Was ist neu

Dieser Moment, wenn …

Challenge 1. Platz
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22.10.2011
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Dieser Moment, wenn …

Jonas war schon da, als ich in die Schule kam. Er fläzte an seinem Tisch, Kappe auf dem Kopf, Beine auf dem Tisch, obwohl Kühnert schon im Raum war.
Kühnert war unser Mathelehrer. Ein Typ, der Menschen als Zahlen betrachtete, am liebsten komplex, potenziert oder sonstwie verwertbar. Jonas und ich waren Nullen.

„Moin Tessa“, sagte Jonas.
„Bequem so?“ Ich zog ihm die Kappe über die Augen und schob seine Beine vom Tisch. Er rutschte theatralisch auf den Boden und feixte mich von unten her an. „Echt subtiler Mathebeginn, Tessa.“ Beim Hochkommen boxte er mich auf den Oberarm. Ich jaulte, obwohl nichts weh tat. „Mach das noch mal, und du landest im Wurstwasser.“
Vorne surrte die Tafel, einmal rauf, einmal runter, das war Kühnerts Startzeichen. Auf zum Nullenkillen.
Ich schob mich hinter Jonas an den Tisch und versteckte mich hinter seinen Schultern. Wenn ich Kühnert nicht sah, sah der mich auch nicht. Außerdem mochte er lieber männliche Nullen blamieren.
Ich riss einen Zettel aus meinem Block, schrieb und reichte ihn nach vorne zu Jonas. Der las, faltete den Zettel zusammen und legte ihn ins Federmäppchen. Keine zwei Sekunden später holte er ihn wieder raus, kritzelte eine Antwort, strich sie durch, schrieb noch einmal. Schließlich zerknäulte er das Papier, um es gleich darauf zu glätten, und mit dem Schreiben und Streichen weiterzumachen, bis er den Zettel in die Hosentasche stopfte. Die nächste Viertelstunde überlegte ich mir, ob man was von Jonas Schultern ablesen konnte. Hin und wieder zuckten sie, dann zuckten sie nicht mehr, denn Kühnert stand vor uns und Jonas musste nach vorne. Eine Gleichung mit ungefähr tausend Unbekannten, jede Ziffer sorgfältig hingemalt, am Ende wartete ein fettes Gleichheitszeichen. Jonas krakelte ein paar Zahlen an die Tafel, die mit Sicherheit falsch waren. Eines war nämlich klar: Kühnert hatte ihn nicht wegen Mathe an die Tafel geholt, sondern wegen der Pädagogik. Das bedeutete, Jonas zu beweisen, dass Jonas nichts konnte, obwohl der wusste, dass er nichts konnte, wir auch und Kühnert sowieso. Mathegestrampel halt.
„Was ist das?“, fragte Kühnert und wies auf Jonas Geschreibsel.
„Zahlen?“
„Und was sollen die?“
„Ihnen einen Gefallen tun?“
Kühnert ging ans Fenster und sah hinunter auf den Pausenhof. Sein Gesicht wirkte unergründlich.
Jonas verneigte sich tief vor der Klasse. „Sie haben mich an die Tafel geholt, da wollte ich nicht unhöflich sein.“
„Das ist alles falsch, schon im Ansatz, das müsste alles weg.“
Jonas griff den Schwamm und löschte Kühnerts Gleichung.
„Nicht das. Herrgott!“ Kühnert öffnete den obersten Knopf seines Hemdes.
Überall gluckste es, gleich würden alle losprusten, was Kühnert noch mehr hasste als Nullen.
„Gib her“, sagte ich zu Melanie, meiner Tischnachbarin, riss ihr den dunkelroten Lippenstift aus der Hand, mit dem sie sich die Mathestunden vertrieb, und verschmierte ihn auf einem Taschentuch.
„Du hast sie wohl nicht mehr alle.“ Melanie holte sich den Stift zurück und betrachtete ihn, als wäre er eine plattgetretene Nudel.
Ich hustete mehrmals laut auf, holte zischend Atem und hielt das Taschentuch vor den Mund. Dann ließ ich mich auf den Tisch sinken und hustete weiter, so jämmerlich, als würde ich mir die Lunge aus dem Leib kotzen.
„Tessa, hör auf, das klingt ja furchtbar“, sagte Melanie. Dann hob sie den Arm und rief: „Herr Kühnert, hören Sie das nicht, der Tessa geht’s nicht gut.“
Kühnert kam zu uns, seine Gesicht wirkte misstrauisch. Ich glaub, hustende Mädchen waren für ihn eine unbegreifliche Nullausgabe von Amöbe. Ich röchelte, äugte zu Jonas hinüber und ließ Kühnert ein bisschen von dem Lippenstiftblut sehen. „Ich glaub, sie hustet Blut“, rief Melanie. Und Jonas schrie von vorne: „Sie hat Asthma, ganz schwer, das ist schon der dritte Anfall diese Woche.“ Ich hustete noch lauter, stand auf und schwankte zum Mülleimer. Dort sackte ich in die Knie, beugte mich über den Eimer und tat, als würde ich hineinkotzen.
„Bitte nicht“, hörte ich Kühnert. Fast tat er mir ein bisschen leid. „Sani“, röchelte ich, sah Kühnert von unten her an und hoffte, ich hätte Ähnlichkeit mit einem sterbenden Seehundbaby.
Kühnert kratzte sich am Kopf und starrte mich argwöhnisch an. Er schwitzte.
Endlich brach er ein, griff nach seinem Handy und rief im Sekretariat an.
„Können Sie jemanden vom Sanitätsdienst schicken?“ Er fuhr sich über die Stirn. „Was? Hier? Das gibt es doch nicht. Na gut, Dankeschön.“ Er legte das Handy zur Seite und starrte grimmig zu Jonas hinüber. Gleich darauf bimmelte es in dessen Hosentasche. „Sorry“, sagte er zu Kühnert und legte die Kreide zur Seite. „Muss sein. Leider. Bereitschaftsdienst.“ Dabei lächelte er und verbeugte sich noch einmal, obwohl Kühnert wie ein Kriegerdenkmal vor ihm stand. Das würde in die Annalen der Schule eingehen, wie Jonas dem Kühnert den Strom abgedreht hatte. Ich stöhnte noch ein bisschen weiter, einfach weil ich in Übung war, und damit Kühnert auf keine dummen Ideen kam, dann packte Jonas meinen Arm und brachte mich aus dem Raum. Draußen klatschten wir uns ab, fielen uns in die Arme und lachten.
„Das wäre mal subtil, wenn du an die Tafel musst und kannst es“, sagte ich.
„Nullstress“, sagte Jonas.
„Ich meins ernst. Ein zweites Mal können wir die Nummer nicht bringen.“
„Komm, lass uns eine zischen.“


Im Saniraum öffneten wir das Fenster und steckten uns eine an. Ich rauchte in tiefen Zügen, bis mir schwindlig wurde. Den Rauch wedelte ich zum Fenster hinaus. „Was ist jetzt? Du hast nicht zurückgeschrieben.“ Hinter mir quiekte es, erschrocken drehte ich mich um. Ich wusste, es war Jonas Stimme, aber es erinnerte mich an den Hund, der vor unserem Haus überfahren worden war. Jonas kniff die Augen zusammen.
„Gehst du jetzt mit mir zum Abschlussball?“
„Ich wollte mit einem Mädchen gehen.“
Es dauerte, bis der Satz im Gehirn angekommen war. Dort drehte er einen Kreis, ganz langsam, schließlich rutschte er hinunter. Direkt in den Magen.
Jonas wischte fahrig über sein T-Shirt, als haftete dort ein Haufen Tabakkrümel.
„Ein Mädchen? Und was bin ich? Ein Eichhörnchen?“
„So meinte ich das nicht, ach Scheiße, ich weiß nicht, wie ich das sagen soll. Wir sind doch Freunde.“

*


Ja, wir sind Freunde, Jonas und ich. Seit Babyzeiten. Ich wusste alles von ihm, wahrscheinlich kannte irgendein Frontallappen in meinem Schädel sogar seinen ersten Zahn. Das hatte ich jedenfalls immer gedacht, bis er in die Tanzschule „Bösel“ reinspaziert kam. Angemeldet, genauso wie ich. Und keiner wusste vom anderen.
Der Unterricht hatte noch nicht begonnen, aber die Tanzlehrer hatten sich schon in der Mitte des Saales postiert. Ich saß zwischen einem Haufen bauchfreier Mädchen mit knallengen Jeans und blickte nachdenklich auf meine weiten Hosen und das T-Shirt, unter dem mein Busen wie zwei Kirschkerne wirkte, während den Mädchen rings um mich die Brüste wie Äpfel aus dem rosa Stoff sprangen. Scheiße, dachte ich.
„Was machst du hier?“, fragte ich Jonas.
„Zweihundert Euro.“
„Was?“
„Ich krieg zweihundert Euro von meiner Mutter, wenn ich tanzen lerne. Ich soll mal was andres machen, als immer nur Brücken sprayen.“ Er schüttelte den Kopf. „Mit den zweihundert Euro kaufen wir uns neue Farben. Und du?“
„Umgekehrt“, sagte ich.
„Du musst zweihundert Euro zahlen?“
„Das war ein Scherz.“ Ich zog die Luft ein, bis es im Hals kitzelte. „Ich mein, ich zahl ganz normal. Ich wollte einfach …“ Meine Stimme kiekste, aber Jonas bemerkte das nicht, seine Augen waren durch den Raum gestreift, während ich sprach. An einer Stelle blieb sein Blick hängen. Ich drehte mich um, ein schlankes Mädchen saß dort, mit Locken bis zum Hintern.
„ … tanzen“, vollendete ich, aber Jonas war schon aufgestanden und in Richtung Lockenmädchen gelaufen, als hinge er an einer langen Angel und wurde jetzt eingeholt.
Ich blieb an meinem Platz. Den Rest des Abends beobachtete ich, wie er ein Mädchen nach dem anderen aufforderte, mit ihnen tanzte, und wie er immer wieder zu dem Mädchen mit den langen Locken zurückkehrte. Ihre Blicke strahlten, wenn sie aufeinander zuliefen.
Irgendwann an diesem Abend, als ich über der Schulter eines Jungen hing, der Angst vor mir zu haben schien, und Jonas nachstarrte, der durch die Mädelsschar brummte wie eine Hummel durch einen Kasten Hyazinthen, begriff ich, dass ich nur mit Jonas tanzen wollte. Mit sonst niemandem.

Hinterher, als alle weg waren, setzte sich die Tanzlehrerin neben mich. Sie sagte, dass sie Tanzassistenten besorgen würden, nächstes Mal werde alles besser, und natürlich gebe es keine Kleiderordnung, aber nur so als Rat unter Frauen, ob nicht etwas Weiblicheres? Wenigstens beim Abschlussball?
„Nur über meine Leiche“, sagte ich, stopfte die Haare unter das Cappy und ging.


*


„Freunde, ja klar, das seh ich“, sagte ich. „Und noch was, das tat weh eben. Ich tanz am besten von allen Chicas. Aber bei Kühnert darf ich dir helfen? Ja? Das ist scheiße.“
Jonas fasste mich am Arm. „Ich wollte dir nicht weh tun, ist nur, weil … “ Dann drehte er sich einfach um und ging.
Ich auch, aber nach Hause, obwohl die Schule nicht zu Ende war, und mein Asthmaanfall jetzt bestimmt aufflog.
Dass Jonas doch noch eine Fünf gekriegt hatte von dem bescheuerten Kühnert, erfuhr ich erst am nächsten Tag von Melanie.
In der zweiten Stunde schob sie mir einen Zettel zu. „Okay“, stand darauf in Bubbelschrift. Darunter „Joni“, mein Babyname für Jonas. Dann: „Mauer Osthafenbrücke“. Das war Jonas Projekt seit fast einem Jahr.
Unseren Namen taggen vor den spiegelnden Fensteraugen der EZB mit ihren ungefähr hundert Zivilbullen pro Quadratzentimeter. Auf die Wand von der Osthafenbrücke runter zum Mainufer.
Ich hatte immer abgelehnt, bin ja nicht lebensmüde, außerdem wär da keine Zeit für ein anspruchsvolles Piece in meinem Stil.

In der Pause passte Jonas mich ab. „Und?“, sagte er.
„Wie kommt's? Obwohl ich ja kein Mädchen bin?“
„Der Kühnert hat mir eine Fünf gegeben, als du weg warst.“
„Toll. Dann geh doch mit dem Kühnert zum Abschlussball.“
Jonas Oberlippe zuckte.
„Doch, sieht bestimmt geil aus, zwei Arschgeigen Arm in Arm. Und alle im Saal heben Pappschildchen mit Fünfen drauf.“
„Quatsch nicht rum! Der Typ braucht eine Abreibung.“
„Warum Osthafenbrücke?“
„Der Kühnert fährt jeden Tag mit dem Fahrrad dran vorbei.“
„Willst du jetzt eine Kunstnote von ihm oder was? Der Sack ist Mathelehrer.“
„Wir schreiben was, was ihm richtig stinkt, Zahlenfascho Kühnert, keine Ahnung. Außerdem hat der, als du weg warst, gesagt, dein Asthma käm vom Sprayen und wenn es nach ihm ginge, müssten Sprayer Klos putzen.“
„Arsch.“
„Siehst du?“
„Also kein Piece dieses Mal“, überlegte ich.
„Nein, der soll es lesen können.“
„Aber dann von ganz oben.“
„Nicht ungefährlich.“
„Genau deswegen.
„Schwierig. Hast du selbst immer gesagt.“ Jonas wiegte den Kopf hin und her, aber seine Augen funkelten.
„Doch, das geht. Die Wand hat genügend Griffe, an der Seite sind Rohre. Ich hab mir das angeschaut. Stell dir einfach den Spruch vor. Ganz oben auf der Mauer, darunter unsere Tags. Und jeder unten auf dem Radweg sieht es, wenn er vorbeifährt.“ Ich lachte voller Vorfreude. „Und noch was, Jonas, den Spruch denk ich mir aus. Der Kühnert darf uns nichts beweisen können.“
„Du bist die Beste. Wann?“
„Sonntagnacht. Halb drei. Aber vorher Gegend checken. Und denk dran, was du mir versprochen hast.“


