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Der Mond über dem Finsteraarhorn

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09.09.2015
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Der Mond über dem Finsteraarhorn

Ein Geräusch hatte Jolanda geweckt. Ein kehliger Laut. Ihr eigenes Stöhnen. Das Nachthemd war bis zum Bauchnabel hochgeschoben und klebte am Körper. Zwischen ihren Brüsten stand Schweiß. Noch bevor sie die Augen öffnete, tastete sie über das Kopfkissen im Nebenbett. Leer. Micha, durchfuhr sie der erste klare Gedanke des frühen Morgens und die Erkenntnis kam mit einer Wucht, die sie in das Laken drückte, sodass sie glaubte, nie mehr die Kraft zum Aufstehen zu finden.
Er schaut mich nur an mit diesem Blick, der mich erspürt und Stromstöße durch meine Eingeweide schickt. Er riecht nach Harz, Leder und Motorenöl. Ohne zu fragen, umschließt er mit seiner rauen Hand die meine, zieht mich mit sich. Und ich nehme es als Versprechen, dass er mich niemals loslassen wird. Mit seinem Lachen brechen die federleichten Tage an.
Sie hätte nicht sagen können, wie lange sie so reglos lag und an die Decke starrte – Zeit war ohne Bedeutung für sie –, als sie zu zittern begann. Sie drückte eine Tablette aus dem Blister und spülte sie mit einem Schluck Wasser hinunter. Dann bückte sie sich nach der Bettdecke, die auf die Dielen gerutscht war, und wickelte sich in sie ein. Jolanda sehnte sich nach Schlaf, der dem ewigen Grübeln nach dem Warum ein Ende setzte. Wünschte sich zurück in den Traum, der nur noch eine Ahnung war und ein diffuses Gefühl von Sehnsucht hinterlassen hatte.

Es regnete. Seit Tagen nichts als Regen, auch in Jolanda. Eine samtene Taubheit geleitete sie durch ihr neues Leben, das sie sich so nicht ausgesucht hat. Maria stand neben ihr, hatte sich untergehakt, um Jolanda zu stützen. Sie lauschte dem Trommeln der Tropfen und beobachtete, wie sie in Zeitlupe von den Schirmen auf die Schultern der Trauergäste fielen. Urs versank mit dem Rollstuhl im Matsch. Er war geschrumpft und wirkte zerbrechlich. Sein Blick irrte heimatlos über die Grabsteine. Speichel rann ihm übers Kinn.
Urs mustert mich mit stechendem Blick, sagt kein Wort. Nur die Sprache des Körpers ist deutlich. Er hat Angst vor mir, der Fremden, die ihm seinen Sohn stehlen will. Durch die angelehnte Küchentür höre ich ihn poltern: “Sie gehört nicht hierher, ein Püppchen aus Deutschland, zu schwach, zu zerbrechlich.“ Die Menschen hier haben sich an die Natur angepasst, sind schroff und kantig und kalt, denke ich und ergreife verletzt und wütend meinen Koffer. Nur Micha ist anders, ich seufze und bleibe.
Jolanda spürte, wie der Regen durch jede einzelne Pore in sie eindrang und ihr Blut verwässerte. All die schwarz gekleideten Menschen, die sich um das Grab drängten, sie sollten verschwinden, sollten die weißen Callas und Rosen mitnehmen. Sie erinnerten Jolanda daran, dass etwas Furchtbares passiert sein musste.
Erde zu Erde, Asche zu Asche. Als die Sargträger die Holzkiste in die Grube absenkten, fühlte Jolanda, dass sie zerfloss wie ein zu nasses Aquarell.

Als sie klingeln, scheint die Sonne. Die Luft duftet nach Erde, Gras und neuem Leben. Ich öffne die Haustür und vor mir stehen zwei Polizisten in Uniform. Zu zweit überbringen sie die Nachricht, als hätte ein einzelner zu schwer an ihr zu schleppen. Aber ich muss sie aushalten. Ich taumle rückwärts, finde Halt am Treppengeländer, umklammere die Stäbe aus Kiefernholz, die Micha erst vor wenigen Tagen geölt hat.

Jolanda schaufelte Blumenerde in die Balkonkästen. Sie trug keine Handschuhe, sie wollte die feuchte Kühle, das Leben, das der fetten schwarzen Krume innewohnte, spüren. Liebevoll löste sie die Wurzeln der weißen Geranien und setzte sie neu ein. Als sie jemand von hinten ansprach, fiel ihr beinahe der Topf aus den Händen und sie stieß einen spitzen Schrei aus.
„Entschuldige, das wollte ich nicht!“
„Wer bist du?“
„Ich bin dein Mann.“
„Mein Mann? Der hat mich verlassen.“
„Du musst nur genau hinschauen!“ Er nahm den Integralhelm ab. Während er ihr eine Haarsträhne hinters Ohr strich und ihr Gesicht in beide Hände nahm, umwehte sie ein Hauch von Leder. Der Kuss war weich und sie wünschte sich, er würde niemals enden. Micha, dachte sie, er ist zurückgekommen. Er hob Jolanda hoch, als wäre sie eine Puppe, trug sie über die Schwelle ins Haus, weiter ins Schlafzimmer und legte sie behutsam aufs Bett, um sie nicht zu zerbrechen. Als er sie langsam entkleidete, rannen Jolanda wohlige Schauer über die Haut.
„Micha“, flüsterte sie. „Wo kommst du her?“
„Aus den Tiefen des Steins, von dort, wo der Mond das Finsteraarhorn berührt.“
Sie legte ihren Kopf an seine Brust. „Ja, das ist schön, erzähl mir ein Märchen!“
„Kein Märchen, Jolanda. Es ist wahr, ich liebe dich.“ Und er streichelte ihren Rücken, bis sie in einen tiefen Schlaf fiel.

Am Morgen saß die Müdigkeit wie ein trotziger Kobold in Jolandas Nacken. Die Medikamente, der Preis, den sie gerne zahlte, um nichts zu fühlen. Sie gähnte, während sie den Tisch für die Eheleute Koller aus Berlin, die einzigen Gästen der Pension, deckte. Ein Gedanke kreiste in ihrem Hirn, klopfte an die Schädeldecke. Immer, wenn sie kurz davor war, das Bild zu fassen, versank es wieder im Nebel. Sie ließ sich auf die Eckbank sinken und zeichnete Kreise aufs Tischtuch. Die dunklen Trauerränder unter ihren Nägeln bildeten einen obszönen Kontrast zum Weiß. Jolanda schüttelte den Kopf. Die Kollers schwärmten vom Rhonegletscher, vom Blick auf das Finsteraarhorn. Plötzlich schob sich ein Negativ aus der Dunkelkammer ihres Hirns und gewann an Kontur. Der Mond steht über dem Finsteraarhorn. Micha wiegt Jolanda im Arm. Kalt und heiß und übel wurde ihr. Die Kaffeemaschine röchelte, die Brötchen dufteten und Jolanda verschwand im Bad, um sich zu übergeben.

Die Stiege zum Dachboden knarzte bei jedem Schritt. Der Geruch von trockenem Holz kroch Jolanda in die Nase, noch bevor sie die Tür vollständig aufgeschoben hatte. Jolanda schlug die Hand vor den Mund und ihr Herz setzte einen Schlag aus. An einem Querbalken schwebte eine schwarze Gestalt. Jemand hatte sich erhängt. Dann erkannte sie ihn. Jolanda versuchte, gleichmäßig zu atmen und näherte sich Michas Motorradanzug mit vorsichtigen Schritten, strich über das brüchige Leder, ertrug den Schmerz kaum, der in ihrem Inneren tobte.
Mit steifen Beinen steige ich auf den Beifahrersitz, umklammere Michas Taille, kralle mich in das Leder, als er Gas gibt. Die Honda jault auf und wir schießen pfeilschnell davon. Ich halte die Luft an. Ganz grau sitze ich hinter ihm, kann mich nicht bewegen. Mit jeder Kurve werde ich schwerer, während er federleicht zu schweben scheint.
Sie musste sich auf die Truhe setzen, auf deren Intarsienarbeit Urs immer so stolz war. Seit er im Pflegeheim lebte, lagerten hier seine letzten Habseligkeiten. Micha und sie hatten es nicht übers Herz gebracht, sie wegzuwerfen. Fotoalben, Urkunden, Fachbücher lagen noch so, wie sie sie hinterlassen hatten. Jolanda fragte sich, was sie hier überhaupt machte und was sie sich von der Kramerei in den alten Sachen versprach. Sie ließ den Deckel fallen, Staub wirbelte auf und tanzte in den schräg einfallenden Sonnenstrahlen. Ein letztes Mal drehte sie sich nach dem schwarzen Anzug um.

Dann holte sie das Fahrrad aus dem Schuppen. Sie trat kräftig in die Pedale. Sie musste zu Maria. Der Wind begleitete sie, mal schob er sie an, mal stemmte er sich ihr entgegen, zerrte an den Haaren.
Die Kirchenglocken begannen zu läuten, als Jolanda die Tür zur Buchhandlung aufstieß. Mit geröteten Wangen schob sie sich durch die Regalreihen.
Maria legte den Stapel Kriminalromane auf die Theke und ging der Freundin entgegen. „Meine Güte, du bist ja ganz durch den Wind.“
„Maria! Was weißt du über das Finsteraarhorn?“
„Setzt dich erst mal!“, sagte Maria.
„Sag schon!“
„Na ja, der höchste Berg der ...“
„Nein, das mein ich nicht. Etwas Magisches, ein Märchen vielleicht, das sich um den Berg dreht. Ach, ich weiß auch nicht. Hast du nichts hier?“
Maria runzelte die Stirn und fragte: „Hast du schon mal ins Netz geschaut?“
„Kein Anschluss, weißt du doch“, sagte Jolanda und trat von einem Bein aufs andere, während Maria die Datei öffnete.
„Reiseführer, Touristeninfos, Klettertouren“, sagte Maria. „Von Magie keine Spur. Aber ich werde recherchieren. Vielleicht hat Paps eine Idee. Warum musst du das wissen?“
„Erzähl ich dir später.“
„Pass auf dich auf, versprich es mir!“

Jolanda fühlte sich nach dem Ausflug unendlich ausgelaugt. Sie beschloss, sich eine halbe Stunde auszuruhen, nachdem sie das Geschirr in die Maschine geräumt hatte. Die geschlossenen Lider wurden zur Kinoleinwand, auf der die Bilder der federleichten Tage abliefen.
Wir schlendern durch die Stadt, Hand in Hand. Schlecken Eis, schauen Kindern beim Spielen zu. Ein Dreijähriger plantscht mit den Händen im Brunnen. Die Rufe der Mutter, die den leeren Buggy schiebt, erreichen ihn nicht. Micha sieht mich lange an, spürt meine Sehnsucht, zieht mich an sich und murmelt in mein Haar: „Wir haben alle Zeit der Welt, Jola.“
Die Stimme war ganz nah an ihrem Ohr, das Timbre von Micha. Jolanda schreckte hoch, blinzelte. Dann ein Klopfen an der Scheibe. Sie stand auf, zog die Gardine zur Seite und war nicht überrascht, Micha zu sehen. Die wirren Locken fielen ihm in die Stirn und er lachte sein Jungenlachen.
„Willst du mich nicht reinlassen?“
„Geh doch durch die Tür!“, sagte Jolanda und öffnete beide Fensterflügel.
„Wer braucht eine Tür?“ Mit einem Satz sprang er ins Zimmer.
„Ach, Micha, wo kommst du denn her, am helllichten Tage?“
„Von dort, wo die Gletscher knirschend ins Tal kriechen.“
„Und diesmal bleibst …“
Mit einem Kuss verschloss er ihren Mund. Seine Umarmung war so fest, dass Jolanda glaubte, gleich keine Luft mehr zu bekommen. Doch sie wollte es aushalten.
Ein Windhauch streifte Jolandas erhitzten Körper. Die Vorhänge blähten sich im Abendwind und durch das geöffnete Fenster hörte sie ein Motorengeräusch näherkommen. Als sie sich erhob, schmerzten die Glieder.

