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Buchstabensuppe

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15.06.2016
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Buchstabensuppe

„Du … an die Tafel kommen und den Satz analysieren.“
Inga erschrak. Meinte der Lehrer etwa sie? Unentschlossen, ob sie sich angesprochen fühlen sollte oder nicht, blieb sie sitzen. Mit großen Augen schaute sie sich um. Ihre Klassenkameraden erwartungsvoll in ihre Richtung. Langsam hob sie den Kopf. Er kam ihr unglaublich schwer vor.
„Inga, wenn ich bitten darf?“, forderte Herr Schulz sie erneut auf. Panisch schaute sie sich den Satz an der Tafel an. Sie hasste diese Situationen. Das Blut stieg ihr in den Kopf, ihr Herz raste und in ihrem Gehörgang entwickelte sich ein dumpfer Ton, der sich langsam aber stetig zu einem kräftigen Rauschen entwickelte. Klar und deutlich spürte sie, wie jeder sie anstarrte. Ängstlich saß sie da und wartete auf ein Wunder. Die anderen Schüler tuschelten. Sie redeten nicht einmal über sie, doch in diesem Moment kam es Inga so vor, als würde die ganze Welt auf sie herabblicken.
„Ich fordere dich kein viertes Mal auf! An die Tafel, oder du erntest eine Sechs!“, drohte der Lehrer. Seine grauen Haare klebten im fettig auf der Kopfhaut, und seine Brille drohte von seiner Nase zu rutschen. Laut atmend stand er da, und man sah förmlich, wie vor Empörung, die Äderchen in seinen leicht gelblichen Augäpfeln platzten.
Langsam erhob Inga sich. Ihre Augen starrten wie paralysiert auf den Satz, der an der Tafel stand. Buchstabensuppe. Angestrengt versuchte sie während ihres Gangs an die Tafel, die Buchstaben zu sortieren und einen Satz zu bilden. Wenigstens ein Wort wollte sie herausfiltern, doch die Buchstaben schienen sich zu bewegen, und zerstörten ihre gerade errichtete Ordnung. An der Tafel angekommen, stellte sie sich unentschlossen neben Herrn Schulz und blickte zu ihm auf. Die Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben. Sein Geruch nach Zwiebeln, und Rauch war unerträglich. Ihr war, als könnte sie jede einzelne Pore auf seiner Stirn zählen. Schnell riss sie sich von seinem widerwärtigen Anblick los, und trat einen Schritt zurück. Sie wusste, dass er sie niemals einfach so freigeben würde. Er war ein Spieler, der sich an der Unwissenheit seiner Schüler erfreute. Man sollte so einen Menschen nicht Lehrer werden lassen. Niemand wagte es, sich gegen ihn zu stellen, denn er hatte seine Methoden, sich zu rächen. Grausame Methoden. Alle hatten Angst vor ihm, und niemand wagte es, sein Wort in Frage zu stellen. Was dieser Mann sagte, war Gesetz.
„Ich hätte gerne Subjekt, Prädikat und das Objekt“, sagte er und schaute erwartungsvoll durch seine Brille. Sie durfte ihn nicht schon wieder enttäuschen, sagte der Blick.
Mit angestrengtem Blick starrte sie auf die Tafel. Das erste Wort im Satz konnte sie entziffern. Es musste etwas wie „Manl“ sein. Was ist ein Manl? Inga wusste es nicht. Was war das für ein Buchstabe, der mit dem Halbkreis, was war das nochmal für ein Buchstabe? Sie überlegte anscheinend schon etwas zu lange, denn nun mischte sich der Lehrer ein.
„Das ist sechste Klasse Stoff. Du bist in der Siebten, falls du es vergessen hast. Du hast noch zwei Minuten.“ Abwertend blickte er auf sie herab. Inga schrumpfte unter seinem Blick, nochmal um ein paar Zentimeter.
Sie nickte stumm. Wie könnte sie sich jetzt noch retten? Es gab kein Entrinnen. Jeder würde in wenigen Sekunden die Wahrheit erkennen. Alle Mitschüler blickten mit einer Mischung aus Langeweile und Spott zu ihr auf. Es kam Inga so vor, als würden sie wie die Aasgeier auf ihre Niederlage warten. Schnell drehte Inga sich um. Sie wollte sie nicht ansehen. Hochkonzentriert, starrte sie auf die tanzenden Buchstaben, und versuchte diese, stumm zum Stehenbleiben zu überreden. Doch trotz Ingas guter Zusprüche, tanzten die Buchstaben unbekümmert weiter. Sie dachten gar nicht daran stehen zu bleiben. Inga fühlte wie der Druck stieg. Wenn in der nächsten Minute kein Wunder geschähe, wäre sie geliefert. Sollte sie sich einfach wieder auf ihren Platz setzten und die Sechs kassieren? Schon wieder? Nein, denn dann würde sie in Deutsch durchfallen und das war keine Option, weder für sie, noch für ihre Eltern. Schmerzhaft, nahm Inga die Blicke der anderen wahr, die sich in ihren Rücken bohrten. Inga entschied sich zu raten.
„Also das hier“, sagte Inga und zeigte auf den Anfang, „das ist das Subjekt.“ Prüfend schaute sie zum Lehrer hinüber. Der nickte nur leicht genervt. Inga fühlte sich bestätigt, und zeigte auf das Zweitbeste, was sie entdeckte. „Das ist das Prädikat“, erklärte sie und hoffte, dass sie sich nicht gerade vollständig blamierte.
„Das ist korrekt“, sagte der Lehrer mit belegter Stimme, „Und jetzt das Objekt. Ich habe nicht ewig Zeit.“
Eine eisige Kälte machte sich in Inga breit. Der Satz war noch ewig lang, wie groß standen da ihre Chancen, dass sie richtig tippte? Panik stieg in ihr auf. Sie hörte das Ticken der Wanduhr und das genervte Atmen ihres Lehrers. Sie konnte spüren, wie ihre Mitschüler hinter ihr tuschelten, und ein Ast klopfte permanent gegen das Fenster. Nervosität stieg in ihr auf und ihr Blut begann ohrenbetäubend zu rauschen.
„Ähm … also das Objekt …“, stotterte sie, „also das hier ist auf jeden Fall…“, begann sie und zeigte auf den nächstbesten Buchstabensalat.
„Das ist eine Präposition, und dahinter steht das Objekt“, fiel ihr plötzlich jemand ins Wort. Dankbar drehte sie sich um. Es war Emma, die ihren Satz beendet hatte. Der Lehrer warf Emma einen erzürnten Blick zu. Sie hatte sein Spiel unterbrochen. Dafür würde sie in den nächsten Tagen leiden müssen, dachte Inga.
„, hat dich jemand aufgefordert, den Satz zu analysieren?“, fragte der Lehrer spitz.
„Tut mir Leid, es wird nicht wieder vorkommen“, versprach Emma scheinheilig und lächelte ihn süffisant an.
