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Weihnachten 2016

Seniors
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03.07.2004
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Weihnachten 2016

In der Heiligen Nacht sprühten Unbekannte »Ausländer raus aus Deutschland« auf die Schaufensterscheibe des Obst- und Gemüseladens, der seit über zehn Jahren von Aram Boyacian betrieben wurde. Im Ort hielten ihn alle für einen muslimischen Türken, tatsächlich aber stammte er aus einem kleinen Bergdorf im Irak und war ein armenischer Christ. Deshalb fuhr er manchen Sonntag gut fünfzig Kilometer zur armenischen Gemeinde und besuchte über Weihnachten Landsleute, mit denen er in die Weihnachtsgottesdienste ging. So bekam er die Schmiererei gar nicht mit.
Nach Weihnachten stand seine Angestellte alleine im Laden und regte sich über den Schriftzug auf der Schaufensterscheibe sehr auf. Da es kalt geworden war, hatte sie keine Obst- und Gemüsekisten auf die Auslagen vor dem Laden gestellt, das ganze Angebot befand sich im Verkaufsraum.
Schon zwei Minuten nachdem sie aufgeschlossen hatte, kam die erste Kundin:
„Hallo, ich hätte gerne zwei Kilo Apfelsinen.“
„Guten Tag, es tut mir Leid, aber Apfelsinen haben wir heute nicht.“
„Naja, dann nehme ich halt Mandarinen.“
„Wir haben leider auch keine Mandarinen, genauer gesagt, haben wir gar keine Südfrüchte.“
Die Kundin schaute ebenso erstaunt wie ihre Nachbarin, die gerade in die Tür gekommen war und fragte: „Und wie ist es mit Bananen?“
„Nein, leider auch nicht.“
Ratlos gingen die beiden Frauen zwischen den Obstkisten herum und stellten fest, dass zwischen den Kisten sehr viel mehr Platz war als noch vor Weihnachten.
„Letzte Woche hatten Sie hier Renette-Äpfel, die haben mir sehr gut geschmeckt, aber jetzt sehe ich sie nicht. Haben Sie alles ausverkauft?“, fragte ein älterer alleinstehender Herr, der die ausgestellten Äpfel begutachtete.
Die Verkäuferin zuckte mit den Achseln: „Wir bekommen die Äpfel von einem Biobauern aus Frankreich: Heute kam noch keine neue Lieferung.“
Ein Junge kam in den Laden gestürmt: „Mama braucht ein Päckchen Zuckererbsen.“
Die Verkäuferin suchte einen Moment und meinte dann: „Tja, Ich kann dir nur tiefgekühlte junge Erbsen aus deutscher Ernte anbieten.“
„Da muss ich Mama erst fragen.“ Und schon rannte der Junge wieder aus dem Laden.
Inzwischen waren weitere Kunden gekommen und kauften auch manches ein. Aber vieles gab es nicht. Zum Beispiel Tomaten, was allen sehr auffiel.
Einige Kunden bekamen ein mulmiges Gefühl. Irgendetwas stimmte hier nicht. Wollte Herr Boyacian seinen Laden etwa schließen?
Ein junger Lehrer kam in den Laden, um sich ein wenig Obst und Nüsse für sein Müsli zu holen. Als er nur zwischen drei Sorten Winteräpfeln wählen konnte, fand er die Erklärung:
„Es gibt hier nur noch Obst und Gemüse aus Deutschland.“
Er hatte seine Erkenntnis so laut herausposaunt, dass jeder im Laden sie deutlich hören konnte. Alle Augen starrten auf den Schriftzug an der Schaufensterscheibe. Dann redeten die Menschen im Laden wild durcheinander und fragten, ob Obst und Gemüse dieser Aufforderung etwa gefolgt seien oder ob diese Verknappung eine ganz perfide Strategie von Herrn Boyacian sei. Aber dann war zu hören, dass es bei Bäcker Becker keine Schokoladen-Croissants gebe. Der Lehrer konnte sich gleich wieder als Besserwisser geben und erklären: „Schokolade enthält Kakao und Kakaobohnen wachsen ebenso wenig in Deutschland wie Kaffeebohnen.“
Einige Kundinnen eilten daraufhin zum Supermarkt. Auch dort waren die Regale weitgehend leer. Es gab nichts mehr aus anderen Ländern. An den Kassen herrschte heillose Aufregung. Der Marktleiter rang seine Hände: „Wir haben unsere neuen Registrierkassen erst vor zwei Monaten aus Taiwan erhalten – und jetzt sind sie spurlos verschwunden. Wenigstens das deutsche Wechselgeld ist noch da.“
Besorgt fragte eine Frau die Umstehenden: „Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass viele Nachbarn fehlen, die sonst mit uns einkaufen?“
„Naja, die Ehefrauen von den Gastarbeitern scheinen nicht zu kommen.“
„Ich kenne manche Nachbarn, die aus anderen Ländern gekommen sind. Keinen von ihnen habe ich bisher gesehen.“
Der Lehrer kam auch wieder und erzählte: „Der Unterricht fällt heute aus. In der Schule herrscht helle Aufregung. Die Austauschlehrer aus Frankreich und Australien fehlen und mehrere Schüler sind auch nicht erschienen.“ Er grummelte vor sich in und meinte dann: „Ich verstehe das nicht. Ein guter Schüler von mir zum Beispiel. Seine Eltern kommen aus der Türkei. Aber er ist in Deutschland geboren und hat einen deutschen Pass.“
„Was bedeutet denn Ausländer? Sind wir nicht alle irgendwie Ausländer?“, warf eine Frau ein und wunderte sich anschließend über sich selber. Wie war sie bloß auf diesen Gedanken gekommen.
„Wohin verschwinden denn alle? Die Südfrüchte und die Menschen und was noch alles?“, fragte jemand.
Die anderen lachten, aber der Lehrer begann zu rechnen: „Wir wissen nicht, ob nur bei uns alles Ausländische verschwindet oder auch an anderen Orten. Denn dann dürften in Spanien oder in Israel die Apfelsinen meterhoch auf den Straßen liegen. Und wo sollen die ganzen Menschen jetzt unterkommen. Die haben doch nichts mit und in ihrer alten Heimat ist wahrscheinlich gar kein Raum für sie.“
„Ich fürchte, es wird noch viel mehr fehlen“, stöhnte jemand.
„Was meinen Sie damit?“
„Na, schauen Sie doch einmal auf die Straße.“
„Ist irgendwo ein Unfall? Oder wieso stehen die Autos?“
„Wie sollen sie denn ohne Reifen fahren?“
„Wieso, was haben denn Reifen damit zu tun, die gibt’s doch überall zu kaufen.“
„Ich hab‘ neulich gelesen, dass die Industrie Naturkautschuk verwendet und der kommt auch aus dem Ausland.“
„Man könnte auch Kautschuk aus Kohle herstellen, aber der ist teurer“, warf der Lehrer ein.
Überall standen ratlose Menschen herum. Ihre Autos sahen aus, wie frisch vom Schrottplatz geholt. Alle wischten vergeblich auf ihren Smartphones. Einige ältere Menschen hatten noch Uralthandys aus deutscher Produktion. Aber selbst deren Innenleben hatte sich verflüchtigt. Ein genervter Autofahrer fragte: „Wie soll ich jetzt meinen Chef anrufen, dass ich zu Fuß kommen muss?“
„Wollen Sie denn barfuß laufen?“
Erstaunt schaute der Mann auf seine bestrumpften Füße: „Meine italienischen Schuhe! Die waren sauteuer.“
Jemand meinte dann: „Ich fürchte, manches wird demnächst sehr viel teurer. Wirklich ganz dumm, was hier passiert ist.“
„Vielleicht sollten wir den Schriftzug von der Schaufensterscheibe entfernen und Ausländer willkommen darauf schreiben“, schlug der Lehrer vor.
„Meinen Sie, das hilft?“
Er zuckte mit den Schultern: „Ich weiß es nicht. Hat überhaupt die Schmiererei an der Schaufensterscheibe dieses Geschehen, um nicht zu sagen, diese Katastrophe ausgelöst?“
Jemand kicherte. „Oder ist ein Engel vom Himmel gekommen und hat alle Fremden in ein besseres Land geführt?“
Eine ältere Frau schüttelte den Kopf: „Also mir ist sehr unwohl. Ich geh zum Pfarrer. Vielleicht hat der ja ‘ne Idee, was man tun kann.“
Einige Frauen eilten zur Kirche. Als erstes stellten sie fest, dass die Kirchenpatrone, Petrus und Paulus ihre Sockel verlassen hatten. Links vom Altar stand zwar noch die Krippe, aber die Figuren waren nicht mehr da - weder die Hirten noch die drei Könige aus dem Morgenland, nicht einmal Maria, Josef oder das kleine Jesuskind. Nur über der Krippe schwebte weiter der Engel. Er schaute aber gar nicht mehr freudig und selbst sein Spruchband hing traurig herab und die Schrift war so verblasst, dass man nur noch entziffern konnte: „Erde . . . den Menschen“.
Neben der Krippe stand ein Jugendlicher und malte mit seinem Filzer ein Fragezeichen auf das Spruchband.
„Sie können doch nicht einfach ...“, begann eine erboste Frau, als neben ihr die sanfte Stimme des Pfarrers erklang: „Wem gehört denn die Erde?“