Die Scharniere der Gartenpforte quietschten. Maria stand auf dem Kiesweg und versuchte ein Lächeln, aber es rutschte weg.
„Hier! Das könnte es sein, wonach du suchst. Aus den alten Beständen meines Vaters. Er lässt schön grüßen. Auch Urs.“
Jolanda nahm das dünne, abgegriffene Büchlein zögerlich entgegen. „Danke, Maria! Du bist ein Schatz!“
„Magst es behalten, sagt Vater. Es soll dir Glück bringen.“
Jolanda umarmte Maria und nickte nur.

Das Buch lag auf dem Küchentisch und Jolanda zeichnete mit den Fingerkuppen die Prägung nach. Die goldenen Lettern waren abgeblättert.
Der Mond über dem Finsteraarhorn. Schweizer Sagenschatz. Originalausgabe 1912. Als sie die erste Seite umblätterte, zitterten die Hände. Die Bewegung übertrug sich auf das Papier und es sah aus wie ein lebender Organismus, der atmete. Sie hörte ihr Herz in den Ohren schlagen. Sie begann zu lesen:
„Dort, wo das Finsteraarhorn den Mond berührt, die Gletscher knirschend ins Tal kriechen, lebten tief unten, zwischen Kristallin und Schiefer, durchscheinende, gütige Wesen: die Aaren. Sie hatten die Gabe, menschliche Gestalt anzunehmen und ihre Bestimmung war es, den Bewohnern der Bergregion in Stunden tiefster Not beizustehen. Des Nachts besuchten sie die Menschen, schenkten ihnen wundervolle Träume und erfüllen ihnen die sehnlichsten Wünsche. Am helllichten Tage spürte man sie als das Streicheln des Windes auf der Haut.
Niemand weiß, woher sie kamen und wohin sie gegangen sind.“
Jolanda atmete schwer und flüsterte: „Sie sind gar nicht weg.“
Die Wände rasten auf sie zu.

Die Luft war warm und feucht und duftete nach Kirschblüten. Jolanda lag mit geschlossenen Augen in der Wanne. Der Schaum knisterte. Sie konnte hören, wie die Bläschen zerplatzten. Sie hatte die Sage so oft gelesen, dass sie den Text auswendig kannte: „Es geschah, dass sich ein noch unerfahrener Aar einer jungen, schönen Witwe annahm. Mit jeder Nacht, in der er in ihre Träume eindrang, gab er ein Stück von sich selber her, bis er sich unsterblich in sie verliebte.“
Jolanda seifte sich ein und tauchte unter Wasser. Später trug sie Bodylotion auf, sie wollte duften heute Nacht – für ihn. Dann öffnete sie den Lippenstift, den sie seit Wochen nicht gebraucht hatte. Er kroch aus der Hülse wie eine rosa Raupe und legte sich schimmernd auf ihre Lippen.
Jolanda ging zu Bett. Sie versuchte einzuschlafen, wollte den Traum herbeizwingen, doch sie wälzte sich von einer Seite auf die andere und die Zeilen spukten in ihrem Kopf: „Der jungen Frau erschienen die Tage nach den Glücksmomenten der Nacht nur noch trostloser und ihr Herz wurde schwerer und schwerer. Sie sehnte sich danach, bei ihrem verstorbenen Mann zu sein. Der Aar konnte die Trauer der Witwe nicht länger ertragen, nahm die Gestalt des toten Ehemannes an und blieb fortan bei ihr.“
Jolanda strich über das kühle Linnen, tastete das Kopfkissen neben sich ab und verfing sich in wilden Locken.
„Du bist ja schon da?“, rief sie.
„Ja.“ Er küsste ihre Halsbeuge, streichelte ihre Brüste. So viele Hände und Münder, dass sie überall gleichzeitig sein konnten. Jolanda öffnete sich. Speichelbenetzte Haut, gespannte Muskeln, zuckende Leiber, die sich in die Lüfte erhoben, durch Schluchten segelten, in tiefe Bergseen eintauchten. Fließende, geschmeidige Bewegungen zweier Balletttänzer unter Wasser. Ein Schrei stieg in den Himmel und wurde von den schneebedeckten Gipfeln zurückgeworfen.
Langsam tauchte Jolanda aus der Trance auf. Zwischen ihren Schenkeln pochte es rhythmisch. Micha hatte sich auf die Seite gedreht, den Kopf abgestützt und betrachtete sie.
„Bleibst du jetzt für immer?“, flüsterte sie.
Er ließ sich Zeit mit der Antwort: „Ja, Liebste, so wie es geschrieben steht.“
Doch als sie ihn berühren wollte, begann sein Körper zu zittern, zerfloss vor ihren Augen wie ein zu nasses Aquarell.

Das Krankenzimmer versank im Halbdunkel. Es roch nach Pfefferminze und Urin. Die Gestalt auf dem Bett lag still, nur der Brustkorb hob und senkte sich gleichmäßig. Urs’ Hände ruhten schwer und leicht und gläsern auf der Decke. Seine Lider flatterten.
Erst als sich Jolanda räusperte und sagte: „Ich will mich verabschieden, Urs“, sah er sie an, stierte auf die Wölbung ihres Kleides.
Er schwieg.
Jolanda trat ans Fenster, schob die Lamellenvorhänge auseinander, suchte den Parkplatz ab, hob die Hand, ließ sie wieder sinken. Sie lächelte. „Weißt du, wir werden weggehen. Dahin, wo wir zuhause sind.“ Jolanda streichelte über ihren Bauch und lächelte wieder. Mit einem Mal konnte sie die Federleichtigkeit des Tages spüren.

 

Liebe peregrina,

deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen, konnte ich gut am Stück durchlesen.
Du hast für das Thema den richtigen Ton gefunden, viele schöne Formulierungen für Sehnsucht, Liebe, Glaube, Trauer benutzt.

„Mein Mann?“ Der ist mit seiner Maschine unterwegs.“
Mit dem Gänsefüßchen stimmt was nicht.

Finsteraarhorn
Ich dachte erst an einen Rechtschreibfehler ... ;)

Bespiele, die ich wunderbar finde, die ich genossen habe:

Am Morgen saß die Müdigkeit wie ein nervöser Kobold in Jolandas Nacken.
Die Kaffeemaschine röchelte, die Brötchen dufteten und Jolanda verschwand im Bad, um sich zu übergeben.
Der Wind begleitete sie, mal schob er sie an, mal stemmte er sich ihr entgegen, zerrte an den Haaren.
Die geschlossenen Lider wurden zur Kinoleinwand, auf der die Bilder der ferderleichten Tage projiziert wurden.
Michas Körper begann zu zittern, wurde wässrig wie ein zu nasses Aquarell, zerfloss vor ihren Augen.

Mit steifen Beinen steige auf den Beifahrersitz,
steige ich

die den leeren Buggy schieb
schiebt

Am Ende noch ein kleiner Ausflug ins Mystische! Genre gelesen.

Liebe Grüße und ein schönes Wochenende,
GoMusic

 

Liebe @peregrina ,
auch ich habe deine romantische Geschichte sehr genossen, besonders die Art, wie du den mystischen Teil da hineingebracht hast. Das hat die Geschichte noch einmal überraschend geweitet. Du hast eine poetische Sprache, die wunderbar zu dem märchenhaften Inhalt passt. An manchen Stellen würde ich doch wieder ein wenig reduzieren.

Micha, durchfuhr sie der erste klare Gedanke des frühen Morgens und die Erkenntnis kam mit einer Wucht, die sie in das Laken drückte, sodass sie glaubte, nie mehr die Kraft zum Aufstehen zu finden. Micha fehlte ihr so sehr.
Hier finde ich den letzten Satz entbehrlich, weil du das vorher bereits so stark gezeigt hast.

Schaut mich nur an aus gletscherblauen Augen mit diesem Blick, der mich erspürt und Stromstöße durch meine Eingeweide schickt.
auch hier würde ich das Fettgedruckte weglassen, das ist mir als Formulierung zu abgegriffen.

Ohne zu fragen, umschließt er mit seiner rauen, kräftigen Hand die meine, zieht mich mit sich.
Nur ein Adjektiv oder keins? Oder sogar den Relativsatz ganz weg?

Es regnete. Seit Tagen nichts als Regen, auch in Jolanda. Eine samtene Taubheit geleitete sie durch ihr neues Leben, das sie sich so nicht ausgesucht hat.
Schön!

Urs versank mit dem Rollstuhl im Matsch. Er war geschrumpft, er wirkte zerbrechlich. Sein Blick irrte heimatlos über die Grabsteine. Speichel rann ihm übers Kinn. Schnell schob Jolanda die Regung aus Mitleid beiseite.
Ich finde das sehr gut gemacht, wie du den Schwiegervater da mit hineinnimmst, zeigst, wie unerwünscht sie dort war, ihm auch überraschenderweise am Ende noch eine Rolle gibst.
Auch hier würde ich möglicherweise den letzten Satz weglassen, weil du ja sofort darauf in die Vergangenheit springst. Damit zeigst du ja, dass sie ihn zuerst in seinem Elend wahrnimmt, sich dann aber erinnert, wie er sie aufgenommen hat. Auch finde ich die Formulierung "Regung aus Mitleid" ein bisschen holperig.

Die Menschen haben sich an die Natur angepasst, sind schroff und kantig und kalt,
Evtl. "Diese Menschen" oder Die Menschen hier" ?


Jolanda spürte, wie der Regen durch jede einzelne Pore in sie eindrang und ihr Blut verwässerte. All die schwarz gekleideten Menschen, die sich um das Grab drängten, sie sollten verschwinden, sollten die weißen Callas und Rosen mitnehmen. Sie erinnerten Jolanda daran, dass etwas Furchtbares passiert sein musste.
Schön, wie du immer wieder diesen Zwischenzustand, das Unwirkliche beschreibst, sie wirkt wie in Trance, taucht auf und unter und so ist es nur noch ein kleiner Schritt in die Mythenwelt.

Zu zweit überbringen sie die Nachricht, als hätte ein Einzelner zu schwer an ihr zu schleppen. Aber ich muss sie aushalten, obwohl ich doch jetzt ganz alleine bin.
Schön.

„Wer bist du?“, fragte Jolanda mit bebenden Lippen.
„Ich bin dein Mann.“
„Mein Mann? Der ist mit seiner Maschine unterwegs.“
Das verstehe ich nicht. Sie müßte doch sagen: "Mein Mann ist tot."? Es ist nicht kursiv, also kein Rückblick, das ist wohl der Aar. Ich würde erwarten, dass sie überraschter oder verstörter ist, wenn da jemand kommt, der aussieht wie Micha.

Plötzlich schob sich ein Negativ aus der Dunkelkammer ihres Hirns und gewann an Kontur. Der Mond steht über dem Finsteraarhorn. Micha wiegt Jolanda im Arm. Kalt und heiß und übel wurde ihr. Die Kaffeemaschine röchelte, die Brötchen dufteten und Jolanda verschwand im Bad, um sich zu übergeben.
Also ist das Erlebnis mit dem Aaren ihrem Tagbewußtsein erstmal gar nicht so zugänglich. Wenn sie mit ihm zusammen ist, erscheint ihr das ganz normal. Erst im Rückblick erschreckt sie.


An einem Querbalken schwebte eine schwarze Gestalt. Jemand hatte sich erhängt. Doch die Illusion hielt nur für einen Sekundenbruchteil, dann erkannte sie ihren Irrtum. Jolanda versuchte, gleichmäßig zu atmen und näherte sich Michas Motorradanzug mit vorsichtigen Schritten, strich über das brüchige Leder, ertrug den Schmerz kaum, der in ihrem Inneren tobte.
Starkes Bild. Die vielen Hinweise auf den Motorradunfall sind gut platziert, ohne dass du es direkt aussprichst. Das finde ich gut.

Die geschlossenen Lider wurden zur Kinoleinwand, auf der die Bilder der ferderleichten Tage projiziert wurden.
ein r zuviel

Sie stand auf, zog die Gardine zur Seite und war nicht überrascht, Micha zu sehen.
Ja, sie ist in einem anderen Zustand, wenn der Aar kommt, wundert sich nicht so leicht.

