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Amandine

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19.05.2015
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Amandine

Karl reist nach Afrika der Liebe wegen. Am Flughafen küsst Amandine ihn, lächelt das zerfurchte Gesicht, den Schleierblick an, streicht über seinen Bart, berührt den Kopf. Seine Lippen fühlen sich weich an. Sie verlassen die Ankunftshalle, treten ins Freie und werden von Staubhitze erschlagen. Verbranntes Holz, Gummi, Benzingeruch, süßlich, dominant, beschweren die Luft, als läge eine Glocke über der Stadt, darunter Verwesung. Im Hotelzimmer legen sie das Gepäck ab, Karl will sie aufs Bett werfen. Amandine verspricht, die Nacht mit ihm zu verbringen. Dann brechen sie auf. Das Taxi irrt durch die Stadt. Die Straßen gleichen einander, unverputzte Flachbauten, dasselbe Ameisengewusel. Menschen transportieren Gegenstände auf dem Kopf, halten sich das Smartphone vors Gesicht. Der Gesang Afrikas dringt durch die Fenster. Er besteht aus dem Brummen und Heulen von Motoren, aus wütendem Gehupe, das sich über Stimmenrauschen, perlendes Gelächter, über Rufe und Schreie der Stadtbewohner legt.

Als hätten sie den Ausgang aus einem Labyrinth gefunden, erreichen sie irgendwann das Viertel, aus dem Amandine stammt.
Neben einer Blechhütte liegen zwei Kinder in einer Ecke, eingerollt in eine Militärdecke, einander zugewandt. Eins lehnt die Schultern an eine Wassertonne, aus der Modergeruch emporsteigt, das andere klammert sich an ein Handy. Plastiktüten liegen verstreut im Dreck. Das Licht schwindet, Abenddämmerung, letzte Sonnenstrahlen überziehen ihre Gesichter wie ein Schleier aus Gold. Sie pressen die Augenlider zusammen.
Während sie an den Schlafenden vorbeigehen, drückt Amandine sich an Karl, reibt ihre Hüften an seiner massigen Gestalt, will ihn spüren, herausfinden, ob er ein lebendiger Mensch ist, warm, real, einer, der wegen eines schwarzen Mädchens nach Afrika fliegt, eine Hochzeit zu tanzen und die Ahnen zu erfreuen.
Über die Vororte von Yaoundé fegt Wind, der Sandkörner durcheinanderwirbelt, zerfetzte Worte, Musik, das Rascheln in den Büschen über die Lehmstraße weht. Die Luft schmeckt feucht, nach Regen.
Karls Ledersohlen knirschen über Sand und Steine. Sie steigen über eine Pfütze, in der die fliegenumschwirrten Überreste eines Vogels versinken. Amandine gleitet elegant wie eine Katze vorwärts, berührt die Erde kaum, so geschmeidigzart schwebt sie. Er fasst sich an die Hosentasche, wo das Portemonnaie steckt.

„Gleich da, nicht mehr weit“, sagt sie.
„Ganz schön dunkel hier.“ Er zeigt zum Horizont, auf dem Gewitterwolken im Nachthimmel versinken.
„Mama hat für uns gekocht“, sagt sie mit Glanzaugen.
„Die Nebelschleier da hinten flimmern wie Geister.“ Karl deutet auf ein freies Gelände hinter der Siedlung.
„Geister? Dämonen hausen woanders, nicht hier!“, ruft sie, lässt seine Hand los, schreibt Zeichen in die Luft.
„Schon gut, glaube ich dir. Amandine?“
„Ja?“
„Weißt du, ich freue mich auf das Essen. Bin ganz schön hungrig.“
„Ein Mann wie du braucht Fleisch, Bohnen und Obst. Mama wird dich mögen und meine Brüder auch!“
„Deine Brüder?“
„Ja, sie beschützen uns, seit Papa tot ist.“
„Ich hatte nie richtig Familie.“ Karl löst sich aus ihrem Blick, schaut zum Boden. „Du bist schön, Amandine!“

Sie geht langsamer, als müsste sie sich ausruhen. Schweißtropfen rinnen über ihre Haut. Erinnerungen fallen über sie her, je näher sie kommen. Zweimal abbiegen, dann stehen sie vor der Bretterheimat, dort, wo Amandine in jeder Ecke Träume, Tränenseen, den Hunger nach Leben, richtigem Leben versteckt hat. Sie weiß nicht, ob sie sich fürchten oder freuen soll. Rauch strömt aus einem der Fenster. Amandine klopft an der Tür, das Klacken dringt in Karls Ohren. Stimmen nähern sich.
Unterdessen erwachen die Kinder aus Zauberträumen, kriechen unter der Decke hervor, schauen sich an, lächeln, öffnen die Schwingen und fliegen los.

Die Holzbalken beobachten, wie der Fremde Amandine an der Hand hält, das Mädchen mit den Goldaugen, das vom Kind zur Frau wurde, die Traumblicke seit langem in die Zukunft richtet, sich sucht, was sie braucht. Die morschen Stellen, die Feuchtigkeit, den Schweiß und die Tränen, die sich ins Holz gefressen haben, von ihm aufgesaugt wurden, wird der Mann nicht bemerken. Er ist ja nicht der erste, zwei waren schon hier, wenngleich keiner mit so heller Haut.
Die Mama-Jala schaut den Fremden an, öffnet die Arme, grinst und drückt ihn an sich, während er sie mit der Tochter vergleicht, nach Ähnlichkeiten sucht.
„Du bist also Karl!“, sagt sie.
Mama-Jala riecht nach Moschus und einem Vanilleparfümhauch, trägt ein Blumenkleid und führt den Mann tiefer in die Hütte, an uns vorbei, den Pfosten, Baumstämmen aus einem Wald, an den wir uns kaum noch erinnern können. Amandine sieht neben ihr so zart aus. Kerzen flackern, Glühbirnen werfen ihr Licht durch den Raum. Mama-Jala geht voran, das Pärchen folgt ihr. Sie erreichen den Hauptraum, das Wohnzimmer, wo Herd und Tisch stehen, die Familie zusammenkommt. Fleisch- und Gemüsegeruch wehen ihnen entgegen, Töpfe und Geschirr klappern. Amandines Brüder hantieren am Herd. Auf dem Tisch stehen Schüsseln mit Reis, Gemüse, Saucen, Fleischstückchen. Henry und Hugo nicken Karl zu, drücken ihm trotz ihrer Muskelarme die Hand wie Schmetterlinge. Seit ihre Bärte sprießen, glänzt die Haut noch dunkler. Amandine zeigt auf das Tischende, nimmt neben ihm Platz, streichelt seine Hand, während Mama-Jala ihm Glas und Bierflasche hinstellt. Im Hintergrund läuft Musik, afrikanische Rhythmen. Die Fleischschüssel steht vor dem Gast. Mama-Jala hält ein Messer in der Hand. Auf der Klinge spiegelt sich Karls Gesicht. Sie schneidet Stücke ab. Bratenflüssigkeit tropft aus den Schnittstellen. Als sie fertig ist, wendet sie den Blick nach draußen, zum Nachthimmel. Durch das Fenster mitten in der Pfostenreihe strahlt ein Sichelmond herein.
„Wir essen und dann unterhalten wir uns ein wenig, Karl“, sagt sie und legt Fleisch auf seinen Teller. Karls Augen spiegeln Hunger und Melancholie. Amandine reicht ihm die Schüsseln. Henry und Hugo sitzen schweigend am anderen Ende des Tisches. Amandine achtet auf jede Bewegung, beobachtet, wie er kaut, traumlächelt Karl und Mama-Jala an.
„Schmeckt es Dir?“, fragt sie ihn.
„Sehr lecker, alles sehr lecker!“
Amandine isst wenig. Wie Federn gleiten die Finger über Karls Oberschenkel. Er häuft einen zweiten Teller mit Leckereien, trinkt, schluckt, ohne zu kauen. Dann öffnet sich die Tür und die Engelskinder betreten den Raum. Karl blickt kurz auf, scheint sich zu fragen, ob er sie kennt. Amandines Brüder rücken zur Seite. Mama-Jala neigt den Kopf und begrüßt sie. Die Kinder essen hastig, stopfen sich Fleisch und Gemüse in die Münder, lassen dabei Karl nicht aus den Augen. Amandine nimmt eine Papierserviette, tupft Karls Mundwinkel ab, säubert ihn, als er aufhört zu essen, sich zurücklehnt.