Erleichterung machte sich in Inga breit. Die Gefahr war vorüber, denn nun hatte Emma die Aufmerksamkeit des Lehrers auf sich gezogen, und Inga war aus dem Schneider. Schnell eilte sie zu ihrem Platz zurück. Der Lehrer hatte es natürlich bemerkt, und wollte sie gerade auffordern, stehen zu bleiben, da ertönte ein erlösendes Geräusch. Die Klingel. Inga sprang auf. Schnell packte sie ihre Sachen zusammen, um den Anderen in die Pause zu folgen, da packte jemand ihren Ärmel.
„Warte doch mal!“, forderte Emma
Inga blieb stehen. Emma war gut einen halben Kopf größer als sie und deshalb musste Inga zu ihr aufschauen. Emma legte ihren Kopf schief. „Brauchst du eine Brille?“
„Nein“, seufzte Inga resigniert.
„Es ist doch nur eine Brille, so schlimm kann das doch nicht sein.“
„Nein, ich brauche keine Brille. Das würde auch nichts nützen“, erklärte Inga.
Inga wandte sich ab, um zu gehen, doch Emma wollte wissen was los war, und ließ nicht locker.
„Was ist denn los mit dir?“
„Nichts!“, erwiderte Inga etwas zu schroff.
Emma schreckte zurück. „Lass es einfach. Ist mir egal.“
Sie wollte gerade gehen, doch dann fiel ihr noch etwas ein. „Du hättest danke sagen können.“
Emma drehte sich um und verschwand zwischen den Kindern auf dem Schulhof. Inga blieb allein zurück. Sie hätte heulen können, aber es war ihr peinlich. Inga überlegte, ob sie sich auf dem Klo einsperren sollte, um zu weinen, doch diesen Gedanken verwarf sie gleich wieder. Wie würde das denn aussehen, wenn sie mit verquollenen Augen im Unterricht erscheinen würde. Sie fühlte sich schuldig. Warum hatte sie sich nicht bedankt? Emma war eine der Wenigen, die etwas mit ihr zu tun haben wollte, und nun hatte sie sie verscheucht. Undankbar und arrogant hatte sie sich verhalten. Inga wusste, dass sie das wieder in Ordnung bringen musste.
Die Klingel ertönte erneut, und die Schüler strömten durch die Haupthalle, um sich dann auf ihre Klassenzimmer zu verteilen. Inga war im selben Musikkurs, wie Emma.
Im Musikraum angekommen, setzte Inga sich auf einen Platz, ganz in der Nähe von Emma. Verstohlen schaute sie zu ihr hinüber, doch Emma würdigte sie keines Blickes. Mittlerweile war die Musiklehrerin hereingekommen, Frau Lorenz war in den Vierzigern, sah aber aus wie dreißig. Ihre Haare waren streng zurückgebunden und ihre Haut war Faltenfrei. Die Lehrerin breitete ihr Material auf dem Lehrerpult aus, und begann Protokoll zu führen.
Inga sah ihre Chance. Rasch kramte sie einen Zettel aus ihrer Schultasche, und schrieb mit fast unleserlicher Schrift und unter höchster Konzentration:
„Tud mier laid. Dancke“
Anschließend faltete sie ihn säuberlich zusammen und tippte dann Daniel auf die Schulter, und bat ihn leise, denn Zettel zu Emma weiter zu geben. Inga verfolgte mit den Augen, wie der Zettel brav weiter gereicht wurde. Niemand schaute genauer hin, was drauf stand. Als Emma den Zettel erhielt, öffnete sie ihn vorsichtig. Sie las und schaute dann wieder auf. Doch bevor sie sich zu Inga umdrehen konnte, schnappte die Lehrerin sich den Zettel und ging damit zurück ans Pult. Erschrocken schaute Emma die Lehrerin an. Inga wurde panisch. Sie sah, wie die Lehrerin sich setzte, und zu lesen begann. Erstarrt saß Inga da, unfähig sich zu bewegen. Der Lehrerin schien es ähnlich zu gehen. Langsam ließ sie den Zettel sinken.
„Wer hat das geschrieben?“, fragte sie mit kühler Stimme.
Niemand meldete sich. Inga wagte es nicht, etwas zu sagen. Sie war noch nicht aufgeflogen.
„Ich möchte jetzt sofort wissen, wer diesen Zettel geschrieben hat!“ Frau Lorenz wartete. Es meldete sich immer noch keiner.
Inga war hin und her gerissen. Einerseits hoffte Irgendetwas in ihr darauf, dass die Lehrerin ihr wohlmöglich helfen würde, andererseits, wollte sie sich nicht zu erkennen geben. Es war einfach viel zu peinlich. Wenigstens hatte der Deutschlehrer den Zettel nicht gefunden. Er hätte nicht gezögert, und ihn laut vorgelesen.
Alles war still. Die Schüler schaute sich alle gegenseitig an, und versuchten zu erraten, wer der Zettel geschrieben hatte. Nur Emma schaute sich nicht um. Sie wusste wer ihn geschrieben hatte. Sie drehte sich auch nicht zu Inga um. Anscheinend wollte sie sie nicht in Schwierigkeiten bringen. Das war lieb von ihr, fand Inga.
Vielleicht sollte sie sich doch melden. Es war besser, von der Musiklehrerin erwischt zu werden, als vom Deutschlehrer. Vielleicht sollte sie es ihr einfach sagen.
Inga beschloss es jetzt zu tun. Sie hob den Arm. Zögernd und ängstlich gab sie sich zu erkennen.
Ihre Mitschüler waren mittlerweile heiß darauf, zu erfahren, was auf dem Zettel denn so Interessantes stand, und tuschelten unentwegt. Die Lehrerin trat zu ihr hin.
„Auf ein Wort, Inga“, sagte sie und bedeutete ihr, mit ihr vor die Tür zu gehen.
Inga erhob sich schwerfällig. Ihre Knie waren weich, und ihre Arme schlotterten etwas zu sehr. Als sie der Lehrerin nach draußen folgte, spürte sie alle Blicke auf sich ruhen. Inga drehte sich noch einmal um. Sie sah Emma. Emma lächelte sie an.
Die Tür fiel zu, und Inga war allein mit der Lehrerin. Diese schaute sie mit einem nachdenklichen Blick an.
„Inga …“ sagte sie, und hielt ihr den Zettel unter die Nase. „Was hast du hier geschrieben?“
Inga wusste nicht, was sie darauf antworten sollte, die Lehrerin konnte doch schließlich lesen. „Na, dass es mir leid tut.“
„Mhm“, machte Frau Schulz und spitzte die Lippen. „Inga, wenn ich dich jetzt fragen würde, ob du mir eine Seite aus dem Deutschlesebuch vorlesen könntest, könntest du es tun?“
Nach kurzem Zögern schüttelte Inga den Kopf.
Nachdenklich nickte die Lehrerin. „Ich glaube, du brauchst Hilfe. Ich werde deine Eltern um ein Gespräch bitten.“
„Sagen Sie es bitte nicht den Anderen“, flehte Inga wimmernd.
„Natürlich nicht. Ich muss allerdings die Lehrer informieren, und selbstverständlich deine Eltern.“
„Sagen Sie es bitte nicht Herrn Schulz.“
Fragend schaute Frau Lorenz sie an. „Aber warum denn das nicht?“
„Ich möchte es eben nicht.“
„Also gut.“
Die Musiklehrerin legte ihr die Hand auf die Schulter. „Wir schaffen das schon. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.“

