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Die Leiden eines Lebenden

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30.05.2016
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Die Leiden eines Lebenden

„Herr Protokollant, die Vorbereitungen für unser Experiment sind nun alle getroffen. Das Versuchsobjekt ist 43 und männlich. Es ist an den Metallstuhl gekettet mit jeweils zwei Sicherungen an den Handgelenken, den Oberarmen, den Oberschenkeln und den Fußgelenken. Es befinden sich zwei weitere Sicherungen sowohl am Bauch, als auch am Brustkorb. Der Kopf ist durch einen Metallhelm speziell gesichert, der jede Bewegung, einschließlich aller Zuckungen der Augenlider, verhindert und uns gleichzeitig mit allen nötigen Informationen über die elektrischen Signale innerhalb des Gehirns versorgt. Der Kopf des Testobjekts ist also fixiert und auf den Bildschirm gerichtet, der die ganze Wand bedeckt. Es ist essentiell, dass keine anderen Reize wahrgenommen werden. Aus diesem Grund ist die Kopfbedeckung vollständig schallgeschützt. Ich habe zusätzlich weite Teile des Körpers betäubt um Bewegungen zu verhindern. Die Sicherungen sind also nur im Notfall von Bedeutung. Die Mundpartie wurde mit einer überdurchschnittlich starken Dosis behandelt um akustische Verfälschungen des Ergebnisses auszuschließen.“

Der Doktor, der eben noch durch die Glasscheibe in das Labor gesehen hatte, richtete seinen Blick nach rechts und beobachtete das eilige Auf und Ab des Füllfederhalters. Nach einigen Sekunden kam dieser zum Stehen.

„Haben Sie alles notiert?“
„Jawohl, Herr Doktor. Sie können das Leinentuch nun entfernen und mit Ihrem Experiment beginnen.“
Der Angesprochene nickte, legte seine Handschuhe an, und betrat den Raum aus stechendem Weiß, der außer dem Stuhl in der Mitte und dem Bildschirm an der einen Wand gänzlich leer war. Er stellte sich hinter den Patienten und überprüfte noch einmal die Konstruktion. Er hatte nichts zu bemängeln. Nun griff er nach dem Tuch, das den Kopf des Testobjekts bedeckte und zog es in einer schnellen Bewegung herunter. Er legte es unter den Stuhl und ging zurück in das Beobachtungszimmer.
„Herr Protokollant, Phase eins unseres Experiments beginnt nun. In 60 Sekunden wird dem Probanden sein eigenes Leben auf dem Bildschirm vorgeführt. Es ist von unnötigen Erinnerungen wie Schlaf, der täglichen Nahrungsaufnahme und dem Stuhlgang befreit. Zudem wurden die meisten Arbeitsstunden entfernt. Ziel war es jegliche Routinehandlungen aus dem Film zu schneiden. Die Erinnerungen sind zudem stark beschleunigt, so dass ein vollständiges Vorspielen des Bildmaterials genau 48 Minuten und 53 Sekunden dauert.“

Als der Schreiber alles notiert hatte, runzelte er die Stirn.

„Herr Doktor, woher haben sie die Daten?“
„Dem Versuchsobjekt wurde kurz nach seiner Geburt ein Sender an den Sehnerv geschlossen, der alle Reize aufgenommen und an Speichermodule innerhalb des Körpers weiterleitete. Um ein Auffallen zu verhindern, handelte es sich um Mikrospeicher, die wir vor allem in die Extremitäten pflanzten. Da das Speichervolumen nicht sonderlich groß war, musste eine Mitarbeiterin, als Frau des Testobjekts getarnt, die Daten jede Woche extrahieren. Davor hatten wir übrigens seine Mutter dafür bezahlt.
Die 60 Sekunden sind gleich vorbei. Ich betätige den Knopf in 4…3…2…1.“

Die Augen noch auf seine Armbanduhr gerichtet, drückte der Doktor auf einen unscheinbaren Knopf auf dem Steuerungsmodul vor ihm. Im Labor sprang plötzlich der Bildschirm an und flackerte in allen vorstellbaren Farben. Ein Sperrfeuer von Bildern prasselte auf den Betrachter ein. Ein Sperrfeuer von verzerrten Erinnerungen, verlebt und gespeichert und nun erneut zum Leben erweckt.
Der Protokollant räusperte sich.