*


Unser Atem bildete Wölkchen, als wir mit dem Rad den Main entlang fuhren. Dunkle Kleidung, kein Licht, die Rucksäcke mit der Ausrüstung baumelten auf dem Rücken.
Die Räder warfen wir in ein Gebüsch, bevor wir den Hang hinauf zur Brücke schlichen.
Kurz davor machte ich mich fertig. Kapuze, Maske, Stirnlampe und der Klettergurt von meinem Vater. Die Cans und ein paar Caps steckte ich zu den Handschuhen in die Bauchtasche. Am äußeren Rand der Mauer fixierte ich das Seil am Geländer, schlang es durch die Anseilschlaufe am Klettergurt und wand es an einer zweiten Stelle ein paar Mal um den Handlauf. Jonas würde das Seil weiterleiten. Im Notfall bewahrte mich das vor einem Sturz. Ich schaute nach unten. Das Gestrüpp am Fuß der Mauer sah aus wie verfilzte Haarbüschel. Von dort aus fiel der Hang sacht ab, hinunter zum Fahrradweg und zum Main, der im Mondlicht glitzerte. Ein kühler Wind strich die Mauer zu mir hoch. Ich schauderte, dann schwang ich mich über das Geländer. Ich stieg an dem Leitungsrohr am Rande der Mauer hinab, ungefähr zwei Meter, bis mein rechter Fuß das Sims tastete, von dem aus ich arbeiten wollte.
„Okay?“ Jonas Stimme war kaum zu hören. Nur sein Kopf hob sich als blasses Oval gegen den Himmel ab.
„Okay.“
Wenn jemand auch nur in die Nähe der Brücke kam, würde Jonas sich bemerkbar machen, würde pfeifen, zu mir herunterrufen, irgendwas, damit ich Zeit hatte, abzuhauen.
Vorsichtig schob ich mich seitlich das Sims entlang, während Jonas Seil gab, presste meine Hände an die Mauer, verschmolz mit ihr. Ich spähte zum Mauerende zurück. Ja, weit genug für die ersten Worte. Ich lehnte mich gegen die Wand, krallte mich mit einer Hand fest, mit der anderen fingerte ich die Handschuhe aus der Tasche. Keine Chance, sie anzuziehen. Ich ließ sie einfach fallen. Vielleicht würde morgen eine Kanadagans damit ihre Kinder beglücken.
Den anderen Arm hob ich hoch, die Spraydose darin wie einen Pokal, und atmete tief aus und ein. Am liebsten hätte ich gesungen. „Knebelt uns, fesselt uns, die Antwort bleibt bunt.“ Aber das wäre zu laut. Trotzdem, das hier war der Anfang von etwas Großem, ich summte die Melodie und schrieb: „Dieser Moment“. Klare, gut lesbare Schrift, nichts Schnörkeliges. Große Schwünge, markante Außenlinien, ein paar signalrote Schattierungen; mehr nicht. Das würde man gut sehen. Von Jonas hörte ich nichts. Ich verstaute alles und zog am Seil. Er gab Seil nach und ich trippelte weiter. Schritt für Schritt, die Hände an die Mauer gepresst. Etwas bröckelte unter meinem linken Fuß. Ich rutschte, krallte meine Hände noch fester, fand Halt. Der Schreck war mir bis in die Fingerspitzen gezuckt. Ich wischte mir über die Stirn, packte alles wieder aus und sprühte „wenn Kühnert“ an die Wand.
Irgendwo auf dem Main schrie etwas. Nur ein Vogel. Meine Klamotten klebten an mir, obwohl es kühl war. Sogar zwischen den Beinen fühlte ich mich feucht, als hätte ich in die Hose gemacht.
Von oben drangen Geräusche zu mir her. Schritte? Eine Autotür? „Jonas?“ flüsterte ich und spähte hoch, aber ich sah nur die Mauer über mir aufragen und das Seil. Bleib mal subtil, sagte ich mir, das geht schon alles. Jonas passt auf. Ich zog, um Jonas Signal für mehr Seil zu geben, spürte, wie es nachgab, und schlich weiter, bis ich Zug merkte. Als nächstes sprühte ich „merkt dass“ an die Wand, und dann, gerade, als ich mich entspannte und weiterwollte, zog sich das Seil noch fester. Fast hob ich ein bisschen ab. Eine Sprühflasche rutschte aus der Bauchtasche und polterte hinunter. Dann Schritte, eindeutig Schritte, die sich entfernten. Joni? Bleib jetzt verdammt subtil, Baby, du hast dich bestimmt nur verhört. Ich presste mich an die Mauer, zog an dem Seil, wollte mich das Sims zurückschieben Richtung Rohr, aber ich kam keinen Zentimeter vorwärts. Das Seil hatte viel zu viel Spannung. Ich pappte an der Wand wie eine Fliege, die man platt geklatscht hatte.
Dann wieder Schritte, und schließlich tauchten über mir zwei Köpfe auf. Da war kein Pfeifen gewesen, keine Warnung, nur ein paar Geräusche. Jonas hatte mich am Seil verfaulen lassen.
„Achtung. Tun Sie nichts Unüberlegtes. Bleiben Sie ganz ruhig. Klettern Sie vorsichtig hoch. Wohin sollen wir das Seil legen?“ Die Stimme war tief und kratzig. Ich spähte hoch, sprühte schnell drei Punkte hinter „dass“, rief „zum Rohr“ ließ die Can fallen und trippelte vorsichtig wieder zurück, den gesamten Weg, an meiner Schrift entlang zu dem Leitungsrohr, während die Männer von oben sorgfältig Seil nachgaben. Dann kletterte ich hoch.

Zwei Polizisten standen vor dem Geländer. Mit Schwung zerrten sie mich über das Metall, drehten meine Arme auf den Rücken und rissen mir die Maske vom Kopf. Danach wurden sie freundlicher.
Ich schwieg, als sie mich mitnahmen, schwieg auch, als sie fragten, ob ich wirklich alleine gewesen sei. Gab bloß meine Personalien an und verlangte nach einem Anwalt, obwohl ich gar nicht wusste, ob es Sprayeranwälte gab. Den beiden Polizisten war das egal, sie riefen sowieso meine Eltern an.
Aber ich blieb echt subtil so insgesamt. Nur, als der eine Polizist fragte, ob ich nicht zu jung zum Sterben sei, und zusammenzuckte, als ich bei der Frage nach meinem Vornamen Tessa sagte, musste ich erst lachen und gleich darauf ein bisschen weinen.
Mein Fahrrad ließ ich liegen, damit sie Jonas nicht auf die Spur kamen.


*


Am nächsten Morgen musste ich in die Schule, obwohl ich nicht geschlafen hatte. Die Bullen hatten mich nach Hause gebracht und meinen Eltern übergeben. Eigentlich waren die beiden Kerle ganz nett, sie fütterten mich sogar mit Wurstbrötchen und Kaffee, trotzdem ein Wunder, dass sie mich nicht wie ein Päckchen verschnürten. Das holten dann meine Eltern nach, jedenfalls geistig, und jetzt habe ich nicht nur eine Anzeige wegen Sachbeschädigung am Hals, sondern Hausarrest bis an mein Lebensende und wahrscheinlich krieg ich noch zehn Jahre nach meinem Tod Taschengeldkürzung. Aber was soll's. So lang ist das auch wieder nicht, ich sterbe vermutlich früh bei meinem Lebenswandel und den ganzen Dämpfen. Am meisten aber ärgerte mich der unvollständige Spruch. Jetzt stand an der Wand nur: „Dieser Moment wenn Kühnert merkt dass …“ Ich hoffte, dass Kühnert in den Auslassungspünktchen eine philosophische Arschlochbeschimpfung erkannte, aber wahrscheinlich war das zu subtil für Mathelehrer.


Jonas kam nicht an diesem Tag. Auch nicht am nächsten. Sein Handy war abgeschaltet, seine Mutter sagte, er sei krank.
Erst am dritten Tag, Mathe war schon vorbei, tauchte er auf, mit gesenktem Kopf, murmelte etwas und verließ als erster den Raum, als es blinkte.
Ganz hinten zwischen Schule und Park, wo wir immer heimlich unser Zigarettchen rauchten, traf ich ihn.
„Was war?“, fragte ich.
„Die Bullen kamen.“
„Echt?“
Er blickte nach unten auf den Boden. Keine Ahnung, was er da sah. Vielleicht zählte er Rotzepfützen?
„Warum hast du mich nicht gewarnt?“
„Das ging alles so schnell.“
Immer noch blickte er nach unten. Ich stieß ihn vor die Brust. „Du hättest mich warnen müssen, du Arsch.“
„Ich weiß.“ Endlich blickte er mich an. Er sah krank aus, obwohl ich Hausarrest hatte und einen Prozess vor mir und Eltern, die sich in Gorillas verwandelt hatten. „Hast du den Bullen was gesagt?“
Ich schnaubte. „Nein.“ Noch einmal stieß ich ihn. „Ist das alles was dich interessiert? Ob ich was gesagt habe?“
„Nein.“
„Ich hab übrigens eine Scheißanzeige am Hals. Und mein Fahrrad ist weg. Und deins?“
„Hab ich noch mitgenommen.“
„Ach.“
„Die hätten mich doch sonst gekriegt.“
Ich stieß ihn noch einmal vor die Brust, mit voller Kraft, er ließ alles mit sich machen, fiel einfach nach hinten wie ein Sack. „Ich geb dir die Hälfte zu der Strafe. Du kriegst auch mein Rad.“ Er sah ziemlich albern aus, wie er von unten zu mir hochäugte.
„Darum geht’s doch nicht“, sagte ich, „du bist abgehauen.“
„Ja.“
„Hmmm“, sagte ich. Und dann sah ich ihn an. „Am 19. ist der Abschlussball. Vielleicht ziehe ich sogar ein Kleid an.“
„Ja“, sagte er.
„Kannst du immer nur Ja sagen?“
„Nein.“
„Was jetzt?“ Ich setzte mich neben ihn auf den Boden und fasste ihn am Arm.
„Ich kann nicht mit dir gehen“, sagte er, „es geht einfach nicht. Jetzt noch viel weniger.“ In Jonas Augen lag dunkles Glitzern.
Ich sah auf den Boden. Da waren gar keine Rotzepfützen, sondern schwarze Muster und Abdrücke von Schuhsohlen und Steinchen, die sich zu fremdartigen Zufallstags verschlangen.
„Macht nichts“, sagte ich. Meine Stimme fühlte sich fremd an. „Macht ja nichts.“

Ich plante, „Scheiß auf Jonas“ auf alle Brücken Frankfurts zu sprühen, und die berühmteste und jüngste hessische Taggerin ever zu werden, ich wollte sogar ein Riesenplakat aus dem obersten Fenster der EZB hängen, auf dem „Jonas ist Verräter“ stand. Das machte ich dann doch nicht.
Die Tanzstunde aber habe ich geschmissen. Mag einfach keine Kleider.

Can: Sprühdose / Cap: Sprühventil / Piece: mehrfarbiges, aufwendiges Bild

 
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Liebe Novak,

tolle Geschichte. Und – so viel vorweg – eine, die die Challenge-Aufgabe bislang mit Abstand am konsequentesten erfüllt. Hut ab dafür, da schäme ich mich fast für meinen Quark … ähm … meine Sahne ;). Gehört definitiv zu meinen Lieblingsgeschichten in der Challenge.

Warum? Darum: Sehr einfühlsam erzählt, die Charaktere wirken total echt und dann sprayen die auch noch in Frankfurt, wo ich beruflich zweimal die Woche bin … was kann ich mehr verlangen.
Vom Stil her gewohnt souverän, man fängt an zu lesen und mag dann gar nicht mehr aufhören und irgendwann ist es dann halt leider zu Ende – und ich denke: „Manno!“ Was mir besonders gefällt: ein Text mit vielen von den Novak-typischen sprachlichen Leckerbissen.

Gehen wir mal ins Detail:

Vorne surrte die Tafel, einmal rauf, einmal runter, das war Kühnerts Startzeichen. Auf zum Nullenkillen. Morituri te salutant. Brot und Spiele für Mathelehrer.
Ich würde die beiden Nachsätze nach „Auf zum Nullenkillen“ streichen. Nimmt die Kraft aus der vorherigen Aussage. Klingt zwar intellektuell, ist aber meiner Meinung nach nicht nötig.

Wenn ich Kühnert nicht sah, sah der mich auch nicht.
Außerdem mochte er lieber männliche Nullen blamieren.
:lol: So war mein Mathelehrer auch. Leider war ich eine MÄNNLICHE Null.

Die nächste Viertelstunde überlegte ich mir, ob man Jonas Schulter lesen konnte.
Hier stand ich erst ein bisschen aus der Leitung, eine der ganz wenigen Stellen, wo ich kurz raus war. Aber ich weiß nicht, ob du es wirklich ändern solltest, oder ob es einfach an mir lag. Ich wollte es nur mal kurz rückmelden.

Hin und wieder zuckten sie, dann zuckten sie nicht mehr, denn Kühnert stand vor uns und Jonas musste nach vorne. Eine Gleichung mit ungefähr tausend Unbekannten, jede Ziffer sorgfältig hingemalt, am Ende wartete ein fettes Gleichheitszeichen.
Jonas krakelte ein paar Zahlen an die Tafel, die mit Sicherheit falsch waren. Eines war nämlich klar: Kühnert hatte ihn nicht wegen Mathe an die Tafel geholt, sondern wegen der Pädagogik. Das bedeutete, Jonas zu beweisen, dass Jonas nichts konnte, obwohl der wusste, dass er nichts konnte, wir auch und Kühnert sowieso. Mathegestrampel halt.
Für mich eine Zeitreise. Der Zwillingsbruder von meinem Mathelehrer!!!

„Das ist alles falsch, schon im Ansatz, das müsste alles weg.“
Jonas griff den Schwamm und löschte Kühnerts Gleichung.
„Nicht das. Herrgott!“ Kühnert öffnete den obersten Knopf seines Hemdes.
Überall gluckste es, gleich würden alle losprusten, was Kühnert noch mehr hasste als Nullen.
Wieder so ne Stelle, wo du schön Humor in das ganze einstreust. Gefällt mir gut

Kühnert kam zu uns, sein Gesicht wirkte ernst. Ich glaub, hustende Mädchen waren für ihn nicht bloß Nullen, die waren Nullausgabe von Amöbe.
Schönes Bild, aber hier fehlt ein die hinter Nullausgabe, oder?

„Bitte nicht“, hörte ich Kühnert. Fast tat er mir ein bisschen leid. „Sani“, röchelte ich, sah Kühnert von unten her an und hoffte, ich hätte Ähnlichkeit mit einem sterbenden Seehundbaby.
Das Sani finde ich zuviel. Hier würde ich eh ein bisschen zusammenstreichen. Besser wäre meines Erachtens nach: Trotzdem röchelte ich wie ein sterbendes Seehundbaby

Im Saniraum öffneten wir das Fenster und steckten uns eine an. Ich rauchte in tiefen Zügen, bis mir schwindlig wurde. Den Rauch wedelte ich zum Fenster hinaus. „Was ist jetzt? Du hast nicht zurückgeschrieben.“ Hinter mir quiekte es, erschrocken drehte ich mich um. Ich wusste, es war Jonas Stimme, aber es erinnerte mich an den Hund, der vor unserem Haus überfahren worden war. Jonas kniff die Augen zusammen.
„Gehst du jetzt mit mir zum Abschlussball?“
„Ich wollte mit einem Mädchen gehen.“
Es dauerte, bis der Satz in mein Gehirn gestiegen war. Dort drehte er einen Kreis, ganz langsam, schließlich rutschte er hinunter. Direkt in den Magen.
Jonas wischte fahrig über sein T-Shirt, als haftete dort ein Haufen Tabakkrümel.
„Ein Mädchen? Und was bin ich? Ein Eichhörnchen?“
„So meinte ich das nicht, ach Scheiße, ich weiß nicht, wie ich das sagen soll. Wir sind doch Freunde.“
Großartige Stelle!!!! Mit 13 Zeilen, ganz viel klar gemacht! Respekt ... hier wäre ich bestimmt geschwätzig geworden.

