. Sie musste sich am Tisch abstützen, fing sich aber und stieg hastig die Stufen zum Wagen hoch. Ihr Höschen war wieder verrutscht, das Flechtmuster des Gartenstuhls hatte sich rot in ihren Hintern gestanzt. Ich erhob mich.
»Frau Klein?« Keine Antwort, nur ein Rumpeln war zu hören. »Vielleicht gehe ich ...«
»Ja, verpiss dich!«, rief sie durch die geschlossene Tür hindurch.
Ich zuckte zusammen. Ein Schluchzen drang nach draußen. Irgendwas krachte zu Boden. »Scheiße«, hörte ich. »Immer noch da?« Sie riss die Tür auf.
»Meine Freundin hat mich auch verlassen. Vor drei Monaten«, sagte ich.
Sie starrte einige Sekunden zu mir rüber, bevor sie hysterisch auflachte. Ich presste die Lippen so fest aufeinander, wie ich nur konnte. Sie bemerkte es wohl und ihre Körperspannung ging verloren, als wenn man ein Ventil an ihr abgeschlagen hätte.
»Entschuldige bitte!« Sie rieb sich eine Hand über die Stirn. »Du kannst ja nichts dafür, ich ...« Sie kam langsam zu mir runter. Ich stand da wie erstarrt. Da war etwas in ihrem Blick, ich weiß nicht. Sie streichelte mir den Nacken.
»Du bist süß«, sagte sie und küsste mich. Ganz kurz nur und feucht vor Tränen. Sie roch nach Alkohol und Tabak. Manou schreckte zurück. »Entschuldige, keine Ahnung, was ...« Ihre grünen Augen schienen in mich hineinsehen zu können. »Ich sage Etienne, dass du da warst, ja?« Ihr Gesicht war gerötet. Wir sahen uns eine Weile stumm an. »Joshua ... Vergiss, was da eben passiert ist, ja? Bitte.«
Ich nickte.

Verwirrt raufte ich mir die Haare. Ich musste Etienne wenigstens absagen, packte es jedoch nicht. Da war etwas an Manou, ich weiß auch nicht. Sie hatte mir irgendwie leid getan. »Bullshit!«, sagte ich. Ich legte Pearl Jam in den Discman ein und drehte auf. Scheiß auf Schule, scheiß auf alles, dachte ich und schloss die Lider.
Meine Mutter fasste mir ungestüm an die Schultern. Ich riss mir die Ohrstöpsel raus und starrte sie erschrocken an.
»Dieser Etienne will dich sprechen!«
»Ist er hier?«
»Am Telefon«, sagte sie.
»Er fragt, warum du nicht gekommen bist!«, brüllte mein Vater aus dem Hintergrund.
»Fuck!« Ich richtete mich auf. »Sag ihm, ich bin nicht da.«
»Das weiß er aber schon.«
»Dann geht’s mir halt nicht gut. Ich schlafe.«
»Er hat bestimmt deinen Vater gehört«, sagte sie und legte den Kopf schief.
»Ist mir egal.«
»Joshua ...«
»Ist mir scheißegal, okay. Ich will einfach nicht!«
»Na gut, wie du meinst.« Mutter schloss die Tür hinter sich, bevor sie Vater erneut aufstieß und mit dem Finger auf mich zielte. »Das wird Konsequenzen haben, Freundchen. Ich lass mich nicht länger von dir verarschen!« Dann schlug er sie so heftig zu, dass ein Bild zu Boden krachte.
»Ich hau hier ab!«, schrie ich ihm hinterher.

Das Frühstück verlief zum Glück nahezu wortlos. Vor allem, da ich so gut wie kein Auge zugemacht hatte. Ich schlief schon einige Zeit nie mehr als drei, vier Stunden. Mutter hatte früher ähnliche Probleme. Jetzt, da sie Medikamente nahm, pennte sie die ganze Nacht.
Meine Eltern zogen Trolleys zum Auto. Vater hob die Hand. Es sah eher wie eine Drohung aus, denn ein Abschiedsgruß. »Bis Freitag, rufe im Hotel an, wenn was ist, ja?«, ergänzte Mutter und küsste mir die Stirn. Als sie um die nächste Kurve bogen, blies ich in die Backen. Schleppend ging ich zurück ins Bett. Für mich würde es heute weder Deutsch noch Englisch geben. Eine Entschuldigung ließ sich fälschen. Ich dachte an Manou, an Etienne, an den Fluss, an Klara, an die Fünf in Mathe, an tausend Dinge; an Schlaf war nicht zu denken. So etwas wie Bewusstsein kehrte erst wieder, als ich mich vorm EDEKA wiederfand. Ich zögerte, betrat aber den Laden. Ich schlenderte durch die Gänge, las Zubereitungsempfehlungen, studierte die Inhaltsstoffe und hoffte, Manou nicht zu begegnen. Nein, ich hoffte, ihr zu begegnen. Beides irgendwie. Ich weiß auch nicht. Sie war auf jeden Fall nirgends auszumachen. Nach einer gefühlten Ewigkeit stand ich an der Kasse. Es gab Probleme vor mir, weshalb in ein Mikrofon: »Storno bitte«, gerufen wurde. Manou flog in blauer Bluse, Jeans und mit Pferdeschwanz heran; einen Schlüssel in der Hand. Sie steckte ihn irgendwo ein und blickte auf die Anzeige. Ich wollte mich bücken – den Schuhtrick anwenden. Zu spät, sie runzelte die Stirn. »Hallo!«
»Hi«, sagte ich.
»Ihr habt doch Schule heute?«
»Mir geht’s nicht gut.«
Manou taxierte mich, dann sagte sie zur Kassiererin, die etwas eingetippt hatte: »Alles klar, ja, kein Problem.« An mich gewandt: »Was Schlimmes?«
»Nein, nein.« Ich legte zehn Mark zur Cola und den Chips aufs Band und nahm all meinen Mut zusammen. »Frau Klein, können wir kurz mal reden?«
»Ähm ... ich hab‘ noch zu tun, weißt du?«
»Nur kurz«, setzte ich nach.
»Jetzt?«
»Wenn‘s geht?« Ich steckte das Rausgeld ein.
»Na gut.« Sie ging zur geschlossenen Nachbarkasse und wartete, bis ich die Einkäufe im Rucksack verstaut hatte und zu ihr schritt..
»Wenn es wegen gestern ist ...« Manou verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich kann nur wiederholen, dass es mir leidtut.«
»Nein, muss es nicht.«
»Mir geht es im Moment nicht so gut, weißt du? Ich hab‘ am Fluss zu viel getrunken und ... Ich hätte dich nicht so anschreien dürfen. Ist mir wahnsinnig peinlich alles.«
»Du hast mich geküsst«, erwiderte ich.
»Was? Nein. Ich ...«
»Nein? Doch, Manou, hast du!«
Nur ihr Mund lächelte, während sie den Kopf schüttelte. »Das ist ... Blödsinn, Joshua! Ich hab‘ dich angeschnauzt ... also, ich wollte mich nur entschuldigen. Verstehst du? Ich wollte ... Du darfst das nicht missverstehen, ja?« Sie klatschte in die Hände und hielt sie gefaltet. »Und ... du solltest mich besser wieder bei meinem Nachnamen ansprechen, denke ich.«
»Ich würde ... Sie gerne zu einem Kaffee einladen.«
»Was?«
»Einen Kaffee.«
»Ich halte das für keine so gute Idee, Joshua.« Sie lachte kurz auf.
»Okay! Bin ich so abartig, dass du nicht mal einen Kaffee mit mir trinken möchtest!«
Die Kassiererin von eben blickte über die Schulter zu uns herüber. Manou lächelte maskenhaft und zeigte eine beschwichtigende Geste. »So, Joshua«, zischte sie, »als Erstes will ich, dass du dir einen anderen Ton zulegst, verstanden? Wie redest du denn mit mir? Und wir sind nicht mehr per du. Ist das jetzt klar?«
Ich trat einen Schritt näher. Sie wich zurück.
»Weißt du was? Fick dich!«, sagte ich, jeden Buchstaben betonend. Ich nahm meinen Kram und ließ sie stehen.

Am Nachmittag klingelte das Telefon. Ich hob zögernd ab. Es war Etienne, ausgerechnet! Mir wurde flau im Magen. Er erkundigte sich, wie es mir ginge und was los wäre. Er wollte wissen, ob ich morgen in die Schule käme.
»Wahrscheinlich, ja.«
Ob wir zusammen lernen sollten.
»Hey, ich bin voll fertig. Gehe selbst noch mal alles durch, okay? Aber danke fürs Angebot!«
»Ja, mach das unbedingt!«, erwiderte er. »Schau dir Seite 68 bis 72 an! Wäre sauschade, wenn du das Jahr nicht schaffen würdest, ehrlich.«
»Gut, aber wieso juckt dich das überhaupt?« Mein Ton war schärfer als gewollt.
Ich hörte ein, zwei tiefe Atemzüge, dann sagte er: »Ich mag dich einfach, Josh.« Eine Pause entstand. »Lange schon.«
Ich musste an das Poster in seinem Zimmer denken. Einem Gefühl nachgebend, fragte ich: »Wie du Maldini magst?«
»Ja, Josh. Irgendwie schon.« Er räusperte sich. »Vielleicht können wir mal reden?«
Ein albernes Kichern ergriff mich und schwoll zu einem Lachorchester an. Tränen stiegen mir in die Augen.
»Josh?«, hörte ich.
»Hey!, vergiss es, Etienne. Vergiss es!«
»Verstehe, das kommt komisch rüber jetzt, aber ...«
Ich unterbrach ihn und schüttelte ungläubig den Kopf. »Such dir einen anderen, okay!« Ich lachte jetzt nicht mehr. »Kein Interesse, Etienne. Ich hab‘ absolut kein Interesse.«
Es machte Klick am entgegengesetzten Ende der Leitung.

In der Küche öffnete ich den Kühlschrank und starrte eine Weile in dessen Innenleben. Ich fingerte nach einem verschrumpelten Würstchen, biss ab und ging ins Wohnzimmer, wo ich mir die Fernbedienung griff. Mein Daumen hüpfte auf und ab, als betätige er einen dieser Handzähler, wie ihn Leute benutzten, die das Verkehrsaufkommen stark befahrener Straßen erfassten. Die Titelmusik: The Unknown Stuntman katapultierte mich unmittelbar in die Kindheit zurück. Eine Wiederholung meiner Lieblingsserie von früher. Colt Seavers preschte mit seinem GMC Sierra Grande durchs Bild und ich sank tiefer in den Fernsehsessel.
Ich schrak auf, »Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau«, hörte ich. Eingepennt! Mathe! Was für ein Montag! Wie gerädert schaltete ich die Glotze ab, holte das Schulbuch – Seite 68 bis wohin? –, warf es auf mein Bett und watete ins Bad. Im Alibert fand ich Mutters Ersatzpackung Schlafmittel. Ich drückte mir eine Tablette in die Hand, zögerte kurz und pulte den ganzen Blister aus der Schachtel, den ich mir hinten in die Jeans steckte. Wenigstens die Scheiß-Stochastik nochmals angucken, dann wollte ich herausfinden, warum meine Mutter derart begeistert von den Pillen war, dass sie immer mindestens zwei Packungen von dem Zeug auf Vorrat hatte.

Das Telefon riss mich aus dem Koma. Ich eilte in den Flur und nahm benommen ab.
»Hallo?«
»Wieso bist du daheim?«, fragte Mutter.
Die Uhr zeigte 10:28 Uhr. »Ich ...«
»Wieso bist du nicht in der Schule, Joshua!«
»Siehst du, ich hab’s gewusst! Ein Versager und Lügner!«, hörte ich Vater im Hintergrund brüllen.
»Keine Ahnung ... ich hab‘ wohl verpennt.«
»Du hast ... Und was ist mit Mathe?«
»Ja, weiß nicht, ich ...«
Es raschelte, dann schrie mich Vater an: »Wart’s nur ab, Bürschchen, bis wir wieder zu Hause ...«
Ich knallte den Hörer auf die Gabel. Kaum geschehen, begann es erneut zu klingeln. Zurück im Zimmer legte ich Kurt Cobain ein. Take your time, hurry up, the choice is yours – ich drehte voll auf. Bei No, I don’t have a Gun hielt ich es nicht mehr aus und zog endgültig den Telefonstecker.

Der Seesack lag oben auf dem Schrank. Ich fackelte nicht lange, stopfte ihn mit Klamotten aus und öffnete die Haushaltskasse mit einem Zweitschlüssel, den die Eltern hinterm Bett bestens versteckt glaubten. Ich entnahm ihr ein paar Hunderter – das Kleingeld ließ ich drin. Mit der Kohle auf dem Sparbuch, das ich plündern wollte, kämen um die 1000 Kröten zusammen. Nicht schlecht, dachte ich.
Wenig später schulterte ich meinen Kram, eilte zur Bank, kaufte ein Nachtzugticket – Amsterdam schien mir eine gute Wahl zu sein – und hatte anschließend zehn Stunden bis zur Abfahrt Zeit.

Am Fluss nervte keine Menschenseele. Sonnenreflexionen tanzten wie grelle Irrlichter auf der grün schimmernden Wasseroberfläche hin und her. Ich schirmte die Augen ab, kaute auf einem Landjäger herum – den Seesack aus schwerem Canvas unter dem Kopf – und fühlte mich wie Sal Paradise. Das erste, was mir in den Sinn kam, als mich ein Insekt aus dem Schlummer krabbelte, war Manou. Idiotisch! Um die zwanzig Jahre trennten uns. Vielleicht war ich echt ein Psycho, wie Klara mir gesagt hatte. Da war etwas in Manou, ich glaubte, es zu erkennen. Sie wollte vermutlich nur ..., ja, geliebt werden und ich, verdammt, wollte das auch. Sie hatte mich geküsst ... Blödsinn! Nein, für sie war ich wohl nur ein Kind!
Ich beschloss, zum Zirkuswagen zu gehen. Möglicherweise war sie dort, dann würde ich ihr sagen, dass ich kein Kind mehr wäre! Dann würde ich ihr geigen, dass ich Gefühle hätte! Dass man das nicht einfach so mit mir machen könne! Und dann: Adieu!

Sie lag auf dem Liegestuhl, ich bäuchlings im Gras. Eine Lücke in der Hecke bot den idealen Ausguck. Ein warmer Windhauch trug den Geruch nach Kokos zu mir rüber – von der Sonnenmilch, mit der sie sich eingerieben hatte. Wie sie so dalag, die Beine angewinkelt und leicht geöffnet ... Das machte mich scharf. Ich fragte mich, ob sie geil stöhnen würde, wenn ich es ihr besorgte. Direkt auf der Liege oder von hinten oder am Strand, egal. Ich grinste. Mein Schwanz begann unruhig zu pochen, weshalb ich die Stellung wechselte, um ihn in eine angenehmere Position zu bringen. Was mir dabei aus der Gesäßtasche rutschte, war der Blister mit Schlaftabletten. Sie trank wieder. Ich drückte zwei Rohypnol aus – ohne nachzudenken – und versuchte, eine davon zwischen den Nägeln kleinzudrücken. Ging nicht. Manou rappelte sich auf, sah in meine Richtung – das Herz stand mir still! – und verschwand im Wagen. Ich fand einen flachen Kiesel, auf den ich die Tabletten platzierte. Mit einem anderen Stein zerrieb ich sie zu Mehl. Das Pflöpp vom Entkorken einer Flasche war zu hören. Manou kehrte zu meiner Enttäuschung angezogen zurück – weite Batikhose und T-Shirt, mit völlig ausgewaschener Aufschrift.
Ich weiß nicht, warum. Ich hatte keinen Plan oder so. Ich wollte es ihr einfach heimzahlen, ich fühlte mich von ihr gekränkt, irgendwie. Sie stellte ihr rot gefülltes Trinkgefäß auf den Tisch, legte Schreibzeug daneben und nahm erneut die Stufen zum Wagen hinauf. Ich wischte das Pulver in die hohle Hand, schloss sie halb zur Faust und kroch damit in den Garten. Mein Herzschlag dröhnte mir wie Technobässe in den Ohren. Ich duckte mich unter einem der Fenster hindurch, lauschte, sah zur Eingangstür – freie Bahn! – und schüttete das Schlafpulver ins Glas. Ein schmieriger Rest klebte in der Handfläche, ich rieb ihn mit dem Finger ab, den ich anschließend in den Rotwein tauchte. Die Klospülung rauschte, ich rührte hastig um, bemerkte weiße Flöckchen an der Oberfläche – keine Zeit mehr! – und rannte los. Eine Tür sprang auf und ich jagte durchs Heckenloch wie ein Schlagmann zur rettenden Base.
Einen Stift in der Hand, hob sie den Schierlingsbecher an. Manou zögerte, sah hinein und schwenkte den Inhalt. Sie wiederholte die Prozedur, nahm einen Schluck, beäugte erneut die Flüssigkeit darin und trank. Daraufhin schrieb sie etwas auf. Ich fühlte mich mit einem Mal sauelend. Einerseits hatte ich gehofft, sie würde das Zeug ausschütten, andererseits war ich neugierig. Und was, außer zu pennen, konnte schon passieren?
Es geschah nichts, obwohl die Sonne bereits tief stand und Manou inzwischen nachgeschenkt hatte. Meine Aufregung löste sich zunehmend. Ich sah auf die Armbanduhr und beschloss, mich aus dem Staub zu machen. Das Mittel schien wirkungslos zu bleiben. Warum auch immer. Alles schmerzte mir vom Liegen, ich hatte einen steifen Hals und als ich eben wegrobben wollte, gähnte sie ausgiebig. Sie legte den Kugelschreiber ab, bettete den Kopf auf die Arme und schlief – halb über den Tisch gebeugt – bald ein. Ich starrte gebannt zu ihr hinüber, keinen Schimmer, wie lange.