Die Vorhänge blähten sich im Abendwind und durch das geöffnete Fenster hörte sie ein Motorengeräusch näher kommen. Als sie sich erhob, schmerzten die Glieder.
Immer dieses Motorrad als Soundtrack, gut gemacht.

„Dort, wo das Finsteraarhorn den Mond berührt, die Gletscher knirschend ins Tal kriechen, lebten tief unten, zwischen Kristallin und Schiefer, durchscheinende, gütige Wesen: die Aaren. Sie hatten die Gabe, menschliche Gestalt anzunehmen und ihre Bestimmung war es, den Bewohnern der Bergregion in Stunden tiefster Not beizustehen. Des Nachts besuchten sie die Menschen, schenkten ihnen wundervolle Träume und erfüllen ihnen die sehnlichsten Wünsche. Am helllichten Tage spürte man sie als das Streicheln des Windes auf der Haut.
Niemand weiß, woher sie kamen und wohin sie gegangen sind.“
Jolanda atmete schwer und flüsterte: „Sie sind gar nicht weg.“
Die Wände rasten auf sie zu.
Hu, richtig dramatisch, das Rätsel wird gelöst, das macht Spaß zu lesen

Jolanda stöhnte und öffnete sich.
Ich glaube ja, das Wort "stöhnte" sollte man in Sex-Szenen besser weglassen. Ansonsten finde ich die Szene sehr üppig, aber es ist ja auch ein mystischer Liebhaber, also passt.

Michas Körper begann zu zittern, wurde wässrig wie ein zu nasses Aquarell, zerfloss vor ihren Augen.
Sie streckte die Hände nach ihm aus. „Geh nicht, Micha!“
„Ein Teil von mir, Liebste, ein Teil von mir wird immer bei dir sein.“

Urs’ Hände ruhten schwer und leicht und gläsern auf der Decke. Seine Lider flatterten.
Erst als sich Jolanda räusperte und sagte: „Ich will mich verabschieden, Urs“, sah er sie an, stierte auf die Wölbung ihres Kleides.
Er schwieg.
„Weißt du, wir werden zurückgehen, zurück in die Heimat.“ Jolanda streichelte über ihren Bauch und lächelte wieder. Mit einem Mal konnte sie die Federleichtigkeit des Tages spüren.
Ich würde wieder ein wenig kürzen, aber ich finde das Ende sehr stark. Schön auch, wie du den Ausdruck "Federleicht" immer wieder einsetzt.

Er geht also, der Aar, aber er hat sie auf eine Art erlöst. Noch mehr die Aussicht auf das Kind, welches sie von Micha erwartet. (Hier gehe ich davon aus, dass Micha der Vater ist und nicht der Aar.) Das ist ein wunderschönes Märchen. Und der Name "Finsteraarhorn" ist schon für sich ein Gedicht.

Liebe Grüße von Chutney

 

liebe @peregrina,

dein Text hat mir sehr gut gefallen. Lass uns mal auf ein paar Stellen schauen:

Micha fehlte ihr so sehr.
Ich frage mich, ob du den Satz wirklich brauchst. Das sit mir zu überdeutlich. Vielleicht schreibst du statt dessen etwas, das uns den Mangel zeigt?

Mit seinem Lachen brechen die federleichten Tage an.
Das ist schön. Auch später.

Dann bückte sie sich nach der Zudecke, die auf die Dielen gerutscht war, und wickelte sich in sie ein.
das die die ist nicht so rund. Vielleicht: die unten auf den Dielen lag, ...

Jolanda sehnte sich nach Schlaf, der dem ewigen Grübeln nach dem Warum ein Ende setzte.
Das Warum vllt kursiv?

Schnell schob Jolanda die Regung aus Mitleid beiseite.
Regung aus Mitleid finde ich ein wenig ungelenk. Da würde ich "Schnell schob Jolanda das Mitleid, das sich in ihr regte, beiseite" raus machen.

Zu zweit überbringen sie die Nachricht, als hätte ein Einzelner zu schwer an ihr zu schleppen. Aber ich muss sie aushalten, obwohl ich doch jetzt ganz alleine bin.
klasse, ganz starke Stelle.

Plötzlich schob sich ein Negativ aus der Dunkelkammer ihres Hirns und gewann an Kontur.
wohin schob sich das Negativ? Hilfe, please.

Jemand hatte sich erhängt. Doch die Illusion hielt nur für einen Sekundenbruchteil, dann erkannte sie ihren Irrtum.
Hier könntest du weniger offenlegen, rätselhafter bleiben, es den Leser selbst erkennen lassen, wenn du stattdessen schriebst: "Als sie näher kam, erkannte sie ihn." Davor und danach gewohnt weiter.
Der Flashback zur Motorradfahrt ist auch stark.

Jolanda fühlte sich nach dem Ausflug unendlich ausgelaugt
Hier fände ich ein Bild schön, vllt. fällt dir was ein? Fühlte sich selbst wie eine verblühte Cana?

auf der die Bilder der ferderleichten Tage projiziert wurden
ein r zu viel

auf der die Bilder der ferderleichten Tage projiziert wurden.
das projiziert bringt mich aus dem Bild, weil es mir zu technisch ist, vllt einfach ein "liefen", das sich unterordnet?

Micha sieht mich lange an, spürt meine Sehnsucht, zieht mich an sich und murmelt in mein Haar: „Wir haben alle Zeit der Welt, Jola.“
sehr intensiv, gut gemacht.

Sie hörte ihr Herz in den Ohren wummern
Das wummern passt besser zu Techno-Bässen. Hast du etwas organischeres? Pulsieren, schlagen, pochen ...

Er kroch aus der Hülse wie eine rosa Raupe und legte sich schimmernd auf ihre Lippen.
schön.

Zwischen Jolandas Schenkeln pochte es rhythmisch.
„Bleibst du nun, Micha?“, fragte sie.
He, gerade bist du noch beim Höhepunkt, dann kommt direkt die (Killer-)Frage. Da fehlt mir eine kleine Pause, ein Übergang.

Erst als sich Jolanda räusperte und sagte: „Ich will mich verabschieden, Urs“, sah er sie an, stierte auf die Wölbung ihres Kleides.
auch sehr gut.

Ich hab ja schon zwei oder drei Texte von dir gelesen und kommentiert, peregrina. Der hier ist mit Abstand der Beste. Aus jedem Absatz spricht die Arbeit, die du in den Text gesteckt hast. Und die hat sich gelohnt. Da du viel hin- und herspringst zwischen verschiedenen Zeitebenen hatte ich beim Lesen ab und an Probleme zu checken, wo ich gerade bin, aber nicht störend, eher so, dass sich viele kleine Puzzleteile zu einem Gesamtbild ergänzen. Und das leuchtet. Ich mag sowas. Wenn mir nicht was auf die Nase gebunden wird, sondern ich als Leser selbst sortieren und verstehen muss. Die Geschichte ist raffiniert und selbst federleicht, wie Blätter, die zu Boden rieseln und dort zu buntem Laub werden.

Peace, linktofink

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @GoMusic,

danke für dein Interesse und natürlich fürs Korrekturlesen. Kennst du das auch? Tausendmal hingesehn, und doch ist tausendmal nichts geschehn.
Habs schnell geglättet, bevor sich noch jemand dran stößt.

deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen, konnte ich gut am Stück durchlesen.
Na, da bin ich froh. Ein schier unerträglicher Gedanke für mich, der Leser würde sich vorzeitig aus dem kurzen Geschichtchen ausklinken.

Du hast für das Thema den richtigen Ton gefunden, viele schöne Formulierungen für Sehnsucht, Liebe, Glaube, Trauer benutzt.
Ich hoffte es. Ein bisschen Wehmut ohne weinerlich zu werden, ein bisschen Hoffnung ohne durch Puderzucker zu waten. Und Symbole und Sprachbilder mag ich nun mal, das wird mir wohl keiner mehr austreiben. Auch denke ich, dass sie gerade bei der Thematik passen. Ich wollte nämlich auch eine Geschichte schreiben, in der nicht alles klar ist, vieles im Text ungesagt bleibt, trotzdem durchschimmert. Der Leser darf sich ein paar Fragen selber beantworten.
Du siehst, irgendwie unterscheidet sich meine Absicht, gar nicht so sehr von deiner.

Liebe Grüße von peregrina

Liebe @Chutney,

auch dir tausend Dank fürs Lesen und Kommentieren.

auch ich habe deine romantische Geschichte sehr genossen, besonders die Art, wie du den mystischen Teil da hineingebracht hast.
Ach, du bist so gut zu mir.
Das hat die Geschichte noch einmal überraschend geweitet. Du hast eine poetische Sprache, die wunderbar zu dem märchenhaften Inhalt passt.
Okay, poetische Sprache. Ich hab eben versucht, Emotionen über Metaphern zu transportieren und ich finde auch, passt zu der Art Geschichte.

An manchen Stellen würde ich doch wieder ein wenig reduzieren.
Die Vorschläge zur Reduzierung hab ich fast alle übernommen, da vertraue ich deiner Intuition blind. Generell werde ich die Adjektive auch noch mal kritisch beäugen.

Micha, durchfuhr sie der erste klare Gedanke des frühen Morgens und die Erkenntnis kam mit einer Wucht, die sie in das Laken drückte, sodass sie glaubte, nie mehr die Kraft zum Aufstehen zu finden. Micha fehlte ihr so sehr.
Hier finde ich den letzten Satz entbehrlich, weil du das vorher bereits so stark gezeigt hast.
stimmt, weniger ist mehr, das Fette ist verschwunden

Schaut mich nur an aus gletscherblauen Augen mit diesem Blick, der mich erspürt und Stromstöße durch meine Eingeweide schickt.
auch hier würde ich das Fettgedruckte weglassen, das ist mir als Formulierung zu abgegriffen.
dachte, der Gletscher weist schon mal darauf hin, dass Micha in einer kalte Bergregion lebt, kann mich noch nicht verabschieden, manche Dinge brauchen ihre Zeit

Ohne zu fragen, umschließt er mit seiner rauen, kräftigen Hand die meine, zieht mich mit sich.
Nur ein Adjektiv oder keins? Oder sogar den Relativsatz ganz weg?
Kräftig ist weg, ich will hier schon einen Mann zeigen, der nicht viele Worte macht und weiß, was er will

Urs versank mit dem Rollstuhl im Matsch. Er war geschrumpft, er wirkte zerbrechlich. Sein Blick irrte heimatlos über die Grabsteine. Speichel rann ihm übers Kinn. Schnell schob Jolanda die Regung aus Mitleid beiseite.
Ich finde das sehr gut gemacht, wie du den Schwiegervater da mit hineinnimmst, zeigst, wie unerwünscht sie dort war, ihm auch überraschenderweise am Ende noch eine Rolle gibst.
Auch hier würde ich möglicherweise den letzten Satz weglassen, weil du ja sofort darauf in die Vergangenheit springst. Damit zeigst du ja, dass sie ihn zuerst in seinem Elend wahrnimmt, sich dann aber erinnert, wie er sie aufgenommen hat. Auch finde ich die Formulierung "Regung aus Mitleid" ein bisschen holperig.
hast recht, den Satz brauchts nicht

Über die Rolle des Schwiegervaters am Ende muss ich schmunzeln, ich hab Urs quasi gebraucht/missbraucht, um die Schwangerschaft dem Leser als Realität zu präsentieren

Schön, wie du immer wieder diesen Zwischenzustand, das Unwirkliche beschreibst, sie wirkt wie in Trance, taucht auf und unter und so ist es nur noch ein kleiner Schritt in die Mythenwelt.
Die Aussage freut mich total, denn das war eines der Ziele

„Wer bist du?“, fragte Jolanda mit bebenden Lippen.
„Ich bin dein Mann.“
„Mein Mann? Der ist mit seiner Maschine unterwegs.“
Das verstehe ich nicht. Sie müßte doch sagen: "Mein Mann ist tot."? Es ist nicht kursiv, also kein Rückblick, das ist wohl der Aar. Ich würde erwarten, dass sie überraschter oder verstörter ist, wenn da jemand kommt, der aussieht wie Micha.
Das ist ein Traum. Nachts lebt sie ihr altes Leben.