Irgendwann an diesem Abend, als ich über der Schulter eines Jungen hing, der Angst vor mir zu haben schien, und Jonas nachschaute, der durch die Mädelsschar brummte wie eine Hummel durch einen Kasten Hyazinthen, begriff ich, dass ich nur mit Jonas tanzen wollte. Mit sonst niemandem.
Hier ebenso, kein bisschen Schmalz, sondern durch ein schönes Bild (das meinte ich übrigens unter anderem mit den oben erwähnten Novak-Momenten) ganz klar auf den Punkt formuliert.

„Wie kommts? Obwohl ich ja kein Mädchen bin?“
Hier würde ich bei kommt’s ein Aphostroph setzen. So rein aus dem Bauch raus. Wir sollten vielleicht mal @Friedrichard fragen

„Sonntag Nacht. Halbdrei...“
Nach meinem Gefühl muss es hier Sonntagnacht und halb drei heißen. Also genau andersrum von der Trennung bzw. Nichttrennung her

Zwei Polizisten standen vor dem Geländer, weiter rechts rotierte ein Blaulicht.
Das Blaulicht würde ich streichen, das hätte die Prot doch schon oben bemerken müssen, oder ... nimm doch einfach einen Streifenwagen.

Aber ich blieb echt subtil so insgesamt.
:lol::D


Mein Fahrrad ließ ich liegen, damit sie Jonas nicht auf die Spur kamen.
Starker Abschluss der Szene

Am meisten aber ärgerte mich der unvollständige Spruch. Jetzt stand an der Wand nur: „Dieser Moment wenn Kühnert merkt dass …“ Ich hoffte, dass Kühnert in den Auslassungspünktchen eine philosophische Arschlochbeschimpfung erkannte, aber wahrscheinlich war das zu subtil für Mathelehrer.
Hier musste ich echt lachen … und ganz ehrlich, ein bisschen ärgert mich es auch, dass ich den Satz nicht ganz weiß – übrigens schon bei der Sprayer-Szene ;). Ich erwarte ne PM mit der Auflösung ;)...

Jonas kam nicht an diesem Tag. Auch nicht am nächsten. Sein Handy war abgeschaltet, seine Mutter sagte, er sei krank.
(…)
Ich sah auf den Boden. Da waren gar keine Rotzepfützen, sondern schwarze Muster und Abdrücke von Schuhsohlen und Steinchen, die sich zu fremdartigen Zufallstags verschlangen.
„Macht nichts“, sagte ich. Meine Stimme fühlte sich fremd an. „Macht ja nichts.“
Der ganze Absatz hier ist schlicht und einfach super.

Die Tanzstunde aber habe ich geschmissen. Mag einfach keine Kleider.
Und super Schlusssatz.

Habe ich was zu meckern? Ja, ein ganz kleines bisschen. Ich finde das Lockenmädchen wird ein bisschen zu sehr aufgebaut in der Geschichte und spielt dann keine Rolle mehr. Das sind aber wahrscheinlich nur enttäuschte Erwartungen von mir, weil ich überzeugt war, dass sie irgendwas mit Jonas' Verschwinden zu tun hatte. Also irgendeine SMS, Whatsapp, ein spontanes Date ... was auch immer. Auf jedenfall muss sie doch der Grund sein, warum Jonas sich verpisst - und nicht nur die Angst vor der Polizei. Da wäre doch ein viel, viel größerer Verrat. Na ja, ich war mir sooooo sicher ... und du hast meine Erwartungen nicht erfüllt. Das ist ... na ja ... offenbar sind es doch enttäuschte Erwartungen meinerseits und sonst nichts ;)...

Sehr, sehr gern gelesen!
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Huhu Novak!

Gute Story! Eine Sprayer-Geschichte habe ich bis jetzt auch noch nicht gelesen - insofern hat mich das schon mal neugierig gemacht.:)
Besonders gut hat mir deine Exkursion in diese Subkultur mit ihren Begriffen, ihrer Terminologie und den "subtilen" Anspielungen auf die Motivation, Ruhmsucht und Abenteuerlust dieser anarchistischen Schmierfinken gefallen. Da hatte ich den Eindruck, dass du das entweder sehr realistisch und lebensnah recherchiert hast, oder aber selber so 'nen urbaner Spraydosen-Revoluzzer bist!!:D

Wie gesagt, das fand ich interessant und abwechslungsreich. Aber auch die (unerwiderte) Liebeskomponente von Tessa und ihren Sandkastenfreund Jonas fand ich gut erzählt. Schade und zugleich realistisch, dass er sie im Stich gelassen hat und dann zu feige war, zu ihr zu stehen.

Die Mathestunden-Einlage mit dem simulierten Asthmaanfall fand ich hingegen ein bisschen zu übertrieben. Klar, Kühnert ist ein unsympathischer Arsch - das musst du aber nicht dadurch charakterisieren, dass er so gleichgültig reagiert, wenn eine Schülerin Blut (!) spuckt. Also ich glaube, da würde jeder Lehrer eher einen mittleren Panikanfall kriegen.
Aber das ist jetzt nichts, das sich irgendwie störend oder negativ auf die Handlung ausgewirkt hat.

Sehr gut hat mir dann wieder die Szene in der Tanzschule gefallen - ich war direkt drin und konnte mir Tessa richtig gut vorstellen. Besonders, weil sie als wohl recht burschikoses Mädchen dann plötzlich gegen die "Girlies" konkurrieren muss. Schönes (typisches) Jugend-Dilemma, das man wahrscheinlich nur dann so richtig nachvollziehen kann, wenn man selber ein Mädchen ist! Danke für diesen Blick hinter die weiblichen Kulissen!!:lol:

Die nächtliche Sprayeraktion hast du spannend und lebendig beschrieben. Ein gutes Stilmittel hast du mit der stückchenweise vorgenommenen Beschreibung des Textes gewählt, den Tessa da aufgesprüht hat. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, was sie denn da jetzt hinsprüht! "Dieser Moment wenn Kühnert merkt dass ..."
Hm - irgendwie unbefriedigend und ziemlich nichtssagend. Also so gar nicht die erhoffte Revanche für den Mathelehrer, ders eigentlich verdient hätte!!! Und damit, liebe Novak, hast du mich wieder in ziemliches Erstaunen versetzt, weil ich mir gedacht habe: "Wow - das ist wie aus dem wahren Leben. Das ist keine Phantasiegeschichte, sondern ein Stück echtes Leben, das du hier eingefangen hast!"
Das muss man erstmal so hinkriegen!!:thumbsup:

Und wie gesagt, dass Ende war und blieb genauso realistisch. Irgendwie ernüchternd und enttäuschend für Tessa. Und Jonas hat sich ganz sicher keine Karma-Punkte eingehandelt, diese illoyale, feige Mistsau!

Mir hat die Geschichte ausnehmend gut gefallen. Ein bisschen juvenile Subkultur, ein bisschen romantisch-tragische Teenagerliebe und das alles in einem realistischen Rahmen.

Ich persönlich würde Sprayern eingedenk der alten Weisheit "Narrenhände beschmieren Tisch und Wände" zwar am liebsten die Hände in einen Fleischwolf stecken und dann mit Zwiebeln und Schnittlauch zu fressen geben, aber das ändert nichts daran, dass ich deine Geschichte sehr gern gelesen habe!:)

Viele Grüße vom EISENMANN, der Spraydosen nur dann gut findet, wenn Schmiermittel drin ist!!

P.S. Ach so - Mathelehrer ist kein Beruf, sondern eine Diagnose!!!:D

 

Hallo Novak,

ob man Jonas Schulter lesen konnte. Hin und wieder zuckten sie,
Meinst du Schultern? Dann stimmt das "sie". Ich könnte mir denken, dass man aus dem Zucken etwas ablesen kann - aber lesen? Steht da was drauf?

„Ein Mädchen? Und was bin ich? Ein Eichhörnchen?“
ROFL oder oh je, kann mich jemand wieder vom Boder aufheben.

Ja, eine ganz tolle Geschichte. Bei einer Bekannten hats vor vielen Jahren nicht geklappt. Sie ist vom Hochhaus runtergefallen. Und dann noch dieser Mathelehrer - das ist mir viel zu viel Realität, aber sehr gut erzählt. Da hält sich das Lesevergnügen mit den schlechten Erinnerungen die Waage. Also komme ich nach dem Lösen dieser sehr komplexen Gleichung zum dem Ergebns:

sehr sehr gerne gelesen vom Jobär

 

Liebe Novak

Ich gehe mit meinen Kommentaren ja ziemlich systematisch durch die Geschichten, nach Einstelldatum und so, aber hier muss ich eine Ausnahme machen.

Aber ich blieb echt subtil so insgesamt.

Was auch für deine grossartige Geschichte gilt. Du hast da zwar wunderbar kräftige Figuren, tolle Dialoge, einen sehr schönen Plot, der Spannung verspricht (und das Versprechen auch einhält), aber am Ende verzichtest du auf den grossen Knall. So wie der Spruch nicht zu einem Ende kommt, so auch die Geschichte nicht. Also, irgendwie schon. Aber es entspricht eher den drei Pünktchen an der Wand. Nicht, dass es offen wäre, aber es ist so, als würde dem Ballon, der aufgepustet wurde, einfach die Luft entweichen. Enttäuschung. Das ist, was bleibt. Und ich find's gut. Das macht die Geschichte noch authentischer, lebensnaher.

Ich finde, das ist auch sehr schnörkellos erzählt, im besten Sinn, selten bin ich durch eine Geschichte geglitten wie durch diese hier. Ich war sehr nahe dran an Tessa, hab mitgelitten, in der Wand mitgefiebert und hätte Jonas am Ende am liebsten in die Eier getreten.

Das wäre, so weit ich das in der ersten Begeisterung sehen kann, dann auch der einzige Kritikpunkt. Mir ist Tessa zu sehr Opfer. Zwei Stellen:

Und denk dran, was du mir versprochen hast.

„Am 19. ist der Abschlussball. Vielleicht ziehe ich sogar ein Kleid an.“
„Ja“, sagte er.
„Kannst du immer nur Ja sagen?“
„Nein.“
„Was jetzt?“ Ich setzte mich neben ihn auf den Boden und fasste ihn am Arm.

Also, diese beiden Passagen haben ja was Selbsterniedrigendes an sich. Aber ich weiss gar nicht, ob ich das jetzt dem Text anlasten will, oder ob ich Tessa einfach lieber anders hätte, weil ich sie so mag. Aber dass sie ihren Frust am Ende nur in Gedanken auf die Brücken Frankfurts sprüht, das fand ich schade. Nicht, dass sie jetzt eine Szene machen sollte. Aber sowohl die Rückfrage oben, dieses Beharren auf der Abmachung, als auch die Passage am Schluss könnten ja wegfallen. Also, mir wäre es einfach lieber, wenn Tessa selbst entscheidet, dass das mit dem Ball nichts wird. Selbst dann wenn Jonas sagt, er könne nicht. Dann hättest du auch eine stärkere Entwicklung in der Figur, das würde mir gefallen.

Aber ja, das ist vielleicht nur ein Wunsch, wie ich die Welt gern hätte - sogar die fiktive Welt - und nicht wirkliche Textkritik.

Ein toller Text. Mehr als toll. Es ist erstaunlich, was aneinandergereihte Buchstaben auslösen können. Der Text hat mich berührt, nicht weil es ein berührender Plot ist (schon auch), sondern wegen der Erzählerin. Tessa, diese intelligente, freche, witzige, liebenswürdige, absolut loyale Tessa, ist mir sehr nahe gekommen. Das ist schon was Besonderes.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
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Liebe Novak,

Keine Frage, deine Geschichte ist nahe an der Jugend dran. Tessa als Mädchen ohne Vorzeigebusen und Locken ist für einen Jungen um die sechzehn nicht attraktiv genug, um mit ihm auf dem Abschlussball der Tanzschule (oder Realschule?) anzugeben, bzw. rumzuknutschen. Für eine Kumpelfreundschaft reicht es zwar bei Jonas, aber Tessa will mehr sein. Eigentlich ahnt sie es schon, wenn sie sich an die erste Tanzstunde erinnert. Bittere Lektion für sie.

Am besten hat mir die Sprayergeschichte gefallen, gut recherchiert, klingt fast nach eigenen Erfahrungen:D Und wunderbar plakativ, um zu zeigen, wie eine Freundschaft durch dick und dünn auszusehen hätte, eben eine Seilschaft, um sich bei Gefahren zu helfen. Da ist Jonas geflüchtet, aber nicht nur vor der Polizei, sondern auch vor Tessas Hoffnungen. Offenbar ist dieser Knabe überfordert. Sehr subtil.

Jetzt kommt etwas Kritisches.

Die Unterrichtsszene mit dem verknöcherten Mathelehrer ist zwar witzig formuliert, mir aber etwas zu lang und -entschuldige, liebe Novak - zu klischeehaft. Warum muss es immer der Mathelehrer sein? Und die Verarschung ist mir zu sehr Feuerzangenbowle. Lehrer als Feindbilder ... Gibt es nicht noch andere Gründe für Sprayerkarrieren, z.B.künstlerische Selbstverwirklichung, Lust auf Nervenkitzel wegen der Illegalität
oder auch der Wunsch nach geheimer Rebellion?

Sprachlich gefällt mir dein Text sehr. Du bedauerst, dass er nicht noch länger abhängen kann. Ich denke, das passiert noch, weil du ganz viele Kommentare kriegen wirst und dann geht es hin und her (wie bei den "fleißige(n) Händen"). Jedenfalls wirst du weit oben im Ranking stehen.

Herzliche Grüße
wieselmaus

 
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Hallo Novak,


schön, von dir zu lesen, und gleich mal vorweg: Mir hat deine Geschichte ebenso ausgesprochen gut gefallen.

Ich mag deine quirlige, freche Tessa, die sich vielleicht in den Falschen verguckt hat (aber wer sucht sich das schon aus). Ist auch etwas traurig, das Ganze. Aber so ist das eben. Immerhin sind sie Freunde. Und um mal eine Lanze für Jonas zu brechen: Ich verstehe, dass er abhaut. Schließlich muss er wegen der Sprüherei schon früher aufgefallen sein, sonst hätte er nicht 200 Ocken für einen Tanzkurs spendiert bekommen.

Das Thema hast du toll getroffen und mir gefällt ebenso, dass das Graffito unvollständig bleibt.