Es wurde Nacht. Frau Weber lag im Bett und freute sich kein bisschen auf den kommenden Tag, Sie konnte nicht einschlafen, weil sie über die Worte des Pfarrers nachdachte. Wenn jetzt der Weihnachtsengel käme, was würde er uns verkünden? „Nun seht mal zu, wie ihr alleine zurechtkommt“, oder? Dann träumte sie von einem riesigen in dunkle Flammen gekleideten Engel, der auf dem Marktplatz stand und rief: „Fürchtet euch.“
Der Lehrer hatte Besuch von einem Freund, der fünfzig Kilometer mit dem Fahrrad zurückgelegt hatte und ihm atemlos berichtete, die orthodoxe Gemeinde, zu der auch Herr Boyacian gehörte, sei während ihres Weihnachtsgottesdienstes spurlos verschwunden. Sie alarmierten ihre Bekannten und alle trafen sich am Laden. Weitere Passanten kamen dazu und halfen mit, die Schmiererei vom Schaufenster abzuwaschen. Dann pinselten sie gemeinsam mit weißer Farbe „Ausländer willkommen.“ auf die Scheibe.
„Hoffentlich hilft es“, murmelten einige dabei.
„Morgen ist alles wieder gut.“

 

Nachdem ich die Geschichte von Eisenmann und die Kritiken gelesen habe, möchte ich vorsorglich mitteilen:

Ich habe diese Geschichte im Januar 2015 begonnen und wollte sie eigentlich jetzt in die Rubrik Weihnachten einstellen. Sie ist also kein Schnellschuss.

Das Thema ist auch völlig ausgequetscht. Beim Stöbern im Web fand ich zum Beispiel eine Reportage des SWR zum Thema, was denn ohne ausländische Zutaten noch von Weihnachten übrig bleibt.

Die Idee zu meiner Geschichte kommt von Helmut Wöllenstein Das Märchen vom Auszug aller Ausländer, die 1991 geschrieben wurde und vielmals mit vielen Nachahmungen im Internet zu finden ist. Ich bin also zumindest in zahlreicher Gesellschaft. Und Herr Wöllenstein fand meine Geschichte "gut gelungen".

 

Lieber Jobär,

eine ziemlich pädagogische Geschichte, die ich aber gerne gelesen habe. Stimmt ja alles.
Mir kommt nur die Frage in den Sinn, wie die Schmiererei dazu führen konnte, wahr zu werden? Da hätte ich noch gerne eine Erklärung, einen Übergang, damit mir die Story nicht nur in ihrer Aussage gefällt. Eine (zu oft gehörte) Forderung, klassischerweise in inkorrektem Deutsch geschrieben, wird Wirklichkeit. Wieso? Wer oder was hat das bewirkt? Vielleicht fällt dir dazu ja noch was ein?

Viele Grüße,

Eva

 

Hallo Jobär,

ich habe deine Geschichte (noch ganz druckfrisch sozusagen) schon gestern Abend gelesen und einen Kommentar geschrieben, leider hat dann mein Computer entschieden, dass er nicht mehr weitermachen möchte und ist kurzerhand einfach schwarz geworden - Sachen gibt's!