Es gibt eine Fassung, da hatte ich alle Träume sowie die Erinnerungen im Präsens stehen. Sollte die Flucht Jolandas aus der Realität zeigen. Dann ist mir aufgefallen, dass eine Verschmelzung von Träumen und Wirklichkeit meinem Anliegen doch näher kommt, dass ich so einen fließenden Übergang bekomme. Es gibt Hinweise im Text, die wiederum leugnen, dass es sich um Träume handelt. Irre. Weißt du, worauf ich hinaus will?

Also ist das Erlebnis mit dem Aaren ihrem Tagbewußtsein erstmal gar nicht so zugänglich. Wenn sie mit ihm zusammen ist, erscheint ihr das ganz normal. Erst im Rückblick erschreckt sie.
Richtig, so will ich das. Sie erinnert sich nur vage an die Nächte. Durch die Wiederholung klingelts dann doch bei ihr.

Starkes Bild. Die vielen Hinweise auf den Motorradunfall sind gut platziert, ohne dass du es direkt aussprichst. Das finde ich gut.
Schön, dass du das so wahrnimmst.

Sie stand auf, zog die Gardine zur Seite und war nicht überrascht, Micha zu sehen.
Ja, sie ist in einem anderen Zustand, wenn der Aar kommt, wundert sich nicht so leicht.
Ich hab auch kein Problem, wenn man es als anderen Zustand bezeichnen möchte. Hier wird dem Leser wohl recht klar, dass sie träumt. Trotzdem war mir wichtig, immer so ein Zipfelchen vom Traum mit in den Tag zu nehmen. Und vom Tag mit in die Nacht.

Hu, richtig dramatisch, das Rätsel wird gelöst, das macht Spaß zu lesen
Ach, meine Kuschel-Sage. Die Schweizer würden wahrscheinlich die Beine über den Kopf zusammenschlagen. Bei denen geht’s in der traditionellen Sagenwelt richtig grausam und blutig zu.

Jolanda stöhnte und öffnete sich.
Ich glaube ja, das Wort "stöhnte" sollte man in Sex-Szenen besser weglassen. Ansonsten finde ich die Szene sehr üppig, aber es ist ja auch ein mystischer Liebhaber, also passt.
Ein Spitzenhinweis. In werde es mir merken: In erotischen Szenen nicht mehr stöhnen. Aber es ist ja keine wirkliche Sexszene. Von der Kraft der Liebe trenne ich mich. Ist mir jetzt doch zu schmalzig.

Er geht also, der Aar, aber er hat sie auf eine Art erlöst. Noch mehr die Aussicht auf das Kind, welches sie von Micha erwartet. (Hier gehe ich davon aus, dass Micha der Vater ist und nicht der Aar.) Das ist ein wunderschönes Märchen.
Kein Märchen, Liebe Chutney, es ist wahr. :lol:
Ich sehe die KG gar nicht direkt in der Märchenecke, seltsam eben. Ich fand es etwas beängstigend, wie sich Jolanda an die wiederkehrenden Träume klammert und ihnen nachspürt.
Und ich bin auch nicht sicher, ob der Aar nicht doch Michas Gestalt angenommen hat. Hat bestimmt einen Grund, warum sie zurück in die Heimat will. Ist ein bisschen verworren, aber so gewollt. Kann sogar sein, dass ich die Stelle etwas klarer formulieren muss.
Natürlich hat die Schwangerschaft Anteil an der „Erlösung“ von der Trauer.

Und der Name "Finsteraarhorn" ist schon für sich ein Gedicht.
Ja, der wirkt lyrisch. Ist leider nicht von mir. Die Schweizer haben ihn erfunden. Und die Aare gibt dem Berg seinen Namen. Ihr Wasser soll sehr dunkel sein. Herr Lehrer, ich weiß auch mal was.

Danke noch mal für deine Mühe und die netten und kritischen und hilfreichen Worte.

Liebe Grüße von peregrina

Lieber @linktofink, danke für deinen Komm. War ebenfalls sehr aufschluss- und hilfreich.
Antwort lässt nicht lange auf sich warten.

 

Hallo @peregrina
Eine sprachlich schöne, sanfte Geschichte mit mystisch-geisterhaften Anklängen hast du da geschreiben. Und wenn ich das in Zeiten von Me too ;-) so sagen darf: eine weibliche Geschichte.
Hat mir gut gefallen, sprachlich, von der Atmosphäre, diese leichte Melancholie, das Sehnsuchtsvolle. Ich fühlte mich ein wenig (nur ein wenig) an "Ghost-Nachrichten von Sam" erinnert.
Und sicher ist die Sehnsucht, einen geliebten Menschen dem Tod zu entreißen, ihn wieder zu sehen, zu spüren, so alt wie die Menschheit, will sagen, ich konnte mit Jolanda mitfühlen.
An einigen Stellen waren mir persönlich die Beschreibungen etwas zu, na ja, schmonzettig, z.B. hier:

Schaut mich nur an aus gletscherblauen Augen mit diesem Blick, der mich erspürt und Stromstöße durch meine Eingeweide schickt. Er riecht nach Harz, Leder und Motorenöl. Ohne zu fragen, umschließt er mit seiner rauen Hand die meine, zieht mich mit sich. Und ich nehme es als Versprechen, dass er mich nie mehr loslassen wird.

Den abschließenden Satz dieses Einschubs hingegen finde ich klasse.

Mit seinem Lachen brechen die federleichten Tage an.

Am Morgen saß die Müdigkeit wie ein nervöser Kobold in Jolandas Nacken.
Hmm, hier weiß ich nicht recht, Müdigkeit würde ich jetzt nicht unbedingt mit einem Kobold, noch dazu nervös, assoziieren. Ich muss da an den Pumuckl meiner Kindheit denken ;-)

federleichten Tage abliefen.
Diesen Federvergleich bringst du einige Male. Gewollt?

federleichtes Jungenlachen.
Oops.

und versuchte ein Lächeln,
Ein Leerzeichen zu viel nach dem UND

Sie konnte hören, wie die Bläschen zerplatzten.
Echt jetzt? Das müssen aber große Blasen sein bzw. eine absolute Stille. Ich weiß nicht...

Sie hatte die Sage so oft gelesen, dass sie den Text auswendig
Bei mir wird nach TEXT auch wieder ein Leerzeichen zuviel angezeigt.

Er kroch aus der Hülse wie eine rosa Raupe
Klasse.

stierte auf die Wölbung ihres Kleides.
Da lässt du uns etwas zum Nachdenken zum Schluss. War sie vor dem Unfalltod schon schwanger oder war es etwa der Geist der vorher beschriebenen Nacht?

Federleichtigkeit des Tages spüren.
Abschließend denke ich, das Bild ist wohlweislich gesetzt ;-)

Schöne Geschichte. Danke dafür.

Beste Grüße,
Fraser

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber @linktofink,

danke fürs Reinschauen und Kommentieren. Hab mich sehr gefreut, dass du einen kritischen Blick geworfen hast. In medias res!

Micha fehlte ihr so sehr.
Ich frage mich, ob du den Satz wirklich brauchst. Das sit mir zu überdeutlich. Vielleicht schreibst du statt dessen etwas, das uns den Mangel zeigt?
Ich hab mich für den einfachen Weg entschieden, für’s Streichen. Hätte auf Anhieb keine Idee, wie ich den Mangel anders als mit dem leeren Bett zeigen könnte.

Mit seinem Lachen brechen die federleichten Tage an.
Das ist schön. Auch später.
Gut, nehme ich zur Kenntnis.

Dann bückte sie sich nach der Zudecke, die auf die Dielen gerutscht war, und wickelte sich in sie ein.
das die die ist nicht so rund. Vielleicht: die unten auf den Dielen lag, ...
ist mir natürlich aufgefallen, solche die die, das das versuchen wir zu vermeiden. Lag hatte ich abgewählt, weil wenige Zeilen weiter oben Jolanda lag, ich überlege noch
Schnell schob Jolanda die Regung aus Mitleid beiseite.
Regung aus Mitleid finde ich ein wenig ungelenk. Da würde ich "Schnell schob Jolanda das Mitleid, das sich in ihr regte, beiseite" raus machen.
fand @Chutney auch nicht so glücklich gewählt, hab ich den Satz gekillt

Zu zweit überbringen sie die Nachricht, als hätte ein Einzelner zu schwer an ihr zu schleppen. Aber ich muss sie aushalten, obwohl ich doch jetzt ganz alleine bin.
klasse, ganz starke Stelle.
freu ich mich, wenn es positiv bei dir ankommt

Plötzlich schob sich ein Negativ aus der Dunkelkammer ihres Hirns und gewann an Kontur.
wohin schob sich das Negativ? Hilfe, please.
die Dunkelkammer steht für’s Unterbewusstsein, also schiebt sich das Negativ ins Bewusstsein

Jemand hatte sich erhängt. Doch die Illusion hielt nur für einen Sekundenbruchteil, dann erkannte sie ihren Irrtum.
Hier könntest du weniger offenlegen, rätselhafter bleiben, es den Leser selbst erkennen lassen, wenn du stattdessen schriebst: "Als sie näher kam, erkannte sie ihn." Davor und danach gewohnt weiter.
Ich bin nicht sicher, ob ich weiß, was du meinst. So? Ohne das Wort Irrtum also?

An einem Querbalken schwebte eine schwarze Gestalt. Jemand hatte sich erhängt.
Als sie näher kam, erkannte sie ihn. Jolanda versuchte, gleichmäßig zu atmen und näherte sich Michas Motorradanzug mit vorsichtigen Schritten, strich über das brüchige Leder, ertrug den Schmerz kaum, der in ihrem Inneren tobte.

das projiziert bringt mich aus dem Bild, weil es mir zu technisch ist, vllt einfach ein "liefen", das sich unterordnet?
stimmt, zu technisch

Sie hörte ihr Herz in den Ohren wummern
Das wummern passt besser zu Techno-Bässen. Hast du etwas organischeres? Pulsieren, schlagen, pochen ...
danke, ich such mir was aus

Zwischen Jolandas Schenkeln pochte es rhythmisch.
„Bleibst du nun, Micha?“, fragte sie.
He, gerade bist du noch beim Höhepunkt, dann kommt direkt die (Killer-)Frage. Da fehlt mir eine kleine Pause, ein Übergang.
jetzt hast du mich, mir kam das auch bisschen plötzlich und sogar einfältig vor, mal gucken, wie ich das deichsle

Ich hab ja schon zwei oder drei Texte von dir gelesen und kommentiert, peregrina. Der hier ist mit Abstand der Beste.
Ein tolles Lob. Aber ganz so AUA waren die anderen doch auch nicht.

Aus jedem Absatz spricht die Arbeit, die du in den Text gesteckt hast. Und die hat sich gelohnt.
Ist mir gar nicht recht, dass man erkennt, die Autorin hat sich bemüht. Warum denkst du denn nicht, dass es mir federleicht gefallen ist? :lol: Ich kenne die Antwort.

Da du viel hin- und herspringst zwischen verschiedenen Zeitebenen hatte ich beim Lesen ab und an Probleme zu checken, wo ich gerade bin, aber nicht störend, eher so, dass sich viele kleine Puzzleteile zu einem Gesamtbild ergänzen.
Sind nur zwei Zeiten, die kursiven Rückblenden im Präsens, die erzählte Zeit im Präteritum. Ich kann mir vorstellen, dass es u.a. die Traumsequenzen sind, die dich etwas irritiert haben. Aber das darf, oder noch besser, das muss sein.

Und das leuchtet. Ich mag sowas. Wenn mir nicht was auf die Nase gebunden wird, sondern ich als Leser selbst sortieren und verstehen muss. Die Geschichte ist raffiniert und selbst federleicht, wie Blätter, die zu Boden rieseln und dort zu buntem Laub werden.

Danke für die Poesie, Linktofink, du begnadeter Poet.