Sprachlich ist das gewohnt gut, hie und da übertreibst du es jedoch ein wenig, finde ich (auch inhaltlich).
Ich finde es sehr mutig von dir, den Jugendjargon zu verwenden. Ich weiß nicht, ob das bei Jugendlichen immer authentisch wirkt - kann das aber letztendlich nicht beurteilen.


Ein paar (teilweise sehr pingelige :)) Überlegungen zu deiner Geschichte:

Kühnert war unser Mathelehrer. Ein Typ, der Menschen als Zahlen betrachtete, am liebsten komplex, potenziert oder sonstwie verwertbar.
Ich würde zwei Sätze daraus machen. Und einleitend vielleicht: Von dem Typ, der ...

„Mach das noch mal, und du landest im Wurstwasser.“
Hab' ich noch nie gehört, auch von meinem 14'jährigen nicht.

Vorne surrte die Tafel, einmal rauf, einmal runter, das war Kühnerts Startzeichen. Auf zum Nullenkillen. Morituri te salutant. Brot und Spiele für Mathelehrer.
Würde ich streichen. Das Nullenkillen reicht mir da - gefällt mir einfach zu gut.

... bis er den Zettel endlich in die Hosentasche stopfte.
Wieso denn endlich? Sie wartet doch auf Rückantwort.

... ob man Jonas Schulter lesen konnte. Hin und wieder zuckten sie, dann zuckten sie nicht mehr, denn Kühnert stand vor uns und Jonas musste nach vorne ...
Würde ich klarer machen.
Vielleicht: ... ob man was von Jonas Schultern ablesen konnte. Sie zuckten auf und ab, dann nicht mehr, denn Kühnert stand vor uns und Jonas musste nach vorne ...

Eines war nämlich klar: Kühnert hatte ihn nicht wegen Mathe an die Tafel geholt, sondern wegen der Pädagogik. Das bedeutete, Jonas zu beweisen, dass Jonas nichts konnte, obwohl der wusste, dass er nichts konnte, wir auch und Kühnert sowieso. Mathegestrampel halt.
Irgendwie weiß ich eh schon, was das bedeutet. Ich finde den Pädagogik-Satz zu gut, um ihn zu verwässern.

„Zahlen?“
„Und was sollen die?“
„Ihnen einen gefallen tun?"
Fände ich besser.

Mann, das sind echt Früchtchen. Der kann sich echt nicht durchsetzen, der Kühnert. Kein Wunder, dass er sich mit Fünfen rächt :).
Füße auf dem Tisch, das Schminken, die Verbeugung und das Theater mit dem "Sani" ist mir too much, zu Fack-Ju-Göhte-mäßig. Finde ich unnötig überzeichnet; aber gut, mag an mir liegen.

Dann ließ ich mich auf den Tisch sinken und hustete weiter, so jämmerlich, als würde ich mir die Lunge aus dem Leib kotzen.
...
Ich hustete noch lauter, stand auf und schwankte zum Mülleimer. Dort sackte ich in die Knie, beugte mich über den Eimer und tat, als würde ich hineinkotzen. „Bitte nicht“, hörte ich Kühnert. Fast tat er mir ein bisschen leid. „Sani“, röchelte ich, sah Kühnert von unten her an und hoffte, ich hätte Ähnlichkeit mit einem sterbenden Seehundbaby.
Das ist mir einfach überzeichnet, Novak. Da verliert sie auch eine Menge Sympathiepunkte bei mir. Da nervt sie mich nur noch.
Husten und Asthma (von mir auch das Blut) hätten mir ausgereicht.

... dann packte Jonas mich am meinen Arm und brachte mich aus dem Raum.
Könntest das mich-mich vermeiden.

„Komm[Komma] lass uns eine zischen.“

Hinter mir quiekte es, erschrocken drehte ich mich um. Ich wusste, es war Jonas Stimme, aber es erinnerte mich an den Hund, der vor unserem Haus überfahren worden war.
Quiekende Hunde. Hm. Aufheulen, Jaulen ...?
Vielleicht:
Ich drehte mich erschrocken um, weil Jonas aufheulte wie der Hund, der vor unserem Haus überfahren worden war.


Es dauerte, bis der Satz in mein Gehirn gestiegen war. Dort drehte er einen Kreis, ganz langsam, schließlich rutschte er hinunter. Direkt in den Magen.
Ich hab' dich gewarnt; sehr pingelig jetzt :):
Ich komme mit dem gestiegen nicht klar. Streng genommen durchläuft der Satz das Gehör und muss nicht steigen. Du willst das wegen dem Hinunterrutschen, denke ich.
Vielleicht: Es dauerte, bis der Satz angekommen war. Er drehte einen Kreis in meinem Kopf(Hirn), ganz langsam, dann rutschte er hinunter. Direkt in den Magen.

„Ein Mädchen? Und was bin ich? Ein Eichhörnchen?“
Das finde ich toll!

Ja, wir sind Freunde, Jonas und ich. Seit Babyzeiten. Ich wusste alles von ihm, wahrscheinlich kannte irgendein Frontallappen in meinem Schädel sogar seinen ersten Zahn. Das hatte ich jedenfalls immer gedacht, bis er in die Tanzschule „Bösel“ reinspaziert kam.
Sorry, ist mir auch zu viel.
Warum nicht einfach - oder ähnlich:
Ja, wir sind Freunde, Jonas und ich. Schon immer (Seit dem Kindergarten). Ich wusste einfach alles von ihm. Das hatte ich jedenfalls gedacht, bis er in die Tanzschule „Bösel“ reinspaziert kam.

Irgendwann an diesem Abend, als ich über der Schulter eines Jungen hing, der Angst vor mir zu haben schien, und Jonas nachschaute, der durch die Mädelsschar brummte wie eine Hummel durch einen Kasten Hyazinthen, begriff ich, dass ich nur mit Jonas tanzen wollte.
Ein langer Satz, den ich aber gelungen finde. Den Kasten könntest du noch streichen, wenn du wolltest. Vielleicht auch nachstierte/nachgaffte oder so (man könnte kurz denken, Jonas suche etwas).
Überhaupt: Die ganze Tanzschulen-Szene finde ich toll geschrieben.

Sie sagte, dass sie Tanzassistenten besorgen würden, nächstes Mal werde alles besser, und natürlich gebe es keine Kleiderordnung, aber nur so als Rat unter Frauen, ob nicht etwas Weiblicheres?
Der einzige Satz in dem Abschnitt, den ich nicht so gut gelungen finde. Das nächste Mal habe ich erst mit den Tanzassistenten in Verbindung gebracht (trotz Komma) und bin kurz hängen geblieben. Blicke ich auch nicht ganz mit den Tanzassisitenten, ehrlich gesagt.
Vielleicht:
Sie sagte, nächstes Mal werde alles besser, und natürlich gebe es keine Kleiderordnung, aber mal so, unter Frauen, ob nicht etwas Weiblicheres angebrachter wäre?
"Als" weg, da zuvor schon oft verwendet.

„Nur über meine Leiche“, sagte ich, stopfte die Haare unter das Cappy und ging.
Ich mag Tessa einfach :)!


Puh, schon so spät ...

Ich schreibe zu einem späteren Zeitpunkt mehr zu deinem tollen Text (unmittelbar darunter). Vielleicht bin ich dann auch weniger pingelig.

Nimm dir, was du brauchen kannst, den Rest ... na, du weißt schon ...


Gruß


hell


Weiter geht's Novak ...


„Freunde, ja klar, das seh ich“, sagte ich. „Und noch was, das tat weh eben. Ich tanz am besten von allen Chicas. Aber bei Kühnert darf ich dir helfen? Ja? Das ist scheiße.“
Jonas fasste mich am Arm. „Ich wollte dir nicht weh tun, ist nur, weil … “ Dann drehte er sich einfach um und ging. Ich auch, aber nach Hause, obwohl die Schule noch nicht zu Ende war, und mein Asthmaanfall jetzt bestimmt aufflog. Dass Jonas doch noch eine Fünf gekriegt hatte von dem bescheuerten Kühnert, erfuhr ich erst am nächsten Tag von Melanie.
In der zweiten Stunde schob sie mir einen Zettel zu. „Okay“, stand darauf in Bubbelschrift. Darunter „Joni“, mein Babyname für Jonas. Und dann noch: „Mauer Osthafenbrücke“
Könntest du vermeiden, wenn du willst (bin noch immer pingelig :)).
scheiße, klein.

Doch, Sieht bestimmt geil aus, zwei Arschgeigen Arm in Arm. Und alle im Saal heben Pappschildchen mit Fünfen drauf.“
Gefällt mir, das mit den Pappschildchen.

... gesagt, dein Asthma käm vom vielen Sprayen und wenn es nach ihm ginge, müssten Sprayer Klos putzen.
vom (Sprüh-)Lack, von der Farbe, von den Dämpfen ... Woher weiß er das eigentlich? Ist das für alle klar, dass sie ein Sprayer ist? Sogar dem Kühnert?

... bevor wir leise den Hang hinauf zur Brücke schlichen.
Laut schleichen geht wohl nicht.

Cans und Caps steckte ich zu den Handschuhen in die Bauchtasche.
Gefällt mir besser als Cappy. Ich würde das oben derart ändern.

... der im Mondlicht spiegelte.
Besser: ... der das.

Am äußeren Rand der Mauer fixierte ich das Seil am Geländer, schlang es durch die Anseilschlaufe am Klettergurt und wand es an einer zweiten Stelle ein paar Mal um das Geländer. Jonas würde das Seil weiterleiten. Im Notfall bewahrte mich das vor einem Sturz. Ich beugte mich über das Geländer. Das Gestrüpp am Fuß der Mauer sah aus wie verfilzte Haarbüschel. Von dort aus fiel der Hang sacht ab, hinunter zum Fahrradweg und zum Main, der im Mondlicht spiegelte. Ein kühler Wind strich die Mauer zu mir hoch. Ich schauderte, dann schwang ich mich über das Geländer.
Kannst du ja mal überdenken.

Wenn jemand auch nur in die Nähe der Brücke kam, würde Jonas sich bemerkbar machen, würde pfeifen, zu mir herunterrufen, irgendwas, damit ich Zeit hatte, abzuhauen.
Hm. Vom Streifenwagen bekommt er aber nichts mit? Ich würde den später streichen (Blaulicht) und die "Bullen" zu Fuß unterwegs sein lassen. Ich kann einfach nicht glauben, dass er sie so ins offene Messer laufen lässt. Alleine schon wegen der "Berufs-(Gauner-)Ehre :).

Ich lehnte mich gegen die Wand, krallte mich mit einer Hand fest, mit der anderen fingerte ich die Handschuhe aus der Tasche.
Ich verstehe nicht, weshalb sie die Handschuhe nicht vorher anzieht.

Mit der einen Hand hielt ich mich weiter fest, den anderen Arm hob ich hoch, die Spraydose darin wie einen Pokal, und atmete tief aus und ein.
Ich weiß ja schon, dass sie sich mit der Hand festhält.

„Knebelt uns, fesselt uns, die Antwort bleibt bunt.“ Aber das war zu laut.
Konjunktiv?

„Dieser Moment“. Klare, gut lesbare Schrift, nichts Schnörkeliges. Große Schwünge, markante Außenlinien, ein paar signalrote Schattierungen; mehr nicht. Das würde man gut sehen. Von Jonas hörte ich nichts. Ich verstaute alles und zog am Seil. Er gab Seil nach und ich trippelte weiter. Schritt für Schritt, die Hände an die Mauer gepresst. Etwas bröckelte unter meinem linken Fuß. Ich rutschte, krallte meine Hände noch fester, fand Halt. Der Schreck war mir bis in die Fingerspitzen gezuckt. Ich wischte mir über die Stirn, packte alles wieder aus und sprühte „wenn Kühnert“ an die Wand.
Das klingt so, als habe sie durch das Festkrallen Halt gefunden. Wie kann sie sich dann die Stirn wischen und alles wieder auspacken? Würde ich etwas klarer machen.
Ansonsten finde ich das alles sehr spannend und gut geschrieben! Auch die Idee, nur häppchenweise sprühen zu lassen, gefällt mir außerordentlich gut.

Nur, als der jüngere Polizist fragte, ob ich nicht zu jung zum Sterben sei, und zusammenzuckte, als ich bei der Frage nach meinem Vornamen Tessa sagte, musste ich erst lachen und gleich darauf ein bisschen weinen.
Vorschlag:
Erst auf die Frage hin, ob ich nicht zu jung zum Sterben sei, und einer der Polizisten zusammenzuckte, als ich ihm meinen Vornamen Tessa sagte (ins Gesicht spie/ spuckte ...), musste ich erst lachen und gleich darauf ein bisschen weinen.

Das holten dann meine Eltern nach, jedenfalls geistig ...
Gefällt mir nicht.

... sondern Hausarrest bis an mein Lebensende und wahrscheinlich krieg ich noch zehn Jahre länger als Lebensende Taschengeldkürzung. Aber so lang ist das auch wieder nicht, denn ich sterbe wahrscheinlich früh bei meinem Lebenswandel und den ganzen Dämpfen. Am meisten aber ärgerte mich der unvollständige Spruch. Jetzt stand an der Wand nur: „Dieser Moment wenn Kühnert merkt dass …“ Ich hoffte, dass Kühnert in den Auslassungspünktchen eine philosophische Arschlochbeschimpfung erkannte, aber wahrscheinlich war das zu subtil für Mathelehrer.
Die Wiederholungen könntest du vermeiden; wenigstens mal ein vermutlich nutzen.
Ich würde ein Punkt nach Lebensende setzen.
Ist mir zu altklug, zu sachlich formuliert.
Ich würde statt philosophische, subtile schreiben und später vielleicht nur zu hoch für Mathelehrer.
Vielleicht:
... sondern Hausarrest bis an mein Lebensende. Vermutlich krieg ich noch zehn weitere Jahre Taschengeldkürzung obendrauf. Aber was solls. Ich sterbe eh früh bei meinem Lifestyle.
Am meisten ärgerte mich der unvollständige Spruch. Jetzt stand an der Wand nur: „Dieser Moment wenn Kühnert merkt dass …“ Ich hoffte, dass Kühnert in den Auslassungspünktchen eine subtile Arschlochbeschimpfung erkennt[würde ich im Präsens lassen], aber das ist wohl zu hoch für Mathelehrer.

... tauchte er auf, mit gesenktem Kopf, murmelte etwas und verließ als erster den Raum, als es blinkte.
Verstehe ich nicht mit dem Blinken.
Vielleicht:
... tauchte er auf, mit gesenktem Kopf, murmelte etwas und verließ als erster den Raum, nachdem der Schulgong tönte.


Die Graffiti-Szene finde ich spannend, das ganze Ende hat mir auch sehr gefallen. Schade, dass es nicht sein soll mit Jonas und Tessa. Finde ich aber gut, dass du es so ausgehen lässt. Den Schlusssatz fand ich prima!


So, ich bin durch.

Beim ersten Lesen bin ich so durchgeflutscht, darauf will ich hinweisen. Das meiste ist mir erst während der Textarbeit aufgefallen bzw. beim zweiten mal Lesen.
Vielleicht kannst du ja was mit anfangen.