Mama-Jala entfaltet schließlich ein Papier, fängt mit der Befragung an. Er antwortet, nennt Eckdaten, Alter, Arbeitsstelle, Herkunft, Ausbildung. Amandine übersetzt, was die Mutter nicht versteht. An manchen Stellen ertönt Gelächter, Nicken, Kopfschütteln. Karls Augen fixieren die Wand, die Holzpfosten, die Mama-Jala-Pupillen. So sehr konzentriert er sich auf die Formulierungen, als ob er sich genau überlegen müsste, welche Form sie annehmen, wenn sie sein Inneres verlassen.
Ich bin intakt, kann Kinder zeugen. Der Zufall wollte es so. Ich fand nie die richtige Frau für die Gründung einer Familie. Ich mag Kinder sehr, auf jeden Fall. Am besten zwei. Mädchen oder Junge, ist egal. Die Hautfarbe spielt für mich keine Rolle. Ich möchte eine gute Frau. Charakter entscheidet. Ich habe Amandine als wunderbares Wesen kennengelernt. Wir haben ja viel geschrieben, bevor wir beschlossen haben, einander zu sehen. Ich wohne im eigenen Haus, ja, groß genug für eine Familie. Von den Eltern geerbt. Ich habe eine Schwester, die hat Kinder. Reich bin ich nicht, aber ich kann für meine Frau sorgen. Ich verdiene gut, habe vorgesorgt, kann Kontoauszüge vorweisen. Nein, ich bin überhaupt nicht pervers, ganz normal, liebevoll, großzügig, fürsorglich. Alkohol trinke ich nur gelegentlich. Ich rauche nicht und nehme keine Drogen. Ich reise gern, gehe selten aus. Amandine könnte eine Ausbildung machen, wenn sie das will, oder ein Studium absolvieren.
Irgendwann fallen Mama-Jala keine Fragen mehr ein. Ihre Augen nehmen einen warmen Glanz an, als müsse sie nachdenken, sich mit ihren Geistern besprechen. Amandine starrt in die Luft, wartet. Die Brüder schauen reglos zu. Die Kinder spielen mit dem Besteck, schlecken die Schüsseln aus, bis sie sich an Karl wenden. Sie sprechen gleichzeitig mit einer einzigen synchronen Stimme:

„Kommst du morgen mit?“
„Wohin?“
„Aufs Land.“
„Klar, warum nicht?“
„Gut.“
„Amandine bringt dich gleich zum Hotel.“

Amandine senkt den Kopf, murmelt etwas, streicht sich das Kleid glatt. In ihren Augen spiegeln sich Träume und Kerzenlicht, während sie Karl zu sich zieht und zum Aufbruch drängt. Sie verabschieden sich von der Familie, umarmen Mama-Jala, winken den Brüdern zu. Karls Blick sucht die Kinder, findet sie nirgends. Die anderen kümmert ihr Verschwinden nicht.
Scheinwerfer leuchten auf. Das Taxi hält. Derselbe Fahrer wie bei der Hinfahrt bringt sie zum Hotel. Amandine sitzt ganz dicht bei Karl, schaut in die Dunkelheit. Nachtlichter, das Rauschen der Stadt drängt sich durch die Fensterritzen. Der Fahrer summt die Melodien des Radios mit. Amandines Atem haucht über Karls Hals, ihre Hand spielt zwischen seinen Beinen. Als sie am Hotel ankommen, zieht Karl das Portemonnaie aus der Tasche, zählt die Scheine ab, um das Taxi zu bezahlen.
Der Nachtportier reibt sich die Augen und öffnet ihnen die Tür. Im Aufzug steckt Amandine Karl die Zunge in den Mund, leckt das Ohr. Die Teppiche schlucken die Schritte der beiden. Sobald sie das Zimmer betreten haben, will er sich auf sie stürzen, doch Amandine wehrt ihn ab, geht ins Bad, schließt die Tür hinter sich. Er hört dem Plätschern des Wassers zu, spürt seine Lust wachsen. Gleichzeitig rauschen die Bilder des Tages an ihm vorbei, die Reise nach Afrika, die Menschen, die er kaum entschlüsseln kann, die Engelskinder, Amandine, den Wunsch, sie lieben zu können, richtig lieben, der Rausch ihrer Gegenwart. Das Bett vor ihm schwebt.
Amandine hüllt sich in Seide, darunter schimmert die goldschwarze Haut. Karl zittert, reißt sie an sich, so plötzlich, dass sie aufschreit. Er achtet nicht darauf, zerrt an den Haaren, greift zwischen ihre Beine. Der Stoff knistert, als er sie aufs Bett zwingt, die Beine auseinander drückt, sie beschnüffelt, den Milchgeruch ihrer Haut von oben bis unten lecken will, um sich einzuverleiben, was er so dringend braucht. Sie liegt da, Tränen kullern über die Wangen, blickt zum Fenster, zu Karl, dreht sich weg. Eine Ohrfeige landet auf ihrem Gesicht, eine zweite, die wie ein Peitschenknall durch den Raum jagt. Daraufhin öffnet sie die Beine, streckt sie zum Himmel, als wolle sie ihn herausfordern, sucht nach seinen Augen. Zähne blitzen auf, als sie lauthals zu lachen beginnt. Karls Ohren dröhnen. Seine Hose fällt zu Boden, die Shorts. Er müsste sie jetzt besteigen, in sie eindringen. Trotz der Lust, die er in sich trägt, seit er Amandine zum ersten Mal gesehen hat, versagt er schließlich in der Wirklichkeit, schlaff, halbaufgerichtet, hängt sein Schwanz. Er flüchtet ins Bad, lässt Wasser über die Haut perlen, will den Schmutz wegrubbeln, schließt die Augen. Gleich wenn er zu Amandine zurückgekehrt ist, will er die Sterne am Himmel suchen, sie küssen, ihr Liebesworte ins Ohr flüstern, sie zart berühren. Sorgfältig schlingt er das Handtuch um die Lenden.

Die Tür schwingt auf. Eine Katze liegt auf dem Bett, ein Panther, der ihn anschaut. Das Fell wird vom Mondlicht berührt. Smaragdaugen fixieren Karl. Dann richtet sich das Tier auf, zögert, wendet den Blick ab, durchquert das Zimmer, springt mit einem Satz aus dem Fenster und entschwindet in die Nacht.
Karl bewegt sich nicht, löst sich erst aus der Erstarrung, als er bemerkt, dass Stille ihn umfängt. Amandine fällt ihm ein, er sucht nach ihr, findet ihre Kleider als Bündel auf einem Stuhl. Ihr Milchgeruch durchtränkt die Luft, sie aber bleibt verschwunden. Karl fährt sich mit der Hand durch die Haare. Schließlich wagt er sich ans Fenster, beugt sich nach draußen. Die Laute der Stadt dringen zu ihm, mehr nicht, also schließt er es wieder, geht zur Minibar und schüttet sich den Wodka- und Whiskeyvorrat in die Kehle. Raum und Zeit entfliehen, als wäre weder der Panther noch Amandine jemals hier gewesen. In diesem Zustand sinkt er auf das Bett, das Handtuch gleitet ab, er schmiegt sich an die Decke, überlässt sich einer traumleeren Nacht.

