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Wie schon bei Nico. Bei Linus. Bei Ivo.

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24.01.2009
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Wie schon bei Nico. Bei Linus. Bei Ivo.

Vor der Rettungsschwimmerstation sitzen drei Morgenmuffel und klammern sich an ihre Kaffeetassen. Nina betrachtet das Bild und schmunzelt.
„Sieht ganz so aus, als wäre die erste Schicht meine“, sagt sie, zieht sich um, setzt sich auf den Steg und lauscht der Stille, die nur noch ein paar Minuten anhalten wird. Die erste Schicht ist Nina die liebste.
Eine halbe Stunde später kommt Rike zur Ablösung. Die ersten Urlauber haben das Frühstücksbuffet im Speisesaal abgeweidet, nun falten sie Decken auseinander, blasen Luftmatratzen auf und schmieren Rücken und Schultern mit Sonnencremé ein.
„Ich glaub, Max steht auf dich“, sagt Rike, als sie mit Nina zum Dienstwechsel abklatscht.
„Wieso?“
„Keine Ahnung.“
„Ich mein, wie kommst du darauf?“
„Bauchgefühl.“
Nina zieht sich das Wasserwacht-Shirt aus, wirft es auf den Steg neben Rike.
„Ich wette ein Stück Käsekuchen drauf.“
„Nimmst du nachher mein Shirt mit vor?“, bittet Nina und springt ins Wasser. Nach zwei, drei Zügen ruft sie: „Ich halte zwei dagegen!“
Rike hält den Daumen hoch. Dann zieht es Nina auf den See hinaus, weg von dem Gewimmel, Gejaule, Gejuchze und Gekreische der Kinderhölle. Da ist nur noch das Wasser und ihr Körper. Normalerweise. Heute sind da auch noch Rikes Worte.

Auf dem Steg gibt es keine Chance, der Sonne zu entkommen. Sie kocht einem direkt das Hirn weich. Es herrscht Hochbetrieb im Wasser, deshalb schieben sie jetzt zu zweit Wache. Max in der rechten, Nina in der linken Ecke des Stegs, der in U-Form den bewachten Badebereich umschließt. Neben ihr knutschen Teenager. Sie geht ein paar Schritte weiter. Ein älteres Pärchen kommt ihr entgegen, Hand in Hand. Zwei Frauen sitzen auf dem Steg und lästern über schwarze Kondome. Ein Typ steht wie eine Insel im Wasser und glotzt den Frauen hinterher.

Es ist fast dunkel, als Nina nach ihrer Abendrunde im See zur Unterkunft kommt. Der Wind ist kühl und sie wickelt das Handtuch fester um den Körper. Sie freut sich auf eine warme Dusche und den Rotwein, für den sie nach Feierabend extra zum Supermarkt in die Stadt gefahren ist.
Max sitzt vor dem Nachbarbungalow, trinkt Bier, isst Chips und klimpert auf seiner Gitarre.
„Ich würde da jetzt nicht reingehen“, ruft er ihr zu.
„Weil?“
„Bist du taub?“
Nina lauscht. Doch, sie hört es. Eigentlich ist es überhaupt nicht nicht zu hören.
„Ist nicht wahr, oder?“, sagt sie zu Max.
„Hört sich sehr wahr an, wenn du mich fragst.“
„Kann ich eure Dusche benutzen? Mir ist saukalt.“
„Klar. Fühl dich wie zu Hause.“
Als sie fertig ist, bietet ihr Max eins seiner Sweatshirts an: „Hab es erst einmal angehabt.“
„Danke“, sagt sie. „Aber die beiden werden ja wohl nicht ewig vögeln.“
„Wer weiß?“ Er klimpert weiter auf seiner Gitarre. Nina schaut zu, wie seine schmalen Finger über die Bunde gleiten. Ihn bringt nichts aus der Ruhe. Vielleicht hat es mit seinem richtigen Job zu tun. Er pflegt im Zoo die Wollschweine. „Die coolsten Tiere, ever“, sagt er. Wollschweine, das hört sich gemütlich an, findet Nina.
„Willste ein Bier? Steht im Kühlschrank.“
„Ich habe Rotwein drüben. Danke.“
„Wie du meinst.“
Es ist keine wirkliche Melodie, die er spielt und trotzdem klingt es schön. Irgendwann stellt er die Gitarre weg und schaut Nina an. Einfach so, ohne ein Wort zu sagen, ohne seinen Blick wieder von ihr zu lösen. Es macht sie nervös.
„Vielleicht will ich doch ein Bier“, sagt sie und steht auf.
Max erzählt von seinem Bruder, der nach Alaska ausgewandert ist. Beim nächsten Bier von seiner ersten Freundin, seinem ersten Mal. „Und bei dir?“
„Ivo. Keine aufregende Geschichte.“ Das stimmte. Es gab keine Ameisenarmee auf ihrer Haut, keinen Wirbelsturm, der durch sie hinwegfegte, keinen Himmel und keine Hölle, Nina spürte einfach: Nichts. Dabei hatte sie ihn so geliebt. Irgendwann fuhr Ivo nach Italien, dort lernte er Layla kennen, eine Königin der Nacht. Danach holte er seine Sachen bei Nina ab. Ein T-Shirt vergaß er, und sie weinte hinein.
„Ich hatte mal eine, die stand total auf Wald. Total schräg war das“, sagt Max.
Nina lächelt höflich, nickt. Sie fand den Alaskabruder und die Wollschweine interessanter. Wieder ruht Max‘ Blick auf ihrem Gesicht.
„Was?“, fragt sie.
„Nichts. Nur so.“
„Es macht mich nervös.“
„Gut.“
Endlich kommen Rike und Udo aus der Hütte. Nina atmet auf.

Am nächsten Tag durchkreuzt ab und an ein Wölkchen das Blau am Himmel. Kleine Schäfchen, die ihre Herde verloren haben. Der Tag verläuft wie all die anderen zuvor. Nina übernimmt die erste Schicht, dann, alle halbe Stunde Wechsel auf dem Steg. Rike und Udo knutschen. Ein Typ steht wie eine Insel im Wasser.
Abends türmen sich Wolken auf. Nina schwimmt auf den See hinaus. Zug um Zug spürt sie mehr ihren Körper, der das Wasser pflügt. Es donnert. Sie sollte umkehren. Sie weiß es. Aber sie will nicht. Noch nicht. Ihre Gedanken kreisen um Max und Käsekuchen. Der erste Blitz drüben bei der Fischerhütte. Nina kehrt um, sie muss.
Max sitzt auf dem Steg, er ist klitschnass vom Regen. Nina wartet auf seine Vorwürfe; aber Max schweigt, sieht ihr stumm zu, wie sie sich trocken reibt. Eine völlig sinnlose Aktion bei dem Wetter.
„Hab Tee gekocht. In der Station“, sagt er schließlich und geht. Sie schaut ihm nach, wie er sich Schritt für Schritt von ihr entfernt und schließlich in der Baracke verschwindet. Jetzt wünscht Nina sich eine Zigarette. Die letzte hatte sie vor mehr als drei Jahren geraucht. Mit Nico. Als Nico sie verließ, hat sie das Rauchen aufgegeben. Ihn hat sie lange vermisst im Gegensatz zu den Zigaretten.
Ganz langsam, wie in Zeitlupe, nähert sie sich der Station. Max hat Hose und Trainingsjacke zum Trocknen aufgehängt, rubbelt sich die Haare trocken. Nina legt sich einfach nur eine Decke um. Gemeinsam stehen sie mit ihren Teetassen am Fenster, lassen den Dampf ihre Gesichter wärmen, zerstören das Wetterspiel nicht mit Worten, bis nur noch stetig Regen fällt.

Max schläft auf der Liege für die Verletzten und Kranken. Nina beobachtet ihn im Schein der Laterne. Wäre sie doch nur ein bisschen mehr wie Ivos Layla, eine Nachtkönigin, es wäre bestimmt sehr schön mit Max gewesen. Aber sie ist Nina. Wie sie es schon bei Nico war. Bei Linus. Bei Ivo. Keine Ameisenarmee, kein Wirbelsturm, kein Himmel und keine Hölle. Nicht für sie. Nicht, wenn man asexuell ist.
Nina atmet Max‘ Duft ein und schließt die Augen. Das Gewitter ist abgezogen. Sie zieht die Decke über seinem Körper zurecht, schlüpft in ihren Badeanzug, und kaum, dass sie draußen ist, läuft sie auf den See zu.

Rike und Udo haben sich gestritten. Max und Nina knutschen nicht. Nur ab und an, wenn sie allein sind, berührt Max sie sacht. Nina lächelt dann für ihn. Es ist ihr letzter Tag. Morgen ist ihre Zeit am Waldsee abgelaufen. Abends grillen sie vor den Bungalows. Rikes Laune bessert sich stetig, während Udo sinnlos Bier in sich hineinkippt. Max hält es kaum noch auf seinem Stuhl. Nina spürt es. Sie wird mit ihm runter zur Station gehen. Sie mag ihn gern. Für ihn wird sie ein letztes Mal diese Leere spüren.

