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Bei Nacht und Nebel

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28.11.2014
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Bei Nacht und Nebel

Das Licht der Scheinwerfer strich über das Tor und ihnen sprangen die neongelben Zeichen in die Augen. Jemand hatte sie auf die grünen Flügel ihres Eingangstores gesprayt.
Jörn trat hart auf die Bremse und der Motor soff ab. Nun war es also passiert, ging es Theresa durch den Kopf. Das waren keine Graffiti. Runen waren das, genau wie die auf dem neuen Schild am Dorfeingang. ‚Magyarország a magyaroké’ – Ungarn den Ungarn! Diese Parole der Rechten hallte in Theresas Ohren, während Jörn und sie einen Moment wortlos verharrten.

Theresa gab sich einen Ruck und stieg aus. Je näher sie ihnen kam, umso größer und aggressiver erschienen ihr die grellen, eckigen Zeichen. Sie öffnete das Tor und Jörn fuhr in die Garage. Beim Schließen des rechten Flügels berührte Theresa versehentlich die Schrift. Die Farbe war noch weich und klebte an ihrem Finger. Während sie versuchte, ihn mit einem Taschentuch zu säubern, schaute sie auf den Weg, der von einer Lampe schwach beleuchtet ins Dorf führte. Nichts. Niemand war zu sehen. Auch die Fenster der Nachbarhäuser waren dunkel. Natürlich, dachte sie, es war nach zwei. Alle schliefen.

„Kommst du endlich?“
Jörn hatte die Eingangstür aufgeschlossen und wartete. Das Haus lag im Dunkeln, Wolken hatten sich vor den Mond geschoben und nur die Laterne am Nebengebäude tauchte den Hof und die alten Walnussbäume in ein diffuses Licht.

Schweigend betraten sie das Haus.
„Wer macht denn nur so was?“, fragte Theresa.
„Jugendliche, verrückte Jugendliche.“ Jörn verfehlte den Haken und der Mantel fiel zu Boden.
Er hob ihn auf. „Mach dir keine Gedanken. Das wird sich aufklären.“ Er drehte sich zu ihr. „Und bitte, fang nicht wieder an, dir irgendwas einzureden. Das sind nur blödsinnige Schmierereien.“ Er hängte den Mantel auf und wandte sich zur Küche. „Ich hol mir noch ein Bier.“ Er gab ihr einen flüchtigen Kuss. „Ich brauch noch einen Moment. Geh du ruhig schon schlafen.“
„Ja.“
Erst als Jörn schon in der Küche war, fiel es ihr ein: „Gute Nacht, Schatz. Schlaf gut.“
„Ja, du auch.“

Theresa stand unschlüssig vor dem Spiegel. Sicher hatte Jörn recht und es waren nur ein paar dumme Jugendliche, die sich einen Scherz erlaubt hatten. Sie löste die Spange aus ihrem Haar. Aber warum dann diese Zeichen? Sie hielt in der Bewegung inne.

Ihr Spaziergang am letzten Sonntag fiel ihr ein. Sie ging oft diesen Weg, der vom Parkplatz in den Wald führte. Er stieg nur sanft an und es war angenehm, ihm zu folgen. Meist waren sie hier allein und sie konnte den Hund von der Leine lassen.
An diesem Tag stand ein Pick-up neben dem Forstschild. Zwei Männer in braun-grüner Tarnkleidung waren damit beschäftigt, längliche Gegenstände abzuladen. Forstarbeiter, war Theresas erster Gedanke. Aber am Sonntag? Drei weitere Autos kamen und auch aus ihnen stiegen junge, ähnlich gekleidete Männer. Jetzt erst fielen Theresa die breiten Lederkoppel und Schulterriemen auf. Ein mulmiges Gefühl beschlich sie. Sie zog die Leine stramm und schneller als gewohnt liefen sie in den Wald.

Als sie nach einer Stunde zurückkamen, hatte Theresa die Männer vergessen und war erstaunt, dass nun mehr als zehn Autos auf dem Parkplatz standen. So viele hatten hier noch nie geparkt. Von den Männern war nichts mehr zu sehen. Sie mussten irgendwo im Wald sein. Alles war ruhig wie immer.

Sie hatte Jörn davon erzählen wollen, dann aber nicht mehr daran gedacht.
Jetzt, vor dem Spiegel, hatte sie die Szene wieder vor Augen. Das war nichts Offizielles. Wo gab es das, dass Soldaten sonntags im Privatauto zu einer Übung kamen?

Es hätte auch keinen Sinn gehabt, Jörn von ihrem Erlebnis zu erzählen. Von ihrem Unbehagen über die neue politische Situation wollte er nichts wissen. Sie solle aufhören, alles immer so zu dramatisieren. Das Land gehöre zur EU. Und solange das so sei, brauche sich niemand irgendwelche Gedanken zu machen.

Die Katze hatte sich in ihrem Korb neben dem Bett eingerollt. Theresa spürte, dass sie nicht so schnell einschlafen würde und stellte den kleinen Fernseher an. Die Diskussion über den neu gewählten amerikanischen Präsidenten lenkte sie einen Moment ab, dann schob sich das grüne Tor mit den grellgelben Zeichen wieder davor. Das waren keine Graffiti. Das waren Zeichen, wie sie jetzt überall zu sehen waren.

Theresa hatte Ildikó, ihre Nachbarin, gefragt:
„Sagt ihr wirklich Runen dazu?“
„Ja, auch.“ Ildikó wollte es damit bewenden lassen, spürte aber wohl, dass das Theresa nicht genug war und fuhr beinahe trotzig fort: „Das versteht ihr nicht. Wir sind stolz darauf. Das war unsere eigene Schrift, bevor wir die lateinischen Buchstaben übernehmen mussten.“
Theresa fühlte sich immer auf dünnem Eis, wenn sie mit Ildikó über Politik sprach. Einerseits fand sie es angenehm, jemanden zu haben, der so gut Deutsch sprach. Andererseits gab es seit dem Referendum gegen die Aufnahme von Flüchtlingen Momente, in denen Theresa spürte, dass sie bei dem, was sie ihrer Nachbarin sagte, wachsam sein sollte.

Im deutschen Fernsehen liefen jetzt Nachrichten. Der scheidende und der neue Präsident hatten sich getroffen und es schien, als würde wohl doch nicht alles so schlimm werden.
Sicher machte sie sich auch mit den Schriftzeichen verrückt.
Die rassistisch motivierten Übergriffe hätten seit der Wahl deutlich zugenommen, sagte der Nachrichtensprecher. Theresa drückte die Fernbedienung.