Am frühen Morgen wacht er auf. Amandine liegt neben ihm, nackt, zusammengerollt zu einem Knäuel, schön. Karl hört ihr beim Atmen zu, lässt sie nicht aus den Augen, vergewissert sich, dass die Haut warm ist, nimmt sie in die Arme. Lange liegt er so da. Dann berührt er Amandine, küsst ihren Hals, zieht sie an sich, umschließt sie, spürt sich selbst, seine Wärme, ihre Wärme, will sie einsaugen, sich an ihr nähren, atmet im selben Rhythmus wie sie, hält eine Haarsträhne, ein einzelnes Haar ans Licht, streicht es sich über die Wange. Als sie aufwacht, die Nussaugen auf ihn richtet, ihm Fragen zu stellen scheinen, treffen sie ihn mitten ins Herz. Amandines Lippen öffnen sich, Perlmuttzähne werden sichtbar. Ein Speicheltropfen löst sich, befeuchtet die Lippen. Sie küsst ihn. Er spürt die Zunge, das Glück, das mit ihm spielt. Seidenfinger wandern über seinen Körper, während er stillhält. Amandine nimmt Karl. Wie in einem Traum gleitet er in sie, schwimmt in ihr. Sie sitzt auf ihm, schließt seine Augen mit einer Fingerbewegung. Hinter dem Vorhang der Lider erinnert er sich an den Panther. Als er sich in sie ergießt, schreit er. Amandine bäumt sich auf. Die Muskeln ihres Geschlechts schließen sich um ihn er fühlt sich eins mit ihr.

Beim Frühstück lächeln sie einander unentwegt an. Die Stimmen der Geschäftsleute neben ihnen am Tisch dringen zu ihnen.
„Iss dich satt, Liebling!“, sagt Amandine, nippt am Orangensaft, löffelt Müsli, steckt sich Rührei, Speck in den Mund, lässt Karl nicht aus den Augen, streichelt seine Wangen.
„Die Kinder kommen bald“, sagt sie.
Kaum verklingen ihre Worte, stehen sie am Tisch, setzen sich zu den beiden, häufen auf ihren Tellern Brötchen, Croissants, Wurst. Sie tragen Shorts, Sandalen und T-Shirts mit der Aufschrift I am proudin unterschiedlichen Farben, riechen nach Stroh und Sonne. Amandine küsst ihre Hände zur Begrüßung. Der Kellner verlangt Extratrinkgeld für sie, nickt ihnen zu und grinst. Sie fragen ihn, ob sie Kakao bekommen können. Karl kann sie immer noch nicht unterscheiden.
„Sightseeing, monsieur?“, fragt eins der Kinder.
„Wie heißt ihr eigentlich?“
Sie kichern, stoßen sich gegenseitig an, deuten auf Amandine: „Frag sie!“
„Ist Amandine eure Schwester?“, fragt Karl.
„Mm“, sagen sie gleichzeitig.
Amandine lacht und schweigt. Die Kinder stecken einige Croissants in die Taschen, dann brechen sie auf.

Die Luft schmeckt nach Teer und Asche, Im Taxi läuft Hip-Hop, Amandine sitzt zwischen den Kindern, wippt mit, singt. Die Fahrt dauert. Irgendwann stehen die Häuser weniger eng beieinander, weichen Büschen, Bäumen, Gras, Feldern, Weidevieh. Sie nähern sich einem Fluss, fahren an ihm entlang. In einem Hüttendorf halten sie.
Die Kinder nehmen Karl an die Hand. Menschen kommen ihnen entgegen, lachen, berühren die Besucher, bilden eine Traube um sie, reden durcheinander. Amandine läuft hinterher, umarmt einige. Vor einer Hütte bleiben sie stehen. Die Kinder beschmieren Karls Gesicht mit Erdfarben, geben ihm eine Schale mit einem Getränk, das wie heißer Honig durch die Kehle rinnt, den Himmel seiner Träume in Pastellfarben taucht. Plötzlich stößt Amandine sich ab, rennt über den Lehmweg, zwischen den Hütten hindurch.
Der Rhythmus stampfender Füße pocht in Karls Ohren. Die Kinder weisen ihm die Richtung, zeigen zur Graslandschaft, einem Wäldchen, das auf einer Anhöhe liegt. Er fühlt sich leicht, obwohl die Sonne auf die Glatze brennt. Von Amandine ist nichts mehr zu sehen. Staub wirbelt auf, Karls Beine schmerzen, Schweiß durchtränkt das Unterhemd, auf dem Polo-Shirt bilden sich feuchte Flächen. Grasgeruch steigt ihm in die Nase, die Fäulnis überreifer Früchte. Er läuft auf einem Pfad nach oben. Am Horizont erstreckt sich der Fluss.
Neben einem Baum erkennt er den Panther, der ihn fixiert, abschätzt, sich zum Angriff bereit macht. Das Raubtier öffnet das Maul, Reißzähne werden sichtbar. Karl spürt eine sonderbare Kraft in den Beinen, drückt sich ab und jagt dem Panther auf vier Füßen entgegen, fletscht die Zähne, springt vorwärts, bis er es erreicht. Die Fellhaare wirbeln in der Luft. Sie kommen sich ganz nahe, umkreisen einander, warten darauf, wer beginnt, wer mehr wagt. Schließlich springen sie gleichzeitig ab, verkeilen sich, reißen sich die Flanken auf, suchen nach dem Hals, um den tödlichen Biss zu setzen, während sie Gras zertreten, Staub emporsteigt, Blut zu Boden sickert. Ihre Raubtieraugen flackern und halten in dem Moment inne, als sie einander wie in einem Spiegel erkennen. Dann erst erstarren sie und lassen voneinander ab, stehen sich gegenüber, beide mit Bisswunden, mit den Spuren der Pranken des anderen übersät. Amandine atmet schwer, die Nüstern blähen sich auf. Karl streckt die Schnauze zum Himmel, reibt die Nase, den Schädel an Amandines Kopf. Sie schleckt über seinen Körper, saugt das Blut auf, mischt seines mit ihrem, legt sich auf den Grasboden. Dort dreht sie sich auf den Rücken, ihr Bauch sieht wie Milch aus. Karl legt sich daneben, Fell an Fell wenden sie sich einander zu, während die Sonne wie ein Blutball vergeht, sie mit dem Licht der Abenddämmerung umgibt. Grillen zirpen im Gras. Oberhalb des Hügels werfen Bäume Dämonenschatten auf Amandine und Karl. Das Paar fühlt sich am Ziel, deshalb schließen beide die Augen.

Als sie wieder aufwachen, schieben sie die Finger ineinander und kehren zum Dorf zurück. Es ist leergefegt, keine Menschenseele begegnet ihnen.
„Wo sind die Kinder hin?“
Amandine zeigt zum Himmel, wo Mond und Sterne die Nacht beleuchten.

 

Hallo Isegrims,

schnell vorbei ist deine Geschichte, schade. Ich hätte gerne etwas mehr erfahren über die beiden. Und der kurze Text den ich dort lese ist mir zu voll mit deinen Zauberworten. Übervoll und dadurch zu voll um sich zu entfalten. So kommt es mir vor.

Anscheinend schwirren dir ja die ganze Zeit unzählige von diesen tollen Begriffen durch den Kopf, und die wollen alle raus. Aber meinst du nicht jedes einzelne würde mehr Wirkung erzielen, wenn du sie etwas sparsamer einsetzen würdest?
Meistens drücken deine Kreationen ja einiges aus, das muss man verarbeiten und verstehen, um es schätzen zu können.

Am Flughafen küsst sie ihn, flüstert, wie jung er aussehe, lächelt das Furchengesicht an, die Glatze, den Schleierblick, streicht über seinen Bart. Seine Lippen fühlen sich weich an.
Gefällt mir der Einstieg. Sie sehen sich anscheined das erste Mal. Vielleicht könntest du das klarer machen? So könnte man auch denken die beiden haben sich nur lange nicht gesehen.
Nur eine Idee, es funktioniert auch, wenn es rätselhaft bleibt.

übertönen den Gesang Afrikas,
Da machst du es dir aber einfach. Ich hätte es schöner gefunden, wenn du dir mehr Zeit genommen hättest den Ort und die Stimmung dort zu beschreiben.
Überhaupt erscheint mir diese Beschreibung lieblos. Es gibt ja mehr als ein paar Geräusche. Und ist es das was die beiden im Taxi wahrnehmen? Ich nehme an, sie können die verschwitzten Hände nicht voneinander lassen. Riechen sich, schauen sich an.

Sie pressen die Augenlider zusammen,
Die Tüten? :p

Sie pressen die Augenlider zusammen, werfen Schattenküsse zum Himmel, als wollten sie ihre Träume beschützen.
Diesen Satz verstehe ich nicht. Was sollen Schattenküsse sein? Der Schatten der Lider auf den Augen? Aber dann werden sie diese nicht zum Himmel oder? Ergibt für mich kein klares Bild.

