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Big Little Homes

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04.03.2018
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Big Little Homes

Baschar steht vor der abschüssigen Zufahrt. In der einen Hand hält er einen Zettel, mit der anderen trägt er einen Koffer. Er schaut auf das Holzschild über ihm, dann auf das Papier und geht weiter.
Vor ihm öffnet sich eine Senke, auf deren Flanken sich ein Dutzend Holzhäuser, Zirkuswagen und umgebaute LKW verteilt. Über einigen Dächern steigen schmale Rauchsäulen in die Morgensonne. Irgendwo in der Nähe hört er das leise Knurren von Hunden.
Er geht hinab zu der Feuerstelle in der Mitte des Camps. Ein verkohlter Ast ragt aus dem Steinring. Asche weht über den Rand. Um die Feuerstelle stehen Hocker aus Baumstämmen. In einem steckt ein Beil. Holzscheite liegen im Gras daneben. Durch die Pappeln hinter dem Steinring schimmert ein Arm des Stausees, der sich wie ein grünlicher Tentakel in die Senke schiebt. Auf dem Wasser schweben Nebelschlieren.
Baschar hört etwas. Einige Schritte entfernt steht ein Schuppen, der mit groben Brettern verkleidet ist. Reif liegt auf dem Teerdach, das Kaminrohr raucht, die Fenster sind beschlagen. Ein Keil steckt unter der Tür, sie ist halb nach außen aufgestellt. Aus dem Innern dringt Wärme und Gelächter.

»Hallo, bitte … « Baschar nähert sich vorsichtig, klopft an den Rahmen, hält den Zettel ausgestreckt vor sich, wartet. Das Lachen erstirbt, Stühle werden gerückt, Schuhsohlen quietschen. Baschar fröstelt.
Der erste, der an die Tür kommt, verschränkt die Arme, als er ihn sieht.
»Grüß Gott, der Herr, wie können wir ihm weiterhelfen?«
Baschar sieht die Camouflage-Hose, eine Welle geht durch seinen Bauch. Als er ihm den Zettel hinhält, schaut Baschar zur Seite. Der junge Mann macht keine Anstalten zu lesen. Er mustert ihn, das gebügelte Hemd, die gescheitelten, glänzenden Haare.
»Suche eine junge Frau. Lo … kemper?«
»Lokemper?«, der Mann schüttelt den Lockenkopf. »Kenn ich nich.« Bevor er wieder hineingeht, zieht er mit einem Ruck die Tür vom Keil.
»Mensch, Morschi!« Hinter ihm kommt eine ältere Frau aus der Tür, die Baschar anlächelt, die Schultern hebt und ihm den Zettel aus der Hand nimmt. Sie zieht eine Brille aus der Wolljacke und liest.
»Lodenkemper. Das ist die Tina, die schläft noch, was willst du denn von der?«
Baschar schrumpft, sein Mund kämpft mit den Worten.
»Hab sie getroffen … früher.«

Der Koffer mit den Aufklebern gehört zu ihm, seit Großvater ihn vererbt hat. Als Junge fuhr Baschar mit der Fingerspitze über die bunten Bilder, sog die Buchstaben auf, las Tripolis und Rabat am Meer, Namen wie aus tausendundeiner Nacht. Er mochte Málagas Wappen aus Wellen und Burg, aber auch den einsamen Eisenpickel des Tour Eiffel, die Eule namens Athena vor den aufstrebenden Säulen im Hintergrund, und wo Großvater außerdem war. Er dachte, wenn Fingerspitzen sich im Himmel berührten, hieße das Vatikan.
Später hat er Stadt für Stadt laut gelesen, hat sie auf Vaters Mittelmeer-Karte mit Fingerstrichen verbunden und sich das Land passend zum Klang der Namen vorgestellt. Die Europa-Karte seiner Vorstellung war nicht topographisch, sie bestand aus Tönen, die sich an manchen Stellen zu Melodien vereinigten. Sah er Berge, hörte er ein weißes Pinselstrich-Zermatt über die Schneestille wehen. Sah er ein Karussell, hörte er Vienna wie ein Liebeslied aus dem Riesenrad schallen.
Als später vorbei war, übertönten Bomben die innere Musik, der Regent seiner Heimat führte Krieg gegen das eigene Volk.

Der Seelenverkäufer, mit dem er übersetzte, hatte weder mit den Gondeln aus Venezia, noch mit den stählernen Ozeandampfern der Hamburg-Amerika Linie etwas gemein. Seit der Überfahrt hörte er die Karte nicht mehr. Deutschland war keine Melodie, es war geschäftig und laut. Und Europa war ein Versprechen, das nicht eingelöst wurde.
Jetzt sitzt Baschar vor dem Bretterschuppen und wartet. Durch Gischt, Sonne und Regen sind die Farben der Aufkleber verblichen, die Kanten lösen sich ab. Das genarbte Leder der Kofferhülle ist an den Ecken mit Zwirn vernäht. Der Koffer ist der seidene Faden, der sein Leben in der Senkrechten hält. Mit den Jahren wurde er leichter, der Griff kleiner. Hier in der Fremde ist er alles, was ihm bleibt.

»Machst du dir das nicht zu leicht, Morschi?« Abel hat wieder diesen säuselnden Ton. Das Feuer spiegelt sich in seiner Nickelbrille. »Weißt du, es ist doch viel einfacher, jemanden abzulehnen als Gutes an ihm zu finden.«
»Stimmt, scheiße finden ist einfacher.« Karla lacht weinselig und hebt einmal kurz die Beine. Der Klotz, auf dem sie sitzt, wackelt.
»Ich mein ja nur«, sagt Morschi. »Der stellt sich dahin mit seinem Koffer und dem Zettel in der Hand …« Morschi stochert im Feuer, die Glut knistert.
»… und dann nimmt die Tina den auch noch auf.« Sein Blick wandert über den Platz hinüber zu Tinas altem Bremach-LKW mit Aufbau. Die Gardinen dämpfen das Licht der Fenster, sie leuchten weich in die Nacht wie Positionslichter.
»Da, wo er herkommt, ist Gastfreundschaft heilig.« Abels Miene verbirgt sich hinter dem Vollbart. Einen Moment lauscht er dem Knacken des brennenden Holzes.
»Was würdest du machen, Morschi, … an seiner Stelle?«
»Abel, spar dir das Pädagogen-Gequatsche, ich kann es nicht mehr hören.«
Er will noch mehr sagen und lässt es doch, wieder flackert sein Blick zum Bremach, der neben seinem hölzernen Tiny House steht, gespaltene Lärche an Wand und Dach, traditionell, wie er es in Kärnten gelernt hat, als seine Welt noch in Ordnung war.
»Ich würde zum Amt gehen und mir helfen lassen.«
»Ach so, und du meinst nicht, dass er da schon war?«, Abel lässt nicht locker, »vielleicht läuft er gerade davor weg?«
»Den Grund wüsste ich gerne, weshalb er vor dem Amt wegläuft«, sagt Morschi.
»Hat er dir eigentlich was getan?« Karla läuft eine feine Spur Rotwein aus dem Mundwinkel. Sie wischt mit dem Wollärmel über das Kinn.
»Nee, natürlich nicht, aber darum gehtʹs auch nicht.«

Referendar. Das Wort klang wie eine Drohung. Als Abel das erste Mal vorne stand, überfiel ihn die Hitze. Er entschuldigte sich höflich, ging auf die Toilette, riss sich den Pullover vom Leib und hielt den Kopf unter kaltes Wasser. Nach einer halben Minute bekam er wieder Luft. Er trocknete die Haare mit der Leinenrolle aus dem Spender, ging vor die Tür und lief los. Er lief weg von der Klasse, weg von dem Betonklotz, in dessen Innern sein zukünftiges Leben stattfinden sollte. Erst vor der Wohnungstür fiel ihm auf, dass der Schlüssel in seiner Tasche steckte, die verwaist am Lehrerpult lehnte.
Er holte sich den Notschlüssel vom Nachbarn, klappte das Laptop auf und buchte einen Flug nach British Columbia. Sieben Tage später kaufte er in Whitehorse ein Kanu und ließ es in den Yukon gleiten. Bis Hootalinqua waren die Blasen an den Händen verheilt. Allmählich löste sich der Krampf in den Eingeweiden.
Länger brauchte er, um sich an die schmerzenden Arme und die immergleichen Bewegungen zu gewöhnen. Zugleich spürte er, wie jeder Paddelstich ihm half, die Balance wiederzuerlangen.
In Dawson City hörte er nicht auf. Er ließ die bunten, lauten Kanuten in den Camps hinter sich und paddelte weiter gen Norden. Er blieb allein. Polarlichter, Wracks mit Schaufelrädern, Geisterstädte – all das hatte er gesehen, nichts davon berührte ihn. Er wusste nicht, was er noch suchte, die Einsamkeit tat ihm gut.
Nach weiteren zweieinhalb Wochen bekam er eine Ahnung. Das Paddel ins Wasser zu stechen war gleichbedeutend mit Atmen. Seine innere Unruh richtete sich neu aus und gab die Schlagzahl vor. Unaufhörlich trieb sie ihn voran, Stich auf Stich, gleichmäßig wie der Takt eines Metronoms. Abel paddelte vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung. Er konnte nicht aufhören, der Rhythmus war zu seinem Herzschlag geworden. Als der erste Schnee fiel, lachte er und paddelte weiter. Dass sie ihn in der Einöde fanden, ausgemergelt und halb erfroren, war Zufall.

Zurück in Deutschland mietete er einen Schuppen an der Müritz und baute sein erstes Leistenkanu. Er fuhr die bauchige Form mit den Fingerspitzen ab, wusste, wie es fahren würde, erfühlte, wo er schleifen musste, um es zu trimmen. Von den Kanus, die er in den folgenden zwei Jahrzehnten baute, kam keines zu ihm zurück. Im Netz überschlugen sich Abnehmer mit Lobeshymnen. Abel las nichts davon. Zuletzt hatte ʹAbels Canadierʹ Lieferzeiten von mehreren Jahren – bis es genug war.
Abel Scharchmann kaufte den kleinen Campingplatz am See und baute ihn zum Tiny-House-Park um. Sein letztes Kanu lag vertäut am Steg. Ab und an stieg er noch hinein, doch der Eifer hatte ihn verlassen. Hier in ʹBig Little Homesʹ war er angekommen .

»Worum gehtʹs denn dann?« Abel muss nicht laut werden. Die Worte, die er spricht, sind deutlich.
»Das müsstest du doch am besten wissen«, Morschi deutet mit dem Kinn zu Abel, »du hast beschlossen, keinen mehr auf den Platz zu lassen.«
»Keinen mit Gefährt oder Hänger, das stimmt«, sagt Abel, »… aber der Baschar, der hat nur seinen Koffer.«
»Kommst du jetzt mit sonner ʹBoot-is-voll-Scheißeʹ?« Karla schwenkt den Rotwein, als würde sie fechten.
»Ihr beide wollt das nicht verstehen.« Morschi steckt den Stock tief in die Glut, knetet die Hände. »Ich denk halt auch an Tina.«
»Ah, da liegt der Hase im Pfeffer!«, sagt Karla.
Abel versucht den väterlichen Ton: »Du, die Tina ist alt genug, die weiß, was sie tut. Die war mit dem Bremach bis Mauretanien. Alleine.«
»Weiß ich doch, aber trotzdem: Bei denen zuhause müssen die Frauen Burka tragen, nur ein kleiner Seeschlitz bleibt frei.«
Abel schüttelt den Kopf, atmet laut. Karla ist schneller.
»Aha, bei denen, alles klar. Und du? Du würdest die Frau an den Herd stellen und nebenbei ne Hand voll kleine Morschis werfen lassen. Auch nicht besser.«
»Das sagt die Richtige. Bei dir haben ja alle bisher die Flucht ergriffen.«
Morschi nimmt das Beil und fängt an, von einem Scheit kleine fingerdicke Stücke zu schlagen.
Es dauert ein paar Hiebe, bevor Karla antwortet.
»Das ist nicht fair, Morschbacher, das weißt du auch. Du weißt genau, was bei mir gelaufen ist.« Die Stimme klingt belegt. »Und nur, weil du bei der Tina nicht landen kannst, musst du nicht blind um dich schlagen.«
Morschi springt auf, drischt das Beil in den Hauklotz.
»Der bleibt hier nicht. Dafür sorge ich.«
Er stapft durch das Gras und verschwindet in der Dunkelheit. Nur Momente später knallt die Tür. Außen fällt eine Schindel von der Wand.

Karla war als letzte dazugestoßen. Nach dem Notverkauf des gemeinsamen Hauses hatte sie irgendwo ein klapperiges Wohnmobil aufgetrieben, mit dem sie im Dunkeln aufgetaucht war, weil es keinen TÜV mehr hatte. Ein Haufen Glasfaser und rostiges Blech, der ohne Tape auseinandergefallen wäre. Bis Ende November musste sie es darin aushalten.
Den Stellplatz für das bestellte Tiny House hatte sie direkt in Beschlag genommen, oben am Hang mit Blick über die Dächer zum See. Mit Maßband und Daumen hatte sie die Ausrichtung gepeilt und das Fahrzeug so abgestellt, dass die Tür dort war, wo später der Eingang sein würde. ΄Fürs Feeling΄, wie sie meinte.

Karla steht in der Tür, sie ist in eine Decke gewickelt, der Kaffee in der Hand dampft. Sie schaut über Tinas Bremach zum Bootssteg. Auf dem See hängt früher Nebelflaum. Weißgrau wie seine Haare, als sie ihn verließ. Ein Ziehen in der Leiste, sie atmete es weg. Sie versucht, nicht an ihn zu denken, es geschieht dennoch, einfach so, überfällt ihre Arme mit Nadelstichen, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Seinen Namen versucht sie nicht zu hören, doch er ist in ihrem Ohr. Sie spürt seine Hände, wie sie streicheln, wie sie zu Fäusten wurden. Sie weiß, wenn sie kratzt, wird es schlimmer. Dennoch, manchmal hilft nichts anderes.
Rauch steigt aus Abels Schornstein. Schnarchel sagen die anderen nur, wenn er nicht in der Nähe ist. Die beiden Mischlinge liegen am Fuß der kleinen Stiege. Die Köpfe ruhen auf den Vorderläufen, ab und an zuckt ein Ohr.
Asche vom Vorabend weht über Gras, einzelne Flocken kleben an leeren Rotweinflaschen. Im Steinring glimmen unter weißgrauen Ascheflocken Glutnester.

»Dieser verdammte Kaffer!« Morschi kommt in Gummistiefeln und Bademantel aus dem Sanitärhäuschen geschossen. Er hält unterhalb von Karlas Wohnmobil inne.
»Der hat heute Nacht das Fenster aufgemacht und das Licht angelassen. Auf dem Klo sind alle Falter und Mücken vom ganzen See versammelt. Der Spiegel ist schwarz. Absolut ekelhaft.«
Karla geht den Weg hinunter. Als sie bei ihm ist, liegt ihre Stirn in Falten.
»Woher weißt du, dass er das war?«, sagt Karla.
»Gibtʹs sonst noch jemand, der das nicht weiß?«, sagt Morschi.
»Ja, du letzten Sommer«, kommt es von hinten. Abel steht in der Tür seines Fichte Leichtbau-Tiny. Vom Aludach tropft der Tau. »Wenn ich mich recht entsinne, wusstest du das auch nicht.«
»Das ist doch was anderes.«
»Wieso ist das was anderes?«
»Weil ihr mir das nicht gesagt hattet.«
»Aha, also waren wir eigentlich schuld«, Abel nickt und schiebt die Unterlippe vor, »interessant − so hab ich das noch nie gesehen.«
»… und jetzt die Tina, weil sie dem Baschar auch direkt gesagt hat, wie enorm wichtig das ist«, sagt Karla.
»Wie kann man nur so blöde sein!«, zischt Morschi und geht hoch zu seiner Hütte. Diesmal fällt keine Schindel, als er die Tür schlägt.
»Habe ich was falsch gemacht?« Baschar wirkt vor dem sandfarbenen Bremach wie ein Zwerg.
»Nee du, alles okay, der Morschi ist nur gerade mies drauf, das legt sich wieder.« Karla hustet, zieht die Decke enger.
»Kann ich Frühstück machen?«
»Gerne, kannst mir helfen. Ich zieh mir nur eben was an.«

Monatelang bauten sie den alten Bremach auf, setzten eine Wohnkoje auf die Pritsche, schweißten Bodenbleche und versteckten Reservetanks unter den Bänken. Bei schönem Wetter schraubten sie Solarpaneele aufs Dach, montierten weitere Scheinwerfer und lackierten die Kiste sandfarben.
Tina schoss von allem Fotos. Zusammen wollten sie die Weltreise bloggen und dadurch finanzieren. Crowdfunding, wiederholte er ständig. Crowdfunding, als wäre es eine Zauberformel, die durch häufige Verwendung an Wirksamkeit gewinnt. Nach sechs Wochen hielt er die Enge der Behausung und die Nähe zu Tina nicht mehr aus und floh. Sie wartete eine Weile, er kam nicht zurück.
Tina fuhr alleine weiter, schwebte mit achtzig durch die flirrende Hitze Andalusiens, lenkte den Bremach auf eine Wolke und ließ sich Richtung Süden treiben, über die Straße von Gibraltar, durch rote Königsstädte mit bunten Souks und vorbei an den kargen Hügeldörfern des Atlas.
Butterweiche, einfache Tage, die sich auflösten in nichts, die auf der Zunge schmolzen und nach Fata Morgana schmeckten.
Tablet und Handy lud sie nicht mehr, das Radio ließ sie ausgeschaltet. Sie hielt den Blick gerichtet auf das, was hinter der Landschaft vor der Scheibe lag, als würde der Sand nur eifersüchtig vor ihr verstecken, was er zuvor begraben hatte.

Kurz vor Agadir wurde sie wach, als die Autobahn endete und sich leckende Sandzungen über die Straße legten. Tina füllte sämtliche Kanister und fuhr weiter, bis der Asphalt endete und nur zwei Fahrspuren im Sand blieben.
Der Sand stillte das Blut, trocknete die Schwären in ihrem Innern und half der Haut, durch sein feines Schmirgeln die Taubheit zu verlieren. Sie ritt auf Dünenkämmen, driftete durch die Wüste wie auf Treibsand und hoffte, irgendwann anzukommen, wenn sie nur weit genug führe.
Timbuktu war Richtung, nicht Ziel und tief unten ahnte sie, sie würde es nie erreichen. Ihn und alles Gemeinsame ließ sie in der Staubwolke hinter sich.

