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Krankenhaus-Alltag

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18.12.2014
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Krankenhaus-Alltag

Mit lautem Klirren zerschellte der Teller an der Wand.
„Dieser Fraß ist widerlich!“, verkündete sie lautstark. „Und machen Sie gefälligst mal die Fenster auf zum Lüften. Hier stinkt‘s nach Desinfektionsmittel und der Pisse von der alten da!“
Sie deutete mit ihrem dürren Finger auf die Patientin im Bett neben ihr.
„Ich wechsle gleich den Urinbeutel Ihrer Zimmergenossin“, versprach Schwester Gaby.
„Sobald ich das Mittagessen verteilt habe, Frau Erger. In zwanzig Minuten bin ich dann wieder bei Ihnen“, erklärte sie und verließ den Raum.
„Wo ist jetzt diese blöde Krankenschwester hin?“, schimpfte sie dem Hausmeister, der den Teller und die Reste des Essens auffegte.
„Dann machen Sie der Alten gefälligst den Pisse-Beutel ab und nen Neuen dran!“, forderte Frau Erger.
„Ich bin der Hausmeister und kein Pfleger. Ich weiß nicht, wie das geht. Das dürfen nur die Krankenschwestern“, erklärte der Hausmeister geduldig.
„Dann schaffen Sie SOFORT eine Schwester her, die den austauscht!“, befahl sie.
„Frau Erger, ich habe Ihnen vor fünf Minuten gesagt, ich tausche den Urinbeutel aus, wenn das Essen verteilt ist“, erklärte ihr Schwester Gaby mit Engelszungen.
„Und der Chefarzt war heute auch noch nicht da!“, fiel Frau Erger ein.
„Herr Doktor Wohlgemuth ist in einer Besprechung und dabei darf man nicht stören. Sobald die Besprechung vorüber ist, wird er sich um sie kümmern, Frau Erger.“
„Zeigen Sie dem Hausmeister gefälligst mal, wie man den Pisse-Beutel austauscht. Dann kann der das auch!“
Schwester Gaby sah sie mit großen Augen und weit geöffnetem Mund an. Nachdem sie den ersten Schock überwunden hatte, tauschte sie den Urinbeutel aus und verließ den Raum.
Nach dem dritten Klingeln, welche allesamt überflüssig waren, begann Schwester Gabys Geduldsfaden brüchig zu werden.
„Frau Erger“, begann sie. „Auf dieser Station liegen neben Ihnen noch 61 weitere Patienten. Und diese haben genauso wie Sie ein Anrecht auf Pflege und Fürsorge. Sie sind nicht der Mittelpunkt dieses Universums.“
Mit diesen Worten verließ sie den Raum und kümmerte sich um die anderen Patienten.
„Schwester Gaby!“, vernahm sie auf dem Flur die krächzende Stimme der Problem-Patientin.
„Schwester Gaby! Der Pisse-Beutel ist wieder voll!“, rief sie erneut und noch lauter.
Schwester Gaby tauschte den Urinbeutel erneut aus.
„Herr Doktor Wohlgemuth kommt gleich zu Ihnen“, erklärte sie beim Hinausgehen, ohne der Frau weitere Beachtung zu schenken.
„Mir ist zu Ohren gekommen, es gibt hier ein paar Unstimmigkeiten, Frau Erger?“, fragte der Arzt und stellte einen Stuhl an ihr Bett.
„Allerdings, Herr Doktor!“, tönte Frau Erger los. „Die Alte da neben mir stinkt nach Pisse, die ganze Station riecht nach Desinfektionsmittel und Alkohol. Und das Essen sieht aus, als hätte es jemand gegessen und wieder ausgekotzt! Und genauso schmeckt es auch! Den Fraß esse ich nicht! Wollen Sie mich vergiften damit?“, polterte sie weiter. „Ich bin Privatpatientin! Das wissen Sie! Ich habe ein Anrecht auf ein Einzelzimmer! Und das will ich jetzt! SOFORT! Auf der Stelle!“, forderte sie.
„Wir haben im Moment kein Einzelzimmer mehr frei, Frau Erger. Frühestens Montag wird ein Einzelzimmer frei. Das Wochenende werden Sie noch abwarten müssen“, redete der Arzt mit ruhiger Stimme auf sie ein.
Er sah ihr an, dass es in ihr arbeitete.
„Dann will ich sofort nach Hause! Ich will meine Entlassungspapiere und dann bin ich weg!“, verkündete sie ohne Vorwarnung.
Der Arzt blätterte in der Patientenakte der Frau.
„Es sind noch nicht alle Befunde vollständig. Ein Teil der Blutuntersuchungen steht noch aus. Und ehe die Unterlagen vollständig sind, möchte ich Sie noch nicht entlassen.“
„Dann machen Sie die Papiere halt fertig! So schnell wie möglich!“