Er fasst sich an die Hosentasche, wo das Portemonnaie steckt.
Echt? Er macht sich jetzt Sorgen um sein Geld? War ihm nicht klar, wie Amandine wohnt?

„Mama hat für uns gekocht“ sagt sie mit Glanzaugen.
Hier fehlt ein Komma.

„Schon gut, glaube ich dir.“
„Amandine?“
„Ja?“
Hier ist der Sprecherwechsel nicht korrekt. Die beiden ersten Dinge sagt Karl nicht wahr?

Unterdessen erwachen die Kinder aus Zauberträumen, kriechen unter der Decke hervor, schauen sich an, lächeln, öffnen die Schwingen und fliegen los.
Wird mir nicht ganz klar das Ende. Was willst du mir damit sagen?

Also insgesamt ist mir das alles zu wenig. Amandine und Karl sind eigentlich ein interessantes Paar, da würde ich gerne mehr drüber lesen. Aber beide bleiben mir fremd, zu fremd, als dass ich da irgendwie mitfühlen könnte.
Weiß Karl nicht worauf er sich einlässt? Kenne die beiden sich bereits oder haben sie nur ein paar Mails ausgetauscht. Wenn Karl Amandine heiraten will, was bedeutet das? Will er in Afrika leben?
Ich nehme an, dass die Kinder zeigen sollen, dass die Menschen dort arm aber glücklich sind? Wie beeinflusst das nun Karl und Amandine?

Ich denke mir hätte der Text mehr Spaß gemacht, wenn er länger gewesen wäre. :)

Liebe Grüße,
Nichtgeburtstagskind

 
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Hallo Isegrims,

Ich sag mal, welche zwei großen Probleme ich mit der Geschichte habe.

Erstens kenne ich deine Figuren nach dem dritten Lesen immernoch nicht. Vor allem Karl. Er kommt aus einem anderen Land, ist eher schon älter, ist ein wenig businessmäßig. Er hatte nie richtig Familie. Und er hat Hunger.
Aber sonst? Woher kommt er, warum kommt er, was will er, wie verhällt er sich noch?
Ameline ist mir auch zu durchsichtig. Sie ist Afrikanerin, ihre Brüder beschützen sie, ihre Mutter kocht. Ihre Familie wohnt in einer Bretterhütte, sie will Karl kennenlernen.
Ich kann so nicht genug mit den Figuren mitfühlen, kann sie nicht verstehen. Und ohne Leute, durch die und mit denen ich eine Geschichte erleben kann, kann ich diese Geschichte nicht erleben. Dann lese ich einfach nur und es lässt mich kalt.

Ich kann die Beziehung, die die beiden miteinander haben nicht nachvollziehen, ich habe keine Ahnung, wie sie zueinander stehen.
Anfangs scheinen sie sich gut und lange zu kennen und sich zu mögen, eine enge Beziehung zu haben. Dann irgendwann bin ich plötzlich hin und hergerissen zwischen Online-Dating und Prostitution (obwohl sie ja eigentlich eindeutig Interesse hat), wobei ich das mit dem Online Dating zuerst dachte, Prostitution kam dann bei Erwähnung des Geldbeutels. Dann war es auf einmal so, als würden sie zum ersten Mal übethaupt etwas miteinander zu tun haben. Dann plötzlich spüre ich einen geringen Wiederwillen ihrerseits und dann werden sie zusammen essen, weshalb ich da wieder glaube, dass sie sich doch schon kennen, auch wenn er noch nie bei ihr war.
Dann, als die Kinder wegfliegen, (ich denke nicht, dass sie genau gleichzeitig sterben, sonst hätte ich dieses Wegfliegen so interpretiert) denke ich nur noch „Keine Ahnung, was das jetzt soll. Keine Ahnung, was du mir sagen willst. Immernoch keine Ahnung, was das für Leute sind, und welche Beziehung sie haben.“

Ich finde, du solltest dir mehr Zeit nehmen, dass sich die Geschichte entfalten kann. Die Umgebungsbeschreibung fand ich schon mal gut. Nur der Rest war mir eben zu wenig.

Vielleicht zieht diese Story einfach nicht bei mir. Vielleicht stehe ich einfach voll auf dem Schlauch und blicke gar nichts. Vielleicht bin ich dafür nicht die Zielgruppe. Vielleicht können andere Leute damit eine Menge anfangen, vielleicht verstehen sie alles, vielleicht finden sie es super.
Ich tu's nicht und das ist schade. Jetzt weißt du ja, wo ich die Probleme habe, wenn du das brauchen kannst, dann nimm's dir, wenn nicht, dann eben nicht. :shy:

Eine Kleinigkeit noch.

Als hätten sie den Ausgang eines Labyrinths gefunden
Ich finde, du solltest den Labyrinth-Vergleich nicht zwei mal in so kurzer Zeit schreiben. Das wirkt so, als wolltest du diesen Vergleich unbedingt benutzen und hättest beim Schreiben vergessen, dass du ihn ein Stückchen vorher auch schon hast.

Das war‘s dann auch schon wieder.
Liebe Grüße,
Anna

 
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Im Hotelzimmer legen sie das Gepäck ab, Karl will sie aufs Bett werfen. Amandine verspricht, die Nacht mit ihm zu verbringen.

Ob der Text länger sein muss, bezweifel ich, denn in den Namen nicht nur der zwo "Liebenden" steckt alles drin, wessen es m. E. bedarf:

Jaunde - die Hauptstadt Kameruns, eine deutsche Gründung zu Forschungszwecken und Elfenbeinhandel, stellvertretend für diverse andere Ausbeute der Kolonialmächte bis hin in die Zeit des Dollar-, Euro- und Yuan-Imperialismus, zu der Karl (= "Kerl"), erhöht zur

Silberrückengestalt,
wie die alte(ernde)n Gorillas neben dem gröberen "Graurücken" benannt werden, in unserer aller Heimat, dem wahren Paradies durch Amandine - die Liebenswürdige.

Denn die Eingeborenen haben ein kindisches Vergügen am west-östlichen Lebensstandard

... Menschen balancieren Gegenstände auf dem Kopf, halten sich das Smartphone vors Gesicht.
und erhalten zum Dank unseren Schrott, Abfall und Billighähnchen
Neben einer Blechhütte liegen zwei Kinder in einer Ecke, eingerollt in eine Militärdecke, einander zugewandt. Eins lehnt die Schultern an eine Wassertonne aus der Modergeruch emporsteigt, das andere klammert sich an ein Handy.
Und
Er fasst sich an die Hosentasche, wo das Portemonnaie steckt.

Altterstamentarisch knapp, sozusagen,

liebe Isa.

Auf ein fehlendes Komma zum Abschluss der wörtl. Rede wurde schon hiingewiesen, hier aber

Sie geht langsamer, als müsse sie sich ausruhen.
meine ich, sollte Konj. II gesetzt werden - oder wer denkt oder sagt da gerade, "Amandi muss sich ausruhen"?

Gern gelesen vom

Friedel,
über den gerade ein himmlisches Donnerwetter hinwegzieht ...

 

Hallo Isegrims,
ich finde deinen Text sprachlich toll. Deine Beschreibungen vermitteln mir gut ein Gefühl für die Umgebung, in der die Geschichte spielt. Über die Lebensumstände, die Karl und Amandine zusammen bringen, kann ich (nur) spekulieren. Ist ihr erstes(?) Treffen arrangiert?
werfen Schattenküsse zum Himmel, als wollten sie ihre Träume beschützen
Darunter konnte ich mir nichts vorstellen. Die Sonne kommt von oben, Schatten gehen gewöhnlich nicht Richtung Himmel. Sind das Vorboten für ihre tödliche Krankheit? Ich lehne mich mit dieser Interpretation vllt. etwas weit aus dem Fenster, später mehr dazu.

Die Luft schmeckt feucht, nach Regen.
Freunde haben in Südafrika geheiratet, bei Regen. Dort heißt es, Regen während einer Hochzeitszeremonie bringt Glück für die Ehe. Hast du darauf angespielt?