»Das Rührei ist köstlich, Baschar.« Tina hat die Haare in einen Handtuch-Turban gedreht. Die Ringe an ihren Fingern klimpern, als sie in den Korb mit den Aufback-Brötchen greift.
Abel braucht nur einen Kaffee und raucht an der offenen Türe.
»Weiß jemand, wo der Morschi bleibt?« Karla werkelt an der Kaffeemaschine.
»Hab gesehen, wie der mit der Karre weg ist«, sagt Abel. »Einkaufen will der bestimmt nicht, … ist ja auch nicht dran.«
»Na, vielleicht ist der nur mal kurz lüften, oder Kippen holen«, sagt Karla.
»Der kann von mir aus bleiben, wo der Pfeffer wächst.« Tina ist sauer. »So wie der drauf ist, meldet er den Baschar beim Amt.«
»Nee du, das macht der nicht.« Karla schüttelt den Kopf. Ihre Stimme klingt ungewöhnlich hoch.
»Bitte, nicht das Amt«, sagt Baschar, schüttelt den Kopf. »Ich gehe nicht zurück.«
Tina schaut ihn an. Unter ihren Augen dunkle Ringe. In ihrem Blick liegt Melancholie und ganz hinten etwas wie Wüstenflimmern.
»Baschar, wir müssen eine Lösung für dich finden.«
»… für uns alle finden«, sagt Karla.
»Und woran hast du da gedacht, Tina?«, Abel schnippt den Stummel in den Rasen.
»Ich dachte …«, Tina zögert, »ich dachte, vielleicht kann der Baschar erst mal hier schlafen, im Schuppen?«
»Im Schuppen? Du weißt selbst, wie schweinekalt es hier morgens ist, bevor wir den Ofen anmachen«, sagt Karla.
»Als Notlösung für ein paar Tage … okay. Aber wenn sich einer beschwert, kann es auch sein, dass der Platz Schwierigkeiten bekommt«, sagt Abel.
Draußen schlagen die Hunde an, ein Motor brummt und kommt zum Stillstand, die Handbremse knarzt.

Zu Beginn räumte Morschi mit den anderen die marode Almhütte leer, fegte zwischen huschenden Mäusen Spinnweben aus den Zimmerecken, schleppte Bodendielen und Schutt durch die Eingangstür. Dann trugen sie Lehmwände und Außenhaut ab, bis das nackte Balkengerüst vor ihnen lag. Er sah die Würfel, die der Pilz gefressen hatte und die Stellen, wo Bock und Wurm sich ins Fleisch gebohrt und stehendes Wasser die Fasern zersetzt hatte.
Nach einer Weile bekam er ein Gefühl für die Arbeit. Er tauschte Verfaultes gegen Frisches, schäftete Balkenenden an, setzte neues Holz ein und heilte das Gerippe Stück für Stück.
Mit dem kleinen Latthammer klopfte er das Skelett ab und erst, wenn das Holz nicht mehr dumpf antwortete, sondern kräftig unter seiner Hand federte und sang, gab er es frei.
Wochenlang nagelte er Lärcheschindeln aufs Dach und setzte Querlatten vor die Stützbalken. Wenn die letzte Lücke geschlossen war, und das Haus fortan das neue, straffe Kleid herzeigte, zog er weiter zum nächsten Haus, das mit seinem Können geheilt werden wollte.

Morschi liebte den Geruch des frischen Nadelholzes, wenn es im Sonnenlicht seinen Harzduft entfaltete. Es erinnerte ihn an Waldspaziergänge, Hand in Hand mit Vater, der ihm erklärte, wie er an Blatt und Stamm den Baum erkennt. Vater, der ihm sagte, auf welchem Boden welches Gewächs gedeiht und der selbst so früh ging, weil etwas im Boden an seinen Wurzeln nagte. Vater, der sich in Zell am See nicht mehr wohlfühlte, seit Frauen vermummt Motorboot fuhren und Restaurants Speisenkarten in arabischer Schrift auslegten. Und der nach der Sache mit Mutter nichts mehr wollte, noch nicht mal sein.
Ganz tief in seinem Innersten glaubte Morschi, wenn er das Holz mit Kenntnis und Liebe bearbeitete, wenn er alles richtig machte, würde es eine Brücke schlagen. Eine Brücke über die Klamm in seiner Seele, die dort war, seit Mutter mit einem ging, der die neuen Speisekarten las, und Vater ihn zum Halbwaisen machte.
Er stellte sich vor, wie seines Vaters Hand über das geriffelte Holz strich, wie er schnupperte und prüfte, leicht mit dem Kopf nickte, über seine Bartstoppeln kratzte und endlich lächelte.

»Baschar schläft bei mir, nicht mit mir.« Tina ist bedient. Sie kann nicht fassen, wie Morschi sich aufführt.
»Na immerhin schläft er mit dir in einem Bett – oder hast du ein Gästezimmer?«
»Selbst wenn, was geht dich das an?«
»Ich will hier keine Probleme. Der soll dahin zurück, wo er herkommt.«
»Er ist also ein Problem, ja? Wie wärʹs denn, wenn du dich verziehst?«, sagt Tina. Ihre Kiefernmuskeln treten hervor. »Ich kann dich eh nicht mehr ertragen.«
Morschis Hand trifft Tina nicht im Gesicht, sondern wischt an der Schläfe vorbei. Er hebt nochmal die Hand, dann blinzelt er und fällt in sich zusammen. Tina reißt den Mund auf, fährt mit der Hand an die Stirn, sie bringt keinen Ton heraus.
»Nicht schlagen ...« Baschar drängt sich zwischen Tina und Morschi, hebt die Arme. »Ich gehe ..., ich gehe schon.«
»Du bleibst. Wir reden mit Morschi.« Abel steht in der Tür, schaut Morschi an und deutet mit der Hand nach innen. »Jetzt.«
»Leute, Leute.« Karla schüttelt den Kopf, dann geht sie hinein. Die anderen folgen. Abel als Letzter schließt die Tür.
»Ich hab das alles schon erlebt, ich weiß, wie das endet«, sagt Morschi.
»So, du hast schon alles erlebt«, sagt Tina, »und du meinst, du musst uns arme, germanische Frauen beschützen? Und wenn wir nicht gehorchen, schlägst du uns?«
»ʹTschuldige, ich wollte das nicht.« sagt Morschi. Er faltet seine Hände, drückt die Nägel in den Handrücken.
»Glaube ich dir aufʹs Wort«, sagt Tina.
»Meine Mutter ist mit so einem weggegangen«, sagt Morschi und schaut auf seine Hände.
»Na und? Durfte sie das nicht, sollte sie dich fragen oder was?«, sagt Karla.
»Du musst unterscheiden lernen«, sagt Abel, »das Leben ist selten einfach und viele Dinge sind auf den zweiten Blick doch ganz anders.«
»Und deshalb hast du keinen Kontakt mehr?«, sagt Tina. »Verstehe ich nicht, absolut nicht.«
Morschi springt auf und schreit: »Verdammt, mein Vater wollte danach nicht mehr, der ist vom Berg gesprungen.« Tränen laufen über seine Wangen. Sein Blick wandert zu Tina, die Hände reden mit. »Nichts kann je wieder gut werden«, sagt er und fährt leise fort: »Es schien nur so, für einen Moment.«

Als sie eine halbe Stunde später aus dem Schuppen treten, ist von Baschar keine Spur zu sehen. Etwas liegt im Feuer und qualmt. Abel zieht mit dem Schürhaken den rauchenden Koffer aus dem Feuer. Das Beil steckt im Deckel, zwischen Tripolis und Rom. Als er ihn aufklappt, sehen alle, dass der Koffer leer ist.
Die Hunde bellen übers Wasser. Tina schlägt die Hand vor den Mund und stöhnt. Den Grund sehen die anderen erst, als sie ihrem ausgestreckten Arm folgen und zwischen den Bäumen hindurchsehen. Abels Kanu dümpelt draußen auf dem Arm des Stausees. Es ist leer. Das Paddel treibt davor, neben einem dunklen Fleck, der ein Baumstamm sein kann und auch alles andere.

 
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Hola @linktofink,

ja, da isse ja – Deine mit Ungeduld erwartete Challenge-KG!

Beginnt mit einem Cinemascope-Rundumblick, den Du vielleicht überdenken könntest.
Mir ist er zu unruhig. Was da alles aufgezählt wird in einem einzigen Satz, bis hin zur ‚terrassierten Böschung’, die gut und gerne mit ‚am Wasser’ ersetzt werden könnte.

Reif steht auf dem Teerdach, ...

Nicht ‚Reif liegt ...’? Das Teerdach – nicht ‚Dach’? Für mich wäre ein bereiftes Dach die beste Lösung.

Am Ende des ersten Abschnitts scheint Baschar tatsächlich die Frau gefunden zu haben. Allerdings fand ich für eine Kurzgeschichte sehr viel Beredsames.

Es wird sich noch herausstellen, ob das als Information für den weiteren Verlauf von Bedeutung ist oder ob es entbehrlich wäre.

Ich weiß, das Du nicht schreibst und einstellst, sondern am Text rackerst. Deswegen glaube ich, dass alles, was ich lese, so und nicht anders zu sein hat im Sinne des Autors.

Trotzdem maße ich mir an, ein paar mögliche Streichkandidaten aufzulisten, weil Baschar in der Zufahrt steht – und steht:

Er schaut hinab zu dem Steinring, aus dem ein halbverkohlter Ast ragt.

Mir genügte ‚Feuerstelle’.

Um die Feuerstelle liegen in loser Anordnung Abschnitte von Baumstämmen. In einem aufgestellten steckt ein Beil.

Das Kursive brauch ich nicht. Und ‚Abschnitte von Baumstämmen’ (statt ‚Scheite’ o. ä.) ist ziemlich umständlich, mMn.

Vor einem der hinteren Häuser knurren zwei Hunde.
Das sind die Mischlinge, die zum Ende hin nochmals auftauchen, ebenfalls ohne Funktion.
Baschar sieht die Camouflage-Hose, ...

Hingegen weiß ich durch dieses Detail, was für ein Typ ...

Der Koffer mit den Aufklebern gehört zu ihm, seit Großvater ihn vererbt hat.

Bisschen putzig, denn anders wäre es nicht möglich.
Den Koffer mit den Aufklebern hat ihn Großvater vererbt / hat er von G. geerbt.
Das ‚gehört zu ihm’ stört mich, weil es holpert.

Die Faszination der Aufkleber hast Du prima beschrieben, beinahe Richtung Märchen, und sollte enden mit:

... hat sie auf Vaters Mittelmeer-Karte mit Fingerstrichen verbunden und sich das Land passend zum Klang der Namen vorgestellt.

Fabelhaft. Jetzt aber kommt die erklärende wissenschaftliche Zusammenfassung:
Die Europa-Karte seiner Vorstellung war nicht topographisch, sie war lautmalerisch.
Peng!

Sah er Berge, hörte er ein schwarzes Pinselstrich-Zermatt über die Schneestille wehen.
Sah er ein Karussell, hörte er Vienna wie ein Liebeslied aus dem Riesenrad schallen.

Mein lieber Jollie, hier kommt’s bisschen dicke mit der Dichterei; ich kann es auch nicht mit Baschar verbinden.

Als später vorbei war
, übertönten Bomben die innere Musik, ...

Das Fette finde ich bei aller Kreativität nicht gelungen.

Gelungen finde ich die Beschreibung des Koffers. Auch hier viele schöne Details, doch allesamt bezogen auf das Subjekt – und nicht wie zu Beginn über alles Mögliche.

Der Seelenverkäufer von Trawler, mit dem er übersetzte, ...

Ohne das Fette genau so gut.

Bremach? Google half. Und der hat tatsächlich Bullaugen? Bei Google nicht.

Die Gardinen dämpfen das Licht der Bullaugen weich, ...

Weich dämpfen? Dämpfen oder machen das Licht weich, würde ich sagen.


Gut gefallen hat mir Abels Hitze und die ‚Stich um Stich-Therapie’. Schöne Bilder.

Zugleich spürte er, wie jeder Paddelstich ihm half, die Balance wiederzuerlangen.

Das Paddel ins Wasser zu stechen war gleichbedeutend mit Atmen.


Jawohl, Herr linktofink!

(Neugierde: Gibt’s da wirklich schon Polarlicht?)

Bin gespannt, ob und wie sich Baschar und Abel über den Weg laufen.

Als der erste Schnee fiel, lachte er. Dass sie ihn fanden, ausgemergelt und halb erfroren, war Zufall.

Hier passt es für mich nicht. Ich nahm an, Abel sei ‚genesen’, also wieder fit und gesund, doch bei diesem Bild ist er ein Idiot. Hätten sie ihn nicht gefunden, wär’ er verreckt. Oder war er dermaßen vom Metronom getaktet, dass er immer weiter paddeln musste :hmm: ?

... baute sein erstes Leistenkanu.

Der linktofink ist Techniker. Ich aber nicht.

Er ging die bauchige Form mit den Fingerspitzen ab, ...

Geht mit den Fingerspitzen – nicht ‚fährt mit den F.’ oder lässt seine F. gleiten?

Die Worte, die er spricht, haben eine Farbe.

... haben eine Farbe – und welche? Ich würde den Satz neu erfinden – so überzeugt mich der nicht.

kleiner Seeschlitz

Abel schüttelt den Kopf, atmet laut.

Hat der Asthma? Pardon. Für 'laut atmen' gibt's schöne Synonyme.

Morschi springt auf, drischt das Beil in den Hauklotz.

Ich erinnere mich vage. Das Beil wurde schon zu Beginn avisiert. Jetzt kommt's zum Einsatz!

Doch wir sind schon in Bulgarien – und das wird mir zu bunt. Die Geschichte zerfasert, die Unruhe ist durchgängig, ich verliere den Spaß am Lesen.

Warum muss der Autor so viel Verschiedenes in einen Kurzgeschichten-Text pressen?

Dieses ungute Gefühl, wenn sich der Text zieht, überkommt mich.
Noch ein paar Randnotizen:

Über dem See hängt ein Teppich geflochtener Nebelschleier.

Klingt gut, kann aber kein Bild entwickeln. Ein Teppich ist ein Teppich, Schleier sind Schleier.

Hinter ihr auf der Flachstelle stehen nur noch Abel und Zankov, ...
entbehrlich

... die Fenster seines Zirkuswagens sind verrammelt. Er hat bei Abel ein Wort für sie eingelegt, deshalb darf sie bleiben. Zankov ist ein Bekannter von ihm. Ein Ziehen in der Leiste. Sie versucht, nicht an ihn zu denken, es geschieht dennoch, einfach so, und überfällt ihre Arme mit Nadelstichen. Er, Er, Er. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Seinen Namen denkt sie nicht. Sie weiß, wenn sie kratzt, wird es schlimmer.

Hier braucht es Leser, die helle sind. Ich gehöre nicht dazu.

Im Steinring ...
Hoher Wiedererkennungswert:D! Lieber linktofink, hast Dir wieder mal viel Arbeit gemacht, und dass Du gut schreibst, weiß mittlerweile jeder. Hast auch schon beachtliche Texte abgeliefert, da spürt man den Willen, irgendwann zur Spitze zu gehören. Meine guten Wünsche begleiten Dich.

Was ich oft in Deinen Texten finde, ist Detail-Liebe. Egal, welches Genre Du bedienst – Du recherchierst wie verrückt und musst / willst davon recht viel im Text unterbringen:

Nonnenhäubchen
Hootalinqua
Leistenkanu
Crowdfunding (ein Wahnsinns-Gegenpol zu Baschar!)
Latthammer

... und schwängerst oft den Text mit Nebensächlichkeiten – für Leute wie mich, die nicht so genau sind und gerne ohne allzu viel Umschweife zum Kern gelangen möchten. Und die stört so etwas wie das Fette:
... setzte eine Wohnkoje aus Pappelsperrholz auf die Pritsche, schweißte Bodenbleche und versteckte Wassertanks unter den Bänken.

Das Personal, dann noch mit Jens und Zankov unnötig aufgebläht, verstärkt den Leseeindruck, dass hier nicht nur viel gewollt, aber auch tatsächlich reingedrückt wurde.

In ihrem Blick liegt Melancholie und ganz hinten etwas wie Wüstenflimmern.
Ja, Gopfriedstutz!
... zeigte ihm die Würfel, die der Pilz gefressen hatte und die Stellen, wo Bock und Wurm sich ins Fleisch gebohrt und stehendes Wasser die Cellulose zersetzt hatte.

Dass stehendes Wasser Cellulose zersetzt, interessiert keine Sau, mit Verlaub. Das überfrachtet nur den Text. Wasserschäden reicht.

schäftete Balkenenden an
Raus damit! (Mein Vorschlag).

... klopfte er das Skelett ab und erst, wenn das Holz nicht mehr dumpf antwortete, sondern kräftig unter seiner Hand federte und sang, gab er es frei.

Alles gut und richtig, bist ja Fachmann. Doch wie gut das auch formuliert ist – packen kann mich das nicht. Ich empfinde es als Eitelkeit des Autors;) und als unnötigen Ballast.

Wochenlang nagelte er gespaltene Lärche aufs Dach, dreifache Überdeckung, setzte Querlatten vor die Stützbalken und bestückte sie mit Fichtenschindeln.

Ein Blick ins Fachbuch. Schreib doch, dass er das verdammte Dach in Ordnung bringt und basta.

Abels Kanu dümpelt draußen auf dem Arm (ja, wir hatten schon den TentakelX) des Stausees.

Auch hier eine Verwässerung durch überflüssige Genauigkeit. In Deinen bisherigen Texten habe ich diese Neigung zu gründlicher Darstellung wahrgenommen, doch hier nervt sie mich.
Mein Tipp wäre, die Motorsäge zu nehmen und gründlich auszuholzen.

Lieber linktofink, ich erlaube mir diese Offenheit, weil wir uns kennen und schätzen – sonst hätte ich nicht kommentiert.

Aber das Finale haste gut hingekriegt.


Wir sehen uns im Mittelfeld der Challenge!
José

edit Hola @linktofink, Du Geplagter - ist nur eine Kleinigkeit:

Um die Feuerstelle liegen in loser Anordnung Abschnitte von Baumstämmen. In einem aufgestellten steckt ein Beil. Holzscheite liegen im Gras daneben.
(Aktueller Text)
Klipp und klar unterschieden in Feuerholz / Scheite und 'Abschnitte von Baumstämmen' (die ich als Feuerholz und nicht als Sitzgelegenheit verstand). MMn wirken die A v. B. immer noch ungelenk - warum nicht (Holz)klötze oder Sitzblöcke?