Im Zimmer war es noch nicht völlig dunkel. Die Wolken hatten sich verzogen und hinter den kahlen Zweigen der Bäume sah Theresa die milchige Scheibe des Mondes.
In den letzten Jahren war alles immer schöner geworden, dachte sie. Auch die Stallgebäude hatten sie erneuern lassen. Das ganze Anwesen hatte jetzt etwas Gediegenes. So hatte Jörn es sich vorgestellt, als er beschloss, den Hof, der kurz vor dem Verfall stand, wieder zu neuem Leben zu erwecken. Er hatte in Szeged ein paar Jahre als Geschäftsführer einer deutschen Firma gearbeitet und kurz, bevor er sich zur Ruhe setzen konnte, dieses halbverfallene Gebäude entdeckt. So hatte sich die Frage, ob sie zurückkehren würden, wie von selbst erledigt. Natürlich spielte auch das bessere Klima eine Rolle.

Theresa hörte Jörn ins Badezimmer gehen und rückte im Bett ein wenig zur Seite. Sie horchte, wartete aber vergebens. Sie schloss die Augen.
Zuerst waren es Schmierereien an Türen, dann klirrende Fensterscheiben, dann brannten Häuser. Wie oft hatte sie früher ihren Schülern erzählt, dass das erst der Anfang gewesen war.

Theresa wälzte sich auf die andere Seite. Sie musste damit aufhören. Jörn hatte recht, sie steigerte sich gerne in etwas hinein. Vielleicht sollte sie ein Glas Wein trinken? Das half meistens, wenn sie nicht gleich einschlafen konnte. Sie stand auf, zog den Bademantel über und ging ins Wohnzimmer.

Jörn hatte sich noch ein weiteres Bier geholt. Er saß im Sessel und hatte die Füße hochgelegt. Der Fernseher war dunkel.
„Kannst du nicht schlafen?“
„Nein.“ Theresa goss sich ein Glas Wein ein, setzte sich ihm gegenüber und legte die Hände auf seine Füße.
„Was machen wir, wenn die uns hier nicht mehr wollen?“
Jörn sah auf das Bier in seiner Hand. „So weit sind wir noch lange nicht.“
„Ich möchte dann lieber nach Hause. Das halte ich nicht aus.“

Jörn schaute auf das Fenster zum Hof. „Keine Ahnung, was das soll. Wahrscheinlich wird es das Beste sein, wenn wir das Tor einfach überstreichen lassen.“
Klar, dachte Theresa, einfach alles übertünchen.
„Damit ist nichts gewonnen", sagte sie.
Sie unterdrückte ihre aufkommende Gereiztheit und fuhr leise fort: „Wenn die das ernst meinen, dann wiederholen die das. Glaubst du nicht auch?“
Jörn sah sie an. „Ja … Kann schon sein … Keine Ahnung.“ Er schaute zum Telefon. „Ich könnte versuchen, Ferry zu erreichen. Vielleicht hat er Nachtschicht und ist im Einsatz?“
„Und, was soll das bringen?“
„Immerhin ist das fremdes Eigentum, was die beschädigt haben. Das ist auch hier strafbar.“
Jörn nahm einen Schluck, lehnte sich zurück und schloss die Augen.

Theresa betrachtete ihn. Er wirkte jünger, als er war. Der Job hatte ihn nicht verschlissen. Es war gut, dass er hier noch eine neue Aufgabe gefunden hatte und sogar seinen Lebenstraum verwirklichen konnte. Schon immer war es sein Wunsch gewesen, aus einer heruntergekommenen Ruine wieder etwas richtig Tolles zu machen. Und so präsentierte es sich jetzt auch. Das alte Gutshaus mit dem großen Innenhof und der schönen Gartenanlage dahinter wirkten, als warteten sie auf den Fotografen eines Immobilienmagazins.
Wenn Jörn gefragt wurde, ob er sich vorstellen könne, zurück nach Deutschland zu gehen, war seine Antwort stets, dass das hier sein Alterssitz sei und er hier sterben wolle. Theresa hielt sich in letzter Zeit bei diesem Thema zurück. Sie war froh, wenn sie niemand nach ihrer Meinung fragte.

Ihre Nachbarn waren nette Leute. Tiefe Freundschaften waren in den Jahren nicht entstanden, aber man ging aufmerksam miteinander um. Irgendwann hatte Theresa von Ildikó auf Facebook eine Freundschaftsanfrage erhalten und dann festgestellt, dass ihre Nachbarin ziemlich aktiv war: Kaum eine Woche verging, in der sie nicht ein neues Kochrezept einstellte. Daneben verlinkte sie in letzter Zeit aktuelle Zeitungsmeldungen. Am Anfang war Theresa neugierig auf Ildikós politische Meinung gewesen, aber dann hatte sie sich entschieden, auf ‚nicht mehr abonnieren’ umzustellen. Diesen populistischen Scheißdreck, wie sie es in Gedanken nannte, brauchte sie nicht.

Jörn stand auf.
„Ich geh dann mal. Du solltest dich auch hinlegen. Das ganze Grübeln hat keinen Sinn."

Die Wirkung des Weins ließ auf sich warten. Theresas Blick fiel auf den Drogerieschrank mit den vielen weißen Emaille-Schildchen, auf denen die lateinischen Namen der Kräuter, Blüten und Samen standen. Er war aus massiver Eiche und es hatte drei Männer gebraucht, ihn vom Umzugswagen ins Haus zu wuchten. Vielleicht konnte man ihn stehen lassen? Die Leute hier liebten solche Antiquitäten.
Im Moment wirkte er recht kahl. Nur der silberne Leuchter, den sie von ihrer Mutter geerbt hatte, stand noch darauf. Theresa hatte das verblühte Herbstgesteck runtergenommen. In der nächsten Woche würde sie mit der Weihnachtsdekoration beginnen. Aber machte das überhaupt noch Sinn?

Sie saß noch eine Weile, ging dann rüber, legte sich neben ihren schlafenden Mann und schaute zum Hoffenster. Der Mond war nicht mehr zu sehen, aber es war immer noch hell und die Bäume vor dem Fenster hatten etwas Schattenrissartiges – wie eine Theaterkulisse.