Am nächsten Vormittag packt sie ihre Sachen, hält Max‘ Sweatshirt in den Händen. Sie atmet seinen Duft ein, streicht mit der Hand drüber, legt es zusammen und in ihren Koffer. „Ich weiß, das gehört sich nicht“, flüstert sie. Anschließend kauft sie zwei Stück Käsekuchen für Rike. Unten, in der Station, umarmt sie alle, Max ein wenig enger.
„Du fehlst mir jetzt schon“, flüstert er.
„Du mir auch“, flüstert sie.
Max‘ Silhouette wird im Rückspiegel kleiner, bis eine Kurve ihn ganz verschwinden lässt. Kurz vor der Autobahn stoppt Nina den Wagen. Sie schaut hoch zum Himmel, es ist Badewetter. Keine Auszeit für die Rettungsschwimmer.
Auf Dauer geht es nicht gut. Ist es nie gut gegangen, entschuldigt sich Nina bei Max, und löscht seine Nummer aus dem Handy.

 

Diese Geschichte wurde von einem Autor geschrieben, der hier im Forum angemeldet ist, es für diese Geschichte aber bevorzugt hat, eine Maske zu tragen.
Der Text kann, wie jeder andere Text im Forum, kommentiert werden, nach zehn Tagen wird die Identität des Autors enthüllt.

Als Kritiker kann man bis dahin Vermutungen über die Identität des Autors anstellen. Damit man anderen mit einem schlüssigen Rateversuch nicht den Spaß raubt, sind Spekulationen und Vermutungen bitte in Spoiler-Tags zu setzen.

*Beispiel *

Ich vermute, dass der Autor der Geschichte Rumpelstilzchen ist. Der schreibt doch auch immer von güldenem Haar und benutzt so viele Ausrufezeichen!

Schreibweise:
[spoiler]Ich vermute, dass der Autor der Geschichte ... [/Spoiler]
Die eckigen Klammern setzt ihr mit der Tastenkombination Alt-gr+8 bzw. Alt-gr+9.

Da dies jedoch kein Ratespiel ist, sind Beiträge ohne Textarbeit, also reine „Vermutungen“, nicht erwünscht.

Viel Spaß beim Kommentieren und Raten!

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Alles weitere rund um den Maskenball findet ihr hier.

 
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Hallo Maske,

ich geh mal durch deinen Text:

„Waldsee. Abgeschieden. Kleine Truppe. Wird dir gefallen“, so hatten sie Nina den diesjährigen Einsatzort im Vereinsbüro schmackhaft gemacht. Und jetzt, so früh am Tag, da stimmt das auch.

Hier komm ich mit den Zeiten ins Schlingern: Plusquamperfekt und dann wieder Präsens. Find ich nicht so schön. Lieber Perfekt, d.h. "so haben sie Nina ...".

Dann zieht es Nina auf den See hinaus, weg von den Kühltaschengroßeltern, den coolen Arschbombenvätern und sonnengegrillten Muttis, dem Gewimmel, Gejaule, Gejuchze und Gekreische der Kinderhölle. Da ist nur noch das Wasser und ihr Körper.

Sehr schön beobachtet, sehr schön beschrieben. Gefällt mir. :thumbsup:

Mir ist sau kalt.

Wird zusammengeschrieben, saukalt.

Max hat einen Stuhl für sie nach draußen gestellt, ihr eins seiner Sweatshirt daraufgelegt.

Plural-S

Max [,] der in sich [R]ruhende, den scheinbar nichts aus der Fassung bringt.

Komma, Großschreibung

Es ist keine wirkliche Melodie [,] die er spielt.

Komma hinter Melodie.

Ihre Gedanken kreisen um Max und Käsekuchen. Sie mag ihn gern. [...] Er ist klitschnass vom Regen. Nina wartet auf die Vorwürfe; aber Max schweigt, sieht ihr stumm zu, wie sie sich trocken reibt. Eine völlig sinnlose Aktion bei dem Wetter.

Also, Nina mag Max gern. Aha. Und sie trocknet sich im strömenden Regen ab. Äh, ja. Seltsam.

Jetzt wünscht sie sich eine Zigarette. Die letzte hatte sie vor mehr als drei Jahren geraucht. Mit Nico. Als Nico sie verließ, hat sie das Rauchen aufgegeben. Er fehlte ihr, die Zigaretten nicht. Bis zu diesem Moment.

Nina hat Nico geliebt. Liebt ihn noch immer. Okay. Merk ich mir.

Max schläft auf der Liege für die Verletzten und Kranken. Nina beobachtet ihn im Schein der Laterne, ihr Finger fährt die Konturen seines Gesichtes nach. Augenbrauen, Nase, Kinn, Wangenknochen, Mund. Nichts, wie all die anderen Male zuvor. Nur diese Leere und Gleichgültigkeit. Wie schon bei Nico. Bei Linus. Bei Ivo. Max ist sicher ein guter Liebhaber. Für andere Frauen.

Leere und Gleichgültigkeit - wie bei Nico? Äh?? Ich dachte, sie liebt(e) Nico? :confused:

Max hält es kaum noch aus. Nina spürt es. Sie wird ihm diesen Gefallen tun.
Am nächsten Vormittag packt sie ihre Sachen, hält Max‘ Sweatshirt in den Händen, das noch über der Stuhllehne hängt. Sie atmet seinen Duft ein, streicht mit der Hand drüber, legt es zusammen und in ihren Koffer. „Verzeih mir“, flüstert sie. Anschließend kauft sie zwei Stück Käsekuchen für Rike.

Sie packt sein Sweatshirt ein, um ihm einen Gefallen zu tun? Die zwei Stücke Käsekuchen standen dafür, dass Max Nina nicht liebt. Oder nicht? Jetzt bin ich komplett verwirrt. :eek:

Grundsätzlich find ich das gut beschrieben: Es ist Sommer. Die langweilen sich da alle zu Tode. Rike und Udo. Nina und Max. In Ermangelung von Alternativen ... Ja. Schön.

Die Sprache gefällt mir. Es sind ein paar schöne Bilder drin. Ich hab die Szenen richtig vor meinem Auge, ich kann es mir gut vorstellen. Die Dialoge klingen authentisch.

Gut. Aber mit Nina werd ich nicht warm. Bin ich zu harmoniesüchtig? Bin ich nicht! Ein gesundes Maß an Widersprüchlichkeit gefällt mir durchaus. Das ist menschlich. Hier wird aber meine Geduld überstrapaziert. Zu widersprüchlich sind mir die Signale, die sie mir gibt. Zum Beispiel auch hier:

Aber die Wahrheit will keiner hören, weil niemand sie versteht.

Sehr rätselhaft. Wie war ihr erstes Mal? Der pickelige Langweiler zwei Klassen unter ihr? Oder dass sie noch nie etwas dabei empfunden hat??

Also, am Ende bin ich ratlos. Nach meinem Empfinden könnte man diesen Text "retten", indem man von diesen allzu widersprüchlichen Signalen ein bisschen etwas wegnimmt. Das Ganze glättet. Also dass Nina doch schon ein bisschen früher klar wird, dass ihr Max völlig gleichgültig ist. Das Ende an sich ist völlig okay. Irgendwie ahne ich schon früh als Leser, das das nicht auf ein Happy End (was immer das ist) rausläuft.

Wenn das Thema der Geschichte sein soll, dass Nina noch nie irgendetwas wie Liebe empfunden hat, immer nur die totale Leere, das immer nur vorgespielt hat - hm, dafür wäre es mir dann wieder zu dünn. Da müsste dann im Text noch mehr Butter bei die Fische.

Trotz all dem Rumgemeckere habe ich den Text in einem Rutsch durchgelesen, war nie versucht, mittendrin aufzuhören.

Ich vermute maria.meerhaba hinter der Maske.

„Die coolsten Tiere, ever“, sagt er.

Dieses Zitat passt zu ihr.