„Herr Doktor, kann der Proband überhaupt erkennen, was ihm gezeigt wird?“
„Ich kann verstehen, dass es Ihnen als Außenstehender schwer fällt Szenen zu erkennen, aber sein Sie beruhigt. Ihm sind die Erinnerungen nicht fremd, weshalb er sie ausnahmslos erkennt. Auch ich kann zumindest erahnen, was sich da abspielt. Ihnen fehlt nur etwas Erfahrung.
Sehen Sie? Das eben war seine Einschulung.“

Nun konzentrierten sich beide auf den großen Bildschirm, starrten auf die aufblitzenden Farben und Schemen im ständigen Versuch die Geschichten zu entschlüsseln. So vergingen die Minuten tonlos bis der Bildschirm schwarz wurde. Gedankenverloren stand der Schreiber vor dem Fenster, unfähig den Blick abzuwenden. Ein Räuspern des Doktors beförderte ihn zurück in die Gegenwart.

„Herr Protokollant, wir werden jetzt mit Phase zwei beginnen. Der Helm hat die Gehirnströme des Probanden aufgezeichnet und die Daten liegen mir hier auf dem Computer vor. Ich werde jetzt analysieren welche Erinnerungen die stärksten Reaktionen hervorgerufen haben und ob sie positiver oder negativer Natur waren. Im Anschluss spielen wir die drei negativsten Erinnerungen 15 Minuten lang vor. Zunächst werden wir sie auf fünfzigfacher Geschwindigkeit vorspielen, die Frequenz im Laufe der Zeit jedoch erhöhen.“

Der Doktor setzte sich an einen Schreibtisch und rückte die Tastatur zurecht. Er fing an zu tippen, während das Geräusch des Füllfederhalters noch durch den Raum drang. Als das Protokoll aktualisiert war, legte es der Schreiber zur Seite. Er trat an die Glasscheibe und betrachtete den Probanden, dessen Augen stark gerötet waren. Ansonsten sah er friedlich aus. Ob dies nur von der Betäubung ausging, vermochte man nicht zu sagen. Der Protokollant schreckte auf als sich der Bildschirm wieder mit Leben füllte und Erinnerungen herunter ratterte. Die Bilder bestanden diesmal aus nur aus Fleischfarben, die auf und ab hüpften. Der Doktor hatte den Blick fest auf das Testobjekt gerichtet, ohne die Erinnerungen auf der Wand zu beachten.

„Herr Protokollant, es hat sich herausgestellt, dass die negativsten Erinnerungen von Liebesnächten mit einer Frau handeln, die nicht unsere Mitarbeiterin ist. Sie sind allerdings von außerordentlicher Negativität.“
Der Angesprochene wandte betreten den Blick vom Bildschirm ab und suchte eine Ablenkung. Er fand sie in seinem Schriftstück, das er aufnahm und weiter bearbeitete. Nach einiger Zeit räusperte sich der Doktor.

„In 60 Sekunden wird der Film zu Ende sein und dann beginnt Phase drei. Ich betätige dann diesen Knopf, der sämtliche Sicherungen und den Helm entfernt. Der Proband ist dann nicht mehr fixiert und seine Gehirnströme werden nicht länger überprüft. Die Betäubungsmittel werden vom Körper dann soweit abgebaut worden sein, dass er sich frei bewegen kann, aber keine Schmerzen mehr verspürt. Dies ist der wichtigste Abschnitt des Experiments. Ich bitte Sie also darum, alles ganz genau aufzuschreiben. Ich betätige den Knopf in 6…5…4…3…2…1.“