 

Hallo linktofink,

ich habe deine Geschichte zweimal gelesen. Vorhin schon, und da bin ich genauso wie @josefelipe über die Genauigkeiten vieler Beschreibungen gestolpert. Das brachte mich dann leider etwas raus. Beim zweiten Lesen schwor ich mir dann, diese lästige kleine Novaksche Stilschnüffelnase in meinem Kopf einfach mal auszuschalten, mir zu sagen, ja, vieles ist zu genau, das muss ich ihm sagen, aber jetzt halt die Klappe, Schnüffel, außerdem hat jose da schon sehr viel Wichtiges dazu gesagt, dann bin ich über manches einfach mit dem Auge hinweggehuscht und was passierte? Ich habe eine sehr schöne, atmosphärisch dichte, sehr melancholische Geschichte gelesen über einen Haufen verlorener Seelen, denen das Leben tiefe Wunden geschagen hat. Eine Art von Notgemeinschaft, die auf Abels Campingplatz ein wenig Geborgenheit finden. Und trotzdem schaffen es nicht alle, diesen kleinen Schutz für alle, bzw. auch für, die neu hinzustoßen, gelten zu lassen.
Sehr schön finde ich, wie du immer wieder die Perspektive wechselst und uns Leser in die Köpfe des jeweiligen Bewohners schauen lässt.
Auch das Ende passt, ich mag die Bilder sehr, den leeren, im Feuer schwelenden Koffer, das auf dem See treibende leere Kanu.
Was ich konstruktiv außer meinem Lob dalassen kann, ist die Unterstützung Joses, die Beschreibungen noch einmal anzuschauen. Deine Genauigkeit hat schon ihre Berechtigung, weil man sich die Situation, das gesamte Ambiente gut vorstellen kann, es fühlt sich echt an, aber es würde sich auch noch echt anfühlen, wenn du dich traust, ein paar der Übergenauigkeiten rauszustreichen. Vielleicht hin und wieder sogar echter.
Ich weiß auch nicht, ob es nötig ist, dass der Leser genau weiß, dass der Mann, der Karla so verletzt hat, mit Zankov, dem Co von Abel, zu tun hatte. Den Zankov brauchst du eigentlich gar nicht. "Er" könnte genausogut ein Bekannter von Abel sein. Oder noch nicht mal. Abel könnte sie genausogut auch so dort wohnen lassen. Ohne gutes Wort durch einen anderen.

Monatelang baute Jens nach der Arbeit und wochenends den alten Bremach auf, setzte eine Wohnkoje aus Pappelsperrholz auf die Pritsche, schweißte Bodenbleche und versteckte Wassertanks unter den Bänken. Bei schönem Wetter schraubte er Solarpaneele aufs Dach, montierte vorne Extra-Scheinwerfer und half Tina, die Kiste sandfarben zu lackieren.
Zusammen wollten sie die Weltreise bloggen und dadurch finanzieren. Crowdfunding, widerholte Jens ständig. Crowdfunding, als wäre es eine Zauberformel, die durch häufige Verwendung an Wirksamkeit gewinnt. Nach sechs Wochen hielt er die Enge der Behausung und die Nähe zu Tina nicht mehr aus und floh.
Den Abschnitt habe ich zitiert, weil ich es sehr ungeschickt fand, dass du den gesamten Abschnitt so ausführlich und minutiös mit Jens beginnst, dem Grund für Tinas späteres "Stranden" auf dem Campingplatz. Man denkt sich automatisch, das wäre einer der anderen Bewohner und kommt ins Stutzen. Jens ist nur eine Hintergrundinfo der Geschichte und kein wesentlicher Teil wie Tina. Was den bewegt hat, ist mir als Leser doch schnuppe, du hast mir die Tina nahegebracht und nicht Crowdfunding-Jens. Da fühle ich mich gearscht, wenn ich dann merke, der gehört da gar nicht hin, der bummelt allenfalls hin und wieder in Tinas Oberstübchen rum. Alles danach, also wie sie immer weiterfährt, wie die Natur sie heilt und ihre Wunden verschorfen lässt, dann verstehe ich auch, warum du das schreibst und dass das da stehen bleiben muss.

In diesem Zusammenhang etwas, was ich an deiner Geschichte einfach sehr besonders und wunderschön fand. Alle die Personen, ob das Abel ist oder Tina oder Karla oder Morschi haben zwar ein Heim gefunden, oder sich sogar irgendwie geheilt, gleichzeitig ist bei allen klar, dass sie nicht mehr in einem normalen bürgerlichen Leben bestehen könnten oder wollten. Ganz besonders eindrücklich fand ich das bei Abel und Tina. Die sind beide durch die Natur geheilt worden. Durch eine jeweils ganz andere Natur. Ich fand das wunderschön, zu lesen, wie du die Natur in Bezug auf diese beiden so unterschiedlichen Menschen gezeichnet hast. Bei beiden ein jeweils so besonderer Vorgang und doch haben sie etwas Gemeinsames in ihrem Trost in der Natur. Aber kann man sich diese Menschen in einem Frankfurter Mietshaus mit dem Blick auf das nächste graue Mietshaus vorstellen? Nein, kann man nicht. Und das rafft man durch deine sehr sensible Art, wie du diese Menschen in ihrer jeweiligen Natur- und Heilungsumgebung gezeigt hast.
Ja, diesen Aspekt fand ich sehr deutlich, sehr auffällig und sehr wunderschön von dir gemacht.
Vielleicht noch ein Wort zu Baschar, man weiß eigentlich nicht viel von und über ihn. Vieles nur aus wenigen Gesten. Ich finde auch das sehr gut gemacht, denn Baschar ist eigentlich gar nicht so sehr die Hauptfigur in diesem Text, er ist eher ein Katalysator. Er ist in seiner zurückhaltenden und hilflosen Art derjenige, an dem die "Geborgenheit" des Platzes, der big little Homes, aus Angst und Eifersucht auseinanderbricht.

Und jetzt noch bisschen Kleinkäs:

Karla stieß als letzte dazu. Nach dem Notverkauf des Hauses hatte sie irgendwo ein klapperiges Wohnmobil aufgetrieben, mit dem sie mitten in der Nacht auftauchte, weil es keinen TÜV mehr hatte.
Den ersten Satz des Abschnittes hätte ich im PQP begonnen. Es erleichtert die zeitliche Orientierung.

Machs gut, viele Grüße von Novak

 

Gude @linktofink,
ein schöner, poetischer Text. Ich habe etwas gebraucht, um reinzukommen. Der Anfang erscheint mir etwas unrund. Ich versuche mal am Text zu zeigen, warum ich trotz vieler Beschreibungen nicht genau weiß, was wo ist:
"Er schaut hinab zu dem Steinring, aus dem ein halbverkohlter Ast ragt. Um die Feuerstelle liegen in loser Anordnung Abschnitte von Baumstämmen. In einem aufgestellten steckt ein Beil. Durch die Pappeln dahinter ..."
Die Pappeln hinter dem aufgestellten Baumstamm, dem Steinring oder doch eher zwischen der Siedlung und dem See?
"... schimmert ein Arm des Stausees, der sich wie ein grünlicher Tentakel in die Senke schiebt."
Liegt hinter den Pappeln eine Senke oder liegt das gesamte Gelände, auf dem die Siedlung ist, in einer Senke? Ich glaube, es würde einfacher, wenn die Senke beschrieben wird, bevor etwas an ihr orientiert wird.
"Auf die terrassierte Böschung verteilt sich etwa ein Dutzend Holzhäuser und umgebaute Fahrzeuge."
Ich weiß nicht, wo genau am See diese Böschung ist. Ich gehe bei der Beschreibung in etwa von einer Kamerafahrt aus, wenn ich nicht mehr Infos erhalte. Das heißt ich sehe die Feuerstelle, dann Pappeln, dann einen See, dann eine terrassierte Böschung. Aber ich glaube, die Reihenfolge ist eher Feuerstelle, Häuser, Pappeln, See und das alles in einer Senke, oder?
--> Ich würde für den ersten Absatz vorschlagen, vom großen ins kleine zu gehen. Der Anfang mit der Feuerstelle kann vielleicht bleiben, aber spätestens dann würde ich einen expliziten Zoom raus empfehlen; z.B. "Baschar war in die Senke hinabgestiegen. Von der Feuerstelle war es nicht weit zu den Häusern, hinter denen einige Pappeln lagen ..."
Das ist vielleicht unspektakulärer, aber die Beschreibung der gesamten Umgebung sollte vor allem erstmal klar sein.

Den Abschnitt habe ich zitiert, weil ich es sehr ungeschickt fand, dass du den gesamten Abschnitt so ausführlich und minutiös mit Jens beginnst, dem Grund für Tinas späteres "Stranden" auf dem Campingplatz. Man denkt sich automatisch, das wäre einer der anderen Bewohner und kommt ins Stutzen.
-> Hier würde ich mich Novak vollständig anschließen. Ich hatte zusätzlich noch den Effekt, dass ich beim Lesen des Namens Jens und dem Gedanken, dass jetzt noch ein Anwohner beschrieben wird, auch einen kurzen Schnauzevoll-Moment, was diese "ganzen Rückblicke" angeht. Ich dachte mir dann: Toll, jetzt wird auch noch ein Jens beschrieben und dann fehlen noch xyz, kommen wir irgendwann zur Handlung ...
Kommt ja zum Glück anders, aber das würde ich dann wie Novak vorschlägt, direkt auf Tina selbst münzen.

Ansonsten musste ich im Laufe des Textes immer mal wieder stoppen und Begriffe googlen (z.B. die Autonamen), aber auch Kaffer und anderes. Bei den Schreinersachen (Latthammer z.B.) bin ich ausgestiegen. Ich glaube nicht, dass das schlimm ist, da man sich aus dem Kontext erschließen kann, was was ist, oder auch überlebt, wenn man den Unterschied von "normalem" Hammer zu "Latthammer" nicht kennt. An der Stelle: Was ist GFK? :Pfeif:
Als allerdings das erste mal "Tiny" stand als Kurzform für Tiny House (oder?), war ich wirklich ahnungslos. Gerade, da das Konzept meinem Eindruck nach noch nicht so geläufig ist, würde ich das vielleicht zunächst ausschreiben.

Hier holpert es mal meiner Einschätzung nach:

las das arabische Tarāblus und Rabat am Meer mit dem stehenden roten Dominostein
Keine Ahnung, was das Tarablus ist, aber wahrscheinlich was zum Lesen. Rabat ist aber eine Stadt. Dass der rote Dominostein der Koffer ist, braucht auch einen Moment.
Wenn ich das für mich auf "deutsch" übersetze, steht da:
"las den deutschen Goethe und Berlin an der Heide mit dem blauen Koffer."
Da komme ich nicht mit, was die Stadt da zu suchen hat und die Anbindung des Koffers über "mit" erscheint mir auch irgendwie schief. Ich glaube, das sollten zwei Sätze werden :shy:

Als er das erste Mal vorne stand,
Da komme ich inhaltlich nicht ganz mit. Als er das erste Mal in seinem Leben vor einer Klasse stand? Das gibt's doch häufig schon in der Grundschule. Spätestens am Anfang der weiterführenden wird das geübt. Da kriegt man aber noch keinen Flug nach British Columbia.
Ich vermute mal, dass der Situation eine Umbruchsituation vorgeschaltet ist, die hier ausgelassen wird. Ich bräuchte sie, um Abel folgen zu können. z.B. "Als er nach dem Umzug, zum ersten Mal vor der neuen Klasse vorne stand." Oder nachdem er aufs Internat geschickt wurde.

Kleinigkeit:

Wie ein Metronom treib er ihn voran
*treibt

Und zum Schluss vielleicht ein etwas drastischer Kürzungsvorschlag: Der Koffer ist für mich der geheime Star der Geschichte. Die Beschreibungen der Aufkleber, der damit verbundenen Vorstellungen und Hoffnungen sind wirklich sehr schön. Mir hätte es damit auch gereicht, wenn das Ende gewesen wäre, dass Baschar diesen Koffer - die komprimierte Hoffnung - am Ende ins Feuer wirft und verschwindet. Der angedeutete Selbstmord ist mir da einfach zu viel, zu dick aufgetragen - auch angesichts der Tatsache, dass man wirklich wenig von Baschar erfährt. Lenkt dann vielleicht auch ein Stück von der m.E. gelungenen Symbolik ab.

So viel zunächst von mir, ich hoffe, es war nützlich.


Liebe Grüße
Vulkangestein

 

Liebe Leute, ich bitte um etwas Geduld, am WE werde ich antworten. Peace ...

 
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Hallo @linktofink!

Auch ich musste die Geschichte zweimal lesen.

Im Grunde schließe ich mich den Vorkommentaren an - toller Text, linktofinksches Tarieren zwischen Genauigkeit, Echtheit und poetischer Sprache, der Wunsch, mit Sprache die Welt zu durchbrechen. Aber auch ein Text, der an vielen Stellen abbiegen und abzweigen könnte, ein bisschen wie das Gleisvorfeld eines Kopfbahnhofs für Nicht-Eisenbahner. Irgendwo ist da ein System zwischen den Weichen und Signalen.

Aber ich belasse es mal bei diesem Bild. Also, wie gesagt: Ein sprachgewaltiger Text, der natürlich an manchen Stellen über das Ziel hinausschießt. Dementsprechend eine Kritik auf hohem Niveau und wie immer, subjektiv und assoziationsreich.

Big Little Homes

Titel kannst du.

Um die Feuerstelle liegen in loser Anordnung Abschnitte von Baumstämmen. In einem aufgestellten steckt ein Beil. Durch die Pappeln dahinter schimmert ein Arm des Stausees, der sich wie ein grünlicher Tentakel in die Senke schiebt. Auf die terrassierte Böschung verteilt sich etwa ein Dutzend Holzhäuser und umgebaute Fahrzeuge.

Mir gefällt der Aufbau der Landschaftsbeschreibung, der aber, meines Geschmacks nach, noch ein Ticken stärker sein könnte. Der zweite Satz greift ja die Baumstämme unmittelbar auf, der dritte geht auf die Bäume ein, der vierte bezieht sich zum Stausee. Ich sehe darin eine Abfolge, die durch eine stärkere "Verschachtelung" der einzelnen Elemente ordentlicher und lesefreundlicher wirken könnte. "Aus dem Salat kriecht eine Made, die entpuppt zum Schmetterling, der einen Wirbelsturm verursacht und Kohlkopffelder zerstört", so in die Richtung. Ist das lesefreundlich? Nö. Na gut. Egaaal...

Du hast, sofern ich das einschätzen kann, ein Händchen für Beschreibungen, die direkt in eine bestimmte Stimmung zielen - Tentakel also, Tentakel können gefährlich sein, schnappen ein, sind klebrig, lassen einen nicht los und dienen der Fortbewegung wie der Jagd nach Beute.

Der Koffer mit den Aufklebern gehört zu ihm, seit Großvater ihn vererbt hat. Als Junge hat Baschar die Bilder und Buchstaben aufgesaugt, las das arabische Tarāblus und Rabat am Meer mit dem stehenden roten Dominostein. Er mochte Málagas Wappen aus Wellen und Burg, aber auch den einsamen Eisenpickel des Tour Eiffel, die Eule namens Athena vor den aufstrebenden Säulen im Hintergrund, und wo Großvater außerdem war. Er dachte, wenn Fingerspitzen sich im Himmel berühren, heißt das Vatikan.
Später hat er Stadt für Stadt laut gelesen, hat sie auf Vaters Mittelmeer-Karte mit Fingerstrichen verbunden und sich das Land passend zum Klang der Namen vorgestellt. Die Europa-Karte seiner Vorstellung war nicht topographisch, sie war lautmalerisch. Sah er Berge, hörte er ein schwarzes Pinselstrich-Zermatt über die Schneestille wehen. Sah er ein Karussell, hörte er Vienna wie ein Liebeslied aus dem Riesenrad schallen.

Ein langes Zitat, ein langes Lob. Finde ich super. Mensch linktofink, du kannst einfach toll beschreiben. Ganz einfach. Dein Achten auf Details - korrekte Akzentuierung Málagas - spricht für eine sorgfältige Arbeitsweise. Den Absatz liest und liest und liest man, ständig feuert ein neuer Eindruck, die Assoziationen laufen durch. Nur verlangst du dem Leser einiges ab, denn geistig sah ich Feuerstellen, Holzkohlereste und Stausee-Tentakel, eine Herbst-Nebel-Stimmung und die Freude über warmes Feuer samt der Furcht vor Kälte außerhalb des Feuerkreises. Camouflage-Hosen. Nasskalte Pappe. Sowas eben. Plötzlich also das staubige Málaga samt arabischem Einschlag und eine vielsagende Beschreibung vom Vatikan.

»Machst du dir das nicht zu leicht, Morschi?« Abel hat wieder diesen säuselnden Ton. Das Feuer spiegelt sich in seiner Nickelbrille. »Weißt du, es ist viel einfacher, jemanden abzulehnen als Gutes an ihm zu finden.«
»Stimmt, scheiße finden ist einfacher.« Karla gackert und hebt einmal kurz die Beine. Der Stamm, auf dem sie sitzt, wippt.
»Ich mein ja nur«, sagt Morschi leise. »Der stellt sich dahin mit seinem Koffer und dem Zettel in der Hand … tse.« Morschi stochert wild im Feuer, die Glut knistert.
»… und dann nimmt die Tina

Es begann mit der Frau Lokemper. Baschar, ah jetzt der Morschi und jetzt tauchen Abel, Karla, Tina auf. Ich kann mir vorstellen, dass hier manch ein Leser aufgibt. Es ist schlichtweg nicht klar, wer was wo wie wann weshalb - macht. Das heißt nicht, dass ich den Text schlecht finde, nein, nein, und diese ständige Floskeln des 21. Jahrhunderts von "Reduktion!" "Effizent!" "Kurzer Satz!" dienen manchmal eher als Totschlagargument denn als gut gemeinter Ratschlag. Aber die subjektive Grenze zum "Zuviel" liegt in diesem Absatz sehr nah.

Die Gardinen dämpfen das Licht der Bullaugen weich, sie strahlen in die Nacht wie Suchlichter eines Forschungs-U-Boots.

Vielleicht besser ein simples "Unterseeboot?" Oder möchtest du diese Sachebene weiter ausbauen? Tentakel, U-Boot, schwarze und weiße Raucher, Schlammsedimente, Leben im lichtlosen Raum, Plankton...fände ich einen sehr schönen Ansatz. Für eine andere Geschichte.