Ehrlich gesagt - um das gleich vorneweg zu schicken - habe ich mich mit deinem Schreibstil nicht so ganz anfreunden können. Mir fehlen da die Emotionen, die richtige Atmosphäre, die aus meiner Sicht ein bisschen mehr Leben in die Geschichte bringen könnte. Ich habe dann nach dem Lesen ein bisschen rumüberlegt, woran das liegen könnte und mir ist aufgefallen, dass dein Text (meiner Meinung nach) eher in die sachliche Richtung tendiert. Das fängt, glaube ich, schon ganz früh an und zieht sich dann immer weiter durch den Text, hier zum Beispiel:

Ausgerechnet in der Heiligen Nacht sprühten Unbekannte »Auslander rauss aus Deutschland« auf die Schaufensterscheibe des Obst- und Gemüseladens, der seit über zehn Jahren von Ahmet Cevioglu betrieben wurde. Im Ort hielten ihn alle für einen muslimischen Türken, tatsächlich aber stammte er aus einem kleinen Bergdorf im Irak und war ein kurdischer Christ. Seine Großeltern waren aus Armenien eingewandert. Deshalb fuhr er manchen Sonntag gut fünfzig Kilometer zur armenischen Gemeinde und besuchte über Weihnachten Landsleute, mit denen er in die Weihnachtsgottesdienste ging. So bekam er die Schmiererei gar nicht mit.
Mir ging es beim Lesen erst so, dass ich etwas in die Richtung dachte wie "Wow! Hier schafft es jemand, ganz strickt am Thema zu bleiben, ohne dabei irgendwelche nebensächlichen Dinge mit einfließen zu lassen..." Irgendwann, nach ein paar Absätzen wurde mir aber dieser Stil mehr und mehr zum Verhängnis, gerade weil er eben so strickt seine Linie durchzieht. Keine Emotionen, die die Stimmung etwas aufhellen und die ganze Situation ein wenig lieblicher machen würden - meine Meinung :shy:
Und dann, als ein bisschen Abwechslung (ich weiß, klingt hart - iwo!) in die Partie kam, hat mich der Stil ein bisschen vom Aufbau her an den eines Witzes erinnert (soll nicht böse klingen):

„Hallo Frau Maier [hier schreit's förmlich nach einem Pünktchen!] Ich hätte gerne zwei Kilo Apfelsinen.“
„Guten Tag, Frau Weber, es tut mir leid, aber Apfelsinen haben wir heute nicht.“
„Naja, dann nehme ich halt Mandarinen.“
„Wir haben leider auch keine Mandarinen, Frau Weber, genauer gesagt, haben wir gar keine Südfrüchte.“
(wahrscheinlich liegt es auch an Frau Maier und Frau Weber :lol:)
Aber nimm's nicht zu krumm...! War nur mein erster Gedanke beim Lesen.


Ein bisschen Textkram:

„Guten Tag, Frau Weber, es tut mir Leid, aber Apfelsinen haben wir heute nicht.“
Schreibt man "Leid" in diesem Falle nicht klein? Es heißt ja, es tue ihr leid... ?!

Schon 2 Minuten nachdem sie aufgeschlossen hatte, kam die Nachbarin Anneliese Weber:
Hier habe ich mich gefragt, warum du "schon zwei Minuten nachdem..." schreibst. Das klingt für mich dann so, als würde deine Protagonistin auf ihre Nachbarin erwarten. Oder war das Absicht?
Ps: Du bist ja sozusagen schon ein "Senior" hier unter den Wortkriegern und kennst das mit den Zahlen sicherlich. In diesem Zusammenhang würde es sich allerdings ausgeschrieben wirklich schöner lesen, finde ich.


Das mag jetzt vielleicht nach viel klingen - das mit den Emotionen und der Atmosphäre mal voll mit reingenommen - ist es aber glaube ich nicht. Mir hat einfach insgesamt ein wenig der Funken Entspanntheit gefehlt :Pfeif:

Viele Grüße,
SCFuchs

 

Liebe Eva Luise Groh

Da hätte ich noch gerne eine Erklärung
- kriegste aber nich - ätsch. Um wieder zu meinem emotionsfreien Stil zu kommen: Die Erklärung steht in der Geschichte und es führt nur auf tiefe Abwege, wenn ich jetzt noch weiter erläutere, was da geschehen sein könnte. Schließlich ist diese Geschichte ein Weihnachtsmärchen und in Märchen gibt es doch immer wieder unerwartete Ereignisse.
SCFuchs

vielen Dank für Deine Hinweise. Ja ich schreibe ohne große Emotionen, weil ich einfach nicht weiß, wie ichs machen soll und mich vorm Abrutschen in den Kitchsumpf fürchte. Die Fehler werde ich angehen, wenn ich mal wieder Luft schnappen kann.

Liebe Grüße

Jobär

 

Hallo jobär,

also die Idee finde ich witzig, bietet jede Menge Ansatzpunkte für Klamauk mit einem guten Schuss Besinnlichkeit. Insofern fehlt mir der „Humor“-Tag. Stell dir mal die überraschten Gesichter vor, wenn plötzlich nicht nur die vermeintlich Fremden sondern auch die ausländischen Produkte weg sind. In einer globalisierten Gesellschaft gar nicht denkbar. Selbst Nutella gäbe es ja nicht mehr  So etwas fehlt mir und könnte den Lesegenuss erhöhen. Kleine Beobachtungen, Sinneseindrücke. Das könnte dem Text mehr Leben verleihen, mehr Seele geben. Könnte man einiges draus machen, aus der Geschichte, was Skurriles, Absurdes. :D

Ich habe einige deiner Texte gelesen und weiß, dass darin, Gott und der Pfarrer und ein Stück Jenseits, Diesseits vorkommen. Aber ehrlich; mein erster Gedanke wäre nicht, den Pfarrer nach einer Erklärung zu fragen, wenn etwas Ungewöhnliches passiert.:hmm:

Bisschen was zum Text:

Im Ort hielten ihn alle für einen muslimischen Türken, tatsächlich aber stammte er aus einem kleinen Bergdorf im Irak und war ein kurdischer Christ.
da werrde ich erschlagen mit Infos, die nur am Rande mit dem Geschehen zusammenhängen.

Der junge Lehrer Helmut Mittelmann, der sich ein wenig Obst und Nüsse für sein Müsli holen wollte und dann nur zwischen drei Sorten Winteräpfeln wählen konnte, fand die Erklärung:
sagt mal, ihr Lehrer da draußen, esst ihr alle Müsli? :confused:

ob Obst und Gemüse dieser Aufforderung etwa gefolgt seien oder ob dies eine ganz perfide Strategie des Inhabers sei.
also ich finde es grundsätzlich auch ziemlich irrsinnig, das ganze Jahr Erdbeeren zu essen, auch wenn sie dann aus Argentinien stammen und unter enormer Ressourcenverschwendung hierher gebracht werden, dann lieber in der Regel das, was gerade in Europa geerntet oder konserviert werden kann.