 

Hallo Dalina.

an der Wand stand mit Kreide .. ja, was da stand, werden wir nicht erfahren. Die Legasthenikerin und die Buchstabensuppe - tolle Idee.

Klar und deutlich spürte sie[KOMMA] wie jeder sie anstarrte
Du hast mehrere Sätze ohne Komma vor dem wie. Würd ich nochmal drübergehen.

Seine grauen Haare klebten ihm fettig

man sah förmlich[KOMMA] wie vor Empörung über sie [KEIN KOMMA] die Äderchen in seinen leicht gelblichen Augäpfeln platzen.

Was mich beschäftigt: Der dritte Vorfall in einer Woche. Was war eigentlich in den Jahren vorher. Sie scheint ja doch in einer oberen Klasse zu sein. Wie hat sie es geschafft, so weit zu kommen? Anscheinend hat ja nur ein Mädchen die Wahrheit erraten. Auch wenn du von den Mitschülern sagst:
Sie warteten wie die Aasgeier
hat das ja wohl eher mit der allgemeinen Hackordnung in der Klasse zu tun, als mit ihrem wohlgehüteten Geheimnis.

Liebe Grüße

Jobär

 

Hallo Ronnie,
Danke für deine Hilfestellung zur Textverbesserung. (Komma, Grammatik etc.) dass kann ich gut gebrauchen.
Was die Logik angeht, muss ich dir widersprechen. Es handelt sich bei der Protagonistin in der Geschichte um eine Analphabetin, die jedoch niemandem von ihrer "Krankheit" erzählt hat. Sie schämt sich, und will auf keinen Fall, dass jemand merkt, dass sie nicht lesen und schreiben kann. Hier ist auch die Fantasie des Lesers gefragt. Es ist deshalb überhaupt nicht unlogisch, dass sie es einfach nicht kann.
Lg
Dalina

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Dalina,
schön kann ich in Deinem Text den Sadismus nachspüren, der sich bei Lehrern wahrscheinlich als professionelle Deformierung früher oder später einstellt. Halt! Nicht bei allen Lehrern. Es gibt gute Exemplare. Eine Menge. Aber Deine Figur hatte Pech und dieses Pech empfinde ich hautnah mit. Im Verlauf hatte ich Bedenken, dass die Geschichte so in eine putzige Pennäler-Pauker-Soße abdriftet. Aber der Schluss trifft dann doch härter und gibt dem Tonfall "Weißt du noch, wie ich an der Tafel stand und der Sauhund hat mich gequält", den man von Klassentreffen kennt, eine krassere Note. Allerdings: Ist es wahrscheinlich, dass man als Analphabetin in eine Schulart kommt, in der grammatikalisch so gemetzgert wird? Kann ich nicht beurteilen. Sprachlich finde ich das Schnörkellose angemessen. Nüchtern und sezierend wird so die Arme vorgeführt. Könnte aber auch noch stärker sein.
Das könnte härter sein, finde ich.

kräftigen Rauschen
Da musste ich, verzeih, spontan lachen, weil das Bild so unvermittelt kam. Passt aber. Aber solch krasse Einbrüche hätte ich mir noch mehr gewünscht, damit ihre Beklemmung noch deutlicher wird. So liegt der Schwerpunkt stark auf der vermeintlichen Versagensangst, dass sie unfähig ist, grammatikalische Sachverhalte zu analysieren. Dabei liegt das Drama viel tiefer und ist viel schwerwiegender. Das hätte ich gerne noch drastischer empfunden und wäre dann fassungsloser in den Schluss reingegangen, der, wie gesagt, vielleicht unwahrscheinlich ist.
mit Absicht den gespitzten Bleistift in die Hand gerammt
Weiß ich nicht, ob Brille oder Nase gemeint ist. Für mich ungünstig formulierter Bezug.
da diese unentwegt schwitzte
Das ist zu umständlich mit dem "über sie" für den Affekt, den es haben soll. Unmittelbarer, stärker müsste das an der Stelle sein. Weniger vorsichtig und verästelt geschildert. Komma vor "wie", statt nach "sie".
und man sah förmlich wie vor Empörung über sie, die Äderchen in seinen leicht gelblichen Augäpfeln platzen.
Finde ich als Frage nicht als passendes Verb.
verkündete er
Eine weite Spanne in der Befindlichkeit, die ich nicht ganz zusammen bekomme. Als Schüler war ich entweder gelangweilt oder fasziniert. Aber gelangweilt fasziniert oder fasziniert gelangweilt?
Mischung aus Langeweile und Faszination
Den Ast habe ich in der einmaligen Erwähnung nicht einordnen können. Damit er als akustisches Signal nervig und penetrant wirkt und eine bedrohliche Wirkung entfaltet, hätte ich ihn öfter gebraucht. Wie eine tickende Wanduhr.
ein Ast klopfte permanent gegen das Fenster.
Wegen Kommas kann man nochmal Korrekur lesen.
Wenn ich das also lese, ist es ein Text, der mich schon in die alte Schulmühle und in das gnadenlose Examinieren fieser Lehrer zurückwirft. Aber nicht so brutal, wie es letztlich ist. Vielleicht kann man es noch ein wenig schärfen, kühler, eisiger gestalten. Und letztlich geht es ja nicht um die Examinierungsangst, sondern um was Fundamentales. Das könnte auch mehr gewichtet sein. Damit dieses Unsagbare, das man nicht aussprechen mag, weil es so überaus peinvoll ist, eine bedrohlichere Atmosphäre enfaltet.
Herzlich
rieger

 

Hallo Dalina!

Deine Geschichte hinterlässt bei mir im Endeffekt leider kaum mehr als ein Achselzucken. Das liegt an mehreren Gründen.

