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Unter einer weißen Schicht

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21.04.2014
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Unter einer weißen Schicht

Daran, wie Marah an ihrer Bluse zupfte, die Ledertasche durchwühlte und sich dabei Haarsträhnen aus der Stirn blies, erkannte Roland, dass es in ihr brodelte. Wieder mal.
»Ich bin spät dran«, sagte sie.
Er zog die Pyjamahose höher und schlurfte Richtung Küche. »Willst du Kaffee?«
Sie blickte auf die Uhr. »Machst du mir einen?«
»Klar.«
Marah öffnete den Kühlschrank. Er schlang die Arme um ihre Hüften, küsste ihren Nacken und legte das Kinn auf ihre Schulter. Sie roch nach Make-up. Er liebte das.
»Guten Morgen.«
»Morgen.« Ihre Hände ruhten einen Moment auf seinen, bevor sie sich aus der Umarmung befreite und die Tür schloss. »War's das?«
»Was denn?«, fragte er.
Marah schnaubte. »Wir haben uns gestern Nacht unterhalten. Vergessen?«
»Nein, hab ich nicht.« Roland drückte die Taste am Kaffeeautomaten. »Und was willst du hören? Ist ja nicht so, dass wir noch nie darüber gesprochen hätten.«
Sie blies sich erneut Haare aus dem Gesicht und wartete, bis die Tasse voll war. »Es wäre eben schön, wenn du mal konkret werden könntest. Wir sind bald fünf Jahre zusammen!«
»Ja, na und? Läuft das jetzt nach Zeitplan ab, wann man Kinder haben muss, oder wie?«
»Natürlich nicht. Aber fünf Jahre! Du schiebst die Entscheidung raus, bis es vielleicht zu spät ist. Ich hab' einfach Angst, morgens aufzuwachen und zu bereuen, dass ich keine mehr kriegen kann.«
»Oh, übertreib' nicht wieder. Du bist gerade mal vierunddreißig!«
»Meine Schwester hat schon ihr zweites mit vierunddreißig bekommen!«
»Deine Schwester ... Willst du nur Kinder, weil sie welche hat?«
»Nein, Roland.« Ihre Züge wurden weich. »Weil ich eine Familie mit dir gründen möchte.«
»Marah ...«
Sie hielt die Tasse fest umklammert.
»Gib mir noch etwas Zeit, okay?«
»Klar.« Blick zur Uhr, Strähnen aus der Stirn. »Wie du meinst.«
Sie machte auf dem Absatz kehrt und schlug die Tür hinter sich zu.

Roland schloss die Schreibtischschublade auf und kramte Zigaretten heraus. Er trat auf den Balkon und atmete tief durch. Es roch nach frisch geschnittenem Gras. Die Nachbarn kümmerten sich um den ersten Rasenschnitt, als ob sie den Frühling herbeimähen könnten.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite strich ein Mann in Arbeitskleidung die Friedhofsmauer an. Wer bist du?, stand darauf. Irgendwann hatte jemand das Wer durchgestrichen und ein Wo darunter gesprüht. Es war Roland zum Ritual geworden, den Satz auf sich wirken zu lassen und heimlich zu rauchen. Marah würde nicht gutheißen, dass er wieder angefangen hatte.
Die Farbrolle sauste runter und das Fragezeichen verschwand unter einer weißen Schicht. Er ärgerte sich über den Anstreicher.

Roland war nicht zu seinen Eltern gefahren, wie er Marah erzählt hatte. Er saß stattdessen hier im Wagen und starrte auf das Reihenhaus mit den Glasbausteinen neben der Eingangstür. Wie ein Spanner kam er sich vor.
Regentropfen auf der Windschutzscheibe brachen das Licht. Roland wollte eben den Scheibenwischer in Gang setzen, als Andrea Nolting aus dem Haus trat. Kein Zweifel, dass es sich um sie handelte, trotz der eingeschränkten Sicht. Sie hielt die Kapuze des Friesennerzes vorne fest und lief – an einer Haltestelle vorbei – Richtung Bäckerei; eine Querstraße weiter. Er steckte sich eine an, betätigte den Fensterheber und blies Rauch nach draußen. Es goss in Strömen.
Andrea betrat den Laden. Kurze Zeit später tauchte sie mit einer blauen Papiertüte wieder auf.
Irgendwo hupte es, sie drehte den Kopf und bemerkte die Leute nicht, die zur Haltestelle jagten. Sie wich einer Frau mit vorgestrecktem Schirm aus, kam ins Straucheln und stolperte auf die Fahrbahn. Der Fahrer stieg in die Eisen und das tonnenschwere Fahrzeug rutschte unbarmherzig auf Andrea zu. Im allerletzten Moment sprang sie nach vorn, stürzte bäuchlings auf die Straße und hatte Glück, dass kein entgegenfahrendes Auto unterwegs war.
Roland riss die Tür auf und spurtete los.
»Alles in Ordnung?«, fragte er. Sein Herz raste, er ging in die Hocke und legte die Hand auf ihren Rücken.
»Was ist ...?«
»Geht es Ihnen gut?«
»Ich denke schon.« Sie drehte sich zur Seite und begutachtete ihre Hände. Die Haut war stark gerötet, schien jedoch unversehrt. Dafür klaffte eine Wunde auf der Stirn. Die Jeans war in Höhe der Knie zerrissen, Andrea troff vor Nässe und Schmutz.
»Kommen Sie, versuchen Sie mal, aufzustehen.« Roland griff mit der Linken unter ihren Arm und reichte ihr die Rechte.
»Danke.« Sie ließ sich aufhelfen.
Der Bus fuhr an und quetschte die Brötchen zu Brei. Der Fahrer maulte und fuchtelte wie wild mit den Armen, während die Fahrgäste maskenhaft aus beschlagenen Fenstern glotzten.
»Scheiße«, sagte Andrea und schaute auf die Überreste der zermanschten Papiertüte.
»Wissen Sie was, ich kaufe Ihnen neue, in Ordnung?«
»Oh, mir ist der Hunger vergangen.«
»Ja, das glaube ich.« Er begleitete sie zur überdachten Haltestelle. »Ziemliche Schramme auf ihrer Stirn.« Er zeigte auf die Schürfung.
Andrea tastete danach, Roland hielt sie davon ab. »Nicht anfassen! Das muss desinfiziert werden.«
»Ja, gut. Ich wohne gleich da drüben.«
Roland musterte das Haus, als nehme er es zum ersten Mal wahr. Er schlug den Kragen hoch. »Na dann los.«
Wenig später schloss sie auf und drehte sich zu ihm um. »Hören Sie, vielen Dank für alles!«
Er sah das Mädchen in der fünfzigjährigen Frau. Nur für einen Augenblick. Neugierde funkelte in ihren großen Augen, die Mundwinkel kräuselten sich, als sie lächelte.
»Keine Ursache«, sagte er.
»Ich sollte mich umziehen.« Sie rieb sich über die durchnässte Hose und bemerkte erst jetzt, dass sie zerrissen war.
»Natürlich. Ist wirklich alles in Ordnung?«
»Ja, danke.« Sie zögerte, streckte ihm die Hand entgegen. »Sie sind ganz nass geworden.«
»Das macht doch nichts«, sagte er.
»Ich heiße übrigens Nolting. Andrea.«
»Roland Lierhaus«, sagte er. »Freut mich.«
»Ja, mich auch und Danke noch mal«.
Sie verschwand im Haus, Roland kaufte Brötchen. Er stellte sie ihr vor die Tür, klingelte, rannte zu seinem Wagen, so, wie er damals als Junge davon gerannt war, wenn er einen Streich gespielt hatte. Er schaute durchs Fenster zurück. Sie öffnete, sah sich um und griff nach der Tüte. Rolands Beine begannen zu zittern.