Außerdem die etwas, nun ja, unsentimentale Sicht auf die Dinge. ;)


LG, Anne

 
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Hallo Maske,

eine sehr schöne, leise Geschichte, die mich gefangen genommen hat. Die Sprache, die gesamte Szenerie wirken behaglich, ein wenig aus der Zeit gefallen, berührend altmodisch. Da bollert kein Handy, kein Typ steht im Wasser und glotzt aufs Tablet. Ja, gibts heutzutage alles :)
Diese melancholische Liebesgeschichte hat es mir angetan wegen dem, was hinter den Worten und Taten steckt: Die Geschichte eines Mädchens, das nicht fähig ist, zu lieben, obwohl sie es eigentlich tut. Der es (wie der Titel schon andeutet) nicht verlieben kann, obwohl sie es will und obwohl sie ein sehr liebevoller Mensch ist.
Vermutlich, so interpretiere ich ihr Verhalten und ihre Gedanken, hat sie irgendwann in der Vergangenheit eine traumatische Erfahrung durchleben müssen, welche das ist, verschweigt der Text. Aber ihre Äußerungen zu ihrem ersten Mal lassen ja einige Rückschlüsse zu, ohne darauf eingehen zu wollen. Das will der text ja auch nicht. Er will zeigen, was daraus geworden ist, wie sich das in das Leben dieses Mädchens eingegraben hat. Diese Erfahrung durchzieht und durchsetzt ihr ganzes Leben und Fühlen und sie kann sich nicht mehr auf einen Jungen einlassen, obwohl der Max in seiner fürsorglichen Art ihr durchaus gefällt. So schenkt sie ihm sogar eine Nacht, löscht aber seine Nummer.

Was da alles hinter den Worten steckt, das finde ich schon cool, weil du zumeist nur mit Andeutungen arbeitest und viel dem Verhalten der Protagonistin überlässt. Da ist ihr exzessives Schwimmen, ihr Unbehagen, wenn Max von seinen Liebeserfahrungen erzählen will. Der fast kühle, lapidare Entschluss, dem Max eine Nacht zu schenken, auch das wird im text nur angedeutet. Fast, als wäre der eigentlich Liebesakt nicht der, wofür er steht, für Leidenschaft, für Liebe, für wunderbarste Gier füreinander. Sondern es ist eben ein Körper, fast ein Gefäß, das man ausleiht, weil man jemandem einen Gefallen tun will. So kam mir das an der Stelle fast vor. Und du schaffst es, da keine großen Worte zu schwingen, "plärrst" die Klage über ihre "Entkörperlichung" nicht raus, sondern belässt es bei den Andeutungen und ihrem Verhalten. Das finde ich gut.
Ein toller, ruhiger und sensibler Text.

Max schläft auf der Liege für die Verletzten und Kranken. Nina beobachtet ihn im Schein der Laterne, ihr Finger fährt die Konturen seines Gesichtes nach. Augenbrauen, Nase, Kinn, Wangenknochen, Mund. Nichts, wie all die anderen Male zuvor. Nur diese Leere und Gleichgültigkeit. Wie schon bei Nico. Bei Linus. Bei Ivo. Max ist sicher ein guter Liebhaber. Für andere Frauen.
Nina atmet seinen Duft und schließt die Augen. Das Gewitter ist abgezogen. Sie küsst seine Stirn, zieht die Decke über seinem Körper zurecht, schlüpft in ihren Badeanzug, und kaum dass sie draußen ist, läuft sie auf den See zu.
Das ist für mich eine zentrale Stelle. So viel Liebevolles kommt in ihren Gesten zum Ausdruck, wie sie ihn zudeckt, seine Stirn küsst, und dann geht sie hinaus, um ihren Körper wieder dem Wasser zu überlassen.

Liebe Maske, eine sensible und feinsinnige Betrachtung eines Lebensausschnittes. Hoffentlich wird die Kleine nicht irgendwann zur Seejungfrau, sondern jemand hilft ihr, aus der Gleichgültigkeit herauszuschlüpfen.

Ich geh mal bissel durch, so ein paar Stellen haben es mir wegen der Details angetan, das häng ich aber später an. Und paar fehlende Kommas gibts auch, wenn ich anbei über die stolpere, schenke ich dir ein paar. Und vielleicht gibts auch noch paar sprachliche Sachen, keine Ahnung. Und dieser Text hats auf jeden fall verdient, ein zweites Mal gelesen zu werden. Schon allein der Kerl, der da immer im Wasser steht, hats mir angetan. Und im Moment kannst ja eh nicht antworten. :D

Jetzt muss ich erst mal Kaffee in meinen morgenmuffligen Körper schütten.

 
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Hallo Maske

Der Text erinnert mich - sowohl die Thematik als auch die Erzählweise betreffend - an Judith Hermann. Die Erzählweise finde ich sehr sehr stark. Da schwingt einiges mit, wird angedeutet. Du verzichtest auf übermässiges Erklären und Herleiten. Er weist für mich damit die ideale Offenheit auf, um mehr über Nina nachzudenken, über ihre Ambivalenz (die ich nicht als Widersprüchlichkeit empfunden habe), über ihre Bedürfnisse, ihre Vergangenheit und ja, auch ihre Zukunft. Und der Text hat mich auch dazu eingeladen, ihn ein zweites Mal zu lesen. Nicht, weil ich dachte, ich müsste, weil sonst zuviel im Unklaren bliebe. Sondern, weil ich dachte, dass ich bei der zweiten Lektüre noch auf weitere Feinheiten stossen würde. So war es denn auch.
Du schaffst es auf alle Fälle, den Text leicht zu halten und ihm dennoch Tiefe zu verleihen. Grosse Kunst! Ich habe die Geschichte sehr gerne gelesen.

Ich verzichte aus urlaubstechnischen Gründen hier und jetzt auf konkrete Textarbeit. Ab und zu war ich mir nicht sicher, ob die Dialoge etwas zu sehr auf die Erzählstimme abfärben ("ach so idyllisch" / "kein Lied oder so"). Ich habe die Erzählstimme nämlich insgesamt als sehr angenehm, leicht distanziert und - wenn auch eher locker - als neutral empfunden. An einigen Stellen hat sie sich für mein Empfinden jedoch zu sehr den Protagonisten angenähert. Das hat mich etwas irritiert. Schau da mal noch drüber, vielleicht willst du es ja so.

Eine sehr schöne Geschichte. Ich werde dir jetzt nicht raten, noch mehr daraus zu machen. Du weisst selbst, was du mit diesem Text wolltest. Er bietet eine Momentaufnahme, eine äusserliche und eine der inneren Zustände Ninas. Mehr nicht. Dies aber auf gelungene Art und Weise.

Lieber Gruss
Peeperkorn

Es gibt einige Leute hier im Forum, die sich punkto Thematik und Erzählweise als Autor(in) dieses Textes erweisen könnten. Ich denke an Chutney und ihre sensiblen Texte, auch an Erdbeerschorsch, der zudem gerne Wetter/Landschaft und innere Zustände parallelisiert. Stilistisch passt das aber nicht ganz. Ich hab überlegt, wer hier hier im Forum zwischen "Die drei nicken. Völlig synchron" einen Punkt setzen würde und auch sonst sehr kurze Sätze einstreut. Ach, ich habe keine Ahnung!

 

Hi Maske,

ganz hübscher Text, fand ich. Trotzdem hab ich ein paar Kleinigkeiten zu kritisieren, wie du gleich siehst.

Vor der Rettungsschwimmerstation sitzen drei Morgenmuffel und klammern sich an Kaffeetassen. Nina schmunzelt. Jeden Morgen das gleiche Bild.
Hier fände ich es eventuell eingängiger, wenn du Nina erst mal näherkommen statt schmunzeln lässt. Nicht, dass man das so nicht verstehen würde, aber ganz ausgeschlossen ist es nicht, dass Nina einer der drei Muffel sein kann. Das macht vielleicht auch gar nichts, trotzdem habe ich den Eindruck, das Bild wäre runder, wenn man sieht dass Nina sich auf die drei zu bewegt.

Dir auch. Drin steht frischer Kaffee. Aber mach leise.
Kursiv oder so könnte helfen, dass man gleich sieht, von wo bis wo die Übersetzung des Gegrummelt geht.

„Sieht so aus, als wäre die erste Schicht meine“, sagt Nina.
Das versteh ich erst mal nicht. Sind nicht die drei Morgenmuffel die erste Schicht?

an diesem ach so idyllischen Waldsee
"ach so" wirkt immer wie so ein Wink mit dem Zaunpfahl, um auf den Irnoniemodus hinzuweisen, und hat dann leicht so etwas überdreht lustiges. Das passt für diese Geschichte nicht so, im Sinne von: das hat sie nicht nötig (fand ich übrigens oben schon mal so, und hab mir die Kritik da aber noch verkniffen: "...nicken. Völlig synchron." gegenüber dem schlichteren "...nicken synchron.").

Nina betrachtet den Himmel. Nix.
Ich meine, Rettungsschwimmer vor mir zu haben, und im ersten Überfliegen der Geschichte hat das auch gepasst. Was erwartet sie aber dann am Himmel? (Ja, Moment: Rettungsschwimmer am Waldsee? Doch, klar, wenn er als ein Naturfreibad fungiert.)

irgendwo irgendein Design
... wieder dieser flotte Ironiemodus ...