Der Bildschirm wurde wieder schwarz und gleichzeitig schnellten alle Sicherungen zurück in den Stuhl und der Helm nach oben. In einem gewaltigen Ruck war das Testobjekt befreit. Auch sein Körper gehorchte ihm nun wieder. Es hielt die Hände an die Augen und rieb sie sich panisch. Ein aufgeregtes Röcheln war zu hören, als es versuchte ein Wort zu bilden, doch es gab nicht auf.
„T-t Ti-“
Das Augenreiben wurde immer schneller. Der Körper bebte. Das Röcheln verwandelte sich in ein Klagen.
„Tier. Ich bin ein Tier“, schrie es plötzlich. Dann Stille. Aufgeregt wandte sich der Kopf nach links und rechts. Hin und her. Was es suchte konnte selbst der Doktor nicht genau bestimmen. Ein gewaltiger Schrei löste sich aus den Lungen. Hoch und schrill. So lang gezogen, dass die Stimme versagte. Es schnappte nach Luft und versuchte gleichzeitig weiterzuschreien. Dies und der Hall des kleinen Labors verschmolzen zu einem Bellen. Eine Verzerrung des menschlich Möglichen. Eine Verhöhnung des Menschen im Ganzen. Der Protokollant erschauerte. Er wusste nicht was hier passierte und suchte Sicherheit in der Reaktion des Doktors, der nun mit dem Gesicht an der Fensterscheibe klebte. Der Körper zum Zerreißen angespannt, sich die Hände reibend in brennendem Interesse.
Auf einmal riss der Proband die Hände von den Augen und biss sich mit aller Kraft ins Handgelenk, so dass ein Knacken von den Wänden hallte. Die Kiefer mahlten sich durch Fleisch und Knochen. Drangen tiefer und tiefer, trafen schließlich die Hauptschlagader. Die beschworene Blutfontäne spritze ihm ins Gesicht und umhüllte den ganzen Kopf. Sie überschwemmte den Stuhl in einem dunklen Rot im sonst so weißen Raum. Das Testobjekt sackte in sich zusammen, die fast erblindeten Augen auf den Bildschirm gerichtet, während sich die Blutlache im Labor ausbreitete. Es hörte Schritte von hinten auf sich zukommen, doch war zu schwach um sich umzudrehen. Eine weiße Gestalt trat in sein Blickfeld und sah auf es herunter. Eine kleine Lampe leuchtete ihm in die Augen. Als das Licht ausging, konnte es ein Gesicht erkennen. Verzogen in einer Mischung aus Enttäuschung und Ekel.
„Ich hatte große Hoffnungen in Sie, Versuchsobjekt Nummer 213. Ihre Reaktionen waren äußerst vielversprechend, doch, es scheint mir, Ihr Ich war einfach nicht stark genug. Es scheint mir fast, als ob Nietzsches "Was mich nicht umbringt, das macht mich stärker" Leitsatz nur für die wenigsten Menschen gilt. Sie dagegen sind wohl auch nicht unser Homo Superior.“, sagte das Wesen.
„Vater?“, war das Einzige, das der Proband noch sagen konnte, bevor ihm die tödliche Spritze injiziert wurde.

 

Ist es ein eher gutes oder ein eher schlechtes Zeichen, wenn niemand was zur Geschichte schreibt? :D

 

Du magst es in den letzten sieben Monaten, seit du hier bist, vielleicht noch nicht gemerkt haben: Wir leben hier ein "Geben und Nehmen". Autoren – vor allem die, die wie du schon länger dabei sind – die andere Geschichten kommentieren, machen sich sozusagen einen Namen, deren Geschichten liest man dann eher, da man da weiß, es folgt Rückmeldung, Feedback, auch ein Geben.
Und ein Nachfragen, Bitten um Kommentare unter der eigenen Geschichte wird hier auch nicht gerne gesehen. Wenn das jeder Autor einen Tag nach dem Einstellen der Story posten würde, hätten wir hier bald abertausende solcher Beiträge :)

In diesem Sinne: Willkommen hier und beste Grüße,
GoMusic

 

Hallo KreativerName,

ich schließe mich zwar meinem Vorgänger an, werde aber trotzdem versuchen, noch heute deine Kurzgeschichte zu kommentieren. Mach dir also keine Sorgen, du bekommst dein Feedback.