„Also ich geh zum Pfarrer. Vielleicht hat der ja ‘ne Idee, was man bei so ´ner Katastrophe tun kann.“
siehe oben, aber ich seh schon: muss öfters zum Pfarrer gehen. Darf''s auch der Rabbi sein?

„Sie können doch nicht einfach ...“, begann Frau Weber, als neben ihr die sanfte Stimme des Pfarrers erklang: „Wem gehört denn die Erde?“
Das parabelhafte Ende gefällt mir. :Pfeif:

viele Grüße
Isegrims

 
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Hallo jobär,


deinen Text könnte ich mir gut als Kindergeschichte vorstellen; ja, vielleicht als Bildband, schön illustriert. Die Message passt, die Zuordnung der Lebensmittel wäre auch lehrreich :).

Für Erwachsene ist mir das zu plakativ, zu pädagogisch und du schreibst ja selbst ...

Das Thema ist auch völlig ausgequetscht.
... vielmals mit vielen Nachahmungen im Internet ...
Ich bin also zumindest in zahlreicher Gesellschaft.
..., weshalb ich nichts Neues aus dem Text ziehen konnte.
Muss ja auch nicht immer sein, aber mehr Individuelles dürfte dann schon rein, um mich unterhalten zu können, um was in mir zum Schwingen zu bringen.

Im Ort hielten ihn alle für einen muslimischen Türken, tatsächlich aber stammte er aus einem kleinen Bergdorf im Irak und war ein kurdischer Christ.
Gut fand ich die ganze Passage über Ahmet Cevioglu. Da steckt auch eine Menge an Aussage drin.

»Auslander rauss aus Deutschland«
Das ist schon sehr plakativ, gefährlich auch, denn es könnte der Eindruck entstehen, Ausländerfeindlichkeit ginge nur von Ungebildeten aus. Leider ist dem nicht so.
Aber wie gesagt, als Kindergeschichte könnte auch das funktionieren. Kann mir richtig vorstellen, wie da so ein kleiner Naseweis darüber stolpert und energisch auf die Rechtschreibung hinweist :).

... und regte sich als gute Deutsche über den Schriftzug auf der Schaufensterscheibe sehr auf.
Das Fette würde ich unbedingt streichen - du meinst das ja nicht ironisch, oder?
Diese Einteilung in gute und schlechte Deutsche finde ich heikel und falsch. Letztendlich grenzt man damit auch aus, was eine unschöne/ungewollte Reaktion provozieren kann.
Zudem: andere Zeiten, anderer Rahmen, und die Bedeutung, was ein guter oder schlechter Deutscher ist, kehrt sich ganz schnell um.
Lass doch den Leser selbst entscheiden.


Wie oben bereits erwähnt, als Kindergeschichte könnte dein Text mMn gut funktionieren, wenn du also einen Tag hinzufügen würdest ...
Für eine Erwachsenengeschichte (auch für ein modernes Märchen) müsste etwas Originelles, Individuelles mit rein, finde ich.

So viel mal von mir; vielleicht kannst du ja was damit anfangen.


Danke fürs Hochladen


hell

 

Hallo hell,

danke für Deine Kritik. Die Geschichte ist für Senioren geschrieben, könnte aber genauso bei Kindern gut ankommen. Gut, dass du die Stelle am Anfang informativ fandest - das hat mich darin bestärkt, die ganze Geschichte auszubauen und ihr mehr Tiefe zu geben.

Liebe Grüße

Jobär

 
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Hey jobär,

(Edit: habe vorher nicht alle Kommentare der anderen - deswegen gibt es ein paar Dopplungen, glaube ich)

da ich deine Schreibe noch nicht wirklich kenne, habe ich am Anfang gerätselt, was für einen Text ich da vor mir habe. Einerseits gut geschrieben, andererseits so komplett überzeichnet - fast schon ins Karrikaturenhafte. Dann die Erkenntnis: Eine Parabel!

Es geht, so habe ich es verstanden, um Nationales auch im Sinne nationaler Besitzzuschreibungen, die blind das Fremde im Eigenen ausgrenzen. Xenophobie also, bei der das Fremde dem Angserfüllten eigentlich schon einverleibt ist - hier in Form materieller und bisweilen kultureller Assimiliation. Für das Fremde stehen hier plakativ (das ist in diesem Fall nicht negativ gemeint, weil es sich ja nunmal um eine Parabel handelt, die mit ihrem lehrstückhaften Wesen vereinfacht) Bananen, Motoröl und die Jungfrau Maria.

Der Text funktioniert für mich, auch wenn du meinen Geschmack damit nicht ganz triffst (was dir ja nichts ausmachen muss). Das liegt vor allem daran, dass ich den Eindruck eines religiösen Textes bekomme, da hier wie selbstverständlich und ohne sichtbare ironische Markierung Weihnachten als "Heilige Nacht" paraphrasiert wird, weil die Anfeindung des vermeintlich islamischen Türken durch seine wahre Identität als Christen in Frage gestellt wird (er hätte ja auch Atheist sein können) - es gäbe noch weitere Punkte zu nennen. Das alles finde ich persönlich überhaupt nicht schlimm. Es gibt mir nur das Gefühl: Ahh, dass hier ist ein Text, der eventuell religiöse, vielleicht christliche Züge trägt.

Die Idee, wie bereits angedeutet, finde ich ansonsten cool. Da verschwindet einfach mal alles von der Bildfläche, was man an so vielen Tagen ganz unbekümmert konsumiert und nutzt und mir als Leser wird klar, natürlich, dass gehört alles nicht wirklich zum "National-Deutschland" per definitionem. "Ausländer raus heißt die Forderung zu Anfang" und die Antwort ist: "Wem gehört denn die Erde", wem gehört denn dieses Deutschland, von dem ihr da redet und schreibt. Es gehört dem Boden östlich des Mittelmeers. Der Erde der gewaltigen Landmassen jenseits dessen, was wir Europa nennen.

Schöner Gedanke Jobär und konzise auf den Punkt gebracht. Hier noch kleinere Anmerkungen:


Ilona Maier

dieser Vorname hat seinen Ursprung nicht wirklich in dem, was hier für "Deutschland" steht. Ist das beabsichtigt?


regte sich als gute Deutsche über den Schriftzug auf der Schaufensterscheibe sehr auf

Das Wörtchen "gute" kannst du natürlich so schreiben. Ich fand es etwas schwierig. War mir ein bisschen zu viel Wertung oder auch einfach zu viel "tell". Wenn etwas "gut" ist, dann will ich das als Leser selbst einschätzen dürfen.

die gerade in die Tür gekommen war

hört sich irgendwie komisch an: "in die Tür kommen". "In den Laden" vielleicht?