Zunächst möchte ich Ronnie recht geben - ich denke mit Neffen und Nichten, dass es möglich wäre/ist/sein kann, eine Schreib-Leseschwäche in höheren Klassen zu verbergen, geschweige denn einen kompletten Fall von Analphabetismus. Wie soll Inga denn bitte auch nur eine einzige Klassenarbeit gelöst haben? Und anhand der Tatsache, dass der Lehrer sie siezt, lässt sich herauslesen, dass wir es hier nicht mit der ersten Klasse in der Grundschule zu tun haben. Sehr sehr sehr unwahrscheinlich.

Dann die Charakterisierung des Lehrers. Oha, da hast du ja tief in die Monster-Trickkiste gegriffen. Schwitzender, stinkender, schlampig aussehender und obendrein sadistischer Dreckskerl. Findest du nicht, dass du den ein bisschen sehr negativierst? Fehlt nur noch, dass er mit nassen, schwitzigen und schmierigen Pfoten Inga an den Hintern grapscht, während sie an der Tafel steht, und dass aus seiner Aktentasche ein Kinderpornoheft rauslugt. Fand ich zu extrem.

Und zum Schluss die Rettung in der Not - warum, wieso, weshalb? Welchen Grund hat denn Emma, sich selbst in so eine wochenlang (!) miese Lage zu bringen? Mag sie Inga so sehr? Oder hasst sie den Pauker so sehr? Und Ingas Reaktion auf diese Rettung war auch mehr als dürftig, nicht wahr? Da kam ja noch nicht mal ein müdes "Dankeschön". Also so einem Menschen würd ich nicht mal ne Flasche Wasser aufdrehen, geschweige denn mich selbst bei so einem Sadisten-Lehrer in Misskredit bringen.

Sorry, Dalina, aber mich hat die Geschichte leider weder handlungsmäßig überzeugt, noch halte ich sie für logisch nachvollziehbar. Tut mir leid.

Viele Grüße vom EISENMANN

 

Hallo Dalina,

wie die anderen fand ich die Geschichte auch unglaubwürdig.

ABER: ich hätte eine Idee für dich :idee:

Die ganze Zeit, als ich die Geschichte las, dachte ich, dass sie schlecht sehen kann - deswegen verschwimmt ja auch alles vor ihren Augen. Weil ich das dachte und das für mich demnach logischer ist als der Analphabetismus, könntest du das inhaltlich einfach umschreiben - was hälst du davon?

Ich dachte mir, dass sie eine ganz dicke Brille hat, mit der sie sich schämt und die immer nur daheim aufzieht. Normalerweise hat sie Kontaktlinsen, aber die kann sie grade nicht tragen, weil die Augen zu wenig Tränenflüssigkeit haben und sie auf ein Präparat für die Augen warten muss, was die Apotheke erst in zwei Tagen bekommt. Und da sie in einen Jungen in der Klasse verknallt ist, der sie um alles in der Welt nicht mit der Brille sehen darf, läuft sie halt im Moment wie ein Maulwurf durch die Schule.

Naja, das könntest du irgendwie besser hindrehen wie die Tatsache, dass sie gar nicht lesen kann.

Du kannst dir ja meinen Vorschlag mal durch den Kopf gehen lassen. Ich finde es jedenfalls klasse, dass du bei der Challenge mitmachst :gelb:

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo Dalina,

„Sie… kommen sie an die Tafel und analysieren Sie den Satz.“
- auch das zweite "Sie" muss groß geschrieben werden (Höflichkeitsform).

Kommen sie an die Tafel, oder Sie ernten eine sechs!
- hier ebenfalls: "Sie" groß schreiben.

Seine grauen Haare klebten im fettig auf der Kopfhaut
- "ihm"

Sein Geruch nach Zwiebeln[,] und Rauch war unerträglich.
- kein Komma an dieser Stelle. Generell setzt du zu viele, das müsstest du noch einmal durchgehen.

Tut mir Leid
-"leid" klein schreiben

Deine Idee finde ich gut, vor allem der Vergleich mit der Buchstabensuppe. Allerdings ist das sehr oberflächlich abgehandelt. Wie kam Inga denn davor klar? Du schreibst, dass sie in Deutsch immer wieder Ausflüchte erfindet, um nicht an die Tafel zu müssen. Macht sie das seit Jahren so? Würde das nicht jemandem auffallen? Und wären ihre Noten in Deutsch nicht so oder so sehr schlecht? Da fehlt mir irgendwie etwas. Die Idee, dass eine Kameradin ihr hilft, weil sie Inga durchschaut hat, fand ich nett. Den Lehrer wiederum, ich weiß nicht, warum du ihn so "ekelhaft" zeichnest? Das war mir zu viel. Ich hätte ihn mir eher als sehr strengen und deshalb angsteinflößenden Mann vorgestellt, jemand, vor dem man Respekt hat.

So viel von mir.
Liebe Grüße
RinaWu

 
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Hallo Dalina,

du hast dir ein schwieriges Thema herausgesucht: Analphabetismus, und zwar in seiner schwersten Form.

Dass Menschen sich dafür schämen und ihre Schwäche verbergen möchten, ist verständlich. Es gibt auch viele Geschichten und einige Filme, wie ihnen dies im Alltag gelingt. Das ist nicht immer glaubwürdig, und in einer weiterführenden Schule kaum wahrscheinlich. (Meine Berufserfahrung ;))

Insofern finde ich den Vorschlag von bernadette sehr pfiffig. Klar würdest du dadurch das Thema Analphabetismus opfern müssen. Aber gerettet wären deine Prota mit ihren Ängsten und Nöten in Schulsituationen und die hilfreiche Mitschülerin. Und das scheint dir ja wichtig zu sein.

Und der Lehrer müsste nicht ganz so abstoßend rüberkommen, wenn die Prota an Sehschwäche leidet:lol:o

Deinen Titel finde ich ganz wunderbar. Den behalt mal unbedingt.

Freundliche Grüße
wieselmaus

 

Hallo Dalina,
erst heute habe ich gehört, dass es in Deutschland sieben Millionen Erwachsene gibt, die nicht richtig lesen und schreiben können. Da gibt es sicherlich verschiedene Stufen, aber dennoch, eine enorme Anzahl. Und von denen haben wohl alle irgendwann einmal die eine oder andere Schule besucht und sind irgendwie durchgekommen.
Nur, und da schließe ich mich den anderen hier an, ich kann mir nicht vorstellen, dass es ein Analphabet bis in höhere Klassen einer anspruchsvollen Schulen schaffen würde. Vielmehr wären diese armen Menschen vorher nach unten durchgereicht worden. Das ist zumindest meine Vorstellung.
Deswegen kann ich diese Geschichte so auch nicht glauben.
Aber, das Challenge-Thema ist ja eigentlich wie gemacht für eine Geschichte um jemanden, der die Buchstaben, die da geschrieben stehen, eben nicht lesen kann. Da ließe sich doch bestimmt etwas draus machen, oder? Die Idee mit der Fehlsichtigkeit ist auch nicht schlecht.