»Frau Klein?« Ich ging auf sie zu. »Frau K-l-e-i-n?« Nichts. Ich musste lachen, aber mein Inneres zog sich zusammen. Bei ihr angekommen, sprach ich sie erneut an, griff an ihre Schulter und war erleichtert, sie atmen zu hören. Ich nahm neben ihr Platz. »Manou, Manou, Manou ....«, sagte ich und strich ihr dabei die Wange. Dann ergriff ich den Block vor ihr – es standen irgendwelche Rechnungen darauf –, schlug die Seite um und schrieb: Sie sollten mit ihrem Sohn ... Das Blatt riss ich aus, steckte es in die Hosentasche und brachte stattdessen: Etienne ist schwul, wussten Sie das?, zu Papier. Ich kicherte und setzte ein Ausrufezeichen dahinter. Jetzt wollte ich den Standwagen erkunden. Miniküche, Dusche, WC und einen Schlafraum gab es zu sehen – zweckmäßig eingerichtet. Ich fand ein paar zerfledderte Taschenbücher, einen Kapuzenpulli, leere Flaschen und weiteren Kram. Einzig das Holzbett weckte Interesse – ein wild gemusterter, bunter Quilt lag obenauf. Gemalte Zirkusmotive zierten die Bettvertäfelungen am Kopf- und Fußende: Tiger, die durch brennende Reifen sprangen, Jongleure und hässliche Clowns. Ich ging mit dem angebrochenen Chianti zurück nach draußen und nahm mir eine von Manous Zigaretten, die auf dem Tisch lagen. Ich rauchte, trank aus der Buddel und stellte mir vor, was der Wagen wohl alles erlebt haben mochte. Dabei behielt ich Manou die ganze Zeit im Auge.

Abendrot ließ ihr Haar flammend leuchten. Es roch nach Zitronen. Ich stand hinter ihr und schmiegte mich an sie. Sie stöhnte auf, oder murmelte etwas. »Frau Klein?!« Sie antwortete nicht, schnarchte nur leise.
Unmöglich, sie einfach so hier zu lassen! Wenigstens eine Decke wollte ich ihr umlegen. Dann fiel mir das Bett ein. Ich schlang die Arme um sie, packte Elle und Speiche – unter den Achseln hindurch – und richtete ihren Oberkörper auf. »Komm schon!«, rief ich. »Du musst aufstehen!« Sie drängte zurück nach vorn, ich hielt sie davon ab und zog sie stattdessen vom Stuhl wie eine Bewusstlose. Manou brabbelte Unverständliches, während ich sie zur Treppe schleppte. Die Stufen hoch ging es am schwersten. Ich keuchte.
Endlich angekommen, schmiss ich mich – Manou fest umklammert – rückwärts aufs Bett. Wir lagen eine Weile nur da. Sie bewegte sich über mir. »Alles gut«, flüsterte ich. Mein Herz raste. Ich berührte sie an den Flanken und streichelte ihr den Bauch, die Brüste, das Gesicht. »Alles gut«, wiederholte ich und küsste ihr die Schläfe, saugte an ihrem Ohrläppchen. Ich bekam kaum Luft, aber das störte mich nicht. Der Schwanz platzte mir fast. Meine Hände wanderten unter ihr Shirt – ihre Haut war so weich wie Klaras. Ich knetete sanft ihre Titten, spielte mit ihren hart werdenden Nippeln und packte zu. Das Stöhnen machte mich noch geiler. Ich griff ihr ins Höschen, strich durch widerspenstiges Haar ihren Schamhügel hinab, ertastete die Spalte darunter. Ein geheimnisvoller, derber Geruch nach Urin und etwas anderem, verlockendem, stieg mir in die Nase. Ich lutschte mir den Mittelfinger ab, fasste ihr erneut in den Schritt, tauchte tief in das warme, feuchte Innenleben Manous, roch an meiner Hand und schmierte mir ihre Duftmarke auf die Lippen. Ich leckte sie ab. Es schmeckte säuerlich. Ich begehrte mehr davon, doch sie spannte sich auf ein Mal unerwartet an, als hätte sie einen elektrischen Schlag bekommen. Manou rollte von mir hinunter. »Komm her«, fauchte ich und drehte sie auf den Rücken. Sie nuschelte irgendetwas, die Lider hielt sie verschlossen. Mein Daumen wischte über ihren ungeschminkten Mund. Sie schlug unbeholfen auf meinen Arm ein. So, als wolle sie Mücken verscheuchen. Einer ihrer Nägel kratzte mich an der Wange. »Schlampe!«, fauchte ich und tastete nach Blut, fand jedoch keines. Ich riss Manous Hose runter und drückte ihre Beine mit den Knien auseinander, während ich an meinem Gürtel fummelte. »Du verarschst mich nicht!«, zischte ich. Sie wollte sich zur Seite drehen, aber ich packte ihre Handgelenke mit der Linken und presste sie in die Matratze. Mein Gesicht war ihrem ganz nah. Sie verzog es, bekam die Augen nicht geöffnet, obwohl sie es zu versuchen schien. Hitze stieg zu mir auf. Ich hatte den prallen Schwanz in der Rechten und versuchte – am Slip vorbei –, endlich ihre Möse zu treffen.
»Ich fick‘ dich, verstehst du? Jetzt fick ich dich, Manou!«, spie ich ihr entgegen.
Sie nuschelte etwas. Der Scheiß-Slip versperrte das begehrte Loch. Tränen quollen ihr aus den Augenwinkeln. Sie hinterließen glänzende Bahnen, bevor sie aufs Bett ploppten. Komisch, die leisen Geräusche nahm ich glasklar wahr. Es hörte sich an, als falle einsetzender Sommerregen auf ein Segeltuch. Wie hypnotisiert betrachtete ich Tropfen um Tropfen. Graue Muster zeichneten sich auf dem Laken ab und wuchsen. »Fuck«, sagte ich. Es war, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Alles schnürte sich mir zusammen. Die Kraft meiner Knie verebbte und Manou schloss die Beine wieder. »Tut mir leid«, hauchte ich. Die Hose zog ich ihr hoch, so gut es eben ging. Manou rollte sich wie ein Embryo zur Seite. Ich schnappte den Quilt, der neben ihr lag und bedeckte sie damit bis über den Kopf. Mein Blick fiel auf Tiger, die durch brennende Reifen sprangen, Jongleure und hässliche Clowns. Dann schlich ich verwirrt nach draußen. Schmiss mich auf einen Stuhl, trank den letzten Schluck Chianti aus und stierte in den wolkenlosen, dunkel werdenden Himmel.

Der Wein roch sauer, die Sterne funkelten und ich hatte einen Harten. Mir war elend zumute. Ein Scheiß-Eisberg schwamm in meinem Magen. Ich formte die Lippen zu einem Kussmund und hatte den Duft von Möse in der Nase. Er ließ das Eis ein wenig schmelzen. Dennoch, alles hier war falsch! Ich hatte eine Scheiß-Angst. Die Armbanduhr versprach, bald führe der Zug nach Holland ab. Meine Gedanken häuften sich auf und stoben wieder auseinander wie die Blätter eines Laubhaufens, der von eine Böe erfasst wird. Ich sah Richtung Zirkuswagen und lauschte. Leise Atemgeräusche, das Gluckern vom Fluss und zirpende Grillen. Ich hatte mal gelesen, dass Opfer von Sexualdelikten ... oft vergaßen, wenn sie ... Oh Mann! Immerhin war ich nicht weiter gegangen, dachte ich. Aber beinahe. Eine grausige Erkenntnis. Psycho, hatte Klara gesagt. Sie hatte ja keine Ahnung, wie sehr ich Psycho war. Die Kerze, die ich angezündet hatte, flackerte und warf unruhige Lichtbilder auf den Tisch. Da lag der Brief, diese kindischen Zeilen über Etienne. Ich schnaubte und zerknüllte ihn, steckte ihn mir in die Tasche. Das Kerzenlicht blies ich aus.
Als ich aufstand, um mich davon zu stehlen, hörte ich Bremsen quietschen. Polizei!, dachte ich. Es klang nach Fahrradbremsen, weshalb ich den Gedanken gleich wieder verwarf. Es musste Etienne sein. Ich rannte geduckt Richtung Hecke – sinnlose Haltung, es war ohnehin stockfinster – und kroch durchs Loch.
»Mama?« Das Gras raschelte, Schritte näherten sich. »Mama!«, rief Etienne erneut. Er nahm die Stufen zum Wageninneren; sprach Manou an – ich verstand nicht, was er sagte. Licht ging an.
»Scheiße!«, schrie er. Ich zuckte zusammen. Etienne stürmte heraus. »Scheiße!« Es folgten dumpfe Aufschläge von Flaschen, die geworfen wurden. Ich erkannte, dass er auch die Chiantiflasche packte und wegschleuderte. Sie zerbrach klirrend in der Dunkelheit. »Scheiß-Abgesoffene-Kuh!« Er drehte sich zum Wagen hin. »Du Scheiß-Kuh! Ich mache das nicht mehr mit, hörst du!« Etienne kickte einen Stuhl um und setzte sich auf den daneben. Ich schmeckte etwas Metallenes im Mund – die Lippe hatte ich mir aufgebissen. Etienne raufte sich die Haare. Er schluchzte und schlug heftig auf den Tisch. Dann erhob er sich, schlurfte gesenkten Hauptes nach innen und schloss die Tür hinter sich.
Ich schulterte den Seesack, den ich hier deponiert hatte und schlich auf Zehenspitzen davon. Auf der Straße angekommen, rannte ich so schnell ich konnte. Meine Lungen ächzten, ein Stechen bohrte sich mir in der Flanken. Ich erhöhte das Tempo noch, rannte und rannte und hoffte beinahe, das Herz setze mir aus.

Am Bahnhof suchte ich die gelbe Infotafel – Gleis drei. Ich kaufte mir Zigaretten und schlenderte zum Bahnsteig. Der Zug stand schon da, eine Gruppe Jugendlicher soff Bier in Dosen. On-The-Road-Rucksäcke wie meiner türmten sich vor ihnen auf. Ich setzte mich auf einen Stuhl aus angenehm kalten Metall. Meine Rechte führte zitternd eine Kippe zum Mund, links hielt ich das Ticket, das versprach, von der ganzen Scheiße wegzukommen. Ich leerte den Kopf, so gut es ging, Manou ließ sich jedoch nicht vertreiben. Sie krallte sich in meine Gedanken wie Katzenklauen. Ich sah, wie sie sich unter mir wandte, hörte ihr Stöhnen, folgte den Tränen, die sie vergoss. Nie zuvor im Leben hatte ich mich so gefühlt.
Die Backpacker tranken aus und stiegen ein. Ich blieb sitzen.

Ich hatte solche Angst davor, am nächsten Tag zur Schule zu gehen. Aber ich verdammte mich dazu. Die Bullen kämen oder Etienne brüllte vor versammelter Mannschaft, was für ein abgebrühter Vergewaltiger ich sei. Doch Etienne kam nicht. Was die Sache vielleicht nur aufschob. Auch die Bullen kamen nicht. Und ich ging zur Haberer, bat um Verzeihung, legte die gefälschte Entschuldigung aufs Pult und fragte, ob ich nachschreiben könne. Ich sah ihr ins Dekolleté. Der Gedanke, wie es wohl wäre, ihr ein oder zwei der Pillen zu geben, versetzte mir einen Stich.
»Kannst du, Joshua, und zwar gleich. Okay?«
»Äh ... ja«, antwortete ich.

Etienne saß am darauffolgenden Schultag sichtlich teilnahmslos die Unterrichtsstunden ab. Auf dem Heimweg nahm ich allen Mut zusammen. »Wie geht’s, Mann?«, fragte ich ihn.
»Pfff...« Etienne hob abwehrend die Hand.
»Ist was?«
»Ach vergiss es«, sagte er.
»Du siehst aber ...«
»Vergiss es einfach, ja!«
»Hat es was mit mir zu tun?«
Etienne lachte. »Hör mal, Josh, nein, hat nichts mit dir zu tun.« Er rieb sich die Stirn. »Hat was mit meiner Mutter zu tun.«
»Okay.« Die Beine wurden mir schwer.
Er sah mir in die Augen, seine Halsschlagader trat deutlich hervor. »Die abgesoffene Kuh!«, platzte er heraus.
Ich fuhr zusammen.
»Weißt du, sie säuft sich irgendwann tot. Aber nicht mit mir!«
Ich nickte nur, Etienne ging weiter.
»Vorgestern war sie am Fluss. Ich hab nie ein gutes Gefühl, wenn sie dort hingeht, weil sie sich ständig volllaufen lässt.« Etienne stierte auf den Gehweg. »Um acht war sie immer noch nicht zu Hause, ich bin hingefahren, um nachzusehen. Und wo fand ich sie?« Er sah mich an.
»Keine Ahnung.«
»Im Wagen, in der Kiste«, sagte er und starrte erneut zu den Füßen. Er legte einen Zahn zu, ich hielt schritt. »Hat gestunken wie sonst was, Fusel und so. Die hat sich total abgeballert, war gar nicht mehr ansprechbar. Scheiße!« Etienne trat nach einem Steinchen, traf es jedoch nicht. »Ich war stinksauer, bin zu ihr rein und hab gewartet, bis mit ihr wieder was anzufangen ist. Das hat Stunden gedauert, Mann! Ich bin selbst eingeschlummert, auf nem beschissenen Stuhl, alles hat mir wehgetan danach. Und weißt du, was die blöde ... Weißt du, was sie sagt?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Sie weicht vor mir zurück und fragt, wieso ich das gemacht hätte. Kein Plan, was sie meint. Ich setze mich zu ihr aufs Bett, da schreit sie hysterisch rum und scheuert mir eine. Die hat sich echt das Hirn abgesoffen! Ich hätte sie ... berührt. Begrapscht!« Etienne blieb stehen. »Ich war sprachlos, hab erst gar nicht kapiert, was sie sagt. Und sie fragt ernsthaft, ob ich mich an ihr ... vergangen hätte.«
Etienne griff mir an beide Schultern und ich glaubte, in den Boden gedrückt zu werden. »Das ist meine Mutter! Meine Mutter! Geht’s noch!«
»Ja«, sagte ich.
»Und du ahnst es, oder? Ich bin schwul, ja, bin ich, na und! Ich mache da keinen Hehl mehr draus! Und das brülle ich ihr ins Gesicht! Ich hab sie nie so angeschrien. Und sie fängt an zu heulen. Und steht auf. Und fällt auf die Fresse. Und rappelt sich hoch. Und geht ins Bad. Um zu kotzen, Mann! Dann bin ich gegangen.«
»Oh je.«
»Ja, oh je. Sie wollte gestern mit mir reden, aber die kann mich mal. Ich ziehe zu meinem Vater nach Heidelberg! Du kannst dir nicht vorstellen, was ich alles mitgemacht hab‘, seit er weggegangen ist. Entgiftung, Therapie, volles Programm. Das kann sich niemand vorstellen! Am schlimmsten ist die Enttäuschung, weißt du? Und mittlerweile hat sie sich völlig runtergewirtschaftet.«
»Ich find’s gut, dass du ihr gesagt hast ... na, dass du homosexuell bist«, sagte ich.
»Was sich ihr kaputter Kopf da ausgedacht hat ... Das macht mir echt Angst, verstehst du!«
»Klar.«
»Ich bin kein Idiot.« Er lacht auf. »Bin ihr eigentlich sogar dankbar. Hab’s ihr endlich sagen können! Jeder sollte zu seiner Sexualität stehen, oder?«
Ich dachte einen Moment lang nach. »Stimmt, ja.«
»Sorry«, sagte er, »dass ich dich mit dieser Scheiße zumülle, Josh. Weiß auch nicht, das musste einfach raus jetzt.«
»Ist okay«, erwiderte ich.

Meine Eltern kamen Freitag zurück.
Ich öffnete ihnen die Tür, Vater ging wortlos an mir vorbei, zwei Trolleys im Schlepptau. In dem lächerlich dunkelroten Anzug, den er trug, sah er wie ein Hotelboy aus. Mutter sah mich mit ernster Miene an, die sie allerdings nicht aufrecht erhalten konnte.
»Joshua ...«
»Hi«, unterbrach ich sie. »Komm doch erst mal rein. Ich will mit euch reden.«
Vater brüllte, er habe schon genug gehört. Als ich mich entschuldigte, erzählte, dass ich bereits nachgeschrieben hatte und beschloss, so oder so auf die Angell zu wechseln, bröckelte seine feindselige Fassade. Mutters Plan sah zudem vor, dass ich wieder Psychostunden nehmen sollte. Ich wehrte mich anfangs, dann gab ich nach. Ein paar Stunden Selbstreflexion und soziales Lernen sollten folgen.
Immerhin der Umgang mit den Eltern fiel mir später leichter, auch wenn es Momente gab, an denen ich hätte abkotzen können. Klar.

Italien verlor das Finale gegen Brasilien – ich musste an Etienne denken –, die Sommerferien verbrachte ich an der Costa Brava und eine neue Ära brach an, als ich auf diese beschissene Privatschule wechselte, die gar nicht so beschissen war. Die Mädels waren scharf, die Lehrer ganz okay und ich lernte bald so was wie Freunde kennen. Selbst die Noten besserten sich merklich – später sollte ich problemlos das Abi machen.
Ich hätte eigentlich zufrieden sein können, aber die Erinnerung an die Manoukiste trieb mich um, was nicht immer einfach war.
Ich hatte Scheiße gebaut und wurde noch belohnt dafür. Verrückte Welt, dachte ich.