Geschmeidigzart
Geschmeidig zart, auseinander, oder?

Sie geht langsamer, als müsse sie sich ausruhen. Schweißtropfen rinnen über ihre Haut.
Ist Amandine krank oder unehelich schwanger?

Unterdessen erwachen die Kinder aus Zauberträumen, kriechen unter der Decke hervor, schauen sich an, lächeln, öffnen die Schwingen und fliegen los.
Das verstehe ich nicht. Das lass ich aber nicht auf mir sitzen und fange an wild etwas hinein zu interpretieren: Diese beiden Kinder haben vllt. die gleiche, flächendeckende, leicht übertragbare, hoch ansteckende Krankheit wie Amandine, und sind gerade verstorben und ihre Seelen fliegen davon.
Ohje. Ich bin gespannt, wie sehr ich auf dem Holzweg war und was die Sätze eigentlich bedeuten...

Gern gelesen und gegrübelt und nachgefühlt.
Viele Grüße
wegen

 
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Liebe Isegrims,

so ein kleines Häppchen kann ich schon mal zwischendurch kommentieren, zumal ich inhaltlich viel interpretieren kann. Weil unser bester Freund seit 30 Jahren im Entwicklungsdienst in Afrika in verschiedensten Ländern unterwegs war und wir ihn schon oft besuchten, weiß ich einiges über den Kontinent.

Für die Kürze des Textes und zur Orientierung hätte ich mich gerne früher verortet gehabt.
Gerade wenn man in Afrika aus dem Flugzeug steigt, kommt man in einen Geruch, der so typisch ist. Von verbranntem Holz, staubiger Hitze, Abgasen, Abwasser, Verwesung. Schwer, rusig und süßlich.
Das könnte rein, dann weiß man, wo das spielt. Bitte nicht erst am Ende des ersten Absatzes.

Am Flughafen küsst sie ihn, flüstert, wie jung er aussehe, lächelt das Furchengesicht an, die Glatze, den Schleierblick, streicht über seinen Bart.
Erster Blick, erste Lüge.

Seine Lippen fühlen sich weich an. Im Hotelzimmer legen sie das Gepäck ab, Karl will sie aufs Bett werfen.
Hier wird erst beim zweiten Mal lesen klar, wie das Verhältnis ist. Karl holt Amandine aus dem Schlamassel raus, aber er bestimmt dafür über sie.
Menschen balancieren Gegenstände auf dem Kopf,
das hört sich an, als machen sie das aus Lust und Laune wie Jonglieren oder so.
Transportieren fände ich passender.
übertönen den Gesang Afrikas, das Perlenlachen, Stimmenrauschen, all die Rufe und Schreie.
das ist zu kurz, um das Ambiente zu beschreiben.

Die Dämmerung überzieht ihre Gesichter wie Goldfolie
die letzten Sonnenstrahlen wirken golden, aber die Dämmerung?
Plastiktüten liegen verstreut im Dreck. Sie pressen die Augenlider zusammen
die Tüten? ;)
, werfen Schattenküsse zum Himmel, als wollten sie ihre Träume beschützen.
mal vom falschen Bezug abgesehen: das ist mir auch zuviel Schubidu.

Während sie an den Schlafenden vorbeigehen, drückt Amandine sich an Karl, hält ihn an der Hand, reibt ihre Hüftknochen an der Silberrückengestalt,
genau heute in einer Woche, Isegrims, werde ich abends neben dich stellen, mit meiner rechten deine linke Hand nehmen. Und du zeigst mir dann bitte, wie du deine Hüftknochen an mir reiben kannst. Ich bin gespannt. :D
will ihn spüren, herausfinden, ob er ein lebendiger Mensch ist, warm, real, einer, der wegen eines schwarzen Mädchens nach Afrika fliegt, eine Hochzeit zu tanzen und die Ahnengeister zu erfreuen.
sie ist also vermittelt worden und darf mit nach Europa.

„Gleich da, nicht mehr weit“,
„Geister? Dämonen hausen woanders, nicht hier!“

das passt nicht zusammen. Der erste Satz ist so rudimentär, und die Antwort so präzise.

Sie geht langsamer, als müsse sie sich ausruhen.
Aber was denkt sie? Hat sie Wehmut, dass sie den Slum verlassen muss? Hat sie Angst, Karl vorzustellen? Was muss ich in diesen Satz interpretieren? Ich weiß zu wenig von denen zwei, um das zu können, leider.
So gehe ich unbefriedigt aus der Szene.

Und dieser Abschluss:

Unterdessen erwachen die Kinder aus Zauberträumen, kriechen unter der Decke hervor, schauen sich an, lächeln, öffnen die Schwingen und fliegen los.

kommt mir so vor, als wäre er dem Poetischen geschuldet, das du in den Dreck und das Elend hineinschreiben wolltest. Das ist nicht das, was ich gerne lesen möchte, wenn sich die Szenerie im Slum abspielt, mir ist das zu romantisch, wo die Romantik doch 10 km tief vergraben ist.

Die Idee gefällt mir, die Umsetzung jedoch ist zu wenig gesellschaftskritisch und authentisch. Mir kommt es wie ein Schnellschuß geschrieben in der Hitze Deutschlands vor, die dich an Afrika erinnert hat. Geh' mal in Schatten und gib dem ganzen mal mehr Fleisch an die Knochen :).

Liebe Grüße
bernadette

 
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Hallo Isegrims,

ich finde das eine schöne Kurzgeschichte, eine richtig klassische. Ein wenig unklar bleibt mir, in welcher Verbindung die beiden stehen: Kennen sie sich nur aus dem Netz (er weiß ja nicht mal um ihre familiär-wohnhafte Situation mit den Brüdern) und heiraten in Afrika? Wenn ja - mag sein, dass es das gibt, aber für mein Bauchgefühl fühlt sich das ein wenig herbeigeführt an. Wahrscheinlich, weil ich noch nie davon gehört habe, dass jemand nur durch Internet-Kontakt in ein Dritte Welt-Land fliegt und sofort heiratet, und dass das die Frau dort eben auch möchte. Wenigstens einmal oder zwei-, dreimal treffen ist da eigentlich immer drin.

Ich habe nur eine Anmerkung, und es könnte sein, dass dich das wirklich nerven wird, und du mich als snobistischen Klugscheißer eine Sekunde einfach wegklicken willst. Aber vielleicht bringt es dir was. Ich finde, du solltest mehr über Afrika recherchieren. Lies ein, zwei Romane die von einem Kundigen dort spielen oder versuche anderweitig einen wirklichen Eindruck zu bekommen. So fehlen mir - Details. Da liegen Kinder auf Wellblechen, erdige Straßen, das kennt man alles und mir fehlen drei, vier markante Details, die das Ganze für mich unverwechselbar authentisch gestalten. Ist Kritik weit oben. Aber das in Afrika ist teilweise eine so unvorstellbar andere Gesellschaft und Welt, auch von ihren Vorstellungen her, ich habe da wirklich schon verrückte Geschichten von Wertvorstellungen und Vorstellungen von der Welt und was es dort gibt und wie die Leute ticken gehört, dass mir so etwas im Text wirklich fehlt, damit ich das - auf welche Art auch immer - wiedererkenne und fühle: Das ist wahr, das spielt in Afrika.

„Geister? Dämonen hausen woanders, nicht hier!“, sagt sie, lässt seine Hand los, schreibt Zeichen in die Luft.
„Schon gut, glaube ich dir.“
„Amandine?“

„Ja?“
Dieser Teil des Dialogs ist absolut verwirrend, Isegrims. Da spricht ja zweimal der Mann hintereinander, normal wechselt das doch immer ab. Also ich musste ein paar Mal drüberlesen, um zu verstehen.

Unterdessen erwachen die Kinder aus Zauberträumen, kriechen unter der Decke hervor, schauen sich an, lächeln, öffnen die Schwingen und fliegen los.
Das ist sehr schön.

Gerne gelesen!