Irgendwas war los im Hof. Theresa öffnete die Haustür. Ferry war gekommen. Auch er trug jetzt Braun-grün. Sie lief auf ihn zu, griff nach seinem Arm. Mit einer brüsken Bewegung schüttelte er ihre Hand ab und drehte sich weg.
Sie schaute sich verzweifelt um, wusste nicht, an wen sie sich wenden sollte. Am Fenster stand Ildikó und lächelte ihr zu. Doch als Theresa auf sie zulief, verwandelte sich ihr Lächeln in ein kaltes Grinsen. Triumphierend hob sie den silbernen Leuchter in die Höhe und schwenkte ihn hin und her.
Stimmen erklangen hinter Theresa. Sie drehte sich um und sah Nachbarn am geöffneten Tor stehen. Rhythmisch johlten und klatschten sie in die Hände. So sehr sie sich bemühte, Theresa verstand nicht, was sie grölten.
Mit quietschenden Bremsen stoppte der Pick-up vor dem Tor. Die Männer aus dem Wald sprangen raus, knallten die Türen und lösten die hintere Klappe.
Jörn kam aus dem Haus; gebeugt wie ein alter Mann ging er an ihr vorbei. Er trug immer noch seinen Schlafanzug. Als er das Tor erreichte, richtete ein Junge die Spraydose auf ihn. Grellgelbe Farbe rann dickflüssig über die Streifen des Pyjamas.
Theresa stand wie gelähmt. Um sie herum war plötzlich Stille. Von irgendwoher löste sich eine Melodie, die wogend lauter und lauter wurde.

Theresa erwachte. Ihr Kopf tat ihr nur widerstrebend den Gefallen, Traum und Wirklichkeit voneinander zu trennen. Zurück blieb dumpfe Angst, zu der das Hellblau und Rosa des Novemberhimmels einen fast tragischen Kontrast bildeten.
Jörn war schon aufgestanden. Der auf- und abschwellende Anfang von Griegs ‚Morgenstimmung’ wurde quälender und Theresa griff nach ihrem Handy. Es war Ildikó.

„Hallo Ildikó.“ Theresa schob sich umständlich ans Kopfende, um aufrecht sitzen zu können.
„Morgen Theresa. Habt ihr es schon gesehen?“
„Ja. Als wir zurückgekommen sind.“
„Sieht schlimm aus.“
„Kann man so sagen.“
„Es ist Lack, Autolack.“
„Ist das nicht ganz egal, was das ist?“
Theresa bereute ihre Schroffheit. Gefasster fuhr sie fort:
„Ildiko, kannst du mir sagen, warum jemand so etwas tut?“
„Palinka. Schnaps. Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, warum die beiden das gemacht haben.“
Theresas Kopf dröhnte. „Welche beiden?“
„Na, die Kovacs-Brüder.“
„László und Sàndor?“ Theresa kannte die Zwillinge. Ihr Vater betrieb im Ort eine kleine Autowerkstatt „Was haben die gegen uns?“
Ildikó schien ihre Frage nicht gehört zu haben. „Die sind in irgend so einem Verein. Wahrscheinlich kommt alles daher?“
„Was?“
„Das mit den Zeichen.“
Theresas nächtliche Gedanken kehrten zurück und drängten aus ihr heraus.
„Ildikó, kannst du mir sagen, was das alles mit uns zu tun hat? Warum gerade wir? Was haben wir falsch gemacht? Was haben wir euch getan? Warum will man uns hier weg …?“ Ihre Stimme überschlug sich und wurde von einem Schluchzen erstickt.
Es dauerte einen Moment, bis Ildikó wieder etwas sagte.
„Theresa, beruhige dich … Das hat doch mit euch nichts zu tun. Wie kommst du denn nur auf so was?“
„Wie ich darauf komme? Das fragst du noch?“
Sekunden vergingen.
Durch den Tränenschleier sah Theresa ein Eichhörnchen, das auf einen weit ausladenden Ast geklettert war. Es verharrte einen Moment und drehte den Kopf, als überlege es, wohin es nun solle. Mit einem gewagten Sprung erreichte es das Dach der Scheune.
Ildikó sprach jetzt lauter, eindringlicher: „Also, Theresa! Was hast du dir da nur eingeredet? Wir sind doch Nachbarn. Gute Nachbarn. All die Jahre. Wie kommst du darauf, dass irgendjemand euch hier nicht will? … Ihr seid doch keine Flüchtlinge. Das alles hat doch mit euch nichts zu tun. Kein Mensch will, dass ihr weggeht.“
„Ja, aber warum dann gerade unser Tor?“
Auf der anderen Seite blieb es einen Moment still.
„Hör mir zu Theresa: So ist das doch gar nicht… Jedes Tor hier in unserer Straße …“ Sie machte eine Pause und begann noch einmal: „Hör mir zu: Alle Tore haben sie beschmiert. Alle! … Die Jungs haben einfach viel zu viel getrunken. Und dann hatte wohl jemand die Idee mit der Mutprobe … Frag mich nicht, warum sie gerade Runen genommen haben. Wahrscheinlich wissen sie das selber nicht. Dumme Jungen eben.“
Wieder schien sie darauf zu warten, dass Theresa sich äußerte.
„Wie kommst du nur darauf, dass wir etwas gegen euch haben? Ihr seid doch Deutsche. Kein Mensch will euch was. Euch doch nicht!“

Theresa legte das Handy neben sich. Ihre Glieder schmerzten und in ihren Ohren hämmerte Ildikós: ‚Euch doch nicht’. Sie rieb mit dem Handrücken über die Augen und atmete tief durch. Der Knoten begann sich zu lösen. Es war ja alles gar nicht so schlimm. Ein dummer Jungenstreich – nichts weiter.

In der Küche klirrte es. Theresa hörte einen Fluch. Jörn musste etwas aus der Hand gefallen sein. Etwas war kaputtgegangen.

 

hallo barnhelm,

beeindruckende Geschichte, die ich schon kurz nachdem du sie hier eingestellt hast gelesen habe, aber bislang bin ich noch nicht zum Kommentieren gekommen.

Ich mag die klare Art, wie du formulierst. Das ist sehr gradlinig und auf den Punkt formuliert, was dieser Geschichte zu Gute kommt. Vielleicht klingt es jetzt ein bisschen komisch, aber es ist ein bisschen wie eine gelesen Dokumentation, was ich positiv meine.

Man steht in gewisser Weise direkt neben deinen Figuren und sieht ihnen zu.
Spannend ist der gewählte Blickwinkel, gerade im Hinblick auf die Auflösung, die je nachdem ja zwei Sichtweisen ermöglicht: a) alles nicht s so schlimm oder b) Achtung, es schwelt was. Dein Ende weist deutlich mehr auf b.