***

Mein Kumpel sah mich mit glasigen Augen an, dann kippte er sich das restliche Bier in den Rachen. Die Chili Peppers dröhnten Give it away, ich zündete mir eine Gauloises an. Hier hinten saß kaum jemand, die letzten Gäste tummelten sich auf der Tanzfläche oder hockten an der Bar, auch Klara.
»Krasse Geschichte«, sagte mein Kumpel. Eine Pause entstand, wir redeten kein Wort. »Krasse Geschichte«, wiederholte er, meinem Blick wich er aus. »Hast mir nie davon erzählt, all die Jahre.«
»Ja, ich weiß.«
»Und wieso heute?«, fragte er.
»Möglicherweise will ich, dass du mich einlochst.« Ich knuffte ihm die Schulter. »Wo du ja jetzt studierst und so.«
Der Kumpel grinste sichtlich gequält. »Da musst du noch ein paar Semester warten und hey!, was, wenn ich Anwalt werde?«
»Du wirst mir zu teuer sein.«
»Klar, Josh.« Er lachte kurz auf und beäugte das leere Trinkgefäß vor sich. »Nein, ist echt ne krasse Geschichte.« Das Glas kippte er hin und her. »Sie hat nie was gesagt, oder?«
»Manou?«
»Wer sonst?«, fragte er.
»Mir ist das nie aus dem Kopf. Ich sehe sie manchmal auf der Straße. Sie nickt mir zu. Würde sie wohl nicht, wenn sie ... na ja.«
»Wahrscheinlich.« Er hörte auf, das Trinkglas zu schwenken. »Von Etienne was gehört?«
»Ich weiß nur, dass er nach Heidelberg gezogen ist.«
»Hm.« Dem Kumpel war anzusehen, dass er zu viel gesoffen hatte und ihm das Gespräch langsam schwerfiel. »Josh, nimm’s mir nicht krumm, ich muss jetzt, okay?«
»Kein Ding.«
»Kommst du mit?«
Mein Blick wanderte zur Bar hinüber. »Ich bleib‘ noch etwas, mache aber auch nicht mehr lange.«
Der Kumpel sah zum Tresen. »Klara hat sich toll entwickelt, oder?«
Ich lachte. »Ja.«
»Tja, Josh, Chance verpasst. Vielleicht erzählst du bei Gelegenheit mal, was bei ihr schiefgelaufen ist, hm?«
Ich winkte ab.
Er grinste, stand auf und reichte mir die Hand. »Bei ihr wirst du nicht mehr landen, sie hat einen Freund.«
»Gibt noch andere.« Ich klatschte ein, er schüttelte den Kopf.
»Wir reden weiter, ja?! Sobald ich wieder klar denken kann«, sagte er.
»Ja, gut.«
»Okay. Josh, wird mir fehlen mit dir!«
Ich erhob mich, wir umarmen uns. »Mir auch. Ich komme zu Besuch, versprochen.«
»Will ich hoffen, Alter!«, sagte er. »Ruf an, ja?«
Ich hob den Daumen zur Antwort und schaute, wie er davontaumelte. Er war ein Arschloch.

Sie roch anders. Früher waren mir Blumen und frisch Gewaschenes in den Sinn gekommen, wenn wir uns umarmt hatten. Heute lag eher der Duft nach orientalischem Tabak im Raum. Sie sah verloren aus, ihr Freund war nirgends zu sehen. Klara stützte das Kinn auf und knabberte am kleinen Finger. Sie blickte zur Tanzfläche, wo die Tussi, die sie begleitet hatte, sich von irgendeinem Typen antanzen ließ.
»Klara.«
Sie hob den Kopf in meine Richtung. »Ich hab‘ dich schon gesehen. Alles klar?«
Ich rückte den Barhocker näher zum Tresen, näher zu ihr. »Geht so.« Ich winkte den Barkeeper herbei. »Willst du auch was?«
»Nee, danke.« Klara wendete sich wieder den Tanzenden zu.
»Sicher?«,
»Keine Ahnung.«
»Zwei Wodka-Red-Bull«, sagte ich zum Mann hinter der Theke.
»Nee«, meldete sich Klara.
Ich grinste. »Ramazotti?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Zwei Gin Tonic«, sagte ich und blickte dabei auf Klaras kurz geschorenen Hinterkopf. »Den hast du immer gerne getrunken.«
Klara zuckte mit den Schultern.
»Wer ist das, da, auf der Tanzfläche?«, fragte ich.
»Nur ne Arbeitskollegin.« Klara drehte sich zu mir um. »Hör mal, Josh-u-a, was soll das? Ist das hier ne Anmache?«
Ihre Wimpern faszinierten mich genauso wie damals. Die Kurzhaarfrisur verstärkte den Effekt noch. Keck nach oben gewölbt, umrahmten sie ihre blauen Augen wie schwarzgemalte Sonnenstrahlen.
»Konversation?« Ich grinste erneut.
»Und du glaubst, ich hab‘ Lust mit dir Konversation zu treiben?«
»Ach komm, Klara, wir haben so lange nicht mehr miteinander geredet.«
»Ich wollte nie mehr mit dir reden. Vergessen?«
»Nein.« Ich hob mein Glas an. »Aber wir hatten nicht nur miese Zeiten, oder?« Klara zog die Brauen hoch. »Auf die schönen Momente, an die ich mich übrigens gerne erinnere.« Ich prostete ihr zu.
»Zum Beispiel?«
»Hm ... Wahrheit oder Pflicht?«
Klara runzelte die Stirn, kurz darauf glättete sie sich wieder. »Im Stadtgarten?«, fragte sie.
Ich prustete los und nickte. »Zum Beispiel!«
»Ja, war lustig«, sagte sie. »Okay, pass auf, Josh, ich gehe für freche Mädels, danach trinke ich genau einen Gin mit dir. Das war‘s dann für die nächsten ... ähm ...«
»Drei Jahre«, ergänzte ich.
»Genau.« Klara ließ sich vom Barhocker gleiten und legte mir für eine Sekunde die Hand auf die Schulter. Sie mogelte sich geschickt an den Tänzern vorbei. Ihre Begleiterin war nicht mehr zu sehen. Klaras schwarze Bluse leuchtete im UV-Licht blau auf, als sie die Schwingtür zu den Toiletten aufstieß.
Niemand außer mir saß noch an der Theke. Der Barmann feixte mit einer Blonden, die jedes Wort von ihm mit einem behäbigen Blinzeln quittierte. Der Rest sprang die Tanzfläche auf Jump Around hoch und runter. Mir brach der Schweiß aus. Das Glas vor mir war angenehm kühl und beschlagen. Mein Daumen malte auf der Oberfläche herum. Ich hörte das eigene Herz schlagen, trotz der Bassgewalt von House of Pain ringsum. Den Finger tauchte ich ins Trinkgefäß und rührte um, bis sich die Flüssigkeit darin wieder aufklarte. Er schmeckte nach Zitronen, als ich ihn ableckte.
Klara drängelte sich durch den hüpfenden Mob. Ich zögerte einen Augenblick, dann schob ich den Gin Tonic wieder zu ihrem Platz. Nachdem sie es zu mir geschafft hatte, verdrehte sie die Augen. Ich grinste und hob das Glas.

 
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Es hörte sich an, als falle einsetzender Sommerregen auf ein Segeltuch.

Also mal vorweg,

lieber hell -
und weil wir uns noch nie direkt begegnet sind,erst einmal ein herzlich willkommen hierorts, wofürs nie zu spät sein kann! -

also vorweg, ich war immer schon ein Bücherwurm und mit 13 eine Brillenschlange, was keineswegs ausschloss, Fußballfan zu sein und auch zu spielen, dass ich aus einem kuriosen Grund weitaus später die vom Optiker empfohlenen Kontaktlinsen ablehnte. Warum: weil ich mal Toni Schumacher auf der Suche nach seinen Linsen übern Rasen krabbeln sah.

Nun gut,zwischen dem sechsten und siebenten Jahrzehnt und dem neunten des vorigen Jahrhunderts findet schon eine ganze, frische, neue Generation Platz, selbst wenn es auch zu meiner Zeit schon zur Schulpflicht hieß

»Gut. Du verstehst hoffentlich, dass du das nicht für uns, sondern für dich machst.«
Man lerne halt fürs Leben und die armen Menschlein von heute halt die Marktkonformität.

Du erzählst da eine individuelle Geschichte eines Heranwachsenden aus autoritärem, quasi patriarchalischem Haus in all seiner Zerrisenheit. Ach, was sag ich, eine feine Geschichte erzählstu, die quasi zunächst „Die Reifeprüfung“ ins Schwäbische („Rausgeld“ ein wundervolles Indiz) des letzten Jahrzehnts des vorigen Jahrtausends („Maldini“, WM 1994) auf kleinbürgerliche Verhältnisse überträgt, wobei Dustin Hoffman nun „Joshua“ heißt und dem alles ganz anders widerfährt, als eine Mrs. Robinson es sich vorstellen kann. Und das ist zweifellos gut gemacht, dass ich getrost Neil Young und Pearl Jam‘s „Mirrorball“ auflegen kann, aber mehr werd ich nicht veraten. Sollen die anderen doch lesen,

oder?

Trivialeres – keine Bange, bei fünfzehn Seiten Manuskript kann auch mir dergleichen wiederfahren!

Und hierzu gleich zwo Anmerkungen, die einfachere zuerst

Die Glut der Zigarette schnippte ich ab, prüfte mit Daumen und Zeigefinger, ob was nachglomm[,] und warf den Stummel in den Mülleimer.
Bei den Sätzen ist es wie im richtigen Leben: Sie haben Anfang und Ende, egal, ob als Haupt- oder Nebensatz, wie hier, wo Du den Anfang korrekt setzt, nicht aber das Ende (Ähnliches geschieht weiter unten noch mal)

Das zwote wäre die Zerreißprobe zwischen gehobener Sprache („glomm“) und der Umgangssprache, deutlich direkt im darauffolgenden Satz in den

Oberstufenmädels
zu erkennen, wenn an sich im Standarddeutschen „Mädel“ wie das Möbel sowohl Singular wie Plural ist. Das Jüngchen übrigens auch, um allem Genderquatsch gleich vorzubeugen, verbessert sich die Lage eines Dienstmädchens nun mal nicht dadurch, dass sie auf einmal mit dem weibl. Artikel versehen wird.

Da ich eh keine Gewähr geben kann, alle Flusen gefunden zu haben (die Wahrscheinlichkeit, kleine Anspielung von mir, etwas nicht bemerkt zu haben, ist da höher, als alles gefunden zu haben), solltestu einfach noch mal selber durch den Text schauen.

Ich fragte nach seinem Vater, erfuhr allerdings nur, dass er in Heidelberg wohnte; bei einer …
Besser Konjunktiv I, „wohne“, statt „wohnte“

Hier kommen erste Eindrücke von Flüchtigkeit

Josh. Also ... äh, Joshua, entschuldigen ie bitte.«
e[r]hob sich.
Ich heiße Manou.«[...]
»Ja["], sagte sie. [„]So einen feschen jungen Mann ...«

Womit die Flüchtigkeit erst mal wieder nachlässt ...

Hier s. o., wenn auch nun Anfang und Ende verpasst werden

Ich nahm Platz, faltete meine Hände, wusste nicht[,] wohin mit ihnen[,] und legte sie auf den Tisch.

Sie durfte so um die [v]ierzig sein.
Vierzig – wie alle andern Zahlen auch – immer klein, da es ein verkürztes „vierzig Jahre alt“ ist.

Ich nickte.[...]
»Fuck«.
(den Punkt einfangen und vors auslaufende Gänsefüßchen setzen)

Ich schlief schon einige Zeit nie mehr[…] als drei, vier Stunden.
(Komma weg, weil die vergleichende Konjunktion tatsächlich nur einen Vergleich begründet und keinen vollständigen Satz

Ich legte 10 Mark zur Cola
Zahlen bis zwölf werden üblicherweise ausgeschrieben, obwohl man alle Zahlen ausschreiben darf, was natürlich ab 1121 immer unübersichtlicher wird.

Hier wolltestu wahrscheinlich einen Relativsatz platzieren

Sie ging zu eine[...] der geschlossenen Nachbarkassen und wartete,

Hier kommt einiges zusammen
Mir wurde flau im Magen, Er erkundigte sich, wie es mir ging und was los sei. Er wollte wissen, ob ich morgen in die Schule käme.
(entwed er Komma, dann Er klein, oder Punkt. Der Konjunktiv II endet i. d. R. Auf ...e, schon allein, um ihn vom Präteritum zu unterscheiden, also entweder „ginge“ oder „ging‘“. Da der Konj. II schon mal gesetzt, statt „sei“ besser „wäre“)

Ähnlich hier:

Möglicherweise war sie dort, dann würde ich ihr sagen, dass ich kein Kind mehr war! Dann würde ich ihr geigen, dass ich Gefühle hatte! Dass man das nicht einfach so mit mir machen konnte! Und dann: Adieu!
Schaffstu allein!

Hier ist das Adverb „nachgeschoben“, darum Komma!

, ich fühlte mich von ihr gekränkt[,] irgendwie.
Vermeiden ließe sich das durch einfaches Möbelrücken: „ich fühlte mich irgendwie von ihr gekränkt.“

Sie legte den Kugelschreiber ab, bette[te] den Kopf auf die Arme …
Miniküche, Dusche, WC und ein[en] Schlafraum gab es zu sehen -

Hier besser Konj. II:
Es war, als habe jemand einen Schalter umgelegt.

Etienne kickte eine[n] Stuhl um und
Die Bullen kämen[...] oder Etienne brüll[t]e vor versammelter Mannschaft, was
»Ach vergiss es[“], sagte er.
, weil sie sich ständig voll[l]aufen lässt.«

Mutter wollte, dass ich wieder Psychostunden nähme. Ich wehrte mich anfangs, dann gab ich nach.
In dem Falle mal Konj. I, denn der nachfolgende Satz zeigt ja, dass Mutters Wille sich durchsetzt ...

Zum Abschluss dann wohl eine Frage zu

»Mhm.«
das mir sehr comic-haft erscheint: Wie spricht man es aus, beim „hm“ [hm:] weiß ich es, aber hier will‘s mir nur ein [m:] werden. Wo bleibt der H-auchlaut?

Gern gelesen vom

Friedel

 
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Hallo @hell

deine Art zu schreiben hat es mir hier angetan. Ich konnte nicht aufhören zu lesen, wollte unbedingt wissen, was los ist mit den beiden Jungs, mit Manou und Klara.

Etienne trat aus dem Gebäude, das ich ein mal schön gefunden hatte. Ich hob den Arm, um ihn auf mich aufmerksam zu machen. Er schirmte die Augen mit der Hand gegen die Sonne ab, nickte und kam näher.

Komisch. Ich lese, dass Etienne seine Augen gegen die Sonne abschirmt und stelle mir als Schauplatz eine ausgetrocknete Ödnis mit Kakteen vor. Irgendwo in Mexiko :) Hat sich aber gleich geändert, beim nächsten Satz.

Mir gefällt deine Herangehensweise. Wie du langsam Spannung aufbaust, indem du die Charaktere vorstellst und sie handeln lässt. Die Beziehung der Jungs zueinander und Etiennes Mutter auf die Joshua zu stehen scheint. Wirklich sehr viele Konflikte, doch keineswegs überladen oder verwirrend. Man erfährt sehr viel. Nicht nur über Etienne und Josh, sondern auch über ihre Familien. Das hat mich nie gelangweilt. Ist ja auch wichtig, finde ich, um die Jungs und Manou zu verstehen. Es stellt sich auch heraus, dass die Buben ähnliche Probleme mit den Eltern haben. Das hätte sie zusammenschweißen können.

Du erzählst das alles wie nebenbei, lässt Joshua schlimme Sachen machen doch ich kann ihn nicht verachten, weil er in meinen Augen kein Psycho ist, eher ein unglücklicher und verwirrter Teenager.
Am Ende hätte ich gerne gewusst, warum Klara Josh als Psycho tituliert. Das habe ich aus der Geschichte nicht herausgelesen.

Gefallen haben mir auch die einzelnen Szenen. Konnte mich überall gut reinversetzen und der Fluss, in dem sie badeten war für mich, seit der Stelle an der ich erfuhr, dass Etiennes Vater in Heidelberg lebt, der Neckar. Fühlte mich sehr heimisch in deiner Geschichte und habe mir ausgemalt, wo der Zirkuswagen hätte stehen können :)

Deine Dialoge finde ich glaubwürdig und würde ich mich im Fußball und Musik auskennen, wüsste ich auch wann deine Geschichte spielt. So muss ich das noch nachschlagen. Joshs Wahrnehmungen, also wie er sich erlebt, hätte ich nicht immer so genau wissen müssen, doch ich gebe zu, auch das war spannend und reizte zum weiterlesen.

Das Ende habe ich dann aber nicht kapiert. Was hat es auf sich mit dem Glas von Karla, mit dem Josh herumspielt solange sie auf der Toilette ist? Und es war seltsam für mich, dass er dem Arschloch-Kumpel seine Geschichte erzählt. Das passt nicht zu dem Jungen, den ich in meiner Vorstellung hatte.

Ich habe mir meine Gedanken zum Ende gemacht und glaube, ich hätte die Geschichte auf dem Bahnhof enden lassen. Und zwar offen.

Die Backpacker tranken aus und stiegen ein.

Aber das ist natürlich Ansichtssache.

Textkram, so habe ich eben gesehen, hat der Friedel rausgepickt. Mir ist aufgefallen, dass du das "Sie" in der höflichen Anrede klein geschrieben hast.

Tolle Geschichte, hell.

Lieber Gruß
Tintenfass

Nachtrag:

Oh vergiss bitte, was ich über das offene Ende am Bahnhof geschrieben habe. Das ist doch Unsinn, man würde dabei nicht erfahren, dass Manou ihren Sohn für denjenigen hält, welcher … Ne, ist schon gut so, wie es ist.