Beste Grüße
zigga


Ich sehe gerade, Bea Milana grätscht ins gleiche Eck - nur unfreundlicher. :p
Sorry, Bea :D

 
Zuletzt bearbeitet:

Bevor ich auf jeden einzelnen Kommentar, die verwirrenden, widersprüchlichen, vor allem aber hilfreichen Hinweise eingehe, evtl. manches an dem Text ändere, ein allgemeines Statement.

bernadette: (weil du Profi bist)

Neben einer Blechhütte liegen zwei Kinder in einer Ecke, eingerollt in eine Militärdecke, einander zugewandt. Eins lehnt die Schultern an eine Wassertonne aus der Modergeruch emporsteigt, das andere klammert sich an ein Handy. Die Dämmerung überzieht ihre Gesichter wie Goldfolie, Plastiktüten liegen verstreut im Dreck. Sie pressen die Augenlider zusammen, werfen Schattenküsse zum Himmel, als wollten sie ihre Träume beschützen.

Das ist der Ursprung der Geschichte: ein Foto, Teil einer Bildreportage, die ich im SZ-Magazin vor einigen Monaten gesehen habe.
Verbunden mit den Erinnerungen an einen Afrika-Besuch vor einigen Jahren. Ja, der Geruch, die Bilder, das kann ich nicht alles mit Wortverbindungen abbilden, zumindest müsse diese dann präziser sein.

Der Rest ist frei erfunden, ein Schreibexperiment, das ich mir als Aufgabe ausgedacht habe: etwa 500 Zeichen, in einem Zug geschrieben, eine Woche in Quarantäne. Auch mit dem Versuch verbunden, dem Leser Freiräume zu verschaffen, unterschiedliche Lesarten zu ermöglichen. Weitere solcher Versuche werden folgen.

Vielen Dank für eure Anmerkungen, sehr bald mehr dazu!

Liebe Grüße und diesmal (auch das im Grunde ein Schreibexperiment) ohne ausleitenden Neologismus-Kram (eine Anmerkung dazu doch noch: 2% der Wörter, 10 von 500, des Amandine-Textes sind ungewohnte Wortverbindungen, viel? Echt?)
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

Was soll ich mir unter „Schattenküssen“ vorstellen?

https://www.staff.uni-mainz.de/pommeren/Gedichte/NeueGedichte/seraph09.htm
Schattenküsse: stammt nicht von mir, eine "Wortkreation", die insofern gar keine ist, übrigens hat Heinrich Heine auch in Prosatexten Wortverbindungen genutzt.

Übrigens finde ich den Vorwurf, mir ginge es darum, die eigene Kreativität zu beweisen, so was wie Narzissmus wäre meine Motivation, ziemlich daneben, auch bis zu einem gewissen Grad unanständig.

Noch schlimmer: schreib doch lieber Gedichte... was willst du damit erreichen?

Gruß:eek:
Isegrims

 

Was soll ich mir unter „Schattenküssen“ vorstellen?

Neben einer Blechhütte liegen zwei Kinder in einer Ecke, eingerollt in eine Militärdecke, einander zugewandt. Eins lehnt die Schultern an eine Wassertonne aus der Modergeruch emporsteigt, das andere klammert sich an ein Handy. Die Dämmerung überzieht ihre Gesichter wie Goldfolie, Plastiktüten liegen verstreut im Dreck. Sie pressen die Augenlider zusammen, werfen Schattenküsse zum Himmel, als wollten sie ihre Träume beschützen.

Ganz gegen meine Gewohnheit versuche ich zu erklären, welche Wirkung ich mit den "Schattenküssen" erzielen wollte, warum ich den Begriff passend finde, ihn nicht leichtfertig verwende.

Die Kinder trotzen der trostlosen, heruntergekommenen Umgebung, leben im Schatten der Gesellschaft und werfen Küsse zum Himmel, sehnsüchtig, kindlich. Die Träume sollen den Schatten bannen. Mich berühren solche Bilder.

 

Hallo Isegrims,

oh, ich habe deine Geschichte direkt zweimal gelesen, weil sie so toll dicht geschrieben ist und ich nichts verpassen wollte.

Am Flughafen küsst sie ihn, flüstert, wie jung er aussehe, lächelt das Furchengesicht an, die Glatze, den Schleierblick, streicht über seinen Bart.
Schon der erste Satz ist toll, so viel streckt da drin, das gefällt mir sehr.

Gehupe, brummende, aufheulende Motorengeräusche dringen durch das Fenster, übertönen den Gesang Afrikas, das Perlenlachen, Stimmenrauschen, all die Rufe und Schreie.
Dieser Satz gefällt mir sehr. Nur das "Rufe und Schreie" verstehe ich nicht ganz. Es passt für mich nicht ganz in die Aufzählung "Gesang Afrikas", "Perlenlachen", "Stimmenrauschen".

Neben einer Blechhütte liegen zwei Kinder in einer Ecke, eingerollt in eine Militärdecke, einander zugewandt. Eins lehnt die Schultern an eine Wassertonne aus der Modergeruch emporsteigt, das andere klammert sich an ein Handy. Die Dämmerung überzieht ihre Gesichter wie Goldfolie, Plastiktüten liegen verstreut im Dreck. Sie pressen die Augenlider zusammen, werfen Schattenküsse zum Himmel, als wollten sie ihre Träume beschützen.
<3 <3 <3 <3 <3

Ich verstehe die Geschichte so, dass sie durchaus sehr schlimme Dinge anspricht, aber die poetische, romantische Sprache lässt alles trotzdem wie eine wundervolle Liebesgeschichte klingen. Ich finde diesen Gegensatz unheimlich toll. Der Gegensatz hat mich manchmal total wütend gemacht, manchmal unheimlich traurig, auf jeden Fall hat mich die Geschichte dadurch sehr bewegt.

Vielen lieben Dank für's Teilen, ich bin so fasziniert von deiner wundervollen Sprache!
Liebe Grüße,
Maria

 

Hallo Nichtgeburtstagskind,

Und der kurze Text den ich dort lese ist mir zu voll mit deinen Zauberworten. Übervoll und dadurch zu voll um sich zu entfalten. So kommt es mir vor.
wer sich den Nick “Nichtgeburtstagskind zulegt, erwartet, dass ihn die Wortkriegergemeinde auch so anspricht, der sollte nicht von Überfülle sprechen. Machst du dir überhaupt klar, wie mühsam dein Name zu tippen ist?:D

Aber ernsthaft; dankeschön für den ehrlichen, hilfreichen Kommentar, hat mich sehr gefreut.

schnell vorbei ist deine Geschichte, schade. Ich hätte gerne etwas mehr erfahren über die beiden.
mm, ja, die Alternative wäre gewesen, eine längere Erzählung daraus zu machen, war auch ein Gedanke, den ich anfangs verfolgt habe, zwei Ich-Perspektiven, die von Amandine und die von Karl, sie aufeinanderprallen lassen. Du bist neugierig auf sie geworden, das ist schon einiges.

Anscheinend schwirren dir ja die ganze Zeit unzählige von diesen tollen Begriffen durch den Kopf, und die wollen alle raus. Aber meinst du nicht jedes einzelne würde mehr Wirkung erzielen, wenn du sie etwas sparsamer einsetzen würdest?
Meistens drücken deine Kreationen ja einiges aus, das muss man verarbeiten und verstehen, um es schätzen zu können.
Selbst wenn ich nur ein einziges dieser Wortkreationen im Text unterbringen würde, gäbe dieselbe Kritik, glaube ich mittlerweile. Nicht von jedem, klar, Sprachrausch darf ruhig polarisieren, Leser dürfen ruhig nachdenken. Und die Wörter, die schwirren nicht durch meinen Kopf, eher suche beim Schreiben bestimmter Textstellen nach Ausdrucksmöglichkeiten.

übertönen den Gesang Afrikas,
Da machst du es dir aber einfach. Ich hätte es schöner gefunden, wenn du dir mehr Zeit genommen hättest den Ort und die Stimmung dort zu beschreiben.
Überhaupt erscheint mir diese Beschreibung lieblos. Es gibt ja mehr als ein paar Geräusche. Und ist es das was die beiden im Taxi wahrnehmen? Ich nehme an, sie können die verschwitzten Hände nicht voneinander lassen. Riechen sich, schauen sich an
stimmt, die Stelle muss ich überarbeiten, dauert bisschen, hoffentlich noch bevor wir uns in Bad Schwalbach sehen.