Spannend ist zudem, dass zwischen Jörg und Theresa ein Konflikt angedeutet wird, der noch gar nicht wirklich ausgebrochen ist, vielleicht im Hintergrund da ist, aber in Bezug auf die ganze Thematik erst richtig groß zu werden droht. Bleiben? Gehen?
Wie auch immer ... ich mag das offene Ende sehr.

Ich habe jetzt nicht alle Kommentare gelesen, weil ich sonst definitiv nicht alle Challenge-Geschichten kommentiert bekomme, aber ist der Traum neu? An den konnte ich mich nicht erinnern bei der zweiten Lektüre. Gut geschrieben, aber für meinen Geschmack fast zu viel, weil du da deinen dokumentarischen Erzählstil unterbrichst. Ist natürlich Geschmackssache, aber für mich braucht es den nicht unbedingt ... ich finde das ist die einzige Stelle, wo du ein bisschen zu dick aufträgst, so als wärest du dir der Wirkung deiner Geschichte nicht sicher. Sie wirkt aber auch ohne Traum - meiner Meinung nach sogar besser.

Aber Traum hin, Traum her, die Geschichte habe ich zweimal gern gelesen. Kompliment!
LG svg

 
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Lieber weltenläufer,

leider komme ich erst jetzt dazu, die letzten Kommentare zu meiner Geschichte zu beantworten. Das Weihnachts-Hin- und Her wirft mich ein wenig aus meinem normalen Rhythmus.

Auf jeden Fall danke ich dir für deinen Komm.

Ich gehe gleich mal zum wichtigsten Punkt deiner Kritik: die Sache mit dem Traum.

In eine ähnliche Kerbe haut für mich die Traumsequenz. Das finde ich auch aufgesetzt. Also, schon klar, weshalb du dieses Szenario in die Geschichte bringst, aber ich finde, es ist die denkbar einfachste Variante

Beim Querlesen heute morgen habe ich gesehen, dass sich auch svg und maria.meerhaba ähnlich äußert haben. Ja, ich habe den Traum zusätzlich eingefügt und bin selber auch nicht ganz glücklich damit. Ich hoffe, ich komme in den nächsten Tagen dazu, mir die ganze Geschichte noch einmal vorzunehmen. Eventuell kann ich Jörg und den Konflikt zwischen Theresa und ihm auch noch etwas vertiefen.

Aber, um wieder zum Anfang zu kommen, ich habe die Geschichte trotzdem gerne gelesen. Da ist eine dauerhafte unangenehme Spannung drin. Also dieses Kopfkino der Theresa, das überträgt sich sehr gut, habe da mit allem gerechnet.
Das Thema der Challenge hast du für mich bisher am besten aufgegriffen, bin aber auch noch lange nicht mit allen Geschichten durch.

Bei allen Geschichten, die ich mir bisher ausgedacht habe, steht dieses Kopfkino für mich im Vordergrund. Das zu zeigen ist mein Hauptinteresse. Mal gelingt es besser, mal muss ich mich noch mehr in die Person hineinversetzen. Ich übe weiter.
weltenläufer, ich danke dir fürs Lesen und Kommentieren und wünsche dir eine angenehme Weihnachtszeit.

Lieber jimmysalaryman,

auch dir danke ich für deinen Kommentar und für deine guten Hinweise. Ich habe ihn mir ausgedruckt und werde ihn beim Überarbeiten (zu dem ich hoffentlich bald komme) Punkt für Punkt berücksichtigen. Sehr vieles leuchtet mir unmittelbar ein, manches wurde ja auch schon von anderen genannt.
Deshalb gehe ich jetzt nicht auf die einzelnen von dir genannten Stellen ein.

Zentral fand ich allerdings diese Anmerkung:

Von ihrem Unbehagen über die neue politische Situation wollte er nichts wissen.
Das wäre natürlich perfekt für eine Szene. Hier könnten beide Personen aus dem Schatten heraustreten und Profil gewinnen. DAS hier wäre sehr wichtig für die Tiefe und Echtheit der Geschichte. Lass sie sagen, was sie denken.

Ein wirklich guter gedanklicher Ansatz.

Jimmy, ich danke dir für deine Hilfestellungen.

(Nb: Deine Geschichte fand ich aufwühlend und wieder einmal beeindruckend in ihren feinen Beschreibungen und Beobachtungen.)

Lieber Geschichtenwerker,

auch dir danke fürs Kommentieren.

Dich haben ein paar Stellen in meinem Text aus dem Lesefluss gerissen. Ich werde mir überlegen, was ich ändern kann.

Das Licht der Scheinwerfer strich über das Tor
Bei "streichen" sehe ich, warum auch immer, eine vertikale Bewegung vor meinem geistigen Auge. Ich denke aber, Du meinst eine horizontale, weswegen ich bei dem ersten Teilsatz kleben bleibe und nachdenke. Das ist schade, dann das Wichtige kommt im nächsten Teilsatz.

Diesen Aspekt haben ja auch schon bernadette, Jimmy u.a. angesprochen. Ich bin im Moment noch recht blockiert und finde keinen richtigen Ersatz. Aber mit ein bisschen Abstand wird mir vielleicht etwas einfallen.
Geschichtenwerker, danke für deine Anmerkungen.

Liebe maria.meerhaba,

danke dir fürs Lesen und Kommentieren.

Du hast immer noch den stichwortartigen Stil, mit dem ich mich wohl nie anfreunden werde, aber hier ist es okay. In dieser knappen Form funktioniert er, stört nicht so sehr und ich glaube, weil ich so gebannt von dem Thema bin, habe ich die Geschichte deshalb förmlich verschlungen.

Das ist doch schon mal was. Ich möchte natürlich gerne so packend schreiben können, wie es dir gelingt, aber da steht mir vermutlich mein Naturell im Wege.

Du bringst die Panik der Dame auch sehr gut zur Geltung. Das fand ich gut. Obwohl mir der Teil mit dem Traum überhaupt nicht gefallen hat. Das war irgendwie Hollywoodmäßig.

Ja, das mit dem Traum muss ich noch mal überlegen (s.o.)

Immerhin freue ich mich darüber, dass ich mich nach dem Lesen deines Kommentars entspannen konnte und mir keine schlaflose Nacht beschert war :D.

Maria, ich wünsche dir eine kuschlige Weihnachtszeit.

Liebe Grüße euch allen.

barnhelm

peregrina, svg morgen geht’s weiter.