„Und wie ist es mit Bananen?“

hahah, musste an meine Großtante denken. Ich: "Ich bin Vegetarier, ich esse leider kein Fleisch ...", Sie: " isst du nicht einmal ‚Aufschnitt'?!" - Ähnliche Situation

Haben Sie alles ausverkauft?

kann man "ausverkauft" so verwenden? Ich hätte "haben Sie alles schon verkauft" oder dergleichen geschrieben.

„Wir bekommen die Äpfel von einem Biobauern aus Frankreich, aber bisher haben wir keine neue Lieferung erhalten und die Äpfel von letzter Woche sind anscheinend alle verkauft worden.“

Wasn das fürn krasser Obst- und Gemüsemarkt?


die die junge Greta Wilkens - auch ihre Mutter hieß Greta -

wofür ist diese Info wichtig? Traditionsbildung? Wenn du nen Vergleich zu "orientalischer" Namensgebung machen willst. Also Namen der Großeltern, die sich dann in anderen Generationen wiederholen, würde ich das eindeutig markieren - also mindestens noch ein Nebensatz. Heiner Müller hat auch immer so ganz tolle Anspielungen, aber selbst dieser alte Meisterverschwurbler gönnt seinem Publikum, eindeutigere Hinweise.


Ich hab‘ neulich gelesen, dass die Industrie Naturkautschuk verwendet und der kommt auch aus dem Ausland.

nicht gewusst :o

Neben der Krippe stand ein Jugendlicher und malte mit seinem Filzer ein Fragezeichen auf das Spruchband.
„Sie können doch nicht einfach ...“, begann Frau Weber, als neben ihr die sanfte Stimme des Pfarrers erklang: „Wem gehört denn die Erde?“

toll gesetzt.

Schöne Story, Jobär. Auch wenn die Form nicht ganz die meine ist (Parabel und so) habe ich gerne gelesen.

Liebe Grüße
CarloZwo

 

Hallo jobär

Ich finds schwierig, die Geschichte zu beurteilen. Ich hab die Vorlage gelesen, die du verlinkt hast - und ich finde, hier wird einfach zwei Mal dasselbe erzählt. Nachdem ich die Vorlage gelesen habe, hat mir dein Text keinen neuen Aspekt auf das Thema gezeigt. Jemand sprüht "Ausländer raus" an eine Wand, und daraufhin verschwinden nicht nur die ausländischen Menschen, sondern auch Waren, die aus dem Ausland bezogen werden ... oder zumindest ihre Ursprünge im Ausland haben, ein Bäcker importiert seine Croissants schließlich nicht aus Frankreich.

Ich kann dir da auch leider wenig Konstruktives sagen, es ist schwierig für mich, an einen solchen Text ranzugehen. Die Aussage macht einem bewusst, wie sehr unsere Kultur und unser Alltag von ausländischen Einflüssen durchzogen ist - ok. Aber du entschließt dich ja auch, ähnlich wie die Vorlage, für ein distanziertes Erzählen, wie es eben für Parabeln oder Märchen typisch ist. Es gibt hier keine Figurenentwicklung oder einen Spannungsbogen im herkömmlichen Sinn, auch keine sprachlichen oder handwerklichen Eigenheiten. Das meine ich übrigens gar nicht negativ, aber entsprechend wenig Anhaltspunkte sehe ich halt auch für eine echte Textkritik. Das ist für ein Weihnachtsmärchen auch absolut in Ordnung, es liest sich auch flüssig und bis auf ein oder zwei Fehler ist mir da auch nichts aufgefallen. Also ich denke, innerhalb dessen, was du mit diesem Text bezwecken wolltest, ist dir das gut gelungen.

Aber wie gesagt - wenn du dir schon den verlinkten Text als Vorlage aussuchst, hätte ich mir einfach gewünscht, dass du mehr davon abweichst. Du schreibst ja selbst, das Thema ist ausgequetscht, warum hast du nicht versucht, da mehr Individuelles reinzubringen?

Grüsse,
Schwups

 

Hallo Schwups

Ich habe den Text jetzt erweitert und einige Fragen, die sich auch mir gestellt haben, zugefügt. Vielleicht ist er jetzt eigenständiger gegenüber der "Vorlage".

Liebe Grüße

Jobär

 

„…
O daß mein Sinn ein Abgrund wär’
und meine Seel’ ein weites Meer,
daß ich dich möchte fassen.“
Paul Gerhardt: Ich steh' an deiner Krippe hier​

Beim Ausverkauf sahen die Regale dort ebenso leer aus. Wollte Herr Cevioglu seinen Laden etwa schließen? Aber er wurde doch gebraucht. Es gab sonst nur noch den Supermarkt.
Für einen winzigen Augenblick leuchtet hier eine andere Gefahr für den kleinen Einzelhändler mit oder ohne fremdländische Wurzeln auf, die das Marktgebaren als den Fischteich aufzeigt, in dem große Fische die kleineren fressen.

Nun kommt der auch noch,

lieber jobär,

dem Deine kleine Geschichte durchaus gefällt. Aber denken wir die Geschichte noch weiter, bis zurück in Aberglaube, Mythos und Historik: „Io“, Tochter eines griechischen Flussgottes, war Priesterin der Hera. Zeus, lockerer Geselle & Hallodri, der er war, nahm die Priesterin zur Geliebten, was wiederum Eifersucht bei der olympischen Chefin erregte. Die Priesterin floh vor dem Hausdrachen nach Ägypten.

Nach griechischer Auffassung wurde Io dort als „Isis“ verehrt. Die personifizierte den Thron Ägyptens – was schon die historischen Verdrehungen offenbart - Isis wird also einiges älter sein, als die Hellenen mit Io sich träumen ließen.

Als Gemahl des Osiris wurde sie Mutter des Horus.