Vielen Dank fürs Hochladen!


hell

 
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Meine liebe Novak,

der Text wird nach hinten immer besser. Mir kommt es auch so vor, als hättest du den Sprayerteil erst geschrieben und dann den Anfang am Ende. Ich finde, die ersten Absätze sind nicht richtig durchgearbeitet. Das kannst du besser ;)

Konkret:

Jonas war schon da, als ich in die Schule kam. Er fläzte an seinem Tisch, Cappy auf dem Kopf, Beine auf dem Tisch, obwohl Kühnert schon im Raum war.

Cappy? Kappi oder Cape, meines Empfindens nach.

Ich zog ihm das Cappy über die Augen und schob Jonas Beine vom Tisch.
Jonas finde ich nach dem ihm am Satzanfang ganz komisch.
Ich zog ihm das Cappy über die Augen und die Beine vom Tisch gefiele mir viel besser.

Morituri te salutant. Brot und Spiele für Mathelehrer.
Hat schon jemand moniert. Ich würde das auch löschen.


Ich schob mich hinter Jonas an den Tisch und versteckte mich hinter seinen Schultern.
Ich kann mir das auch nicht vorstellen. Hinter Jonas und gleichzeitig an den Tisch?

Ich riss einen Zettel aus meinem Block, schrieb und reichte ihn nach vorne zu Jonas.
:idee: - die sitzt eine Reihe hinter Jonas. Das konnte ich aber davor nicht herauslesen.

Die nächste Viertelstunde überlegte ich mir, ob man Jonas Schulter lesen konnte.
Wurde auch schon angesprochen: Ich bin auch darüber gestolpert. Wenn, dann: Schulterzucken gleich im ersten Satz. Oder vielleicht: Schulterbewegungen deuten konnte.


dann packte Jonas mich am Arm und brachte mich aus dem Raum.
Also jetzt wirklich, Novak, so geht das nicht :D
Der Jonas sieht die also röcheln, sie kotzt scheinbar in den Mülleimer - und er reagiert erst, wenn er vom Sekretariat die offizielle Meldung bekommen hat. Sani ist Sani ist Sani - und wenn der was sieht, muss er gleich helfen. Punkt. Alles andere gilt nicht. Das käme doch dem Handlungsverlauf auch noch entgegen, weil der Jonas dann schneller aus der Bredouille kommt.
Das wäre ja so, als wenn ein Feuerwehrmann einem aufkeimenden Feuer zusieht und nicht einschreitet, weil die Sirene noch nicht runter ging :hmm:

Hinter mir quiekte es, erschrocken drehte ich mich um.
Versteh ich nicht.

Ab hier nimmt die Geschichte Fahrt an:


Ja, wir sind Freunde, Jonas und ich. Seit Babyzeiten. Ich wusste alles von ihm, wahrscheinlich kannte irgendein Frontallappen in meinem Schädel sogar seinen ersten Zahn. Das hatte ich jedenfalls immer gedacht, bis er in die Tanzschule „Bösel“ reinspaziert kam. Angemeldet, genauso wie ich. Und keiner wusste vom anderen.

Und dann die Sprayerei - das hast du klasse geschrieben, da war ich ganz dabei und habe mitgefiebert.
In der Schlussszene hätte ich gerne gesehen, dass Tessa dem richtig eine runterhaut, so volle Kanne. So, dass er strauchelt, stürzt und sich das Bein bricht. Der Arme konnte dann deswegen nicht an den Abschlussball - so ein Ärger :D

Aber diese Schulszene, die würde ich eindampfen, mir ist der Jonas auch einen Ticken zu frech bei den Antworten dem Kühnert gegenüber.

Also, in einem Satz gesagt: Noch etwas den Anfang in die Mangel nehmen, Mathestunde verschlanken und den Jonas ein Bein brechen lassen (Zerrung reicht ja auch schon), dann wird das für mich eine supergute Story :cool:

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo Novak,

ich habe sie entdeckt! Ja, ich glaube, vielleicht ist sie nun in all deinen Geschichten zu finden. Muss ich im Auge behalten:

Vielleicht würde morgen eine Kanadagans damit ihre Kinder beglücken.
Das kann kein Zufall sein ;)

Zur Geschichte, ich finde, den Anfang könnte man kürzen. Die beide hassen ihren Mathelehrer (wenn ich da an meinen damals denke, kann ich das sehr gut verstehen) und wollen sich an ihm rächen. Ich finde, dafür braucht es wenig Worte, die mich dann vielleicht schneller in die Geschichte gezogen hätten.

Wie du die Beziehung zwischen Jonas und Tessa beschreibst, hat mir viel besser gefallen. Vielleicht, weil ich am Anfang meiner Jugend das gleiche Problem wie sie hatte. Immer eine coole Freundin, aber kein "Mädchen". Das, und wie sich Tessa dabei fühlt, hast du gut beschrieben.

Ob ich das Ende richtig verstanden habe, weiß ich nicht. Mal abgesehen davon, dass man leider nicht erfährt, was Tessa eigentlich sprayen wollte, deute ich Jonas' Verrat so, dass er kapiert hat, dass Tessa mehr empfindet, als bloß Freundschaft, und er sieht sich dieser Situation nicht gewachsen. Also haut er einfach ab und gibt sich danach wortkarg und feige.

Das hier fand ich ganz stark:

Ich sah auf den Boden. Da waren gar keine Rotzepfützen, sondern schwarze Muster und Abdrücke von Schuhsohlen und Steinchen, die sich zu fremdartigen Zufallstags verschlangen.
„Macht nichts“, sagte ich. Meine Stimme fühlte sich fremd an. „Macht ja nichts.“

Arme Tessa. Umso besser, dass im letzten Absatz ihr Trotz wieder zum Leben erwacht!

Eine Frage habe ich noch: Was soll dieses "subtil" die ganze Zeit? Sagt man das so? Für was soll das stehen? "Chillig"? Das ging mir total auf die Nerven, weil es total unpassend klingt ... Aber vielleicht habe ich da einen neuen Jugendslang verpasst ...?

Liebe Grüße an dich!
RinaWu

 
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Liebe Novak,

ein wirklich gelungener Text, inhaltlich und sprachlich sowieso. Die Art und Weise wie du die Tessa zeichnest, ja, die macht sie einfach sympathisch. Du benutzt teils hanebüchene Vergleiche (Seehundbaby, Kriegerdenkmal), die ich bei anderen Texten vielleicht hinterfragt hätte, aber sie passen hier einfach, zeichnen Tesse als taffes Mädchen, das sich nichts so leicht gefallen lässt, immer einen klugen Spruch auf den Lippen hat. Ich glaube, jedem ist so ein Mädchen schon einmal begegnet, zumindest in der Schulzeit. Das weckt Erinnerungen, bindet den Leser emotional an den Text, und Tessa wächst einem einfach ans Herz, das muss ich ganz klar so sagen.

Denn sie hat auch eine Schwäche, den Jonas. Sie kennt ihn seit frühester Kindheit, weiß so ziemlich alles über ihn, Freunde für's Leben also. Aber sie werden älter, Tessa wird zur Frau, und dann kommen diese blöden Gefühle dazu, der Wunsch, eventuell mehr für Jonas zu sein. Aber Jungs sind Jungs, wenn sie sowas überhaupt checken, dann müssen sie das erstmal verarbeiten. Und nach Jahren der Freundschaft sieht Jonas gar nicht, dass da mehr sein könnte, zumindest kann er es sich nicht vorstellen. Ich finde, das ist ein starkes Thema. Jonas, der dann doch feiger ist, als es anfangs den Anschein hatte, flieht vor der Polziei und auch vor Tessa und ihrem Versuch, ihm näher zu sein. Auch den Jonas hast du stark gezeichnet, man kann ihn sich gut vorstellen.

Die Protagonisten sind wirklich klasse. Und dann kommt auch noch richtig Spannung auf, als Tessa da an der Brücke sprayt. Wirklich ein starker Absatz, vor allem, weil man Tessa so mag. Man will nicht, dass sie erwischt wird, geschweige denn abstürzt. Mit der Spannung spielst du echt gut, das hast du wirklich drauf.

Ein paar Anmerkungen:

Morituri te salutant. Brot und Spiele für Mathelehrer.

Das passt nicht wirklich zur Tessa.

Der las, faltete den Zettel zusammen und legte ihn ins Federmäppchen. Keine zwei Sekunden später holte er ihn wieder raus, kritzelte eine Antwort, strich sie durch, schrieb noch einmal. Schließlich zerknäulte er das Papier, um es gleich darauf zu glätten, und mit dem Schreiben und Streichen weiterzumachen, bis er den Zettel endlich in die Hosentasche stopfte. Die nächste Viertelstunde überlegte ich mir, ob man Jonas Schulter lesen konnte.

Hier könntest du meiner Meinung nach etwas kürzen. Das liest sich nicht so schön.

„Herr Kühnert, hören Sie das nicht, der Tessa geht’s nicht gut.“

Ich würde hinter dem ersten nicht ein Fragezeichen setzen. So, wie der Satz jetzt dasteht, kann man ihn nämlich auch anders verstehen. ;)

Kühnert ging ans Fenster und sah hinunter auf den Pausenhof. Sein Gesicht wirkte unergründlich.
Kühnert kam zu uns, sein Gesicht wirkte ernst.

An sich keine tragische Wiederholung, aber der Charakter kommt selten genug vor, dass es dann doch auffällt.

Ich glaub, hustende Mädchen waren für ihn nicht bloß Nullen, die waren Nullausgabe von Amöbe.

Nullausgaben von Ämöben? Oder hast du das zwecks Jugendslang absichtlich so geschrieben?

„ … tanzen“, vollendete ich, aber Jonas war schon aufgestanden und in Richtung Lockenmädchen gelaufen, als hinge er an einer langen Angel und wurde jetzt eingeholt.

würde

Das ist Scheiße.

scheiße

Ich hatte immer abgelehnt, bin ja nicht lebensmüde, außerdem wär da keine Zeit für ein anspruchsvolles Piece in meinem Stil.

Ich finde, hier stolpert der ein oder andere bestimmt über Piece. So wie ich. :D Vielleicht wäre es besser, es klein zu schreiben und kursiv zu setzen, damit gleich klar wird, dass es Englisch ist?

Jonas Oberlippe zuckte.
„Doch, sieht bestimmt geil aus, zwei Arschgeigen Arm in Arm. Und alle im Saal heben Pappschildchen mit Fünfen drauf.“
„Quatsch nicht rum! Der Typ braucht eine Abreibung.“

Hier habe ich kurz den Überblick verloren, wer was sagt.

„Genau deswegen.

Hier hast du was verloren. ;)

Unser Atem bildete Wölkchen, als wir mit dem Rad den Main entlang fuhren.

entlangfuhren

Von dort aus fiel der Hang sacht ab, hinunter zum Fahrradweg und zum Main, der im Mondlicht spiegelte.

Kann man das so schreiben? Vielleicht besser: der das Mondlicht spiegelte.

Ein kühler Wind strich die Mauer zu mir hoch.

Liest sich, als würde der Wind die Mauer zu Tessa wehen.

Ist das alles Komma was dich interessiert?

Den Slang mit der häufigen Nutzung von subtil habe ich tatsächlich schon mal gehört, also für mich funktioniert es, macht den Text noch authentischer. Klar, mag den ein oder anderen stören, weil das Wort ja auch benutzt wird, ohne dass es eine signifikante Bedeutung hätte. Aber so benutzt die Jugend das eben, ich würde das nicht ändern.

Ein wirklich schöner Text, mit einer tollen Protagonistin. Mag ja eigentlich keine Coming-of-Age-Storys, die sind mir meist zu rosarot. Aber du hast das wirklich super gemacht, Novak. Hut ab für diesen Beitrag zum TdM, der mit Sicherheit sehr gut abschneiden wird bei der Abstimmung.

Liebe Grüße
gibberish

 

Liebe Novak

Mir gings ein wenig wie wieselmaus und bernadette - der Beginn hat mich nicht richtig überzeugen können, hinten raus wird der Text deutlich besser, und der Höhepunkt, das Sprayen an der Hauswand, war dann richtig packend.

Ich riss einen Zettel aus meinem Block, schrieb und reichte ihn nach vorne zu Jonas.

Für mich ist der Beginn ganz klar zu lang. Die Szene mit dem Mathelehrer hat keine wirkliche Bedeutung für die Geschichte - klar, sie ist der Grund für das Sprayen, und sie zeigt auch, dass Tessa und Jonas ein (eher kumpelhaftes) Team sind - aber trotzdem, dafür nimmt die Szene einfach zu viel Platz ein und zieht den Fokus zu sehr auf sich. Das würde knapper, prägnanter, pointierter gehen.

Übrigens nett, dass die doch sehr toughe Tessa den Mumm nicht aufbringt, Jonas direkt nach dem Abschlussball zu fragen, sondern einen Zettel schreibt. Das fand ich irgendwie niedlich, weil das Tessa sympathisch macht und auch glaubwürdig rüberkommt - ein schön eingestreutes Beispiel ihres Charakters.

Die nächste Viertelstunde überlegte ich mir, ob man Jonas Schulter lesen konnte.

Wurde schon angemerkt - vielleicht solltest du echt überlegen, den Jonas umzubenennen. Das liest sich im Genitiv einfach immer mühsam, gab ein paar Stellen, du solltest zumindest das Hochkomma machen:

... ob man Jonas' Schultern lesen konnte

Oder, was mir besser gefällt: die Schultern von Jonas ... aber ja, das ist halt immer das Problem, wenn die Namen auf "-s" enden.

„Gib her“, sagte ich zu Melanie, meiner Tischnachbarin, riss ihr den dunkelroten Lippenstift aus der Hand, mit dem sie sich die Mathestunden vertrieb, und verschmierte ihn auf einem Taschentuch.

Die ganze Aktion fand ich übertrieben und auch nicht sehr glaubhaft. Ganz ehrlich, wenn ich als Lehrer sehen würde, dass jemand Blut spuckt (!) und einen Asthma-Anfall hat - den würde ich doch nicht mit einem anderen Schüler einfach davonspazieren lassen, auch wenn der offenbar irgendeine medizinische Nothilfe-Ausbildung bekommen hat.

Ich glaub, hustende Mädchen waren für ihn nicht bloß Nullen, die waren Nullausgabe von Amöbe.

"Nullausgabe von Amöbe" - versteh ich nicht, vielleicht bin ich zu alt dafür ;)

„Können Sie jemanden vom Sanitätsdienst schicken?“ Er fuhr sich über die Stirn. „Was? Hier? Das gibt es doch nicht. Na gut, Dankeschön.“

Find ich (unfreiwillig) komisch - die sagen dem Kühnert, dass sich in seiner Klasse ein Sanitäter befindet, und er legt das Handy weg und wartet seelenruhig, bis es bei Jonas klingelt. Warum redet er nicht direkt mit Jonas? Oder warum sagt ihm das Sekretariat nicht, dass er direkt zu Jonas gehen soll? Oder - wie bernadette richtig angemerkt hat - warum kommt Jonas nicht schon allein auf die Idee zu helfen?