Ansonsten hat mir dein Schreibstil gut gefallen, der Text liest sich flüssig und ich konnte mich gut in die Gefühlswelt von Inga einfühlen. Die eine oder andere Bschreibung (z.B. des Lehrers) ist vielleicht etwas too much und klischeehaft, da könntest du durchaus zurückrudern, ohne die klare Rollenverteilung aufgeben zu müssen. Der Dialog zum Schluss zwischen den beiden Mädchen klang mir ein bisschen zu sehr nach Werbefilm des Bildungsministeriums, oder so, weiß nicht, ob man in der Situation so reden würde.

Also, Dalina, wenn du das Glaubwürdigkeitsproblem lösen kannst, fände ich eine Geschichte mit der Problemlage sehr interessant.

Soweit von mir.
Beste Grüße,
Fraser

 
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Angestrengt versuchte sie während ihres Henkergangs an die Tafel, die Buchstaben zu sortieren und einen Satz zu bilden.

Wäre Analphabetismus eine Krankheit, alle schriftlosen Kulturen incl. unserer Vorfahren germanistischer Zunge wären als krank stigmatisiert und grob gerechnet ab der Generation Ulfila bis zur Generation Luther bliebe allein der geistliche Stand als Ansammlung der Schriftkundigen von diesem Krankheitsbild verschont.

In dem satirischen Roadmovie „Wir können auch anders“ lässt Detlev Buck Analphabeten (köstlich Joachim Krol und Horst Krause in den Hauptrollen) durch eine Zeit des Umbruchs (Mauerfall, Auflösung der Sowjetunion) irren,

liebe Dalina,
und damit erst einmal herzlich willkommen hierorts!,

ich fürchte aber auch, dass mit den digitalen Medien wieder eine Ikonagraphie über die abstrakteren Buchstaben siegen wird, wie ja auch das Kleinkind mit der Ikonograpie der Bilderbücher seine ersten Vor- und nach und nach Leseabenteuer durchlebt und wie im Zeichenunterricht schreiben lernt. Mit der Digitalisierung wird aber erst die Handschrift abgeschafft und mit dem short message Flachsinn der vollständige Satz in die Tonne gekloppt. Sollte von der Seite her Analphabetismus gefördert werden und erwünscht sein?

Nachdem ich nix über die Ursache dieses Defektes bei Inga, der Prot, erfahre, muss ich halt zum größeren Ganzen greifen. Die Geschichte könnte einen autobiographischen Hintergrund haben, dieser Gedanke überfällt mich schon beim ersten Satz, wenn es heißt

„Sie… kommen sie an die Tafel und analysieren Sie den Satz.“

Warum?

Dreimal Sie, davon zweimal groß und einmal kleingeschrieben. Das erste, weil‘s am Satzanfang steht, schon zwanghaft mit Großbuchstaben, das dritte korrekt mit großem S der Höflichkeits-/Anredeform, das mittlere – gerade von einem Lehrer ausgesprochen, aber durch kleine Zeichen eingefangen.
Also besser „kommen Sie an die ...“ Wobei die Ausassungspunkte nach dem ersten Sie behaupten, da fehle wenigstens ein Buchstabe, was nicht der Fall ist. Besser also zwischen dem letzten Buchstaben und dem ersten Punkt eine Leertaste.
Beides wiederholt sich im ganzen Text, solltestu also nochmals daraufhin durchsehen.

Klar und deutlich spürte sie[,] wie jeder sie anstarrte.
Komma, weil die vergleichende Kojunktion „wie“ einen vollständigen Satz („jeder starrte sie an“) einleitet

Hier wirstu nicht „in + dem = im“ meinen, sondern das gedehnte Pronomen „ihm“ als Stellvertreter des Lehrers. Das Komma vorm „und“ zwischen gleichrangigen Wörtern, Satzteilen und – wie in diesem Fall – gleichrangigen Sätzen ist an sich entbehrlich.

Seine grauen Haare klebten i[h]m fettig auf der Kopfhaut[...] und seine Brille drohte von seiner Nase zu rutschen, da diese unentwegt schwitzte.

Warum der Zeitenwechsel hier?
die Äderchen in seinen leicht gelblichen Augäpfeln platz[t]en.

Hier muss ein Komma gesetzt werden, weil die Infinitivgruppe („zu rächen“) von einem Substantiv abhängt, das durch das stellvertretende Pronomen repräsentiert wird (genaugenommen sinds ja zwo, das Personal- und das Reflexivpronomen, die für den Lehrer stehen
..., denn er hatte seine Methoden[,] sich zu rächen.
(Nebenbei: Unfeiner Zug dieses m. E. im falschen Beruf sich breitmachenden Gesellen!)

Wenn in der nächsten Minute kein Wunder geschah, wäre sie geliefert.
warum nicht konsequent der Konjunktiv „geschähe“ oder „geschehen würde“, wie im Hauptsatz korrekt verwendet?

Und dann kommt ein Satz, der mir zuflüstert und den ersten Eindruck bestärkt, dass da Legasthenie im Spiel sei - bei Dir

Schmerzhaft, nahm sie die Blicke der anderen wa[h]r, die sich in ihren Rücken bohrten.
Warum? Zum zwoten mal werden Wörter verwechselt, hier sein („war“) mit dem Adjektiv „wahr“ bzw. dem Verb „wahrnehmen“ wie oben schon die Präposition/das Adverb plus Artikel „im“ mit dem Personalpronomen „ihm“

„Ähm[...]… also die Nominalisierungen[...]…“, stotterte sie, „also das hier ist auf jeden Fall[...]…“ begann sie und zeigte auf den nächstbesten Buchstabensalat.
„Das ist eine Nominalisierung[...] und die letzten drei Wörter sind [a]dverbiale Bestimmungen[...] mit Präpositionen und Pronomen dazwischen“, fiel ihr plötzlich jemand ins Wort.

„Tut mir [l]eid, es wird nicht wieder vorkommen“, versprach Emma …

Hier meine ich, dass Du diese comic-artige Darstellung in einem Text, der alles andere als Kindskram ist, nicht brauchst
„RINGRINGRING!“, machte es plötzlich. Die Klingel!
Und nicht allein die Großschreibung, sondern auch das Prädikat/Verb „machen“ ist kindisch. Warum läutete oder, wahrscheinlich sogar besser, „schrillte“ die Klingel nicht einfach?