Als er das erste Mal vorne stand, überfiel Abel die Hitze.

Ja, da ist sie, die Grenze vom "Zuviel", besonders der Hinweis dann auf British Columbia, mit einem kurzen Vorausflug nach Kärnten. Gut, ich mag alte Reiseberichte und Texte mit Städten oder Dörfern in der Hauptrolle, deswegen reagiere ich vielleicht zu stark darauf.

Karla stieß als letzte dazu.

Erst hier begriff ich deine Geschichte. Die Struktur. Die angesprochene Unruhe der Geschichte verschwindet.

Im Grunde gelten für die folgenden Abschnitte das, was ich bereits angesprochen habe.

Rauch steigt aus Abels Schornstein. Schnarchel sagen die anderen nur, wenn er nicht in der Nähe ist.

Mir gefallen die aufeinanderfolgenden Sätze. Schornstein, Schnarchel, was für ein blöder, treffender Namen für Abel. Das könntest du gerne früher einbauen, Schnarchel charakterisiert Abel besser als die British-Columbia-Kanubau-Rückblende.

Die Ringe an ihren Fingern klimpern, als sie in den Korb mit den Aufback-Brötchen greift.

Auch hier, ein toller Satz, sehr echt, sehr plastisch, sehr "da".

Kurz vor Agadir wurde sie wach, als die Autobahn endete und sich leckende Sandzungen auf die Straße legten.

Elemente deiner Landschaftszuschreibungen weisen etwas verzehrendes, verschlingendes, an sich ziehendes auf. Leckende Sandzungen, Tentakel. Manchmal habe ich den Eindruck, aus deinen Texten könnte man noch tausende weitere generieren. Da steckt so viel drin. Das mag ich sehr. Schon deine SF-Story begeisterte mich genau deswegen. Aber die Idee einer Landschaft, in die eigene Hoffnung projiziert und dann verschlungen wird...das hat etwas. Noch ein Abzweig also.

Der Krauter, der ihm Arbeit gab, zeigte ihm die Würfel, die der Pilz gefressen hatte und die Stellen, wo Bock und Wurm sich ins Fleisch gebohrt und stehendes Wasser die Cellulose zersetzt hatte.

Mit einer Botanikerin habe ich mal zusammengewohnt. Die hätte dich verschlimmbessert und auf Lignine und Hemicellulosen verwiesen. Und ein Bock bohrt sich nicht ins Fleisch sondern speichelt sich ein (glaube ich?). Nur so am Rande :lol:

Als sie eine halbe Stunde später aus dem Schuppen treten, ist von Baschar keine Spur zu sehen. Etwas liegt im Feuer und qualmt. Abel zieht mit dem Schürhaken den rauchenden Koffer aus dem Feuer. Als er ihn aufklappt, sehen alle, dass er leer ist. Tina schlägt die Hand vor den Mund und stöhnt.
Den Grund sehen die anderen erst, als sie ihrem ausgestreckten Arm folgen und zwischen den Bäumen hindurchsehen. Abels Kanu dümpelt draußen auf dem Arm des Stausees. Es ist leer. Das Paddel treibt davor, neben einem dunklen Fleck, der ein Baumstamm sein kann und auch alles andere.

Ein schönes Ende. Und eine gute Klammer zum Anfang, zur ersten Landschaftsbeschreibung. Hier nimmst du mit dem Kanu aus einem anderen Abschnitt etwas auf, packst es sozusagen in den ersten. Auch die Baumstämme tauchen wieder auf, im wahrsten Sinne des Plurals.

*****

Lieber @linktofink, eine tolle Kurzgeschichte, aber es bleibt das "Aber" aus den Vorkommentaren bezüglich der Struktur.

Vielleicht dazu ein, zwei Vorschläge aus meinem subjektiven Leseeindruck. Es blieben nur zwei Orientierungslosigkeiten:

1. Um wen geht es eigentlich?
Im dritten Abschnitt führst du ja die Figuren ein. Warum nicht im ersten? Nur so eine kleine Idee.

2. Auf welche Kultur- und Naturlandschaften beziehen sich die Rückblenden?
Mir gefiel am besten die Idee einer verzehrenden Landschaft. Man könnte das ausbauen, die Ortsnamen reduzieren und das Handeln deiner Figuren auf ein Thema - Hoffnung oder Orientierungslosigkeit oder Eingeständnis - beschränken. Dann könntest du dein reiches, dein überreiches Arsenal an Sprachgewalt kreuzbunt einsetzen und deine Fähigkeit ausschöpfen, den Menschen in der Landschaft zu beschreiben.
Ob Abel in British Columbia durch die Wälder eiert, ist doch für den Charakter unwichtig, dass er sich aber in einer borealen Nadelwaldzone aufhält umso mehr. Hilfreich könnte auch hier, falls du auf Ortsnamen nicht verzichten magst, nicht den ganzen Globus sondern vielleicht nur Europa zu nehmen. Mag einfältig klingen, aber die könnte eine Klammer schaffen, die mehr Orientierung bietet.

Gut. Das war's!

Lg
kiroly

 
Zuletzt bearbeitet:

Bon dia, lieber @josefelipe,
vielen Dank für deinen Komm. Eins vorab:

Mein Tipp wäre, die Motorsäge zu nehmen und gründlich auszuholzen.
Die Motorsäge nehme ich nur, um Brennholz zu machen. Als Werkzeug ist sie mir zu grobmotorisch, zu schlecht kontrollierbar, da stehe ich eher auf feineres Werkzeug, mit dem ich millimetergenau werkeln kann. Was heißt das für den Text? Mir fehlt nicht die Bereitschaft, zu überarbeiten, doch es mangelt an der Bereitschaft des halben Kahlschlags, denn dadurch würde der Text in sich zusammenfallen, weil er seine Struktur und Bezüge verlöre.

ja, da isse ja – Deine mit Ungeduld erwartete Challenge-KG!
Huch, Ungeduld, ist doch noch über ne Woche Zeit ...

Beginnt mit einem Cinemascope-Rundumblick, den Du vielleicht überdenken könntest.
Das werde ich und finde die Anmerkung Kirolys gut, dass sich das eine aus dem anderen entwickeln sollte. Ich schau mal, wie ich das sortieren kann.

Das Kursive brauch ich nicht. Und ‚Abschnitte von Baumstämmen’ (statt ‚Scheite’ o. ä.) ist ziemlich umständlich, mMn.
Hast du mal versucht, auf einem Scheit zu sitzen? Das ist entweder wackelig oder schmerzhaft. Haha, tatsächlich habe ich kein Äquivalent gefunden, dass Abschnitte von Baumstämmen sinnvoll ersetzt.

Vor einem der hinteren Häuser knurren zwei Hunde.
Das sind die Mischlinge, die zum Ende hin nochmals auftauchen, ebenfalls ohne Funktion.
Jou, die Funktion sollte ich ihnen geben.

Der Koffer mit den Aufklebern gehört zu ihm, seit Großvater ihn vererbt hat.

Bisschen putzig, denn anders wäre es nicht möglich.
Den Koffer mit den Aufklebern hat ihn Großvater vererbt / hat er von G. geerbt.
Das ‚gehört zu ihm’ stört mich, weil es holpert.
Und doch geht es anders. Großvater hat den Koffer warm vererbt, weil er ihn nicht mehr braucht. Auf ähnliche Art habe ich von meinem Opa eine Taschenuhr geschenkt bekommen, die ich gehegt und gepflegt habe.
Das ’gehört zu ihm’ zeigt die Bedeutung des Koffers. Er ist für Baschar nicht nur ein Ding, wo er seine Klamotten reinschmeißt. Er ist für ihn etwas Besonderes, ein Symbol für seine Hoffnungen und Träume. Und da Desillusionierung ein Kernthema im Text ist, braucht es das so.

Fabelhaft. Jetzt aber kommt die erklärende wissenschaftliche Zusammenfassung:
Die Europa-Karte seiner Vorstellung war nicht topographisch, sie war lautmalerisch.
Peng!
Nun ja, für mich sind das keine wissenschaftlichen Begriffe, die ich nachschlagen muss. Mag sich arrogant anhören, aber ein gewisses Verständnislevel setze ich bei Texten für Erwachsene voraus.

Sah er Berge, hörte er ein schwarzes Pinselstrich-Zermatt über die Schneestille wehen.
Sah er ein Karussell, hörte er Vienna wie ein Liebeslied aus dem Riesenrad schallen.

Mein lieber Jollie, hier kommt’s bisschen dicke mit der Dichterei; ich kann es auch nicht mit Baschar verbinden.
Für mich sind das die Bilder von den Aufklebern, die Baschar in Fantasie-Aktion ummünzt. Also ein Bild von weißen Bergen und oben steht ein mit dem Pinsel geschriebenes Zermatt und ein Bild vom Prater über dem postkartenlike der Vienna-Schriftzug steht, weißt?

Als später vorbei war
, übertönten Bomben die innere Musik, ...

Das Fette finde ich bei aller Kreativität nicht gelungen.
Da hatte ich schon einen Diskurs mit einem Testleser, möchte es vorerst so lassen und beobachten, da ich persönlich das mag.

Der Seelenverkäufer von Trawler, mit dem er übersetzte, ...
Das habe ich hinzugefügt, weil der Testleser den Ausdruck Seelenverkäufer nicht kannte. Also wie man´s macht ...

Bremach? Google half. Und der hat tatsächlich Bullaugen? Bei Google nicht.
Den Bremach habe ich auf der Homepage eines Herstellers für Expeditionsfahrzeuge hier um die Ecke gefunden. Der Name hat mich mehr gecatcht als MAN oder Hanomag oder gar Steyr, die vermutlich auch nicht alle kennen. Und Werbung für Mercedes oder Land Rover wollte ich nicht machen. Die Bullaugen sind künstlerische Freiheit ...

(Neugierde: Gibt’s da wirklich schon Polarlicht?)
Ja! Nordlichter.

Als der erste Schnee fiel, lachte er. Dass sie ihn fanden, ausgemergelt und halb erfroren, war Zufall.

Hier passt es für mich nicht. Ich nahm an, Abel sei ‚genesen’, also wieder fit und gesund, doch bei diesem Bild ist er ein Idiot. Hätten sie ihn nicht gefunden, wär’ er verreckt. Oder war er dermaßen vom Metronom getaktet, dass er immer weiter paddeln musste :hmm: ?
Er kann nicht aufhören mit dem, was ihn heilt. Er ist kein Idiot, sondern süchtig nach dem, was er tut. Ist es vernünftig und weniger gefährlich, einen Ultramarathon über 100 km zu laufen? Und dennoch tun es Menschen, die keine Idioten sind, denen das was gibt.

... baute sein erstes Leistenkanu.
Ja, ich weiß, Verzeihung, ich bin halt Holzhandwerker. Ich hätte so ein Ding gerne mal selbst gebaut aus Red Cedar, aber die 5m Garage und vor allem drei Monate Zeit hatte ich bisher nicht übrig.

Er ging die bauchige Form mit den Fingerspitzen ab, ...

Geht mit den Fingerspitzen – nicht ‚fährt mit den F.’ oder lässt seine F. gleiten?
gekauft.
Edit: Ist doch fuhr geworden.

Abel schüttelt den Kopf, atmet laut.

Hat der Asthma? Pardon. Für 'laut atmen' gibt's schöne Synonyme.
Abel ist nicht der Typ, der laut aufstöhnt. Ich schau mal.

Doch wir sind schon in Bulgarien – und das wird mir zu bunt. Die Geschichte zerfasert, die Unruhe ist durchgängig, ich verliere den Spaß am Lesen.
Ich habe schon im Vorfeld geahnt, dass die Reaktion kommt. Auch das kommt auf den Prüfstand.

Warum muss der Autor so viel Verschiedenes in einen Kurzgeschichten-Text pressen?
Weil ich einschneidende Erlebnisse im Leben von fünf Existenzen zeige, die im banalen Miteinander des Alltags scheitern, weil jeder in seinem eigenen Film gefangen ist. Wenn das auf dich hineingepresst wirkt, muss ich das als Lesart annehmen. Dennoch möchte ich das Personal und die Hintergründe dem Leser zumuten.

... die Fenster seines Zirkuswagens sind verrammelt. Er hat bei Abel ein Wort für sie eingelegt, deshalb darf sie bleiben. Zankov ist ein Bekannter von ihm. Ein Ziehen in der Leiste. Sie versucht, nicht an ihn zu denken, es geschieht dennoch, einfach so, und überfällt ihre Arme mit Nadelstichen. Er, Er, Er. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Seinen Namen denkt sie nicht. Sie weiß, wenn sie kratzt, wird es schlimmer.

Hier braucht es Leser, die helle sind. Ich gehöre nicht dazu.
Karlas Mann? Dem wollte ich einfach aus Gründen des Info-Overkills keinen Namen geben. Das gleiche Schicksal hat mittlerweile auch Jens ereilt, der namenlos geworden ist.

Lieber linktofink, hast Dir wieder mal viel Arbeit gemacht, und dass Du gut schreibst, weiß mittlerweile jeder. Hast auch schon beachtliche Texte abgeliefert, da spürt man den Willen, irgendwann zur Spitze zu gehören. Meine guten Wünsche begleiten Dich.
Merci, aber mein Geschreibsel ist zu wenig mehrheitsfähig, um hier auf große Resonanz zu stoßen.

Was ich oft in Deinen Texten finde, ist Detail-Liebe. Egal, welches Genre Du bedienst – Du recherchierst wie verrückt und musst / willst davon recht viel im Text unterbringen:
Es geht nicht um das Unterbringen von Recherchegut, sondern darum, die Dinge konkret zu benennen. Und davon bin ich ein großer Freund, das gebe ich zu. Es gibt Hunderte Arten von Hämmern, wenn du Hammer sagst, will ich wissen, welcher. Ist ein persönlicher Fimmel, aber ich mag es gerne aufgeräumt, strukturiert und genau. Für dich ist das die Eitelkeit des Autors, der mit seinem unnötigen Ballast keine Sau interessiert und noch schlimmer: damit nervt.
Für mich ist die Detailliebe beim Schreiben wie im Arbeitsleben die Vorgehensweise, die mir entspricht. Klar, ich schreibe für meine Leser, d'accord, aber ich aber ich kann mich persönlich nur begrenzt verbiegen. Dennoch werde ich alle Anmerkungen bedenken und versuchen, die Übergenauigkeiten, wie Novak sie nennt, abzuflachen.
Und selbst wenn ich die betroffenen Stellen nur wenig oder nicht verändere, hilft es mir, zu verstehen, warum ich das nicht kann. In diesem Sinne danke für deinen Kommentar.

Peace, linktofink

 
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Liebe @Novak,

vielen Dank für deine Hinweise. Vieles davon habe ich heute morgen bei der Überarbeitung berücksichtigt, habe versucht die Übergenauigkeiten, wie du sie treffend nennst, durch Verallgemeinerung zu entschärfen. Dennoch wäre ich dankbar für konkrete weitere Hinweise, wo noch was im Weg steht.

Ich habe eine sehr schöne, atmosphärisch dichte, sehr melancholische Geschichte gelesen über einen Haufen verlorener Seelen, denen das Leben tiefe Wunden geschlagen hat.
Das freut mich enorm, dass du das Störende ausblenden konntest und darunter die Geschichte gesehen hast, die ich schreiben wollte.

Sehr schön finde ich, wie du immer wieder die Perspektive wechselst und uns Leser in die Köpfe des jeweiligen Bewohners schauen lässt.
Mir ist bewusst, dass die Konstruktion dem Leser einiges abverlangt, umso schöner, dass dich das nicht genervt hat und du dem etwas abgewinnen konntest.

Den Zankov brauchst du eigentlich gar nicht. "Er" könnte genausogut ein Bekannter von Abel sein. Oder noch nicht mal. Abel könnte sie genausogut auch so dort wohnen lassen.
Recht hast du, der Zankov ist weg, Karla ist jetzt ohne Fürsprache auf dem Platz, wie die anderen auch.

… weil ich es sehr ungeschickt fand, dass du den gesamten Abschnitt so ausführlich und minutiös mit Jens beginnst, dem Grund für Tinas späteres "Stranden" auf dem Campingplatz. Man denkt sich automatisch, das wäre einer der anderen Bewohner und kommt ins Stutzen. Jens ist nur eine Hintergrundinfo der Geschichte und kein wesentlicher Teil wie Tina.
Auch der Crowdfunding-Jens ist jetzt aus dem Rampenlicht direkt ins Figuren-Nirwana verschoben. Besser so.

In diesem Zusammenhang etwas, was ich an deiner Geschichte einfach sehr besonders und wunderschön fand. Alle die Personen, ob das Abel ist oder Tina oder Karla oder Morschi haben zwar ein Heim gefunden, oder sich sogar irgendwie geheilt, gleichzeitig ist bei allen klar, dass sie nicht mehr in einem normalen bürgerlichen Leben bestehen könnten oder wollten. Ganz besonders eindrücklich fand ich das bei Abel und Tina.
Ja, ich denke vermute, dass sich in solchen Gemeinschaften besondere Menschen versammeln, denen Besonderes widerfahren ist, was sie aus gewöhnlichen Zusammenhängen herauskatapultiert hat. Und es freut mich sehr, dass das angekommen ist und dir gefällt.

Ja, diesen Aspekt fand ich sehr deutlich, sehr auffällig und sehr wunderschön von dir gemacht.
Vielleicht noch ein Wort zu Baschar, man weiß eigentlich nicht viel von und über ihn. Vieles nur aus wenigen Gesten. Ich finde auch das sehr gut gemacht, denn Baschar ist eigentlich gar nicht so sehr die Hauptfigur in diesem Text, er ist eher ein Katalysator.
Genauso war es gedacht. Es geht nicht in erster Linie um den Flüchtling, sondern um die Platzbewohner, die so in ihrem Film sind, dass sie eine einfache Hilfeleistung überfordert. Es ist ja nicht nur Morschi, der in Baschar ein Problem sieht, die Tina will den Baschar eigentlich auch nur loswerden, weil er lästig ist und Abel sorgt sich in erster Linie um die Genehmigung für seinen Platz.

Den ersten Satz des Abschnittes hätte ich im PQP begonnen. Es erleichtert die zeitliche Orientierung.
Ja, geändert. Da hatte ich im Vorfeld mit den Zeiten gespielt und bin natürlich froh über derlei Hinweise, wo es noch nicht fluppt.

Danke, Novak, für deine Mühe auch hinter das Störende zu schauen.

Peace, linktofink

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Gude @Vulkangestein,

schön dass wir uns mal wieder schreiben, deine Kommentare (besonders deinen zu "Rot auf Schwarz") finde ich sehr hilfreich.