Er fasst sich an die Hosentasche, wo das Portemonnaie steckt.
Echt? Er macht sich jetzt Sorgen um sein Geld? War ihm nicht klar, wie Amandine wohnt?
könnte auch sein, dass er sich einfach fragt, ob er genug Geld dabei hat.:hmm:

Unterdessen erwachen die Kinder aus Zauberträumen, kriechen unter der Decke hervor, schauen sich an, lächeln, öffnen die Schwingen und fliegen los.
Wird mir nicht ganz klar das Ende. Was willst du mir damit sagen?
oha, ich interpretiere meine Texte nicht, ich versuche hier ein Bild für dich (als Leser) zu erzeugen.

Ich nehme an, dass die Kinder zeigen sollen, dass die Menschen dort arm aber glücklich sind? Wie beeinflusst das nun Karl und Amandine?
arm aber glücklich klingt plakativ, das wäre zu einfach, zumal die Menschen dort eine andere Vorstellung von Glück haben.

Liebe Grüße und einen Zauberstart ins Wochenende
Isegrims

 

Hallo Isegrims,

Machst du dir überhaupt klar, wie mühsam dein Name zu tippen ist?
Ähm, ja ... ich wurde ja schon ein paar Mal drauf hingewiesen. Beim Erstellen habe ich mir darüber tatsächlich keine Gedanken gemacht. Vielleicht könnte der Webmaster einrichten, dass ich auch ne Benachrichtigung bekommen, wenn jemand @NGK eintippt? :Pfeif:

Selbst wenn ich nur ein einziges dieser Wortkreationen im Text unterbringen würde, gäbe dieselbe Kritik, glaube ich mittlerweile.
Ja, das habe ich auch gedacht, als ich die anderen Kommentare gelesen habe. MariaSteffens ist neu und super beeindruckt von deiner Sprache. Was sie ja auch ist. Ich finde, es toll, dass du so anders schreibst, wie du es schaffst, mit Wörtern so große Bilder zu kreieren – das ist sehr beeindruckend.
Vielleicht nehmen wir Wortkrieger diese Kreationen jetzt nicht mehr so wahr, wie jemand der sie das erste Mal liest, weil wir eben schon viele Geschichten von dir gelesen haben und diese dann auch noch analysiert, zerlegt, vielleicht sogar zerredet haben. Das ist schade und es tut mir leid, um jede dieser Kreationen, die wir gar nicht mehr zu schätzen wissen.
Man lernt in diesem Forum so viel, aber manchmal macht man sich selbst alles kaputt, indem man nur noch analysiert und hinterfragt. Schade eigentlich.
Ich werde versuchen an deine nächste Geschichte wieder etwas unbefangener ranzugehen. :)
Trotzdem werde ich auch weiterhin Kreationen hinterfragen, wenn sie mir nicht klar werden, und bin immer noch der Meinung, dass die einzelnen Wortkombinationen mehr Wirkung entfalten können, wenn sie gezielter eingesetzt werden.

Bis morgen in einer Woche (!) und liebe Grüße,
NGK

 

Hallo Isegrims,

leider habe ich gerade nicht die Zeit, einen längeren Kommentar zu schreiben, aber aufgrund der Kommentare hier, ist es mir gerade wichtig zu sagen, dass mich Deine Wortkreationen diesmal in keiner Weise gestört haben (und das will was heißen! ;-)

Gruß Geschichtenwerker

P.S:: Ich habe auch so meine Probleme mit Deiner Geschichte (inhaltlich), konnte mich diesmal aber einfach rein von der Sprache tragen lassen!

 

Vielleicht könnte der Webmaster einrichten, dass ich auch ne Benachrichtigung bekommen, wenn jemand @NGK eintippt?
Nöpe, das geht nicht. Ich verrat lieber auch nicht, dass nach dem Softwarewechsel die Mention-Funktion erst mal gar nicht vorhanden ist. :D

 

Hallo,

ich hab's echt versucht.

Am Flughafen küsst sie ihn, flüstert, wie jung er aussehe, lächelt das Furchengesicht an, die Glatze, den Schleierblick, streicht über seinen Bart.

Sie lächelt also die Glatze an? Sie lächelt den Schleierblick an? Ist es wirklich das, was du meinst?


Als hätten sie den Ausgang eines Labyrinths gefunden, halten sie irgendwann plötzlich an und erreichen das Viertel, aus dem Amandine stammt.

Irgendwann plötzlich. Da geht eine Tür auf und puff! sind die da. Na, ist ein bißchen simpel, oder? So mir nix dir nix sind die da, wo sie sein sollen?

Mit so Wortschöpfungen wie Perlenlachen wäre ich vorsichtig. Ich habe die da Afroamerikanerin im Blick, die mal Werbung für Perlweiss gemacht hat. Kann böse nach hinten losgehen.

Für mich wirkt der Text vollkommen unausgegoren. Was soll mir hier erzählt werden? Irgendwas mit Afrika, irgendwas mit Dämonen, dann noch diesen latent überhöhenden eurozentristischen Blick -Voodoo, bittere Armut, verfaulende Kadaver, ein wenig Sozialromantik, die Dämmerung die Kindergesichter mit Goldfolie überzieht - oh wait, nein, wie Goldfolie. Dann noch so Kreationen wie Silberrückengestalt - sieht der aus wie ein Gorilla, oder wie? Ratlos.

Nee, nix für mich.

Gruss, Jimmy

 

Hallo annami,

ich danke dir herzlich für deinen Leseeindruck und bedaure, dass ich dich mit dem Text nicht mitnehmen konnte. Mir ist schon klar, dass die Geschichte Lücken aufweist, nicht auserzählt ist, gar nicht so sehr darauf abzielt, zu erklären, warum Amandine und Karl an diesem Abend, in dieser Stadt zusammenkommen. Manches kann man erschließen, wenn man will, anderes bleibt verborgen. Im Grunde geht es mir darum, etwas über das Verhältnis von Europa zu Afrika zu zeigen, exemplarisch sozusagen und in einem kurzen Text verdichtet.

Erstens kenne ich deine Figuren nach dem dritten Lesen immernoch nicht.
immerhin hast du den Text dreimal gelesen, weil du dich gefragt hast, wer sie sind. Wer kennt schon jemanden oder sich selbst? Ausschnitte ja, aber Menschen bleiben rätselbeladen.

Ich kann so nicht genug mit den Figuren mitfühlen, kann sie nicht verstehen. Und ohne Leute, durch die und mit denen ich eine Geschichte erleben kann, kann ich diese Geschichte nicht erleben. Dann lese ich einfach nur und es lässt mich kalt.
mm, ja, verstehe ich, mag an der auktorialen Perspektive liegen.

Dann irgendwann bin ich plötzlich hin und hergerissen zwischen Online-Dating und Prostitution (obwohl sie ja eigentlich eindeutig Interesse hat), wobei ich das mit dem Online Dating zuerst dachte, Prostitution kam dann bei Erwähnung des Geldbeutels.
in der Welt, die ich beschreibe vermischt sich Online-Dating, Liebe und Prostitution, die Beteiligten können das kaum unterscheiden

Vielleicht zieht diese Story einfach nicht bei mir. Vielleicht stehe ich einfach voll auf dem Schlauch und blicke gar nichts. Vielleicht bin ich dafür nicht die Zielgruppe. Vielleicht können andere Leute damit eine Menge anfangen, vielleicht verstehen sie alles, vielleicht finden sie es super.
an bestimmte Zielgruppen habe ich beim Schreiben nicht gedacht. Übrigens geht es mir oft so, dass ich Texte lese, die ich nur annähernd verstehe, manchmal gar nicht, trotzdem finde ich manche davon super, ist eine Frage der Leseerwartung.

Ich finde, du solltest den Labyrinth-Vergleich nicht zwei mal in so kurzer Zeit schreiben.
o je, die Dopplung habe ich sofort entfernt, als ich deinen Kommentar gestern las. Wie peinlich, wie blind. Den Labyrinth-Gedanken wollte ich unbedingt unterbringen.