Liebe Grüße von peregrina


Hallo @Fraser,

mittlerweile beginne ich, an eine bestimmte Form der Gedankenübertragung zu glauben. Bevor dein Komm eintraf, hatte ich mir gerade deinen Text vorgeknöpft. Die Bündelung meiner huschenden Gedanken nahm dann doch mehr Zeit in Anspruch.

Auf jeden Fall danke ich dir, dass du dich mit der KG beschäftigt hast.

Eine sprachlich schöne, sanfte Geschichte mit mystisch-geisterhaften Anklängen hast du da geschreiben. Und wenn ich das in Zeiten von Me too ;-) so sagen darf: eine weibliche Geschichte.
Ich glaube auch an den Mythos, dass es weibliche und männliche Geschichten gibt. Das hier ist eine weibliche, das darf man so sagen. Und gerade deshalb finde ich es hinreißend, dass überwiegend Kommentare von Männern eingetrudelt sind.

Hat mir gut gefallen, sprachlich, von der Atmosphäre, diese leichte Melancholie, das Sehnsuchtsvolle. Ich fühlte mich ein wenig (nur ein wenig) an "Ghost-Nachrichten von Sam" erinnert.
Besser als gar nicht. :bounce:

Und sicher ist die Sehnsucht, einen geliebten Menschen dem Tod zu entreißen, ihn wieder zu sehen, zu spüren, so alt wie die Menschheit, will sagen, ich konnte mit Jolanda mitfühlen.
Schön. Problematisch wird’s nur, wenn sich der Betroffene verrennt, aus der Wirklichkeit flieht.

An einigen Stellen waren mir persönlich die Beschreibungen etwas zu, na ja, schmonzettig, z.B. hier:

Schaut mich nur an aus gletscherblauen Augen mit diesem Blick, der mich erspürt und Stromstöße durch meine Eingeweide schickt. Er riecht nach Harz, Leder und Motorenöl. Ohne zu fragen, umschließt er mit seiner rauen Hand die meine, zieht mich mit sich. Und ich nehme es als Versprechen, dass er mich nie mehr loslassen wird.

Ich spring in den Verteidigungsmodus: Sie trauert, verklärt vllt. die Vergangenheit und sie ist eine Frau.

Den abschließenden Satz dieses Einschubs hingegen finde ich klasse.
peregrina schrieb:
Mit seinem Lachen brechen die federleichten Tage an.
Ich nehme deine Meinung einfach mal zur Kenntnis. So ein Text ist ja nicht in Stein gemeißelt, ist ständigen Veränderungen unterworfen.

Am Morgen saß die Müdigkeit wie ein nervöser Kobold in Jolandas Nacken.
Hmm, hier weiß ich nicht recht, Müdigkeit würde ich jetzt nicht unbedingt mit einem Kobold, noch dazu nervös, assoziieren. Ich muss da an den Pumuckl meiner Kindheit denken ;-)
Ich weiß auch nicht, vllt. assoziiert nervös wirklich zu viel Hibbeligkeit, ich behalte die Stelle im Auge, obwohl ich sie mag

federleichten Tage abliefen.
Diesen Federvergleich bringst du einige Male. Gewollt?
Natürlich! Erscheint dir zu gedrängt?

federleichtes Jungenlachen.
Oops.
He, das ist ein Traum, da darf der Lover, zumal er ein Aar ist, federleicht lachen. Mal sehen, der Text reift ja noch.

Sie konnte hören, wie die Bläschen zerplatzten.
Echt jetzt? Das müssen aber große Blasen sein bzw. eine absolute Stille. Ich weiß nicht...
Da überleg ich noch mal. Ist ja wirklich zweimal eine identische Aussage. Andererseits ist es auch schön unrealistisch, wenn sie das Platzen so laut wahrnimmt, als würde ihr ein Kaugummi um die Ohren fliegen.

Sie hatte die Sage so oft gelesen, dass sie den Text auswendig
Bei mir wird nach TEXT auch wieder ein Leerzeichen zuviel angezeigt.
Ich seh nichts dergleichen, auch an vorheriger Stelle nicht

stierte auf die Wölbung ihres Kleides.
Da lässt du uns etwas zum Nachdenken zum Schluss. War sie vor dem Unfalltod schon schwanger oder war es etwa der Geist der vorher beschriebenen Nacht?
Tja, da hab ich mir bald einen abgebrochen, aber ich bin sehr daran interessiert, dass diese Frage – natürlich neben einigen anderen – auftaucht.

Schöne Geschichte. Danke dafür.

Ich habe zu danken fürs Reinschauen und die Denkanstöße und das Lob.

Liebe Grüße von peregrina

 

Liebe peregrina, ich will gar nicht viel sagen, nur, wie sehr mir das gefallen hat. Das ist eine wundervolle Geschichte. Sie ist, ohne irgendwie kitschig zu sein, so melancholisch und sehnsüchtig, so voller wunderschöner Bilder und Romantik und Schmerz, dass ich das Lesen von vorne bis hinten genossen habe, als ich sie das erste Mal sah und jetzt vorhin beim zweiten Lesen ging es mir haargenauso. Ich mag es ja eh, wenn Sagen und Realität miteinander verknüpft werden. Das Schöne hier ist, deine Jolanda könnte alles ersehnt und erträumt haben, Trauerhalluzinationen. Man kennt das ja, wenn man jemanden so richtig vermisst, dann sieht man ihn plötzlich überall. Und die Schwangerschaft könnte noch vor Michas Tod entstanden sein. Oder es ist eben doch so, dass fremde Welten sich Zugang verschaffen zu der Welt der Lebenden und ein teures Preisgeld für ihre Liebe zu einem Lebenden zahlen müssen. Wie die kleine Meerjungfrau von Andersen. Eine kleine verpasste Chance sehe ich da, auch die Tragik des Aar ein wenig stärker zu betonen, aber das ist ja vielleicht auch Geschmackssache.
Die Sage besagt ja, dass der Aar, der sich verliebt, auch immer ein Stück von sich hergibt.

„Es geschah, dass sich ein noch unerfahrener Aar einer jungen, schönen Witwe annahm. Mit jeder Nacht, in der er in ihre Träume eindrang, gab er ein Stück von sich selber her, bis er sich unsterblich in sie verliebte.“
Das hätte man ein wenig vertiefen können, sozusagen auch den Aar in Gefahr bringen, der sich schließlich trotz seiner Verliebtheit in das Menschenwesen zurückziehen muss, Michas Körper wieder hergeben muss, damit er nicht selbst verlöscht. Du hast das ja angelegt, indem er ihr ein Kind schenkt.
Sehr gerne und mit viel Freude an den vielen, wunderschönen sprachlichen Bildern gelesen.
Alles Gute und viele Grüße von Novak

 

Hallo @peregrina,

was für eine Geschichte! Ja, was für eine eigentlich? Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll, bin sozusagen wortlos. Sie fließt dahin, man beginnt irgendwie zu träumen, hüpft mit der Protagonistin durch Traumsequenzen, verknüpft die Informationen und plötzlich ist sie schwanger und weg.

Irgendwie wäre ich gerne noch tiefer in den Mythos eingetaucht. Verstehe mich nicht falsch, ich habe das sehr gerne gelesen, aber das Ende kam mir zu schnell.

Das ist eine sehr zarte Geschichte und ich bin nicht der richtige Leser, um Dir Tipps zu geben, was Du vielleicht noch verbessern kannst. Für mich fließt das alles sehr schön. Mir sind keine aus dem Rahmen der Stimmigkeit fallende Bilder aufgefallen, auch sonst keine ungelenken Wortgeschöpfe, denen man den Garaus machen sollte.

Der Koffer kam allerdings ein wenig kurz, denke ich, aber was soll's.

Also ein sehr schöner Text, hat mir Freude bereitet das zu lesen.

Gruß
Geschichtenwerker

 

Gude @peregrina,
ein sehr schöner Text. Mit einer Ruhe und Trauer geschrieben, die beim Lesen in mich hineingesickert ist.
Mein Lieblingssatz:

Jolanda spürte, wie der Regen durch jede einzelne Pore in sie eindrang und ihr Blut verwässerte.

Ich kann da gar nicht viel zu sagen, weil du das meines Erachtens sehr gut machst. Die Emotionalität, aber nicht übertrieben, die Informationsvergabe wie man sie braucht. Etwas Frisches durch die mythologische Aufladung, die sich mit der Realität verwebt und man sich überlegen kann, ob da ein kleines Aarenkind unterwegs ist.
Zwei (bzw. eigentlich ist es eine) Überlegungen hätte ich noch: Zunächst wird das Märchen nicht auserzählt, was den Text in einer interessanten Schwebe hält. Das Ende ist positiv, Jolanda wirkt befreit. Aber was war mit dem damaligen Aaren? Ist das gut ausgegangen? Kann man sich bei so Geschichten fast nicht vorstellen, weswegen ich zur zweiten Sache komme:
Weißt du, wir werden zurückgehen, zurück in die Heimat.“
Welche Heimat sie wohl meint? Ihre eigene Herkunft wird nur in Abgrenzung zu ihrem jetzigen Wohnort markiert, mehr erfährt man nicht darüber. Wenn diese Heimat gemeint ist, dann fehlt mir da etwas die Aufladung, was das für sie bedeutet. Andererseits könnte ich mir fast vorstellen, dass sie nun den Weg zum Finsteraarhorn wählt, um naja, zu den Aaren zu gehen - was auch immer das dann für die werdende Mutter bedeuten würde. Dann würde ich überlegen, ob ein "zurück" die richtige Wortwahl ist.
Also hier könnte ich mir vorstellen, dass in diesem Satz noch mehr stecken kann, ihm aber entweder der Aufbau fehlt, oder die "eindeutige" Wortwahl. Aber vielleicht spinne ich auch etwas herum.

Kleinigkeiten:

Meine Güte, du bist ja ganz durch den Wind.“
-> Ist ein solider Gag, könnte man aber eventuell draußen lassen. Wirkt im anderen Sinne komisch.

rief sie
-> Er liegt doch neben ihr, da muss sie doch nicht rufen.

Der Text hat mir sehr viel Spaß gemacht!

Liebe Grüße
Vulkangestein

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe @Novak,

danke, dass du meiner Geschichte einen Besuch abgestattet und dann auch noch so eine positive Einschätzung hinterlassen hast.

Das ist eine wundervolle Geschichte. Sie ist, ohne irgendwie kitschig zu sein, so melancholisch und sehnsüchtig, so voller wunderschöner Bilder und Romantik und Schmerz, dass ich das Lesen von vorne bis hinten genossen habe, als ich sie das erste Mal sah und jetzt vorhin beim zweiten Lesen ging es mir haargenauso.
Ist natürlich gut, wenn man erfährt, dass Pläne zum Großteil aufgegangen sind, auf der anderen Seite tue ich mich noch etwas schwer, Lob anzunehmen.

Ich mag es ja eh, wenn Sagen und Realität miteinander verknüpft werden. Das Schöne hier ist, deine Jolanda könnte alles ersehnt und erträumt haben, Trauerhalluzinationen. Man kennt das ja, wenn man jemanden so richtig vermisst, dann sieht man ihn plötzlich überall. Und die Schwangerschaft könnte noch vor Michas Tod entstanden sein.
Es war mir einfach wichtig, Gefühle anzusprechen, auch zu zeigen, ohne dass ich sie explizit benenne. Deshalb der Aufmarsch der Sprachbilder, die sicherlich in ihrer Häufung nicht jedermanns Geschmack treffen. Zweites Anliegen war, Realität, Träume (auch Wunschträume) und später die Geschehnisse aus der Sage so zu vermischen, dass der Leser immer ein bisschen im Unklaren bleibt, stockt, zweifelt.

Eine kleine verpasste Chance sehe ich da, auch die Tragik des Aar ein wenig stärker zu betonen, aber das ist ja vielleicht auch Geschmackssache.
Die Sage besagt ja, dass der Aar, der sich verliebt, auch immer ein Stück von sich hergibt.
Das ist ein interessanter Impuls. Wahrscheinlich war ich so auf meine Hauptfigur konzentriert, dass ich für den Aar und seiner Entscheidung, ein Mensch zu werden, nicht genug Empathie aufbringen konnte.