Marah trug vorsichtig die Sperrholzplatte mit dem unfertigen Puzzle darauf zum Esszimmertisch. Der Rahmen des Jan-van-Goyen-Bildes war bereits fertig ausgelegt, verschob sich beim Tragen jedoch ein wenig.
»Scheiße«, zischte sie und rückte alles wieder gerade.
»Na, wie weit bist du?«, fragte Roland und nahm neben ihr Platz.
»Na ja, geht so.«
Er starrte auf die losen Puzzleteile, wühlte herum, schnappte sich eines und setzte es zielstrebig am vorgesehenen Ort ein. Die Wolke war ein Stückchen über die befahrene See gewachsen.
»Wow!« Marah sah ihn sichtlich überrascht an. »Nicht schlecht!«
»Siehste mal.« Er lächelte. »Und du sagst immer, mir fehlt die Geduld für so was.«
»Okay, dann hilf mir ein bisschen. Hast du Lust?«

Sie kamen gut voran, mit dem Spiel und dem Wein, den sie tranken.
»Marah, ich möchte mit dir alt werden.« Er hatte ihre Hand gepackt und sah sie an.
»Also ich bin froh, dass wir's noch nicht sind«, sagte sie. »Andererseits, wenn ich mir deine grauen Schläfen ansehe ...«
»Ich meine das so.«
»Wirst du jetzt gefühlsduselig, oder was?«
»Nein.«
Sie sah wohl etwas an ihm. »Ich wünsche mir das genauso.«
»Und ich will Kinder mit dir. Und Enkelkinder, mit denen du puzzeln kannst und mit denen ich ins Stadion gehe.«
»Das ist schön.« Marahs Augen wurden feucht.
»Ich weiß nur nicht, ob ich das bringe. Ob ich gut genug bin. Keine Ahnung, vielleicht versau ich's ja und du hasst mich dafür und die Kinder hassen mich und ich mich selbst am meisten.«
»Roland, ich glaube, die Frage könnte sich jeder stellen.«
»Ja, mag sein ... Ach, ich weiß nicht.«
»Wir werden das hinbekommen, da bin ich mir absolut sicher. Ich will dich auch nicht unter Druck setzen, wirklich nicht, es ist nur so ...«
»Ja, ist klar. Ich brauche nur noch etwas Zeit. Bitte.«
Marah legte den Kopf an seine Brust. Er vergrub Nase und Mund in ihrem Haar.
»Ich liebe dich, weißt du?«, sagte er.
»Ich liebe dich, und wie.«

Er war zeitig aufgestanden und hatte Frühstück gemacht. Orangensaft, perfekte Eier, Toast und Bacon - so, wie sie es mochte. Marah sah gelöster aus als sonst; und verschlafen.
»Na, müde?«, fragte er grinsend.
Sie schlug ihm zur Antwort auf den Hintern und ging ins Badezimmer, aber nicht, ohne ihm ein Lächeln zuzuwerfen.

Nachdem Marah zur Arbeit gegangen war, setzte er sich an den Schreibtisch, öffnete die unterste Schublade und tastete an dessen Unterseite nach der Klarsichthülle, die dort klebte. Den Brief darin fummelte er raus und legte ihn vor sich ab. Er strich mit den Fingern darüber, das Papier knisterte, würde die Falten jedoch nicht mehr loswerden. Zu oft hatte Roland das Schriftstück in Händen gehalten. Zu oft hatte er gelesen, was in Mädchenschrift von einem Kind geschrieben worden war, das selbst ein Kind zur Welt gebracht hatte: ihn, Roland Lierhaus.

Die Adoptiveltern hatten ihn bereits mit vierzehn eingeweiht – so alt war auch seine schwangere Mutter gewesen. Jahre später hatte er den Brief erhalten, der beim Jugendamt für ihn hinterlegt worden war.
Anfangs hatte er geglaubt, darin etwas finden zu können. Etwas von Bedeutung. Irgendwann hatte er entschieden, dass es keine Rolle spielte.

Roland warf einen Blick auf das Herz, das schon vor seiner Geburt für ihn gemalt worden war. Er schob es samt Schreiben in einen neuen Umschlag, adressierte ihn an Frau Andrea Nolting und klebte eine Marke darauf.

Ein Frühlingstag erwachte, die Vögel sangen Liebeslieder und die goldene Stunde tauchte die Friedhofsmauer in warmes Licht. Er nahm einen letzten Zug und wollte die Kippe über das Geländer schnippen, drückte sie aber stattdessen im Blumenkübel aus. Marah sollte ruhig bemerken, dass er geraucht hatte.

Roland stand mitten im Raum wie jemand, der nicht aus Fleisch und Blut bestand, sondern aus Wachs gegossen war. Er hielt den Brief in Händen. Dann holte er tief Luft, schnappte sich den Füller von der Ablage und fügte auch noch den Absender hinzu.

 

Hallo hell,
meine spontane Reaktion: Feine Geschichte! Vor allem die Konstruktion ist gut gelungen. Der Konflikt, die Entwicklung, eine ungeklärte Frage, deren Beantwortung auch den Konflikt löst - wirklich gut gemacht. Vielleicht kommt der Umschwung des Protagonisten ewas plötzlich - geschuldet der Kürze der Geschichte.

Zwei Dinge: "Mara drehte hohl." Die Redewendung kenne ich nicht. Wenn mir auch einige Sätze später eine Ahnung entsteht, was es bedeutet, würde ich dazu raten, den Einstieg nicht mit einer Verwirrung zu erschweren.
"Der Sex war gut gewesen." Das ist auf mehreren Ebenen ... Aua!
Erstmal ist der Stil total unpassend in dem Text. Dann ist es gerade in Bezug auf das vorherige Gespräch, ein Romantik- Killer.
Aber das Schlimmste: Mit der Erklärung zerstörst Du die zuvor geschickt und subtil vermittelte Andeutung. Und zwar mit einem Holzhammer.

Die Schrift an der Wand, vielmehr deren Aussage, als zentrales Element hast Du ganz gut eingebaut.
Und das Thema gut umgesetzt.

Der allgemeine Erzählton ist nicht so ganz mein Fall, aber das ist tatsächlich sehr subjektiv. Passend zur innerlichen Distanz des Protas ist er allemal.

Schönen Gruß aus dem Untergeschoss!

 

Hallo Kellekind,


Feine Geschichte! Vor allem die Konstruktion ist gut gelungen. Der Konflikt, die Entwicklung, eine ungeklärte Frage, deren Beantwortung auch den Konflikt löst - wirklich gut gemacht.
Und das gleich zu Beginn, Kellerkind, freut mich sehr, dass das bei dir funktioniert hat.

Vielleicht kommt der Umschwung des Protagonisten ewas plötzlich - geschuldet der Kürze der Geschichte.
Hm, ja, kann sein. Umschwung ist allerdings vielleicht schon zu stark ausgedrückt. Aber es kommt Bewegung (Entwicklung) in den Prot. Ob das zu plötzlich kommt, weiß ich noch nicht, aber ich denke darüber nach, danke für den Hinweis.

"Mara drehte hohl." Die Redewendung kenne ich nicht.
Okay, wenn es anderen auch so geht, fliegt sie raus. Ich meine, man kann eher im Süddeutschen was damit anfangen, wenn sie anderswo für Verwirrung sorgt, ist das natürlich ungeschickt.

"Der Sex war gut gewesen." Das ist auf mehreren Ebenen ... Aua!
... ein Romantik- Killer ...
Mit der Erklärung zerstörst Du die zuvor geschickt und subtil vermittelte Andeutung. Und zwar mit einem Holzhammer.
Romantisch wollte ich auch nicht werden, ich haue gerne mal mit dem Holzhammer drauf :).
Ist ja viel Unausgesprochenes angelegt im Text, in den Figuren. Da schien mir das passend, aber ich überdenke auch diesen Punkt. Danke, Kellerkind.

Die Schrift an der Wand, vielmehr deren Aussage, als zentrales Element hast Du ganz gut eingebaut.
Und das Thema gut umgesetzt.
Danke. War für mich eine neue Erfahrung, nach Themenvorgabe zu schreiben. Freut mich umso mehr, dass dir die Umsetzung gelungen erscheint.

Der allgemeine Erzählton ist nicht so ganz mein Fall, aber das ist tatsächlich sehr subjektiv. Passend zur innerlichen Distanz des Protas ist er allemal.
Ist natürlich immer so eine Sache, aber ich war tatsächlich bemüht, den Ton entsprechend anzupassen. Ich fasse das also als Kompliment auf :).


Kellerkind, hat mich sehr gefreut, dass du dir Zeit genommen hast, um reinzuschauen.
Schön, dass dir die Geschichte gefällt. Deine hilfreichen Hinweise überdenke ich alle. Danke.


Lieben Gruß ins Untergeschoss!


hell

 
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Hallo Maria,


ach komm :), nett ist doch schon mal was. Also ich kann damit leben - musste auch echt über deinen Kommentar schmunzeln. Ja, ich verstehe schon, was du meinst, aber mir war einfach danach, leisere Töne klingen zu lassen.
Ich mag kürzere, offene Texte an sich recht gerne, und da ich erst eine längere Geschichte geschrieben habe, musste der einfach anders sein. Vielleicht war auch nicht mehr drin im Moment. Für mich passt der Umfang so.

Ich versuche, alle Unnettigkeiten in mir gären zu lassen, um sie bald mal über die Tasten raushauen zu können. Vielleicht gelingt mir so irgendwann, dich zu überwältigen, wenigstens ein kleines bisschen :).