Liebe Grüße aus der Schattennacht
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

Hej Isegrims,

das Lesen deines Textes hat mich verwirrt (so viele offene Fragen) und doch berührt zurückgelassen. Dann las ich die comments und dachte nur: dieses verkopfte Zerpflücken, diesen Verriss hat deine KG nicht verdient. Das ist für mich eine heftige Überreaktion.

Am Flughafen küsst sie ihn, flüstert, wie jung er aussehe, lächelt das Furchengesicht an, die Glatze, den Schleierblick, streicht über seinen Bart. Seine Lippen fühlen sich weich an. Im Hotelzimmer legen sie das Gepäck ab, Karl will sie aufs Bett werfen. Amandine verspricht, die Nacht mit ihm zu verbringen.
Starke Einführung, die in wenigen Worten alles verortet. Für mich liest sich das so: Westlicher Greis kauft sich junge, afrikanische Schönheit, die ihm schmeichelt, um ihren Deal nicht zu gefährden. Was mich nur wundert, ist die Prozedur, die ich mir - ohne allzu viel darüber zu wissen - anders vorstellen würde: Treffen im Büro der Vermittlungsagentur, Erledigung der Formalitäten, Rückflug zu zweit nach Deutschland. Läuft das nicht eh ohne Besuch im Heimatland der Braut?

Als hätten sie den Ausgang eines Labyrinths gefunden, halten sie irgendwann plötzlich an und erreichen das Viertel, aus dem Amandine stammt.
Das plötzlich würde ich ixsen, das passt selten. Plötzlich bedeutet meistens einen Bruch im Textfluss, eine abrupte Verlagerung.

Die Dämmerung überzieht ihre Gesichter wie Goldfolie, Plastiktüten liegen verstreut im Dreck.
Die Goldfolie finde ich umrahmt von Textstellen mit Plastiktüten und-müll nicht wirklich schön. Wie wär´s mit der Dämmerung, die ihre Gesichter zärtlich mit Blattgold betupft? Dann hast du einen Kontrast.

Sie pressen die Augenlider zusammen, werfen Schattenküsse zum Himmel, als wollten sie ihre Träume beschützen.
Da übergibst (verschenkst) du die Deutungshoheit an den Leser, statt ein klares Bild zu vermitteln. Was sind Schattenküsse? Was willst du damit sagen?
Sie pressen die Augenlider zusammen, flüstern Stoßgebete zum Himmel, flehen nach Schutz für ihre Träume? Aber auch das geht nicht, denn sie schlafen?

Während sie an den Schlafenden vorbeigehen, drückt Amandine sich an Karl, hält ihn an der Hand, reibt ihre Hüftknochen an der Silberrückengestalt, ...
Lieber Bauch als Hüftknochen?
… will ihn spüren, herausfinden, ob er ein lebendiger Mensch ist, warm, real, einer, der wegen eines schwarzen Mädchens nach Afrika fliegt, eine Hochzeit zu tanzen und die Ahnengeister zu erfreuen.
Das finde ich gelungen, da kommt der Unglaube (passiert das wirklich?) und der ganze Irrsinn der gekauften Heirat zweier Fremder rüber. Die Ahnengeister würde ich in diesem Zusammenhang außen vor lassen, das ist mir auch zu verklärt.

Über die Vororte von Yaoundé fegt Wind, der Sandkörner durcheinanderwirbelt, zerfetzte Worte, Musik, das Rascheln in den Büschen, über die Lehmstraße weht.
Das letzte Komma ist zuviel.

Karls Businessschuhe knirschen über Sand und Steine.
Budapester? Ist anschaulicher.

Amandine gleitet elegant wie eine Katze vorwärts, berührt die Erde kaum, so geschmeidigzart schwebt sie.
geschmeidig und zart getrennt? Das Bild trifft, die Hoffnung hebt sie über den Dreck.

Er fasst sich an die Hosentasche, wo das Portemonnaie steckt.
Ein typischer Reflex beim Einkaufen kurz vor der Kasse: Habe ich auch wirklich das nötige Geld dabei? Entlarvend.

„Mama hat für uns gekocht“, sagt sie mit Glanzaugen.
„Weißt du, ich freue mich auf das Essen. Bin ganz schön hungrig.“
Hmm, damit habe ich ein Problem. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein alter, westlicher Knochen sich auf afrikanische Küche unter Slumbedingungen freut.

„Du bist schön, Amandine!“
Sie geht langsamer, als müsse sie sich ausruhen.
Ich teile nicht die Vermutung, dass sie krank (:confused:)ist, sondern sehe das (ungewohnte) Kompliment als Ursache ihrer Verlangsamung. Oder sie zögert vor dem letzten Schritt?

... dort, wo Amandine in jeder Ecke Blumenträume, Tränenseen und Hungergesang versteckt hat.
Das ist mir auch zu dick, zu plakativ rauskickend. Da würde ich abspecken.
Wenn du schreibst, sie hat Blumen in abgeschnittenen Kanistern gezogen, wird das Hoffnungsmotiv genauso klar und wenn du schreibst, dass der Boden ihre Tränen geschluckt und die Wände ihre Hungerklage gehört haben, ist das schon dick genug.

Unterdessen erwachen die Kinder aus Zauberträumen, kriechen unter der Decke hervor, schauen sich an, lächeln, öffnen die Schwingen und fliegen los.
Kann ich mir als Bild vorstellen, über die Message kann ich nur spekulieren. Aufgrund der öffnenden Schwingen (Engel?) denke ich, dass sie sterben? Oder meinst du fliegende Träume? Wo liegt die Bedeutung als Schlusssatz der Kernhandlung?

Ob dein Text authentisch ist und die Wirklichkeit Afrikas südlich der Sahara abbildet, kann ich nicht beurteilen. Dennoch wage ich mal eine Einschätzung: Immerhin ist das Elend, der Hunger und die Verzweiflung dort so eklatant, dass sich Menschen als letzte Möglichkeit in die Hände von Schleppern begeben - mit ungewissem Ausgang für ihre Leben.
Da ist ein alter Westler mit hartem Portemonnaie der Hauptgewinn im Lotto. Fragen der Moral bleiben im Angesicht dieser Lebensumstände außen vor.
Um die Missverständlichkeit (verklärende Sozialromantik) zu umschiffen, würde ich empfehlen, jede mögliche Denke in Richtung "Liebesheirat" zu verhindern und alles Süßliche auf den Prüfstand des realen Elends stellen. Haben sie genug Fleisch (in einem Slum???), Bohnen und Obst, oder ist das ein großes Opfer für die Familie, das sie quasi als Investition bringen, weißt?

Ich hoffe, für dich war etwas Konstruktives dabei, denn so war es gemeint.

Peace, linktofink

 

Lieber Friedel,

über den gerade ein himmlisches Donnerwetter hinwegzieht ...
Eine Menge hitziger Sonne lag zwischen den Himmelsdonnerwettern der letzten Tage, aber gerade erst donnerte und blitzte der Himmel und die Sturzbäche werden sicher bald prasseln.
Vielen Dank für deinen Kommentar und die Lesart des Textes. Tatsächlich sind die Namen und der Ort (Yaoundé) nicht unbedacht gewählt (was ich mir mittlerweile aufgrund deiner Anmerkungen angewöhnt habe).
Ob der Text länger sein muss, bezweifel ich, denn in den Namen nicht nur der zwo "Liebenden" steckt alles drin, wessen es m. E. bedarf:

Jaunde - die Hauptstadt Kameruns, eine deutsche Gründung zu Forschungszwecken und Elfenbeinhandel,

Denn die Eingeborenen haben ein kindisches Vergügen am west-östlichen Lebensstandard
... Menschen balancieren Gegenstände auf dem Kopf, halten sich das Smartphone vors Gesicht.
na ja, das war jetzt eher der Rekurs auf die Moderne, die nirgendwo Halt macht.

Sie geht langsamer, als müsse sie sich ausruhen.
meine ich, sollte Konj. II gesetzt werden - oder wer denkt oder sagt da gerade, "Amandi muss sich ausruhen"?
erledigt

Allerbeste Auf-das-Gewitter-folgt-die-Sonne-Grüße
Isegrims

 

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