 
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Hallo Friedel,


schön, dass du dich durch meinen Text gewühlt hast, schöner noch, dass er dir dazu auch gefallen konnte.

Deinen Willkommensgruß nehme ich gerne entgegen, vielleicht gerade deshalb, weil ich damit nicht mehr gerechnet hätte - in Anbetracht dessen, dass ich hier schon eine ganze Weile angemeldet bin.

Um gleich mal darauf einzugehen:

also vorweg, ich war immer schon ein Bücherwurm und mit 13 eine Brillenschlange, was keineswegs ausschloss, Fußballfan zu sein und auch zu spielen, dass ich aus einem kuriosen Grund weitaus später die vom Optiker empfohlenen Kontaktlinsen ablehnte. Warum: weil ich mal Toni Schumacher auf der Suche nach seinen Linsen übern Rasen krabbeln sah.
Ich musste schon ein wenig schmunzeln - danke für diese hübsche Anekdote.
Abgesehen davon, bin ich ganz bei dir. Ich sehe da auch keinen Widerspruch. Joshua scheint da eben ein schiefes Bild in sich zu tragen. So ist er halt :).

... selbst wenn es auch zu meiner Zeit schon zur Schulpflicht hieß
»Gut. Du verstehst hoffentlich, dass du das nicht für uns, sondern für dich machst.«
Man lerne halt fürs Leben und die armen Menschlein von heute halt die Marktkonformität.
Ja, wer ihn noch nicht kennt, den Spruch, wird ihn irgendwann bestimmt noch kennenlernen. Der nutzt sich wohl niemals ab. Aber ich gebe dir recht, was praktisch damit gemeint ist, hat selten was mit dem angesprochenem Individuum zu tun; andererseits, irgendwie dann ja wiederum doch, nicht wahr?

Du erzählst da eine individuelle Geschichte eines Heranwachsenden aus autoritärem, quasi patriarchalischem Haus in all seiner Zerrisenheit. Ach, was sag ich, eine feine Geschichte erzählstu, die quasi zunächst „Die Reifeprüfung“ ins Schwäbische („Rausgeld“ ein wundervolles Indiz) des letzten Jahrzehnts des vorigen Jahrtausends („Maldini“, WM 1994) auf kleinbürgerliche Verhältnisse überträgt, wobei Dustin Hoffman nun „Joshua“ heißt und dem alles ganz anders widerfährt, als eine Mrs. Robinson es sich vorstellen kann. Und das ist zweifellos gut gemacht, dass ich getrost Neil Young und Pearl Jam‘s „Mirrorball“ auflegen kann, aber mehr werd ich nicht veraten. Sollen die anderen doch lesen ...
Das möchte ich gerne unkommentiert so stehen lassen :).
Nur soviel: Zusammenfassung, Parallelen und deine Gedanken zum Text gefallen mir ebenso, wie die Mucke dazu.

Das zwote wäre die Zerreißprobe zwischen gehobener Sprache („glomm“) und der Umgangssprache, deutlich direkt im darauffolgenden Satz in den ...
Oberstufenmädels
Mir schien die ungeschliffene Erzählweise - hie und da - aber stimmig für den Erzähler zu sein. Ich mag das eigentlich ganz gerne so, immer wieder ein wenig zu brechen.

Da ich eh keine Gewähr geben kann, alle Flusen gefunden zu haben (die Wahrscheinlichkeit, kleine Anspielung von mir, etwas nicht bemerkt zu haben, ist da höher, als alles gefunden zu haben), solltestu einfach noch mal selber durch den Text schauen.
Für mich sind es Rosinen - die mag ich nämlich nicht. Ich bin immer wieder überrascht, dass sich so viele einschleichen können, dass sich so viele übersehen lassen - im eigenen Text. Also, danke fürs Rauspicken, habe erst mal alle von dir entdeckten ins Kröpfchen gepfeffert. Klopfe aber den Text noch weiter ab, versprochen.


Ja, Friedel, hat mich sehr gefreut (auf diesem Weg), Bekanntschaft mit dir gemacht zu haben.

Ich bedanke mich für alle Rosinen, Gedanken und Anekdoten.
Toll, dass du meiner Geschichte so viel Zeit gewidmet hast.


Gruß


hell


Hallo Tintenfass,


... deine Art zu schreiben hat es mir hier angetan. Ich konnte nicht aufhören zu lesen, wollte unbedingt wissen, was los ist mit den beiden Jungs, mit Manou und Klara.
Mehr kann ich mir als Autor kaum wünschen, Tintenfass, gerade bei einem Text dieser Länge.

Mir gefällt deine Herangehensweise. Wie du langsam Spannung aufbaust, indem du die Charaktere vorstellst und sie handeln lässt. Die Beziehung der Jungs zueinander und Etiennes Mutter auf die Joshua zu stehen scheint. Wirklich sehr viele Konflikte, doch keineswegs überladen oder verwirrend. Man erfährt sehr viel. Nicht nur über Etienne und Josh, sondern auch über ihre Familien. Das hat mich nie gelangweilt. Ist ja auch wichtig, finde ich, um die Jungs und Manou zu verstehen. Es stellt sich auch heraus, dass die Buben ähnliche Probleme mit den Eltern haben. Das hätte sie zusammenschweißen können.
Ja, ich habe hier versucht - ohne ausufernd zu werden -, etwas "auszuerzählen". Das fand ich für eine Kurzgeschichte herausfordernd - sind ja auch ein paar Seiten geworden :). Dass es dir nie langweilig wurde, die Konflikte nachvollziehbar waren und du keine Überladung verspürt hast ... Hey, prima, ich kann nur schreiben, dass mich unheimlich freut, dass das alles bei dir aufgegangen zu sein scheint.
Und ja, der jeweilige Hintergrund von den Jungs hätte sie durchaus zusammenschweißen können. Aber es sollte eben anders kommen. Wäre eine andere Geschichte geworden, aber der Gedanke ist interessant. Den greife ich gerne auf. Mal sehen, vielleicht in einem anderen Text ...

Du erzählst das alles wie nebenbei, lässt Joshua schlimme Sachen machen doch ich kann ihn nicht verachten, weil er in meinen Augen kein Psycho ist, eher ein unglücklicher und verwirrter Teenager.
Am Ende hätte ich gerne gewusst, warum Klara Josh als Psycho tituliert. Das habe ich aus der Geschichte nicht herausgelesen.
Mir gefällt, wie du Joshua einschätzt, obwohl er schlimme Sachen macht.
Möglicherweise könnte man, auch wenn du nichts anderes herauslesen konntest, andere Schlüsse ziehen, ein paar denkenswerte Einsprengsel hatte ich eingestreut, vielleicht zu wenig, vielleicht aber auch nicht. Weiß ich noch nicht. Ich wollte das ein wenig subtil halten.
Letztendlich erzählt da Joshua von sich selbst. Aus seiner Perspektive. Vielleicht ist er auch ein wenig unzuverlässig.

Gefallen haben mir auch die einzelnen Szenen. Konnte mich überall gut reinversetzen und der Fluss, in dem sie badeten war für mich, seit der Stelle an der ich erfuhr, dass Etiennes Vater in Heidelberg lebt, der Neckar. Fühlte mich sehr heimisch in deiner Geschichte und habe mir ausgemalt, wo der Zirkuswagen hätte stehen können.
Dann kommst du also auch aus BaWü :).
Ist natürlich toll, dass Bilder in dir, dass Persönliches angesprochen wurde. Macht es mir als Autor natürlich leichter.

Deine Dialoge finde ich glaubwürdig und würde ich mich im Fußball und Musik auskennen, wüsste ich auch wann deine Geschichte spielt. So muss ich das noch nachschlagen. Joshs Wahrnehmungen, also wie er sich erlebt, hätte ich nicht immer so genau wissen müssen, doch ich gebe zu, auch das war spannend und reizte zum weiterlesen.
Schön, dass dir auch die Dialoge stimmig erscheinen.
Was Musik und Fußball anbelangt. Ist natürlich immer so eine Sache, wenn der Leser das nicht gleich zuordnen kann. Ich selbst finde das aber meist gar nicht so schlimm (als Leser), aber klar, darüber lässt sich streiten. Neben der Zeit, lässt sich halt auch etwas von der Persönlichkeit des Prots zeigen.
Aber darüber denke ich gerne noch mal nach. Ebenso über die Innenschau von Joschua, interessanter Punkt, über den du etwas gestolpert bist. Schaue ich mir auch noch näher an, danke für den Hinweis.

Das Ende habe ich dann aber nicht kapiert. Was hat es auf sich mit dem Glas von Karla, mit dem Josh herumspielt solange sie auf der Toilette ist? Und es war seltsam für mich, dass er dem Arschloch-Kumpel seine Geschichte erzählt. Das passt nicht zu dem Jungen, den ich in meiner Vorstellung hatte.
Ja, das passt alles vielleicht nicht so zusammen - wie oben erwähnt. Vielleicht ist er eben doch etwas unzuverlässig, als Erzähler. Das wollte ich eben ein wenig in der Schwebe halten.
Ich finde das einen wichtigen Punkt und war da auch beinahe darauf gefasst, dass das Fragen aufwirft. Weiß noch nicht, ob und was da so funktioniert. Ich mache mir da weiter Gedanken zu, danke auch für diesen Hinweis.

Ich habe mir meine Gedanken zum Ende gemacht und glaube, ich hätte die Geschichte auf dem Bahnhof enden lassen. Und zwar offen.
Du hast ja selbst in deinem Nachtrag noch etwas ergänzt.
Die Frage, wann man aus einer Geschichte gehen sollte, finde ich immer sehr spannend. In dieser Geschichte wollte ich aber einfach einen Schritt weiter gehen.


Tolle Geschichte, hell.

Tintenfass, vielen Dank für deine Zeit und deine Gedanken zum Text.
Ich habe mich sehr über deinen Besuch gefreut und danke dir sehr für deine lobenden Worte!


Gruß


hell

 
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Hallo hell

ganz schön lang geworden, deine Geschichte. Aber ich habe sie insgesamt gerne gelesen. Ein paar Abers gibts aber trotzdem, und damit meine ich jetzt nicht Rechtschreibung oder so.

Ich hatte Scheiße gebaut und wurde noch belohnt dafür. Verrückte Welt, dachte ich.
Das ist wohl der Schlüssel zu dem Charakter und dem Handeln deines Protagonisten. Und das gefällt mir auch an der Geschichte besonders.
Da passiert etwas Fürchterliches, ich weiß gar nicht, wie man das juristisch nennt, ob das schon Vergewaltigung ist im juristischen Sinne, aber es ist jedenfalls eine üble Scheiße, die er da abzieht. Und wie du das schilderst in seiner Notgeilheit, seiner Getriebenheit, aber auch in der Angst vor den Konsequenzen, das gefällt mir schon sehr gut.
Eigentlich wäre das Erleben mit Manou, die Flucht, die nachfolgende Nichtentdeckung, das alles - die Möglichkeit für einen point of return. Aber ist es dann auch wirklich so?
Also Idee, Ausarbeitung, das hat alles schon was für sich. Interessanter Stoff, merkwürdiger Erzähler.


Die Abers gehen so:
Ich mach die Einwände der Gewichtigkeit nach, dollster zuerst, schwächster zum Schluss.

1. Ich find den Text noch zu lang. Manchmal zu exakt geschrieben, dadurch wirds dann etwas langatmig.
Und ich find eine Szene von ihrer Funktion her unklar. Die mit dem Arschlochfreund am Tresen. Ich verstehe es so, dass du hier eine Doppeldeutigkeit im Charakter Joshs betonen willst. Einerseits ein Reuebedürfnis, denn warum sonst sollte er dem angehenden Juristen von Manou erzählen. Und andererseits hat er zwei Gesichter, gerade in dieser Szene, er tut dem Freund schön, als er gegangen ist, schimpft er ihn als Arschloch.
Dieses "Arschloch" kann zwei Gründe haben, zum Einen, dass die Beichte nicht so wohltuend bei dem besoffenen Freund ausgefallen ist, wie erhofft, zum anderes, dass du den Erzähler unzuverlässig, unbestimmbar machen willst.
Ich frage mich, warum das überhaupt nötig ist, du hast ja schon viele Hinweise eingestreut, darüber, dass der Erzähler nicht ganz sauber ist. Da müsstest du dann nur noch auch vorher was einstreuen, was in die Reuerichtung geht.
Aber wie gesagt, mir ist die Funktion dieser Szene einfach unklar.

2. Überhaupt empfand ich die Szene etwas unwirklich, der Freund kommt so aus dem Nichts. Dient er etwa (wie die ganze Szene) vielleicht nur dazu, das Treffen mit Klara zu ermöglichen? Das wäre dann eine sehr funktionalistische Szene, die sich nicht organisch aus dem Geschehen ergibt. Und dann könntest du das wesentlich kürzer fassen.

3. Das Ende und an dem hängt möglicherweise mehr, das kann ich nicht wirklich einschätzen.
Ich verstehe es momentan so, dass er die gleiche Nummer abzieht wie mit Manou, also der Klara ein Betäubungsmittel in den Gin Tonic geschüttet hat. Gleichzeitig verspüre ich aber eine irritierende Unsicherheit, ich weiß nicht, woher das genau kommt. Ob der Erzähler noch nicht genügend als unzuverlässiger Erzähler etabliert worden ist? Hier kommt das mit dem Glas so ziemlich wie von ungefähr. Ich glaube, es wäre weniger irritierend, wenn dieses komische Kokettieren mit dem Arschlochfreund nicht gewesen wäre. So momentan kommt das noch ein bisschen wie von ungefähr.
Und ich spüre wie gesagt auch immer so eine Irritation, ob er es denn auch wirklich gemacht hat. Das fände ich jetzt nicht so schlimm, man muss das auch nicht unbedingt kapieren, aber mein Zweifel rührt halt auch daher, dass ich den Icherzähler nicht so wirklich einordnen kann und ich befürchte eben, diese Gesprächsszene ist der Grund dafür. Also entweder müsstest du sie anders aufziehen oder je nach ihrer Funktion sie kürzen.
Du erinnerst dich doch noch an den Metzger-Text von Peeperkorn und an die allererste Fassung, wo der echte Mörder wie das Kasperl aus dem Kästchen hochgehüpft ist, man keinen Zusammenhang zwischen dem Jungen, wie er zu Beginn charakterisiert wurde, und der Aufdeckung herstellen konnte? Ein ganz ganz kleines bisschen geht das auch hier in die Richtung. Es ist im irritierenden Sinne uneindeutig.
Und daran hängt dann natürlich auch Figurenzeichnung insgesamt. Irgendwas ist für mich noch nicht stimmig. Ich weiß und kapiere das selbst aber momentan noch nicht, woran es liegt. Denn eigentlllich bist du in der Figurenzeichnung ja nicht untätig geblieben. :D Vielleicht komme ich drauf, dann melde ich mich noch mal.
Vielleicht schreiben ja auch andere noch was dazu.


Ansonsten sind da tolle Dialoge drin. Auch wie du die Geschichte zeitlich eingebettet hast, das mag ich alles sehr. Da sind schöne Stellen drin, gerade die Musik, wie die WM ausging. Das mag ich alles sehr. Und schreiben kannst eh schön.
Die nachfolgenden Details nimmst du einfach als Beispiele oder Veranschaulichungen für meine Kritik an der Quantität des Textes.

Etienne trat aus dem Gebäude, das ich ein mal schön gefunden hatte.
Wieso ist das wichtig. Es ist so herausgehoben, taucht aber später nie mehr wieder auf. Man könnt doch gleich Schulgebäude schreiben. Wenn du ausdrücken willst, dass er sich hier früher wohler gefühlt hat, hast du später doch bessere Möglichkeiten und deutest das mit den Noten ja ohnehin an.


»Ich musste was mit der Haberer klären. Kennst sie ja.« Etienne sah mich mit einem Lächeln an. »Gehen wir?«
Okay, das soll jetzt ausdrücken, dass eine Info zum Charakter der Lehrerin gegeben wird. Aber Josh kennt die Haberer. Leser zwar nicht, aber will man diese Info unbedingt haben? Die klingt so dem Leser hinerzählt, weniger von den Figuren her gesprochen.


Ihn schien das nicht sonderlich zu beeindrucken, was mir nicht in den Schädel ging. Mann, ich hätte gerne mit ihm getauscht. Nicht mal die Haberer wäre sicher vor mir!
Beide Sätze drücken in etwa dasselbe aus. Ich sehe da auch keinen Rhythmus oder Verstärkungsgrund, weshalb man auch einen streichen könnte. Ich würd "was mir nicht ...." streichen. Das mit der Haberer danach finde ich toll. Das drückt schon aus, dass er ziemlich testosterongesteuert durch die gegend läuft.


Er stand vorm hiesigen EDEKA, wo seine Mutter arbeitete.
Vor dem dortigen Edeka kann er ja auch schlecht stehen. Weg damit.


Da endlich der Sommer in den Startlöchern lauerte, konnte man bald am Fluss übernachten, mit Zelt und Schlafsack. Vielleicht wäre dort mal was gelaufen. Stattdessen war sie fortgegangen. Und jetzt verbrachte ich Zeit mit dem Oberstreber schlechthin, um von der zweiten Fünf runterzukommen.
Das würde ich umstellen, Mit der Kausalkonjunktion am Anfang fand ich das irritierend.
Ich würd eher schreiben: Endlich stand/lauerte der Sommer in den Startlöchern, man konnte bald am Fluss übernachten, ...