„Das wäre mal subtil, wenn du an die Tafel musst und kannst es“, sagte ich.

Ich hab nicht so den Kontakt zu Jugendlichen in dem Alter, hat sich das "subtil" eingebürgert inzwischen? Ich verfolg immer die Wahl zum Jugendwort des Jahres, und jedes Jahr höre ich den Gewinner zum ersten Mal, aber "subtil" war da glaub auch noch nicht dabei. Aber du verwendest es oft im Text.

Im Saniraum öffneten wir das Fenster und steckten uns eine an. Ich rauchte in tiefen Zügen, bis mir schwindlig wurde. Den Rauch wedelte ich zum Fenster hinaus. „Was ist jetzt? Du hast nicht zurückgeschrieben.“ Hinter mir quiekte es, erschrocken drehte ich mich um. Ich wusste, es war Jonas Stimme, aber es erinnerte mich an den Hund, der vor unserem Haus überfahren worden war. Jonas kniff die Augen zusammen.*
„Gehst du jetzt mit mir zum Abschlussball?“
„Ich wollte mit einem Mädchen gehen.“
Es dauerte, bis der Satz in mein Gehirn gestiegen war. Dort drehte er einen Kreis, ganz langsam, schließlich rutschte er hinunter. Direkt in den Magen.*
Jonas wischte fahrig über sein T-Shirt, als haftete dort ein Haufen Tabakkrümel.*
„Ein Mädchen? Und was bin ich? Ein Eichhörnchen?“
„So meinte ich das nicht, ach Scheiße, ich weiß nicht, wie ich das sagen soll. Wir sind doch Freunde.“*

Ich hatte Mühe mit dem Absatz. Ich glaube es liegt an dem Satz mit "Hinter mir quiekte es ...". Da dachte ich nämlich erst, es sei eine dritte Person im Raum, ich hab nicht kapiert, dass Tessa mit ihm spricht, während sie ihm den Rücken zudreht. Und ich fand auch das Quieken komisch - warum macht er das? Wenn ich mir die Szene bildlich vorstelle, sie fragt ihn, er quiekt - irgendwie passt das nicht. Wenn er herumdrucksen würde oder davon ablenken würde oder so - ok. Aber quieken? ´

Ja, wir sind Freunde, Jonas und ich. Seit Babyzeiten. Ich wusste alles von ihm, wahrscheinlich kannte irgendein Frontallappen in meinem Schädel sogar seinen ersten Zahn. Das hatte ich jedenfalls immer gedacht, bis er in die Tanzschule „Bösel“ reinspaziert kam. Angemeldet, genauso wie ich. Und keiner wusste vom anderen.

Was mir ein wenig fehlt an der Geschichte ist eine positive Szene ihrer Freundschaft. Die sind gut befreundet, das ist klar, aber was ist das Besondere daran? Die Szene in der Tanzschule, da steigst du ja schon spät ein, da fängt ja einerseits Tessa schon an, sich "mehr" für Jonas zu interessieren, und Jonas selbst nabelt sich ab und wendet sich anderen Mädchen zu, weil er ja kein sexuelles Interesse an Tessa hat. Ich hätte eine Szene schön gefunden, wo du etwas Besonderes aus ihrer Freundschaft darstellst, etwas Positives. Vielleicht sogar etwas, wo Tessa Jonas raushaut, sodass er in ihrer Schuld steht. Moment, wirst du jetzt sagen. Genau das hab ich gemacht, zu Beginn in der Mathestunde. Ja, Novak, es geht in die Richtung, aber die Szene am Anfang hat für mein Empfinden dazu zu wenig Gewicht. Und ist eben auch nicht ganz schlüssig und insgesamt zu wenig besonders (und - ähnlich wie die Tanzstunde - auch sehr spät angesiedelt, da steht die Freundschaft ja schon auf einem stabilen Fundament - wie kam dieses Fundament zustande, das wäre spannend). Jemanden vor dem Mathelehrer retten ist zwar schon ein netter Freundschaftsbeweis ... aber irgendwie halt auch nicht viel mehr. Ich hätte mir da was Individuelleres gewünscht, irgendwas, dass man als Leser denkt, Mensch, das ist schon eine besondere Freundschaft zwischen der Tessa und dem Jonas. Vielleicht auch was, was länger zurückliegt, wo es eben von beiden Seiten "nur" eine Freundschaft ist. Das ist nicht einfach, aber ich finde, einen Versuch wäre es wert ... weil dann eben nachher Jonas' Verrat auch schwerer wiegt. Ich sehe schon was du dir dabei gedacht hast - erst haut Tessa ihn raus, dann lässt er sie hängen -, aber mehr auf einer analytischen Ebene, nicht so sehr auf einer Emotionalen. Dafür reicht mir einfach die erste Szene nicht.

Was dann aber kommt in deiner Geschichte, ist wirklich gut. Spannend, packend, da hattest du mich dann richtig in der Geschichte, das passt sehr gut zusammen. Schade dass du nicht auflöst, wie der ganze Text gelautet hätte, aber diese nicht aufgelöste Spannung ist handwerklich auch gut gemacht. Jonas ist echt ein Feigling, immerhin blitzen am Ende Schuldgefühle auf, zumindest verstehe ich diesen Satz so:

„Ich kann nicht mit dir gehen“, sagte er, „es geht einfach nicht. Jetzt noch viel weniger.“

Eben - hier wäre jetzt noch spannend gewesen, was Tessa denn immer noch an ihm findet. Er hat sie sitzen lassen, er will offenbar nichts von ihr - was sieht sie so Besonderes an ihm? Da hat die Geschichte noch eine Lücke, finde ich. Abgesehen davon finde ich den letzten Dialog am Stärksten, vor allem auch die Sache mit dem Fahrrad. Sie lässt ihres liegen, damit sie Jonas nicht auf die Schliche kommen, nur um dann zu erfahren, dass er seins eh mitgenommen hat, damit ihn die Polizei nicht erwischt. Das ist schon mies für sie, aber eben von dir auch gut zusammengestellt, nochmal so ein richtiger Schlag in die Magengrube, da kann ich mir ihren Gesichtsausdruck bildlich vorstellen.

Dass der Text handwerklich einwandfrei ist und wie immer ein kurzweiliges Lesevergnügen war, brauch ich dir eigentlich nicht zu sagen :) aber ich mach es trotzdem. Auch wenn ich jetzt am Beginn etwas gemeckert habe, hab ich den Text sehr gerne gelesen. Das ist eine tolle Umsetzung des TdM, und falls es noch eine neue Version geben sollte, schau ich auch da gerne wieder rein.

Viele Grüsse,
Schwups

 
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Hallo an euch alle, liebe/r svg Eisenmann jobär Novak Peeperkorn Novak wieselmaus bernadette RinaWu Novak gibberish Schwups

sorry, dass ich erst jetzt zum Antworten komme, aber gestern musste ich meine Anwesenheit hier auf einen Pflichtteil (Modgegegucke) beschränken, weil ich noch eine andere, sehr wichtige Sache, die nichts mit dem Forum zu tun hat, fertigstellen musste.

Außerdem will ich mich dieses Mal, das habe ich mir ganz fest geschworen, knapp halten beim Antworten. Ich bin ja sonst immer sehr ausführlich und setze mich mit fast jedem Punkt auseinander, aber das schaffe ich dieses Mal unmöglich. Ich muss noch einen Haufen Geschichten lesen und so viele wie möglich auch kommentieren. Also bitte seht es mir nach, wenn ich dieses Mal sehr spröde bin. :)


Ich mach mal ein paar allgemeine Erklärungen vorweg. Zu Punkten, die häufiger kamen. Auf jede/n einzelnen persönlich gehe ich dann später noch ein, logisch, aber eben viel kürzer als sonst.

So was fällt mir denn so ein, was alle interessieren könnte oder was öfters kam:

Wie hätte der Spruch lauten sollen?
Dieser Moment, wenn Kühnert merkt, dass über ihn geschrieben wurde.
Mehr nicht.
Wahrscheinlich ist das etwas, was nur mir gefällt - oder Tessa. Ich stelle mir einfach vor, ich fahre mit dem Rad wo lang, alles ist wie immer und plötzlich sehe ich meinen Namen. Und ich habe keine Ahnung, wieso ich solch eine Bedeutung auf einmal bekomme, an die Wand geschrieben zu werden. Aber es muss eine haben. Positiv? Hmm, wahrscheinlich eher negativ. Aber wirklich wissen kann ich gar nichts. Ein ziemliches Kopfkino ginge bei mir los. Das war meine Idee, meine Spruchabwandlung, die eigentlich von einem anderen Spruch her stammt.

Wenn ich beim Basteln (im Kopf) einer Geschichte bin, cruise ich häufig ein bisschen im Netz rum zu dem Thema. Tw. Recherche, tw. Inspiration, tw. Prokrastination. :D Von allem etwas.
Ich stieß dabei auf diesen gesprayten Spruch: schaut mal
Und in den hab ich mich vom ersten Moment an verliebt. Ich finde den auf eine lustige Weise sehr frech. Man kann sich das so richtig vorstellen, wie man wo langfährt, und dann realisiert man, das eigene Haus ist beschmiert worden. Eine Art Graffitti-Kommunikation mit dem Lesenden oder Hausbesitzer . Das habe ich dann auf den Fall Kühnert bezogen.


Weshalb habe ich den Spruch unvollständig gelassen? Kann ich nicht wirklich erklären. Ich fand das einfach besser. Passender. Auch Jonas und Tessa z. B. sind noch nicht miteinander fertig. Da ist viel Traurigkeit drin. Aber auch noch viel Unaufgelöstes. Bei beiden. Und Arschlöcher sind sie beide nicht. Auch der Jonas nicht.
Den nicht fertig gestellten Spruch habe ich ja tw. in den Titel übernommen.
Und es sind doch ganz bestimmte Moment, die sie da miteinander erleben und auch allein. Ein bestimmter Moment, den Tessa erlebt, wenn sie auf einmal merkt, dass sie den Jonas mehr mag, als sie gedacht hat. Ein bestimmter, ziemlich gnadenloser Moment für den Jonas, wenn er merkt, dass er nicht nur der freche aufmüpfige Sprücheklopfer ist, sondern aus Panik vor der Polizei davonrennt und seinen besten Kumpel im Stich lässt. Der kann sich doch selbst nicht mehr in die Augen schauen.
Ihr merkt schon daran, wie ich argumentiere, an der Unvollständigkeit des Spruchs wird nichts geändert.

Die erste Szene:
Ein bisschen hat mich die herbe Kritik an der ersten Szene erschreckt. Vor allem dieser Punkt, dass der Jonas als Schulsani doch gleich hätte eingreifen müssen oder der Lehrer etc.
Um Himmels Willen, das kam ja vor allem von Schwups und bernadette glaube ich, ihr nehmt das viel zu ernst.
Beide, also Jonas und der Lehrer merken/ahnen (wissen fast) dass das Verhalten Tessas ein Fake ist. Der Jonas weiß es eh, der kennt seine Freundin viel zu gut, vielleicht haben sie mal früher sogar ein ähnliches Procedere abgesprochen. Muss aber gar nicht sein. Und er nutzt seine Position dazu aus, den Kühnert schön auflaufen zu lassen. Natürlich meldet der sich NICHT gleich, der Effekt vor der Klasse ist doch viel besser, wenn er Kühnert im Sekretariat anrufen lässt. Dauert länger, Stunde geht rum, Stundendramatik bei Schülern erhöht. Für so was gibts Punkte im internen Schülerhierarchieboard. Und der Kühnert ahnt das auch, sonst hätte er sich nicht so gewunden. Und er merkt es allerspätestens genau an der Stelle, als er im Sekretariat anruft und gesagt bekommt, dass der entsprechende Sani im selben Raum ist.
Dieser Anruf im Sekretariat ist übrigens ein üblicher Weg. Manche Schulsanis haben dann Handy oder Walky oder sogar Funkgeräte, wenn sie älter sind. Der entsprechende Schulkooperationslehrer wird oft (aber nicht immer ) dazu gerufen. Schließlich ist der nicht immer da. Sehr oft aber ist das eigentlich eine Gruppe von Schülern. Das habe ich hier abgespeckt, um die Sache nicht noch mehr zu komplizieren.
So und genau deswegen - wegen dieses gegenseitigen Ahnens/Wissens, damit man das merkt, habe ich die Szenerie auch etwas übertrieben geschrieben. Damit der Leser das selbst ahnen kann, bei so viel Theater, das muss doch auffallen. Und dass demnach Jonas die Sache eh klar ist und der Kühnert es zwar ahnt, aber nicht so viel machen kann.
Ich weiß noch wieviele Male ich überlegt habe, ob ich mich jetzt so oder so verhalte, also jemandem erlaube zum Beispiel, aus Krankheitsgründen nachhause zu gehen, du musst es dann z. B. erlauben z. B. in Absprache mit den Eltern, obwohl du genau weißt, das ist ein Riesenfake.
Gut, aber das nützt ja jetzt nichts, wenn zwei Leser das so wenig merken, und andere meine Art der Überzeichnung, die ich extra so eingerichtet habe, damit man dieses wechselseitige Ahnen und Wissen rafft, gar nicht so sehr mögen, dann muss ich mir halt was überlegen.
Ich hoffe, ich komme noch auf was.

Die Szene hat natürlich noch einen anderen Grund. Sie ist nicht der Grund für das Sprayen der Schüler überhaupt, aber in dem Fall und an dem Ort schon. Das, was und wie der Kühnert reagiert, das ist in Jonas Stolz auch ein Ehrenpunkt, weshalb er seine und Tessas Sprayerehre retten muss und doch mit ihr zum Ball gehen will/muss. Da entsteht die Geschichtendynamik, die ich will. Deshalb hat die erste Szene eine hohe Funktion für den Rest. was nicht heitß, dass ich nicht kürzmäßig unterwegs sein will und grundsätzliche Überlegungen anstelle. Ich wills bloß erklären, weshalb die Szene da ist und entsprechendes Gewicht hat. Und ein gewisses, hohe Gewicht muss sie in meinen Augen auch behalten.