Vielen Dank Maria, fürs Lesen und für deine Gedanken zum Text. Hat mich echt gefreut, dass du reingeschneit kamst.


Gruß


hell

PS: maria.meerhaba, den Nick darfst du gerne bilingual verstehen. Das überlasse ich dir. Mache es doch einfach von meinen Geschichten (und Kommentaren) abhängig, hm?
:)

 

Hola hell,

gut geschrieben, ohne Wenn und Aber – das muss ich zuerst sagen. Die Sache hat Niveau! Und wenn ich bedenke, ...

War für mich eine neue Erfahrung, nach Themenvorgabe zu schreiben.
... dass Du diesen Text speziell für’s TdM geschrieben hast, dann ist das eine gute Leistung – weil ja Emotionen, die sonst einen Autoren antreiben könnten, hier teilweise wegfallen. Zitat hell:
Vielleicht war auch nicht mehr drin im Moment.
Selbstverständlich wird der Autor trotzdem einen Plot entwickeln, der seiner Gefühlswelt liegt, doch für mich ist das nicht dasselbe. Kompliment also!

Ein paar Korinthen fand ich:

Marah drehte hohl.
Das würde ich ganz schnell streichen – auch wenn’s Dir gefällt. Aus meiner Sicht versteht das kein Mensch; ich habe schon (fast) alle Landstriche abgeklappert, aber so etwas noch nie gehört. Und als erster Satz wirkt das wie Anfahren mit angezogener Handbremse.

»Willst du Kaffee?«
»Dann mach dir doch selbst einen ...
April, April? Würde sie nicht eher sagen: „Schatz, ich muss los – machst Dir selbst einen Kaffee?“
Andrea ließ sich aufhelfen und sie humpelten zur überdachten Haltestelle weiter.
Hat er aus Solidarität mitgehumpelt;)?

Die Fahrgäste glotzten maskenhaft aus beschlagenen Fenstern zu ihnen rüber.
Klasse, schönes Bild!

Mundwinkelwirbel
schwieriges Wort

Nochmal zum TdM: Die Schrift wird übertüncht, okay. Wer bist du? oder, nach Übermalung: Wo bist du?
Sei mir nicht bös, bei dieser Stelle klingt die ‚Auftragsarbeit’ durch.

Macht nix - auf jeden Fall gern gelesen!
José

 

Das wäre eine solide erzählte Geschichte, die gleich einem offenen Buch vor mir läge,

lieber hell,

das ich dankbar für den ersten Satz bin:

Marah drehte hohl

Allzu leichtfertig glaubte ich bis dato zu wissen, was das Adj. meine. Also wälzte ich den Duden (Herkunftsduden) und das Grimmsche/Deutsche Wörterbuch (sechs Seiten zum Adjektiv, dass auch ein Substantiv „Hohl“ daselbst besprochen wird, sei nur der guten Ordnung halber erwähnt). „hohl, adj. cavus. ein goth. hul-s wird nur nach bezeugten engen verwandten, huljan hüllen, huleins hüllung, hulundi höhle vorausgesetzt; altengl. hole, neuengl. hollow; fries. hol, altn. hol-r, dän. huul; ahd. mhd. hol; mitteldeutsch auch die nebenform hal:
hohl, wie hüllen (s. d.) haben engsten bezug zum verbum hehlen, mhd. heln (sp. 786) und den dort aufgeführten wortbildungen.2

Hohl (adj.) bedeutet demnach

1) im innern leer oder unausgefüllt, in bezug auf dinge die man sich sonst aus éinem stück bestehend, massiv oder auch angefüllt denken kann: (es folgen Belege)

2) hohl, leer, nichtig, in oder zu dem nichts ist, in mancherlei wendungen …

3) hohl, von tönen, die wie aus einem hohlen raume klingen: eine hohle stimm, …

4) hohl vertritt auch die bedeutung concavus, einwärts gebogen, muldenförmig vertieft; so in einer anzahl technischer ausdrücke: hohl geschliffene gläser, …

Nichts anderes, was der Herkunftsduden (ohne Belege) äußert.

Nichts, was zu der drehenden Dame passte. So sitz ich hier, ich armer Hohlkopf ... selbst wenn Marah das zu Anfang genannte Verb "hüllen" gegen "hohl" eintauschte. Der Kopf bleibt hohl. Hol's der Teufel oder Hell!

Gruß

Friedel

 
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Hallo hell,

mir gefällt das Konstrukt der Geschichte sehr gut.

Besonders hast du mich erwischt, als Roland nach der Szene mit seiner Mutter Marah erklärt, dass er schon mit ihr Kinder haben will. Ich dachte anfangs, dass er seiner Jugendfreundin hinterherzieht und richtig unverfroren auf die eine steht und der anderen sagt, dass er mit ihr alt werden will. Das hast du meiner Ansicht nach sehr gut hinbekommen.

Marah drehte hohl.
Ich jedenfalls kenne den Ausdruck ;)

Marah drehte hohl.
Wieder mal. Er sah es daran, wie sie ihre Bluse vor dem Spiegel zurechtrückte. Wie sie die Ledertasche durchwühlte und sich dabei Haarsträhnen aus der Stirn blies.
»Willst du Kaffee?«, fragte sie.
Roland zog die Pyjamahose höher und schlurfte in die Küche. »Ja, gerne.«
Also ich habe mich nach dem Absatz gefragt, ob an der Erzählperspektive irgendwas nicht stimmt.
Es liest sich fast so an, als würde es aus Rolands Sicht geschrieben sein. Und als dann Roland zog die Pyjamanhose kam, stockte ich. Dabei stimmt doch alles. Also ich kann das grade nicht orten, an was das liegt. Vielleicht hat da jemand anders eine Idee. Vielleicht wegen dem: "Wieder mal"?


Ich bin eh spät dran.«
[...]
»Morgen.« Ihre Hände ruhten einen Moment auf seinen, bevor sie sich aus der Umarmung befreite. »Sonst nichts?«
»Was denn?«, fragte er.
Marah schnaubte. »Wir haben uns gestern Nacht über was unterhalten. Vergessen?«
Also das passt meiner Ansicht nach nicht zusammen. Wenn Marah eine ernsthafte Diskussion oder ein Meinungsbild von Roland haben will, kann sie nicht einerseits keine Zeit mehr haben, ihm einen Kaffee zu machen, ihm sogar zu sagen, dass sie spät dran ist und andererseits über so ein wichtiges Thema sprechen. Oder sollte Roland einfach nur, während sie schon die Jacke übertstreift, hinterherrufen: Ja, ich will eine Familie mit dir?
Ich hab' einfach Angst, morgens aufzuwachen und zu bereuen, dass ich keine mehr kriegen kann.«
Weil das von einem Tag auf den anderen nicht mehr geht? Das finde ich keinen so gelungenen Vergleich.


Nicht bei seinen Eltern, wie er Marah erzählt hatte, er saß hier, im Wagen, wie ein Spanner oder Paparazzo, viel weiter weg.
Das viel weiter weg - was willst du damit sagen? Das ist eine komische Ausdrucksweise. Überhaupt gefällt mir der Satz nicht besonders.

Dann flechte ich mal die Frage ein, wieso Roland denn Marah nichts von seinen Gedanken erzählt? Klar, würde er es machen, gäbe es die Geschichte nicht. Aber ich hätte gerne eine Erklärung dafür, denn ansonsten kann ich Roland nicht abnehmen, dass er mit Marah alt werden will und ihr vertraut. Sowas erzählt man dem Partner doch.


Regenperlen
ach wenn es sich kreativ liest, finde ich Tropfen immer noch besser.


auf der Windschutzscheibe ließen die Welt surreal erscheinen. Roland wollte eben den Scheibenwischer betätigen, als Andrea Nolting aus dem Haus trat.
betätigen ist so bürokratisch - vielleicht lieber : in Gang setzen

Andrea lief los, verdammt!, das würde eng werden!, und noch ehe der Bus zu hupen begann, noch ehe Reifen quietschten, riss Roland die Türe auf und spurtete los.
Zentimeter entschieden über Leben und Tod. Keine Hupe, sondern Fanfare – kein Quietschen, eher ein Rutschen; aber Andrea hatte Glück. Sie war gestürzt und lag bäuchlings auf dem nassen Grau der Straße.
Bei diesen Beschreibungen habe ich Schwierigkeiten, mir das richtig vorzustellen.
»Danke.« Andrea ließ sich aufhelfen und sie humpelten zur überdachten Haltestelle weiter.
Aber es ist doch nur sie, die humpelt?