„Es geschah, dass sich ein noch unerfahrener Aar einer jungen, schönen Witwe annahm. Mit jeder Nacht, in der er in ihre Träume eindrang, gab er ein Stück von sich selber her, bis er sich unsterblich in sie verliebte.“
Das hätte man ein wenig vertiefen können, sozusagen auch den Aar in Gefahr bringen, der sich schließlich trotz seiner Verliebtheit in das Menschenwesen zurückziehen muss, Michas Körper wieder hergeben muss, damit er nicht selbst verlöscht. Du hast das ja angelegt, indem er ihr ein Kind schenkt.
Der Punkt ist wirklich ausbaufähig. Aber, will ich das? Zunächst müsste das Wort unsterblich aus der Sage verschwinden, denn gerade wenn Aar Mensch werden würde, wär‘s vorbei mit dem ewigen Leben. Und in der Originalsage entscheidet sich der Aar für Sterblichkeit. Er bringt ein Opfer für die Witwe.

In der aktuellen Geschichte gefällt mir die Vorstellung, dass der Aar sich gerade nicht zurückzieht, sondern durch Jolandas Augen betrachtet als Mensch bei ihr bleibt. Letztendlich wollte ich das nicht so eindeutig aussprechen, gerne im Vagen lassen. Es gibt eine Textstelle, die dieser Theorie widerspricht. Aber an anderer Stelle ist ein Hinweis, der sie untermauert. Du merkst schon, ich drehe mich im Kreise, weil ich die Entscheidung des Aaren mehr als Selbstverständlichkeit und nicht als Opfergabe einordne.

Danke für deinen aufbauenden Kommentar, ich weiß ihn sehr zu schätzen.

Alle guten Wünsche und liebe Grüße von peregrina


Hallo @Geschichtenwerker,

danke dir fürs Reinlesen und deinen Komm.

was für eine Geschichte! Ja, was für eine eigentlich? Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll, bin sozusagen wortlos. Sie fließt dahin, man beginnt irgendwie zu träumen, hüpft mit der Protagonistin durch Traumsequenzen, verknüpft die Informationen und plötzlich ist sie schwanger und weg.
na ja, eine Geschichte, die sich bemüht, Realität, Träume und die Geschehnisse aus einer alten Sage so zu vermengen, dass der Leser immer ein bisschen verunsichert sein soll, sich entscheiden mag für eine mögliche Leseart.

Was mir nicht gelungen ist und das ist mein Resümee der bisherigen Kommentare, auch ein gewisses Unwohlsein beim Leser zu erzeugen. Ich dachte, der Weg der Trauerbewältigung, den meine Hauptfigur wählt, hätte etwas Ungesundes und Gruseliges. Dieser Aspekt scheint aber von den Metaphern total verschüttet zu sein.

Irgendwie wäre ich gerne noch tiefer in den Mythos eingetaucht. Verstehe mich nicht falsch, ich habe das sehr gerne gelesen, aber das Ende kam mir zu schnell.
Echt jetzt? Aber der Mythos ist doch nur Mittel zum Zweck, um eben zu zeigen, wie intensiv man aus der Realität flüchten und sich an Träume klammern kann, nur um den Schmerz nicht mehr fühlen zu müssen. Das Ende zu schnell? Die Rahmengeschichte endete parallel mit der Sage.

Der Koffer kam allerdings ein wenig kurz, denke ich, aber was soll's.
Ja, das ist wirklich ein unscheinbarer Reisekoffer, der hier buchstäblich auftaucht. Da unser Challenge-Motto „Irgendwas mit Koffer“ eine gewisse Großzügigkeit signalisiert, hab ich mich trotzdem getraut. Die Trauer und der Bewältigungsversuch meiner HF sind der symbolische Koffer.

Danke für die lobenden Worte und die investierte Zeit.
Apropos Zeit. Du bist ja erfolgreich unterwegs und scheinst deinem Ziel, jeden Beitrag zu kommentieren, sehr nahe zu sein. Kompliment.

Liebe Grüße von peregrina

Hallo @Vulkangestein,

auch dir herzlichen Danke fürs Reinschauen und Kommentieren. Man lernt ja wirklich täglich Neues hinzu und seit vergangener Woche weiß ich auch, dass deine legendäre Grußformel

die offizielle Begrüßung im Frankfurter Raum ist. :lol:

Aber zum Text.
Natürlich freue ich mich, wenn dich die Trauer erreicht, die der Text transportieren soll.

Mein Lieblingssatz:

peregrina schrieb:

Jolanda spürte, wie der Regen durch jede einzelne Pore in sie eindrang und ihr Blut verwässerte.

Ja, das soll ihre innere Kälte anzeigen. Und das Wasser bei der Trauerfeier kam mir ganz recht, um zum Aar zu finden, der eine ätherische, fließende, durchscheinende Gestalt ist und dem Aaregletscher entstiegen sein könnte, bevor er sich‘s im Stein bequem gemacht hat.

Ich kann da gar nicht viel zu sagen, weil du das meines Erachtens sehr gut machst. Die Emotionalität, aber nicht übertrieben, die Informationsvergabe wie man sie braucht. Etwas Frisches durch die mythologische Aufladung, die sich mit der Realität verwebt und man sich überlegen kann, ob da ein kleines Aarenkind unterwegs ist.
Das lese ich gerne.

Zwei (bzw. eigentlich ist es eine) Überlegungen hätte ich noch: Zunächst wird das Märchen nicht auserzählt, was den Text in einer interessanten Schwebe hält.
Dieses Feedback ist mir wichtig. Die Sage reiche ich in Stücken durch. Ich war mir anfänglich gar nicht sicher, ob es Sinn macht, sie bis zum Ende zu erzählen, oder ob der erste Teil genügt, als Jolanda die Sage in ihre Realität zieht.

Das Ende ist positiv, Jolanda wirkt befreit.
Das darf man positiv lesen. Sie spürt die Federleichtigkeit der früheren Tage wieder, genau. Der Grund kann die Schwangerschaft sein oder das, was sie draußen wahrnimmt, als sie aus dem Fenster schaut.

Aber was war mit dem damaligen Aaren? Ist das gut ausgegangen? Kann man sich bei so Geschichten fast nicht vorstellen, weswegen ich zur zweiten Sache komme:
Der Aar in der Sage entscheidet sich Mensch zu werden, gibt seine Unsterblichkeit für die junge Witwe auf.

Weißt du, wir werden zurückgehen, zurück in die Heimat.“
Welche Heimat sie wohl meint? Ihre eigene Herkunft wird nur in Abgrenzung zu ihrem jetzigen Wohnort markiert, mehr erfährt man nicht darüber. Wenn diese Heimat gemeint ist, dann fehlt mir da etwas die Aufladung, was das für sie bedeutet.
Sie kommt aus und geht zurück nach Deutschland, denke, da lässt der Text keine Leerstelle. Eine logische Wahl, Micha ist tot, es hält sie nichts mehr in Schweiz. Und wie sollte sie einen auferstandenen Micha an ihrer Seite Freunden und Bekannten erklären? In Deutschland erscheint mir das wesentlich einfacher zu sein.

Andererseits könnte ich mir fast vorstellen, dass sie nun den Weg zum Finsteraarhorn wählt, um naja, zu den Aaren zu gehen - was auch immer das dann für die werdende Mutter bedeuten würde. Dann würde ich überlegen, ob ein "zurück" die richtige Wortwahl ist.
Da sagst du was!
Na, das ist eine schöne Interpretation. Darauf bin ich ja gar nicht gekommen, dass sie zu den Aaren gehen könnte. Dann müsste der Satz lauten: Weißt du, wir gehen weg. In die Heimat. Dann wird es richtig diffus. In deinem Sinne?

Also hier könnte ich mir vorstellen, dass in diesem Satz noch mehr stecken kann, ihm aber entweder der Aufbau fehlt, oder die "eindeutige" Wortwahl. Aber vielleicht spinne ich auch etwas herum.
Spinnen ist erwünscht und kein Grund zur Sorge.

Meine Güte, du bist ja ganz durch den Wind.“

-> Ist ein solider Gag, könnte man aber eventuell draußen lassen. Wirkt im anderen Sinne komisch.
War mir beim Schreiben bewusst. Würde es gerne so belassen. Ein zarter Hinweis auf den Aar mit peregrina-Humor verbrämt. :D

Danke, dass du mir deine Überlegungen hier gelassen hast. Hat mich sehr gefreut.

Liebe Grüße von peregrina

 

Liebe @peregrina

so voller Sehnsucht, eine Geschichte zwischen Realität und Traumgebilde, ein zartes Gespinst aus Tränen und Glück. Im wörtlichen Sinn eine schöne Geschichte, die ich sehr mag, die mir in Erinnerung bleiben wird.

Was mich verwirrt hat, war die zweite Erzählstimme. Vielleicht hast du was probiert, aber Ich-Perspektive und einen personalen Erzähler, zumal es sich um dieselbe Figur handelt, das finde ich prätentiös. Klar, du erschließt eine weitere Gedenkenebene, aber das kannst du auch, wenn du innerhalb einer der beiden Perspektiven (zum Beispiel der personalen) Erinnerungen schilderst. Und wenn du die Erinnerungen allein abtrennen willst, könntest du auch darüber nachdenken, diesen Unterschied mit einer veränderten Sprache abzugrenzen, schneller, Ellipsen, was auch immer.

Der zweite Kritikpunkt betrifft die Einbettung der Sage. Du zitierst ganze Passagen wörtlich. Bisschen too much mMn. Stattdessen könntest du die Sagenebene in die Gedankenwelt deiner Person einbauen. Ich stimme @Novak auch zu, wenn sie schreibt, dass der Aar was hinterlassen müsste, wenn man die Sage genau liest. Daraus könnte zusätzlich etwas Mystisches entstehen, das ja ohnehin enthalten ist.

Gegen Sprachbilder habe ich nichts, o nein! :D :Pfeif: und diegewählte Sprache passt perfekt zum Inhalt.


Zwischen ihren Brüsten stand Schweiß
stand? wie soll das funktionieren?

Er ist kein Mann der großen Worte. Schaut mich nur an aus gletscherblauen Augen mit diesem Blick, der mich erspürt und Stromstöße durch meine Eingeweide schickt.
der erste Satz ließe sich streichen oder verändern, weil er eine Wertung enthält

Es regnete. Seit Tagen nichts als Regen, auch in Jolanda.
na ja, darf's eigentlich auch mal nicht regnen bei einer Beerdigung?

Eine samtene Taubheit geleitete sie durch ihr neues Leben, das sie sich so nicht ausgesucht hat.
hier passt das Adjektiv richtig gut

Als die Sargträger die Holzkiste in die Grube absenkten, fühlte Jolanda, dass sie zerfloss wie die Taschenuhren auf dem Gemälde von Dali.
auch ein hübsches Bild

Aber ich muss sie aushalten, obwohl ich doch jetzt ganz alleine bin. Ich taumle rückwärts, finde Halt am Treppengeländer, umklammere die Stäbe aus Kiefernholz, die Micha erst vor wenigen Tagen geölt hat.
:Pfeif:

„Micha“, flüsterte sie. „Wo kommst du her?“
„Aus den Tiefen des Steins, von dort, wo der Mond das Finsteraarhorn berührt.“
oha

Die Kaffeemaschine röchelte, die Brötchen dufteten und Jolanda verschwand im Bad, um sich zu übergeben.
feines Bild

Die geschlossenen Lider wurden zur Kinoleinwand, auf der die Bilder der federleichten Tage abliefen.
auch das :Pfeif:

Jolanda nahm das dünne, abgegriffene Büchlein zögerlich entgegen. „Danke Maria! Du bist ein Schatz!“
„Magst es behalten, sagt Vater. Es soll dir Glück bringen.“
knapp an der Kitschgrenze, nein, eigentlich drüber

Dann öffnete sie den Lippenstift, den sie seit Wochen nicht gebraucht hatte. Er kroch aus der Hülse wie eine rosa Raupe und legte sich schimmernd auf ihre Lippen.
:Pfeif:tolles Bild, schimmernd würde ich dennoch streichen

tastete das Kopfkissen neben sich ab und verfing sich in einer wilden Lockenmähne.
„Du bist ja schon da?“, rief sie.
und die wilde Lockenmähne, na ja...