„Frau Erger, die Sache ist diese: Es ist Freitagnachmittag, 15 Uhr. Ihre Papiere sind noch nicht geschrieben. Die Kollegen sind schon im Feierabend und ehe die Befunde nicht vollständig sind, wird der Bericht nicht geschrieben. Wie gesagt, Montag früh können Sie gerne das Krankenhaus verlassen. Früher würde ich Sie nicht gerne gehen lassen.“
„Sie schicken mir die Unterlagen zu!“, forderte sie mit Nachdruck.
Die Frau schob sich Richtung Bettkante und setze sich auf. Mit einem vorsichtigen Hopser sprang sie vom Bett und angelte ihren Gehstock. Darauf gestützt trippelte sie zum Schrank und hob ihren Koffer heraus.
„Ich geh jetzt nach Hause!“, verkündete sie erneut und wuchtete den leeren Koffer auf ihr Bett.
„Frau Erger, verstehen Sie doch. Bevor alle Befunde vollständig sind und sie nicht auffällig sind, passiert gar nichts bei uns. Sie werden wohl oder übel das Wochenende abwarten müssen.“
„Ich geh jetzt nach Hause! Aus! Ende! Basta! Und wenn ich fertig bin mit Packen, will ich meine Entlassungspapiere haben! Verstanden?“, ordnete die Frau an und warf weitere Kleidungsstücke in den geöffneten Koffer.
Der Arzt legte seine Stirn in Falten.
„Können oder wollen Sie mich nicht verstehen? Es ist niemand da, um Ihre Entlassungspapiere zu erstellen und ein Teil der Befunde sind noch nicht vollständig. Sobald die Befunde vollständig sind, können wir Sie guten Gewissens entlassen. Aber ich bitte Sie, Frau Erger. Warten Sie bitte das Wochenende ab“, bat der Arzt.
„Ich werde jetzt nach Hause gehen!“, riss sie den Arzt aus den Gedanken. Vor seinem inneren Auge zogen die Ultraschall-Aufnahmen vorbei. Ein paar auffällige Flecken hatte er dabei an ihrer Schilddrüse entdeckt. In der Eile scheint er sie nicht gleich entdeckt zu haben. Schließlich war es die letzten Stunden recht turbulent und er hatte kaum genug Zeit, sich auf eine Sache zu konzentrieren.
„Mit Ihrem Segen oder ohne ihn! Ich warte dann unten in der Halle, bis die Unterlagen fertig sind. Sobald ich die Sachen habe, bin ich endgültig weg! Und glauben Sie bloß nicht, dass ich nochmal freiwillig in dieses Krankenhaus komme! Eher verreck ich zuhause, als das ich hier nochmal hinkomme!“
„Sie können jederzeit gehen, Frau Erger. Auf eigene Gefahr natürlich. Aber die Entlassungspapiere können wir Ihnen heute nicht aushändigen. Wie schon gesagt, sind sie noch nicht geschrieben. Ich rate Ihnen aber davon ab, dieses Krankenhaus zu verlassen. Ich würde außerdem gerne noch einmal Ihre Schilddrüse untersuchen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich nicht etwas übersehen habe. Wenn sich das Ergebnis als negativ heraus stellen, würde ich Ihnen sehr davon abraten, dieses Haus zu verlassen. Sollte sich einer der noch nicht fertigen Befunde als kritisch herausstellen, sind Sie schneller als Ihnen lieb ist, wieder hier.“
„Denken Sie wirklich, ich komm nochmal nach hier her?“, fragte die Frau mit brüchiger Stimme.
„Wenn Sie wirklich gehen wollen, hole ich das entsprechende Formular. Sie verlassen unser Krankenhaus nach der Unterschrift auf eigene Gefahr. Alles was danach passiert, liegt in Ihrer Verantwortung“, erklärte der Arzt ausführlich.
„Dann holen Sie diesen Wisch halt und ich unterschreibe das mit Freuden“, willigte Frau Erger ein und unterschrieb schnell. „So, und jetzt hätte ich gerne meine Entlassungspapiere. Und zwar pronto!“, forderte die rüstige Frau und trug ihren Koffer aus dem Zimmer.
„Wie schon mehrmals erwähnt, Frau Erger, die Papiere sind noch nicht fertig. Und da Sie unsere Klinik auf eigenen Wunsch verlassen haben, sind wir noch nicht einmal verpflichtet, sie Ihnen auszuhändigen“, erklärte der Arzt und grinste ein klein wenig in sich hinein.
„Davon haben Sie mir nichts gesagt!“, polterte die Frau los.
„Es steht doch im Formular. Sie hätten es nur lesen müssen, bevor sie wild drauf los unterschreiben.“
Dabei zeigte der Arzt auf den entsprechenden Satz.
„Ich wünsche Ihnen alles Gute, Frau Erger. Und beehren Sie uns bald wieder“, sagte der Arzt vor der Verabschiedung.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo betzebub,