Der Bus fuhr an. Der Fahrer maulte und fuchtelte wie wild mit den Armen umher.
Also es wird einfach nicht klar, ob sie vor den Bus gefallen ist oder wie das gemeint war.

Miles Davis gab die Trompete weiter und John Coltrane blies My Favorite Things durch den Raum.
Das finde ich zu gewollt geschrieben, also das wirkt aufgesetzt auf mich.

Die Adoptiveltern hatten ihn bereits mit vierzehn eingeweiht
das bereits würde ich streichen, denn ich finde das viel, viel zu spät. Wir haben mehrere Adoptiv-Familien in unserem Bekannten- und Freundeskreis und die haben alle nie verschwiegen, dass sie nicht die leiblichen Eltern sind, schon von klein an.


Roland warf einen Blick auf das Herz, das schon vor seiner Geburt für ihn gemalt worden war. Er schob es samt Schreiben in einen neuen Umschlag, adressierte ihn an Frau Andrea Nolting und klebte eine Marke darauf.
Also mir fehlt da ein wenig die Hinführung, wie er dann an sie gekommen ist. Und das mit dem Brief - also ich weiß nicht, ob es sowas tatsächlich gibt, dass Ämter Briefe nach Jahren aushändigen? Hast du recherchiert? Mir kommt das komisch vor.


Wie schon gesagt, das Gesamtkonstrukt finde ich gut gewählt, an den Details kann man schon noch feilen.

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo @hell

Marah drehte hohl.

Da ging es mir ganz anders als Kellerkind und José , denn ich war sofort im Text. Der Ausdruck gehört aber auch zu meinem Sprachgebrauch.

Ich finde die Geschichte gut durchdacht. Erst den Konflikt des Paares zeigen und dann Bumm, geht er spannen und rettet dem Objekt seiner Begierde nebenbei das Leben. So ein Schuft, dachte ich. Zuhause macht er auf solide, sagt ich Liebe Dich und Sex gibts auch. Dann kommt die Auflösung und ich schäme mich, ihn vorschnell verurteilt zu haben. Ich bin jetzt versöhnt und kann auch seine Not verstehen. Besser wäre es natürlich gewesen, er hätte kein Geheimnis daraus gemacht – aber wer macht schon alles richtig im Leben

Meine Aufmerksamkeit wird auf den Anstrich an der Friedhofsmauer gelenkt. Aus einem "Wer bist du", wurde ein, "Wo bist du du" bevor es ganz verschwand. Das wird sich auch Roland lange Zeit gefragt haben und ich verstehe, dass er den Anstreicher nicht mag. Total schön, wie man sich in beide Fragen hineindenken und verschiedenste Interpretationen zulassen kann. Gut möglich, dass der Anschrieb so eine Art Verbindung für ihn gewesen ist.

Roland warf einen Blick auf das Herz, das schon vor seiner Geburt für ihn gemalt worden war.

Hier bekam ich Tränen und Gänsehaut und weil sich das so gut angefühlt hat, musste ich die Stelle gleich mehrmals lesen. Für mich der beste Satz im Text.

hielt den Brief in Händen. Dann holte er tief Luft, schnappte sich den Füller von der Ablage und fügte doch noch den Absender hinzu.
Jetzt kann er entspannen.

Es würde mich für ihn freuen, wenn seiner Mom an einem Kontakt mit ihm gelegen ist.

Ich habs gerne gelesen und darüber nachgedacht.

Lieber Gruß
Tintenfass

PS: Ist mein 100. Beitrag
:bounce:
:anstoss:

 
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Lieber hell,
gleich vorweg: Ich habe deine Geschichte sehr gerne gelesen.
Du greifst darin zwei Themen auf, die gerade in den letzten Jahren an Aktualität durch Medien und Statistiken gewonnen haben, und beide bilden ineinander verwoben eine stimmige Einheit, die mich angerührt hat.

(Frauen bringen heute im Durchschnitt ihre Kinder zehn Jahre später zur Welt als 1970. Lange Zeit war eine 30-Jährige eine späte Erstgebärende, heute ist eine Frau das erst mit 35 bis 40 Jahren.)
Paare entscheiden sich heutzutage viel später, eine Familie zu gründen.
In deiner Geschichte ist Marah 34. Es wird Zeit, eine Entscheidung zu treffen.

Dies alleine wäre als Konflikt des Paares für eine Geschichte hinreichend.

Du setzt noch eins drauf:
Roland weiß seit seinem 14. Lebensjahr, dass er adoptiert wurde, hat sich aber bisher nicht getraut, einen Kontakt zu seiner leiblichen Mutter herzustellen.

Dieses Zögern ist realistisch und durch Berichte von Adoptierten belegbar.
Meist ist es ein langer Weg, bis ein erster Kontakt zwischen der leiblichen Mutter und dem zur Adoption „weggegebenen“ Kind stattfindet, denn diese Kontaktaufnahme ist bei den Betroffenen häufig mit vielen Vorbehalten und Ängsten verbunden. Der Adoptierte lebt lange Zeit in der Vorstellung und mit den Bedenken: Meine Mutter wollte mich nicht, sie liebte mich nicht und vielleicht hat sie jetzt auch kein Interesse, mich kennenzulernen; vielleicht bin aber auch ich enttäuscht, wenn ich sie sehe, vielleicht will ich so Eine nicht als Mutter haben.

Der Gedanke, dass Eltern ihr Kind nicht annehmen und lieben könnten, lässt Roland zögern, sich auf eine Vaterschaft einzulassen. Er fürchtet, seinem Kind kein guter Vater zu sein.

Ich vermute, dass Marah über die Herkunft ihres Partners gar nicht oder nur vage Bescheid weiß, warum sonst sollte er den Brief seiner leiblichen Mutter so sorgsam verstecken?

Die Maueranschrift hast du geschickt gewählt, denn sie kann zweifach interpretiert werden: Einmal ist es Roland, der sich diese Fragen oft beim heimlichen Rauchen auf dem Balkon gestellt hat, zum anderen könnte er sich gewünscht haben, dass seine Mutter sich diese Fragen auch stellt.

Es ist natürlich reichlich symbolträchtig, dass die Maueranschrift, die beiden ihn umtreibenden Fragen („Wer/Wo bist du?“) genau zu dem Zeitpunkt übertüncht werden, als sich der Kinderwunschkonflikt des Paares zuspitzt.
Jetzt wird es Zeit für ihn zu handeln.


In deiner Geschichte hast du viel Symbolik verarbeitet.
Vielleicht überinterpretiere ich, wenn ich die Bilder zu deuten versuche, aber es hat mir Spaß gemacht, es so zu sehen:

- Die Fragen auf der Mauer: „Wer bist du?“ und „Wo bist du?“:
Zunächst wird das Fragezeichen weggepinselt. Die Frage: „Wo bist du?“ hat Roland in Bezug auf seine leibliche Mutter schon gelöst; er weiß, wo sie wohnt;

- Während der Schriftzug auf der Mauer mit weißer Farbe verdeckt wird, entschließt Roland sich, das bisher Versteckte in seinem Leben aufzudecken;

- der Sturz Andreas: Roland hilft ihr auf, er „will ihr auf die Sprünge helfen“;

- die offene Wunde: Die Verletzung, die Andrea erleidet und die sie als nicht so schlimm abtut, korrespondiert mit der (vielleicht) immer noch vorhandenen seelischen Wunde, die die Freigabe ihres Kindes zur Adoption ausgelöst hat. Es ist immerhin denkbar, dass Andra das als 14-Jährige nicht freiwillig und gut überlegt getan hat;

- Andrea nimmt die Brötchen an: Das lässt hoffen, dass sie auch ihn annimmt;

- Roland beschließt, seine Rauchleidenschaft nicht mehr vor Marah zu verstecken: Die Stunde der Wahrheit ist gekommen, er wird Marah über seine Herkunft aufklären und muss sich seiner Mutter gegenüber offenbaren;

- Es ist Frühling: Mit dem Erwachen des Lebens in der Natur, erwacht in Roland der Wunsch, einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen.


Nur „nett“ – wie Maria sie kommentiert, ist deine Geschichte nicht, dazu ist die Thematik zu ernst.
Während die Unfallsituation ein wenig zu konstruiert auf mich wirkt, halte ich es für realistisch, dass Roland diesen letzten Schritt – das konkrete Aufeinandertreffen - ganz vorsichtig angeht, indem er eine Situation abwartet, die ihm eine Rückzugsmöglichkeit eröffnet, in der er inkognito Kontakt zu Andrea aufnehmen kann.
Die Gefahr, abgelehnt oder enttäuscht zu werden, ist einfach zu groß.
Offensichtlich hat Andrea Nolting – außer dem Brief mit Herzchen - nicht weiter nach ihrem Kind gesucht, denn sie reagiert auf die Preisgabe seines Namens nicht.