Mit einem Mal konnte sie die Federleichtigkeit des Tages spüren.
Federleichtigkeit gefällt mir gar nicht als Wort, obwohl du eine Formulierung weiter oben wieder aufnimmst. Warum wiederholst du dieselbe Formulierung nicht?

viele Grüße aus dem grauen Schneeregenabend
Isegrims

 

Hallo @peregrina ,

mir hat deine romantische Geschichte von Jolanda und Micha sehr gut gefallen, obgleich ich eher nicht so sehr eine Anhängerin von romantischen Liebesgeschichten bin. Liegt vermutlich daran, dass sie meist mit einer Tonne Kitsch befrachtet werden und obendrein ein Frauenbild zeigen, bei dem sich mir die Haare sträuben.
Das alles habe ich zum Glück bei deiner Geschichte nicht vorgefunden, kurz vor dem Übergang ins Süssliche, Kitschige hörst du auf, es zu intensivieren und gegen das von dir gezeichnete Frauenbild habe ich auch nichts vorzubringen.

Ich habe deine Geschichte gerne gelesen.
Wir wären aber nicht die Wortkrieger, wenn es nicht auch noch was Textliches anzumerken gäbe, ich lege mal los:

. Mit seinem Lachen brechen die federleichten Tage an.
Sehr gelungene Formulierung, die "federleichten Tage" mit zwei Worten einen Zustand des Verliebtseins eingefangen, perfekt!

Eine samtene Taubheit geleitete sie durch ihr neues Leben, das sie sich so nicht ausgesucht hat.
Auch deine Formulierung "samtene Taubheit!" ist klasse und treffend gewählt.

Maria stand dicht neben Jolanda, hatte sich untergehakt, um sie zu stützen.
Urs versank mit dem Rollstuhl im Matsch.
Diese Szene und gleich zwei neue Figuren im Spiel finde ich an dieser Stelle recht unvermittelt. Vielleicht davor doch den Leser noch kurz etwas mehr darauf vorbereiten? Vielleicht reicht da schon ein einziger Satz?

Die Medikamente, der Preis, den sie gerne zahlte, um nichts zu fühlen
Sehr treffend auf den Punt formuliert, man weiß sofort, was gemeint ist.

Die dunklen Trauerränder bildeten einen obszönen Kontrast zum Weiß.
An dieser Stelle habe ich gestutzt, weil ich jetzt nicht weiß, was sie sieht. Wo befinden sich dunkle Trauerränder. Meine Phantasie zeigt bei dem Wort "Trauerränder" diejenigen, die man auf den Beileidsbriefumschlägen meist sieht, aber wo ist da auf dem Tisch so etwas zu sehen?

Ganz grau sitze ich hinter ihm, kann mich nicht bewegen. Mit jeder Kurve werde ich schwerer, während er federleicht zu schweben scheint.
Dass sie eventuell immer schwerer wird, kann ich noch nachvollziehen, aber wieso sitzt sie grau hinter ihm? Passt diese recht negative Bezeichnung zu ihrem Verliebtheitszustand?

auf der die Bilder der federleichten
hm....du verwendest hier wieder "federleicht", es passt auch inhaltlich ohne Frage an diese Stelle, aber für mich ist es eine Wortwiederholung.

federleichtes Jungenlachen.
und hier auch

Seine Umarmung war so fest, dass Jolanda glaubte, ihre Knochen würden splittern.
Aua...ich finde, das ist zu heftig. Ich habe mir mal vor Jahren die Schulter gebrochen, also das Schultergelenk war gesplittert, glaube mir, diese Schmerzen sind kaum zu ertragen.

Maria stand auf dem Kiesweg und versuchte ein Lächeln, aber es rutschte weg.
Weshalb ist das so? Inhaltlich wirkt es auf mich so als habe sie vor Jolanda etwas zu verbergen. Aber genau das hat sie ja nicht. Sie versucht ein Lächeln, weil sie gute Laune verbreiten möchte, oder weil sie Jolanda ermuntern möchte.

Er kroch aus der Hülse wie eine rosa Raupe
Kein gutes Bild, einen Lippenstift mit einer Raupe zu vergleichen. So etwas ekliges will keiner an den Lippen spüren oder ?

Federleichtigkeit des Tages spüre
Da ist es wieder. Ich fühle mich schon richtig mies, dass ich dir vorschlage, auch diesen Darling zu killen. Du verwässerst das "Federleichte" in seiner Bedeutung, je öfter du es verwendest. Aber zum Glück sind das ja alles nur Vorschläge, keine Anordnungen, es ändern zu müssen. Und in vielen Teilen ist auch manches eher eine Frage des eigenen Geschmacks und der eigenen Vorlieben.
Es hat halt jeder Leser/Kritiker seinen ureigenen Filter.


Lieben Gruß
lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber @Isegrims,

Dankeschön für deine Zeit und deine Meinung, hab mich sehr gefreut über deinen Besuch.
Das ist beeindruckend, mit welcher Konsequenz du dich durch die Challenge kommentierst.
Alle Achtung, macht mich direkt ein bisschen neidisch. Magst mir nicht mal einen Tipp geben?

Im wörtlichen Sinn eine schöne Geschichte, die ich sehr mag, die mir in Erinnerung bleiben wird.
Das hört sich schon mal gut an.

Was mich verwirrt hat, war die zweite Erzählstimme.
Das auch!

Vielleicht hast du was probiert, aber Ich-Perspektive und einen personalen Erzähler, zumal es sich um dieselbe Figur handelt, das finde ich prätentiös.
Prätentiös im Sinne von unbescheiden? :lol:
Die Wahl der Ich-Perspektive in den Rückblenden sollte kein Experiment sein, sondern eignete sich tatsächlich gut, den Leser (erst mal kurz) zu irritieren. Wenn der kritische Leser das als Taschenspielertrick entlarvt, dann kann ich damit leben. Außerdem finde ich – bei allem Bestreben eine gewisse Verwirrung zu erzielen – dass der Text dadurch eine erkennbare Struktur bekommt, die er ja trotzdem braucht.

Zum Zweiten rücke ich mMn mit Ich und Präsens näher an die Prota und ich will damit ausdrücken, sie lebt mehr in der Vergangenheit als im Jetzt.

Klar, du erschließt eine weitere Gedenkenebene, aber das kannst du auch, wenn du innerhalb einer der beiden Perspektiven (zum Beispiel der personalen) Erinnerungen schilderst. Und wenn du die Erinnerungen allein abtrennen willst, könntest du auch darüber nachdenken, diesen Unterschied mit einer veränderten Sprache abzugrenzen, schneller, Ellipsen, was auch immer.

Natürlich, das sind Vorschläge, die habe ich alle irgendwie irgendwann irgendwo schon mal realisiert. Hier wollte ich die Erinnerungen besonders hervorheben, genauso wie ich es getan habe.

Der zweite Kritikpunkt betrifft die Einbettung der Sage. Du zitierst ganze Passagen wörtlich. Bisschen too much mMn.
Interessanter Einwurf. Meinst du zu langatmig, zu eintönig? In dem Punkt war ich selber etwas unsicher. Wie viel Info braucht der Leser? Ich war auch total unentschlossen, ob das Ende der Sage überhaupt erzählt werden sollte.

Aber so, wie die Geschichte nun aufgebaut ist – Sage und Jolandas angepasste Realität laufen absolut parallel – hab ich den Eindruck, dass ich da nix kürzen darf. Sonst könnte es passieren, dass die zwei Welten zu wenig Berührungspunkte haben.

Stattdessen könntest du die Sagenebene in die Gedankenwelt deiner Person einbauen.
Jolanda brauchte ja erst das Buch, um die Sage überhaupt kennenzulernen. Da könnte ich also erst im letzten Drittel, nach dem Lesen der Sage, Passagen aufleuchten lassen. Gut, das wäre natürlich umsetzbar. Wenn ich davon ausgehe, dass der gleiche Sageninhalt preisgegeben werden soll, hab ich nichts gewonnen, wahrscheinlich nur Unklarheiten beim Leser.

Was mir gerade bewusst wird, eine spannende Option könnte sein: Jolanda liest die Sage und spätere Erinnerungsfetzen, (so wie du vorschlägst) tauchen auf, erscheinen kursiv, so als hätte Jolanda das selber erlebt, also genauso wie bisher die Flashbacks mit Micha (so wie du nicht vorschlägst). Der Sageninhalt tritt quasi anstelle der Vergangenheit. Das muss ich mir anschauen, ob solche Dinge umsetzbar sind. Du hast mich ganz zappelig mit diesem Einwurf gemacht, bin ganz versessen darauf, dass mal für mich zu probieren.

Ich stimme @Novak auch zu, wenn sie schreibt, dass der Aar was hinterlassen müsste, wenn man die Sage genau liest. Daraus könnte zusätzlich etwas Mystisches entstehen, das ja ohnehin enthalten ist.
Wenn ich Novak richtig verstanden habe, so bedauert sie, dass die Tragik des Aars, nicht deutlich wird. Sein Dilemma ist ja, wenn er Mensch wird, gibt er seine Unsterblichkeit auf. Und obwohl er bei Jolanda sein will, muss er, um Aar zu bleiben, zurück in den Berg.

Ob der gute Geist etwas hinterlässt oder nicht, mag jeder für sich entscheiden. Vielleicht ist Jolanda von ihm schwanger und er hat sich nach der Zeugung des Kindes zurückgezogen, vielleicht hat er sich aber auch entschieden, Mensch zu werden und zieht mit Jolanda nach Deutschland. Oder wie @Vulkangestein angedeutet hat, Jolanda geht zu den Aaren.

Gegen Sprachbilder habe ich nichts, o nein! und diegewählte Sprache passt perfekt zum Inhalt.
hihi

Zwischen ihren Brüsten stand Schweiß
stand? wie soll das funktionieren?
Rückenlage, extrem schwitzen, Schweiß sammelt sich in der Brustbeinkuhle und dann hat man ratzfatz ein stehendes Gewässer

peregrina schrieb:
Er ist kein Mann der großen Worte. Schaut mich nur an aus gletscherblauen Augen mit diesem Blick, der mich erspürt und Stromstöße durch meine Eingeweide schickt.
der erste Satz ließe sich streichen oder verändern, weil er eine Wertung enthält
über eine Alternative denke ich nach

peregrina schrieb:
Es regnete. Seit Tagen nichts als Regen, auch in Jolanda.
na ja, darf's eigentlich auch mal nicht regnen bei einer Beerdigung?
Ich wünschte, du hättest nicht recht. Regen und Trauergemeinde im Doppelpack, der Knochen ist schon ein bisschen abgenagt, ich weiß, genauso wie die Staubpartikel, die in den Sonnenstrahlen tanzen. Aber die Verlockung war zu groß, wegen der Stimmung, weißt.

peregrina schrieb:
Jolanda nahm das dünne, abgegriffene Büchlein zögerlich entgegen. „Danke Maria! Du bist ein Schatz!“
„Magst es behalten, sagt Vater. Es soll dir Glück bringen.“
knapp an der Kitschgrenze, nein, eigentlich drüber
Da stehen zwei Freundinnen, womöglich im im Dirndl, vor der Kulisse der Berner Alpen, die untergehende Sonne taucht die Szene in rotes Licht. Ja, jetzt seh ich es auch. :bonk:

peregrina schrieb:
tastete das Kopfkissen neben sich ab und verfing sich in einer wilden Lockenmähne.
„Du bist ja schon da?“, rief sie.
und die wilde Lockenmähne, na ja...
Ist nicht sehr originell, aber ich kann nichts dagegen tun, ich seh immer den Messner vor mir.

peregrina schrieb:
Mit einem Mal konnte sie die Federleichtigkeit des Tages spüren.
Federleichtigkeit gefällt mir gar nicht als Wort, obwohl du eine Formulierung weiter oben wieder aufnimmst. Warum wiederholst du dieselbe Formulierung nicht?
Schau ich mal an.

Danke dir noch mal für deine Anregungen.