Was das soll?, fragt sich der geneigte Leser; nun: Mit dem Horuskind wird sie in wenigen Tagen mit der Wintersonnenwende gefeiert, da die Tage nun wieder um je einen Hahnenschrei länger werden (man beachte die Nähe zur Ostergeschichte und der Leugnung Petrys) - hierzulande in jedem ordentlichen Wohnzimmer auftauchen, auf oder bei jedem Altar stehen und in Krippenspielen verherrlicht. Mit dem Horuskind ist sie Vorbild für Madonnendarstellungen, heißt nun nicht mehr Isis oder Io, sondern „Miriam/Maria“, Horus „Jesus/Jeshua“.

Die christliche Ikonographie müsste jedem ordentlichen Rassisten/Antisemiten den Puls höher treiben, denn schon kurz nach der Zeitenwende brachten römische Eroberer in ihrem Gepäck auch den Mithraskult an den Rhein und wir gedenken heute noch, wenn auch verschwiegen und mit dem Horuskult verwoben, der persischen Erlösungsgottheit, welche die Finsternis überwindet (und zudem auf dem indischen Subkontinent Vertrag und Recht gehütet hat).

Die zusammengewachsenen und verschmolzenen Mythen, wenn auch bis zur Unkenntlichkeit demaskiert. Die verschwundenen Krippenfiguren machen nur einen Teil der Katstrophe aus. Denn die bedeutet doch in der Konsequenz der Geschichte, dass es 2016 kein Weihnacht geben wird.

Paar Flusen,

wie hier die „zwei“

Schon [zwei] Minuten nachdem sie aufgeschlossen hatte, kam die Nachbarin Anneliese Weber: „Hallo Frau Maier Ich hätte gerne zwei Kilo Apfelsinen.“

„Letzte Woche hatten Sie hier Renette-Äpfel, die haben mir sehr gut geschmeckt, aber jetzt sehe ich sie nicht. Haben Sie alles ausverkauft?“[,] fragte Helmut Müller, …
Auch wenn sie ihn von innen nicht lesen konnten, wussten alle, was auf der Scheibe stand[,] und einige begannen sich zu fragen, ob ...
„Schokolade enthält Kakao und Kakaobohnen wachsen ebenso wenig in Deutschland wie Kaffeebohnen[.]“

Und das Ende
Dann träumte sie von einem riesigen in dunkle Flammen gekleideten Engel, der auf dem Marktplatz stand und rief: „Fürchtet euch.“
erinnert mich an den „Engel der Geschichte“ bei Walter Benjamin.

Gern gelesen vom

Friedel

 

Hallo Carlo Zwei

ich habe die Geschichte inzwischen erweitert und so gibt es jetzt nicht nur den christlichen Bezug, sondern auch eine andere Idee, mit dem Problem umzugehen. Die angemerkten Fehler habe ich berichtigt. Danke fürs Lesen und Korrigieren.

Hallo Friedrichard

Die Fehler habe ich hoffentlich berichtigt. Ansonsten: Es war schon ein schlauer Mensch, der Mariä Empfängnis auf den 25. März setzte, so dass die Geburt des Lichts in die Zeit der Wintersonnenwende fiel. In der Adaption anderer Kulte waren christliche Missionare sehr gut - oder sie gingen unter. Demächst werde ich auch meine Weihnachtsfrau hier reinsetzen, da geht es um unterschiedliche Weihnachtsbräuche, die ja oft ganz unchristliche Wurzeln haben. Aber genug der Abweichung. Vielen Dank für deinen Kommentar und dein Lob.

Liebe Grüße

Jobär

 

Es war schon ein schlauer Mensch, der Mariä Empfängnis auf den 25. März setzte, so dass die Geburt des Lichts in die Zeit der Wintersonnenwende fiel.

Ich noch mal, ganz kurz nur,

lieber jobär,

im Zweistromland und Ägypten wusste man schon früh, einen funktionierenden Kalender für die Landwirtschaft anzuwenden. Da sind die Tage der Tag-und-Nacht-Gleiche wie der 21. März und September, Frühlings- bzw. Herbstanfang so wichtig wie die Sonnenwenden.

Tschüss und schönen Abend noch,

Friedel

 

Hallo jobär

Ich finde die Geschichte ist sehr solide verfasst und erzählt, du hast den Ton solcher Geschichten gut getroffen. Ich zähle mich nicht zum Zielpublikum, mir ist es zu moralisch, zu eindeutig, zu erklärend, gewissermassen doppelt erklärt, zunächst im Supermarkt und dann noch in der Kirche.

Ich habe aber versucht, den Text unabhängig von diesen meinen Vorlieben zu lesen und würde dir raten, die Passage von den Tomaten bis zur Schokolade etwas zu kürzen. Für mich - und ich habe mir vorgestellt, die Geschichte als Kind erzählt zu bekommen - waren das zuviele Aufzählungen und Beispiele, ich glaube, das hätte mich zu langweilen begonnen, und ich hätte gesagt, ja, es hat keine Lebensmittel aus dem Ausland, ich hab's kapiert. Was geschieht jetzt? Also, du brauchst da schon ein wenig Zeit, um diese Frage ("und jetzt?") und damit Spannung aufzubauen, aber mir war das zu lang. Ich hoffe, du kannst damit etwas anfangen.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Lieber jobär

Ein Lehrstück, wie man einfachen Gemütern Globalisierung erklären kann? Ich sehe deine Senioren und Kindergruppen vor dir, wie sie zustimmend nicken, wenn ihnen Zusammenhänge aufgehen.

Wenn's doch nur so einfach wäre! Es ist gut, dass da noch ein Hauch Satire mitschwingt, für die, die nicht an die ganz einfachen Lösungen glauben.

Du hast nun mal eine pädagogische Ader, da verstehe ich gut, dass du dir die Vorlage angeeignet hast. An Aktualität ist sie ja ohnehin nicht zu übertreffen, man sollte sie vielleicht dem neuen Präsidenten der USA senden:lol:

Der Aufbau ist stringend, das Publikum (vor allem Kinder) könnten sogar dazu animiert werden, selber die Story weiterzuspinnen. Du gibst ihnen einfach Stichworte: Bäckerei, Supermarkt, Tankstelle, nicht zu vergessen Pflegepersonal und Fußballspieler und Kinobesitzer.

Gerne gelesen.
Herzlichen Gruß
wieselmaus

 

Hallo Peeperkorn,

da ist wohl irgendein Vollständigkeitswahn mit mir durchgegangen. Ich habe jetzt einige Wucherungen entfernt und hoffe, es liest sich besser.

Liebe wieselmaus

Danke für deine Kritik. Beim Vorlesen ist die Geschichte auf Anklang gestoßen.