MfG

Nova

 

Hoppla, so fordernd wie es aufgenommen wurde, war es gar nicht gemeint. Es war eigentlich nur als Witz gemeint, den ich, ohne großartig darüber nachzudenken, posten wollte. Wird nicht wieder vorkommen.
Ich habe mich zwar schon vor einer Weile hier angemeldet, damals allerdings nur um mir das Forum einmal genauer anzusehen. Jetzt habe ich aber beschlossen, selbst ein wenig aktiv zu werden, was natürlich auch Kommentare zu anderen Geschichten einschließt.

 

Hallo KreativerName.

Ein Feedback zu deiner Geschichte - nun gut.

Bereits die Grundprämisse fand ich nicht besonders spannend und/oder originell. Spätestens seit "Clockwork Orange" und "28 days later" sind Bilder und Szenen, wo man hilflos gefesselten Opfern pausenlos Horrorszenarien vorspielt, nichts Neues mehr. Die Abläufe sind immer wieder mehr oder weniger dieselben und die Reaktionen ebenfalls - so wie hier. Da ich mir also bereits aber der (übrigens viel zu unnötig ausufernden) Beschreibung der Fesselung des Probanden denken konnte, was da kommt, hat das nicht unbedingt meine Neugierde geweckt.

Dann der Versuchsablauf als solcher. Da spiel man dem Testobjekt also immer wieder seine schlimmsten/beschämendsten/furchtbarsten Erinnerungen vor. Ok, meinetwegen. Aber ich habe es wirklich keinen Augenblick für glaubwürdig gehalten, dass das kleine Betthupferl-Fremdgeh-Abenteuer jetzt soooo schlimm gewesen sein soll, dass er sich gleich mal in bester Gore-Splatter-Manier selber die Arterien aufbeißt. Im Gegenteil - eine ständige Wiederholung in Endlosschleife hätte eher zu einem Abstumpfungs- und Gewöhnungseffekt geführt, der das genaue Gegenteil bewirkt. Kein Schrecken, sondern eine Arrangierung mit der Situation - klassiche psychotherapeutische Desensibilisierung.

Das Ende war ebenfalls nicht so das Gelbe vom Ei. Dies sollte wahrscheinlich eine Schluss-Pointe, einen Aha-Effekt oder irgendeinen Twist darstellen. In dieser Form allerdings führte das -jedenfalls bei mir- lediglich dazu, dass ich mich gefragt habe, wo denn da jetzt der Witz war. "Homo superior" - das soll scheinbar andeuten, dass dieses Experiment dazu diente, einen "Übermenschen" zu erschaffen. Inwiefern soll einen die Vorführung der eigenen schlimmsten Erinnerungen denn übermenschlich machen? Außerdem zündet diese Auflösung am Ende nicht, wenn du nicht vorher erklärst, was das ganze Experiment überhaupt bezweckt hat bzw. was man sich als Leser denn unter dem "Homo superior" vorzustellen hat. Da hättest du auch als Schlusssatz schreiben können: "Der wars auch nicht." Das hätte genauso viel bzw. wenig zur "Klärung" der Geschichte geführt. Abgesehen davon, dass diese "Vater"-Anspielung auch nicht besonders verständlich gewesen ist.