Nachtrag zum einleitenden Zitat ganz oben,
speziell zum "Henkergang", den es - obwohl es Zusammensetzungen mit dem Henker, wie etwa in der "Henersmahlzeit", so gar nicht zu geben scheint, außer unte Juristen. Da bedeutet er aber weniger den Gang zum Henker, also ur Hinrichtungsstätte, sondern den Gang des Henkers selber. Die müssen ihren Job ja zu Fuß verrichten ...

 

Hallo liebe Community, ich danke euch allen, für euer Feedback und eure Verbesserungsvorschläge. Einige davon habe ich auch schon angewandt, zum beispiel deine tolle Idee bernadette .
Ich werde noch weiter an der Geschichte arbeiten und sie verbessern.
LG
Dalina

 

Hej Dalina,

es ist ganz wunderbar, dass du hier bist und stolz deine Geschichte präsentierst.

Ich habe sie gerne gelesen, musste aber feststellen, dass ich am Ende überrascht war, dass es sich um eine Sehschwäche handeln sollte. Als ich dann die Kommentare las, um zu prüfen, was ich falsch verstanden habe, war ich doppelt überrascht: Analphabetismus.
Da wäre ich nicht drauf gekommen. :shy:

Und bist du sicher, dass der Lehrer so derbe eklig und böse sein muss? ;)

Wie auch immer, ich bin gespannt, wie du die Geschichte drehst, denn geschrieben hast du sie super.

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Hallo Dalina,
also an sich wurde ja schon einiges gesagt, was mir aufgefallen ist. Ich wollte nur noch ein Tipp geben, wie du den logischen Konflikt zwischen Analphabetismus und zu hoher Schule umgehen kannst: Meiner Meinung nach liegt es vor allem an der gesiezten Form. Wenn du von Lehrer zu Schüler das "Du" verwenden würdest, könntest du den unlogischen Faktor etwas abmildern. Ganz zu schweigen davon, dass der Satzbau eh schon vor Abiturzeiten durchgenommen wurde (noch zu duz-Zeiten) und zuSiez-Zeiten vorrausgesetzt wird. Nur meine spontane Idee dazu, bin gespannt wie die überarbeitete Version aussieht. :-)

 

Hallo Kanji
Danke für deinen lieben Kommentar. Ja ich bin mir sicher, dass der Lehrer gut so ist, wie er ist. :)
Lese sie dir doch gerne nochmal durch, denn ich habe vieles verändert und hinzugefügt.
LG
Dalina

 

Hallo Bea
Du bist glaube ich die Erste, der meine Beschreibung des Lehrers gefällt. Hier haben irgendwie alle etwas gegen den Ekellehrer, doch ich wollte die Figur so lassen. Danke:)
Lese dir die Geschichte gerne nochmal durch, wenn du Lust hast, denn ich habe Einiges verändert.
LG
Dalina

 

Hallo taucherluthien
Danke danke Danke!!! Ich hatte meinen Text bereits so verändert, dass ich das Thema "Analphabetismus" aufgeben musste, doch dann kam dein toller Vorschlag. Ich habe das "Sie" einfach gegen ein "Du" ausgetauscht, und schwups! Alles viel glaubwürdiger.
LG
Dalina

 

Hallo Dalina,

die Versagensängste von Schülern in Kombination mit sozial inkompetenten Lehrern bieten eine reichhaltige Quelle aus der Autoren schöpfen können.
Ein dauerhaft aktuelles Thema.

Mehrere Probleme sind mir bei Deiner Geschichte aufgefallen.
Analphabetismus bedeutet absolute Unkenntnis der Bedeutung von Wörtern. Die Heldin besucht, je nach Bundesland, die fünfte bis siebte Klasse. Ich kann mir keine Schule vorstellen, an der über Jahre nicht aufgefallen wäre, dass sie absolut nicht schreiben und lesen kann. Sie könnte in keinem Fach eine Arbeit mitschreiben oder in Büchern lesen. Dass Du Dir die Konsequenzen selbst nicht gründlich überlegt hast, wird hier deutlich:

[...] und schrieb mit schnörkeliger Schrift:
„Es tut mir leid Emma. Ich kann nicht lesen und nicht schreiben [...]
Gib ihr besser Legasthenie oder einen Augenfehler!

Der Lehrer wird als Clown gezeichnet. Kein Kind über sechs Jahre hat heutzutage Angst vor so einem Vogel.

Zum Stil:

Unentschlossen, ob sie sich angesprochen fühlen sollte oder nicht, blieb sie sitzen. Mit großen Augen schaute sie sich um. Ihre Klassenkameraden blickten erwartungsvoll in ihre Richtung. Langsam hob sie den Kopf. Er kam ihr unglaublich schwer vor.
„Inga, wenn ich bitten darf?“, forderte der Lehrer sie erneut auf. Panisch schaute sie sich den Satz an der Tafel an. Sie hasste diese Situationen. Das Blut stieg ihr in den Kopf, ihr Herz raste und in ihrem Gehörgang entwickelte sich ein dumpfer Ton, der sich langsam aber stetig zu einem kräftigen Rauschen entwickelte. Klar und deutlich spürte sie, wie jeder sie anstarrte. Ängstlich saß sie da und wartete auf ein Wunder.

Dein Text besteht zu einem Übermaß aus Adjektiven. Damit möchtest Du sicher Emotionen vermitteln, aber das stumpft den Leser ab. Es verhindert den Erkenntnisprozess beim Lesen und dadurch entsteht Langeweile. Gerade am Anfang, denke ich mir irgendwann: "Ich hab's kapiert: Sie hat Angst."
Ein weiterer Punkt:
Sie war eine Frau in den vierziger Jahren, sah aber aus wie dreißig. Ihre Haare waren streng zurück gebunden und ihre Haut war Faltenfrei. Sie war ohne Zweifel, eine Autoritätsperson.
Formen von "sein" deuten auf passives Erzählen. Auch das erzeugt Langeweile. Und so gehäuft, wie im Beispiel ist es einfach schlechter Stil.

Das Ende ist nicht offen, sondern abgebrochen. Der Konflikt wird nicht aufgelöst und es gibt euch keinen Ausblick auf eine mögliche Lösung. Das finde ich sehr unbefriedigend.

Grüße
Kellerkind

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Dalina,
du hast so nett unter meinem Text kommentiert, da wollte ich dir mal ein bisschen beistehen.

Ich hoffe, ich schaffe es, ein bisschen Klarheit zu bringen.

Grundsätzlich finde ich die Idee deiner Buchstabensuppe gut. Und zwar nicht in dem Sinne, hässliche Brille vergessen und will das nicht zugeben (wie in einer der vorherigen Versionen), sondern Hauptperson bekommt Angst, weil herauskommen könnte, sie kann tatsächlich nicht ausreichend lesen und/oder schreiben. Also im Sinne eines vorliegenden Analphabetismus einer bestimmten Ausprägung.