Natürlich hast du die Handlung im Sinne deiner Aussageabsicht zurechtgebogen, aber es ist ja auch eine Geschichte und kein Bericht über eine reale Begebenheit, deshalb darf es m.E. da ruhig mal gewollt zufällig einhergehen.

Für mich passt das!

Lieben Gruß
kathso

Zusatz:
So viel ich weiß, ist das Jugendamt verpflichtet, einem Adoptierten erst ab dem 16. Lebensjahr Auskunft über seine Herkunft zu erteilen.
Daher ist die Aussage "bereits mit 14 ..." verständlich.

Der mehrfach angesprochene Dialog:

»Willst du Kaffee?«, fragte sie.
Roland zog die Pyjamahose höher und schlurfte in die Küche. »Ja, gerne.«
Sie blickte auf die Uhr. »Dann mach dir doch selbst einen. Ich bin eh spät dran.«

hat mich nicht so befremdet. Ich habe die Aussage "...mach dir doch selbst einen ..." mehr als Retourkutsche verstanden: Du gehst nicht auf meine Wünsche ein, dann geh ich auch nicht auf deine ein.
Sie will ihm ein bisschen wehtun, weil es sie schmerzt, dass das Gespräch am Vorabend keine Entscheidung herbeigeführt hat.

"Der Sex war gut gewesen", lass den Satz weg. Der erwähnte Klaps auf seinen Po sagt schon alles.

Nochmals lieben Gruß
kathso

 

Hallo hell!

Zur Ehrenrettung des Hohldrehens: ich kenne den Ausdruck auch! Meine Tante nutzt ihn sehr gerne :-) Zum besseren Verständnis für alle Leser könntest du vielleicht ein Durchdrehen draus machen.

Nun zum Text. Der hat mir nämlich wirklich gut gefallen. Ich muss auch sagen, dass die Konstruktion sehr spannend ist. Mir ging es ähnlich wie Tintenfass:

Ich finde die Geschichte gut durchdacht. Erst den Konflikt des Paares zeigen und dann Bumm, geht er spannen und rettet dem Objekt seiner Begierde nebenbei das Leben. So ein Schuft, dachte ich. Zuhause macht er auf solide, sagt ich Liebe Dich und Sex gibts auch. Dann kommt die Auflösung und ich schäme mich, ihn vorschnell verurteilt zu haben. Ich bin jetzt versöhnt und kann auch seine Not verstehen. Besser wäre es natürlich gewesen, er hätte kein Geheimnis daraus gemacht – aber wer macht schon alles richtig im Leben
Die Wendung finde ich klasse!

Ich hab' einfach Angst, morgens aufzuwachen und zu bereuen, dass ich keine mehr kriegen kann
Hier muss ich bernadette leider widersprechen. Ich finde den Vergleich gar nicht unpassend. Vielleicht liegt es daran, dass ich in drei Wochen tatsächlich 34 werde und noch kinderlos bin ;-) Aber genau solche Gedanken hat man dann manchmal einfach, auch wenn man weiß, dass das im Grunde Blödsinn ist.

Die Stelle mit dem Kaffee stört mich auch etwas:

»Willst du Kaffee?«, fragte sie.
Roland zog die Pyjamahose höher und schlurfte in die Küche. »Ja, gerne.«
Sie blickte auf die Uhr. »Dann mach dir doch selbst einen. Ich bin eh spät dran.«
Ich stelle mir gerade vor, dass mein Mann mich fragt, ob ich Kaffee möchte und mir dann hinrotzt, ich solle ihn mir selber machen... Das Letzte, was ich darauf antworten würde, wäre OKAY!!! :-)
Wenn du damit wirklich nur ausdrücken willst, dass sie in Eile ist, fände ich besser, wenn du den Satz umstellen würdest: "Oh, ich bin spät dran! Kannst du dir selbst einen machen?"
Wenn es dir darum geht, den Konflikt bereits heraufzubeschwören, weil in Marah die Wut über Rolands Unentschlossenheit schwelt, dann finde ich ihre Frage grundsätzlich überflüssig. Dann ist ihr wahrscheinlich piepegal, ob er Kaffee möchte.
Roland zog die Pyjamahose höher und schlurfte in die Küche: "Ist noch Kaffee da?"
Sie blickte auf die Uhr. "Mach dir gefälligst selbst einen. Ich bin spät dran!"

Abgesehen davon finde ich deine Dialoge sehr gut!

Nicht bei seinen Eltern, wie er Marah erzählt hatte, er saß hier, im Wagen, wie ein Spanner oder Paparazzo, viel weiter weg.
Dieser Satz hat erst einmal für Verwirrung bei mir gesorgt. Trotz mehrmaligen Lesens bin ich nicht schlau daraus geworden. Ich weiß, was du damit sagen willst, aber der Satz transportiert diese Information meiner Meinung nach nicht eindeutig.

Alles in Allem eine gute, lebensnahe Geschichte. Ich kann mich schwer in die Gefühlslage des Protagonisten hineinversetzen, aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass man in so einer Situation Angst hat, ein schlechter Vater zu sein, wenn die leiblichen Eltern nicht in der Lage waren, einem Liebe zu geben. Wenn man dann noch eine Frau/Freundin hat, deren sehnlichster Wunsch eigene Kinder sind, vielleicht verschweigt man die eigenen Zweifel und die eigene Vergangenheit dann wirklich lieber. Konstruiert oder unglaubwürdig finde ich das nicht.

Liebe Grüße
Jane

 
Zuletzt bearbeitet:

Marah drehte hohl. Wieder mal. Er sah es daran, wie sie ihre Bluse vor dem Spiegel zurechtrückte. Wie sie die Ledertasche durchwühlte und sich dabei Haarsträhnen aus der Stirn blies.
»Willst du Kaffee?«, fragte sie.
Roland zog die Pyjamahose höher und schlurfte in die Küche. »Ja, gerne.«
Sie blickte auf die Uhr. »Dann mach dir doch selbst einen. Ich bin eh spät dran.«
Sie blickte auf die Uhr.
»Okay.« Er schlang die Arme um ihre Hüften, küsste ihren Nacken und legte das Kinn auf ihre Schulter.

Also mit diesem Anfang komm ich nicht recht klar, hell. Aus mehreren Gründen:
Zum einen fang ich - sorry, ich bin Wiener - mit dieser (regionalen?) Redewendung „hohl drehen“ genau gar nix an, umso weniger, weil sich ihre Bedeutung ja auch durch die folgenden Sätze nicht wirklich erschließt.
Zum anderen kapier ich überhaupt nicht, wie ich mir die Szene vorstellen soll:
Marah steht vor irgendeinem Spiegel, offenbar im selben Raum wie Roland, immerhin kann er ihr zuschauen. Im Schlafzimmer? Keine Ahnung, jedenfalls verlässt er dann diesen Raum und schlurft in die Küche, und, äh … dort schlingt er dann die Arme um ihre Hüften?
Da könntest du mit dem einen oder anderen Wort die „Choreografie“ vielleicht etwas weniger verwirrend darstellen. Stünde da statt „ … er schlurfte in die Küche“ z.B.“… er schlurfte Richtung Küche“ hätte eventuell sogar ich (Wiener, wie gesagt :Pfeif:) das kapiert.

»Willst du Kaffee?«, fragte sie. […]»Dann mach dir doch selbst einen ….«
Und das klingt wie ein blöder Witz. Was wiederum überhaupt nicht zum weiteren Gespräch der beiden passt, bzw. eigentlich überhaupt nicht zu den beiden Figuren, wie ich sie im weiteren Verlauf der Geschichte dann kennenlerne.

Roland drückte die Taste am Kaffeeautomaten. »Und was willst du hören? Ist ja nicht so, dass wir noch nie darüber gesprochen hätten.«
Sie blies sich erneut Haare aus dem Gesicht und wartete ab, bis braune Flüssigkeit in die Tasse floss.
Natürlich könntest du hier auch „belebendes Heißgetränk“ schreiben. Aber nicht immer tut man seinem Text durch die zwanghafte Vermeidung von Wortwiederholungen was Gutes.
Stünde hier einfach noch einmal „Kaffee“, würde dir das wohl kaum wer ankreiden. Zumindest ich nicht.

»Meine Schwester hat schon ihr Zweites [zweites] mit vierunddreißig bekommen!«
Für mich ist das ein ganz normales Zahladjektiv, das sich auf die weiter oben erwähnten Kinder bezieht.