Körbchengröße C.
Tja, und jetzt? Ist das viel? Ich meine vor allem: wie wirkt das an ihr? Das hängt ja wohl auch davon ab, wie groß sie insgesamt ist. Schreib doch "volle Brüste" oder so, wenn man sich das so vorstellen soll, oder auch in die Richtung "harmonischer Brustumfang", wenn du eher das meinst. Ist ja vielleicht nur meine Schwierigkeit, aber mit dem "C" kann ich ganz im Ernst nicht viel anfangen.

Den Dialog der beiden finde ich gut gelungen, ganz natürlich mit leichtem Ornament verziert, und dabei gar nicht gekünstelt.

weg von den Kühltaschengroßeltern, den coolen Arschbombenvätern und sonnengegrillten Muttis, dem Gewimmel, Gejaule, Gejuchze und Gekreische der Kinderhölle.
Dann ist es jetzt also nicht mehr ruhig. Hab ich was verpasst, oder hast du das wirklich nicht erzählt?

Max in der rechten, Nina in der linken Ecke des Stegs
Der Übergang war für mich etwas abrupt, ich dachte, sie wäre noch im See. Ich finde es eigentlich gut, nicht jeden Schritt tagebuchmäßig auszuschreiben, so wie "am Nachmittag", "am nächsten Tag" usw. Ein Bild passt aber vielleicht doch dazwischen, z.B. wie sie von Rike das Shirt wieder abholt oder so.

Drei Jungen mit Taucherbrille und Schnorchel suchen nach Gold im aufgewühlten Grund.
Sehr hübsch :)

„Hast du heute Abend schon was vor?“, wird Nina gefragt.
Von dem Inseltyp im Wasser? Nee, Spaß, so wirkt das nicht, sonst wär das ja nicht im Passiv. "Wird sie gefragt" klingt mir so, als wüsste sie erst mal nicht, wer fragt. Irgendeiner macht sie da demnach vom Wasser her an. Ich würde schon eine Reaktion von ihr zeigen, immerhin könnte das auch von Max kommen (wenngleich das Passiv dann irritierend umständlich wäre).

Nina lauscht. Doch, sie hört es. Eigentlich ist es überhaupt nicht nicht zu hören.
Der letzte Satz könnte von mir aus gerne wieder weg. Die sind laut, und das bringt so eine gewisse Komik da rein, aber es ist halt auch keine besonders raffinierte Komik ...

Beim zweiten Bier erzählt Max
Wenn Max beim zweiten Bier erzählt, dann würde ich denken, es ist sein zweites.

Aber die Wahrheit will keiner hören, weil niemand sie versteht.
Dieses Rätsel kommt ziemlich unvermittelt. Ich will nicht sagen, dass du das anders machen sollst, aber ist schon etwas riskant, finde ich. Man könnte es etwas abschwächen, so wie: "aber die Wahrheit will er doch eh nicht hören", dann wäre der Bruch nicht so stark. Aber vielleicht willst du ihn stark.

„Tut es das?“
„Ja, verdammt!“
„Gut.“
Bisher fand ich den Max ganz sympathisch, das hier finde ich dagegen nicht sehr freundlich von ihm.

Am nächsten Tag
Oben bin ich beim Ablauf durcheinandergekommen, hier dagegen finde ich eine Zeitangabe im Tagebuchstil eigentlich überflüssig. Es war Nacht, jetzt ist der Himmel wieder blau, schon klar, dass da ein neuer Tag angefangen hat.

Ein Typ steht wie eine Insel im Wasser.
Find ich gut, die Wiederkehr des Typen.

Abends ziehen Wolken auf.
Genau genommen gab es auch tagsüber schon Wolken ...

Nur noch sie mit genügend Abstand zur Feriensiedlung
"genügend" finde ich hier zu schwach, sie will ja, wie es scheint, so viel Abstand wie möglich.

Nichts, wie all die anderen Male zuvor. Nur diese Leere und Gleichgültigkeit. Wie schon bei Nico. Bei Linus. Bei Ivo. Max ist sicher ein guter Liebhaber. Für andere Frauen.
Ihr Problem erschließt sich mir nicht ganz. Sie mag ihn ja, passt das zu Leere und Gleichgültigkeit? Vielleicht kann sie nur mögen, nicht lieben. Aber empfindet sie ihr Mögen dann als Leere? Ich würde eher vermuten, dass sie den Mangel nicht deutlich erkennt. Oder kann sie mit Sex nichts anfangen? Dann finde ich "Leere und Gleichgültigkeit" auf andere Weise zu stark, weil sie doch trotzdem Zuneigung spüren wird und sicher auch Berührungen nicht leer findet. Also wie gesagt: Ich habe die eine oder andere Ahnung, aber kann mir keinen rechten Reim darauf machen.

Nur ab und an, wenn sie allein sind, berührt Max sie sacht. Nina lächelt dann für ihn.
Na schön, dann kann sie also mit Berührungen wirklich nichts anfangen. Schwer vorstellbar, aber kann ja sein.

Max hält es kaum noch aus. Nina spürt es. Sie wird ihm diesen Gefallen tun.
Man könnte wissen wollen: Denkt sie das nur, oder tut sie es auch?
Es ist nicht ausgesprochen welcher Gefallen das ist, die Erfüllung kommt auch nicht vor, ich bin mir nicht sicher, ob ich ohne den einen oder anderen Kommentar unten eine Vorstellung davon hätte, um was es gehen könnte. Zumal der Satz "Max hält es kaum mehr aus" auch nicht gerade eindeutig ist. Dann dachte ich, sein Sweatshirt über ihrem Stuhl wäre ein Hinweis, er könnte das bei ihr am Abend vorher ausgezogen haben, aber sie hat das ja selbst angehabt, stimmt's? Also ein, zwei Hinweise mehr könnte ich and er Stelle schon vertragen.

Anschließend kauft sie zwei Stück Käsekuchen für Rike.
Ok, das kann man als Hinweis gelten lassen. Vielleicht reicht das auch aus, kann sein. (Schwer zu sagen, wenn man sich schon so viele Fragen gestellt hat.)

Ich werde nie genug für dich sein
Ich würde mal sagen, das Rätsel hat sich für mich insgesamt aufgelöst. Diese Formulierung finde ich dann aber doch wieder nicht ganz treffend. Wenn ich es richtig verstehe, ist das Problem ja nicht, dass sie nie genug für ihn sein wird, sondern dass sie mit Sex und sogar Berührungen nichts anfangen kann. Genauso gut könnte sie sagen, er sei zu viel für sie. Nicht genug sein finde ich halt einfach etwas merkwürdig, das kling so weinerlich, selbstverkleinernd. Vor allem sagen das gerne Leute, die mit ihrem Partner Schluss machen wollen und das als Kompliment verpacken möchten :D Jedenfalls liegt mir diese Assoziation in dem Fall noch zu nah, auch wenn die Geschichte zu so diesem Missverständnis nicht ernsthaft einlädt. Kurz und gut, "du würdest nie glücklich mit mir werden" oder so fände ich da treffender.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

P.S.: Ein Tipp folgt noch, jetzt schicke ich das erst mal ab.

 

Hallo Maske,

der Sprache ist gut, und du hast immer ausreichend Konflikt im Text und in jeder einzelnen Szenen, das ist sehr gut, treibt den Lesefluss voran. So ab der Hälfte des Textes wirkt dann der Grundkonflikt nicht mehr so intensiv auf mich, es wird nie wirklich zäh, aber der Text verliert in der zweiten Hälfte für mich an Stärke und Konflikt und auch an Interesse, wenn ich das mit der ersten Hälfte und dem Anfang vergleiche - da war ich gleich drinnen in der Story und habe überhaupt nichts zu bemängeln.
Ich schätze, der Konflikt oder das Interessante beim Lesen vermindert sich mit der Zeit etwas, weil Nina mich als Leser ab einem gewissen Punkt einfach nicht mehr weiter an sich ran lässt. Es werden viele Dinge angedeutet, am Anfang ist es sehr spannend, weil man sich fragt, wie Nina auf das Interesse Max' reagieren wird, wie sich das entwickeln wird. Aber ab einem gewissen Punkt habe ich das Gefühl, gehst du nicht weiter in Nina rein bzw. öffnest sie mir als Leser nicht weiter. Du versuchst das, ich hab das schon gemerkt, du reißt dann mit ihrer Lüge beim ersten Mal eine Sache an, aber dann bleibt mir vieles zu vage, als dass ich Nina komplett verstehen würde. Wieso bedeutet ihr kein Mann etwas, mit dem sie schläft? Das wird dann einfach so behauptet - aber ich als Leser verstehe das nicht, und ich verstehe Nina ab einem gewissen Punkt - dessen Überschreiten sehr sehr spannend für mich als Leser wäre! - einfach nicht weiter. Verstehst du, was ich meine? Das ist ein wenig so, als ob man sich mit einer Person 2, 3 Mal trifft, aber man merkt, die Person öffnet sich nicht weiter, lässt sich über einem gewissen Punkt nicht weiter in die Karten schauen. Für eine Story ist das sehr schlecht, da sich das Öffnen einer Figur für den Leser eigentlich immer weiter vollziehen sollte, ich sollte die Figur immer weiter kennenlernen können, je weiter der Text voranschreitet, bis zu einem Punkt, wo ich im besten Fall sowas wie ein richtiges "Geheimnis" oder einfach eine sehr harte und ehrliche Wahrheit über sie erfahren würde, die mich die Figur dann komplett verstehen lässt, so wie ich auch einen sehr sehr guten Freund komplett verstehe, weil ich Dinge über ihn weiß, die sehr privat für die Person sind, aber die mir ein wirklich rundes Bild geben. So etwas fehlt mir hier im Text.