»Auf geht’s!« Zwei Baguettes lugten wie riesige Essstäbchen aus der Tüte.
lugten - ohweh, ich weiß, es ist Geschmackssache, aber das ist für mich ähnlich schlimm wie schelmisch. Und du hast lugen später grad noch mal.
Schelmisch lugt der Bräutigam
bis er in das Kitschbuch kam


Etienne zögerte einen Moment, bevor er die Wohnungstür aufschloss. Dann klackte es und er schob den Kopf durch den Türspalt.
Was ist das da mit dem Klacken? Ist mir von der Funktion her nicht so klar. Könntest du auch weglassen. Seine Vorsichtsmaßnahmen, den Kumpel vor der ev. besoffenen Mutter abzuschotten werden auch so sehr gut klar.

Er stellte die Einkaufstüte auf den Tisch. Der Aschenbecher dort war voller halb aufgerauchter Zigarettenstummel, Kaffeeflecken verzierten die Oberfläche.
Das ist wieder so ein Beispiel, wo ich ein wenig zu viel Exaktheit sehe und das macht den Text dann geblähter. Ist gar nicht viel wegzustreichen, aber ich find halt trotzdem besser.
Er stellte die Einkaufstüte auf den Tisch neben einen Aschenbecher voller halb aufgerauchter Zigarettenstummel. Kaffeeflecken verzierten die Oberfläche.


Etiennes Zimmer betrat ich zum ersten Mal. Es war genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Akkurat. Gemachtes Bett.
Auch hier wieder, man kann es sich sparen zu schreiben, dass er jetzt das Zimmer betritt.
Dass das passiert ist, weiß man genauso gut, wenn du einfach schreibst: Etiennes Zimmer war genau so, wie ich es ...

»Willst du was?« Er zeigte auf die Baguette-Tüte.
»Ich krieg‘ keinen Bissen runter, danke.«
»Ich auch nicht, vielleicht meine Mutter, später«, sagte er.
Streichkandidat.


Wir hatten uns am Vortag bis sechs, halb sieben abends abgemüht - also ich, Etienne hatte es sichtlich genossen, mit mir über Laplace und Brenouillie zu quatschen. Ich glaubte, man müsse wohl einen französischen Namen tragen, um gefallen an dem Mist zu finden.
Dass er das denkt, ist doch klar. Warum nicht einfach: Man musste wohl einen französischen Namen tragen, um Gefallen an dem Mist zu finden.
und Gefallen mit großem G

So bis hierhin mal.


Habs gerne gelesen, ich mag eh Jugendgeschichten und du hast einen wirklich eigenartigen Erzähler gewählt. Ein ziemliches Früchtchen, wie ich finde. Die Szene, in der er sich über Manou hermachen will, finde ich ziemlich schlimm, aber das soll ein Kompliment sein. Hast du echt ausgezeichnet geschrieben.

Lieben Gruß von Novak

 
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Hi hell,

schön, wieder eine Geschichte von dir zu finden. Aber musste es ausgerechnet ein Monumentalwerk sein? Natürlich war es kein Problem, die KG zu lesen, liest sich ja wie Butter, aber mein Komm verzögerte sich halt entsprechend.

Ich hab mich wieder mal dabei ertappt, dass ich für den „schrägen“ Prot sehr schnell Verständnis und Mitgefühl entwickelt habe. Er befindet in der Lebenszeit der Pupertät und ich konnte seine Reaktionen damit entschuldigen, dass er sich unverstanden, zurückgewiesen und ungeliebt fühlt. Genau bis zu dem Zeitpunkt, als ich Novaks Komm gelesen habe.

Aber der Reihe nach, ich geh mal chronologisch durch den Text. Das wird jetzt nichts Hyperkonstruktives, mehr ein Sammelsurium von allem, was mir beim Lesen in den Sinn gekommen ist, mehr eine Liste persönlicher Eindrücke und Schlussfolgerungen anhand von Schlüsselsätzen. Vielleicht kannst du trotzdem etwas damit anfangen.

Etienne trat aus dem Gebäude, das ich ein mal schön gefunden hatte.
kann es nicht sicher sagen, aber denke, es wird zusammengeschrieben: es war einmal

Mann, ich hätte gerne mit ihm getauscht. Nicht mal die Haberer wäre sicher vor mir!

Bei dieser Aussage ahne ich oder vielmehr, hoffe ich, dass mich eine Schüler-Lehrer-Beziehungs-Kiste erwartet. Der Prot steht auf ältere Frauen, ganz klar, Konfliktpotential vom Feinsten. (Der Tatort „Reifezeugnis“ drängt sich mir auf, da waren nur die Geschlechter vertauscht. Mensch hell, der wurde in dem Jahr ausgestrahlt, als du gerade geboren wurdest.)

Sie war mir früher bereits aufgefallen. Ich fand sie ziemlich scharf für ihr Alter.
Meine Idee von generationsübergreifender Beziehung wird bestätigt. Spätestens jetzt tendiere ich aber wie Friedrichard zur „Reifeprüfung“-Thematik.

Sie habe es nicht mehr ausgehalten mit mir, ein Psycho sei ich, hatte sie gesagt. Keine Ahnung, was sie meinte… Vielleicht wäre dort mal was gelaufen. Stattdessen war sie fortgegangen.
Das dritte weibliche Wesen wird eingeführt. Und mit ihm eine neue Komponente. Schüchternheit und Zurückhaltung des Prot, vielleicht Versagensangst. Ich lese: Klara ist gegangen, weil ihr seine „tote Hose“ nicht behagt hat. Und so ahnungslos wie er tut, ist Josh nicht.
Im ersten Abschnitt hast du alles, was die Geschichte tragen wird, benannt. Eine echt geniale Vorbereitung des Konfliktes.

Die Vater-Mutter-Kind-Konfrontation beim Frühstück ist mir leider sehr vertraut. (In unserer Familie fanden die Dramen auch immer am Esstisch statt.) Sie zeigt ohne viel Tamtam das privilegierte Milieu des Prot.

»Ich finde, du solltest deinem Vater zuhören«, mischte sich Mutter ein und wischte sich den Mund mit einer Stoffserviette.
Ein wenig klischeebehaftet, aber für mich sehr deutlich, beschäftigte Eltern, deren Interesse am Sprössling in Intervallen stattfindet, die ihn ins Internat abschieben wollen, die Verantwortung delegieren wollen, weil sie schlicht überfordert sind.
»Deine Mutter und ich möchten dich ohnehin an der Angell anmelden.«
»Du weißt, wir müssen Montag auf die Messe. Wenn wir Freitag zurück sind ...«

Und dieser Stelle hab ich zu wenig Bedeutung beigemessen, wie ich mittlerweile weiß.
»Wir dachten auch, dass du vielleicht von Frau Sommer ...«
»Auf keinen Fall! Nie mehr zu der Psychotante!«, unterbrach ich Mutter.

In meinem Zimmer ignorierte ich das Gebrüll im Anschluss - ein beschissener Choleriker war er. Und Mutter bekam es wieder mal ab. Wie üblich.
Hier würde ich gerne einwerfen, dass ein echter Choleriker mit seinem Wutausbruch nicht hätte warten können, bis das Objekt des Anstoßes das Zimmer verlassen hat. Es ist mir aber bewusst geworden, dass die Wahrnehmung des Prot den Vater als cholerisch einfärbt. Papa ist nur am Ende mit seinem Latein, etwas ungehemmt und er weiß nicht, wie er seinen Sohn erreichen soll.

Bei der nachfolgenden Szene dachte ich, dass ein Erwachsener auf keinen Fall mit einem Teenager so umgehen dürfe. Diese Gefühlsachterbahn hält ja keiner aus, die Frau muss sich nicht wundern…
Du merkst, ich habe das Mandat der Verteidigung deines Prot übernommen.

»Meine Freundin hat mich auch verlassen. Vor drei Monaten«, sagte ich.
Sie starrte einige Sekunden zu mir rüber, bevor sie hysterisch auflachte. Ich presste die Lippen so fest aufeinander, wie ich nur konnte. Sie bemerkte es wohl und ihre Körperspannung ging verloren, als wenn man ein Ventil an ihr abgeschlagen hätte. »Entschuldige bitte!« Sie rieb sich eine Hand über die Stirn. »Du kannst ja nichts dafür, ich ...« Sie kam langsam zu mir runter. Ich stand da wie erstarrt. Da war etwas in ihrem Blick, ich weiß nicht. Sie streichelte mir den Nacken. »Du bist süß«, sagte sie und küsste mich. Ganz kurz nur und feucht vor Tränen. Sie roch nach Alkohol und Tabak. Manou schreckte zurück. »Entschuldige, keine Ahnung, was ...« Ihre grünen Augen schienen in mich hineinsehen zu können. »Ich sage Etienne, dass du da warst, ja?« Ihr Gesicht war gerötet. Wir sahen uns eine Weile stumm an. »Joshua ... Vergiss, was da eben passiert ist, ja? Bitte.« Ich nickte.
Sehr starke Skizze.
Auch diese Reaktionen von Manou tragen dazu bei, dass ich Partei für Josh ergreife.
»Du hast mich geküsst«, erwiderte ich.
»Was? Nein. Ich ...«
»Nein? Doch, Manou, hast du!
... du solltest mich besser wieder bei meinem Nachnamen ansprechen, denke ich.«
»Ich würde ... Sie gerne zu einem Kaffee einladen.«
... »als Erstes will ich, dass du dir einen anderen Ton zulegst, verstanden? Wie redest du denn mit mir? Und wir sind nicht mehr per du. Ist das jetzt klar?«
Naja, sie weiß es eben nicht besser.

Was mir dabei aus der Gesäßtasche rutschte, war der Blister mit Schlaftabletten, den ich tags zuvor eingesteckt hatte.
Wenn der Satz von mir wäre und du würdest kommentieren, dann würdest du mich ermahnen, dass der Leser das schließlich weiß, und Streichung des Fetten empfehlen.

Ich hatte Scheiße gebaut und wurde noch belohnt dafür. Verrückte Welt, dachte ich.
Wichtigste Erkenntnis deines Prot, die genau dieses Ende der KG möglich macht. Es ist sozusagen sein Freibrief für sein Tun, er wird zum Wiederholungstäter, zum Kriminellen. (Aber das sehe erst seit Novaks Komm so.)

Warum Josh seine Geschichte in der Bar erzählt, begreife ich allerdings auch nicht wirklich. Könnte er nach Verständnis und Absolution, Bewunderung und Anerkennung suchen? Nennt er seinen Kumpel Arschloch, weil er ihm das alles verweigert?

Und mit diesem Dialog führst du mich kurzzeitig auf die falsche Fährte. Ich hätte wetten können, dass du den Leser jetzt wissen lässt, dass es zur Trennung kam, weil Josh Klara vergewaltigt hat.

»Ach komm, Klara, wir haben so lange nicht mehr miteinander geredet.«
»Ich wollte nie mehr mit dir reden. Vergessen?«
»Nein.« Ich hob mein Glas an. »Aber wir hatten nicht nur miese Zeiten, oder?«

Aber diese Idee löst sich sehr schnell als Irrtum auf, nichts dergleichen wird offenbart. Stattdessen lese ich, dass Klare zur Toilette geht und Josh an kalten Gläsern herumspielt und klar, wie es so ist mit unaufmerksamen Lesern, sie wundern sich, dass die KG wie das Hornberger Schießen ausgeht. Und da muss ich gestehen, habe ich wie maria.meerhaba gedacht, dass es die Barszene als Anhängsel nicht gebraucht hätte.
Aber es ist ja alles ganz anders. Nix mit Schüler-Lehrer-Mutti-Sex, nein, wir haben es ja beim genauen Hinsehen mit einem Kriminellen, einem Sexualstraftäter zu tun, der sich offenbar Frauen nur nähern kann, wenn er sie vorher betäubt hat. Eine ganz andere Dimension tut sich auf.
Mir brach der Schweiß aus. Das Glas vor mir war angenehm kühl und beschlagen. Mein Daumen malte auf der Oberfläche herum. Ich hörte das eigene Herz schlagen, trotz der Bassgewalt von House of Pain ringsum…
Ich zögerte einen Augenblick, dann schob ich den Gin Tonic wieder zu ihrem Platz.
Mein Gott, steht doch alles da!
Und ich komme mir recht bescheuert vor, weil ich die Geschichte super gemacht finde und sich mir doch nicht sofort deine Erzählabsicht, die Grundaussage, erschlossen hat.
Ich versteck mich aber gerne hinter der allgemeinen Forum-Verteidigung, wenn der Leser nicht kapiert, dann hat der Schreiber was falsch gemacht. :lol: Vielleicht könntest du ein wenig nachlegen, so ein, zwei Hinweischen für die …, keine Ahnung, wie ich uns nennen soll?

Noch ein Wort zum Titel. Ich finde ja, dass passende Titel im Allgemeinen unterschätzt werden, man vergisst, sie sind die Wegweiser zu unseren Geschichten. Dieser hier ist absolut gelungen und aussagekräftig. Du meinst nicht die Begrenzungen in einem fließenden Gewässers, sondern die fließenden, sich verschiebenden Grenzen des Unrechtsbewusstseins im Kopf eines Täters. Find ich super! Wehe du behauptest, dass dem nicht so ist!

Heute sag ich mal danke fürs Hochladen der KG. Tolle Schreibe, heißes Thema, kluger Plot, greifbare Figuren, ich bin begeistert.

Liebe Grüße,
peregrina

 

Wichtigste Erkenntnis deines Prot, die genau dieses Ende der KG möglich macht. Es ist sozusagen sein Freibrief für sein Tun, er wird zum Wiederholungstäter, zum Kriminellen. (Aber das sehe erst seit Novaks Komm so.)
Vielleicht lieg ja auch ich falsch, peregrina :D


Ich hätte wetten können, dass du den Leser jetzt wissen lässt, dass es zur Trennung kam, weil Josh Klara vergewaltigt hat.
Naja, aber irgendwas wird er schon gemacht haben. Hell lässt uns damit im Dunkeln, aber Klaras Begründung "Psycho" und ihre distanzierten Reaktionen beim Wiedersehen zeigen ja schon, dass mehr im Hintergrund sein muss als eine furznormale Teenagertrennung mit bisschen Streiterei. Nicht gerade eine Vergewaltigung, da würde Klara vermutlich noch mal anders reagieren, aber halt schon was Unangenehmes.

 
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Hallo Novak,


wie schön, dass du vorbeischaust.

Ja, der Text ist lang geworden, obwohl ich schon einiges wegrasiert hatte. Ich wollte mir einfach mehr Raum geben - musste ich. Gerade bei dem Thema - das ich schwierig fand - und wegen dem Prot. bzw. Erzähler, den du merkwürdig empfunden hast. Der sollte tatsächlich subtil und unzuverlässig angelegt sein. Eine unklare Vorgeschichte, ein Schlüsselerlebnis, die Folgen daraus und das aus Sicht des Protagonisten, der jugendlich ist (mit aller Zerrissenheit, die dazu passt), der womöglich eine Störung hat (die er selbst nicht wahrhaben möchte), und dessen Persönlichkeit und Rolle sich ohnehin in Bildung befindet. Mich interessierte u. a., was das Erlebte mit ihm machen könnte und wie er selbst damit klarkommt, wie er selbst das betrachtet (aus seinen Möglichkeiten heraus).

Eigentlich wäre das Erleben mit Manou, die Flucht, die nachfolgende Nichtentdeckung, das alles - die Möglichkeit für einen point of return. Aber ist es dann auch wirklich so?
Für mich nicht. Im Gegenteil. Eher sowas, wie der Beginn von etwas, das den Stein erst ins Rollen bringt. Wenn das aber anders interpretiert wird, soll es mir recht sein. Ich finde spannend, was alles aus dem Text gelesen wird - das muss sich nicht mit meiner Intension dahinter decken, ist aber dann natürlich problematisch, wenn ganze Textpassagen als Fremdkörper empfunden werden.

Und ich find eine Szene von ihrer Funktion her unklar. Die mit dem Arschlochfreund am Tresen. Ich verstehe es so, dass du hier eine Doppeldeutigkeit im Charakter Joshs betonen willst. Einerseits ein Reuebedürfnis, denn warum sonst sollte er dem angehenden Juristen von Manou erzählen. Und andererseits hat er zwei Gesichter, gerade in dieser Szene, er tut dem Freund schön, als er gegangen ist, schimpft er ihn als Arschloch.
Da ist ja viel Schwarz dazwischen. Der Prot. erzählt was davon, dass er die Schule gewechselt hat, Abi gemacht hat, "bald so was wie Freunde" kennengelernt hat (hat er überhaupt Freunde?), viel mehr erfahren wir eigentlich nicht. Konnte er das wirklich alles so abhaken? Drei Jahre später erzählt er diesem "Kumpel" von damals. Ja, er redet sich das von der Seele, klar. Er legt letztendlich aber sogar ein Geständnis ab, das übrigens wieder folgenlos verpufft.

Überhaupt empfand ich die Szene etwas unwirklich, der Freund kommt so aus dem Nichts. Dient er etwa (wie die ganze Szene) vielleicht nur dazu, das Treffen mit Klara zu ermöglichen? Das wäre dann eine sehr funktionalistische Szene, die sich nicht organisch aus dem Geschehen ergibt.
Hat schon was Funktionalistisches, ja, aber nicht nur, um Klara ins Spiel zu bringen. Ob sich das organisch einfügt? Es ergibt für meine Idee dahinter schon Sinn. Da steckt ja eine Menge drin, was den Prot. auch charakterisieren könnte - Jahre später. Aber vielleicht ist auch der Bruch, also der Zeitenbruch zu groß. Vielleicht ist das alles nicht wirklich rund. Ich überdenke das alles noch eingehender.