danke erstmal das du dich an der Kritik zu meiner Kurzgeschichte beteiligt hast.
Jetzt zu deiner Kurzgeschichte: Es fehlt hier eindeutig ein Spannungsbogen.
Stilistisch ist deine Kurzgeschichte sicherlich noch ausbaufähig.
Hier sind dir ein paar Fehler passiert:

„Dieser Fraß ist widerlich!“, verkündete sie lautstark. „Und machen Sie gefälligst mal die Fenster auf zum Lüften. Hier stinkt‘s nach Desinfektionsmittel und der Pisse [B]von der alte[/B]n da!“

, schimpfte sie dem Hausmeister,
Richtige Formulierung: mit dem Hausmeister. den Hausmeister.

Und ehe die Unterlagen vollständig sind, möchte ich Sie noch nicht entlassen.“
Es muss heißen: Solange die Unterlagen noch nicht vollständig sind.

Nach dem dritten Klingeln, welche allesamt überflüssig waren, begann Schwester Gabys Geduldsfaden brüchig zu werden.
So ist es besser: Nach dem dritten Klingeln, begann Schwester Gabys Geduldsfaden brüchig zu werden.

„Wie schon mehrmals erwähnt, Frau Erger, die Papiere sind noch nicht fertig. Und da Sie unsere Klinik auf eigenen Wunsch verlassen haben,
Es muss heißen: verlassen werden.

Ich hoffe du kannst damit etwas anfangen.
Desweiteren wünsche ich dir ein schönes Wochenende.

Bernhard

 

Hallo betzebub,

eine Alltagsszene, wie sie sich wahrscheinlich häufiger abspielt. Finde ich gut, dass du ein solches Thema gewählt hast und dabei auch die Perspektive der Schwestern und Ärzte hineinbringst. Was mir allerdings grundsätzlich fehlt, ist ein Spannungsbogen mit einem besonderen Moment, einem Höhepunkt, auf den das Ganze hinausläuft. Und ein paar Hintergründe. Wieso ist Frau Ergner so mies drauf? Vielleicht Probleme zuhause? Oder die angeschlagene Schilddrüse lässt sie in eine hormonbedingte Depression schlittern? Oder ...? Ein paar sachliche Einwände: Wo Urinbeutel verwendet werden, riecht es nicht nach Urin. Es gibt eine Reaktion, wenn eine Patientin den Teller samt Inhalt an die Wand schmeißt - da bleibt niemand freundlich und geduldig (auch nicht zu Privatpatienten). Und der Bettnachbarin hätte man nach solchen Bemerkungen einen Zimmertausch ermöglicht. Außerdem, nicht jede deiner Formulierungen sitzt:

schimpfte sie dem Hausmeister
'... beschimpfte sie den Hausmeister...' Und das ist nichts, was man ihr ansehen müsste, die Frau keift und beschimpft, wirft mit Gegenständen, das passt dies nicht:
Er sah ihr an, dass es in ihr arbeitete.
Und beehren Sie uns bald wieder“, sagte der Arzt vor der Verabschiedung.
Wirklich? Ist das Ironie? Dann müsste dieser Satz noch entsprechend eingebettet werden. Wenn nicht, hat der Arzt ein wirkliches psychisches Problem :-). Bleib dabei, überarbeite deine Geschichte und lasse dir den Spaß am Schreiben nicht nehmen!
Ein schönes Wochenende,

Eva

 

Hallo Eva,

vielen lieben Dank für deine Kritik. Ich gebe zu, dass der Text nicht hundertprozentig perfekt ist.

Zu deinen Kritik-Punkten:

Es gibt beide Formulierungen: "schimpfen" und "beschimpfen", wobei mir erstere Variante besser gefällt. Sie ist ein Tick aggressiver und bezieht sich direkt auf den Hausmeister und nicht auf Frau Erger.


Die Verabschiedung des Arztes kann zwei Aussagen haben: Freude über das Verlassen des Krankenhauses und die damit wegfallende Mehrarbeit des Personals - Unbehagen, dass er der Frau nicht helfen kann und die Behandlung nicht fortführen darf.


LG

betze

 

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