Dass der Mathelehrer ein Klischees ist, meine liebe Wieselmaus, damit wirst du leider leben müssen. :D
Bei diesem Thema könnte ich hochgiftig werden. Mathelehrer ist nämlich ein sehr realistisches Klischee. Und damit kürzt sich das wieder raus. Ha! Es hat doch seinen Grund, dass viele Schülerkarrieren an der Mathematik scheitern. Der Mathelehrer ist von daher oft und zu Recht gefürchtet. Ganz einfach weil er es (re)präsentiert. Ich kenne viele Schüler, die Mathe und ihre Lehrer lieben, und du kennst ganz bestimmt so eine, weshalb ich dir keinesfalls zu nahe treten will. Aber es gibt eben auch sehr sehr viele, die sie aus entspr. Gründen hassen. Das ist ein Teil der Realität und kein Klischee.
Und meine persönliche kleine Rache an den vielen kleinen und großen, aber immer bebrillten Mathefurien, die mir mein persönliches novaksches Schulleben auf heftige Weise vergällt haben, wirst du mir bestimmt gönnen.
Nur mal ein Spruch aus meinem persönlichen Mathelehrererinnerungskästchen - wohlgemerkt nur einer:
"ich wusste gar nicht, dass Sie doch intelligent sind." Originalton Frau Sch. mit Brille und engem Rock, als sie ein Referat, das ich zu einer Romfahrt halten musste, mit anhörte.
Und sag jetzt nicht, das sei ein Klischee. Wehe!!! Der Kühnert ist ein liebenswürdiger Kauz gegen die Mathelehrer, die ich als Kind und Erwachsene kennen lernen musste.
Aber klar, du hast da eine andere Sicht - und was dem einen sein Mathe- ist dem anderen sein Deutsch- oder Franzlehrer.

Ich wollte noch eine Menge schreiben zu Fachsprache und Cappy und Cap im Unterschied zum Cappy. Denn nein, das ist nicht dasselbe. Und vor allem zu "subtil". Himmel, wie kann einem das denn auf die Nerven gehen, RinaWu? Und dabei hast du extra eine Kanadagans von mir gekriegt. Ja wirklich extra für dich. Ich fand das jetzt gans schön gemein!!! :D
Ja subtil. Ich fand meine Erfindung so cool. Ja, ich dachte jedenfalls, das sei meine Erfindung, bis ich dann bei hell las, das gäbe es schon. Und Wurstwasser gibt es natürlich auch nicht als Jugendjargon. Aber ach, muss doch auch nicht zu 100% akkurater Jugendjargon sein, da käme ich mir selbst blöd vor, wenn ich da nicht was dazuerfinden oder neu kombinieren würde.
Aber ihr lieben Leute, dazu muss ich später schreiben.
Ich muss nämlich weg.

Mann, ich habe zum Teil gelitten, als ich las, was ihr so alles geschrieben und vor allem, dann auch noch gefunden habt. Hell zum Beispiel meine "noch" und "Geländer" Supergaus. Ich weiß schon, warum ich immer noch bestimmte Arbeitsgänge dazu einlege.
Aber dazu komm ich später noch. Allgemein zu dem Jugend- und Fachsprachenzeug. Und persönlich zu jeder/jedem Einzelnen.
Nur mal so viel: Ihr seid die besten, alle wie ihr da sitzt mit euren Tablets und Handys und Compls. War schön von euch zu lesen und eure Eindrücke zu kriegen und eure Kritik und natürlich das Lob. Das hat mich ganz ganz wahnsinnig gefreut, wenn ich las, dass die Geschichte und vor allem meine Tessa so gut ankam. ich liebe die nämlich sehr. Den Jonas aber auch.
Und euch auch
Viele Grüße an auch alle

 

Liebe Novak,

Worin besteht der innere Kern der Freundschaft zwischen Tessa und Jonas? Die hat doch schon früher als die Sprayer-Leidenschaft angefangen. Sie beruht auf dem genseitigen Helfen in Notsituationen - schon seit Sandkastenzeiten.

Tessa ist doch ein starkes Mädchen und klug. Wie wäre es, wenn Tessa eine ganz akzeptable Schülerin in Mathe wäre mit diesem stark ausgeprägten Gefühl für Gerechtigkeit und die sich deshalb für Jonas, die Mathe-Null, ins Zeug legt? Kreativ und verliebt, wie sie ist?

Der Mathelehrer durchschaut die Situation. Solche Spielchen kennt er.
Du lässt ihn unergründlich[ aus dem Fenster schauen. Da denkt er wahrscheinlich darüber nach, was als nächstes kommt. Und dass er später die Fünf gibt, ist aus seiner Sicht konsequent. Die schauspielerische Leistung wäre natürlich besser zu bewerten. Aber er ist ja kein Deutschlehrer ...

Seine "Passivität" ist wohlberechnet und, das nur nebenbei, ganz im Sinne der Vorschriften. Eine Schülerin anfassen geht gar nicht. Kein Lehrer, der seinen Verstand beieinander hat, würde hier anders handeln.

Gut, du brauchst die Schulszene als Begründung fürs Sprayen. Aber ich meine, da müssten noch tieferliegende Motive her, wenn man wie Tessa und Jonas so tief in die Szene eintaucht. Vielleicht wäre ja noch der Kunstlehrer ein passendes Feindbild ...

Herzlichst
wieselmaus

 
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Hallo Novak,

ich geb es zu: Jugendgeschichten sind nicht mein Fall. Das hängt ein bisschen damit zusammen, dass ich dabei oft das Gefühl habe, der Autor legt den Kids etwas in den Mund oder Kopf, das einfach kein jugendlicher Gedanke sein kann. Du machst es bei dieser Geschichte aber sehr gut, finde ich. Im Großen und Ganzen wirkt das authentisch auf mich. Mit der Mathestunde am Anfang habe ich allerdings so meine Schwierigkeiten.

Ich glaube weder, dass die Jugendlichen das Wort subtil verwenden (bezweifle sogar, dass die meisten es überhaupt kennen) noch halte ich die ganzen Clownsspiele, die da ablaufen, für sonderlich realistisch. Das betrifft den Wortwechsel zwischen Jonas und dem Lehrer, seine Verbeugung, das Wegwischen der Gleichung usw. Für mich ist das ein bisschen zu sehr Feuerzangenbowle und zu wenig Gymnasium Neukölln.

Der Text danach liest sich für mich glaubwürdig, klug arrangiert und spannend. Hier und dort hätte ich an Kleinigkeiten rumzumäkeln, aber das kann man in der Summe alles vernachlässigen, denn die Geschichte funktioniert auf jeden Fall gut für mich.

Mich hat der Text auf die Frage gebracht, warum die meisten Autoren hier im Forum (uns beide eingeschlossen) so beharrlich das Happy End verweigern. Vielleicht weil wir nicht in kommerziellen Schreibstuben sitzen und es uns leisten können, jenen Teil des Publikums zu frustrieren, der in Geschichten auch Trost und Hoffnung sucht und bereit ist, dafür gutes Geld zu zahlen.

In Deiner Geschichte würde sich anbieten (mal etwas mehr Mainstream gedacht), Jonas und Tessa an der missglückten Sprayer-Aktion wachsen zu lassen. Klar, irgendwelche Schlüsse werden sie so oder so daraus ziehen, aber ob die etwas mit Reifung zu tun haben, scheint in der jetzigen Version zweifelhaft.

Das finde ich ein bisschen schade. Tessa bleibt frustriert zurück, gegenüber Jonas empfindet sie wahrscheinlich hauptsächlich Bitterkeit. Das ist nicht sehr hoffnungsvoll, wenn man die Aussage betrachtet. Demnach werden wir von den Menschen, die uns wichtig sind enttäuscht und daraus ist zu lernen, dass das Leben eine unfaire Angelegenheit ist. Mit anderen Worten: Melancholie.

Andererseits ist es sehr schwer, ein gutes Ende zu finden, das nicht kitschig ist. Vielleicht wäre das eine Herausforderung, das Gute im Negativen finden oder zumindest anzudeuten. Tessa hat sich letztlich nicht unterkriegen lassen, das ist ja auch schon was.

Vielen Dank für die Geschichte, Novak. Habe sie sehr gern gelesen.

Gruß Achillus

 

Hallo, nur zur Info, erste Änderungen vorgenommen.
Antworten folgen.

 

Hallo Novak,


habe die Geschichte gern gelesen. Soweit ich die Kommentare überflogen habe, kann ich allerdings nichts Neues zu beitragen. Auch ich würde ein bisschen an der ersten Szene feilen, die wirkt so sehr nach Karikatur, dass ich ein bisschen aus dem Tritt kam beim weiteren Lesen, weil sich das dann ganz anders entwickelt, viel (gefühlt) realistischer aufgebaut ist, plötzlich ein richtiges Drama um Freundschaft, Mut, Vertrauen und Verrat seinen Lauf nimmt.

Die Aktion auf der Brücke ist spannend geschrieben. Das war echt was zum Mitfiebern. Das Ende empfinde ich ähnlich wie Achillus. Auf mich hätte es runder gewirkt, wenn der Geschichte ein etwas harmonischeres Ende geschenkt worden wäre. So läuft das sehr ins Leere. Alles bröckelt irgendwie in sich zusammen, aber nichts Neues erwächst. Das finde ich ein bisschen schade.

"Melanie holte sich den Stift zurück und betrachtete ihn, als wäre er eine plattgetretene Nudel."

Also den Gag fand ich etwas bemüht.
Wann gucke ich denn etwas an wie eine plattgetretene Nudel? Und, warum tut sie das, den Stift so anzugucken? Muss mal beim nächsten Mal darauf achten, wenn Sohnemann eine Nudel plattdrückt, wie ich die dann ankucke. :aua:

Dennoch bleibt es dabei: gerne gelesen.

Grüßlichst
Weltenläufer

Edit: sehe, du hast noch mal überarbeitet, kom bezog sich auf die Version vom 29., glaub ich ...
Ich Versuch die Tage noch mal deine Überarbeitung zu lesen

 

Hej Novak,

sehr schön ist es, deinem Ton zu folgen: amüsant, warm, lustig und mehrschichtig.

Mathegestrampel halt.

Schön. Treffend und unspektakulär.

Bitte nicht“, hörte ich Kühnert. Fast tat er mir ein bisschen leid. „Sani“, röchelte ich, sah Kühnert von unten her an und hoffte, ich hätte Ähnlichkeit mit einem sterbenden Seehundbaby.

Das ist schon witzig.

Es dauerte, bis der Satz im Gehirn angekommen war. Dort drehte er einen Kreis, ganz langsam, schließlich rutschte er hinunter. Direkt in den Magen.

Ein tolles Bild :thumbsup:

der durch die Mädelsschar brummte wie eine Hummel durch einen Kasten Hyazinthen, begriff ich, dass ich nur mit Jonas tanzen wollte.

Das auch .

Gab bloß meine Personalien an und verlangte nach einem Anwalt, obwohl ich gar nicht wusste, ob es Sprayeranwälte gab. Den beiden Polizisten war das egal, sie riefen sowieso meine Eltern an.

Das klingt herrlich realistisch.

Bis zum Schluss war mir keine Zeile langweilig, aber ich habe mich in dieser (kurzen) Zeit nicht so dicht an deine beiden Protagonisten gefühlt. Obwohl mehr an Tessa als an Jonas. Und dabei ist mir noch nicht einmal klar, woran das gelegen hat. Dennoch hatte ich Freude an den beiden und das lag nicht zuletzt an den gekonnten Dialogen. Angefangen mit dem ersten zwischen Jonas und Herrn kühnert bis hin zum Schlussdialog untereinander. Die Beziehung bleibt für mich dennoch "subtil". :shy:

Vielen Dank und freundlicher Gruß, Kanji

 
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So ich noch mal.
Weiter geht es erst mal noch mit einer allgemeinen Antwort.

Ich wollte noch was zu den Sprayer-Fachbegriffen loswerden und auch zur Jugendsprache. Und zur ersten Szene.

1. Sprayersprache:
Ich hab natürlich recherchiert und aus Gründen der Authentizität, aber auch der Verständlichkeit immer mal den einen oder anderen Fachbegriff benutzt wie Piece oder Can. Ich finde, es ist gut, weil es die Atmosphäre einer Geschichte fördert, andererseits darf man es nicht übertreiben, weil sonst Unverständlichkeiten entstehen. Also die Dinge sollten sich schon weitgehend aus dem Zusammenhang erschließen lassen.
Prompt ist es denn auch gleich zu einer Schlumpeligkeit gekommen.
Caps sind natürlich einerseits die Kappen und Mützen aus dem Baseball, die man so kennt, aber andererseits sind das eben auch Sprühventile. Man benutzt sie in unterschiedlicher Stärke, um die Dicke und Breite des Sprühstrahles zu variieren, kann Linien unterschiedlich breit führen.
Wenn also Tessa sich Caps in die Bauchtasche steckt, dann sind das diese Sprühköpfe.
Und aus genau dem Grunde der Unterscheidbarkeit habe ich die Mützen-Caps auch Cappy genannt.
Den Ausdruck gibt es tatsächlich, ich habe ihn schon sehr oft gehört, auch selbst gebraucht, um diese Kappen eben zu benennen. Die Jugendlichen, an die ich denke, hätten eher Cap oder Cappy gesagt und nicht Kappe oder gar MÜtze. Ich auch, deswegen hatte ich mich so entscheiden.
Aber vielleicht ist das ja eher regional und es ist ja auch so, wenn man sich beim Lesen als Leser so daran stört, dann ist es das auch nicht wert, als Autor da klinisch zu denken, also ist das Cappy jetzt eine Kappe.
Ein paar der anderen Fachausdrücke habe ich unter dem Text erklärt. Hab in unseren Regeln nichts gefunden, was das verbieten würde.

Gesprayt habe ich tatsächlich schon, aber völlig legal - im Rahmen meines Berufs - Projektarbeiten. Und immer in bester pädagogischer Ansicht. Aber ist jetzt schon sehr sehr lange her, so genau weiß ich das alles auch nicht mehr. Nur noch, dass es saumäßig Spaß gemacht hat und man daran eine Menge beibringen konnte über die unterschiedlichsten Aspekte. Auch der Gefahrenaspekt übrigens und der juristische. Und ich weiß noch sehr gut, dass ich vor lauter Glotzen, wie die Sachen geworden sind, mit dem Schädel gegen einen Laternenpfahl gelaufen bin. :D

2. Jugendsprache
Ich finde, wenn ein alter Mensch wie ich einen Text über Jugendliche schreibt, dann ist das einerseits eine schwierige Sache. Ich bin 62 Jahre alt. Man ist der Jugendsprache nicht mächtig etc benützte man sie selbst, sähe das oft eigenartig aus. Und ich selbst finde Texte, in denen massenweise Wörter wie "mega - krass - voll - stylisch - abkeimen - Alder - Lan - Digga vorkommen schlicht und einfach dämlich. Und noch viel dämlicher empfände ich es, so zu schreiben. Weil es nicht zu mir und zu meinem persönlichen Sprachgebahren passt. Das heißt nicht, dass es nicht mal vorkommen könnte, dass in einem Dialog solche Formulierungen gebraucht werden, aber die Sprache des Erzählers, da ist das finde ich noch mal etwas anderes. Die muss zu meiner Vorstellung einer Figur passen und meiner Vorstellung von Glaubwürdigkeit.