»Deine Schwester ... Immer das Schwesternding! Willst du nur Kids, weil sie welche hat?«
Muss man dieses Wort zwangsläufig verwenden, wenn man zur Generation der Dreißig- bis Vierzigjährigen gehört? Ich mag es einfach nicht. Mich erinnert das zu sehr an cool und hip klingen wollende Fernsehserien-Synchronisationssprache.

Nachbarn kümmerten sich um den ersten Rasenschnitt, als wenn [als ob] sie den Frühling herbeimähen könnten.

Sie tauchte mit einer blauen Papiertüte wieder auf. Andrea lief los, …
Besser: Andrea tauchte mit einer blauen Papiertüte wieder auf. Sie lief los, …

Der Fahrer maulte und fuchtelte wie wild mit den Armen umher.
Kannste streichen.

Roland stellte sie ihr vor die Tür, klingelte, rannte zu seinem Wagen wie der Junge, der er mal gewesen war, nachdem er einen Streich gespielt hatte.
Hatte er schon als Lausbub einen Wagen? :D
Aber im Ernst jetzt, das hier ist einfach eine durch und durch unglückliche Syntax. Der Temporalsatz scheint sich nämlich obendrein auf den eingeschobenen Relativsatz zu beziehen. (... der er mal gewesen war, nachdem er ...)
Eventuell: … rannte zu seinem Wagen, so wie er früher als Junge davongerannt war, nachdem (bzw. wenn) er einen Streich gespielt hatte.

Marah trug vorsichtig die Sperrholzplatte, mit dem unfertigen Puzzle darauf, zum Esszimmertisch.
Besser ohne Kommas

Er starrte auf die losen Puzzelteile [Puzzleteile], wühlte herum, schnappte sich eines und setzte es zielstrebig an den vorgesehenen Ort ein.
Hm. Also meinem Sprachgefühl nach setzt man etwas wo (Dativ) und nicht wohin (Akkusativ) ein.
(Aber wie gesagt, ich bin Wiener.)

Ein echter Frühlingstag erwachte, die Vögel sangen Liebeslieder und die goldene Stunde tauchte die weiß gestrichene Friedhofsmauer in warmes Licht. Er nahm einen letzten Zug und wollte die aufgerauchte Kippe über das Geländer schnippen,
Mit diesem attributiven Overkill verlässt du auffällig deinen bisher so angenehmen und souveränen Erzählstil. Das Unterstrichene könntest du für mein Gefühl ruhig weglassen.


Was darüber hinaus Idee und Inhalt betrifft, verweise ich jetzt mal ganz faul auf die Kommentatoren über mir.
Ich empfand es nämlich ähnlich: Sehr schön ausgedacht, weitgehend gut geschrieben.

offshore

 

Hey Wortkrieger,

Fliege schrieb:
... der Gewinn für jeden Autor besteht darin, das die Texte doch relativ viele Kommentare bekommen, viel Auseinandersetzung mit den Texten stattfindet.

Wie wahr.

Da steckt eine Menge Rohstoff in euren Kommentaren, den ich erst mal in den Text einflechten muss, wo es mir sinnvoll erscheint.

Wie gut, dass ich morgen frei habe :).

Vielen Dank schon mal euch allen; toll!

hell

PS: Natürlich werde ich noch umfangreicher antworten.

 

Hola josé,


wie schön, dass du wieder mal reinschaust :).

Gleich zu Beginn schreibst du:

... gut geschrieben, ohne Wenn und Aber – das muss ich zuerst sagen. Die Sache hat Niveau!
Und ich muss und will mich zuerst bei dir bedanken, für die lobenden Worte.

Ja, ist tatsächlich eine neue Erfahrung für mich, eine Geschichte fürs TdM zu schreiben - bzw. eine Art "Auftragsarbeit" abzugeben, wobei das Monatsthema auch viel Spielraum lässt. Ich hatte schnell eine Idee dazu, natürlich auch deshalb, weil die Grundthematik im Text als loses Gerüst schon in mir angelegt war, klar. Dann lief das irgendwie. Spannend in dem Zusammenhang, wie ich das jetzt miteinander verknüpfen solle - geht anderen Autoren vermutlich ganz ähnlich.
Schön jedenfalls, dass mir das ganz gut bei dir gelungen zu sein scheint, wobei ...

Nochmal zum TdM: Die Schrift wird übertüncht, okay. Wer bist du? oder, nach Übermalung: Wo bist du?
Sei mir nicht bös, bei dieser Stelle klingt die ‚Auftragsarbeit’ durch.
... du ja auch was durchschimmern gesehen hast, das ich aber bewusst in Kauf genommen habe.

Marah drehte hohl.
Das würde ich ganz schnell streichen – auch wenn’s Dir gefällt.
Stehst ja nicht alleine mit der Meinung da. Ihr habt mich überzeugt: ist weg :).

April, April? Würde sie nicht eher sagen: „Schatz, ich muss los – machst Dir selbst einen Kaffee?“
Da musste ich lachen. Ohne jetzt die Idee dahinter ausführen zu wollen, hast mich überzeugt, José, hab ich umgeschrieben.

Hat er aus Solidarität mitgehumpelt?
Das wollte ich vorm Posten der Geschichte eh noch ändern, hab es dann aber vergessen und - betriebsblind wie ich war - auch nicht mehr gesehen. Danke.

Mundwinkelwirbel
schwieriges Wort
Auch hier hast du recht.


Lieber José, ich habe mich sehr über deinen Kommentar gefreut und bin dir für deinen treffsicheren Blick auf den Text sehr dankbar.


Gruß


hell

 

Mir ist jetzt noch so eine Stelle mit etwas eigenartiger Reihung der Satzsubjekte aufgefallen, hell:

Sie verschwand im Haus, er kaufte Brötchen. Roland stellte sie ihr vor die Tür, …
Besser:
Sie verschwand im Haus, Roland kaufte Brötchen. Er stellte sie ihr vor die Tür, …

 

Hallo hell,

du hast schon ordentlich Arbeit in deine schöne, sensible Geschichte gesteckt. Für mich ist sie jetzt stimmig. Besonders gefällt mir, dass die falsche Fährte aus der ersten Fassung aufgegeben wurde, ohne dass ein Verlust an Spannung aufgetreten ist. Und dein Darling "drehte hohl" hat zum Glück auch das Zeitliche gesegnet. Ich kenne den Ausdruck als saloppe, leicht abwertende Beschreibung für hysterisches Verhalten, und das wäre mMn nicht angemessen für die existentielle Frage nach Kindern, die im Raum steht.

Ein gewissenhafter Mann, der erst reinen Tisch macht, bevor er sich dem Abenteuer Elternschaft stellt - das gefällt mir. Es erinnert mich an Ina Deter, Neue Männer braucht das Land (1972).

Ein Kompliment auch für die Umsetzung der Themenvorgabe. Die Symbolik der überstrichenen Wand - ganz unprätentiös - trifft das Thema hundertprozentig.

Gestolpert bin ich über zwei winzige Textstellen:

... glotzten maskenhaft ...

Mir würde "glotzten" genügen, zumal die Masken ja keine Rolle mehr spielen.

Roland stand mitten im Raum wie jemand, der nicht aus Fleisch und Blut bestand, sondern aus Wachs gegossen war.

würde ich kürzen, vielleicht so:

Eine Weile stand Roland unbeweglich im Raum, wie eine Wachsfigur.

Das Komma habe ich hier absichtlich gesetzt. Es zwingt beim laut Lesen zur Pause und das soll es ja auch.;)

Gern gelesen und kommentiert!
wieselmaus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey ernst,

Sie verschwand im Haus, er kaufte Brötchen. Roland stellte sie ihr vor die Tür, …
Sie verschwand im Haus, Roland kaufte Brötchen. Er stellte sie ihr vor die Tür,
Kauf ich, danke!

Ich freue mich darauf, dir später ausführlicher zu antworten.

Erst mal: Danke!

hell

 

Lieber hell,

jetzt gefällt mir deine Geschichte. Nun hat sie etwas Rundes und die Entwicklung, die dein Protagonist durchmacht, teilt sich mir mit und ich kann sie nachvollziehen.

Ein paar Anmerkungen hätte ich noch:

Marah schnaubte. »Wir haben uns gestern Nacht unterhalten. Vergessen?«

Mir gefällt der Ausdruck ‚schnauben’ nicht. So sehe ich Marah eigentlich nicht. Mir erscheint er zu stark. Und auch das aggressive ‚Vergessen?’ finde ich hier nicht nötig. Sicher, da ist schon Frust in ihr, dass sie nicht weiterkommen in ihrer Diskussion, aber hier zeichnest du mir Marah zu unsympathisch.

bis die Tasse voll Kaffee lief.
‚bis die Tasse gefüllt war’ finde ich schöner als ‚voll lief’
»Ja, na und? Läuft das jetzt nach Zeitplan ab, wann man Kinder haben muss, oder wie
Derselbe aggressive Unterton. Sicher, er möchte in Ruhe gelassen werden, aber muss er so gereizt reagieren? Finde ich ein bisschen zu hart.