Vom Aufbau bzw. der Handlungslogik her gab es ebenfalls ein paar Dinge, die mir unverständlich bzw. wenig glaubwürdig erschienen sind.
Der "Doktor" spricht als Leiter des Versuchs mit dem "Protokollant", der im Prinzip ja nichts anderes als die Tippse des Versuchs darstellt. Wieso macht sich der Doktor dann die Mühe und erklärt dem Protokollanten haarklein jeden Schritt und jedes Detail? Der Direktor erzählt seinem Chauffeur ja auch nicht die Details der Vorstandssitzung. Wieso gibt es überhaupt einen "Protokollanten", der auch noch etwas "aufschreiben" muss. Bei so einem Versuch und mit so einer futuristischen Technik würde man doch den Versuch eher von allen Seiten mit Kameras aufzeichnen. Das hält man doch nicht schriftlich fest. Füllfederhalter ist in diesem Zusammenhang übrigens ausgesprochen antiquiert - Nerven-Sensoren und dann nen Füller? Echt jetzt?
Die Datenextraktion wurde von "Geburt" an in sehr kurzen Intervallen durchgeführt - von einer als Ehefrau der Testperson getarnten Mitarbeiterin. Heißt das, die Testperson war im Alter von einer Stunde bereits verheiratet? So eine Datenextraktion würde doch dann allenfalls ab frühestens dem 18.Lebensjahr möglich sein.
Übrigens hat mich diese Episode der Geschichte ziemlich an den Film "Truman-Show" erinnert.

Nun denn, du siehst, KreativerName, dass ich deine Geschichte leider nicht allzu kreativ gefunden habe. Was also deinen Wunsch nach Feedback angeht, so muss ich in meinem Fall wohl leider zu folgender Binsenweisheit kommen: Sei vorsichtig mit deinen Wünschen - sie könnten in Erfüllung gehen.

Einen schönen Sonntag wünscht der EISENMANN

 

Also...

....du machst es mir mit deinem Einsiteg echt nicht einfach und meine Lust zum Lesen hat schon ab dem Moment nachgelassen. Der erste Satz ist immer wichtig. Er ist der Hook, soll den Leser neugierig machen. Deine Beschreibung bietet nichts Originelles. Schon bein Überfliegen wurde mir klar, dass sich auch nicht wirklich etwas an meiner Lust ändern würde. Überarbeite deine Geschichte bitte noch einmal und schick mir eine Nachricht, wenn du mein Feedback möchtest.
Lass dich nicht von den Kommentaren entmutigen. Ich kenne das : als Autor sind Geschichten wie 'Babys', die man vor scharfer Kritik schützen will, weil es einem selbst wehtut aber man kommt nur mit konstruktivesr Kritik voranm

MfG -Nova

 

Mein Respekt davor, dass Du eine Geschichte veröffentlicht hast.

Es ist kein Text, der sich zum Lesen aufdrängt - und ich habe das Gefühl, dass Du für Dich selbst einen großen Teil der Geschichte nur in Deinem Kopf hast, nicht niedergeschrieben - der sich daher dem Leser nicht erschließt. Insofern versuche ich erstmal eine "Story" dahinter zu erkennen - was will uns der Schreiber mit seinem Versuch sagen.

Dein Szenario wirkt kafkaesk, die Versuchsanordnung kann ich nachvollziehen - außer der übertrieben langen Beschreibung einer Fixierung, die im Aufbau und im späteren Text direkt als überflüssig erscheint. Doch die Funktion des Versuchs und die Beziehung der Personen dazu, besonders der Nutzen des Protokollanten erschließt sich mir so im Text als Leser nicht - es sei denn der Protokollant ist eine Hilfskonstruktion, um als Zuhörer für eine Versuchsbeschreibung zu dienen. Das Ende wird dann sehr gerafft und brutal - und in der Zuspitzung kommt plötzlich ein Wort: „Vater?“ -

Ist das der Schlüssel zu Deiner Geschichte?