Liebe Grüße

Jobär

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo jobär,

leider komme ich erst jetzt dazu, deine Geschichte zu lesen und auch einen kleinen Kommentar zu schreiben.

Mir ist aber dann gleich aufgefallen, wie gut ich das Thema fand - heuer haben's Geschichten, die sich entschieden gegen Xenophobie richten, nicht immer leicht. (Das habe ich selbst einmal mit einer anderen Geschichte in einem anderem Forum erfahren. Hier ist die Geschichte sachlich und vor allem literarisch kommentiert worden, das hat mich total gefreut).

Auch die Idee finde ich witzig - das große Erstaunen deiner Protagonisten, wie komplex die Welt zusammenhängt und wie wenig dafür einfache Erklärungen taugen.
Auch deinen etwas lakonischen Stil finde ich im Zusammenhang mit der Geschichte eigentlich passend, er bildet einen schönen Gegensatz zu den abstrusen Dingen, die in dem Laden passieren.

ich schreibe ohne große Emotionen, weil ich einfach nicht weiß, wie ichs machen soll und mich vorm Abrutschen in den Kitchsumpf fürchte.

Wenn man das denn will, lassen sich Emotionen - für mich - immer ganz gut über Körpersprache transportieren - er kratzte sich an der Nase, zog die Augenbrauen hoch, riss die Augen auf usw.

Aber wie gesagt, ein trockener Ton passt meiner Meinung immer gut zu ungewöhnlichen Vorkommnissen.

Um das Anliegen des Textes vielleicht etwas subtiler zu machen und den erhobenen Zeigefinger etwas abzubiegen, würde ich eventuell am Anfang etwas weniger dick auftragen:

Ausgerechnet in der Heiligen Nacht

"Ausgerechnet" weglassen

Ahmet Cevioglu betrieben wurde. Im Ort hielten ihn alle für einen muslimischen Türken, tatsächlich aber stammte er aus einem kleinen Bergdorf im Irak und war ein kurdischer Christ. Seine Großeltern waren aus Armenien eingewandert.

Die Idee ist schön, die Vielfalt der Glaubensrichtung und Ethnien des Nahen Ostens zu beschreiben, aber es wird hier doch schon ziemlich unrealistisch: Der Name ist türkisch; Araber und Kurden aus dem Irak gibt es zwar durchaus auch in der Türkei, man erkennt sie aber meist an ihren arabischen Nachnamen. Kurden definieren sich in der Regel selbst als Kurden, die christliche Minderheit in der Türkei bilden die Armenier, die aber ebenfalls armenische Namen tragen (außer, sie haben türkische Namen angenommen, um dem Völkermord im 20. Jahrhundert zu entgehen, dann sind sie allerdings meist auch zum Islam konvertiert).

Hier wird der Leser gleich zu Beginn mit Einzelheiten konfrontiert, die ziemlich verwirrend sind und eigentlich auch keine Rolle spielen. Für deine Geschichte wäre z. B. ein christlicher Armenier aus der Türkei vielleicht ausreichend?

Du lässt dann die Handlung schön eskalieren (Warum regt sich Ilona Maier eigentlich als "gute Deutsche" auf? Über solche Schmierereien kann man sich allgemein als denkender Mensch aufregen),


Auch dies konnte Helmut Mittelmann erklären: „Schokolade enthält Kakao und Kakaobohnen wachsen ebenso wenig in Deutschland wie Kaffeebohnen:“

löst aber hier quasi schon auf - ich hätte es noch ein wenig ziehen lassen, erst zum Ende hin eine Erklärung geliefert oder eben gar keine Erklärung geliefert.

Auch die fehlenden Menschen hinterlassen keine Lücke im Gesamtgeschehen (natürlich hinterlässt jeder Mensch ein riesige Lücke, aber ich meine, auf die Handlung bezogen). Sie sind weg, aber das hat keine Konsequenzen. Die Fernsehtechniker kommen da fast zu spät, sind nicht Teil einer Handlungskette, keines Dominoprinzips ...
Dabei könnten doch in einer so kleinen Stadt herrlich bekloppte Dinge passieren, wenn plötzlich irgendwelche Funktionsträger verschwinden ... der Pastor beispielsweise - dann gäbe es keine sanfte Stimme und die Leute müssten selber denken. Frei nach Dario Fo: Im Gelächter liegt der höchste Ausdruck des Zweifels.

Aber da geht jetzt meine Fantasie mit mir durch ... auf jeden Fall also sehr anregend, deine Geschichte. Vielen Dank dafür!

Viele Grüße

Willi

 

Hallo Willi,

da hast du mich erwischt. Der Name ist natürlich falsch. Ich habe ihn ersetzt und gehe mal davon aus, dass die Einheimischen ohnehin nur die Fremdartigkeit eines Namens sehen. Ich unterrichte momentan mehrere Syrerinnen, einen Kurden und eine Türkin. Sie verstehen sich nicht, aber von den Namen her könnte ich auch nicht sagen, wer woher kommt.

Dass die "Auflösung" so früh kommt, liegt auch dran, dass es mir eher nicht um den Effekt des Verschwindens geht - da ließe sich tatsächlich non viel mehr erzählen - sondern auch um die Frage: Verkriechen oder was tun? Und was kann man tun? Nach der Merkelmethode verkünden "Ausländer willkommen"? Reicht das?
Die Gefahr, dass in einer von Populisten regierten Welt ausländische Waren und Menschen bald seltener werden, ist ja zunehmend real. Also: Was tun?

Danke für deinen Kommentar und liebe Grüße

Jobär

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey jobär,

wenn auch ich nicht unbedingt zur Zielgruppe moralischer Geschichten gehöre, so habe ich dein Märchen trotz allem gern gelesen. Vor allem, wegen dem "seltsamen" Element, dass da einfach so alles verschwindet. Das ist eine wirklich hübsche Idee.

Die Umsetzung fand ich nicht so ganz gelungen, ich weiß, Du neigst oft und gern zum Übererklären, so auch hier. Dann all die Namen, was soll ich damit, dass verwirrt mich, wer ist jetzt noch mal wer? Der Bäcker, der Lehrer, die Nachbarin - das hätte völlig genügt, denn zu Lehrer/Bäcker/Nachbar hab ich eine Beziehung, zu all den Namen nicht. Mich also im Text zu orientieren wäre ohne das Namendroping viel einfacher, gerade auch, weil Kinder und Senioren zu deinen Zuhörern gehören. Aber der Reihe nach:

Nach Weihnachten stand seine Angestellte (Ilona Maier) alleine im Laden und ...