Die Nachbarn kümmerten sich um den ersten Rasenschnitt, als wenn sie den Frühling herbeimähen könnten.
Schöner Satz, gefällt mir. Könnte zum März oder zum April passen. Aber da blühen noch keine Rosen, auch in besonders günstigen Lagen nicht, soweit ich weiß.
»Schön haben Sie es hier. Ihre Rosen blühen ja.«

Er saß im Wagen und fühlte sich wie ein Spanner oder Paparazzo.
Ich würde 'Paparazzo' weglassen, dann wird der Satz mMn noch griffiger.

»Wirst du jetzt gefühlsduselig, oder was
Wieder dieses Aggressive, was ich nicht mit der Beziehung der beiden verbinden kann. Lass doch einfach ,oder was’ weg. Dann nimmst du der Bemerkung ihre Schärfe.

Nochmal: Jetzt gefällt mir dein Text und ich habe ihn gerne gelesen.

Liebe Grüße
barnhelm

 
Zuletzt bearbeitet:

Weiter geht's Friedel,


Der Kopf bleibt hohl. Hol's der Teufel oder Hell!
Nein, Friedel, der Satz wurde sooft mokiert, ich seh's ja ein und lenke ein :).

Ich finde es übrigens toll, wie du mit Duden und dem Grimmschen Wörterbuch an Texte gehst. Kann mir das richtig vorstellen, wie du in den Schmökern stöberst :). Dabei kommt Erhellendes bei raus, muss ich schon sagen.


Vielen Dank und lieben Gruß!


hell


Hallo bernadette,


Besonders hast du mich erwischt, als Roland ... erklärt, dass er schon mit ihr Kinder haben will.
Und das, bernadette, Team-Bossy - mit aktuell 4.368 Beiträgen und wer weiß, wie viel gelesenen Kurzgeschichten auf dem Buckel -, das hat mich besonders gefreut :).
Ebenso das:
... mir gefällt das Konstrukt der Geschichte sehr gut.

Also ich habe mich nach dem Absatz gefragt, ob an der Erzählperspektive irgendwas nicht stimmt.
Es liest sich fast so an, als würde es aus Rolands Sicht geschrieben sein. Und als dann Roland zog die Pyjamanhose kam, stockte ich. Dabei stimmt doch alles. Also ich kann das grade nicht orten, an was das liegt. Vielleicht hat da jemand anders eine Idee. Vielleicht wegen dem: "Wieder mal"?
Perspektivisch passt das für mich, habe aber einiges umgeschrieben. Vielleicht wirkt es klarer jetzt.

Also das passt meiner Ansicht nach nicht zusammen. Wenn Marah eine ernsthafte Diskussion oder ein Meinungsbild von Roland haben will, kann sie nicht einerseits keine Zeit mehr haben, ihm einen Kaffee zu machen, ihm sogar zu sagen, dass sie spät dran ist und andererseits über so ein wichtiges Thema sprechen.
Gesprochen haben sie ja schon oft darüber - Marah wird halt ungeduldig, weil Roland sich immer wieder rauswindet. Aber ich habe da auch was geändert, danke für den Hinweis!

Ich hab' einfach Angst, morgens aufzuwachen und zu bereuen, dass ich keine mehr kriegen kann.«
Weil das von einem Tag auf den anderen nicht mehr geht? Das finde ich keinen so gelungenen Vergleich.
Ohne auf janehumphries Komm hinzuweisen - tue es hiermit trotzdem :) -, ich habe das auch schon gehört. Für mich passt das schon; meint sie ja nicht wortwörtlich.

Nicht bei seinen Eltern, wie er Marah erzählt hatte, er saß hier, im Wagen, wie ein Spanner oder Paparazzo, viel weiter weg.
Das viel weiter weg - was willst du damit sagen? Das ist eine komische Ausdrucksweise. Überhaupt gefällt mir der Satz nicht besonders.
Danke, da bin ich rangegangen.

Dann flechte ich mal die Frage ein, wieso Roland denn Marah nichts von seinen Gedanken erzählt? Klar, würde er es machen, gäbe es die Geschichte nicht. Aber ich hätte gerne eine Erklärung dafür, denn ansonsten kann ich Roland nicht abnehmen, dass er mit Marah alt werden will und ihr vertraut. Sowas erzählt man dem Partner doch.
Versuche ich mich da reinzuversetzen, hätte ich es wohl auch erzählt; andererseits finde ich es nicht so abwegig, dass er das eben nicht getan hat, dass er das Thema lange verdrängt hat, bis es eben einen Grund gibt, sich damit neu auseinanderzusetzen. Kurz: Roland wird seine Gründe gehabt haben. Ich glaube ihm das.

Regenperlen
ach wenn es sich kreativ liest, finde ich Tropfen immer noch besser.
D'accord.

auf der Windschutzscheibe ließen die Welt surreal erscheinen. Roland wollte eben den Scheibenwischer betätigen, als Andrea Nolting aus dem Haus trat.
betätigen ist so bürokratisch - vielleicht lieber : in Gang setzen
Hab's geklaut.


Andrea lief los ...
...
Bei diesen Beschreibungen habe ich Schwierigkeiten, mir das richtig vorzustellen.
»Danke.« Andrea ließ sich aufhelfen und sie humpelten zur überdachten Haltestelle weiter.
Aber es ist doch nur sie, die humpelt?
Hab ich ausgebaut und stimmt, irgendwie ist mir das entgangen, wollte ich nämlich vor dem Posten ohnehin noch ändern (das mit dem Humpeln).

Miles Davis gab die Trompete weiter und John Coltrane blies My Favorite Things durch den Raum.
Das finde ich zu gewollt geschrieben, also das wirkt aufgesetzt auf mich.
Einverstanden.

Die Adoptiveltern hatten ihn bereits mit vierzehn eingeweiht
das bereits würde ich streichen, denn ich finde das viel, viel zu spät. Wir haben mehrere Adoptiv-Familien in unserem Bekannten- und Freundeskreis und die haben alle nie verschwiegen, dass sie nicht die leiblichen Eltern sind, schon von klein an.
Hm, denke da gerne nochmals drüber nach. Finde ich gut von deinen Bekannten übrigens; ich könnte mir aber vorstellen, dass so manche da Probleme mit haben.

Und das mit dem Brief - also ich weiß nicht, ob es sowas tatsächlich gibt, dass Ämter Briefe nach Jahren aushändigen? Hast du recherchiert? Mir kommt das komisch vor.
Klar hab ich das :cool: (bleibt natürlich ohne Gewähr). Meiner Recherche nach, wird den Müttern, die ihre Kinder zur Adoption freigeben, sogar ausdrücklich vom Jugendamt empfohlen, einen Brief zu schreiben, gerade weil es die verpflichtende Aufklärung gibt.

Wie schon gesagt, das Gesamtkonstrukt finde ich gut gewählt, an den Details kann man schon noch feilen.
Hatte die Feile schon in Gebrauch und lege sie wohl noch nicht aus der Hand.


Liebe bernadette, ganz herzlichen Dank für dein kritisches Auge und die lobenden Worte. Hast mir wirklich weitergeholfen.


Gruß


hell


Wird fortgesetzt ...


Hey Tintenfass,


wie schön :).

Marah drehte hohl.
Da ging es mir ganz anders als Kellerkind und José , denn ich war sofort im Text. Der Ausdruck gehört aber auch zu meinem Sprachgebrauch.
Puh, es gibt also ein paar Baden-Württemberger im Forum, die das verstanden haben. Ich hab' da schon an mir selbst gezweifelt :). Trotzdem - zum besseren Verständnis - habe ich den Anfang umgestaltet und aufs Hohldrehen verzichtet.

Ich finde die Geschichte gut durchdacht. Erst den Konflikt des Paares zeigen und dann Bumm, geht er spannen und rettet dem Objekt seiner Begierde nebenbei das Leben. So ein Schuft, dachte ich. Zuhause macht er auf solide, sagt ich Liebe Dich und Sex gibts auch. Dann kommt die Auflösung und ich schäme mich, ihn vorschnell verurteilt zu haben. Ich bin jetzt versöhnt und kann auch seine Not verstehen.
Freut mich, dass das bei dir so funktioniert hat.