Ein Mensch, der bereits angeschlagen ist, wird überflüssiger Weise noch fixiert und damit noch hilfloser gemacht- wird zum Versuchsobjekt, als Probant, benutzt. Man führt ihm in Kurzform sein bisheriges Leben vor, extrahiert dann nur seine Tiefpunkte im Leben und trichtert ihm die ein - macht den Hilflosen nochmals wertloser, bis der sich wie ein Tier in die Enge getrieben vorkommt -

Der Versuch wirkt für mich wie eine Allegorie eines sich der Kindheit längst entwachsen fühlenden Menschen, den der Vater, obwohl "erwachsen" noch immer wie einen Spätpubertierenden zusammenfaltet, ihm die Leviten liest. Der Autor nutzt den Versuchsaufbau, um klar zu stellen der Probant sei bereits über 40, doch erscheint mir das eher das Eigenbild eines möglicherweise gerade mal Volljährigen zu sein, der sich sehr reif und lebenserfahren hält, sich selbst noch im Erwachsenenalter wie ein Kind behandelt sieht. Ein Vater, der detailliert aufzeigt wie, wann und wo der Sohn bisher versagt hat - und die Ansage an den Jugendlichen, die väterlichen Erwartungen nicht erfüllt zu haben. Der Probant fühlt sich unwert angesichts der Lektion seines Vaters - der Protokollant könnte dann eine Rolle der Mutter sein - die nichts dazu sagt, wie der Vater mit dem Sohn umgeht. Ein Vater, der am Ende seinen Sohn völlig vernichtet?
Wie würdest Du selbst eine Kurzfassung Deiner Klar-Geschichte schreiben?

 

Eisenmann, Nova, Auhan
Vielen Dank für eure Kommentare. Daraus ergeben sich für mich zwei zentrale Probleme der Geschichte: Die Botschaft dahinter scheint nicht übergesprungen und eine Spannung scheint nicht aufgekommen zu sein. Besonders die ausführliche Beschreibung des Versuchsaufbaus erschien diesbezüglich als hinderlich. Die Kritik ist sehr hilfreich und hilft mir in der weiteren Bearbeitung der Geschichte.

Die ganze Geschichte ist angelehnt an Kafkas „In der Strafkolonie“, zunächst in der sehr ausführlichen Beschreibung der Maschinerie und in der Existenz eines indifferenten Beobachters, der in diesem Fall allerdings keine direkte Entscheidungsgewalt besitzt. Er ist nur Außenstehender und nicht Teil des Konflikts.
Der Doktor fungiert als Über-Ich, das der Person die schlimmsten Fehler immer wieder und wieder vorhält. In diesem Fall ist der Fehler das Betrügen der Ehefrau, also eine klare Forderung des Es und ein klarer Verstoß gegen die Sitten. Die Person ist absolut hilflos und, zusätzlich zur physikalischen Fixierung, innerlich betäubt. Die eigene Unzulänglichkeit wird dem Probanden immer wieder vorgeführt, was ihn bis ins Unkenntliche entwertet. Dies geht soweit, dass er alle Menschlichkeit verliert und schließlich zum Tier wird. Er kann seine Situation nur durch die Selbsttötung lösen, durch eine Vernichtung des Ich an sich also.

Der Protokollant ist in diesem Zusammenhang ein indifferenter Beistehender, der nichts tut, außer dem Treiben zuzusehen und Kenntnis davon zu nehmen. Er weiß nicht was im Probanden vorgeht und sieht nur das Endresultat eines entweder gescheiterten oder erfolgreichen Experiments. Man kann ihn als Personifizierung der Gesellschaft sehen.

Die Intention des Doktors ist es, einen moralisch einwandfreien Menschen zu schaffen. Er bestraft den Probanden für die Missachtung von gesellschaftlichen Normen. Er möchte ihn nicht unbedingt vernichten, aber nimmt es in Kauf um den gesellschaftlich perfekten Menschen zu erschaffen, der sich an alle Normen hält.

Ich hatte beim Schreiben das Ziel das Ganze nicht zu offensichtlich zu machen, weil es mir als Leser nicht gefällt alles auf dem Silbertablett serviert zu bekommen. Zumindest dieses Ziel habe ich erreicht. :D Ich werde mich jetzt noch einmal an die Geschichte setzen und sie eindeutiger machen. Darf ich euch taggen, wenn ich damit fertig bin?

 

Hi!