Ich weiß nicht, wo genau am See diese Böschung ist. Ich gehe bei der Beschreibung in etwa von einer Kamerafahrt aus, wenn ich nicht mehr Infos erhalte. Das heißt ich sehe die Feuerstelle, dann Pappeln, dann einen See, dann eine terrassierte Böschung. Aber ich glaube, die Reihenfolge ist eher Feuerstelle, Häuser, Pappeln, See und das alles in einer Senke, oder?
Ich habe mich an einem neuen Anfang versucht und hoffe, man kommt jetzt leichter in den Text. Was meinst du?

-> Hier würde ich mich Novak vollständig anschließen. Ich hatte zusätzlich noch den Effekt, dass ich beim Lesen des Namens Jens und dem Gedanken, dass jetzt noch ein Anwohner beschrieben wird, auch einen kurzen Schnauzevoll-Moment, was diese "ganzen Rückblicke" angeht. Ich dachte mir dann: Toll, jetzt wird auch noch ein Jens beschrieben und dann fehlen noch xyz, kommen wir irgendwann zur Handlung ...
Kommt ja zum Glück anders, aber das würde ich dann wie Novak vorschlägt, direkt auf Tina selbst münzen.
Auf Novaks Bemerkung hin habe ich den Jens rausgeschrieben

Ansonsten musste ich im Laufe des Textes immer mal wieder stoppen und Begriffe googlen (z.B. die Autonamen), aber auch Kaffer und anderes. Bei den Schreinersachen (Latthammer z.B.) bin ich ausgestiegen. Ich glaube nicht, dass das schlimm ist, da man sich aus dem Kontext erschließen kann, was was ist, oder auch überlebt, wenn man den Unterschied von "normalem" Hammer zu "Latthammer" nicht kennt. An der Stelle: Was ist GFK? :Pfeif:
Als allerdings das erste mal "Tiny" stand als Kurzform für Tiny House (oder?), war ich wirklich ahnungslos. Gerade, da das Konzept meinem Eindruck nach noch nicht so geläufig ist, würde ich das vielleicht zunächst ausschreiben.
GFK=Glasfaserkunststoff, d.h. ein Mix aus Glasfasermatten und Epoxidharz oder Polyester. Üblich z.B. im Bootsbau (auch bei Kanus) und Wohnmobilen, um leichte, stabile Formen mit Rundungen herzustellen. Habe ich registriert, dass das nicht gängig ist und durch Glasfaser ersetzt (nächste Frage: was ist Glasfaser? :D ).
Hm, ein Latthammer ist ein Zimmermannshammer, mit dem man Nägel ziehen kann. Stimme ich zu, ist zum Verständnis nicht wesentlich.
Auf deinen Hinweis hin habe ich beim ersten Tiny von Morschi das House dazugesetzt. War mir nicht aufgefallen.

Keine Ahnung, was das Tarablus ist, aber wahrscheinlich was zum Lesen
Die arabische Schreibweise von Tripoli, habe ich geändert.

Dass der rote Dominostein der Koffer ist, braucht auch einen Moment.
Oje, das kommt aber ganz schief an. Der rote Dominostein ist eines der Wahrzeichen von Rabat, der Hassan-Turm. Ist auch weg, weil zu verwirrend.

Da komme ich inhaltlich nicht ganz mit. Als er das erste Mal in seinem Leben vor einer Klasse stand? Das gibt's doch häufig schon in der Grundschule.
Klar, kann man auch als Schulwechsel-Ding lesen, deswegen habe ich jetzt den Referendar zugefügt, damit klar wird, dass Abel nach seinem Pädagogik-Studium erst realisiert, dass er für den Lehrer-Job nicht geschaffen ist.

Und zum Schluss vielleicht ein etwas drastischer Kürzungsvorschlag: Der Koffer ist für mich der geheime Star der Geschichte.
Hm, ist schon berechtigt, doch ich mag die Klammer zum See am Anfang und zum Kanu und das (relativ) offene Ende. Ich denk drüber nach …
Kommt noch ein Text von dir?

Peace, linktofink

 

»Da, wo er herkommt, ist Gastfreundschaft heilig.« Abels Miene verbirgt sich hinter dem Vollbart.

»Aha, also waren wir eigentlich schuld«, Abel nickt und schiebt die Unterlippe vor, »interessant − so hab ich das noch nie gesehen.«

Wusste gar nicht, dass Du zu Ironie neigst,

lieber Linktofink,

die Namensgebung – ich denk, dass Du selbst die Namen bewusst gewählt hast, denn genau zwischen „Himmel“ und „Hölle“ strandet der Fremde / Geflüchtete1 seinem Namen nach (Baschar, arabisch [„levantinisches] „frohe Botschaft/gute Nachricht“ und Baschar [„al assad“ = „der Löwe“ oder auch die alttestamentarische / mythologische Landschaft „Baschan“ der Rafaiter, der „Heiler“, bekannt geworden durch die Entwicklung des Totenkultes vom kleinsten, familiären Brauch über die Stammesriten bis hin zu den Riten der Weltreligionen, insbesondere der monothëistischen Familie]).

Ein weiterer Hinweis könnte da der Name des „Abel“sein (hebr. „Hauch/Atem“, aber auch „Vergänglichkeit“) und Deine feine Geschichte über die Ankunft eines Fremden (einem Flüchtling zwischen Himmel und Hölle in eine Gemeinschaft aus ehemals Fremden, wobei es immer noch einen ärmeren gibt, dessen Koffer hingegen trügerisch sein kann … Die Verstärkung der nahezu alttestamentarischen Charakter wird – gar nicht mal „befremdlich“ für mich, wenn das „Dutzend“ genannt wird

Vor ihm öffnet sich eine Senke, auf deren Flanken sich ein Dutzend Holzhäuser, Zirkuswagen und umgebaute LKW verteilt. Aus einigen Dächern steigen schmale Rauchsäulen in die Morgensonne. Von irgendwoher hört er das leise Knurren von Hunden,
das „Dutzend“ des Hauses Jakobs, den der Mythos den Titel „Israel“ verleiht (die Ortschaft/der Campingplatz als „Menge“ zählt also „zwölf“ Elemente insgesamt aus mehreren Holzhäusern, wenigen oder nur einem Zirkuswagen und einem LKW). Aber man hat – einmal sesshaft geworden – die Gastfreundschaft des Beduinen-Daseins (Abrahams Erstgeborener, der ältere Bruder Isaaks, Ismael, gilt als Stammvater der Beduinen, der, nicht nur nach meinen Recherchen, das eigentliche Opfer gem. Genesis 22, 1 ff. ist [wenn Bedarf und näheres Interesse besteht, nachfragen], eine weitere Bestätigung der Hypothese ist die Kanu-Fahrt in Kanada, wenn der inidanische Ortsname
Hootalinqua
(ob der athapaskischen Sprachgruppe oder der der Algonkin kann ich nicht sagen, meine bescheidenen Kenntniss fangen erst südlich der Großen Seen an …) Und wer wüsste nicht, dass gläubige Eroberer das eine oder das andere indigene Volk für den verlorenen Stamm Israels gehalten hat … und dass das neue Israel ein problematisches Verhältnis zu seinen ismaelitischen Brüdern hat?, was keinen rechten Vogel hierzulande freisprechen kann – denn es sind Leute, wie Die da, Du und ich ...

So weit mein erster Eindruck, und hier noch ein paar Flusen – Stand Samstag, 1/2 elf

Reif steht auf dem Teerdach, …
Reif = lockerer weißer, kristalliner Überzug, der sich bei windstillem Frostwetter durch unterkühlten Nebel bildet – liegt der nicht eher?
»Na, vielleicht ist der nur mal kurz lüften, oder Kippen holen«, sagt Karla.
Warum das Komma? Setz es hier
Der Krauter, der ihm Arbeit gab, zeigte ihm die Würfel, die der Pilz gefressen hatte[,] und die Stellen, wo Bock und Wurm sich ins Fleisch gebohrt und stehendes Wasser die Struktur zersetzt hatte.
ans Ende des Relativsatzes zum Würfel ...

Nicht ungern gelesen vom

FRiedel

der 2015 dieses ganzen Gendergequatsche um die Flüchtlinge mitgemacht hat, die in der obsiegenden Partizpierung vergisst, dass damit die Eigenschaft des Flüchtlings festgeschrieben wird, den ich fast ein „Boatpeople“ genannt hätte, in Verkennung der Ereignisse der 70-er Jahre (Indochina).

Ein Lob und Hochachtung nicht nur an Kapitäninnen im Mittelmeer!

 

Hallo @linktofink,
als ich deine Geschichte zum ersten Mal begonnen habe, gleich nach dem Einstellen, war ich total überfordert und bin nicht weit gekommen. Jetzt, nach deiner Überarbeitung und nach mehrmaligem Lesen kann ich die einzelnen Bilder genießen, bin beeindruckt von ihrer Intensität und auch von der Klarheit des Plots. Dennoch bin ich oft noch am Rande der Reizüberflutung. Möglicherweise würden einzelne poetische Bilder noch stärker wirken, wenn sie nicht sogleich von einem weiteren, noch suggestiveren Bild abgelöst würden. Andererseits ist dieses Üppige einfach deine Stil. Und was den Inhalt betrifft, ist das eine Geschichte mit Tiefgang. Echt ein starker Text.

Von irgendwoher hört er das leise Knurren von Hunden.
Schon zu Beginn kündigt sich das Bedrohliche der Idylle an.

Baschar sieht die Camouflage-Hose, eine Welle geht durch seinen Bauch, als er ihm den Zettel hinhält, schaut er zur Seite.
Auch was das Muster der Hose für diesen traumatisierten Mann bedeutet. Sehr deutlich, wie du in einem Satz die beiden Männer charakterisierst, ihre Art, der Welt zu begegnen.

»Stimmt, scheiße finden ist einfacher.« Karla gackert und hebt einmal kurz die Beine.
Das Gackern gefällt mir nicht so, das macht sie erst so oberflächlich, dümmlich und revidiert sich erst später im Text.

Als später vorbei war, übertönten Bomben die innere Musik, der Regent seiner Heimat führte Krieg gegen das eigene Volk.
Stark.


Und Europa war ein Versprechen, das nicht eingelöst wurde.
Das ist schon etwas abgegriffen, finde ich.


Der Koffer ist der seidene Faden, der sein Leben in der Senkrechten hält.
Überhaupt hast du das Kofferthema hervorragend umgesetzt.


»Machst du dir das nicht zu leicht, Morschi?« Abel hat wieder diesen säuselnden Ton. Das Feuer spiegelt sich in seiner Nickelbrille. »Weißt du, es ist viel einfacher, jemanden abzulehnen als Gutes an ihm zu finden.«
Und auch hier, der Abel steht sofort vor mir, wenn ich das lese, Beschreibung, Art zu sprechen, das funktioniert einfach.

Auf dem See hängt ein Flaum aus geflochtenen Nebelschleiern. Weißgrau wie ihre Haare – und seine. Ein Ziehen in der Leiste. Sie versucht, nicht an ihn zu denken, es geschieht dennoch, einfach so, und überfällt ihre Arme mit Nadelstichen. Er, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Er, seinen Namen denkt sie nicht. Er, sie weiß, wenn sie kratzt, wird es schlimmer.
Hier verstehe ich nicht ganz, worum es geht. Um einen Verlust oder um ein Trauma. Eher denke ich, das ihr jemand etwas angetan hat.

»Dieser verdammte Kaffer!« Morschi kommt in Gummistiefeln und Bademantel aus dem Sanitärhäuschen geschossen.
Diese Szene weist schon auf das Ende dieser ganzen bitteren Geschichte. Wie sehr Baschar in Gefahr ist. Wie furchtbar, von fremden Menschen abhängig zu sein. Sich keinen Fehler erlauben zu dürfen.


. Sie ritt auf Dünenkronen, driftete durch die Wüste wie auf Treibsand und hoffte, irgendwann anzukommen, wenn sie nur weit genug führe.
Diese Beschreibungen sind mir manchmal etwas too much.

»Und woran hast du da gedacht, Tina?«, Abel schnippt den Stummel in den Rasen.
»Ich dachte …«, Tina zögert, »ich dachte, vielleicht kann der Baschar erst mal hier schlafen, im Schuppen?«
»Im Schuppen? Du weißt selbst, wie schweinekalt es hier morgens ist, bevor wir den Ofen anmachen«, sagt Karla.
»Als Notlösung für ein paar Tage … okay. Aber wenn sich einer beschwert, kann es auch sein, dass der Platz Schwierigkeiten bekommt«, sagt Abel.
Das verstehe ich nicht so ganz. Wo hat er denn bisher geschlafen? Und wieso sollte der Platz Schwierigkeiten bekommen? Ich dachte, Abel ist sowas, wie der Besitzer.

Ganz tief in seinem Innersten glaubte Morschi, wenn er das Holz mit Kenntnis und Liebe bearbeitete, würde es eine Brücke schlagen über die Klamm in seiner Seele. Er stellte sich vor, wie seines Vaters Hand über das geriffelte Holz strich, wie er schnupperte und prüfte und endlich leicht mit dem Kopf nickte, über seine Bartstoppeln kratzte und lächelte.
Ja, der Vater, der die Anerkennung versagt. Morschi hat sein eigenes Päckchen. Dennoch verzeihe ich ihm seine Hartherzigkeit nicht.

Den Grund sehen die anderen erst, als sie ihrem ausgestreckten Arm folgen und zwischen den Bäumen hindurchsehen. Abels Kanu dümpelt draußen auf dem Arm des Stausees. Es ist leer. Das Paddel treibt davor, neben einem dunklen Fleck, der ein Baumstamm sein kann und auch alles andere.
Ach, wie traurig. Starker letzter Satz.

Ich habe das gerne gelesen, linktofink.

Liebe Grüße von Chutney

 

Hallo @kiroly,

danke für deinen Komm., freut mich immer, von dir zu lesen.

Im Grunde schließe ich mich den Vorkommentaren an - toller Text, linktofinksches Tarieren zwischen Genauigkeit, Echtheit und poetischer Sprache, der Wunsch, mit Sprache die Welt zu durchbrechen. Aber auch ein Text, der an vielen Stellen abbiegen und abzweigen könnte, ein bisschen wie das Gleisvorfeld eines Kopfbahnhofs für Nicht-Eisenbahner. Irgendwo ist da ein System zwischen den Weichen und Signalen.
Danke, kiroly, und schön, dass du dich im Kopfbahnhof nicht verirrt hast. :D Das ist so etwas mit der Genauigkeit … Ich denke weiter.

Mir gefällt der Aufbau der Landschaftsbeschreibung, der aber, meines Geschmacks nach, noch ein Ticken stärker sein könnte.
Ja, der Einstieg … ich hab den (versucht zu …) umgeschrieben, weil auch Jose und Vulkangestein Ähnliches schrieben. Bin mal gespannt, ob es klarer ist.

Ein sprachgewaltiger Text, der natürlich an manchen Stellen über das Ziel hinausschießt.
Ich denke, wenn man ausgelatschte Wege verlässt, kann es leicht dazu kommen, ja.

Du hast, sofern ich das einschätzen kann, ein Händchen für Beschreibungen, die direkt in eine bestimmte Stimmung zielen - Tentakel also, Tentakel können gefährlich sein, schnappen ein, sind klebrig, lassen einen nicht los und dienen der Fortbewegung wie der Jagd nach Beute.
Ja, so war es gedacht, der See liegt nicht einfach da, sondern schafft durch die aktive Bewegung (schiebt) eine latente Bedrohung.

Den Absatz liest und liest und liest man, ständig feuert ein neuer Eindruck, die Assoziationen laufen durch.
Mensch du, freut mich, dass du so viel darin findest. Scheinst einen guten Zugang zu meinen Texten zu finden.

Es begann mit der Frau Lokemper. Baschar, ah jetzt der Morschi und jetzt tauchen Abel, Karla, Tina auf. Ich kann mir vorstellen, dass hier manch ein Leser aufgibt. Es ist schlichtweg nicht klar, wer was wo wie wann weshalb - macht. …
Aber die subjektive Grenze zum "Zuviel" liegt in diesem Absatz sehr nah.
Ja, verstehe ich, weiß aber auch nicht, ob das deutliche Voranstellen eine gute Idee wäre. Der Reiz liegt ja vor allem in der sukzessiven Vorstellung der Personen durch die Rückblenden, die Darstellung des einen wichtigen Moments im Leben.

Vielleicht besser ein simples "Unterseeboot?" Oder möchtest du diese Sachebene weiter ausbauen? Tentakel, U-Boot, schwarze und weiße Raucher, Schlammsedimente, Leben im lichtlosen Raum, Plankton...fände ich einen sehr schönen Ansatz. Für eine andere Geschichte.
Ja, U-Boot, Tentakel, Kanu hab ich schon, vielleicht mach ich die Hunde noch zu Fischen … :D

Ja, da ist sie, die Grenze vom "Zuviel", besonders der Hinweis dann auf British Columbia, mit einem kurzen Vorausflug nach Kärnten. Gut, ich mag alte Reiseberichte und Texte mit Städten oder Dörfern in der Hauptrolle, deswegen reagiere ich vielleicht zu stark darauf.
Hm, schade, gerade Abels Lebensgeschichte, dachte ich, wäre mir gut gelungen.

Erst hier begriff ich deine Geschichte. Die Struktur. Die angesprochene Unruhe der Geschichte verschwindet.
Puh, ja, kann ich verstehen. Hauptsache, du bist nicht ausgestiegen.

Schnarchel, was für ein blöder, treffender Namen für Abel. Das könntest du gerne früher einbauen, Schnarchel charakterisiert Abel besser als die British-Columbia-Kanubau-Rückblende.
Den "Schnabel" hab ich mir verkniffen, aber "Schnarchel" ist auch schön blöd. Funktioniert trotzdem. Du magst die British-Columbia-Episode nicht, dabei mag ich alles daran, die Kanus, den Fluss, den Schnee - sad.

Elemente deiner Landschaftszuschreibungen weisen etwas verzehrendes, verschlingendes, an sich ziehendes auf. Leckende Sandzungen, Tentakel. Manchmal habe ich den Eindruck, aus deinen Texten könnte man noch tausende weitere generieren. Da steckt so viel drin. Das mag ich sehr. Schon deine SF-Story begeisterte mich genau deswegen. Aber die Idee einer Landschaft, in die eigene Hoffnung projiziert und dann verschlungen wird...das hat etwas. Noch ein Abzweig also.
:kuss: Manche hängen ein Schild dran: "Wegen Überfüllung Geschlossen", andere lesen es gern, können und mögen das aufnehmen, was sie finden.