Das wird sich auch Roland lange Zeit gefragt haben und ich verstehe, dass er den Anstreicher nicht mag. Total schön, wie man sich in beide Fragen hineindenken und verschiedenste Interpretationen zulassen kann. Gut möglich, dass der Anschrieb so eine Art Verbindung für ihn gewesen ist.
Auch hier, so war's gedacht; einfach schön, wenn das bei dir funktioniert.

Hier bekam ich Tränen und Gänsehaut und weil sich das so gut angefühlt hat, musste ich die Stelle gleich mehrmals lesen. Für mich der beste Satz im Text.
Ich reiche dir ein Taschentuch, und würde ich Lippenstift benutzen, sähest du jetzt einen Kussmund drauf. Danke.

Es würde mich für ihn freuen, wenn seiner Mom an einem Kontakt mit ihm gelegen ist.

Ich habs gerne gelesen und darüber nachgedacht.

Ja, das würde mich auch für ihn freuen.


Tausend Dank für deinen Kommentar, Tintenfass. Schön, dass du dir Zeit genommen hast.


Gruß


hell


Wird fortgesetzt ...

 

Hallo hell,

ich habe deine Geschichte gerne gelesen. :thumbsup:
Nur: Wo ist denn das hohldrehen geblieben? :D

Er zog die Pyjamahose höher und schlurfte Richtung Küche. »Willst du Kaffee?«
Sie blickte auf die Uhr. »Wenn's schnell geht?«
Ich verstehe ihre Frage nicht. Sie muss doch die gemeinsame Kaffeemaschine kennen und wissen, wie lange es in der Regel dauert oder denkt sie, er trödelt (sonst immer) zu sehr rum?
Geht er eigentlich nicht arbeiten oder wieso hängt er zuhause rum?
Vielleicht könnte man ja schreiben, dass er einen gelben hat oder Urlaub ...

Marah öffnete den Kühlschrank.
Warum? Es wird nicht erwähnt, was sie da macht.
Ist vielleicht jetzt etwas pingelig, aber das könnte man ja mit einbauen, dass sie Milch o.ä. herausgeholt hat.

»Klar.« Blick zur Uhr, Strähnen aus der Stirn. »Wie du meinst.«
Dieser mittlerer Satz, diese Aufzählung, passt m.E. nicht zum Duktus.

Roland war nicht zu seinen Eltern gefahren, wie er Marah erzählt hatte, sondern ganz woanders hin. Er saß im Wagen und fühlte sich wie ein Spanner.
Das habe ich erst später verstanden, dass er die Adresse von Andrea kennt und sie wohl schon öfter beobachtet hat. Beim ersten Lesen dachte ich, er hätte eine Geliebte.
Außerdem würde ich aus dem ersten Satz zwei machen.

Regentropfen auf der Windschutzscheibe ließen die Welt surreal erscheinen. Roland wollte eben den Scheibenwischer in Gang setzen, als Andrea Nolting aus dem Haus trat. Kein Zweifel, dass es sich um sie handelte, trotz des Friesennerzes, der Kapuze auf dem Kopf und der eingeschränkten Sicht.
Wessen eingeschränkt Sicht? Rolands, wegen den Regentropfen oder Andreas, wegen der Kapuze.

Sie lief los, verdammt!, das würde eng werden!, und noch ehe der Bus zu hupen begann, noch ehe Reifen quietschten, riss Roland die Türe auf und spurtete los.
Woher weiß Roland denn schon vorher, dass der Bus hupen würde? Wenn der Bus nicht mehr hakten könnte, würde er bestimmt auch vorher nicht mehr hupen.

Roland wusste es, musterte das Haus jedoch, als nehme er es zum ersten Mal wahr.
Der Satz wäre stärker, wenn du das erste streichst.
„Roland musterte das Haus, als nehme er es zum ersten Mal wahr.“

Angekommen, sagte er: »Schön haben Sie es. Die Narzissen hier ...«
»Die sind wirklich schön gekommen dieses Jahr. Hören Sie, vielen Dank für alles! Wirklich.«
Hm … Die Frau wurde beinahe vom Bus überrollt und sie quatschen über Narzissen. Ich weiß nicht … :confused:

Er sah das Mädchen in der fünfzigjährigen Frau.
Hiermit habe ich ein Problem. Die Nennung dieses Alters könnte man etwas subtiler machen.

»Und ich will Kinder mit dir. Und Enkelkinder, mit denen du puzzeln kannst und mit denen ich ins Stadion gehe.«
Wie? Die Kinder dürfen nicht puzzeln und ins Stadion? Nur die Enkelkinder? :lol:

Leider blieben mir einige Fragen offen.
Woher weiß er, dass Andrea seine Mutter ist? Aus dem Text geht nicht hervor, dass der Name erwähnt wird. Und er hatte ja geglaubt, darin etwas finden zu können – hat es aber anscheinend nicht.
Wie es scheint, hat Roland Marah nie was von dem Brief erzählt, bzw. davon, dass er adoptiert wurde, oder? Und wenn ja, warum denn nicht?

Ich habe schon die erste Version gelesen und finde es gut, dass du einiges schon gestrichen hast. „Sex war gut gewesen“. z.B.
Aber wer sagt mit denn jetzt, was „sie zog hohl“ heißt? ich kenne nur „sie zog blank“:lol:

Du hast dir ein schönes Thema ausgesucht und es gut umgesetzt.
Gefällt mir!

Schönen Tag und liebe Grüße,
GoMusic

 

So, jetzt muss ich mich doch noch mal in die Komms mischen.
GoMusic, du fragst zum Zitat: Marah öffnete den Kühlschrank.

Warum? Es wird nicht erwähnt, was sie da macht.
Ist vielleicht jetzt etwas pingelig, aber das könnte man ja mit einbauen, dass sie Milch o.ä. herausgeholt hat.

Ja richtig, das ist pingelig!
Und ich habe ein wenig Angst, dass man als Kommentator (damit bist du nicht alleine gemeint, GoMusic, ich nehm‘ dich nur als Beispiel, weil du als einer der Letzten kommentiert hast), durch den Anspruch, der Autor soll uns allerhand mögliche Fragen zu seiner Geschichte beantworten, die Struktur einer Kurzgeschichte zerreißt.

Natürlich kann man sich all diese Fragen zu der Kurzgeschichte stellen, ob Roland arbeitslos, krank oder in Urlaub ist; ob Marah Milch , Marmelade oder Bier aus dem Kühlschrank nimmt, inklusive der möglichen weiteren Fragen, wie Roland denn genau aussieht, welchen Wagen Roland fährt oder welche Sorte Brötchen er kauft.

Stellen kann man sich diese Fragen, aber dann sollte man sich auch die Frage stellen, ob alles, was man noch so am Rande wissen möchte, für die Kurzgeschichte, ihren Fortgang und ihre Aussageabsicht wichtig oder gar zwingend notwendig ist.
In einem Roman, einer Novelle wäre das wohl anders zu gewichten, aber eine Kurzgeschichte erhält ihre Würze durch Andeutungen, Metaphern und durch eine geraffte Handlung, die sich auf das Wesentliche, den Konflikt und dessen Lösung oder der Anbahnung zur Lösung (wie hier in hells Geschichte) konzentriert und so den Leser zur Interpretation anregt.
Jedenfalls sehe ich das so.

Da finde ich es doch scheißegal, warum Marah die Kühlschranktür öffnet; ich würde sogar akzeptieren, wenn sie planlos und hektisch einfach den Kühlschrank nur öffnen und schließen würde.

Man kann auch mit Korinthenpickerei den Kuchen zerbröseln.

Es wäre schade für diese Geschichte, wenn der gesamte Sprachduktus durch weitere Erklärungen zäh und klotzig würde.

Dazu ein weiteres Beispiel dazu, wie man durch unterschiedliche Lesarten den Autor verwirren oder gar in arge Bedrängnis bringen kann;
GoMusic, sorry, ich zitiere dich wieder aus deinem Kommentar:

»Klar.« Blick zur Uhr, Strähnen aus der Stirn. »Wie du meinst.«

Dieser mittlerer Satz, diese Aufzählung, passt m.E. nicht zum Duktus.

Doch, für mich ist der Duktus richtig:
Vergessen wir nicht, das Marah gerade „hohldreht“, (@hell: dieser Ausdruck wird uns allen ewig im Gedächtnis bleiben), die ist völlig angespannt, hektisch, dann geht das so zackig zu. Ich finde, dass hell den Gemütszustand Marahs hier sprachlich richtig umgesetzt hat.

Ich wollte das nur noch mal loswerden. Es ist so schwer, es jedem recht zu machen.

Lieben Gruß
kathso

 

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