 

Liebe peregrina,

erst jetzt komme ich zu deinem Kommentar. Tut mir leid. Irgendwie schaffe ich es im Moment nicht, mich mit dem Forum (und auch mit meinen Text) so zu beschäftigen, wie ich es mir wünsche. Danke auf jeden Fall dafür, dass du dich so ausgiebig mit meiner Geschichte beschäftigt hast.

Nenn' mich penibel oder rachsüchtig , obwohl ich weiß, der Satz ist grammatikalisch korrekt, und es mir bekannt ist, dass den Scheinwerfern niemals die Zeichen in die Augen springen können, interpretiert mein Gehirn die Aussage so. Das irritiert mich. Vielleicht magst du mal aus dieser Warte auf den Satz gucken?

Natürlich, dieser erste Satz. Ich muss da ran. Das siehst ja nicht nur du so. :D Wer liefert mir eine Alternative?

So hatte sich die Frage, ob sie zurückkehren würden, wie von selbst erledigt. Natürlich spielte auch das bessere Klima eine Rolle.

Besseres Klima könnte zu Verwirrung führen, du meinst Klima von Wetter bestimmt, man könnte aber auch die politische Situation darunter verstehen, die ist alles andere als besser

Das sehe ich so wie du. Ich werde überlegen, wie ich die Zweideutigkeit herausbekomme.

Und natürlich die Sache mit dem Traum. Den habe ich eingefügt, um den Text weniger ‚brav’ zu gestalten, bin mir nach den verschiedenen Anmerkungen dazu nicht mehr so sicher. Er steht auf meiner Änderungsliste und ist mit drei Fragezeichen versehen. Ja, es braucht ihn wahrscheinlich nicht wirklich.

eine grandiose Geschichte. Du zeigst wunderbar diesen Prozess, der sich in uns abspielt, wenn längst Befürchtetes ein Gesicht bekommt.

Das höre ich natürlich gern, obwohl mir doch inzwischen so einige Zweifel gekommen sind.

Liebe peregrina, du hast mir wohltuende, aber auch kritische Gedanken mit auf den Weg gegeben. Dafür danke ich dir.

Dir und deinen Lieben weiterhin schöne Advents- und Weihnachtstage.

(Nb. Deiner Geschichte haben die kleinen und größeren Veränderungen sehr gut getan. Sie gefällt mir immer besser.)


Lieber svg,

Ich mag die klare Art, wie du formulierst. Das ist sehr gradlinig und auf den Punkt formuliert, was dieser Geschichte zu Gute kommt. Vielleicht klingt es jetzt ein bisschen komisch, aber es ist ein bisschen wie eine gelesen Dokumentation, was ich positiv meine.

Für diese Bemerkung danke ich dir. Damit fasst du zusammen, was ich selber über meine Geschichte denke. Es ist aber für andere eben auch ein Punkt der Kritik, weil diese Sachlichkeit nicht jedermanns Sache ist.

Zum Schluss kommst du auf die mich inzwischen verfolgende Frage nach dem Traum zu sprechen. Ja, braucht die Geschichte ihn wirklich (s.o.)?

svg, ich danke dir für deinen aufbauenden Kommentar.

(Zu deiner Geschicht noch ganz kurz: Ich habe sie – wie einige andere – aus Zeitgründen bisher nicht kommentieren können, aber ich möchte dir sagen, dass sie zu meinen absoluten Favoriten gehört.)

Auch dir wünsche ich eine angenehme Weihnachtszeit.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hallo barnhelm,

Du möchtest Input zum ersten Satz?

Natürlich, dieser erste Satz. Ich muss da ran. Das siehst ja nicht nur du so. Wer liefert mir eine Alternative?

Hier liefere ich ein paar Anregungen, die Dir vielleicht helfen:

Die erste Variante soll eine langsame Bewegung des Scheinwerfers darstellen, sodass man die Zeichen sieht, während das Scheinwerferlicht darauf fällt, die zweite Variante weiter unten soll eine schnelle Bewegung des Scheinwerferlichts darstellen und die Zeichen leuchten nach, nachdem das Licht weg ist.

Das Licht der Scheinwerfer wanderte/kroch/zog/lief über das Tor und neongelben Zeichen leuchteten/blitzten auf.

Das Licht der Scheinwerfer huschte/raste/schoss über das Tor und neongelben Zeichen fluoreszierten/glimmten/glühten im Dunkeln.

Soviel ein kleiner Input am frühen Morgen. Wie gesagt, vielleicht hilft Dir das ein wenig.

Gruß
Geschichtenwerker

 

Lieber Geschichtenwerker,

da bedanke ich mich doch gleich für diese prompte Reaktion und deine guten Überlegungen.
Um in der weihnachtlichen Diktion zu bleiben: Ich werde deine Worte in meinem Herzen bewegen;) und sehen, wie sie mir helfen, diesen ersten Satz treffender zu gestalten.

Liebe vorweihnachtliche Grüße
barnhelm

 

Liebe barnhelm,

weiß gar nicht, was so störend an dem ersten Satz sein soll. Jeden Morgen erlebe ich, wie Scheinwerferlicht über meine Zimmerdecke streicht, nämlich wenn mein Nachbar in aller Herrgottsfrüh an unserm Haus vorbeifährt. Aber damit du noch ein wenig mehr in deinem Herzen bewegen kannst (bist du bibelfest?:read:), noch ein weiterer Vorschlag:

Das Licht der Scheinwerfer erfasste das Tor und sofort sprangen ihnen die neongelben Zeichen in die Augen.

Deine Traumsequenz habe ich aufmerksam gelesen. Sie ist psychologisch gut verankert, und trotzdem glaube ich nicht, dass sie unbedingt notwendig ist. Die zunehmende Furcht vor den politischen Veränderungen ist für mich auch so hinreichend belegt, gerade im Blick auf Ildiko.

Wenn es dir um eine Paargeschichte ginge, dann wäre der politische Hintergrund lediglich Anlass, aber nicht Grund für den zunehmenden Konflikt zwischen den beiden. Aber hier geht es um mehr als das Private, so habe ich deinen Text verstanden. In deinem letzten Satz zeigt sich die ganze Wucht.

Liebe barnhelm, es ist gerade deine Sachlichkeit , die mir an deinen Texten gefällt. Warum ein bewährtes "Markenzeichen" aufgeben?

Ich wünsche dir eine friedliche Zeit und etwas Optimismus, den wir alle derzeit brauchen werden.

Herzlichst
wieselmaus

 
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Liebe barnhelm, liebe wieselmaus,

musste gerade über euren Meinungsaustausch schmunzeln und kann nicht anders als zu
kommentieren:

Dem einen ist meine Nase zu weit links im Gesicht.
Zu weit rechts erscheint sie dem andern und das gefällt ihm nicht.
Und flugs ergreift das Wort der Dritte und er bemerkt alsdann:
Sie sitzt zu sehr in der Mitte und ich sollt was ändern daran.