Ja, gute Sprache und ein netter Ansatz, finde ich, aber geh noch tiefer rein, baue das Teil noch aus, zeige mir als Leser Nina so, dass ich sie wirklich komplett verstehe und mich noch in einem Jahr an dieses Mädchen erinnere, die aus dem Grund xyz nie einen Mann wirklich an sich ran lassen kann. Ja, vllt ist das das Ding: Nina kann keinen Mann an sich wirklich heranlassen oder in sich hineinblicken lassen, aber die Erzählerin der Story sollte das schaffen.

Habe es trotzdem gerne gelesen!

Schwierig. Auf jeden Fall eine Autorin, schon etwas älter, keine der sehr jungen Autorinen hier, denn die Namen und die Smartphonelosigkeit sticht hier schon hervor. Für Maria.meerhaba ist es zu positiv, zu brav, Chutney ist es auch nicht. Ich muss an Kanji oder wieselmaus denken, aber nur aus einem Bauchgefühl heraus. Ich habe keine Ahnung. Bin gespannt.

 
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Liebe Maske,

im Prinzip haben Novak und Peeperkorn schon sehr viel gesagt, was ich auch so sehe oder beim Lesen so empfunden habe. Da brauche ich gar nicht mehr viel zu dieser Nina zu sagen. Aus den vielen kleinen Anspielungen ergibt sich am Ende so etwas wie ein Bild dieser jungen Frau und ihres Problems. Sie ist unfähig, sich zu verlieben, sich einfach hinzugeben, sich zu binden. Warum das so ist, lässt dein Text unausgesprochen und ich muss mich als Leser damit zufriedengeben, dass es so ist, wie es ist. Das lässt viel Spielraum für Vermutungen. Alles ist möglich: eine unangenehme Liebeserfahrung, ein Missbrauch, eine prinzipielle Verhaltensstörung. Mir versperrt das Fehlen einer Erklärung letztendlich den Zugang zu einer klaren Charakteristik Ninas. Ich hätte schon gerne einen Schlüssel zum Verhalten Ninas gehabt.

Zur Erzählstimme:
An manchen Stellen hatte ich das Gefühl, da schildert mir jemand die Situation wie in einem Hör-Film:

Neben ihr knutschen Teenager. Sie geht ein paar Schritte weiter. Ein älteres Pärchen kommt ihr entgegen, Hand in Hand. Ein Bierbauchpapa tobt mit seinen Kindern auf einer Luftmatratze. Zwei Frauen sitzen auf dem Steg und lästern über schwarze Kondome. Drei Jungen mit Taucherbrille und Schnorchel suchen nach Gold im aufgewühlten Grund. Ein Typ steht wie eine Insel im Wasser und glotzt den Frauen hinterher.

Zwei Männer stehen Hand in Hand in der Schlange vor dem Eisstand. Eine Frau massiert ihren Mann, ein Mann cremt seine Frau ein. Ein Typ steht wie eine Insel im Wasser.

Dann wiederum wechselt die Darstellung, mischt objektive Wahrnehmung mit den Wahrnehmungen und Gedanken Ninas:

Vor der Rettungsschwimmerstation sitzen drei Morgenmuffel und klammern sich an Kaffeetassen. Nina schmunzelt. Jeden Morgen das gleiche Bild.
Er klimpert weiter auf seiner Gitarre. Ihm scheint es nichts auszumachen, dass Rike und Udo ... Nina setzt sich und schaut ihm zu, wie seine schmalen Finger über die Bunde gleiten. Max der in sich ruhende, den scheinbar nichts aus der Fassung bringt. Vielleicht hat es mit seinem Job zu tun. Er pflegt im Zoo die Wollschweine.
Diese Wechsel in der Betrachtung haben mich zunächst verwirrt, dann habe ich es als Stilmittel akzeptiert. Am Ende bin ich mir aber nicht sicher, ob mir diese Mischung gefällt. Das funktioniert für mich für die Länge dieses Textes. Würde es sich um einen längeren Text handeln, wäre mir diese Erzählstimme, die einmal beinahe objektiv abbildet, dann aber wieder sehr subjektiv Ninas Gedanken und Wahrnehmungen einbringt, doch irgendwie zu anstrengend.

Zu den Einzelheiten, die ich mir notiert habe:

Das halbherzige Grummeln zur Antwort heißt in diesem Fall soviel wie: Dir auch. Drin steht frischer Kaffee. Aber mach leise.

„Waldsee. Abgeschieden. Kleine Truppe. Wird dir gefallen“, so hatten sie Nina den diesjährigen Einsatzort im Vereinsbüro schmackhaft gemacht.

Hier habe ich Probleme mit der direkten bzw. indirekten Rede. Einmal steht die Rede völlig ohne Anführungszeichen, dann setzt du Anführungszeichen, als es sich um die verkürzte Wiedergabe des Gesagten handelt. Da würde ich noch mal überlegen.

Nur die Kondensstreifen eines Flugzeugs teilen das Blau. Seit Tagen nun schon.
Teilt das Flugzeug schon seit Tagen das Blau?

Dann zieht es Nina auf den See hinaus, weg von den Kühltaschengroßeltern, den coolen Arschbombenvätern und sonnengegrillten Muttis, dem Gewimmel, Gejaule, Gejuchze und Gekreische der Kinderhölle.

Ich habe mich gefragt, wie du hier deine Prota zeichnen möchtest: Als die auf die 'primitiven' Urlauber herabschauende und sie verachtende Nina? Passt das zu ihrer sonstigen Empfindsamkeit und Verletzlichkeit, wie du sie an der folgenden Stelle andeutest?

Am nächsten Tag durchkreuzt ab und an ein Wölkchen das Blau am Himmel. Kleine Schäfchen, die ihre Herde verloren haben.

Würde eine solche Nina, die so denkt, auch ‚Arschbombenväter’, ‚Kinderhölle’ denken?

Eigentlich ist es überhaupt nicht nicht zu hören.

Es ist keine wirkliche MelodieK die er spielt.

Aber die Wahrheit will keiner hören, weil niemand sie versteht.

Das war mir an dieser Stelle zu dick und zu kryptisch, weil du ja die Ursache, warum Nina sich nicht in eine Beziehung begeben kann, nicht explizit machst. Es ist für mich etwas anderes, ob jemand in der Vergangenheit eine schlechte Erfahrung gemacht hat oder er sich nicht öffnen kann, weil die anderen sich sperren, davon zu hören.

Nur diese Leere und Gleichgültigkeit. Wie schon bei Nico. Bei Linus. Bei Ivo. Max ist sicher ein guter Liebhaber. Für andere Frauen.

Die beiden letzten Sätze würde ich streichen. Das geht für mich in eine melodramatische Richtung.

Max hält es kaum noch aus. Nina spürt es. Sie wird ihm diesen Gefallen tun.

Und auch hier frage ich mich, wie ich mir diese Nina vorstellen soll? Okay, irgendetwas ist passiert, das ihr im Wege steht, um Begierde, Lust und Befriedigung zu empfinden. Das vermitteln deine Andeutungen. Aber mit diesen beiden letzten Bemerkungen wirkt deine Prota auf der einen Seite irgendwie weinerlich und auf der anderen beinahe generös (ihm den Gefallen tun). Ich würde noch einmal überlegen, ob du das nicht anders formulieren kannst. Denn es geht ja wohl darum, dass Nina weiß, dass sie nichts empfinden wird, sie Max Begehren aber spürt und sie nett zu ihm sein möchte.

Und besonders zu der Nina des Schlusssatzes scheint mir diese Zeichnung nicht so recht zu passen.

Ich werde nie genug für dich sein, entschuldigt sich Nina stumm bei Max, als sie seine Nummer im Handy löscht.