Und ich spüre wie gesagt auch immer so eine Irritation, ob er es denn auch wirklich gemacht hat. Das fände ich jetzt nicht so schlimm, man muss das auch nicht unbedingt kapieren, aber mein Zweifel rührt halt auch daher, dass ich den Icherzähler nicht so wirklich einordnen kann und ich befürchte eben, diese Gesprächsszene ist der Grund dafür. Also entweder müsstest du sie anders aufziehen oder je nach ihrer Funktion sie kürzen.
Das ergibt sich dann wohl aus oben Beschriebenem. Ja, ich denke darüber nach, danke für den Hinweis. Bist ja auch nicht die einzige, die das angemerkt hat. Die Irritation finde ich okay, als Autor, wenn das alles aber regelrecht verwirrend bzw. unpassend empfunden wird, muss ich da nochmals ran, klar.

Etienne trat aus dem Gebäude, das ich ein mal schön gefunden hatte.
Wieso ist das wichtig. Es ist so herausgehoben, taucht aber später nie mehr wieder auf. Man könnt doch gleich Schulgebäude schreiben.
Ist halt auch so eine Erster-Satz-Kiste. Mich würde es weniger zum Weiterlesen anstacheln, wenn er nur ein Schulgebäude anschauen würde (würde mich, glaube ich, wegen der Schule, enorm abschrecken :)).
Es steckt eben sowas wie Veränderung, Entwicklung gleich im ersten Satz. Ich finde das spannender.

»Ich musste was mit der Haberer klären. Kennst sie ja.« Etienne sah mich mit einem Lächeln an. »Gehen wir?«
Okay, das soll jetzt ausdrücken, dass eine Info zum Charakter der Lehrerin gegeben wird. Aber Josh kennt die Haberer. Leser zwar nicht, aber will man diese Info unbedingt haben? Die klingt so dem Leser hinerzählt, weniger von den Figuren her gesprochen.
Ob der Leser die Info unbedingt haben will, weiß ich nicht. Er braucht sie nicht, klar. Ich finde aber, da spricht eindeutig die Figur :).

Ihn schien das nicht sonderlich zu beeindrucken, was mir nicht in den Schädel ging. Mann, ich hätte gerne mit ihm getauscht. Nicht mal die Haberer wäre sicher vor mir!
Beide Sätze drücken in etwa dasselbe aus. Ich sehe da auch keinen Rhythmus oder Verstärkungsgrund, weshalb man auch einen streichen könnte. Ich würd "was mir nicht ...." streichen. Das mit der Haberer danach finde ich toll. Das drückt schon aus, dass er ziemlich testosterongesteuert durch die gegend läuft.
Hm, ich verstehe schon, dass man das streichen könnte. Ich bin da prinzipiell auch ganz bei dir. Ich denke aber, dass der Ich-Erzähler das darf. Vom Gefühl her, wirkt es für mich echter, nicht immer exakt den Punkt zu treffen. Hätte ich personal geschrieben, wäre die Kamera außen, würde ich jetzt den Rotstift zücken.

Vor dem dortigen Edeka kann er ja auch schlecht stehen. Weg damit.
... jetzt kam er zum Einsatz. Danke.

Ansonsten sind da tolle Dialoge drin. Auch wie du die Geschichte zeitlich eingebettet hast, das mag ich alles sehr. Da sind schöne Stellen drin, gerade die Musik, wie die WM ausging. Das mag ich alles sehr. Und schreiben kannst eh schön.
Die nachfolgenden Details nimmst du einfach als Beispiele oder Veranschaulichungen für meine Kritik an der Quantität des Textes.
Erst mal: Dankeschön :)!
Die restlichen Beispiele habe ich schon in Angriff genommen, klopfe aber den ganzen Text nochmals gründlicher ab.

Die Szene, in der er sich über Manou hermachen will, finde ich ziemlich schlimm, aber das soll ein Kompliment sein. Hast du echt ausgezeichnet geschrieben.
Gefällt mir, dass du es schlimm fandest und danke für die schönen Worte.


Ja, liebe Novak, ich wiederhole mich gerne, wenn ich schreibe: Schön, dass du vorbeischaust!
Du gibst mir eine Menge an Hausaufgaben auf, eine Menge, worüber ich nachdenken muss.
Wie von dir gewohnt, ein intelligenter Kommentar, der mich beschäftigen wird, in mir gären wird und mich anfixt, weiter am Text zu arbeiten.
Vielen lieben Dank dafür!


Gruß


hell


Fortsetzung folgt ...

 
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Eigentlich wäre das Erleben mit Manou, die Flucht, die nachfolgende Nichtentdeckung, das alles - die Möglichkeit für einen point of return. Aber ist es dann auch wirklich so?
Für mich nicht. Im Gegenteil. Eher sowas, wie der Beginn von etwas, das den Stein erst ins Rollen bringt. Wenn das aber anders interpretiert wird, soll es mir recht sein. Ich finde spannend, was alles aus dem Text gelesen wird - das muss sich nicht mit meiner Intension dahinter decken, ist aber dann natürlich problematisch, wenn ganze Textpassagen als Fremdkörper empfunden werden.
Ich noch mal kurz, weil ich mir unsicher bin, ob wir uns richtig verstanden haben.
Mit dem Satz oben wollte ich sagen, dass man sein Verhalten bei Manou noch als die Entgleisung eines verirrten und pubertierenden jungen Mannes interpretieren könnte, der daraus lernt und dann ein normaler Mann wird, der einfach mal zurück in die Stadt kehrt. Und so haben es ja auch einige empfunden.
Wenn da nicht Klaras Andeutung gewesen wäre und dieser Satz und der Schluss.
Bei unserem Josh also läuft die Sache anders weiter, aus diesem Ereignis und der Folgenlosigkeit seiner Tat zieht er den Schluss, dass er sich ungestraft ausleben kann.
So war das gemeint.

Drei Jahre später erzählt er diesem "Kumpel" von damals. Ja, er redet sich das von der Seele, klar. Er legt letztendlich aber sogar ein Geständnis ab, das übrigens wieder folgenlos verpufft.
Ich sehe jetzt erst, dass du in der Szene mit dem Arschlochfreund nicht nur das Reuebedürfnis zeigen wolltest, sondern auch, dass er wieder ungestraft davonkommt, was sein Verhalten also möglicherweise wieder verstärkt. Bei mir ist nur das Reuebedürfnis angekommen. Und insgesamt bin ich mir nun noch viel sicherer als vorher, dass diese Szene nicht gut genug vorbereitet oder eingebettet ist. Warum zum Beispiel sollte er ausgerechnet diesem Kumpel ein Geständnis ablegen wollen. Das ist ja ähnlich wie mein Reuebedürfnis was ernst gemeintes, aber seine Persönlichkeit gibt das so gar nicht her. Und auch nicht das Verhältnis zu diesem komischen Kumpel.


Lieben Gruß an dich

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Novak,

hm. Der Kumpel erfüllt für Joshua nur eine Funktion. Er steht für etwas, fungiert auch als Alibi irgendwie. Er ist als Person nicht wichtig für Joshua, ist letztendlich austauschbar. Bekommt nicht mal einen Namen. Er erfüllt nur einen Zweck. Wenngleich das Jurastudium schon einen gewissen Grundstein gelegt haben könnte, weshalb er eben diesen "Kumpel" auserwählt hat.
Die Persönlichkeit von Joshua hat sich in den letzten Jahren entwickelt, wir wissen letztendlich nicht, wohin. Man könnte es erahnen, wenn man eben die letzten beiden Abschnitte so liest. Zumindest für mich ist das so.
Aber du hast womöglich recht, vielleicht verwirrt das alles zu sehr oder ist noch nicht rund genug. Ich wollte das auch nur als eine mögliche Interpretation anlegen.
Ich denke weiter darüber nach, versprochen und nochmals danke für den Hinweis.

Gruß

hell

 

Hallo @hell

ich kann nicht aufhören, mir Gedanken zu deiner Geschichte zu machen und verfolge auch die Kommentare dazu.


Ich weiß nicht, wie ich deinen Namen in die Sprechblase krieg, daher mache ich es so:

Du schreibst:

Möglicherweise könnte man, auch wenn du nichts anderes herauslesen konntest, andere Schlüsse ziehen, ein paar denkenswerte Einsprengsel hatte ich eingestreut, vielleicht zu wenig, vielleicht aber auch nicht. Weiß ich noch nicht. Ich wollte das ein wenig subtil halten.

Es ist mir in den letzten Monaten immer mehr aufgefallen, dass ich ein Faible für Protagonisten wie deinen Joshua habe, also solche die irgendwie verloren scheinen. Keine Ahnung, warum das so ist. Und was die bei mir auslösen, ich kanns nicht recht erklären. Beschützerinstinkt vielleicht? Die denkenswerte Einsprengesel, ich habe sie wohl nicht sehen wollen. Jetzt, nachdem ich die Kommentare und deine Antworten dazu lese, erkenne ich sie besser, weigere mich aber noch, das wirklich schlechte in dem Jungen zu sehen.

Du schreibst:

Was Musik und Fußball anbelangt. Ist natürlich immer so eine Sache, wenn der Leser das nicht gleich zuordnen kann. Ich selbst finde das aber meist gar nicht so schlimm (als Leser), aber klar, darüber lässt sich streiten.

Nein, mich hat das nicht gestört. Ich finde schon, dass man dem Leser zumuten darf, ab und zu mal was nachzuschlagen.

Du schreibst:

Ebenso über die Innenschau von Joschua, interessanter Punkt, über den du etwas gestolpert bist. Schaue ich mir auch noch näher an, danke für den Hinweis.

Ich meinte … äh, ich bin ein Mädchen, ich muss nicht unbedingt wissen was … du weißt schon, bei Joshua untenherum passiert. Aber wenn er das so freimütig erzählt, höre ich auch nicht weg.

Ich glaube nicht, dass sich Klara von Josh trennte, weil er ihr körperliche Gewalt angetan hat. Es muss einen anderen Grund geben, dass sie ihn Psycho nennt. Ich weiß noch nicht, ob ich das brauche für die Geschichte. Also im Moment brauche ich es nicht. Vielleicht hat er ihr von Fantasien erzählt, die er hat. Die sie abgestoßen haben oder ihr Angst machten, egal. Ich glaube auch nicht, dass er ihr Pillen in den Drink mischte. Er hat sich seither als gesprächig gezeigt, ich denke, das hätte er erzählt. Was mir aber Sorgen macht, ist dieses

Ich hatte Scheiße gebaut und wurde noch belohnt dafür. Verrückte Welt,

und das was erst @Novak und dann du in deiner Antwort darauf, geschrieben hast:

Du schreibst:

Ja, er redet sich das von der Seele, klar. Er legt letztendlich aber sogar ein Geständnis ab, das übrigens wieder folgenlos verpufft.

Ja, er ist davongekommen und ich befürchte, dass er nicht der Typ ist, der jetzt erleichtert ausatmet. Ich denke das könnte sein Kick werden, auszutesten wie weit er gehen kann, bis mal eine Bestrafung folgt.

Ich sehe eben, du hast heute etwas am Text geändert. Werde ihn mir nochmal durchlesen. Gut möglich, dass ich mich nochmal melde.

Lieber Gruß
Tintenfass

 
Zuletzt bearbeitet:

„weiszt du mir wohl die grenze zu nennen, wo jede
tugend mit dem verwandten laster zusammenflieszt?
Meiszner Alcibiades (1781)“
Deutsches (grimmsches) Wörterbuch, DWB, Stichwort „Grenze“​

Zum Titel hab ich ja noch gar nix gesagt, also der Reihe nach,

lieber hell.

Das Wort „Grenze“ ist aus dem Slawischen (poln. wie russ. „granica“) entlehnt und leuchtet erstmals im mhd. „grenize“ auf und bezeichnet ursprünglich eine gedachte Linie, die der (Unter-)Scheidung von Gebieten der Erdoberfläche dient. Der Sprachgebrauch vergröbert den Begriff und überträgt ihn auf äußere Merkmale ([Land]Wehr, Wasserlauf, Gebirgszug), denen die Grenze folge.
Heutigentags reicht das Wort vom politischen Gebilde bis hinab zum kleinsten Eigentum, das sich vom Nachbargrundstück abgrenzt, um auch hinter (klein)bürgerlichen Mauern in Besitzverhältnissen wie meiner und deiner Zahnbürste weiterzuwirken.

Erst im 18. Jh. wird von den landschaftlichen und realen Erscheinungen abstrahiert und auf damit wieder auf die ursprüngliche Grenzlinie zurückgeführt (siehe Zitat oben, und nicht nur die „Tugend“ und Verhaltensregeln kennen nun Grenzen, auch die Wissenschaft zieht Grenzen zwischen den Disziplinen, dass in einer späteren Zeit zur Gesamtschau interdisziplinäre Gruppen sich zusammenraufen müssen, eine gemeinsame Aufgabe zu lösen – eine Folge der Arbeitsteilung, die dann in der Zerlegung der Tätigkeiten in kleinste Einheiten, die sich voneinander abgrenzen lassen, Bedingung der Automation - und was ist die Tätigkeit Manous an der Kasse was anderes, als Fließbandarbeit, die absehbar abgelöst wird durch Automaten, die der Kunde füttern wird.

Ahd. fluʒ, mhd. vluʒ, nhd. Fluss (vgl. auch DWB, Stichwort Flusz) – im ursprünglichen Sinn des fließenden Wassers/Gewässers, aber auch schon von Regen und Blut, geschmolzenem Erz usw. ist ein spezifisch unsrer Mundart angehöriges Wort unter allen Sprachen germanistischer Zunge, welchem nicht mal ein Wort im got. entspricht und nur durch die „Flut“ (got. flôdus, ahd. fluot) dem nahe kommt.

Dann taucht die figürliche Bedeutung auf, etwa als ein „in Gang/Fluss kommen“, dass selbst die Zeit fließe und sich der Redefluss über uns ergießt und vom Abfluss bis zu Überfluss und Zufluss alles zu fließen scheint und längst die Grenzen der flüssigen Stoffe verlassen hat bis hin zur fließenden Bewegung. Bemerkenswert dabei: Die übertragenen Bedeutungen des Flusses kennen keinen Plural. Der Fluss der Rede, des Verkehrs usw. Man ist im oder kommt und bringt etwas in Fluss.

Der Titel verweist also auf sich ändernde („in Fluss geratender“) moralischer und gesellschaftlicher Grenzen. Und wenn wir Manous Job betrachten, wissen wir, dass Etienne und seine Mutter in prekären Verhältnissen, wenn auch nicht unter Bedingungen der Agenda 2010) leben (also alles andere, als die Mrs. Robinson in der Reifeprüfung, wo die Frau die treibende Rolle spielt).

Joshua aber – ohne dass wir wissen, welche Stellung der Vater in den 1990-er Jahren außerhalb der Familie einnimmt, die Mutter aber sicherlich fürsorgliche Mutter und Hausfrau ist - lässt erahnen, dass so etwas wie gesellschaftliche Überlegenheit im Verhalten des Jungen ist, dem sicherlich vorm Abitur auch ethische Prinzipien neben der väterlichen Weltanschauung beigebracht wurden. Zumindest aber wird er auf dem Gymnasium darüber gehört haben und nicht nur gerüchteweise.

Der Tausch (und sei‘s der von Körpersäften) zeigt seine Nähe zu Täuschung und Betrug (im schlechten Benehmen J.) auf dem sog. freien Markt, der hier nichts reguliert, denn Gelegenheit macht Diebe und wäre es allein im Nachgeben des animalischen Erbes durch den nackten Affen.

Und was fürden Titel gilt, treiben wir jetzt mit dem Namen Joshs: Jehoshua (hebr.) meint JHWH (Jahwe, Gott) ist Hilfe, Retter, Heil, kurz goßmütig.

Da kann die Namenswahl Joshs eigentlich nur befremden, selbst einen wie mich, der zu Ironie neigt.

Gruß

Friedel

Nachtrag: Knapp ein Vierteljahrhundert nach der erzählten Geschichte wird die Bundesregierung einer nach betriebswirtschaftlichen Regeln geführten Volkswirtschaft die Gesetzgebung für die Unterschicht verschärfen und so etwas schaffen wie den Schuldturm, den wir noch aus den Büchern Charles Dickens kennen, wenn die Ärmsten der Armen dort zur Sühne ihrer Schandtaten, und sei es, "Vermögen" verschwiegen zu haben, hineingeworfen werden, während People on the top ihr Vermögen ggfs. in steuerfreien Zonen unterbringen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Maria,


deine Kommentare habe ich schon des Öfteren gelesen - immer sehr frisch, fundiert und sehr clever. Schön, dass du Zeit gefunden hast, dich meinem Text zu widmen.
Ich bin froh, dass es mir gelungen zu sein scheint, deinen "Zerfetzungsmodus" auf Stand-by zu halten, du scheinst dich gut amüsiert zu haben, trotz der Länge (oder gerade deswegen).

Er war ein Mädchenschwarm, keine Frage, sogar die Oberstufenmädels machten ihm schöne Augen.
Das ist etwas, was bei mir den Spannungsbogen zwischen den beiden Jungs leicht geknickt hat. Der Satz hier schreit förmlich schwul. Ich habe es sofort geahnt und war überhaupt nicht überrascht, als der andere es später auch bemerkt hat. Vielleicht solltest du das ändern, dem Satz die Luft rauben, indem du zum Beispiel behauptest, Etienne (was für ein grauenhafter Name, so nebenbei) hätte ziemlich grundlos mit dem schärfsten Mädchen der Schule schlussgemacht. Würde nicht mehr so doll schwul brüllen, aber nur so eine Ahnung geben. Ich fände es nämlich viel interessanter und spannender, wenn es dem Leser auch später trifft, so wie dem anderen Jungen, dessen Name mir überhaupt nicht einfällt.
Und da gebe ich dir vollkommen recht. Die Idee klaue ich dir jetzt einfach mal. Danke dafür.

Der Streit mit dem Vater, das fand ich sehr gelungen, total authentisch. Da gibt es auch wieder nichts bemängelt. Und wie er dann am Schluss dann dem Vater nachgibt und aufgibt, das war auch toll. Das alles habe ich geglaubt, gefühlt und ich war auch erleichtert, als der Vater lockerer wurde.
Das freut mich sehr, dass mir das bei dir gelungen ist.