Der gute Reinhard wusste es schon vor vierzig Jahren, dass man nur mit einer gewissen Gelassenheit und Reife solch existentiellen Fragen begegnen kann.

Zitat von wieselmaus
Liebe barnhelm, es ist gerade deine Sachlichkeit , die mir an deinen Texten gefällt. Warum ein bewährtes "Markenzeichen" aufgeben?

Das ist eine berechtigte Frage. Es würde keinen Sinn machen, seine Einzigartigkeit aufgeben zu wollen.

In diesem Sinne wünscht euch Hobbypsychologin peregrina eine erleuchtete Woche

 

Liebe wieselmaus,
peregrina bringt es sehr schön auf den Punkt und ich habe dem nicht viel hinzuzufügen, außer, dass ich dir, liebe wieselmaus für dein Statement danke. Aber mein Dilemma bleibt leider bestehen. Im Moment schiebe ich alles noch ein wenig hinaus und greife nach jeder sich bietenden Rechtfertigung (Plätzchen backen, Vögel füttern usw.)

In diesem Sinne, euch beiden, danke für eure Hilfestellungen.

Liebe Grüße
barnhelm

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe barnhelm

ich komme spät. Ich weiß. Die Reihenfolge meiner Kommentare entspricht auch nicht unbedingt der Reihenfolge der eingestellten Geschichten, sondern ist irgendwie so ein wenig chaotisch.
Jedenfalls wollte ich mich zumindest noch bei all denen bedanken durch ein kleines feedback, die mich und meine Geschichte besucht haben.

Liebe Barnhelm, ich will es kurz machen, ich habe deine Geschichte sehr, sehr gerne gelesen. Du lässt die Bedrohlichkeit ganz langsam wachsen, indem du die Wandschmierei mit dem Paarkonflikt kombinierst. Er will die Fremdenfeindlichkeit nicht wahrnehmen, sie nicht auf sich beziehen, will unter allen Umständen bleiben, sie fühlt sich nicht mehr heimisch, nicht mehr geborgen.
Was ich an deiner Geschichte dann richtig gut fand, ist, wie du einerseits die Spannung (leider nur ein Traum, damit habe ich es nie so) erhöhst, sie scheint sich dann im Guten aufzulösen in dem Gespräch mit der Nachbarin, aber genau in demselben Gespräch merkt man, jetzt kommt der eigentliche Schnitt. Es gibt eben Ausländer und Ausländer. Und genau das empfinde ich als sehr gut dramatisierte Botschaft deiner Geschichte, die es einem kalt über den Rücken laufen lässt.
Mir fiel auch Niemöllers Gedicht ein, das trifft es sehr.

Ich empfinde deinen Stil übrigens als ruhig, als klar und als vorwärtstreibend. Ich schreibe das nur, weil ich irgendwo in deinen Antworten mal was gelesen habe, dass du ihn als brav wahrnimmst. Pfff, so sehe ich das überhaupt nicht. Sondern er ist sehr ruhig und zielbestimmt. Eben dein Stil. Aber für mich macht den Spaß am Lesen eben auch gerade die Vielfalt der Stile und der Herangehensweisen an ein Thema aus.
Nur, was du wirklich probieren könntest, ich habe das in den Kommentaren von Peeperkorn und jimmysalarayman gelesen, dass du die Einordnung "sie dachte" "sie erinnerte sich" etc. mal probeweise weglässt hier oder in einer deiner nächsten Geschichten oder das zumindest reduzierst. Ich finde gerade bei der Erinnerung an die Tarnmänner im Wald erhält die Erinnerung eine ganz andere Wucht, der Leser muss zwar auch ein bisschen arbeiten, wenn er sofort in die Erinnerung geworfen wird, aber er schafft das ja und sein Zusammenbinden der beiden Elemente dürfte nachhaltiger werden, mehr Aha-Erlebnis werden, so meine Einschätzung.

Viele Grüße an dich und vielen Dank für diese beunruhigende Geschichte.
Novak

 

Liebe Novak,

danke für deinen freundlichen Kommentar.

… ich will es kurz machen, ich habe deine Geschichte sehr, sehr gerne gelesen.

Das tut gut. Und ich freue mich auch darüber, wie genau dich meine Intention erreicht hat.

Dankbar bin ich dir aber auch für deine Anregung (und die von jimmysalaryman und Peeperkorn):

Nur, was du wirklich probieren könntest, ich habe das in den Kommentaren von Peeperkorn und jimmysalarayman gelesen, dass du die Einordnung "sie dachte" "sie erinnerte sich" etc. mal probeweise weglässt hier oder in einer deiner nächsten Geschichten oder das zumindest reduzierst.

Das leuchtet mir unmittelbar ein – auch, wie du es anschaulich begründest. Ich liebe solche Tipps, weil sie sich praktisch umsetzen lassen. Meinen Stil zu schreiben, werde ich nur schwerlich verändern können, aber solche Anregungen helfen mir wirklich weiter.

Liebe Novak, am Ende des Jahres noch etwas OT:
Danke für deine unermüdliche Bereitschaft, dich mit uns und unseren Texten zu beschäftigen, aber auch besonders dafür, dass du es mit deiner Herzlichkeit schaffst, das Forum zu einem angenehmen Ort des Austauschs und der Begegnung zu machen.

Einen guten Rutsch wünscht dir

barnhelm

 

Hallo barnhelm,

ich bin was diese Geschichte anbelangt, etwas zwiespältig, weil sie einerseits gut geschrieben ist, du hast einen angenehm flüssigen Schreibstil und ich fühlte mich auch stets unterhalten von der Handlung.
Andererseits frage ich mich, was ich eigentlich von dieser Geschichte wirklich mitnehme.

Die Handlung ist ja, um mal gleich beim Thema Plot einzusteigen, eher seicht angelegt und lässt sich mit einem Satz zusammenfassen: eine Frau gerät infolge der europäisch politischen Lage und der Schmierereien am Eingangstor ihres Hauses in Furcht, die sich am Ende als unberechtigt herausstellt.
Also ein Plot, den es schon des Öfteren mal in Geschichten und Romanen gibt.