Unabhängig von deiner Geschichte mal die ein oder andere Erfahrung, die ich als Schreiber gemacht habe:

1) Es ist ziemlich ungeschickt, für das Verständnis einer Geschichte/Erzählung beim Leser Wissen und Kenntnisse vorauszusetzen - sei es nun eine bestimmte Erzählung (in deinem Fall Kafkas "Strafkolonie" - denn ich kenne diese Geschichte zum Beispiel nicht) oder irgendein psychologisches (Fach-)Wissen vom Ich, Über-Ich, Beobachtern und Perspektiven. Du musst davon ausgehen, dass dein Leser buchstäblich von nix was weiß und du ihn an die Sachen heranführen musst. Das unterscheidet eine Geschichte von einem Fachartikel für ein entsprechend spezielles Publikum.

2) Du hast deine Geschichte jetzt in deinem Post ausführlich erklärt, deine Absichten aufgezeigt und sie verdeutlicht. Das ist zwar gut für das Verständnis - aber schlecht für eine Geschichte. Denn all das, was du hier geschrieben hast, gehört nicht in eine Erklärung am Ende, sondern als integraler Bestandteil in deine Geschichte. Wer seine Geschichte erklären muss, hat etwas falsch gemacht. Wie bei einem Buch - da habe ich ja auch kein Forum, wo mir der Autor anschließend erzählt, was er mir da eigentlich erzählen wollte. Und wenn ich schon während oder spätestens nach der Lektüre des Buches nicht verstanden habe, um was es ging, ist das Buch in meinen Augen schlecht und kommt entsprechend schlecht weg.

3) Und ganz grundsätzlich hier bei den Wortkriegern - unser Forum lebt von Geben und Nehmen, GoMusic hatte es schon angedeutet. Und nimm es mir nicht übel, aber nachdem du zunächst mehr oder weniger subtil um Feedback "gebeten" hast und dann verkündest, dass du die Geschichte nachbessern und dann schon wieder Feedback willst, habe ich (bis jetzt noch) den Eindruck, dass du dieses Forum hier offenbar mehr oder weniger als Optimierungswerkzeug deiner persönlichen Geschichten verstehst. Nun ja ...

Vielleicht kannst du mit meinen Anmerkungen ja etwas anfangen.

Viele Grüße vom EISENMANN

 
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Eisenmann,

Du hast mit deinen ersten beiden Punkten natürlich recht. Das sehe ich auch voll und ganz ein.
Beim dritten Punkt muss ich dir widersprechen, aber ich schätze, dass dich die einfache Verneinung sowieso nicht überzeugen wird.

Ich habe mir einige Gedanken zu der Geschichte gemacht und bin zum Schluss gekommen, dass ich sie erst einmal so lassen werde. Die Intention war ja, die Geschichte um den Versuch herum aufzubauen und ihn möglichst genau und nüchtern zu beschreiben. Das widerspricht schon von der Grundannahme her dem klassischen Spannungsbogen und ich vermute, dass ich die Geschichte völlig zerlegen müsste, um das richtig spannend zu machen. Ich werde mich erst einmal auf andere Texte konzentrieren, möglichst viel Erfahrung sammeln und mich mit dem Text nochmal später befassen. Eure Anmerkungen, die ich leicht einbringen konnte, habe ich weitestgehend implementiert.

Ich möchte euch nochmal für die Kritik danken. Ich weiß jetzt auf was ich mich konzentrieren sollte, um mich zu verbessern. :)

 
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Hallo Wortkrieger-Mitglied mit dem Nickname "KreativerName",


ich habe bis jetzt nur deine Geschichte gelesen und noch keinen weiteren Kommentar. Es kann sein, dass ich jetzt etwas wiederhole, was von jemand anders angesprochen wurde.