Nur, dann kannst du deinen Text unmöglich so auflösen, wie du das gemacht hast:

„Es tut mir leid Emma. Ich kann nicht lesen und nicht schreiben, und bin deshalb so komisch. Bitte sag es niemandem.“
Denn da kann sie ja einigermaßen schreiben als auch sich einigermaßen ausdrücken, wenn auch in kurzen Sätzen. Zudem ist der Text bis auf zwei Kommafehler auch noch richtig geschrieben.

Einen Analphabetismus, wie er landläufig beschrieben wird, nimmt dir, wenn du das so machst, sowieso kein Leser ab. Aber auch keinen funktionalen Analphabetismus, was die häufigste Form des Analphabetismus in Deutschland ist. Das ist das Problem. Dazu aber später mehr.
Ihre Schriftsprache müsste also deutlich schlechter sein, damit man überhaupt erkennen kann, dass sie ein echtes Problem hat.


Ich will mal bisschen ausholen, damit du das Problem deines Textes siehst: Also - Analphabetismus ist kein einheitlicher Begriff. Man muss schon ziemlich genau wissen, von welcher Ausprägung man redet und schreiben will.
Wenn man das Wort hört, denkt man normalerweise an jemanden, der überhaupt nicht lesen und schreiben kann, und fragt sich dann natürlich, wie der durch die Schule kommt. Diese Ausformung gibt es in Deutschland sehr selten.
Du müsstest also hinkriegen, dass man das Mädchen erkennt als eine mit drastischen Schwierigkeiten im Lesen und Schreiben, ein Mädchen also, das auf der Schwelle zum funktionalen Analphabetismus ist.

Analphabetismus in Deutschland, das ist funktionaler A. Und: Es gibt hier jede Menge funktionaler Analphabeten, das sind Leute, die schon bei kurzen Texten Schwierigkeiten haben, sie zu lesen, zu verstehen oder sie zu schreiben. Sie sind von daher auch nicht in der Lage, angemessen an allen Bereichen des Lebens teilzuhaben, die in irgendeiner Form mit Schriftsprache zu tun haben. Also Bedienungsanleitungen, Arbeitsanweisungen etc. lesen und verstehen bis hin zu dem einfach geschriebenen Kollegenzettel. Von Vertragstexten, der Zeitung und ähnlichem will ich gar nicht erst anfangen. Dieser funktionale Analphabetismus reicht sogar noch weiter - bis hin zu dem mühevollen Erlesen durch das Zusammensetzen einzelner Buchstaben. Das Verständnis sogar gebräuchlicher Wörter bleibt dann natürlich auf der Strecke. Diese Leute meiden jeden Kontakt mit Schrift und sind richtig hilflos.

Während der Schulzeit allerdings haben solche Kinder noch eine meist sehr relative Kenntnis von diesen Grundfertigkeiten. Aber auch da schon ist es so, dass sie Anforderungen bei Arbeiten aus dem Weg gehen, angeblich die Brille verloren haben, sich weigern vorzulesen, beim Diktat schwänzen, mogeln, was das Zeug hält. "Anpassungen" an die Sprachferne der Zöglinge bestimmter Schulformen durch multiple choice Aufgaben tun ihr Übriges. Wenn man nur ankreuzt, kann schon mal gut die Hälfte des Testes richtig werden. Zur Not guckt man ab.
Diese Kinder meiden schon da jegliche Art von Text. Kurz gesagt, die Grundkenntnisse (und damit meine ich wirklich Grundkenntnisse) bleiben während der Schulzeit sehr sehr oberflächlich. Sie schwimmt mehr oder weniger an ihnen vorbei.
Was man nicht vernachlässigen darf, es gibt Untersuchungen, die sich damit beschäftigen, ob die Betroffenen (ähnlich wie bei einer LRS) es an der Fähigkeit mangelt, Laute und gesprochene Worte im Gehirn mit schriftlichen Zeichen zu verknüpfen, was durch Defizite im auditiven System, dem Bereich, der Töne verarbeitet, verursacht wird. Also zum Beispiel das Fehlen bestimmter Zellen. Aber das führt jetzt ab.

Warum das Vorliegen dieser Schwierigkeiten schulisch nicht behoben wird oder werden kann, das mag ich grad nicht ausführen. Nur so viel: Die übliche Lehrer/Eltern/faule Schüler/Debatte taugt da nichts.

So - die Berufswahl sieht dann entsprechend sprachfern aus. Und dann verliert sich auch noch der Rest Sprach- und Textverständnis, der mal da war. Und wir haben einen funktionalen Analphabeten vor uns, der nicht in der Lage ist, eine Arbeitsanweisung zu verstehen.
Dann wird wieder geschummelt, oder man hat ein paar Eingeweihte, die einem was vorlesen.

Also es gibt in Deutschland eine unglaubliche Menge von Analphabeten, Zahl weiß ich jetzt keine, aber es gibt Studien dazu, die man googeln kann. Es gibt übrigens auch jede Menge Analphabeten mit Haupt- und sogar Realschulabschluss. Ich meine mich zu erinnern, dass es sogar um die 80% sind, aber da will ich mich nicht so weit aus dem Fenster lehnen, das weiß ich nicht mehr genau. In der Hauptsache dürften das der Hauptschulabschluss sein.
Ich könnte da stundenlang drüberschreiben, aber jetzt hör ich mal lieber auf.


Und das alles müsstest du auf deine Schulszene beziehen, also ein Kind oder eine junge Frau schildern, die aus Angst vor der Blamage das Lesen oder den Tafelanschrieb verweigert. Die ein bisschen was rausholt durch Vermeidungsstrategien und die durchaus einzelne Wörter lesen kann, aber eben keinen langen Text, und die vermutlich keinen Zettel mit dem Inhalt und in dieser Ausdrucksweise schreiben würde oder könnte. Und du musst dir im Klaren darüber sein, dass sie durch ihre Erlebnisse und Konflikte so "reif" sein muss, ihre Situation als solche zu erkennen und zu definieren. Denn das tut sie in deinem Text. Und du müsstest die Schulform ggf. anpassen.