Das Problem bei Handlungen, die schon andere Autoren zuvor verarbeitet haben, ist somit die Herausforderung, trotzdem aus dem Altbekannten etwas Neues zu schaffen. Und gerade das gelingt dir hier nicht, denn es passiert nichts, was ich nicht schon einmal wo gelesen hätte. Deine Figuren benehmen sich, wie erwartet. Das alles ist auf der anderen Seite in gut lesbare Sprache verpackt und auch mit einer gewissen Spannung durchgezogen. Also handwerklich gute Arbeit. Aber mir fehlt das Überraschende.

Bisher habe ich jeweils auch immer etwas zum Titel gesagt. Auch bei deinem Titel bin ich ein wenig gespalten. Einerseits ist er durchaus treffend, denn die Schmierereien waren ja eine Nacht- und Nebelaktion und man könnte es auch im übertragenen Sinne so sehen, dass sich deine Protagonistin im Nebel und in der Nacht befindet mit ihren Ängsten. Also ein durchaus doppeldeutiger Titel.

Dennoch ist der Begriff Nacht und Nebel ziemlich verbraucht und würde mich als Leser nicht so unbedingt hinter dem Ofen hervorlocken und deine Geschichte anklicken lassen. Im Grunde genommen wiederholt sich bei dem Titel dasselbe Problem, nämlich, diese Mischung aus klugem Stil und handwerklich guter Umsetzung, aber in dem Kleid des Altbackenen.

Das Challengethema ist allerdings ohne Frage erfüllt.

Zwei textliche Kleinigkeiten fielen mir noch auf.

Runen sind für mich eher nicht Buchstaben, wie sie die Schlingel am Tor der Protagonistin verwendet haben, sondern sie haben andere Formen und ich verbinde mit Runen auch mehr Germanisches. Ungarn verbinde ich irgendwie nicht mit Germanischem, bin aber in puncto Geschichte bezüglich der Gemanenzeit nicht sattelfest. Ich finde den Begriff daher etwas unglücklich gewählt.

Genauso unglücklich finde ich die Formulierung

warteten sie auf den Fotografen eines Immobilienmagazins.

Das wirkt so überdreht, wie diese Magazine meist selbst sind. Deine Protagonisten sind aber rechtschaffene solide Leute, die sicherlich ein heimeliges Heim erschaffen haben, aber bestimmt nichts Schickeriahaftes an sich haben. Insoweit passte die Formulierung nicht.


Lieben Gruß

lakita

 

Liebe lakita,

ich bin was diese Geschichte anbelangt, etwas zwiespältig, weil sie einerseits gut geschrieben ist, du hast einen angenehm flüssigen Schreibstil und ich fühlte mich auch stets unterhalten von der Handlung.

Das hat mich gefreut. Schwieriger hatte ich es mit deiner Kritik am Plot:
Die Handlung ist ja, um mal gleich beim Thema Plot einzusteigen, eher seicht angelegt und lässt sich mit einem Satz zusammenfassen: eine Frau gerät infolge der europäisch politischen Lage und der Schmierereien am Eingangstor ihres Hauses in Furcht, die sich am Ende als unberechtigt herausstellt.

Das ist sicher eine richtige Zusammenfassung meiner Geschichte und ich möchte das, wenn du es denn so siehst, einfach mal so stehen lassen.

Zum Titel:
Ich versuche in meiner Geschichte Bezüge herzustellen zwischen unserer Vergangenheit des Dritten Reiches und der gegenwärtigen Situation in vielen Ländern Europas, wo man schon wieder beginnt, die eigene Nation über alles zu stellen und gleichzeitig andere auszugrenzen. Und wenn wir uns erinnern: Das alles begann mit ‚Nacht- und Nebel’-Aktionen.

Zu den Runen:
Das ist keine Erfindung meiner Geschichte: Diese in Ungarn sehr oft als ‚Runen’ bezeichneten Buchstaben finden sich seit ein paar Jahren fast neben jedem Ortseingangsschild. https://de.wikipedia.org/wiki/Altungarische_Schrift
Sie werden aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit germanischen Runen auch als solche bezeichnet und sind Ausdruck eines immer stärker werdendem Nationalismus, dessen andere Seite eine ausgeprägte Xenophobie ist. Das führt dann dazu, dass man alles Fremde (Flüchtlinge, Ausländer, Liberale, Homosexuelle usw.) am liebsten ausgrenzen möchte.
Und in diesen Rahmen habe ich meine kleine Alltagsgeschichte stellen wollen. Da sind zwei ganz normale Bürger, die schon seit langem in diesem Land leben. Und da ist plötzlich dieses Neue, dieser wiedererstarkende Nationalismus und die Aversion Fremden gegenüber. So wird dann ein scheinbar provokanter Akt als Bedrohung wahrgenommen und führt zur Verunsicherung. Das war meine grundsätzliche Intention. Aber natürlich auch das, was jobär in seinem Kommentar mit seiner Version des Niemöller-Gedichts auf den Punkt gebracht hat.

Lakita, ich danke dir fürs Lesen und Kommentieren.

Liebe Grüße
barnhelm

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo barnhelm,
ich finde Deine Geschichte in einer Beziehung besonders interessant: Sie ist aus einer häuslichen Perspektive geschrieben, schildert normale Tagesabläufe, in die verunsichernde Gedanken reinsickern, die sich aus der politischen Gemengelage zusammen mit der persönlichen Erfahrung der Sprayattacke ergeben. Da macht es nicht großartig Boing und Batsch, das Pulver der Überraschung ist am Anfang mit der Schilderung der Schrift am Tor rausgeschossen und dann geht es um die Ansichten, die sich für Deine Figur da ergeben, um kleine Anzeichen, die auf diesen Anschlag hin interpretiert werden. Und das finde ich eben auch das Interessante. In der Konstellation mit dem Gefühl, dass immer ein Rest an Fremdsein im fremden Land bleibt, vor allem, wenn es sich so national geriert, kommt die Verunsicherung und das Misstrauen auf leisen Pfoten daher. Fast bieder und betulich, aber doch. Damit trifft Deine Schilderung wahrscheinlich auf einen erheblich größeren Anteil der Bevölkerung zu, unabhängig ob im eigenen oder im fremden Land. Man liest gerne spektakuläre Dinge, dass es hier kracht und da Blut fließt, dramatisch zugeht. Einstellungen und Ängste formieren sich aber oft undramatischer und unspektakulärer. Insofern empfinde ich Deine Geschichte nicht als nett, sondern als gleichwertigen Beitrag zu einer Debatte, die gesellschaftlich virulent ist.
Sprachlich finde ich Deinen unaufgeregten Stil ziemlich angemessen für das, was rüberkommen soll.
Herzlich
rieger