Erstmal fiel mir auf, dass es in deiner Erzählwelt, die "vielleicht" in der Zukunft stattfindet, noch Tasten zur Bestätigung von Gerätschaften gibt. Eine "Taste" klingt in der heutigen Zeit wie etwas Archaisches. Dennoch konnte dieses symbolträchtige Wort einige Assoziationen in mir wachrütteln, die das Verständnis für deine Geschichte erleichterten. Ich musste an das "Experiment" denken, mit seinen "Tasten". Taste/Tasten - auf einer Seite, verzerrte Wahrnehmung beim Probanten. Also, kurz gefasst: die Handlung spielt für mich in der Zukunft ab (einplantierte Kamera), mit einem leichten Touch aus der Vergangenheit!

Dann dieses Abspielen von den schnellen Bildern aus dem Leben im Labor in der KG. Da musste ich gleich an die Berichte denken, die Menschen erzählen, die schon mal einen Tod erleben durften: mit dem "ganzen" Leben vor dem inneren Augen dahineilend. Diese experimentelle Herangehensweise der "Forscher" in deiner Geschichte sagte für mich den baldigen Tod des schweigsamen Protagonisten voraus, sowie seine baldigen "Begegnung" mit dem göttlichen Vater im Himmel. Das Weiße in dem Labor verstärkte untergründig diesen Eindruck.

Die Themen "Gott und Menschen", "Mensch als Versuchsobjekt", "Vater und Sohn" sind mit dabei. Alles in der Geschichte ist meines Erachtens sehr überlegt und schlüssig, bis auf die Bilder, die bei dem Mann, von dem wir eigentlich nichts erfahren dürfen, schlimme suizidale Reaktionen hervorriefen. Warum genau diese Bilder? Für manche Physiologen ist es schon lange klar, dass der Mensch sexgesteuert ist, also genau so wie ein Tier und sich kein bisschen von einem Tier unterscheidet.

Die REaktion des Probanten kurz vor dem Sterben ist für mich nicht nachvollziehbar. Ich hätte mir da mehr Überraschung gewünscht. Ich hatte aber leider den Eindruck, als wüßte der Probant, was sich da alles vor ihm abspielt und wer dahinter stehen, sein Vater.

Also, das Interessante an deiner geheimnisvollen Geschichte finde ich nicht das Experiment selbst, sondern die negative Bilder auf dem Bildschirm, auf die Du so geschickt nicht weiter eingehen willst.

Viele Grüße
Herr Schuster

PS Und dann mein obligatorischer Senf zu dem Titel deiner KG: "das Leiden eines Lebenden". Manche Philosophen, ob antik oder modern, würden sagen: wer nicht leidet, der lebt nicht! Also, das Leben ist ein fortwährendes Leiden. Aus dieser Perspektive klingt für m i c h dein Titel zu tautologisch! Und lebensfremd. Als wärest Du von jeglichem Leiden befreit. Als hättest Du ohne Leiden dein Leben lang gelebt. Was das so gewollt?

 

Hi Herr Schuster,

freut mich, dass du dir meine Geschichte durchgelesen und sogar kommentiert hast. Ich habe absichtlich einige "ältere" Begriffe benutzt, wie zum Beispiel Taste oder Füllfederhalter. Sollte das ganze etwas zeitloser machen, als nur die Zukunft, die man ja bei Science Fiction automatisch annimmt.

Die Geschichte ist natürlich stark überspitzt, weswegen viele Aspekte vermutlich schwer nachvollziehbar für den Leser sind. Das haben bisher auch alle Leser mehr oder weniger so gesagt. Ich glaube aber auch, dass dies eher zum nachdenken über die Geschichte anregt. Bei dir scheint das ja geklappt zu haben und ich habe deine Interpretationen gerne gelesen. :) Ich habe eine Erklärung der Geschichte gepostet, die du etwas weiter oben (als Kommentar) finden kannst, falls es dich interessieren sollte.

Den Titel verstehe ich weniger als Aussage, dass der Probant leidet, sondern beziehe ihn auf den konkreten Aufbau des Experiments. Nach dem Motto: Was sind die Leiden eines Lebenden? -> seine Erinnerungen, die in diesem Fall ständig vorgehalten werden.

LG
KreativerName

 

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