Was mir dabei aus der Gesäßtasche rutschte, war der Blister mit Schlaftabletten, den ich tags zuvor eingesteckt hatte.
Du hast ja versucht, irgendwie seine abartige Besessenheit zu beschreiben. Aber in meinen Augen hast du zu wenig beschrieben, damit ich erwarte, dass diese Besessenheit so weit geht. Ich weiß es nicht. So ganz habe ich nicht verstanden, warum er so sehr von ihr besessen ist. Mag sein, dass er sie geil findet und so, mag sein, dass sein Leben gerade in Bruchstücke zerbricht, aber geht man dann wirklich so weit, dass man Schlafmittel in ihren Wein mischt?
Also ich ginge natürlich nicht so weit, bei Joshua bin ich mir da allerdings nicht so sicher. Ist auch ein bisschen so ein Gelegenheit-macht-Diebe-Ding. Vielleicht spielt aber gar nicht der Zufall die Hauptrolle. Wer weiß, was sich der Ich-Erzähler dabei gedacht hat, als er den Blister eingesteckt hatte; seiner Erzählung nach, ist es einfach so passiert.
Besessen ist vielleicht auch ein zu starker Ausdruck, ich weiß nicht. Es bietet sich alles eben so an und Joshua fühlt sich gekränkt, verletzt, zurückgewiesen durch sie.
Ist aber ein guter Punkt. Ich denke darüber nach.

Okay, vielleicht liegt es daran, aber wie dann alles passiert, diese Spannung, das hast du toll hingekriegt, auch wenn ich mich angeekelt habe, weiterzulesen, habe ich es doch getan und bäääh, das war schon fast so, als hätte ich versucht, die Dame zu vergewaltigen. Das war ur arg. Total arg. Das wird nicht jeder verkraften, weil du dafür sorgst, dass man die Figur kennenlernt, mit ihr ein Freund wird, zur Figur wird und dann zwingst du mich als Leser dazu, dass ich versuche, eine zu vergewaltigen. Ich schwör, das war so derb, so heftig, dass ich das Telefon weglegen musste, um mich kurz zu erholen. Also voll arg. Und noch ärger ist es ja, dass er am nächsten Tag seinen Kumpel ausquetscht und der ihm sagt, seine Mutter hätte so was behauptet. Verdammt
Erster Impuls: Es hat mich gefreut, dass es dir es so ergangen ist (wie war das mit krank :)?); dann erst habe ich ein schlechtes Gewissen bekommen - ein kleines bisschen zumindest.
Nein, ist eine krasse Szene, ich weiß, vielen Dank für dein: "... hast du toll hingekriegt".

»Das ist meine Mutter! Meine Mutter! Geht’s noch!«
Ur arg, ur krank und ich weiß nicht, ob ich an ihrer Stelle so eine Frage gestellt hätte. Menschen ticken alle anders und in ihrem Fall hat sie das getan und wollte wissen, ob ihr SOHN sie angefasst hat. Krank. Alter voll krank.
Ja, ist es, krank, und Etienne sieht das ja nicht anders.
Ohne aber Manou entschuldigen zu wollen, sie hat halt mitbekommen, dass irgendwas mit ihr passiert ist, also reagiert sie in gewisser Weise posttraumatisch; zudem der Alkohol und die sicherlich nicht einfache häusliche Situation, noch dazu nach der Trennung usw. Dass Etienne schwul ist, wusste sie vermutlich nicht mit Gewissheit, dass er etwas anders tickt, wird ihr aber aufgefallen sein. Vielleicht ist sie schlicht verwirrt und überfordert.

Das ist wirklich keine Geschichte für schwache Nerven und das war echt arg, das alles zu lesen und noch einmal sich daran zu erinnern und es fühlt sich so an, als würde ich meinen Verstand vergewaltigen, nur um diese Kritik zu verfassen. Neee, ekelhaft. Auch wenn sie mich amüsiert hat, auch wenn ich sie gut geschrieben finde, die Figuren toll, alles lebhaft, alles glaubhaft, ich würde diese Geschichte auf keinen Fall ein zweites Mal lesen. Nie und nimmer. Diese beinah Vergewaltigung ist zu gut geschrieben, um sie ein erneutes Mal zu erleben. Normalerweise gefallen mir solche Geschichte (kranke Maria, ich weiß) , aber diese hier ertrage ich einfach kein zweites Mal, obwohl ich mich schon frage, ob die Mama dadurch etwas schlauer geworden ist und ihren Alkoholkonsum gesenkt hat.
Ich kann verstehen, dass du die Geschichte kein zweites Mal lesen wolltest; ja, ist sicherlich nichts für schwache Nerven. Ich fasse das trotzdem als Kompliment auf (kranker hell :)). Vor allem das "gut geschrieben, die Figuren toll, alles lebhaft, alles glaubhaft" freut mich ungemein.

Also die Figuren hast du richtig gut hingekriegt, sie werden Sympathisch und sie bekommen eine Seele, was sehr wichtig für mich ist.
Danke.

Und der letzte Teil, gleich nach dem

finde in unnötig. Das braucht die Geschichte nicht. Mag sein, dass du die Klara ihm noch aufzwingst und so ein Happyend hervorbeschwörst, aber ich finde nach den drei Sternen ist das nur noch so eine Randnotiz, die überhaupt keinen Effekt hat.

Dazu habe ich in einer anderen Antwort schon was geschrieben. Es haben ja auch andere Kommentatoren Probleme mit dem Ende, und, ja, wie soll ich es nennen, zweiten Teil halt.

Einen Effekt wollte ich schon erreichen, zumindest einen Zweifel hegen - am Charakter Joshuas, der uns die Geschichte ja auftischt. Ein Happyend sollte es nicht sein. Aber vielleicht ist es ja so, dass Joshua einem interessanterweise ans Herz wächst - krass eigentlich, trotz seines Verhaltens - und man gar nichts anderes lesen möchte, als dass er daraus positiv herausgeht.
Ich denke aber insgesamt über das ganze Ende nochmals nach - mal sehen, was daraus wird. Danke für den Hinweis!

Wie gesagt, ich habe die Geschichte gern gelesen, ich betone es für dich extra, damit du dich gut fühlst.
Und das erreichst du auch :).


Vielen lieben Dank für deinen Besuch und für die hilfreichen Hinweise, Maria.


Gruß


hell


Fortsetzung folgt ... (pappe ich unmittelbar darunter)


Hallo peregrina,


wie schön, dass du auch an Bord bist :).

Ist ziemlich lang geworden, das stimmt. Ich wollte mir einfach mal etwas mehr Raum geben. Die Geschichte braucht den auch, finde ich.

Ich hab mich wieder mal dabei ertappt, dass ich für den „schrägen“ Prot sehr schnell Verständnis und Mitgefühl entwickelt habe. Er befindet in der Lebenszeit der Pupertät und ich konnte seine Reaktionen damit entschuldigen, dass er sich unverstanden, zurückgewiesen und ungeliebt fühlt. Genau bis zu dem Zeitpunkt, als ich @Novaks Komm gelesen habe.
Finde ich gut, dass du dich dabei ertappen musstest - ja, der Prot. war ja auch so angelegt. Ich finde es interessant, dass ihm so viel Verständnis entgegengebracht wird; nicht nur von dir.
Dass sich deine Einstellung zu ihm dann ändert, toll, ja, ich wollte diesen Bruch haben. Man sollte das so lesen können, wie du es herauslesen konntest - auch wenn Novaks Kommentar erst zum Umdenken bewogen haben mag.
Freut mich riesig, dass mir das zumindest bei dir gelungen zu sein scheint :)! Das war die Intension dahinter.
Andererseits finde ich es auch in Ordnung, wenn man andere Schlüsse aus dem Text zieht. Dann wird aber das Ende wohl als Fremdkörper wahrgenommen, was natürlich nicht schön ist.

Etienne trat aus dem Gebäude, das ich ein mal schön gefunden hatte.
kann es nicht sicher sagen, aber denke, es wird zusammengeschrieben: es war einmal
Danke.

Sie habe es nicht mehr ausgehalten mit mir, ein Psycho sei ich, hatte sie gesagt. Keine Ahnung, was sie meinte… Vielleicht wäre dort mal was gelaufen. Stattdessen war sie fortgegangen.
Das dritte weibliche Wesen wird eingeführt. Und mit ihm eine neue Komponente. Schüchternheit und Zurückhaltung des Prot, vielleicht Versagensangst. Ich lese: Klara ist gegangen, weil ihr seine „tote Hose“ nicht behagt hat. Und so ahnungslos wie er tut, ist Josh nicht.
Im ersten Abschnitt hast du alles, was die Geschichte tragen wird, benannt. Eine echt geniale Vorbereitung des Konfliktes.
Finde ich gut, dass du das so gelesen hast :).
Besser noch, dass dir das Fundament gelungen scheint. Ja, ich habe mir da viele Gedanken zu gemacht.

In meinem Zimmer ignorierte ich das Gebrüll im Anschluss - ein beschissener Choleriker war er. Und Mutter bekam es wieder mal ab. Wie üblich.
Hier würde ich gerne einwerfen, dass ein echter Choleriker mit seinem Wutausbruch nicht hätte warten können, bis das Objekt des Anstoßes das Zimmer verlassen hat. Es ist mir aber bewusst geworden, dass die Wahrnehmung des Prot den Vater als cholerisch einfärbt. Papa ist nur am Ende mit seinem Latein, etwas ungehemmt und er weiß nicht, wie er seinen Sohn erreichen soll.
Das fand ich herausfordernd - mal stellvertretend diese Szene: Ich wollte unbedingt den Ich-Erzähler. Und der färbt eben ein, so wie du sagst, das durchläuft alles seinen Wahrnehmungsfilter und er wird sicher nur das erzählen und so erzählen, wie er es selbst will oder für richtig hält. Er ist unzuverlässig.

Und dieser Stelle hab ich zu wenig Bedeutung beigemessen, wie ich mittlerweile weiß.
»Wir dachten auch, dass du vielleicht von Frau Sommer ...«
»Auf keinen Fall! Nie mehr zu der Psychotante!«, unterbrach ich Mutter.
Ja, ich habe hie und da was eingestreut, aber nur so viel, wie der Erzähler eben erzählen würde (mMn). Auf die Psychosache geht er nicht näher ein, der Erzähler, ist ihm wohl unangenehm. Aber ich wollte schon, dass man da ein wenig aufhorcht.

Bei der nachfolgenden Szene dachte ich, dass ein Erwachsener auf keinen Fall mit einem Teenager so umgehen dürfe. Diese Gefühlsachterbahn hält ja keiner aus, die Frau muss sich nicht wundern…
Du merkst, ich habe das Mandat der Verteidigung deines Prot übernommen.
Schön, ja, das freut mich :).
Aber so ist es nun mal. Fehler geschehen. Und man kann sicher nicht immer so reflektiert agieren/reagieren wie es sinnvoll wäre. That's life.

Was mir dabei aus der Gesäßtasche rutschte, war der Blister mit Schlaftabletten, den ich tags zuvor eingesteckt hatte.
Wenn der Satz von mir wäre und du würdest kommentieren, dann würdest du mich ermahnen, dass der Leser das schließlich weiß, und Streichung des Fetten empfehlen.
Vermutlich, ja. Danke, gekauft.

Ich hatte Scheiße gebaut und wurde noch belohnt dafür. Verrückte Welt, dachte ich.
Wichtigste Erkenntnis deines Prot, die genau dieses Ende der KG möglich macht. Es ist sozusagen sein Freibrief für sein Tun, er wird zum Wiederholungstäter, zum Kriminellen. (Aber das sehe erst seit Novaks Komm so.)
Hey, das freut mich echt, dass das so bei dir angekommen ist :).

Warum Josh seine Geschichte in der Bar erzählt, begreife ich allerdings auch nicht wirklich. Könnte er nach Verständnis und Absolution, Bewunderung und Anerkennung suchen? Nennt er seinen Kumpel Arschloch, weil er ihm das alles verweigert?
Kann sein, ja. Vielleicht will er aber insgeheim auch aufgehalten werden.

Aber es ist ja alles ganz anders. Nix mit Schüler-Lehrer-Mutti-Sex, nein, wir haben es ja beim genauen Hinsehen mit einem Kriminellen, einem Sexualstraftäter zu tun, der sich offenbar Frauen nur nähern kann, wenn er sie vorher betäubt hat. Eine ganz andere Dimension tut sich auf.
Mir brach der Schweiß aus. Das Glas vor mir war angenehm kühl und beschlagen. Mein Daumen malte auf der Oberfläche herum. Ich hörte das eigene Herz schlagen, trotz der Bassgewalt von House of Pain ringsum…
Ich zögerte einen Augenblick, dann schob ich den Gin Tonic wieder zu ihrem Platz.
Mein Gott, steht doch alles da!
Und ich komme mir recht bescheuert vor, weil ich die Geschichte super gemacht finde und sich mir doch nicht sofort deine Erzählabsicht, die Grundaussage, erschlossen hat.
Ich kann nur sagen: Toll, dass du das erkannt hast (freut mich riesig)!
Sind ein paar Dinge noch: er hat den Finger im Glas, er schmeckt Zitronen, die Kälte ...
Ich gebe dir allerdings recht, wenn du schreibst:
Ich versteck mich aber gerne hinter der allgemeinen Forum-Verteidigung, wenn der Leser nicht kapiert, dann hat der Schreiber was falsch gemacht.
Und darüber mache ich mir jetzt einen Kopf. Ich überdenke das mal und gehe sicher nochmal ran.

Noch ein Wort zum Titel. Ich finde ja, dass passende Titel im Allgemeinen unterschätzt werden, man vergisst, sie sind die Wegweiser zu unseren Geschichten. Dieser hier ist absolut gelungen und aussagekräftig. Du meinst nicht die Begrenzungen in einem fließenden Gewässers, sondern die fließenden, sich verschiebenden Grenzen des Unrechtsbewusstseins im Kopf eines Täters. Find ich super! Wehe du behauptest, dass dem nicht so ist!
Behaupte ich nicht! Danke.

Heute sag ich mal danke fürs Hochladen der KG. Tolle Schreibe, heißes Thema, kluger Plot, greifbare Figuren, ich bin begeistert.
Wow, vielen Dank! Macht mich beinahe verlegen jetzt.


peregrina, toll dass du reingeschaut hast und dem "Monumentalwerk" Zeit geopfert hast. Freut mich sehr, dass der Text auch von der Intension her bei dir angekommen ist. Deine Hinweise geben mir wichtige Denkanstöße, wofür ich mich auch bei dir bedanken möchte.


Gruß


hell


Fortsetzung folgt ...

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo hell,

mir geht’s wie Tintenfass, ich kann die Geschichte noch nicht loslassen.
So sind wir halt, wir „Mädels“, gell, wir wissen manchmal gar nicht, wohin mit unseren Emotionen. Verstehen, beschützen und trösten und da trifft’s auch mal so eine arme, fiktive Figur aus einer KG.

Ich würde gerne noch mal das Ende ansprechen, denn wenn ich es richtig beurteile, bin ich nicht die Einzige, die beim ersten Lesen die Pointe nicht erkannt hat. Da frage ich mich natürlich ab, woran es lag. Hab ich wirklich nur schlampig gelesen? Oder hab ich nicht mehr mitbekommen, was da vor sich ging, weil mich meine Sympathie für Josh so blind machte, dass ich ihm eine Schweinerei nicht zutraute. Oder sollte der Autor etwas übersehen haben?
Letzteres kann ich mir nicht vorstellen. Die Hinweise sind ja eindeutig im Text platziert.
Ich bin gar nicht sicher, ob da Veränderungen direkt im letzten Teil nötig sind?

Würde mir gefallen zu erfahren, wie das andere Leser wahrnehmen.

Und was ich im letzten Post geschrieben habe, ist auch nicht politisch korrekt, da habe ich wohl etwas überreagiert :hmm:.
Wir haben es definitiv mit einem offenen Ende zu tun. Josh bereitet ein Sexualdelikt vor, das ist eindeutig. Aber wir wissen nicht, ob a) Klara trinken wird und b) wenn sie getrunken hat, ob Josh sich an ihr vergreift oder doch noch Skrupel bekommt.
Als ich Josh unterstellt habe, dass er zum Wiederholungstäter wird, da sind die jungen Pferde mit mir durchgegangen. Das kann nicht mehr als Vermutung sein, die mir der Text zwar suggeriert, aber nicht bestätigt.

Lieber hell, du bist froh, dass ich die Erzählintention erkannt habe. Aber ich sage: Mir war mein Anlauf zu lang, das hätte auf Anhieb funken müssen, zumal ich weiß, du hängst nicht einfach diese Barszene an, nur um der Szene willen.

Und dann habe ich immer noch die stille Hoffnung, du erhellst das Dunkel und weihst uns ein in das Geheimnis (muss ja nicht gleich sein), was nun zwischen Klara und Josh vorgefallen ist.
Nicht wahr, Novak, du willst das auch wissen?

Liebe Grüße,
peregrina

 

Ich sag mal zu allen Hallo – sind ja doch ein paar dabeigeblieben,

@peregrina hat das Ende angesprochen. Ich sehe das noch so wie gestern, glaube nicht, dass der Prot seiner Klara etwas angetan hat, als er mit ihr zusammen war. Sie scheint ja keinen Argwohn gegen ihn zu hegen. Ich frage mich aber schon nach dem Grund, warum du @hell das Ende so geschrieben hast. Ist es ein KG-typisches Ende, das den Leser zum Überlegen anregen soll? Ein Ende, aus dem man, je nach Leseart/Leseempfinden eigene Schlüsse ziehen kann? Oder steht da etwas klar und deutlich, das ich einfach nicht sehe?
Einen Sexualstraftäter, der den Mädchen grundsätzlich was ins Getränk mixen muss, sehe ich aber nicht.