 

Lieber rieger,

ich danke dir für deinen Kommentar, der mir zeigt, dass dich meine Intention erreicht hat, der gleichzeitig aber auch auf das hinweist, was meiner Geschichte für den einen oder anderen fehlt:

Man liest gerne spektakuläre Dinge, dass es hier kracht und da Blut fließt, dramatisch zugeht.
Das ist für manche Leser das Problem mit dieser Geschichte. Dieses Bedürfnis kann und wollte ich nicht bedienen, denn mir ging es in erster Linie darum, diesen ganz normalen Alltag, in den das politische Geschehen allmählich und noch kaum greifbar eindringt, darzustellen. Das hast du erkannt:

In der Konstellation mit dem Gefühl, dass immer ein Rest an Fremdsein im fremden Land bleibt, vor allem, wenn es sich so national geriert, kommt die Verunsicherung und das Misstrauen auf leisen Pfoten daher.
Ja, so war es gedacht: In diese scheinbar gesicherte Situation der beiden schleichen sich Momente von Unsicherheit ein, die u.U. auch den schon latent vorhandenen Konflikt der beiden verstärken werden.

Nach so vielen Kommentaren bin ich jetzt dabei, die Geschichte noch einmal neu zu überlegen und besonders diesen zwischenmenschlichen Aspekt stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Möglicherweise verschafft das der Geschichte mehr Brisanz und Dramatik. Nur müsste ich dann ihren Schwerpunkt verschieben. Aber das sind alles noch Überlegungen und ich lasse mir mit der Überarbeitung ein bisschen Zeit.

Dir lieber rieger danke ich dafür, dass du meine Intention feinfühlig nachempfinden konntest.

Ein glückliches Neues Jahr
wünscht dir
barnhelm

 

Liebe barnhelm,

ja, hier kommt man nie zur Ruhe. Nicht mal, wenn alle Feste vorbei sind. Aber ich wollt doch so gern auch zu so vielen Geschichten etwas sagen, deshalb werfe ich den Stapel auch nicht weg, sondern werde ihn schön abarbeiten. Ob ihr Autoren das nun noch wollt und hören könnt, da müsst ihr jetzt durch :).
Vorab, ich habe die Geschichte gern gelesen, es ist auch schon ein Weilchen her und ich habe sie immer noch im Kopf, was sehr für die Geschichte spricht.

„Was machen wir, wenn die uns hier nicht mehr wollen?“
Jörn sah auf das Bier in seiner Hand. „So weit sind wir noch lange nicht.“
„Ich möchte dann lieber nach Hause. Das halte ich nicht aus.“

Ja, schade dass dies eine Kurzgeschichte ist. Das kann sich ja noch Jahre hinziehen, im besten Fall nie eintreten, aber was das mit den beiden macht, das würde mich sehr interessieren.

Theresa betrachtete ihn. Er wirkte jünger, als er war. Der Job hatte ihn nicht verschlissen. Es war gut, dass er hier noch eine neue Aufgabe gefunden hatte und sogar seinen Lebenstraum verwirklichen konnte. Schon immer war es sein Wunsch gewesen, aus einer heruntergekommenen Ruine wieder etwas richtig Tolles zu machen.

Schöner innerer Konflikt auch, in dem sie sich befindet.

„Wie kommst du nur darauf, dass wir etwas gegen euch haben? Ihr seid doch Deutsche. Kein Mensch will euch was. Euch doch nicht!“

Das ist auch so bitter. Die Zwei-Klassen-Ausländergesellschaft. Aber klar, recht und Deutsch, das geht sich schon aus.

In der Küche klirrte es. Theresa hörte einen Fluch. Jörn musste etwas aus der Hand gefallen sein. Etwas war kaputtgegangen.

Das mochte ich gar nicht, es sei denn, es war doch ein Stein durch die Fensterscheibe, aber für mich liest es sich nicht danach. Nur so als Lehrsatz, ich weiß nicht, liest sich so drangeklebt.

Ja, löst sich ja alles schnell und gut auf, die Ehe der beiden wird nicht auf die Probe gestellt. Wäre schön gewesen, wenn Du dem Thema bisschen mehr nachgegangen wärst, bevor es sich aufklärt. Muss ja nicht an allen Häusern stehen, reicht ja an ihrem, als Streich infolge von Alkohol. Bisschen länger die Angst im Haus lassen und gucken, was passiert. Wäre möglich. Wäre so viel möglich. Ist natürlich auch egoistisch auf meine Vorlieben abgestimmt ;). Aber das ist für mich halt der spannenste Punkt an der ganzen Geschichte.

Vielen Dank für die Geschichte. Ich kann die Frau auf jeden Fall gut verstehen. Und Ungarn macht mir eh auch Angst. Insofern auch ein gutes Setting.

Lieben Gruß, Fliege

 

Liebe Fliege,

einen Tag mal nicht ins Forum geschaut und gleich deinen Beitrag übersehen, weil meine Geschichte schon wieder abgetaucht war.

Auf jeden Fall danke ich dir dafür, dass du dir auch nach der Challenge noch Zeit für einen Kommentar genommen hast. Und natürlich hat mich gefreut, das zu lesen:

Vorab, ich habe die Geschichte gern gelesen, es ist auch schon ein Weilchen her und ich habe sie immer noch im Kopf, was sehr für die Geschichte spricht.

Aber du bist auch kritisch und den Hauptpunkt deiner Kritik lese ich in diesem Satz:

Ja, löst sich ja alles schnell und gut auf, die Ehe der beiden wird nicht auf die Probe gestellt. Wäre schön gewesen, wenn Du dem Thema bisschen mehr nachgegangen wärst, bevor es sich aufklärt.

Da gebe ich dir nach all den Kommentaren und meinen Überlegungen wirklich recht. Leider fehlt mir im Moment der Antrieb, mich noch einmal hinzusetzen. Dabei habe ich einige Ideen im Kopf, aber es gelingt mir nicht, sie in die schon vorhandene Geschichte einzubauen. Ich glaube, ich müsste ganz generell noch einmal an sie rangehen. Doch leider: s.o. :D

Und Ungarn macht mir eh auch Angst.

Ja, so geht es mir auch. Nicht das schöne Land, nicht die freundlichen Menschen, aber die Politik.

Liebe Fliege, danke für deinen Kommentar und deine Anregungen. Ich wünsche dir einen schönen Sonntag mit hoffentlich ebenso schöner Wintermärchenlandschaft, wie ich sie vor meinem Fenster gerade habe.

Liebe Grüße
barnhelm

 

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