Trotzdem will ich, obwohl ich alt bin, auch Texte über Jugendliche schreiben. Ich weiß schon, ein paar Bemerkungen gibt es ja, da sehe ich die gerunzelten Augenbrauen meiner Wortkriegerchen. Aber Leute, ich wüsste nicht, dass es da eine Altersgrenze gibt. Und ich fände die auch ausgesprochen albern. Da geht es nur drum, aber man das schreiben kann und wenn es nicht klappt, muss man es eben lernen, wenn man viel Spaß daran hat.
Und ob ihr es glaubt oder nicht, aber die Sorgen, Ängste und Nöte, die einen sehr jungen Menschen betreffen, die gehen einem doch nicht verloren, nur weil man ein paar Jahrzehnte verlebt hat. Manchmal ist mir das heute noch ganz nah. Sehr sogar. Nein, ich will mich nicht auf "alte" Themen festlegen lassen, nur weil ich selbst alt bin. Ich höre auch immer noch Metal und Punk und hartes Zeug, und wenn meine Knie nicht solche jämmerlichen Krücken wären, wäre ich jedes Jahr in Wacken.

Warum mach ich mich hier so fett und klage mein Recht auf das Schreiben von Jugendgeschichten ein?
Weil ich mir was überlegt habe, wie das funktionieren kann.
Ich glaube nicht, dass es funktioniert, wenn man seine Prots "Alder" kreischen lässt. Natürlich benutze ich hier im Text einige umgangssprachliche Ausdrücke. Der ganze Erzählton ist eher umgangssprachlich. Aber ich benütze gar nicht direkt die existierende Jugendsprache, sondern nur das, was ich selbst verwenden würde, was (denke ich) eine gewisse allgemeine Akzeptanz hat. Und ich habe mir überlegt, was denn das Besondere an Jugendsprache ist. Gemeinsam ist all dem das Bemühe, sich sprachmäßig abzugrenzen, ein Gemeinschaftsgefühl herzustellen und das Bemühen, seine Persönlichkeit durch die Sprache auszudrücken. Das heißt, ich überlege mir Motiv und Grund für Jugendsprache und kreiere dann neu. Dann wirkt es nicht wie ein Abklatsch.

So und genau deswegen ist subtil drin.
Vielleicht gibt es die häufige Verwendung von subtil schon irgendwo. das habe ich jetzt nicht bis ins Kleinste überprüft. Aber so in dem Zusammenhang und in der Häufigkeit habe ich es mir jedenfalls ausgedacht. Ich war auf der Suche nach einem Wort, was das Lebensgefühl der kleinen Tessa und ihres Freundes ausdrücken mag. Und die ist eine Schlaue, die will nicht einfach super oder krass sagen, die will ja auch sich zu den Dingen stellen, ihre eigene Sichtweise kreieren. Also findet sie Sachen eben subtil. Wenn Jugendliche einen Ausdruck lieben, weil er ihren Stil, ihre Sicht repräsentiert - dann benutzen sie ihn auch häufig. Und daher lasse ich das auch die Tessa machen.

So, das war zur Erklärung. und auch zur Begründung, weshalb ich auf die relativ häufige Benützung dieses Wortes nicht verzichten mag. Für die meisten war das glücklicherweise kein Problem. Nur für wenige. Viele haben meine Absicht, Tessa sich durch die Benutzung ihres Lieblingswortes selbst charakterisieren zu lassen, auch verstanden.
Also - das war jedenfalls mal meine ganz allgemeine Erklärung zu dem Problem Jugendtext überhaupt und Jugendsprache.


3. Erste Szene
Verändert habe ich ja schon was an der ersten Szene.
Eingebaut habe ich nämlich ein paar Formulierungen, dass der Lehrer damit rechnet, gerade mal wieder verarscht zu werden. Damit der hier nicht als abgebrühter Superignorant auftaucht, der eine Schülerin quasi über die Klinge springen lässt. Das war ja so eine bisschen der Vorwurf, das sei unglaubwürdig.

Dann gab es noch den Vorwurf, die erste Szene sei zu überzeichnet. Die Jugendlichen seien zu frech, das Ganze daher unglaubwürdig. .
Da habe ich mich bisher nicht dran gesetzt.
Was das Überzeichnete betrifft, da wird sicherlich die eine oder andere Formulierung noch fallen. Muss mir das in Ruhe anschauen. Ganz grundsätzlich aber halte ich da viel auch für Geschmackssache.
Den Grund für die Überzeichnung hatte ich ja schon in meiner ersten Antwort geschreiben. Davon ab, ich mag es auch, wenn es überzeichnet ist.
Ich weiche jetzt wirklich nur an ein paar Stellen zurück, weil so viele das sagen und dann denke ich mir halt, naja, wird schon was dran sein. Aber das werden sicherlich nur ein zwei Stellen werden - z. B. das Seehundbaby oder Weltenläufers plattgetretene Nudel. da hatte ich mich eh schon gewundert, dass keiner gemosert hat. :D

Der andere Hinweis, dass die zu frech seien, dass es dadurch unglaubwürdig sein. Nee, da mag ich nicht mitmachen. das soll so bleiben. Mal ganz davon abgesehen hab ich in meinem Beruf eine Menge erlebt und eine Menge gesehen und gehört und erzählt bekommen. Da sind die Gschichterln, die Jonas und Tessa machen, echt basic. Die Sachen, die ich mitgekriegt habe, sind von ganz anderer, sehr viel heftigerer Natur. Im Übrigen von beiden Seiten aus, also Lehrer und Schüler. Ist halt auch kein ganz einfaches Verhältnis - so ganz prinzipiell.
Und hier, diese Ironisierungen, das Freche, die Sprüche, das Spiel mit Autoritäten - das dient zum einen der Charakterisierung der Figuren, das dient aber auch der Umkehrung der normalen Verhältnisse, das bedient vielleicht auch ein wenig meine persönliche Lust am Anarchischen und Eulenspiegeligen, wenn der Jonas zum Beispiel die Gleichung des Lehrers wegwischt und ihn spielerisch beim Wort nimmt. Nee, das Freche bleibt.

Soviel mal zu den allgemeinen Antworten.

Lieber svg

als ich deinen Komm las, fiel mir ein Riesenstein vom Herzen. Du mochtest die Geschichte, du fandst , dass sie das Thema gut trifft und zu deinen Lieblingsgeschichten gehört - das war wie ein Sechser im Lotto.
Und gerade auch, weil ich es so mag, wie du selbst schreibst, und von welcher Art dein Humor ist. Also das war schon was sehr Besonderes, von dir gelobt zu werden.

Ich glaube, ich hab die allermeisten deiner Änderungsideen oder -vorschläge übernommen. Diese blöden Zeiten zum Beispiel, die ich mit steter Regelmäßigkiet falsch herum schreibe, normal nehme ich mir die Zeit, das genau zu prüfen, man kennt ja seine Schwachstellen, aber ich habs dann vergessen, weil ich eh im Zeitdruck war und wollte die Geschichte auch loswerden, ja, aber ist schon so - seit ich nicht mehr arbeite, verwahrlose ich ja regelrecht. :D
Ein herrliches Gefühl!!

Auch die Tafelstelle ist in deinem Sinn abgeändert oder die Schulterstelle, leider sind die Nachkommentatoren immer noch nicht zufrieden mit Jonas Schultern. Mal schauen.

Bei der Stelle mit dem Seehundbaby werde ich den Stift ansetzen. Also sehr wahrscheinlich jedenfalls.


Irgendwann an diesem Abend, als ich über der Schulter eines Jungen hing, der Angst vor mir zu haben schien, und Jonas nachschaute, der durch die Mädelsschar brummte wie eine Hummel durch einen Kasten Hyazinthen, begriff ich, dass ich nur mit Jonas tanzen wollte. Mit sonst niemandem.
Hier ebenso, kein bisschen Schmalz, sondern durch ein schönes Bild (das meinte ich übrigens unter anderem mit den oben erwähnten Novak-Momenten) ganz klar auf den Punkt formuliert.
Hier war ich sehr froh, dass du den Satz gelobt hast. Ich war mir nicht sicher. Und ich kenne ja auch die Vorliebe von Autoren zu kurzen Sätzen. Aber ich fand die Zusammenstellung hier eigentlich auch ganz passend.

Zwei Polizisten standen vor dem Geländer, weiter rechts rotierte ein Blaulicht.
Das Blaulicht würde ich streichen, das hätte die Prot doch schon oben bemerken müssen, oder ... nimm doch einfach einen Streifenwagen.
Auch bisschen geändert.

Die PM mit der Auflösung zu dem Spruch brauch ich ja nicht mehr zu schreiben. Die hast du in der ersten Antwort gekriegt. Jetzt kriegst du höchstens noch eine PM mit meiner Telefonnummer, denn wenn wieder mal ein klitzekleines WK-Treffen hier in Frankfurt ist, kriegst du Bescheid. Oder wenn die Bahn streikt oder sonstwas, dann kannst du dich an einem Kaffee wärmen.

Ob das Lockenmädchen zu sehr aufgebaut ist - dafür, dass sie nicht mehr vorkommt? Na das musste schon sein. Dass sie was mit Jonas Verschwinden oder seinem Verrat zu tun haben könnte, ist eigentlich eine gute Idee. :)
Aber nee, wäre auch eine andere Geschichte. Aber wer weiß, was eines Tages noch geschieht, dann schreibe ich eine Forsetzungsgeschichte, Jonas und Tessa treffen sich wieder nach zwanzig Jahren. Jonas ist vom Lockenmädchen geschieden. Und Tessa ist Mathelehrerin. :D

Vielen Dank, dass du mich so gestützt hast durch deinen lustigen wohlwollenden Kommentar, das war dieses Mal irgendwie komisch beim Posten, weil ich längst nicht die Zeit zum Überarbeiten hatte, da passieren dann handwerkliche Nickligkeiten. Und so wirklich war ich mir ja auch nicht sicher, ob mir die Mehrheit hier eine Jugendgeschichte überhaupt abnehmen würde. Da war das wie fünfzig Marzipankugeln.

Viele Grüße an dich von Novak

 
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Liebe Novak,

wie schön die ist, deine Geschichte! Und dazu noch mit einer Prise Heimatflair ... Ich habe sie sehr gerne gelesen und fühlte mich dabei wie fünfzehn - inklusive Mathebauchweh! Und auch wenn ich überwiegend prima Lehrer hatte, einer war tatsächlich wirklich so und bei dem fühlte auch ich mich wie Jonas und die Erzählerin. Das Gefühl stieg richtig bedrohlich an in mir, so gut hast du das beschrieben:

Ein Typ, der Menschen als Zahlen betrachtete, am liebsten komplex, potenziert oder sonstwie verwertbar. Jonas und ich waren Nullen.
Sprayer kenne ich nicht, Jugendliche in diesem Alter aber schon und ich finde wirklich, du triffst das Lebensgefühl und die Sprache dieser alten Kinder (oder jungen Erwachsenen) sehr genau. Gut gefällt mir auch der lässige Humor, wie hier zum Beispiel:
Gab bloß meine Personalien an und verlangte nach einem Anwalt, obwohl ich gar nicht wusste, ob es Sprayeranwälte gab.
Einzig gegen Ende hätte ich doch gerne sowas wie eine Erklärung. Auch wenn er andere Mädchen weiblicher findet und eher zum Verlieben, so könnte er doch freundschaftshalber mit ihr zum Ball gehen? Und wenn er das nicht kann und/oder möchte, könnte er doch eine Erklärung liefern? Die mit den Locken? Oder ist ihm seine Jugendfreundin peinlich in ihrer Art? Oder ...? Er schaut zu Boden, ist sogar ein paar Tage krank und sieht auch so aus, da müsste doch noch was dahinterstecken und ich wüsste einfach zu gerne, was genau. Aber es ist eine wirklich tolle Geschichte, die mich nur mit etwas rätselnd zurücklässt.

Feine Sache, liebe Grüße,

Eva

 
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Ich saß zwischen einem Haufen bauchfreier Mädchen mit knallengen Jeans und blickte nachdenklich auf meine weiten Hosen und das T-Shirt, unter dem mein Busen wie zwei Kirschkerne wirkte, während den Mädchen rings um mich die Brüste wie Äpfel aus dem rosa Stoff sprangen.
Mit Körbchengröße Spiegelei hatt ich auch ne Freundin in der Nachpuberäterätätä, bevor ich mich für Fleisch statt Bügelbrett entschied. Das ist aber ein fläziger Anfang des feinen Werkes zwischen Feuerzangenbowle und der Unterwelt Don Delillos

liebe Novak,

wenn es heißt

Er fläzte an seinem Tisch, Kappe auf dem Kopf, Beine auf dem Tisch, obwohl Kühnert schon im Raum war.
Ist „fläzen“ nicht mehr reflexiv, also „er fläzte sich ...“? Trotzdessen, interessant, wie sich die Schülergenerationen ändern. 1963 brachte ich die Stones nach Sterkrade, nicht real, aber mittels der Schülerzeitung an der Realschule, für die ich den Plattencovertext zu "Tell me" und den Womack Titel "It's All Over Now" näherungsweise interpretierte und per Hand das Foto der Plattenhülle als Wasserzeichen hinter den Text zeichnete. Per Hand! Scannen war lange noch nicht. Der Damenwelt wurde bestenfalls die Dauerwelle gesprayt. The Times they are ... Tanzschule war da nicht - außer für Schnösel. Sprechgesang hieß da nicht Rap, sondern Dylan. Und das heute noch. Kann sich einer einen Gangstaräpper als Nobelpreisträger vorstellen?

Bistu schon im Alter, da Erinnerungen das Leben beherrschen?
Hätt ich nicht gedacht!
Gut, bei mir fangen die mit dem Durchzug durchs Rote Meer an ... Natürlich nur in einem übertragenen Sinn, Belsazar und das Mentekel war später ...

Aber ernstlich, muss die Schulgrammatik in der Geschichte auftauchen?

... es erinnerte mich an den Hund, der vor unserem Haus überfahren worden war.
Muss man sich so streng an die Schulgrammatik halten, wenn man über Schule schreibt? Will sagen, „worden war“ ließe sich gefahrlos aufs „wurde“ reduzieren.

Ich schauderte, dann schwang ich mich über das Geländer.
„Mich schauderte“ schlag ich vor.

Warum?

Manche mehr oder weniger „unpersönlichen“ Verben, die wie dursten/dürsten, grauen/grausen, frieren, hungern, schwindeln (nicht im Sinne von lügen, sondern wenn der Blutdruck die Herrschaft über den Körper übernimmt durch Fallen oder Steigen, Jacke wie Hose, die Symptome sind identisch) werden quasi subjektlos verwendet (das neutrale „es“ wäre da so was wie ein Surrogat, dass „es schaudert mich“, wenn auch nicht zwingend, genommen werden kann.

Zwischendurch mal ne flüchtige Fluse

„Jonas?“[,] flüsterte ich ...

Er blickte nach unten auf den Boden.
Hastu schon mal den Boden oben gesehen (achja, ich weiß, Du stehst gerne Kopf)

Sehr gern gelesen, schon allein wegen der Differenz zwischen eigener Jugend und einer Generation später.

Tschüss und vorsorglich ein schönes Wochenende aus'm Pott vom

Dante Friedchen

 

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