Ich bin mir nicht sicher, wie ich zu diesem Text stehe. Das liegt für mich ein bisschen daran, dass ich mir kein klares Bild dieser Nina machen kann. Ich sehe sie in dieser Situation des Ferienlagers, erkenne ihr Problem, finde aber keinen rechten Zugang zu dieser Person, weil mir der Schlüssel zu ihrem Verhalten fehlt. Die Hinweise, die ich über die Ursachen ihrer Unfähigkeit zu lieben, erhalte, sind mir zu vage und zu nichtssagend. So bleibt mir die Betrachtung der einzelnen Szenen. Das sind zum Teil Bildbeschreibungen gemischt mit den Wahrnehmungen der Prota. Aber, und da geht es mir wohl wie zigga: Da wird für mich so noch kein wirklich klar definierbares Individuum draus. Was mit Nina wirklich los ist, ihr Inneres, erschließt sich auch mir leider nicht.

Liebe Grüße
barnhelm


Auch ich bin der Meinung, dass die Geschichte von einer Frau geschrieben worden ist. Ich habe keine Ahnung, wer das sein könnte. Ich habe an Bea Milana gedacht, dann auch an Kanji, eventuell sogar an Anne49. Hier kann jemand schreiben und probiert für mein Empfinden einen neuen Stil aus.
Für Kanji würde sprechen, dass dieser Mix aus objektiver Darstellung und subjektiver Wahrnehmung einer Situation auch in ihren Tobi-Geschichten vorhanden ist. Aber sicher bin ich mir überhaupt nicht. Diese Erzählstimme ist für mich in dieser Weise völlig neu.

 

Hallo Maske,
Wow, jetzt wo ich eine Maskenballgeschichte gemacht habe, kommt ja jetzt alle paar Wochen eine neue. Na dann mal sehen:

„Waldsee. Abgeschieden. Kleine Truppe. Wird dir gefallen“
Mir fällt auf: diese Geschichte wirkt sehr parabelartig und die Sätze sind abgehackt. Wenn jetzt eine Handling entsteht, der zur Sprache passt, wäre das sehr interessant. Mal sehn. Bis jetzt wirkt der prot noch irgentwie depressiv.

„Frederike: 22 Jahre, aus Lübeck, studiert irgendwo irgendein Design, die langen,9 braunen Haare zum Pferdeschwanz gebunden, kleine Narbe am linken Knie, Stupsnase, Körbchengröße C.“
Ich will nur mal anmerken, dass mir die Sprache bis jetzt voll gefällt.

„Ich habe Rotwein drüben. Danke.“
Ich habe immer so das Gefühl, dass deine KG etwas von einer Jugendlichengeschichte hat, obwohl die Figuren viel älter sind. Nervt mich total.

Ok, hier musste ich den Text für ein paar Tage abbrechen. Das hat nichts mit derKG zu tun. Ich bin nur im Urlaub :D

Jedenfalls:
Wie schon gesagt, ist die Geschichte sprachlich sehr schön gemacht und die Figuren sind gut ausgearbeitet. Ich fand aber die Handlung zu langweilig. Du verschwendest da ganz schön viel Potential, finde ich.

Liebe Grüße,
Alexei

 
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Hej, lieber Mensch hinter der Maske,

weil der erste Abschnitt amüsant rüberkommt, vor allem wegen des Bildes von synchronnickenden Kollegen, bin ich im weiteren Verlauf irritiert vom aufkommenden Zynismus der Protagonistin. Das stört mich aber überhaupt nicht, sondern ich empfinde es durchaus als eine spannende Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu fordern.
Das Miteinander im Dialog zwischen Max und Nina gefällt mir richtig gut. Du zeichnest die beiden Charaktere stringent und authentisch. Besonders Nina entwickelt sich kontinuierlich weiter und ich bedauere sie immer mehr.

Am nächsten Tag durchkreuzt ab und an ein Wölkchen das Blau am Himmel. Kleine Schäfchen, die ihre Herde verloren haben.

Das ist supersweet und ich bemerke, wie Nina sich tatsächlich sieht. Wenn das kein guter Einfall der Autorin ist (denn das bist du;)).
Nina verfestigt sich immer weiter, indem du sie nahezu teilnahmslos ihre Umgebung beobachten lässt. Sie hat eine enorme Distanz zu allem aufgebaut, und ehrlich, mir ist's wurscht warum, weshalb, wieso. Darum geht es in dieser Geschichte nicht. Sie wird schon ihre Gründe haben und ich halte mich einfach an den Verlauf.

Nur noch sie mit genügend Abstand zur Feriensiedlung, zu allem.

Da haben's wir wieder: Abstand. Die Arme.

Nina legt sich einfach nur eine Decke um. Gemeinsam stehen sie mit ihren Teetassen am Fenster, lassen den Dampf ihre Gesichter wärmen, zerstören das Wetterspiel nicht mit Worten, bis nur noch stetig Regen fällt.

Ein traurig-schönes Bild.

Werner schiebt hier seit vierzig Jahren jeden Sommer Dienst. Er kennt unglaublich viele schmutzige Lieder.

Nina weiß viel über sich, leider nur die weniger guten Seiten an ihr. Man könnte fast meinen, sie meidet die Menschen und bleibt unnahbar, um ihnen nicht zu schaden. Sad sad Story.

Max hält es kaum noch aus. Nina spürt es. Sie wird ihm diesen Gefallen tun.

Mensch Nina, das geht jetzt aber echt zu weit. :(

Ich werde nie genug für dich sein, entschuldigt sich Nina stumm bei Max, als sie seine Nummer im Handy löscht.

Liebe Frau hinter der Maske (solltest du ein Mann sein, kommst du unverzüglich in mein Herz), das ist jetzt schon fies. Ich habe ja die ganze Zeit schon bemerkt, woran es bei Nina hapert: Minderwertigkeitsgefühle und vermutlich Angst, immer wieder verlassen und verletzt zu werden, wie schon von Nico, Linus und Ivo, obwohl sie Gefühllosigkeit vorgibt. Ich nehme es ihr nicht ab.
Ich mag diese Geschichte sehr, sowohl inhaltlich als auch stilistisch und ich habe so viel Empathie aufgebaut für die arme Nina, dass mir gar nicht aufgefallen ist, wie fehlerfrei sie ist.
Im übrigen gefällt mir zusätzlich das Verhältnis der charakterbeschreibungen. Mein Fokus bleibt bei Nina. Sie spiegelt sich in Handlungen, Wetter und Sprache, die anderen wenigen bekommen genaus soviel Farbe, wie sie benötigen, damit man nix zu meckern hat.

Liebe Kanji-Tipper, ich wars leider nicht.

Lieber Gruß und vielen Dank, Kanji

 

So, bevor hier dicht gemacht wird - müsste ja bald soweit sein - komm ich mal noch schnell mit meinem Tipp. Also hier:

Manche haben an Chutney gedacht, fand ich erst überraschend, aber das könnte vielleicht sogar sein. Aber ich hab den Verdacht, Chutney hätte die Pathologie - wenn man so weit gehen darf, das Problem der guten Frau so zu nennen - breiter ausgefächert. Kanji hat die Urheberschaft recht überzeugend abgestritten, kann natürlich eine Finte sein, aber das wäre schon gewagt. Andrerseits hat sie sich viel Zeit genommen, sich das Wagnis gut zu überlegen, also vielleicht doch. Glaub ich aber nicht. Ich sag mal: RinaWu. Im Speziellen kann ich das gar nicht so einfach begründen, aber summarisch gesagt finde ich, dass all die guten Dinge, die hier gesagt worden sind, auf sie passen, und thematisch scheint es mir auch zu passen. Und vielleicht passt letztlich auch die gewisse Flüchtigkeit, mir der Ninas Problem behandelt wird.

 
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Hallo Maske,

nun auch ich noch auf den letzten Drücker. Nein, von mir ist die Geschichte tatsächlich nicht, obwohl ich mit dem "Verdacht" gut leben konnte, weil sie mir gefällt. Die Geschichte einer Resignation.

Aber die Wahrheit will keiner hören, weil niemand sie versteht.

Ich hatte sofort den Gedanken im Kopf, dass sie beim ersten Mal fünf war. Und dass sie deshalb nichts empfinden kann dabei. Und sich längst aufgegeben hat, nachdem schon mehrere Beziehungen daran gescheitert sind. Ein Teil von ihr interessiert sich trotzdem für Max, sucht Nähe, aber da sie wieder dieselbe Erfahrung macht und damit nur weiter bestätigt wird, tut sie das, was sich als das sicherste erwiesen hat und flüchtet. Es soll aber auch Menschen geben, die einfach wirklich kein Interesse an Sexualität haben, auch ohne Trauma. Das wäre literarisch die ungewöhnlichere Variante. Ja, ein bisschen frustriert bin ich doch, dass meine Neugierde hier nicht befriedigt wird, aber das muss ja nicht gegen den Text sprechen.

Als Nico sie verließ, hat sie das Rauchen aufgegeben. Er fehlte ihr, die Zigaretten nicht. Bis zu diesem Moment.