Ich hätte das für mich so abhaken können, dass Joshua diese Scheiße mit Manou gemacht hat, die ihn im Nachhinein sowohl erschreckt als auch fasziniert. Ich denke, das Spiel mit Klaras Glas, während sie weg ist, soll uns unsere Schlüsse ziehen lassen. Hat er ihr jetzt Tablette reingetan oder nicht? Ich dachte seither nein. Doch dann las ich, was du peregrina u.a. geantwortet hast:

Sind ein paar Dinge noch: er hat den Finger im Glas, er schmeckt Zitronen, die Kälte ...

diese … sind es, die mir zu Denken gaben und ich las nochmal die entsprechende Passage:

Mir brach der Schweiß aus. Das Glas vor mir war angenehm kühl und beschlagen. Mein Daumen malte auf der Oberfläche herum. Ich hörte das eigene Herz schlagen, trotz der Bassgewalt von House of Pain ringsum. Den Finger tauchte ich ins Trinkgefäß und leckte ihn ab, er schmeckte nach Zitronen.

Hm. Ihm bricht der Schweiß aus und er hört sein Herz schlagen – er ist also aufgeregt und malt auf dem beschlagenen Glas herum, mach ich auch manchmal, taucht den Finger ins Getränk und leckt ihn ab. Er schmeckt Zitronen.

Da ich kaum Alkohol trinke und mir bei den Zutaten eines "Gin-Tonic" nicht sicher war, habe ich das nachgelesen und fühlte mich bestätigt, dass dieses Getränk Zitrone beinhaltet. Ich dachte nämlich schon an Tabletten mit Zitrusgeschmack.

Also mir geht’s inzwischen auch so, dass ich denke in dieser Szene steckt mehr drin, als ich bisher herausgelesen habe und ich würde mich auch freuen, wenn du dich vielleicht einmal dazu entschließen könntest, uns in deine (Hinter)Gedanken einzuweihen.

Trotz des wirklich schlimmen Themas und der grausamen Szene im Zirkuswagen, möchte ich mich für die so klug geschriebene Geschichte bedanken. Es macht, wenn man nur die allerletzte Szene betrachtet, auch Spaß, sich damit auseinanderzusetzen.

Lieber Gruß
Tintenfass

 

Gerade die Umwandlung von Klassischer Musik anhand der Moldau in Popmusik begleitet, dass ich angeregt durch die fließenden Grenzen der Musik noch mal auf den Titel zurückkomme,

lieber hell,

da ich bisher das unscheinbare Bindeglied von Präposition und/oder Adverb zwischen den Substantiven Grenze und Fluss noch gar nicht berücksichtigt hab, denn wie es da steht - der Titel "Grenzen im Fluss" - fällt die Grenze tatsächlich auf ihre ursprüngliche Bedeutung der gedachten Linie (mehr oder weniger inmitten des Flusses) zurück, kurz: Der Fluss als Grenzfluss ist, wie der Dativ es erfordert, eine ruhige Linie (bis eben ein Anrainer beginnt, sie jenseits des gegenüberliegenden Ufers zu etablieren, was i. d. R. im harmlosesten Fall blutige Nasen produziert).

Der Akkusativ, "Grenzen in Fluss", benennt dagegen fließende Grenzen, hat nix mit dem fließenden Gewässer mehr zu tun wie auch Abweichungen innerhalb der Moral - d. h. sie wird von einem Einzelnen (hier: Josh) oder mehreren Individuen gebrochen - wie etwa in der Steuermoral, eine Möglichkeit, Grenzen zu überschreiten, die Manou als abhängig Beschäftigte gar nicht erst hat, weil der Arbeitgeber die Steuern berechnet und abführt.

Sollte da nicht der Titel im Akkusativ stehen?

Gruß und schönen Vorabend vorm Reformationsjahr vom

Friedel

 

Hallo peregrina, Tintenfass, Friedrichard, Bea Milana,

ich habe euch nicht vergessen!

Leider habe ich zur Zeit unerwartet viel um die Ohren; trotz Feiertag. Gebt mir bitte noch ein/zwei Tage, um auf alle Anmerkungen angemessen antworten zu können.

Vielen Dank für all die wertvollen Kommentare!

Gruß

hell

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo noch mal Tintenfass,


...ich kann nicht aufhören, mir Gedanken zu deiner Geschichte zu machen und verfolge auch die Kommentare dazu.
Was könnte ich mir mehr wünschen :).

, Es ist mir in den letzten Monaten immer mehr aufgefallen, dass ich ein Faible für Protagonisten wie deinen Joshua habe, also solche die irgendwie verloren scheinen. Keine Ahnung, warum das so ist. Und was die bei mir auslösen, ich kanns nicht recht erklären. Beschützerinstinkt vielleicht? Die denkenswerte Einsprengesel, ich habe sie wohl nicht sehen wollen. Jetzt, nachdem ich die Kommentare und deine Antworten dazu lese, erkenne ich sie besser, weigere mich aber noch, das wirklich schlechte in dem Jungen zu sehen.
Ich verstehe deinen Faible für verlorene Protagonisten.
Interessant finde ich, dass du dich dagegen sträubst, dass Joshua nicht ganz sauber sein könnte. Vielleicht liegt es daran, dass der Junge nicht »wirklich schlecht« war. Dass da eine Entwicklung stattfindet, die einem nicht gefallen kann. So ist es ja manchmal auch im RL: Man kann und will Entwicklungen von bestimmten Personen einfach nicht wahrhaben.

Du schreibst:
Ja, er redet sich das von der Seele, klar. Er legt letztendlich aber sogar ein Geständnis ab, das übrigens wieder folgenlos verpufft.
Ja, er ist davongekommen und ich befürchte, dass er nicht der Typ ist, der jetzt erleichtert ausatmet. Ich denke das könnte sein Kick werden, auszutesten wie weit er gehen kann, bis mal eine Bestrafung folgt.
Und so könnte eins aufs andere folgen, denke ich. Ja, vielleicht war das so.

Ich hätte das für mich so abhaken können, dass Joshua diese Scheiße mit Manou gemacht hat, die ihn im Nachhinein sowohl erschreckt als auch fasziniert. Ich denke, das Spiel mit Klaras Glas, während sie weg ist, soll uns unsere Schlüsse ziehen lassen. Hat er ihr jetzt Tablette reingetan oder nicht?
Also mir geht’s inzwischen auch so, dass ich denke in dieser Szene steckt mehr drin, als ich bisher herausgelesen habe und ich würde mich auch freuen, wenn du dich vielleicht einmal dazu entschließen könntest, uns in deine (Hinter)Gedanken einzuweihen.
Ich wollte das schon ein wenig offen halten, ja, obwohl Joshua für mich eine schlimme Entwicklung genommen hat. Habe jetzt aber etwas nachgelegt. Ich denke, dass es jetzt klarer wird, auch wenn es dir womöglich nicht schmecken wird :).


Schön, dass du nochmals reingeschaut hast, Tintenfass.

Gruß

hell


Hey peregrina,


Da frage ich mich natürlich ab, woran es lag. Hab ich wirklich nur schlampig gelesen? Oder hab ich nicht mehr mitbekommen, was da vor sich ging, weil mich meine Sympathie für Josh so blind machte, dass ich ihm eine Schweinerei nicht zutraute. Oder sollte der Autor etwas übersehen haben? Letzteres kann ich mir nicht vorstellen. Die Hinweise sind ja eindeutig im Text platziert. Ich bin gar nicht sicher, ob da Veränderungen direkt im letzten Teil nötig sind?
Die Frage finde ich auch spannend.
Ich habe trotzdem eine Kleinigkeit geändert - mal sehen, ob ich das so lasse.

Mir war mein Anlauf zu lang, das hätte auf Anhieb funken müssen, zumal ich weiß, du hängst nicht einfach diese Barszene an, nur um der Szene willen.
Interessant. Wenn der Autor ein anderer gewesen wäre, vielleicht hätte man der Szene mehr Beachtung geschenkt, ich weiß es nicht.

Und dann habe ich immer noch die stille Hoffnung, du erhellst das Dunkel und weihst uns ein in das Geheimnis (muss ja nicht gleich sein), was nun zwischen Klara und Josh vorgefallen ist.
Das, liebe peregrina, überlasse ich ganz deiner Fantasie :).


Danke auch dir für dein erneutes Interesse und den spannenden Gedanken zum Text!

Gruß

hell


Hallo Friedrichard,


spannend, wie du in die Materie einsteigst. Danke für die Abhandlung :).

Da kann die Namenswahl Joshs eigentlich nur befremden, selbst einen wie mich, der zu Ironie neigt.
Ich sehe das gelassener, denn, gucke ich mich um, sehe ich so viele menschliche Teufel, die mitunter Namen von Heiligen, Propheten oder Götter tragen :).

... denn wie es da steht - der Titel »Grenzen im Fluss« - fällt die Grenze tatsächlich auf ihre ursprüngliche Bedeutung der gedachten Linie (mehr oder weniger inmitten des Flusses) zurück, kurz: Der Fluss als Grenzfluss ist, wie der Dativ es erfordert, eine ruhige Linie ...
Ja, stimmt, ist unsauber. Sollte ich wohl ändern lassen - ich bin allerdings noch unschlüssig.

Der Akkusativ, »Grenzen in Fluss«, benennt dagegen fließende Grenzen, hat nix mit dem fließenden Gewässer mehr zu tun wie auch Abweichungen innerhalb der Moral ...
Den Vorschlag kaufe ich dir wohl ab. Denke aber noch ein wenig darüber nach. Danke, Friedel.


Gruß auch dir und danke für deine Zeit und Überlegungen zum Text!

hell


Hallo Bea Milana,


... deine Geschichte hat mich sehr begeistert!
Sie ist deshalb großartig, weil du nicht nur gut schreiben kannst, sondern auch gut erzählen, und den Leser auf geschickte Art und Weise hinters Licht führst.
... sondern du verstehst es, den eigentlichen Kern äußerst geschickt in dein Figurenumfeld ... einzubinden ...
... alle diese Menschen haben eine Seele.
Ich hoffe, du siehst mir nach, dass ich das alles nochmals hervorheben möchte :).
Wow! Danke!

Im Gegenteil, seine Ängste und starken Stimmungsschwankungen haben sich in Überheblichkeit und eine gewisse Selbstsicherheit gewandelt (sehr schön am Ende zu sehen, wie er am Ende des Smalltalks den Jurakollegen als Arschloch bewertet), er hat sich angepasst.
Freut mich wahnsinnig, dass das bei dir funktioniert hat.

Allerdings musste ich den letzten Absatz mit Klara zwei Mal lesen, um zu verstehen, dass er wohl in keinster Weise geheilt ist. Das ist doch der Clou und der Sinn deiner Geschichte, nicht wahr?! Die Hinweise sind (neben dem Schweiß und dem Herzklopfen) zu sehr versteckt ...
Hm, ja, ging ja anderen auch so.
Meiner Intention nach, ist das der Clou, ja.
Ich habe ein wenig umgeschrieben. Mal sehen, ob es klarer wird dadurch.
Ich lasse den Text jetzt weiter reifen und gucke mir das dann später nochmals an. Danke für den Hinweis! Vielleicht hat mir auch der Mut gefehlt, klarzumachen, was für ein Früchtchen Joshua (geworden) ist.

Der Gedankenstrich ist dieser – (nämlich der Halbgeviertstrich) und nicht der - (Viertelgeviertstrich). Es gibt mehrere Stellen (du solltest sie unbedingt austauschen ...
Mache ich, danke.

Vielen Dank für diese tolle Story mit einem interessanten Prot. Sehr geschickt aufgebaut und bis zum Ende konsequent erzählt. Großes Kompliment!
Ich muss mich bei dir bedanken. Dein Komm war mir eine große Freude, Bea!


Danke für deine Zeit, deine Hinweise und das Lob (musste ich mir mehrmals durchlesen :))!

Liebe Grüße

hell

PS:

Vor solch smarten Typen, die einem Psychopharmaka in die Drinks mischen, hatte ich immer Angst, und die Wahrheit ist, dass es nicht nur Frauen widerfährt, sondern auch Männern, die nach dem Barbesuch oder der Disco ihres Portemnonnaies oder Schlüssel beraubt werden und unfähig sind, sich zu wehren und sich zu erinnern. (Ich persönlich kenne ein solches Opfer.)
Tatsächlich kenne ich auch so ein männliches Opfer. Schon krass und angsteinflößend, kann ich gut verstehen.

 

Hallo @hell

Ich denke, dass es jetzt klarer wird, auch wenn es dir womöglich nicht schmecken wird

Erwischt :)

… bis sich die Flüssigkeit darin wieder aufklarte

ja, jetzt hab's auch ich kapiert: Joshua verrührt mit dem Finger die Tablette in Klaras Glas.
Bäng! Wär besser gewesen, mich mit dem ersten Ende zufrieden zu geben. So könnte ich jetzt im Glauben leben, der Typ sei geläutert. Nun gut, wieder was dazugelernt.

Eine Frage: Der Kumpel hat doch schon immer mit seinem leeren Glas gespielt und sich unwohl bei Joshuas Geschichte gefühlt, oder? Mir erscheint das jetzt, mit dem neuen Ende plötzlich fremd. Bzw. ich lese das jetzt nachdenklicher. Hat der womöglich Schiss gekriegt, dass ihm auch was beigemischt wurde? Hm.


Und so könnte eins aufs andere folgen, denke ich. Ja, vielleicht war das so.

Persönlich würde mich da deine Herangehensweise interessieren.
Bei den wenigen Geschichten die ich bisher geschrieben habe, hatte ich immer die Biographie meiner Protagonisten im Kopf. Quasi von Geburt bis Tod – auch wenn ich nur über ein paar Stunden ihres Lebens geschrieben habe. Ich mag das, wenn ich deren komplette Geschichte, ihre Veränderungen kenne. Scheint bei dir aber nicht der Fall zu sein – und trotzdem zu gelingen.

Was ich auch noch sagen wollte: Ich finde deine KG ja top geschrieben.
Um selbst ein Gefühl dafür zu bekommen, habe ich beim Lesen ein Auge auf Sachen wie Einstiegsszene, Adjektive, Wortwiederholungen … Also ich suche danach, um zu sehen wie der Autor damit umgeht, wie er das löst.
Bei dir habe ich wirklich einiges gelernt. Ich finde deine Wortwahl sehr umfangreich – da hat sich wenig wiederholt. Vielleicht hätte man mal aus einem "nuschelte" ein "murmelte" machen können und auch ein "zierte" umgehen. Aber bei der Länge, fällt das ja kaum auf. Das fand ich schon sehr schön. Einmal heißt es "Flasche", später "Bottel". Aus "getrunken" wird ein "gebechert" usw. Das passt auch immer zum Jargon des Erzählers.
Es war mir hier nicht nur ein Lesegenuss, sondern ich konnte auch was für mich mitnehmen. Dafür bedanke ich mich auch.

Lieber Gruß
Tintenfass

 

Hey Tintenfass,


Hat der womöglich Schiss gekriegt, dass ihm auch was beigemischt wurde?
Mag sein, wenn du das so lesen möchtest :).

Persönlich würde mich da deine Herangehensweise interessieren.
Bei den wenigen Geschichten die ich bisher geschrieben habe, hatte ich immer die Biographie meiner Protagonisten im Kopf. Quasi von Geburt bis Tod – auch wenn ich nur über ein paar Stunden ihres Lebens geschrieben habe. Ich mag das, wenn ich deren komplette Geschichte, ihre Veränderungen kenne. Scheint bei dir aber nicht der Fall zu sein – und trotzdem zu gelingen.
Na ja, im Großen und Ganzen mache ich das nicht anders.
Ich habe schon eine Figurenzeichnung im Kopf oder auf Papier und weiß (in etwa), wohin die Reise (Entwicklung) gehen soll. Ich glaube meine Protagonisten so zu kennen, wie man einen guten Freund kennt, oder ein Familienmitglied. Aber da gibt es eben auch blinde Flecken. Geheimnisse.
Ich lerne die Figuren im Verlauf immer besser kennen.

... habe ich beim Lesen ein Auge auf Sachen wie ..., Adjektive, Wortwiederholungen … Also ich suche danach, um zu sehen wie der Autor damit umgeht, wie er das löst.
Klar, das mache ich auch. Überarbeitungsschritte, die richtig arbeit machen.

Aber bei der Länge, fällt das ja kaum auf. Das fand ich schon sehr schön. Einmal heißt es "Flasche", später "Bottel". Aus "getrunken" wird ein "gebechert" usw. Das passt auch immer zum Jargon des Erzählers.
Klar, je kürzer der Text, desto wichtiger scheint mir, dass jedes Wort sitzt, dass Wiederholungen vermieden werden, Füllwörter und Adjektive nur sehr bewusst gesetzt werden dürfen. Dabei muss der Erzählton, die Sprache natürlich zum Erzähler passen.
Das scheint mir bei dir wohl gelungen zu sein - prima :)!

Es war mir hier nicht nur ein Lesegenuss, sondern ich konnte auch was für mich mitnehmen. Dafür bedanke ich mich auch.
Ich finde ja, man kann aus allen Wortkrieger-Texten eine ganze Menge für sich herausziehen. Wenn man die richtigen Fragen stellt und genau hinsieht. Dank gebührt also allen Autoren, die hier ihre Texte posten (und letztendlich dem Webmaster, der das ermöglicht).
Dir einen Lesegenuss bereitet zu haben, ist natürlich großartig für mich!


Schön, dass du nochmals vorbeigeschaut hast, Tintenfass!


Gruß


hell

 

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