Mit einer Botanikerin habe ich mal zusammengewohnt. Die hätte dich verschlimmbessert und auf Lignine und Hemicellulosen verwiesen. Und ein Bock bohrt sich nicht ins Fleisch sondern speichelt sich ein (glaube ich?). Nur so am Rande :lol:
Der Bock frisst sich unter der Holzoberfläche durch die Balken. Du merkst oft erst, dass er da war, wenn der Balken zusammenbricht. Die Cellulose ist weg.

Ein schönes Ende. Und eine gute Klammer zum Anfang, zur ersten Landschaftsbeschreibung. Hier nimmst du mit dem Kanu aus einem anderen Abschnitt etwas auf, packst es sozusagen in den ersten. Auch die Baumstämme tauchen wieder auf, im wahrsten Sinne des Plurals.
Jawoll, deshalb bleibt das Ende auch, vielleicht hab ich noch eine Verwendung für die Hunde, mal schauen.

1. Um wen geht es eigentlich?
Im dritten Abschnitt führst du ja die Figuren ein. Warum nicht im ersten? Nur so eine kleine Idee.
Tja, das mit dem sukzessiven Einführen scheint nicht ganz zu funzen, ich überlege mal, ob ich eine frühere Vorstellungsrunde hinkrieg.

2. Auf welche Kultur- und Naturlandschaften beziehen sich die Rückblenden?
Mir gefiel am besten die Idee einer verzehrenden Landschaft. Man könnte das ausbauen, die Ortsnamen reduzieren und das Handeln deiner Figuren auf ein Thema - Hoffnung oder Orientierungslosigkeit oder Eingeständnis - beschränken.
Ja, vielleicht geht da noch was, bei den verzehrenden Zungen und Tentakel schwingt viel mit, finde ich auch. Mal sehen, ist noch Zeit und ich denke ständig weiter.

Vielen lieben Dank für deine Denkanstöße und Analysen.

Peace, linktofink

 

Lieber @linktofink,
in der letzten Zeit lese ich wieder lieber Romane als Kurzgeschichten. Mir gefällt, wie sich da allmählich etwas entwickelt, wie der Autor sich Zeit nimmt, seine Charaktere zu skiziieren. So kommen sie mir oft näher, als es die Knappheit einer Kurzgeschichte leisten kann, bzw dies nur von sehr guten Autoren geschafft wird.

Deine Geschichte nimmt sich Zeit für ihr Personal. Die Vorgeschichten erklären mir, warum gerade diese Menschen an diesem Ort etwas außerhalb des Alltäglichen gelandet sind. Hier haben sie sich eingerichtet, hier haben sie ihren Platz gefunden, nach ihren Fluchten, ihren Obsessionen, ihren Versuchen, sich selbst in den Griff zu bekommen.

In diese jetzt mehr oder weniger gefestigte Welt dringt Baschar ein, wird zum Störfaktor, zum Sündenbock, der sich dann am Ende selber von dannen begibt.

Das ist die Tragik deines Szenariums.

Nicht ganz klar geworden ist mir, warum Morschi den Baschar so abgrundtief hasst.

Ganz tief in seinem Innersten glaubte Morschi, wenn er das Holz mit Kenntnis und Liebe bearbeitete, würde es eine Brücke schlagen über die Klamm in seiner Seele.
Was ist diese Klamm in seiner Seele, die nicht zulässt, dass da jemand in seine kleine Welt eindringt?
Wie gesagt, mir hat Dein-sich-Zeitlassen mit den einzelnen Personen deiner Geschichte gefallen, sie kommen mir so sehr nahe. Nur Morschi, dessen Background ich mMn zum Verständnis seiner Ablehnung brauche, stattest du (für mich) mit zu wenig informationen über sein Innenleben und seine Motivation aus. Er ist nur so wie er ist. Was hat ihn dazu gebracht, diesen Fremdling derart abzulehnen?
Er will noch mehr sagen und lässt es doch, wieder flackert sein Blick zum Bremach, der neben seinem hölzernen Tiny House steht, gespaltene Lärche an Wand und Dach, traditionell, wie er es in Kärnten gelernt hat, als seine Welt noch in Ordnung war.
»Der bleibt hier nicht. Dafür sorge ich.«
Du bietest mir Eifersucht an:
»Und nur, weil du bei der Tina nicht landen kannst, musst du nicht blind um dich schlagen.«
Ich habe die Motivation aufgrund deiner Andeutungen auch in der Beschreibung seiner Tätigkeit und seiner Beziehung zu seinem Vater gesucht, kam da aber nicht weiter. Vielleicht sollte ich genauer lesen oder du Morschis Verhalten ein wenig klarer motivieren.

Noch ein paar Stellen, die ich mir notiert habe:

Um die Feuerstelle liegen in loser Anordnung Abschnitte von Baumstämmen. In einem aufgestellten steckt ein Beil.
Das hast du ja nun schon mehrfach gehört, aber hier würde für mich der Satz auch ohne das Attribut funktionieren, zumal es mir auch später unwichtig zu sein scheint, ob der Baumabschnitt steht oder liegt.
Dagegen gefällt mir das von dir gezeichnet Bild in seiner Gesamtheit sehr gut. Das hat etwas sehr Atmosphärisches.

Er dachte, wenn Fingerspitzen sich im Himmel berühren, heißt das Vatikan.
Hier würde ich in beiden Fällen den Konjunktiv verwenden: berührten, hieße.

Die Europa-Karte seiner Vorstellung war nicht topographisch, sie war lautmalerisch.
Bin mir nicht ganz sicher: Ich kenne ‚lautmalerisch‘ eigentlich nur, wenn es sich z.B. um Tierlaute (kikeriki) o.Ä. handelt. Hier scheinst du mir eher so etwas wie 'tönend' zu meinen.

Der Koffer ist der seidene Faden, der sein Leben in der Senkrechten hält.
Diese Bild halte ich für nicht ganz gelungen. Ich verstehe, dass sein Leben an diesem Koffer hängt. Wenn er weg ist (dieser seidene Faden zerrissen ist), wäre auch sein Leben zu Ende. Natürlich auch die Senkrechte:D. Da hast du fmE ein bisschen zuviel reingepackt.

Und auch hier:

Die Gardinen dämpfen das Licht der Bullaugen weich, sie strahlen in die Nacht wie Suchlichter eines U-Boots.
Auch ohne die Bullaugen bleibt das Bild erhalten und wird für mein Empfinden sogar griffiger, müsste natürlich neu formuliert werden. Nur 'Bullaugen' und 'U-Boot-Lichter' halte ich für überfrachtet, zu sehr in einen anderen Zusammenhang geratend.

Seine innere Kurbelwelle kalibrierte sich
Selbst nachdem ich diesen Begriff im Duden nachgeschaut hatte, konnte ich mir nicht vorstellen, was du meinen könntest. Lässt sich das nicht ein wenig anschaulicher und einfacher ausdrücken?

Auf dem See hängt ein Flaum aus geflochtenen Nebelschleiern. Weißgrau wie ihre Haare …
Auch hier diese Quäntchen zu viel (für mich): Der Flaum löst doch gleich eine Assoziation aus, da verwirren mich die Flechten dann eher.

Crowdfunding
, widerholte er ständig.

Auch wenn deine Geschichte meine Fragen an sie noch nicht alle beantworten konnte, so bleibt es doch im Ganzen ein toll erzählter Text, der mich sehr beeindruckt hat. Du bist auf dem richtigen Weg, lieber linktofink.:)

Liebe Grüße
barnhelm

 

Gude @linktofink,

Ich habe mich an einem neuen Anfang versucht
Wenn ich den Anfang lese, habe ich einen klaren Überblick, was wo ist. Finde ich sehr gut.

deine Kommentare (besonders deinen zu "Rot auf Schwarz") finde ich sehr hilfreich.
geht runter wie Öl :D

(nächste Frage: was ist Glasfaser? :D ).
Krieg ich da jetzt Internetz auf dem Boot? :drool::lol:

Klar, kann man auch als Schulwechsel-Ding lesen, deswegen habe ich jetzt den Referendar zugefügt, damit klar wird, dass Abel nach seinem Pädagogik-Studium erst realisiert, dass er für den Lehrer-Job nicht geschaffen ist.
Ach, das macht natürlich Sinn :bonk:
Dass ich da als Lehramtsstudent nicht drauf gekommen bin. Ist ja nicht so untypisch. Aber dann ist es jetzt auch für die ganz Langsamen klar :lol:

Kommt noch ein Text von dir?
Ich sitze dran, heute den letzten Satz des ersten Entwurfs geschrieben! Flowt insgesamt noch nicht so, muss noch schauen, dass ich das bis Samstag etwas abrunde. Spätestens dann lass ich ihn auf euch los :lol:

Liebe Grüße
Vulkangestein

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @linktofink,

ich wette, dein derzeitiges Profilbild ist dort entstanden, in Big Little Homes, stimmt’s?
Gleich vorweg: Ich habe deine Geschichte gerne gelesen. Zum Glück habe ich nach dem ersten Absatz nicht gleich aufgehört, den finde ich nämlich nicht gelungen, der hat mich echt geschafft, der Anfang. Aber ich finde auch, wenn man einige Formulierungen gerade rückt und einiges irgendwie entdönst, dann macht er sehr gut, was er soll – dem Leser diese Location, die verlassen wirkende, trügerische Idylle zum Greifen nahe bringen. Es klingt emotionslos, wie die Beschreibung eines Stillebens, aber man spürt die Ruhe vor dem Sturm.

Baschar steht vor der abschüssigen Zufahrt.
Sprachlich gefällt mir das gar nicht, dieses „vor“, „ab“ und „Zu" Sicher hast du dir was dabei gedacht, dass es eben nach unten geht, abwärts, und dass das Camp in einer Senke liegt, aber lesen tut sich das nicht so gut. Den zweiten Satz als ersten, dass Baschar mit seinem Koffer und einem Zettel da steht - das würde mir besser gefallen. Auch, weil der Fokus dann sofort noch mehr auf Baschar läge und nicht auf irgendeiner Zufahrt.
Vor ihm öffnet sich eine Senke, auf deren Flanken sich ein Dutzend Holzhäuser, Zirkuswagen und umgebaute LKW verteilt.
Puh! Ich neige ja dazu, mir immer sinnlose Sachen vorzustellen, und hier passiert es wieder, ich denke da zunächst, der Boden öffnet sich vor seinen Füßen … Flanken finde ich persönlich auch übertrieben, fände schlicht und einfach Ränder besser und würde dann auch nicht erst sinnlos an Pferde denken. Bei „verteilt“ denke ich gefühlsmäßig, hier gehört der Plural hin - aber ja, ein Dutzend – ich glaube, da ist beides möglich.
Aus einigen Dächern steigen schmale Rauchsäulen in die Morgensonne.
Das klingt nach Dachstuhlbrand. Vielleicht kannst du das Kaminrohr, das du später auch nennst, stattdessen hier schon einbauen?
Von irgendwoher hört er das leise Knurren von Hunden.
Das klingt sprachlich in meinen Ohren nicht schön: ...wo-her-hört-er
Er geht hinab zu dem gemauerten Steinring im Zentrum der Ansiedlung.
Junge, klingt das geschwollen! Gleich danach nennst du es ja auch Feuerstelle:
Ein halbverkohlter Ast ragt wie ein Arm daraus empor. Um die Feuerstelle liegen in loser Anordnung Abschnitte von Baumstämmen.
Du könntest es auch zuerst „Feuerstelle“ nennen, und diese vielleicht einfach „in der Mitte des Camps“ liegen lassen (anstatt im Zentrum der Ansiedlung – aber klar, Geschmackssache – meiner ist es eben eher nicht), und dann beschreiben, dass sie von einem gemauerten Steinring eingefasst ist. Fände ich weniger verschwurbelt, und du hättest trotzdem alles drin.
Ich habe jetzt nicht mitgekriegt, was du schon verändert hast, aber später im Text finde ich das nicht mehr so geballt wie hier, aber der Anfang ist ja mit das Wichtigste!
Durch die Pappeln hinter dem Steinring schimmert ein Arm des Stausees, der sich wie ein grünlicher Tentakel in die Senke schiebt.
Das ist dein Profilbild! Ich hab’s genau erkannt! Trotzdem finde ich den Teil hinter dem Komma überflüssig bzw. störend, weil man (zumindest ich) sich das mit der Senke eh nicht so detailliert vorstellt und einem hier Denkvorgänge abgefordert werden, die man aber lieber auf die Story verwenden würde, von der man hofft, dass sie jetzt vielleicht bald beginnt. Und kurz vorher, weiter oben, hast du schon einen Arm - vllt. kannst du einen davon killen. Ich bin mir natürlich nicht sicher, wieviel Symbolik du mit diesen Bildern verbindest: mit diesem grünlichen Tentakel, das vielleicht versucht, nach der trügerischen Idylle zu greifen … Dann ist es natürlich schwieriger, sowas rauszustreichen - aber auf Lesefluss und Eingängigkeit kannst du es ja trotzdem nochmal prüfen.
Reif steht auf dem Teerdach,
Reif liegt mMn so gut wie immer
das Kaminrohr raucht
Siehste! Das könnte oben hin, bevor du die Dächer abfackelst!
Baschar sieht die Camouflage-Hose, eine Welle geht durch seinen Bauch, als er ihm den Zettel hinhält, schaut er zur Seite.
Da könntest du besser zwei Sätze draus machen. Und wer schaut zur Seite? Morschi oder Baschar?
Der junge Mann macht keine Anstalten zu lesen. Er mustert ihn, den abgetragenen Anzug, die gescheitelten, glänzenden Haare.
Hier ist der Bezug auch nicht eindeutig. Er mustert Baschar, schätze ich, aber besser, du machst das deutlicher.
Sah er Berge, hörte er ein schwarzes Pinselstrich-Zermatt über die Schneestille wehen.
Das finde ich an sich super schön - das Schwarz haut mich aber aus der Schneestille raus. Soll es das? Warum kein weißer Pinselstrich?
Als später vorbei war, übertönten Bomben die innere Musik,
Auch schön, aber das “später” vielleicht kursiv setzen, weil der Bezug zum ersten Später im Text schon recht weit entfernt ist.
Seit der Überfahrt hörte er die Karte nicht mehr.
Nee, so, wie es im Text steht, hört er die Karte schon vorher nicht mehr. Eben seit dem Zeitpunkt, als „später“ vorbei war.
»Stimmt, scheiße finden ist einfacher.« Karla gackert und hebt einmal kurz die Beine. Der Stamm, auf dem sie sitzt, wippt.
Das Gackern finde ich komisch. Passt ja nicht zu dem Gesprochenen vorher. Würde ich versuchen, umzustellen.
Die Gardinen dämpfen das Licht der Bullaugen weich, sie strahlen in die Nacht wie Suchlichter eines U-Boots
Da ist zu viel drin in dem Bild, was sich doppelt bzw. sogar ausschließt. Gedämpft ist ja bereits weich, irgendwie passt dann aber das Strahlen nicht mehr recht, das ich mir wieder hell und ungedämpft vorstelle, und Bullaugen in Verbindung mit Suchlichtern führt bei mir dazu, dass ich mir vorstelle, dass ein U-Boot seine Bullaugen als Scheinwerfer einsetzt …
Als Abel das erste Mal vorne stand, überfiel ihn die Hitze.
Warum schreibst du nicht, dass er zum ersten Mal vor einer Klasse stand? Und bei „der Hitze“ muss ich an Frauen mit Wechseljahrbeschwerden denken. Vielleicht geht ja auch irgendwas mit Glut oder so?
In Dawson City hörte er nicht auf, ließ die bunten, lauten Kanuten in den Camps hinter sich und paddelte weiter
Besser fände ich: Auch in Dawson City … - denn so genau weiß ich ja nicht, warum er gerade dort aufhören sollte, und ich will da auch nicht erst googeln müssen, ob das vielleicht die letzte Stadt vorm Ende der Welt ist.
Als der erste Schnee fiel, lachte er. Dass sie ihn fanden, ausgemergelt und halb erfroren, war Zufall.
Das finde ich schön - den Bogen von der anfänglichen Hitze (Glut) zum Halbgefrorenen.
Das letzte Kanu lag vertäut am Steg. Ab und an stieg er noch hinein, doch der Eifer hatte ihn verlassen. Er war angekommen in ʹBig Little Homesʹ.
Wirklich sehr schön, das Ende seiner Reise.
»Worum gehtʹs denn dann?« Abel muss nicht laut werden. Die Worte, die er spricht, sind gefärbt.
»Das müsstest du doch am besten wissen. Du hast beschlossen, keinen mehr auf den Platz zu lassen.«
Wer spricht den zweiten Satz? Morschi, nehme ich an - wäre aber auch kein Ding, das zu sagen, oder?
Morschi steckt den Stock tief in die Glut, knetet die Hände. »Ich denk halt auch an Tina.«
»Ah, da liegt der Hase im Pfeffer!«, sagt Karla.
Liegt denn da der Hase im Pfeffer? Oder was genau ist Morschis wirklicher Grund für seine starke Abneigung gegenüber Baschar?
hatte sie irgendwo ein klapperiges Wohnmobil aufgetrieben, mit dem sie mitten in der Nacht aufgetaucht war, weil es keinen TÜV mehr hatte.
Ist sie wirklich in der Nacht aufgetaucht, weil das Ding ab Null Uhr keinen TÜV mehr hatte? So klingt es für mich, aber ich denke, so meinst du es nicht ...
Auf dem See hängt ein Flaum aus geflochtenen Nebelschleiern.
Da stellt sich bei mir kein gescheites Bild ein, mit diesem Flaum …
Weißgrau wie ihre Haare – und seine
Ich finde das Kursive seine und die folgenden kursiven ihn und er’s störend, fast schon nervig, so, als würde ich’s sonst nicht kapieren - aber wenn du es am Anfang gleich einmal deutlich machst, funktioniert es auch so. Und lass doch nur seine Haare weißgrau sein: Weißgrau, wie seine Haare. Er. Ein Ziehen in der Leiste. Sie versucht, nicht an ihn zu denken …
Rauch steigt aus Abels Schornstein. Schnarchel sagen die anderen nur, wenn er nicht in der Nähe ist.
Den Schnarchel finde ich hier nicht passend - zum einen, weil es in dem Absatz gar nicht um Abel geht, zweitens, weil man kurz denken könnte, Abel ware “er”.
»Ja, du letzten Sommer«, kommt es von hinten.
Komma oder irgendwas nach “du”
Abel steht in der Tür seines Fichte Leichtbau.
Seines was Fichte Leichtbau? Wenn schon so detailliert, dann würde ich das Eigentliche nicht weglassen. Tiny Home? Wohnwagen? Hüttending? Leistenkanu für hochkant?
Kurz vor Agadir wurde sie wach, als die Autobahn endete und sich leckende Sandzungen auf die Straße legten. Tina füllte sämtliche Kanister und fuhr weiter, bis der Asphalt endete und nur zwei Fahrspuren im Sand blieben.
Das gefällt mir ebenfalls, Tina hat eine ähnliche rastlose Reise hinter sich wie Abel.
Nach einer Weile bekam er ein Gefühl für die Arbeit. Er spürte die Krankheit der Hütte auf, tauschte Verfaultes gegen Frisches, schäftete Balkenenden an, setzte neues Holz ein und heilte das Gerippe Stück für Stück.
Morschi hast du den mit Absicht genannt, stimmt’s? Der, der gerne mit stabilem, frischem Holz arbeitet,
Morschi liebte den Geruch des frischen Nadelholzes, wenn es im Sonnenlicht seinen Harzduft entfaltete.
aber am Ende nicht stark genug ist, sich den veränderten Umständen anzupassen:
Er hebt nochmal die Hand, dann blinzelt er und fällt in sich zusammen.