Ja, es ist ein kleiner Riss in ihrem Panzer entstanden. Da gibt es eben doch diese Sehnsüchte. Er ist ihr symphathisch.

Nina beobachtet ihn im Schein der Laterne, ihr Finger fährt die Konturen seines Gesichtes nach. Augenbrauen, Nase, Kinn, Wangenknochen, Mund.

Hier bin ich etwas irriitert. Ich glaube, das weckt mich als Erstes, wenn mir jemand im Gesicht herumfummelt.

Nichts, wie all die anderen Male zuvor.

Und hier habe ich zuerst gedacht, dass sie schon mit ihm geschlafen hat.

Sie wird ihm diesen Gefallen tun.

Also kommt das noch, nämlich jetzt. Und hier würde ich mir doch mehr Details wünschen, wenn ich schon die Ursache nicht erfahre.

Ich mag es wie du die Umgebung schilderst, die Rolle, die sie spielt ohne so richtig dazu zu gehören.

Gemeinsam stehen sie mit ihren Teetassen am Fenster, lassen den Dampf ihre Gesichter wärmen, zerstören das Wetterspiel nicht mit Worten, bis nur noch stetig Regen fällt.

Schade, hätte so schön werden können.

Ich werde nie genug für dich sein, entschuldigt sich Nina stumm bei Max

Hier geht es mir wie @Erdbeerschorch, "weinerlich, selbstverkleinernd", ja so empfinde ich das auch. Wenn sie nur zu sich spricht könnte sie ehrlicher sein.

Schöner Text!

Liebe Grüße von Chutney

Ich sag' mal Fliege, wegen der Mischung aus Humor und Tiefgang. Nachdem neulich rieger hier wieder auftauchte, habe ich gedacht, das könnte evtl. auch passen. Etwas am Titel hat mich an Isegrims erinnert, die hätte sich aber sehr zurück genommen. Und bevor ich jetzt noch alle anderen Wortkrieger aufzähle, mache ich lieber Schluss und warte auf die Auflösung.

 
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Hallo Maske,

wahrscheinlich hast du dich geoutet, bis ich fertig bin ...

Der Text hat mir sehr gut gefallen. Einen Mißbrauch oder ähnliches habe ich schon gleich vermutet, als erzählt wurde, dass sie nie in Italien war, als sie mit dem Iren das erste Mal hatte und keiner wissen will, wie es wirklich war.

Symptomatisch für ein Trauma dann die Beziehungsunfähigkeit, typisch dann auch noch, dass sie bei den Rettungsschwimmern ist, da kann man sich ja täglich stundenlang reinwaschen, ohne dass es auffällt.

Alles sehr subtil beschrieben, den richtigen Ton erwischt.
Der Titel gefällt mir ausgesprochen gut.

Gerne gelesen, passend zum Sommer :).

Mir fallen einige ein. Bea z.B. oder auch weltenläufer oder das wäre auch ein svg-Thema und auch Fliege oder Novak könnte das geschrieben haben; der Sound ist feinfühlig, aber nicht so speziell, dass ich ihn jemandem bestimmten zuordnen könnte

 
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Maskenball schrieb:
Nun ist es soweit ... Die Maske lüftet sich und ...

Ehrlich, heute, jetzt? Gab es da nicht immer eine Vorwarnung? Verdammt. Eigentlich wollte ich es mir gerade mit einem Buch gemütlich machen. Aber nun gut. Hätte ja auch die Tage mitzählen können.

Vielen lieben Dank für Eure Kommentare. Und es sind ja viel mehr, als was ich erwartet habe. Dachte so - Sommerloch und dazu Maskenball, irgendwo in der Besenecke des Forums, das wird gemütlich. Gar nicht so gemütlich, aber total schön!

Ich würde gern nur zwei Dinge jetzt ansprechen, die alle Komms betreffen, und die Tage mich dann bei jedem von Euch gebührend bedanken.

maria.meerhaba schrieb:
Oida, ich hoffe hinter der Maske verbirgt sich nicht schon wieder irgendwer, der voll lang hier im Forum schwieg, um nach Monaten oder Jahren wieder hier aufzutauchen und wir ihn unmöglich erraten können.
Weiß jetzt nicht, ob ich dazu gehöre oder nicht. Für die Neuzugänge der letzten zwei Jahre war es sicher unmöglich. Mir persönlich ging es hier auch gar nicht ums Rätselraten oder Verstecken, da hätte gut und gern von Anfang an mein Nick stehen können. Mir ging es darum, zehn Tage lang die Klappe halten zu müssen und die Kommentare abzuwarten, die Lesarten, bevor ich gleich und sofort damit begonnen hätte, alles zu erklären, und das hätte ich sonst sehr wohl getan. Ich kenne mich da verdammt gut. So aber habe ich jetzt ein schönes Bild, was funktioniert, was weniger und v.a. wie sieht der Leser die Person Nina - das war mir wichtig.

Was ja in vielen Kommentare benannt wurde oder durchschimmerte, dass Nina ein Problem mit der Sexualität hat. Absolut. Für mich war sie beim Schreiben A-Sexuell, für die meisten von Euch traumatisiert. Das spielt am Ende eigentlich aber kaum eine Rolle. Für mich ging es beim Schreiben darum, wie fühlt man sich damit in einer Gesellschaft, in der Sex so überpräsent ist, so allgegenwärtig, so wichtig für die Beziehungen untereinander. Schon allein das über A-Sexualität nicht geredet wird ... Ich stell mir so vor, jemand sagt zu irgendwem: Übrigens, ich bin A-sexuell. Das "Mitleid" und all die Fragen die darauf folgen würden ... Also, das Thema finde ich schon spannend als solches. Und natürlich ist die Parallele zu traumatisierten Frauen, die dann auch Sex ablehnen, absolut da.
Für die Figur der Nina, da ging es mir darum (und da kann sie genauso gut traumatisiert sein), sie verliebt sich, sie mag auch Nähe, aber sie empfindet beim Sex gleich Null. Sie macht das halt, weil es sein muss, weil der Partner das will. Aber eben ungern, nicht mit der selben Lust und in der Häufigkeit wie andere Frauen. Ein definitiver Beziehungskiller. Und so verliert sie die Männer, die sie geliebt hat. Und jetzt erkläre ich meine Geschichte und hasse mich dafür, tue es aber trotzdem, weil ich die Nina doch beim Schreiben so ins Herz geschlossen hab.

Eure Kommentare zeigen aber auf jeden Fall die Leerstellen auf (Danke!!!!) und ich habe etwas mehr Kohle ins Feuer geschippt (neue Version ist da), und mal schauen, wie es nun mit den Leseeindrücken weitergeht. Aber nun steht eh alles schön erklärt hier :D.

Habt einen schönen Abend ihr alle!
Seid lieb gegrüßt, Fliege

 

Ist jetzt blöde, weil ich zum Text nichts gesagt habe, aber ich habe ihn gelesen und mir nach dem ersten Absatz gedacht: Fliege!

Also, Fliege, du hast eine ganz unverwechselbare Stimme!:D

 

Liebe Fliege,

ich find die neue Fassung richtig richtig gut.

Ja, und das klingt jetzt doof, aber das mit maria.meerhaba hab ich selbst nicht lange geglaubt und ab dann hatte ich dich im Verdacht und fast gehofft, dass du die Autorin bist. Hab ja auch dein neues Buch gelesen.

Aber zurück zu deiner Geschichte:

Zwei Frauen sitzen auf dem Steg und lästern über schwarze Kondome.

Ich weiß, das war schon in der ersten Fassung. Aber das ist so ein herrlich schwachsinniges Detail - klasse! Und gleichzeitig hat es eine tiefere Bedeutung, was ich aber hier als Leser noch nicht weiß.

„Danke“, sagt sie. „Aber die werden ja wohl nicht ewig da drinnen bleiben.“
„Wer weiß?“ Er klimpert weiter auf seiner Gitarre. Ihm scheint es nichts auszumachen, dass Rike und Udo ...

Das ist stark. Sie führt den Gedanken ja nicht einmal zuende. So als ob sie diese Vorstellung anekelt. Du sagst etwas, indem du es weglässt.

Max erzählt von seinem Bruder, der nach Alaska ausgewandert ist. Beim nächsten Bier von seiner ersten Freundin, seinem ersten Mal. „Und bei dir?“
„Interrail. Auf einem Campingplatz bei Pisa. Er hieß Joe. Kam aus Irland.“ In Wahrheit hieß er Ivo; weder Interrail, noch Ire, nicht einmal Italien. Alles war so aufregend wie Hefekloß essen, aber wer will das hören? Einen Monat später fuhr Ivo nach Italien: Interrail, Pisa, Layla, die Königin der Nacht, mit rotem Haar und Sommersprossen. Nach dem Sommer holte er seine Sachen bei Nina ab. Ein T-Shirt übersah er, Nina nutzte es als Taschentuch. Groß, weich, und anfangs roch es nach Ivo.