Schon 2 Minuten nachdem sie aufgeschlossen hatte, kam die (Nachbarin Anneliese Weber)/erste Kundin:
„(Hallo Frau Maier) Ich hätte gerne zwei Kilo Apfelsinen.“
„(Guten Tag, Frau Weber,) es tut mir Leid, aber Apfelsinen haben wir heute nicht.“

Zahlen bis zwölf schreibt man aus ;).

„Wir haben leider auch keine Mandarinen, (Frau Weber,) genauer gesagt, haben wir gar keine Südfrüchte.“

Und so weiter mit den Namen. Schau mal, wie Du die wieder rausbekommst ;).

Ratlos gingen die beiden Kundinnen zwischen den Obstkisten, (die auf der einen Seite des Ladens standen,) herum und stellten (zunächst) fest, dass zwischen den Kisten sehr viel mehr Platz war als noch vor Weihnachten.
Streichpotential

„Letzte Woche hatten Sie hier Renette-Äpfel, die haben mir sehr gut geschmeckt, aber jetzt sehe ich sie nicht. Haben Sie alles ausverkauft?“KOMMA fragte (Helmut Müller,) ein älterer (alleinstehender) Herr, der die ausgestellten Äpfel begutachtete.

Frau Maier zuckte mit den Achseln: „Wir bekommen die Äpfel von einem Biobauern aus Frankreich, (aber bisher haben wir keine neue Lieferung erhalten und die Äpfel von letzter Woche sind anscheinend alle verkauft worden).“

Die Angestellte zuckte mit den Achseln: „Wir bekommen die Äpfel von einem Biobauern aus Frankreich. Heute kam noch keine einzige Lieferung, und was wir hatten, ist ausverkauft.

Wenn Du so Märchen schreibst - kurze Sätze die wirklich nur das erzählen, was erzählt werden muss. Ganz wichtiges Merkmal, wenn man diesen Ton hinbekommen will. Wenn Du dich mal mit Märchen beschäftigt, versuch mal nur einen Halbsatz zu streichen. Wirst sehen, das ist kaum möglich. Die sind super verdichtet. Das täte deiner Geschichte aus meiner Sicht auch gut. Es geht hier ja nicht um Atmosphäre und Charakterisierung. Geht es in keinem Märchen.

(Karsten, der Sohn von Frau Schneider,)/Ein Junge kam in den Laden gestürmt: „Mama braucht ein Päckchen Zuckererbsen.“
Frau Maier suchte einen Moment und meinte dann: „(Tja Karsten,) Ich kann dir nur tiefgekühlte junge Erbsen aus deutscher Ernte anbieten.“

Inzwischen waren (immer mehr)/weitere Kunden gekommen und kauften auch manches ein. Rotkohl und Grünkohl, Zwiebeln und Möhren waren ausreichend vorhanden. Bei Schalotten musste die Verkäuferin aber wieder passen, ebenso bei den Bundmöhren und den Flaschentomaten, (die die junge Greta Wilkens - auch ihre Mutter hieß Greta - unbedingt haben wollte.) Genau genommen gab es gar keine Tomaten, (aber das war bisher der Kundschaft noch nicht aufgefallen. Immer häufiger hieß es „Haben wir momentan leider nicht da.“)

Das fehlende Tomaten noch nicht aufgefallen sind, mag ich bezweifeln. Es ist das meistverkaufte aus den Ost-und Gemüseabteilungen in Deutschland. Alles in Klammern kann echt weg.

(Frau Weber, die weiter durch die Regalreihe wanderte,)/Ein der Kundinnen bekam ein mulmiges Gefühl. Irgendetwas stimmte hier nicht. Die Regale erinnerten sie an einen anderen Laden, der aufgegeben worden war. (Beim Ausverkauf sahen die Regale dort ebenso leer aus.) Wollte Herr Cevioglu seinen Laden etwa schließen? (Aber er wurde doch gebraucht. Es gab sonst nur noch den Supermarkt.)

Kürzungspotential

(Während Frau Weber noch ratlos grübelte, kam) der junge Lehrer (Helmut Mittelmann in den Laden. Er) wollte ( sich) ein wenig Obst und Nüsse für sein Müsli (holen) und als er (dann) nur zwischen drei Sorten Winteräpfeln wählen konnte, fand er die Erklärung:
„Es gibt hier nur noch Obst und Gemüse aus Deutschland. Und deshalb gibt es auch nur ein paar mickrige Walnüsse. (Die meisten Nüsse kommen ja auch aus anderen Ländern.)“

Lies mal ohne das in Klammern. Vermisst Du irgendwas? Doppelinfo - Namen usw. könnten raus.

Er hatte seine Erkenntnis so laut herausposaunt, dass jeder im Laden sie deutlich hören konnte. Und alle Augen (drehten sich und) starrten auf den Schriftzug an der Schaufensterscheibe.

Wie drehen sich denn Augen? Köpfe ja, aber Augen? Könnte man aber auch ganz lassen, das Drehen ...

usw. usw.

Den Fernsehmonteur fand ich auch völlig überflüssig, der kommt viel zu spät. Und warum stehen sie am Supermarkt an, wenn es ohnehin nichts mehr gibt? Steht doch keiner für nix an. Logikfehler. Und warum muss der Lehrer mit einem Freund die Scheibe putzen, warum jetzt noch eine Figur, warum nicht die Tageskunden in gemeinsamer Aktion, dass ist doch viel schöner. Vor allem würde es auch zeigen, dass man sich als Gemeinschaft gegen den Hass stellen muss. Das der Obsthändler samt Gemeinschaft ebenfalls verschwindet ist hübsch, auch das die eine Frau zum Pfarrer läuft. Scheibe putzen und dann gemeinschaftliches Hoffen auf den nächsten Tag - das wäre für mich ein schönes Ende gewesen. Es wäre dann auch alles rund, weil Anfang und Beginn sich schließen.

So, war jetzt viel. Nimm was Du magst, aber hau wirklich all die Namen raus. Die braucht kein Mensch, sie nutzen Null, nicht mal der Orientierung. Statt dessen verwirren sie nur. Im Märchen haben nicht mal die Könige und Königinnen Namen, nicht mal der Prinz! Bring bisschen mehr stilistischen Märchencharme rein, da würde der Text wirklich gewinnen.

Aber die Idee finde ich immer noch hübsch. Sehr hübsch sogar. Habe ich gern gelesen.

Lieben Gruß, Fliege

 

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