Deine Figuren hast du wirklich gut gezeichnet, bis auf Baschar kann ich die mir alle sehr gut vorstellen. Der ist blass geblieben – soll er wohl?
Und warum Morschi so extrem reagiert, das haben ja auch andere schon gefragt, ich verstehe es auch nicht ganz. Ein wenig schade finde ich, dass beide Frauen mehr oder weniger dort gelandet sind, weil ein Kerl sie verlassen hat, oder habe ich das vielleicht falsch gelesen - bei Tina ist es wohl doch eher ein anderer Grund.

Abels Kanu dümpelt draußen auf dem Arm des Stausees. Es ist leer. Das Paddel treibt davor, neben einem dunklen Fleck, der ein Baumstamm sein kann und auch alles andere.
Den Schluss finde ich sehr gelungen, vor allem „und auch alles andere“.

Habe ich gerne gelesen!

Viele Grüße von Raindog

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Friedrichard,

du hast mal wieder aufschlussreiche Ableitungen im Gepäck, mein lieber Scholli. ;)

denn genau zwischen „Himmel“ und „Hölle“ strandet der Fremde / Geflüchtete1 seinem Namen nach (Baschar, arabisch [„levantinisches] „frohe Botschaft/gute Nachricht“ und Baschar [„al assad“ = „der Löwe“
Auf meiner Suche nach arabischen Vornamen fand ich Baschar als "Überbringer der frohen Botschaft" passend und bezeichnend, nur dass die niemand hören will.

Ein weiterer Hinweis könnte da der Name des „Abel“sein (hebr. „Hauch/Atem“, aber auch „Vergänglichkeit“) und Deine feine Geschichte über die Ankunft eines Fremden (einem Flüchtling zwischen Himmel und Hölle in eine Gemeinschaft aus ehemals Fremden, wobei es immer noch einen ärmeren gibt, dessen Koffer hingegen trügerisch sein kann … Die Verstärkung der nahezu alttestamentarischen Charakter wird – gar nicht mal „befremdlich“ für mich, wenn das „Dutzend“ genannt wird
Biblisch sollte der Vorname schon sein, der alttestamentarische Abel passte insofern, weil der Kanukerl für mich etwas pastorales hat. Eine tiefere Bedeutung oder gar ein Bezug zu den biblischen Zwölf muss ich verneinen, war nicht gewollt.
Deinen weiteren Ausführungen bis hin zum Stammvater der Beduinen und dem indigenen Volk bin ich mit Interesse und Augenzwinkern gefolgt. Sei dir versichert, da war ganz bestimmt nichts Hintersinniges von mir mitgedacht.

Danke für die Flusenlese, bis bald, Peace, linktofink

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Liebe @Chutney,

schön, dass du bei mir und meinem anstrengenden Text vorbeischaust. ;)

als ich deine Geschichte zum ersten Mal begonnen habe, gleich nach dem Einstellen, war ich total überfordert und bin nicht weit gekommen. Jetzt, nach deiner Überarbeitung und nach mehrmaligem Lesen kann ich die einzelnen Bilder genießen, bin beeindruckt von ihrer Intensität und auch von der Klarheit des Plots. Dennoch bin ich oft noch am Rande der Reizüberflutung.
Mein Text sprengt inhaltlich eigentlich den Rahmen einer KG, dazu wird zuviel erzählt, dennoch fand ich es reizvoll, es zu versuchen und den Text soweit zu verdichten, dass er fast nur mit Rückblenden und Dialogen auskommt. Dein Statement, dass du trotz der Üppigkeit einzelne Bilder genießen kannst und den Text stark nennst, freut mich ungemein.

Möglicherweise würden einzelne poetische Bilder noch stärker wirken, wenn sie nicht sogleich von einem weiteren, noch suggestiveren Bild abgelöst würden.
Dahingehend muss ich den Text prüfen. Ich denke mal, du meinst vor allem die Kofferbeschreibung?

Und was den Inhalt betrifft, ist das eine Geschichte mit Tiefgang. Echt ein starker Text.
:kuss:

»Stimmt, scheiße finden ist einfacher.« Karla gackert und hebt einmal kurz die Beine.
Das Gackern gefällt mir nicht so, das macht sie erst so oberflächlich, dümmlich und revidiert sich erst später im Text.
Das Gackern sollte ihren Rotweinkonsum spiegeln. Aber du hast recht, es passt nicht, wird ersetzt.

Auch was das Muster der Hose für diesen traumatisierten Mann bedeutet. Sehr deutlich, wie du in einem Satz die beiden Männer charakterisierst, ihre Art, der Welt zu begegnen.
Schön, dass das so unmittelbar ankommt. Manchmal sind es kleine Details, die viel mehr sagen als lange Erklärungen. Nur gelingt es nicht oft, die zu finden.

Als später vorbei war, übertönten Bomben die innere Musik, der Regent seiner Heimat führte Krieg gegen das eigene Volk.
Stark.
Da hab ich lange dran geschnippselt, danke.

Und Europa war ein Versprechen, das nicht eingelöst wurde.
Das ist schon etwas abgegriffen, finde ich.
Hatte ich befürchtet, obwohl es mir persönlich nicht so präsent vorkam. Mal schauen, ob ich einen Ersatz finde.

Der Koffer ist der seidene Faden, der sein Leben in der Senkrechten hält.
Überhaupt hast du das Kofferthema hervorragend umgesetzt.
Ich hatte zuerst eine ganz andere Geschichte geschrieben über einen Mörder, der Andenken an seine Opfer in einem Koffer sammelt, voll psycho - und bin dann umgeschwenkt.

Und auch hier, der Abel steht sofort vor mir, wenn ich das lese, Beschreibung, Art zu sprechen, das funktioniert einfach.
Merci, das freut mich, weil ich das besonders schwierig finde.

Hier verstehe ich nicht ganz, worum es geht. Um einen Verlust oder um ein Trauma. Eher denke ich, das ihr jemand etwas angetan hat.
Ja, ist beides möglich, Trennung oder Misshandlung. Ich entscheide mich für eines und mache das deutlich. Danke für den Hinweis.

Diese Szene weist schon auf das Ende dieser ganzen bitteren Geschichte. Wie sehr Baschar in Gefahr ist. Wie furchtbar, von fremden Menschen abhängig zu sein. Sich keinen Fehler erlauben zu dürfen.
Das war der Beweggrund für diesen Abschnitt, zu zeigen wie eine Nichtigkeit, eine Lappalie ein Schicksal beeinflussen kann.

. Sie ritt auf Dünenkronen, driftete durch die Wüste wie auf Treibsand und hoffte, irgendwann anzukommen, wenn sie nur weit genug führe.
Diese Beschreibungen sind mir manchmal etwas too much.
Manno, da war ich voll im Wüsten-Flow, saß am Lenkrad mit einem Tuch vor dem Gesicht und surfte mit meinen Allrad die Sandwelle. Hmm. Mal sehen, ob ich da einen Gang runterfahre.

Das verstehe ich nicht so ganz. Wo hat er denn bisher geschlafen? Und wieso sollte der Platz Schwierigkeiten bekommen? Ich dachte, Abel ist sowas, wie der Besitzer.
Die Nacht hat er halt in Tinas Bremach geschlafen, aber Tina hat keinen Platz und andere Sorgen und will ihn eigentlich nur loswerden. Ja, die Genehmigung. Abel ist der Besitzer, keine Frage, doch wenn er einen illegalen Flüchtling beherbergt, kann er schon Trouble bekommen, dachte ich? Privatpersonen müssen illegale Migranten nicht melden, doch Abel muss damit rechnen, dass der Morschi Bockmist baut und Baschar meldet und dann steht der Trouble ins Haus.

Ja, der Vater, der die Anerkennung versagt. Morschi hat sein eigenes Päckchen. Dennoch verzeihe ich ihm seine Hartherzigkeit nicht.
Ich auch nicht … Dennoch muss ich seine starke Ablehnung bis hin zum Hass noch anders motivieren als durch Eifersucht. Das habe ich aus den anderen Komms gelernt.

Ach, wie traurig. Starker letzter Satz.
Jo, und der bleibt!

Vielen Dank, liebe Chutney, für deinen hilfreichen Kommentar. Jeder hat seine ganz eigene Sicht auf den Text und das hilft mir, ihn noch besser kennenzulernen.

Peace, linktofink

so jetzt erst mal Frühstück … to be continued

 

Biblisch sollte der Vorname schon sein, der alttestamentarische Abel passte insofern, weil der Kanukerl für mich etwas pastorales hat. Eine tiefere Bedeutung oder gar ein Bezug zu den biblischen Zwölf muss ich verneinen, war nicht gewollt.
Deinen weiteren Ausführungen bis hin zum Stammvater der Beduinen und dem indigenen Volk bin ich mit Interesse und Augenzwinkern gefolgt. Sei dir versichert, da war ganz bestimmt nichts Hintersinniges von mir mitgedacht.

Weiß ich doch (oder konnt's mir immerhin denken),

lieber linktofink,

zeigt aber auch, dass es mehr als eine Deutung gibt und Du zumindest an alten Mythen kratzt, die wahrscheinlich im "kollektiven" Unbewussten lagern wie der Sprachschatz, der ja nie vollständig gehoben wird, wächst durch Neubildungen.
Kurz, je offener eine Geschichte ist, desto besser. Da hab ich gerade geradezu eine einn-eindeutige Gebrauchsanweisung eingestellt - ganz entgegen meinen Gewohnheiten. Aber den Neologismus "Verschissmuss", der den Text bei mir hervor provozierte, werd ich in meinen bescheidenen Wortschatz aufnehmen.

Bis bald, schönen Adventssonntag und schöne Tage diese Tage aus'm Pott vom

Friedel

Tschüss

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe @barnhelm,

in der letzten Zeit lese ich wieder lieber Romane als Kurzgeschichten. Mir gefällt, wie sich da allmählich etwas entwickelt, wie der Autor sich Zeit nimmt, seine Charaktere zu skiziieren. So kommen sie mir oft näher, als es die Knappheit einer Kurzgeschichte leisten kann, bzw dies nur von sehr guten Autoren geschafft wird.
Das finde ich extrem schade, denn das bedeutet, dass du dem Forum als wichtige Kommentatorin abgehst. Ich empfinde deine Kommentare als sehr umsichtig und klug und durfte schon oft von ihnen profitieren (ja, mit Einschränkung selbst beim "Jürgen" :D).

Deine Geschichte nimmt sich Zeit für ihr Personal. Die Vorgeschichten erklären mir, warum gerade diese Menschen an diesem Ort etwas außerhalb des Alltäglichen gelandet sind. Hier haben sie sich eingerichtet, hier haben sie ihren Platz gefunden, nach ihren Fluchten, ihren Obsessionen, ihren Versuchen, sich selbst in den Griff zu bekommen.
Ja, genau wie bei den Kommunen in den Siebzigern versammelt sich auch in den Tiny House Parks offenbar ein spezielles Völkchen. Ich hab ne Doku gesehen, wo die Leute gelebt haben wie in einer riesigen WG, sie haben echt alles zusammen gemacht.

In diese jetzt mehr oder weniger gefestigte Welt dringt Baschar ein, wird zum Störfaktor, zum Sündenbock, der sich dann am Ende selber von dannen begibt.
guter Pitch für meinen Text.

Nicht ganz klar geworden ist mir, warum Morschi den Baschar so abgrundtief hasst.
Was ist diese Klamm in seiner Seele, die nicht zulässt, dass da jemand in seine kleine Welt eindringt?
Was hat ihn dazu gebracht, diesen Fremdling derart abzulehnen?
Vielleicht sollte ich genauer lesen oder du Morschis Verhalten ein wenig klarer motivieren.
Schuldig in allen Punkten. Es fehlt die Grundlage seiner Ablehnung. Die Eifersucht ist zu dünn, das sehe ich ein. Die Tina geht ja auch nichts ein mit dem Baschar, sonst wäre die Lage eine andere. Morschis Xenophobie muss anders motiviert sein, d'accord, aber gibt es eine rationale Rechtfertigung für Fremdenhass? Oder findet da eine Projektion statt?

Die Europa-Karte seiner Vorstellung war nicht topographisch, sie war lautmalerisch.
Bin mir nicht ganz sicher: Ich kenne ‚lautmalerisch‘ eigentlich nur, wenn es sich z.B. um Tierlaute (kikeriki) o.Ä. handelt. Hier scheinst du mir eher so etwas wie 'tönend' zu meinen.
ja, könnte zu weit hergeholt sein, ich schau mal nach, was näher dran.

Das hast du ja nun schon mehrfach gehört, aber hier würde für mich der Satz auch ohne das Attribut funktionieren, zumal es mir auch später unwichtig zu sein scheint, ob der Baumabschnitt steht oder liegt.
okay, wird gestrichen, ich sehe es ein.

Dagegen gefällt mir das von dir gezeichnet Bild in seiner Gesamtheit sehr gut. Das hat etwas sehr Atmosphärisches.
Oh, das freut mich sehr, dann hat sich das Aufräumen gelohnt.

Er dachte, wenn Fingerspitzen sich im Himmel berühren, heißt das Vatikan.
Hier würde ich in beiden Fällen den Konjunktiv verwenden: berührten, hieße.
jawoll.

Der Koffer ist der seidene Faden, der sein Leben in der Senkrechten hält.
Diese Bild halte ich für nicht ganz gelungen. Ich verstehe, dass sein Leben an diesem Koffer hängt. Wenn er weg ist (dieser seidene Faden zerrissen ist), wäre auch sein Leben zu Ende. Natürlich auch die Senkrechte:D. Da hast du fmE ein bisschen zuviel reingepackt.
oh, gerade die Stelle hat manch anderem gefallen.

Auch ohne die Bullaugen bleibt das Bild erhalten und wird für mein Empfinden sogar griffiger, müsste natürlich neu formuliert werden. Nur 'Bullaugen' und 'U-Boot-Lichter' halte ich für überfrachtet, zu sehr in einen anderen Zusammenhang geratend.
Ja, schon gut :D. Das Forschungs U-Boot ist ja schon weg. Mal sehen, ob ich es ganz kille, denn das Zusammenwirken mit Kanu, Tentakel und leckenden Zungen gefällt mir eigentlich.

Seine innere Kurbelwelle kalibrierte sich
Selbst nachdem ich diesen Begriff im Duden nachgeschaut hatte, konnte ich mir nicht vorstellen, was du meinen könntest. Lässt sich das nicht ein wenig anschaulicher und einfacher ausdrücken?
Tja, da kommt der Tischler in mir durch. Kalibrieren ist für mich ein ganz normales Wort, okay, ich bin nicht der Maßstab, das ist unverständlich, da muss ich anders mit umgehen, vllt. sollte ich "eichen" nehmen - oder "neu ausrichten"!?

Auf dem See hängt ein Flaum aus geflochtenen Nebelschleiern. Weißgrau wie ihre Haare …
Auch hier diese Quäntchen zu viel (für mich): Der Flaum löst doch gleich eine Assoziation aus, da verwirren mich die Flechten dann eher.
Ja, das Bild stimmt noch immer nicht. Da ich den Flaum sehr mag, streiche ich das geflochtene.

Crowdfunding
, widerholte er ständig.
da wiederspreche ich nicht :Pfeif:

Auch wenn deine Geschichte meine Fragen an sie noch nicht alle beantworten konnte, so bleibt es doch im Ganzen ein toll erzählter Text, der mich sehr beeindruckt hat. Du bist auf dem richtigen Weg, lieber linktofink.:)
willst du dir das mit den Romanen nicht nochmal anders überlegen … :kuss:

Peace, linktofink

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Hey @Vulkangestein

Wenn ich den Anfang lese, habe ich einen klaren Überblick, was wo ist. Finde ich sehr gut.
Puuuuh, scheint ja halbwegs gelungen ...

geht runter wie Öl :D
gerne ;)

(nächste Frage: was ist Glasfaser? :D ).
Krieg ich da jetzt Internetz auf dem Boot? :drool::lol:
Immer diese digital Natives …

Klar, kann man auch als Schulwechsel-Ding lesen, deswegen habe ich jetzt den Referendar zugefügt, damit klar wird, dass Abel nach seinem Pädagogik-Studium erst realisiert, dass er für den Lehrer-Job nicht geschaffen ist.
Ach, das macht natürlich Sinn :bonk:
Dass ich da als Lehramtsstudent nicht drauf gekommen bin. Ist ja nicht so untypisch. Aber dann ist es jetzt auch für die ganz Langsamen klar :lol:
Wer inner Wurstbude arbeitet, mag ja auch keine Wurst mehr essen, oder ist das jetzt Äpfel mit Birnen? :Pfeif:

Ich sitze dran, heute den letzten Satz des ersten Entwurfs geschrieben! Flowt insgesamt noch nicht so, muss noch schauen, dass ich das bis Samstag etwas abrunde. Spätestens dann lass ich ihn auf euch los :lol:
Hau rein und raus, du schaffst das noch!

Peace, linktofink

Edit: Hab gesehen, du hast eingestellt, nur ich hab jetzt keine Zeit zum Kommentieren mehr, shit.

 

linktofink schrieb:
Morschis Xenophobie muss anders motiviert sein, d'accord, aber gibt es eine rationale Rechtfertigung für Fremdenhass? Oder findet da eine Projektion statt?