Dies Szene hat unheimlich gewonnen, finde ich. Es ist immer noch ein klitzekleinesbisschen vage, du laberst mich nicht mit den Details voll. Und du bringst jetzt Motive, die später noch einmal kommen: der Hefekloß und ein Shirt, das den Geruch von jemandem in sich trägt.

Hefekloß - das ist auch so ein starkes Bild: schwer, behäbig, altbacken, langweilig ...

Gemeinsam stehen sie mit ihren Teetassen am Fenster, lassen den Dampf ihre Gesichter wärmen, zerstören das Wetterspiel nicht mit Worten, bis nur noch stetig Regen fällt.

Hast du schön geschrieben.

Ich finde, dass dein Text immer noch Fragen offenlässt. Aber für mich jetzt genau in der richtigen Dosis. So, dass ich als Leser mir darüber Gedanken machen darf.
Ich persönlich halte Nina nicht für traumatisiert.
Aromantisch - dass sie gar keine romantischen Gefühle aufbringen kann?
Oder mit einem irgendwie gelagerten sexuellen Problem, Orgasmusstörung, asexuell ...?
Dass sich entweder doch noch irgendwann lösen wird. Oder auch nicht.
Dass auch nicht zwingend ein Beziehungskiller sein muss, aber das ist Ninas bisherige Erfahrung.
Alles möglich, letztlich egal.
Auch für Nina selbst ist es höchstwahrscheinlich noch vage, sie ist noch jung, sie kann ihr Problem selbst nicht 100% auf den Punkt bringen. Da bin ich mir ziemlich sicher. Sie hat nur eine Reihe negativer Erfahrungen gemacht und zieht jetzt die Konsequenz. Möglicherweise zu Unrecht und tragisch, denn Max scheint kein Draufgänger zu sein.
Du beschreibst mir Nina schlüssig genug. Ich möchte sogar sagen, ich bin erschüttert.

Du würdest nie glücklich mit mir werden, entschuldigt sich Nina stumm bei Max, als sie seine Nummer im Handy löscht.

Das finde ich definitiv besser als die erste Fassung. Weil jetzt der Fokus auf ihm liegt.

LG, Anne

P.S. Der Erbsenzähler in mir möchte noch folgendes loswerden: Die Schreibweise von Wasserwacht-Shirt würd ich vereinheitlichen (mit/ohne Bindestrich)

 
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http://www.brigitte.de/aktuell/stim...ell---was-das-wirklich-bedeutet-10174232.html

Hallo Fliege,

natürlich, hätte man drauf kommen können:D.

Noch mal kurz zum Verhalten Ninas:

Für mich war sie beim Schreiben A-Sexuell,

Aufgrund dieser (deiner) Aussage und der kleinen Recherche zum Thema kann ich jetzt deine Nina natürlich besser verstehen. Aber ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich dieses Anderssein Ninas ohne dieses Vorwissen auch hätte angemessen einordnen und verstehen können.

„Interrail. Auf einem Campingplatz bei Pisa. Er hieß Joe. Kam aus Irland.“ In Wahrheit hieß er Ivo; weder Interrail, noch Ire, nicht einmal Italien. Alles war so aufregend wie Hefekloß essen, aber wer will das hören?

Wäre sie doch nur ein bisschen mehr Layla*), es wäre bestimmt sehr schön mit Max gewesen. Aber sie ist Nina. Wie sie es schon bei Nico war. Bei Linus. Bei Ivo. Alles so erregend wie ein Hefekloß.

Nina spürt es. Sie wird mit ihm runter zur Station gehen. Sie mag ihn gern. Für ihn wird sie ein letztes Mal diese Leere spüren.

Fliege, mich beschäftigt die Frage, ob das Verständnis deiner Protagonistin nicht die Kenntnis des Phänomens ‚Asexualität’ voraussetzt. So, wie ich es jetzt verstehe, bedeutet das ja, zwar lieben zu können, aber weder sexuelle Begierde noch Befriedigung zu spüren. Derjenige, den es betrifft, wird also durchaus angezogen vom Partner, liebt ihn sogar, nur das sexuelle Zusammensein mit ihm sagt ihm nichts. Das weiß ich jetzt, bin mir aber nicht sicher, ob mir der 'Hefekloß'-Vergleich allein diesen Gesamt-Zusammenhang vermittelt hätte.

Ich würde deshalb eventuell doch noch einen Satz, einen Gedanken einfügen, der Ninas Unmöglichkeit, sexuelle Erregung zu spüren, deutlicher macht. Ich finde nämlich, dass ich das Handeln einer Person anders bewerte, wenn ich weiß, dass sie einfach nicht anders kann. Das bringt dann so etwas wie Tragik in diese Alltagsgeschichte, die mir dann auch die Radikalität des Schlussstriches (Löschen der Nummer) erklärt.

Möglicherweise liegt das Problem aber auch bei mir: Ich fühle mich mit einem Text immer dann gut, wenn ich mich dem Protagonisten während des Lesens nähern kann, ich am Ende die Motive seines Handelns nachvollziehen und ihn verstehen kann.

Nebenbei: Ich weiß nicht, ob du die o.a. ‚Brigitte’-Seite kennst, aber interessant ist der Hinweis ‚Asexuelle haben lieber Kuchen als Sex’. Passt doch;):

Ihre Gedanken kreisen um Max und Käsekuchen.

Liebe Grüße
barnhelm

*)Keine Ahnung, worauf sich ‚Layla’ bezieht. Ich kenne nur den Clapton-Song.

 
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Hallo Fliege,
ich bin mit Deinem Text einfach durchgeschwungen, er hat mir in den vielen plastisch Details, die so variantenreich rhythmisiert und sprachlich so punktgenau beschrieben sind, ausgesprochen gut gefallen. Ich habe dann über manche Enigmen einfach drübergelesen. Manches habe ich nicht verstanden, aber die Grundstimmung ist so zwingend getroffen, dass ich einfach weiterwollte. Es ist schon eine schön erfundene Anlage: die sinnfreie Vitalität einer Badeanstalt der Sinnsuche einer jungen Frau gegenüberzustellen. Es gibt Anflüge von Ironie, die den melancholischen Ton ein wenig ausgleichen. Aber nur ein wenig. Der gesamte Tonfall ist dann doch grüblerisch. Das ist vielleicht der einzige Punkt, der mich nachdenklich macht. Dass die Fragen Sexualität, Beziehung, Identität so oft melancholisch bis existenziell getönt sein müssen, immer mit vielen Mollakkorden aus einer verstimmten Gitarre, die nur minimalistisch-trübe im Hintergrund gezupft wird. Aber dieser Gedanke blendet wohl aus, dass es eben so ist. Aber mir erscheint diese Sichtweise manchmal ein wenig inflationär. Vielleicht ist es aber auch nur eine sehr subjektive Ermüdungserscheinung.
Jedenfalls empfinde ich den Text unheimlich einfallsreich, stimmig im Setting, im Aufbau. Einfach gekonnt. Respekt und ja, auch berührt, berührt!
Herzlich
rieger

 

Liebe Fliege,

Ich hatte deine Geschichte gelesen, mich aber nicht getraut zu kommentieren. Zu sehr war ich hin- und hergerissen in meiner Auffassung von Ninas Einstellung zu Sexualität. Und das hätte bedeutet, dass manche deiner Formulierungen mal angemessen, dann wieder befremdlich erscheinen.

Auch in hohem Alter kann man dazulernen. Jetzt weiß ich etwas über Asexualität als eigenständiger Orientierung, und, ganz wichtig, die Abgrenzung zu "pathologischen" Bedürfnislagen. Dank hier auch an barnhelm, insbesondere für ihren Hinweis auf den Brigitte-Artikel.

Du hast ein wichtiges Stück Aufklärungsarbeit geleistet. Wie viele Stunden Diskussionen mit Freundinnen habe ich erlebt, jeder neue Sexualreport brachte genauere Erkenntnisse über die vielen Möglichkeiten sexueller Orientierung, und trotzdem blieb da wegen des gesellschaftlichen Drucks immer ein Rest Heimatlosigkeit für die eine oder anderen Frau in meiner Umgebung. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass sich Männer in die Diskussion eingebracht hätten ...

Unter diesen Aspekten ist Nina als Charakter für mich sehr gut nachvollziehbar. Das liegt auch an deiner federleichten Sprache, die mich an die Hand nimmt und Verständnis, ja Mitgefühl für deine Prota weckt. Auch Nina hat ja ihre Wünsche nach einer liebevollen, auf Vertrauen begründeten Beziehung. Vielleicht gibt es ja einen Zeitpunkt, an dem sie eine Handy- Nummer nicht mehr löschen muss.

Herzliche Grüße
wieselmaus

 

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