Du machst da schon einiges richtig.
Du schilderst hier eine Protagonistin, die eher schon älter sein dürfte. Das finde ich richtig. Sonst würde der Lehrer nicht "analysieren" sagen. Oder gar "Sie" wie in den vorherigen Fassungen. Das "Sie" geht trotzdem gar nicht, weil in der Oberstufe gesiezt wird und ein Analphabet, so wie sie sich selbst sieht, in der Oberstufe, das ist mehr als unrealistisch, obwohl es auch das gibt in sehr sehr seltenen Fällen. Aber das nimmt dir kein Leser ab. und es geht ja um deine Geschichte.
Das Alter brauchst du, denn sie ist sich ihrer Situation schon recht deutlich bewusst. Ob man das als Kind so hinkriegt? Schwierig. Ich würde sie daher älter lassen, aber ihren Konflikt noch mehr verdeutlichen. Und ich würde ihr "Geständnis" abändern. Ich würde die Schulform einbeziehen.

Wie du das ansonsten machst, finde ich im Prinzip ganz gut. Also dass sie es sich nicht mit der netten Schülerin, die ihr geholfen hat, verscherzen will. Und dann wird ihr nochmal der Raum eng gemacht durch das Zetteleinkassieren der anderen Lehrerin.
Trotzdem - vielleicht findest du weitere Möglichkeiten, alles etwas realistischer wirken zu lassen, die Geschichte, ihre Situation zu intensivieren.

Bei einer jungen Frau passt der Schulstoff übrigens nicht ganz, Satzteile macht man in der vierten bis vielleicht zur siebten Klasse. Danach werden komplexere Grammatikphänomene durchgenommen. Also wenn du eher eine junge Frau nehmen willst, würde ich vielleicht einen ganz anderen Tafelanschrieb wählen oder sie soll was lesen. Oder klar machen, dass es eine Wiederholung ist. Und dann würde ich die Nominalisierungen rausschmeißen. Kein Deutschlehrer, der irgendwas auf sich hält, würde in diesem Zusammenhang nach Nominalisierungen fragen. :) Lass ihn nach Objekten fragen oder so.
Und ich würde ihren Konflikt mit dem Lehrer verstärken. Also sie könnte zum Beispiel erst mal sagen, sie hat ihre Brille verlegt und will die Aufgabe nicht lösen. Oder den satz nicht vorlesen. Dann muss sie nach vorne. Etc.
In der Szene mit der Emma danach darf die dann natürlich nicht mehr nach einer Brille fragen, sondern müsste sie mit anderen Fragen "drangsalieren". So nach dem Motto. "Du hast doch gar keine Brille". Die Emma müsste sie einfach mal nach allem möglichen fragen, weil ihr was nauffällt. Aber eben schülermäßig fragen.

Zurück zur Tafelszene, vielleicht kriegt sie es sogar hin, dass der Ekelpauker ihr den Satz vorliest.
Was ich ganz gelungen finde, ist, dass sie deutet. Subjekt vorne. Genau so helfen sich nämlich Kinder mit Sprachschwieirigkeiten. Die gehen danach, was am häufigsten vorkommt. In sehr vielen Sätzen steht das Subjekt vorne, also deuten sie auf den Anfang. Ebenso beim Prädikat, es nimmt in Aussagesätzen immer die zweite Stelle ein. Wenn also das Subjekt nur aus einem Wort besteht, schon wieder ein Treffer.

Was mir noch auffiel, in der Szene mit der Kunstlehrerin reagiert diese ja ziemlich knallhart. Sie weiß ja, was das Vorlesen des Zettels bedeutet, ich nehme nicht an, dass du hier ein weiteres pädagogisches Ekelpaket zeigen wolltest, sondern eine, die auf diese Weise das Kind mit den großen Schwierigkeiten ermitteln will, um ihm zu helfen. Ich würde ihre Art an sich und ihre Reaktionen von daher ein bisschen abgleichen. Sie nicht ganz so knallhart zeigen, sie nicht ganz so sehr als kühle Erpresserin zeigen, die sie ja ist, sondern als Erpresserin mit einer guten Absicht. :) Also auch eine Spur so, dass es Inga ermöglicht wird, sich zu melden.

Puhh, ganz schön viel geworden.
Ich hoffe, du kannst was damit anfangen.
Viele Grüße von Novak

 

Hallo Dalina,

zunächst was Textliches:


Sein Geruch nach Zwiebeln, (KEIN KOMMA) und Rauch war unerträglich.

„Ich hätte gerne Subjekt, Prädikat, Adverbiale Bestimmungen und alle Nominalisierungen die du finden kannst
adverbiale Bestimmungen

Sollte sie sich einfach wieder auf ihren Platz setzten
setzen

auf jeden Fall…“,
auf jeden Fall(LEERZEICHEN)…“,
Ohne Leerzeichen, wenn Wort unvollstän…
Leerzeichen, wenn ein ganzes Wort fehlt

Sie war eine Frau in den vierziger Jahren,
Besser: In den Vierzigern.

ihre Haut war Faltenfrei.
faltenfrei

Sie war ohne Zweifel, eine Autoritätsperson.
Kein Komma

Die Lehrerin breitete ihr Material auf dem Lehrerpult aus, und begann Protokoll zu führen.
Kein Komma

Sie sah, wie die Lehrerin sich setzte, und zu lesen begann.
Kein Komma

„Nun gut …“ räusperte die Musiklehrerin sich
„Nun gut …“, räusperte die

schrieb mit schnörkeliger Schrift:
„Es tut mir leid Emma. Ich kann nicht lesen und nicht schreiben,
Mit dieser Aussage machst du die ganze Geschichte leider unglaubwürdig.
Schade. :Pfeif:

Schönen Abend noch und liebe Grüße,
GoMusic

 
Zuletzt bearbeitet:

Hej Dalina,

gerne habe ich deine überarbeitete Geschichte gelesen. :)
Dass du die Annäherung der beiden Mädchen mehr betrachtes, finde ich sehr schön. Das bringt mir auch den Inhalt näher.

Niemand wagte es, sich gegen ihn zu stellen, denn er hatte seine Methoden, sich zu rächen. Grausame Methoden. Alle hatten Angst vor ihm, und niemand wagte es, sein Wort in Frage zu stellen. Was dieser Mann sagte, war Gesetz.

Ich erwartete diesbezüglich noch eine Auflösung, aber im Grunde bin ich froh, nichts von den Methoden des Lehrers zu erfahren.

Es tut mir leid Emma. Ich kann nicht lesen und nicht schreiben, und bin deshalb so komisch. Bitte sag es niemandem.“

Klingt das nur in meinen Ohren seltsam? :hmm:

Buchstabensalat

Und ein halbes Menue hast du auch zusammengestellt. Dass du bei diesem Bild bleibst und es aufgreifst, gefällt mir auch sehr gut. Überhaupt schreibst du flott und ich komme gut zurecht.

Viel besser finde ich auch den Schluss: eine verständnisvolle Lehrerin und der Anfang einer neuer Geschichte.

Gut geworden. :thumbsup:

Lieber Gruß, Kanji

 

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