Ich denke, dass Ursachen für Fremdenhass meist etwas mit Verunsicherung und Angst vor dem Andersartigen zu tun haben - begleitet oft von einem diffusen Gefühl der eigenen Minderwertigkeit.
In irgendeiner Form muss Morschi sich durch Baschars Existenz bedroht und verunsichert fühlen. Was kann das sein? Das muss nicht unbedingt etwas mit diesem konkreten Menschen Baschar und dem, wie er ist oder was er tut, zu tun haben. Es kann durchaus etwas sein, was in Morschi liegt. Vielleicht ist es seine Angst, dass die Gruppe, in der er jetzt endlich seinen Platz gefunden hat, in der er jemand ist, für die er seine ganze Kraft eingesetzt hat, durch das Auftauchen dieses Fremden, der die Sprache nicht spricht, der die Regeln nicht einhält, der sich anders als die anderen verhält, zerbrechen könnte, und er, Morschi, dann wieder heimatlos und allein dastehen würde.
Natürlich findet da eine Projektion statt. Die Frage bleibt aber: Warum gerade Morschi? Warum sucht gerade er nach Baschars Fehlern? Warum will gerade er, dass Baschar wieder verschwindet?

Kennst du den Roman 'Die Welle'. Da zerbricht der Charakter 'Robert' am Ende beinahe daran, dass es seine Gruppe nicht mehr gibt.

 

Manche hängen ein Schild dran: "Wegen Überfüllung Geschlossen", andere lesen es gern, können und mögen das aufnehmen, was sie finden.

Ja, das stimmt, ich mag deine Geschichten wegen des Überreichtums und der angesprochenen Überfüllung. Aber das bleibt eben etwas subjektives, andere schätzen mehr die Klarheit und das Präzise in der Sprache. Ich bin mir auch unsicher, ob man deine Geschichten immer so linear von vorne nach hinten durchackern muss. Man kann sie auch überfliegen, man kann hier und dort einsteigen. Gerade in deiner Story halte ich Linearität für gar nicht so wichtig. Ein anderer, nichtlinearer Zugang, der viel zu oft als banales Überfliegen verunglimpft wird. Aber ja, das ist eben sehr subjektiv :-D

lg
kiroly

 
Zuletzt bearbeitet:

@Friedrichard

Aber den Neologismus "Verschissmuss", der den Text bei mir hervor provozierte, werd ich in meinen bescheidenen Wortschatz aufnehmen.
Ich hab deinen Challenge-Text einmal gelesen, kann aber nicht behaupten, ich hätte ihn verstanden. Werde ich mir mit mehr Muße nochmal reinziehen. Aber der "Verschissmus" ist auch ohne Zusammenhang ein Highlight. Danke dafür. :D
Offtopic: Hab ich da gestern iwo was von Geburtstag und reinfeiern gelesen? Wenn du gemeint bist, dann >Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag< lieber Friedel!
Peace, linktofink

@josefelipe

edit Hola @linktofink, Du Geplagter - ist nur eine Kleinigkeit:
Um die Feuerstelle liegen in loser Anordnung Abschnitte von Baumstämmen. In einem aufgestellten steckt ein Beil. Holzscheite liegen im Gras daneben.
(Aktueller Text)
Klipp und klar unterschieden in Feuerholz / Scheite und 'Abschnitte von Baumstämmen' (die ich als Feuerholz und nicht als Sitzgelegenheit verstand). MMn wirken die A v. B. immer noch ungelenk - warum nicht (Holz)klötze oder Sitzblöcke?
Ich Geplagter bin endlich euren Hinweisen gefolgt und hab die Dinger aus Holz (nein, hier jetzt kein Begriff dafür) hoffentlich endlich flutschig beschrieben.
Danke für dein Nachkarten, José, manchmal isset nötig bei mir.
Peace, linktofink

@kiroly,

Ja, das stimmt, ich mag deine Geschichten wegen des Überreichtums und der angesprochenen Überfüllung. Aber das bleibt eben etwas subjektives, andere schätzen mehr die Klarheit und das Präzise in der Sprache. Ich bin mir auch unsicher, ob man deine Geschichten immer so linear von vorne nach hinten durchackern muss. Man kann sie auch überfliegen, man kann hier und dort einsteigen. Gerade in deiner Story halte ich Linearität für gar nicht so wichtig. Ein anderer, nichtlinearer Zugang, der viel zu oft als banales Überfliegen verunglimpft wird. Aber ja, das ist eben sehr subjektiv :-D
Danke, lieber kiroly, mache ich bei vielen Texten und Büchern, dass ich Stellen, die mich beschäftigen, gezielt nochmal nachlese (auch um zu verstehen, wie der Autor das macht:D) Ich lese (mittlerweile) selten linear, sondern stöbere immer irgendwo rum. Scheint abzufärben.

@barnhelm,

Ich denke, dass Ursachen für Fremdenhass meist etwas mit Verunsicherung und Angst vor dem Andersartigen zu tun haben - begleitet oft von einem diffusen Gefühl der eigenen Minderwertigkeit.
In irgendeiner Form muss Morschi sich durch Baschars Existenz bedroht und verunsichert fühlen. Was kann das sein? Das muss nicht unbedingt etwas mit diesem konkreten Menschen Baschar und dem, wie er ist oder was er tut, zu tun haben. Es kann durchaus etwas sein, was in Morschi liegt. Vielleicht ist es seine Angst, dass die Gruppe, in der er jetzt endlich seinen Platz gefunden hat, in der er jemand ist, für die er seine ganze Kraft eingesetzt hat, durch das Auftauchen dieses Fremden, der die Sprache nicht spricht, der die Regeln nicht einhält, der sich anders als die anderen verhält, zerbrechen könnte, und er, Morschi, dann wieder heimatlos und allein dastehen würde.
Natürlich findet da eine Projektion statt. Die Frage bleibt aber: Warum gerade Morschi? Warum sucht gerade er nach Baschars Fehlern? Warum will gerade er, dass Baschar wieder verschwindet?

Kennst du den Roman 'Die Welle'. Da zerbricht der Charakter 'Robert' am Ende beinahe daran, dass es seine Gruppe nicht mehr gibt

Die Welle hat meine Tochter in der Schule gelesen, deshalb weiß ich grob Bescheid. Ich verstehe deinen Hinweis auf die Bedeutung der Gruppe, auf die Sinnstiftung, die Big Little Homes für Morschi liefert. Er ist ja derjenige, der anfangs Baschar die Tür vor der Nase zumacht - aus Angst vor Fremdeinwirkung auf die Gruppe? Wäre möglich. Nichtbeachtung der Regeln als Subversionsversuch zu sehen, wäre auch ein Punkt, der zu Morschi passt. Ich schau mal, ob ich das iwie in seine Rückblende (und in den Text) eingebaut bekomme. Danke dafür.


@Raindog, erst mal vielen lieben Dank für deinen Hammerkommentar. Mal sehen, was du dabei hast.

ich wette, dein derzeitiges Profilbild ist dort entstanden, in Big Little Homes, stimmt’s?
Na klar, ich hab Karlas Tasse beiseite geschoben, das beschlagene Fenster aufgemacht, Abels wehende Mähne mit der Hand weggehalten und dann zwischen den Pappeln hindurch den See geknippst. Nur das Kanu war schon weg.

Es klingt emotionslos, wie die Beschreibung eines Stillebens, aber man spürt die Ruhe vor dem Sturm.
So soll das, mit ersten Anzeichen einer Wetteränderung.

Baschar steht vor der abschüssigen Zufahrt.
Muss gestehen, diese Drubbelung ist mir gar nicht aufgefallen. Mich stört das aber auch nicht. Aber: schau ich mir nochmal an.

Vor ihm öffnet sich eine Senke, auf deren Flanken sich ein Dutzend Holzhäuser, Zirkuswagen und umgebaute LKW verteilt.
Puh! Ich neige ja dazu, mir immer sinnlose Sachen vorzustellen, und hier passiert es wieder, ich denke da zunächst, der Boden öffnet sich vor seinen Füßen … Flanken finde ich persönlich auch übertrieben, fände schlicht und einfach Ränder besser und würde dann auch nicht erst sinnlos an Pferde denken. Bei „verteilt“ denke ich gefühlsmäßig, hier gehört der Plural hin - aber ja, ein Dutzend – ich glaube, da ist beides möglich.
Nun ja, weder die sich öffnende Senke, noch die Bergflanke habe ich erfunden. Finde Ränder auch nicht besser, da ich bei Rändern oberhalb der Senke bin (im Sinne von Abbruchkante) und nicht mittendrin.
Den „verteilt“-Plural habe ich ausprobiert und: nee, klingt für mein Ohr falsch.

Aus einigen Dächern steigen schmale Rauchsäulen in die Morgensonne.
Das klingt nach Dachstuhlbrand. Vielleicht kannst du das Kaminrohr, das du später auch nennst, stattdessen hier schon einbauen?
Hab jetzt über den Dächern …

Von irgendwoher hört er das leise Knurren von Hunden.
Das klingt sprachlich in meinen Ohren nicht schön: ...wo-her-hört-er
Ja, ist geändert zu Aus der Ferne …

Du könntest es auch zuerst „Feuerstelle“ nennen, und diese vielleicht einfach „in der Mitte des Camps“ liegen lassen (anstatt im Zentrum der Ansiedlung – aber klar, Geschmackssache – meiner ist es eben eher nicht), und dann beschreiben, dass sie von einem gemauerten Steinring eingefasst ist. Fände ich weniger verschwurbelt, und du hättest trotzdem alles drin.
Jep, habe ich so gemacht. Danke.

Ich habe jetzt nicht mitgekriegt, was du schon verändert hast, aber später im Text finde ich das nicht mehr so geballt wie hier, aber der Anfang ist ja mit das Wichtigste!
Und da das so ist, wirf bitte nochmal einen Blick drauf, ob es sich für dich jetzt besser liest.

Ich bin mir natürlich nicht sicher, wieviel Symbolik du mit diesen Bildern verbindest: mit diesem grünlichen Tentakel, das vielleicht versucht, nach der trügerischen Idylle zu greifen … Dann ist es natürlich schwieriger, sowas rauszustreichen - aber auf Lesefluss und Eingängigkeit kannst du es ja trotzdem nochmal prüfen.
Tatsächlich möchte ich das Tentakelbild so lassen, weil mir das Aktive, Bedrohliche daran gefällt. Später beim Finale spielt der Tentakel auch seine Rolle und wenn ich seine Eigenschaften mitdenke, ist das Bild stärker, als bei einfach nur See.

Baschar sieht die Camouflage-Hose, eine Welle geht durch seinen Bauch, als er ihm den Zettel hinhält, schaut er zur Seite.
Da könntest du besser zwei Sätze draus machen. Und wer schaut zur Seite? Morschi oder Baschar?
Der junge Mann macht keine Anstalten zu lesen. Er mustert ihn, den abgetragenen Anzug, die gescheitelten, glänzenden Haare.
Hier ist der Bezug auch nicht eindeutig. Er mustert Baschar, schätze ich, aber besser, du machst das deutlicher.
Ist da die Zuordnung wirklich unklar? Baschar hält ja schon anfangs den Zettel in der Hand. Eigentlich müsste deshalb klar sein, wer agiert. Der Rest ergibt sich daraus, oder nicht?

Sah er Berge, hörte er ein schwarzes Pinselstrich-Zermatt über die Schneestille wehen.
Das finde ich an sich super schön - das Schwarz haut mich aber aus der Schneestille raus. Soll es das? Warum kein weißer Pinselstrich?
Das sind ja Bilder, die er von den Aufklebern ableitet. Und da hat der Aufkleber weiße Berge im Hintergrund und ober steht wie mit dem Pinsel gezogen: Zermatt.

Als später vorbei war, übertönten Bomben die innere Musik,
Auch schön, aber das “später” vielleicht kursiv setzen, weil der Bezug zum ersten Später im Text schon recht weit entfernt ist.
Ja, könnte hilfreich sein. Gemacht.

Seit der Überfahrt hörte er die Karte nicht mehr.
Nee, so, wie es im Text steht, hört er die Karte schon vorher nicht mehr. Eben seit dem Zeitpunkt, als „später“ vorbei war.
Die Bomben übertönen die Musik, sie ist noch da. Die innere Musik ist ja ein Äquivalent für seine Hoffnungen und Träume. Erst durch die Desillusionierung der Überfahrt verstummt sie.

»Stimmt, scheiße finden ist einfacher.« Karla gackert und hebt einmal kurz die Beine. Der Stamm, auf dem sie sitzt, wippt.
Das Gackern finde ich komisch. Passt ja nicht zu dem Gesprochenen vorher. Würde ich versuchen, umzustellen.
Ja, die Stelle ist geändert, wurde vorher schon bemängelt

Da ist zu viel drin in dem Bild, was sich doppelt bzw. sogar ausschließt. Gedämpft ist ja bereits weich, irgendwie passt dann aber das Strahlen nicht mehr recht, das ich mir wieder hell und ungedämpft vorstelle, und Bullaugen in Verbindung mit Suchlichtern führt bei mir dazu, dass ich mir vorstelle, dass ein U-Boot seine Bullaugen als Scheinwerfer einsetzt …
okay, auch das ist geändert. Positionslichter.

Als Abel das erste Mal vorne stand, überfiel ihn die Hitze.
Warum schreibst du nicht, dass er zum ersten Mal vor einer Klasse stand? Und bei „der Hitze“ muss ich an Frauen mit Wechseljahrbeschwerden denken. Vielleicht geht ja auch irgendwas mit Glut oder so?
Ist schon geändert und deutlicher geworden, nachdem Vulkangestein auf einer völlig anderen Fährte war. Jetzt steht da Referendar. Die Hitze finde ich persönlich passend. Glut meint eher sowas wie Leidenschaft.

Besser fände ich: Auch in Dawson City … - denn so genau weiß ich ja nicht, warum er gerade dort aufhören sollte, und ich will da auch nicht erst googeln müssen, ob das vielleicht die letzte Stadt vorm Ende der Welt ist.
Die buchbaren Touren gehen meistens von Whitehorse nach Dawson. Hab ich jetzt durch einen kleinen Beisatz verständlicher gemacht.

Als der erste Schnee fiel, lachte er. Dass sie ihn fanden, ausgemergelt und halb erfroren, war Zufall.
Das finde ich schön - den Bogen von der anfänglichen Hitze (Glut) zum Halbgefrorenen.
schön, so sollte es ankommen.

Das letzte Kanu lag vertäut am Steg. Ab und an stieg er noch hinein, doch der Eifer hatte ihn verlassen. Er war angekommen in ʹBig Little Homesʹ.
Wirklich sehr schön, das Ende seiner Reise.
Danke, deshalb liegt das Camp am See.

»Das müsstest du doch am besten wissen. Du hast beschlossen, keinen mehr auf den Platz zu lassen.«
Wer spricht den zweiten Satz? Morschi, nehme ich an - wäre aber auch kein Ding, das zu sagen, oder?
Ja, den Morschi hab ich eingebaut. Danke.

Morschi steckt den Stock tief in die Glut, knetet die Hände. »Ich denk halt auch an Tina.«
»Ah, da liegt der Hase im Pfeffer!«, sagt Karla.
Liegt denn da der Hase im Pfeffer? Oder was genau ist Morschis wirklicher Grund für seine starke Abneigung gegenüber Baschar?
Auch barnhelm hat Morschis wahre Motivation hinterfragt. Da bin ich dran.

hatte sie irgendwo ein klapperiges Wohnmobil aufgetrieben, mit dem sie mitten in der Nacht aufgetaucht war, weil es keinen TÜV mehr hatte.
Ist sie wirklich in der Nacht aufgetaucht, weil das Ding ab Null Uhr
ist jetzt zu „im Dunklen“ geworden.

Auf dem See hängt ein Flaum aus geflochtenen Nebelschleiern.
Da stellt sich bei mir kein gescheites Bild ein, mit diesem Flaum …
Ist passé, der Flaum steht jetzt alleine ohne geflochten.

Weißgrau wie ihre Haare – und seine
Ich finde das Kursive seine und die folgenden kursiven ihn und er’s störend, fast schon nervig, so, als würde ich’s sonst nicht kapieren - aber wenn du es am Anfang gleich einmal deutlich machst, funktioniert es auch so. Und lass doch nur seine Haare weißgrau sein: Weißgrau, wie seine Haare. Er. Ein Ziehen in der Leiste. Sie versucht, nicht an ihn zu denken …
Auch das ist geändert, ich hoffe, verbessert.

Abel steht in der Tür seines Fichte Leichtbau.
Seines was Fichte Leichtbau? Wenn schon so detailliert, dann würde ich das Eigentliche nicht weglassen. Tiny Home? Wohnwagen? Hüttending? Leistenkanu für hochkant?
Genau, das wäre mal ne Herausforderung! Scherz beiseite, ich schreib ein Tiny dazu.

Morschi hast du den mit Absicht genannt, stimmt’s? Der, der gerne mit stabilem, frischem Holz arbeitet,(…) aber am Ende nicht stark genug ist, sich den veränderten Umständen anzupassen:
Er hebt nochmal die Hand, dann blinzelt er und fällt in sich zusammen.
Genau gepeilt, der Morschi ist einer, der starke Strukturen braucht, um klarzukommen, der selbst gerne über ein stabiles Balkengerüst mit wetterfestem Schutz verfügen würde.

Deine Figuren hast du wirklich gut gezeichnet, bis auf Baschar kann ich die mir alle sehr gut vorstellen. Der ist blass geblieben – soll er wohl?
Ja, die Geschichte dreht sich eigentlich gar nicht um ihn.

Und warum Morschi so extrem reagiert, das haben ja auch andere schon gefragt, ich verstehe es auch nicht ganz. Ein wenig schade finde ich, dass beide Frauen mehr oder weniger dort gelandet sind, weil ein Kerl sie verlassen hat, oder habe ich das vielleicht falsch gelesen - bei Tina ist es wohl doch eher ein anderer Grund.
Tina ist sitzen gelassen worden (im Wahrwortsinn) und bei Karla denke ich Misshandlung mit. Muss das deutlicher?

Den Schluss finde ich sehr gelungen, vor allem „und auch alles andere“.
Jo, danke Raindog. der bleibt auch auf jeden Fall.
Vielen Dank für die Mühe und Zeit, die du in meinen Text gesteckt hast. Ich weiß das sehr zu schätzen, gerade weil die meisten von uns nicht gerade Langeweile schieben. MMn hast du wichtige Hinweise gegeben und den Text so maßgeblich weiterentwickelt.

Peace, linktofink

 

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