Liebe Grüße von peregrina


Dankeschön liebe @lakita für deinen Besuch in meiner KG. Schön, dass du mir deine Gedanken da lässt.

mir hat deine romantische Geschichte von Jolanda und Micha sehr gut gefallen, obgleich ich eher nicht so sehr eine Anhängerin von romantischen Liebesgeschichten bin. Liegt vermutlich daran, dass sie meist mit einer Tonne Kitsch befrachtet werden und obendrein ein Frauenbild zeigen, bei dem sich mir die Haare sträuben.
Vielleicht liegt es aber auch daran, dass es in der KG nicht nur um Romantik und starke Gefühle zwischen einem jungen Paar geht, sondern die ungewöhnliche Trauerbewältigung, sprich, der Rückzug Jolandas aus der Realität (hin zur Traum- und Sagenwelt), das Thema ist/sein soll.

Schade, dass ich diesen Aspekt nicht oder nur wenig transportieren konnte. Wahrscheinlich ist er verdeckt durch die zahlreichen Metaphern oder von den Gletschern der Region.

Ich habe deine Geschichte gerne gelesen.
Wir wären aber nicht die Wortkrieger, wenn es nicht auch noch was Textliches anzumerken gäbe, ich lege mal los:
Ich bin gewappnet!

peregrina schrieb:
Maria stand dicht neben Jolanda, hatte sich untergehakt, um sie zu stützen.
Urs versank mit dem Rollstuhl im Matsch.
Diese Szene und gleich zwei neue Figuren im Spiel finde ich an dieser Stelle recht unvermittelt. Vielleicht davor doch den Leser noch kurz etwas mehr darauf vorbereiten? Vielleicht reicht da schon ein einziger Satz?
Schau ich noch mal, weil ich das eigentlich auch so empfinde.

peregrina schrieb:
Die dunklen Trauerränder bildeten einen obszönen Kontrast zum Weiß.
An dieser Stelle habe ich gestutzt, weil ich jetzt nicht weiß, was sie sieht. Wo befinden sich dunkle Trauerränder. Meine Phantasie zeigt bei dem Wort "Trauerränder" diejenigen, die man auf den Beileidsbriefumschlägen meist sieht, aber wo ist da auf dem Tisch so etwas zu sehen?
Es sind ihre schmutzigen Fingernägel. (Sie topft im Traum Geranien um, trotzdem hat sie morgens schmutzige Nägel, weil sich die zwei Welten durchdringen.)
Die Textstelle mach ich deutlicher.

peregrina schrieb:
Ganz grau sitze ich hinter ihm, kann mich nicht bewegen. Mit jeder Kurve werde ich schwerer, während er federleicht zu schweben scheint.
Dass sie eventuell immer schwerer wird, kann ich noch nachvollziehen, aber wieso sitzt sie grau hinter ihm? Passt diese recht negative Bezeichnung zu ihrem Verliebtheitszustand?
Sie hat Angst und ihr wird übel, die Gesichtsfarbe ist nicht rosig und ihr Allgemeinzustand, ihre Aura, wenn ich einen Farbton wählen müsste, wäre grau.

peregrina schrieb:
auf der die Bilder der federleichten
hm....du verwendest hier wieder "federleicht", es passt auch inhaltlich ohne Frage an diese Stelle, aber für mich ist es eine Wortwiederholung.
Natürlich zieht sich federleicht durch den gesamten Text, ich muss nur ein gutes Maß finden.
Die Dosis macht das Gift. :D

peregrina schrieb:
federleichtes Jungenlachen.
und hier auch
Diese Stelle wurde schon mal als unpassend gesehen, dann wird das definitiv der Streichkandidat


peregrina schrieb:
Seine Umarmung war so fest, dass Jolanda glaubte, ihre Knochen würden splittern.
Aua...ich finde, das ist zu heftig. Ich habe mir mal vor Jahren die Schulter gebrochen, also das Schultergelenk war gesplittert, glaube mir, diese Schmerzen sind kaum zu ertragen.
Ja, das glaube ich dir. Aber ist ja nur ein Traum.

peregrina schrieb:
Maria stand auf dem Kiesweg und versuchte ein Lächeln, aber es rutschte weg.
Weshalb ist das so? Inhaltlich wirkt es auf mich so als habe sie vor Jolanda etwas zu verbergen. Aber genau das hat sie ja nicht. Sie versucht ein Lächeln, weil sie gute Laune verbreiten möchte, oder weil sie Jolanda ermuntern möchte.
Oder weil sie die Sage auch gelesen hat und Unheil ahnt, ohne es benennen zu können.

peregrina schrieb:
Er kroch aus der Hülse wie eine rosa Raupe
Kein gutes Bild, einen Lippenstift mit einer Raupe zu vergleichen. So etwas ekliges will keiner an den Lippen spüren oder ?
Normalerweise bin ich bei Gewürm und Geräup auch etwas eigen, aber das Bild fand ich nicht eklig, immer im Hinterkopf, dass aus der Raupe ja doch bald ein Schmetterling wird

peregrina schrieb:
Federleichtigkeit des Tages spüre
Da ist es wieder. Ich fühle mich schon richtig mies, dass ich dir vorschlage, auch diesen Darling zu killen. Du verwässerst das "Federleichte" in seiner Bedeutung, je öfter du es verwendest.
Wie gesagt, federleicht zieht sich durch den Text und das wird auch so bleiben, aber gegen Reduktion hab ich nichts einzuwenden. Ich schau mal, was ich verantworten kann.

Aber zum Glück sind das ja alles nur Vorschläge, keine Anordnungen, es ändern zu müssen. Und in vielen Teilen ist auch manches eher eine Frage des eigenen Geschmacks und der eigenen Vorlieben.
Es hat halt jeder Leser/Kritiker seinen ureigenen Filter.
So ist es.

Aber wenn sich Lesermeinungen in bestimmten Punkten wiederholen, sich decken, da sollte man wenigstens ein Nachdenken nicht verweigern. Mittlerweile hab ich ziemlich klare Vorstellungen, was ich mit einer KG aussagen will. Und so kann ich an den Kommentaren ablesen, wie weit ist die Umsetzung geglückt, wo haperts noch, wo unterliege ich Irrtümern.

Danke für deine Zeit, die Anregungen. Und auch für dich ein dickes Kompliment für die Ausdauer, jeden einzelnen Challengebeitrag zu kommentieren. Was für eine Disziplin!

Liebe Grüße von peregrina

 

Das ist beeindruckend, mit welcher Konsequenz du dich durch die Challenge kommentierst.
Alle Achtung, macht mich direkt ein bisschen neidisch. Magst mir nicht mal einen Tipp geben?
Ein Tipp? Disziplin, die man ja auch beim Schreiben braucht. Außerdem: um abstimmen zu können, muss ich doch die Texte lesen, oder? Dann kann ich auch nebenher bisschen Kommentartraining absolvieren.

Na ja: und auf das Prinzip von Geben und Nehmen setze ich auch ein wenig. :Pfeif:

 

„Es geschah, dass sich ein noch unerfahrener Aar einer jungen, schönen Witwe annahm. Mit jeder Nacht, in der er in ihre Träume eindrang, gab er ein Stück von sich selber her, bis er sich unsterblich in sie verliebte.“

Endlich hol ich Dich ein,

liebe @peregrina ,

denn als die Liste der Beiträge zur Challenge über eine zwote Seite anwuchs, beschloss ich, immer den an letzter Stelle stehenden Beitrag zu kommentieren, den ich noch nicht kommentiert hatte – und immer, wenn Deiner in nächster Nähe stand, erreichbar für den nächsten Komm erschien, lag er wieder nahezu unerreichbar vorne in der Liste. Und also erfüllet sich auf wundersame Weise Math. 19, 30, wenn er 1545 in den Worten Luthers lautete „Aber viel die da sind die ersten / werden die letzten / Vnd die letzten / werden die ersten sein“, selbst wenn ich diesen Wettbewerb nicht mit dem Jüngsten Gericht gleichsetzen will und wer nicht alle Texte schafft wird seine Gründe haben.

Wie dem auch sei: Das Eingangszitat aus der mære vom Mond überm Finsteraarhorn, bringt es für mich auf den Punkt, wenn er sich als Umkehrung nicht nur der europäischen, sondern überhaupt der Gattungsgeschichte offenbart, als Umkehrung des Mythos des Prometheus mit der Verlegung des Kaukasus (dort wird Prometheus durch Zeus gefangengehalten, also alles andere als ein freiwillig gewählter Aufenthalt) am Rande der Welt und zur Strafe, dass er den Menschen wider göttlichem Gebot das Feuer brachte (vllt. sogar undefinierbares wie die Liebe, die ja auch schon mal so brennen kann wie‘s Feuer) und dem Adler (dessen ursprünglichste Form im „Aar“ es nur noch zur scheinbar veralteten – so der Duden – dichterischen Erhöhung schafft und doch im wasserreichsten Nebenfluss des Rheines, der Aare, überleben wird. Und keinesfalls hat Prometheus Stücke seiner Leber freiwillig hergegeben und was jetzt ein bisschen wie an den „HAaren“ hereigezogen klingt, wird erst deutlich, wenn man weiß, dass die Leber nicht umsonst im Alfabet nahe beim „Leben“ steht: Die Alten hielten die Leber für den Sitz des Lebens und - der Liebe, der größten Leidenschaft und zugleich gefährdetsten und gefährlichsten überhaupt, wenn man sie auf ihr animalisches Erbe reduziert und nicht gleichberechtigt auf den anderen und die anderen übertragen lernt.

@Isegrims hat es angesprochen bzgl. der scheinbar gewagten Formulierung

Zwischen ihren Brüsten stand Schweiß.
und Du hast da schon ausführlich gegengesetzt, aber es ginge auch viel einfacher, wenn man auf die die Redewendung zurückgreift, die m. E. noch nie widerlegt wurde, dass einem der (kalte) Schweiß auf der Stirn stehe (statt wie ein „Wasserfall“ herabzustürzen“ oder „zu fließen“).

Neben der Flusenlese noch‘n paar Gedanken

Noch bevor sie die Augen öffnete, tastete sie über das Kopfkissen im Nebenbett. Leer. Micha, durchfuhr sie der erste klare Gedanke des frühen Morgens und die Erkenntnis kam mit einer Wucht, die sie in das Laken drückte, sodass sie glaubte, nie mehr die Kraft zum Aufstehen zu finden.
Die Ellipse ist m. E. mehr als eine bloße Aussage.
Verrät das „Tasten“ nicht Hoffnung, dass etwas sei? Also hat das „Leer“ weniger eine Bestätigung und schlichte Aussage als ein Überraschung, ausgedrückt - weniger in einem Ruf als und nach einem deutlichen „!“!

Sie hätte nicht sagen können, wie lange sie so reglos lag und an die Decke starrte – Zeit war ohne Bedeutung für sie –, als sie zu zittern begann.
Da fällt mir Gottfried Kellers „Die Zeit geht nicht ...“ ein, das zu Deiner Geschichte passt (umso mehr, als Du Dali erwähnst), nicht nur weil da die Verse drin vorkommen „Es ist ein weisses Pergament / Die Zeit, und jeder schreibt / Mit seinem roten Blut darauf, / Bis ihn der Strom vertreibt.“
Das Gedicht ist im Netz eingestellt und ich hab‘s mal für @Kanji – wo bistu überhaupt?! - hierorts eingestellt.

Ich öffne die Haustür und vor mir stehen zwei Polizisten in Uniform. Zu zweit überbringen sie die Nachricht, als hätte ein Einzelner zu schwer an ihr zu schleppen.
Hm, nicht unbedingt falsch – stünde nicht die vergleichende Konjunktion „als“ im Wege, dass ich da ein verkürztes „als hätte ein einzelner/einziger Polizist zu schwer ...“, also ein bloßes Attribut / Adjektiv steht.

Sie trug keine Handschuhe, sie wollte die feuchte Kühle, das Leben, das der fetten schwarzen Krume innewohnte, spüren.
Schwache Klammer lässt sich vermeiden durch einfaches Möbelrücken direkt hinters „Leben“

Hier schnappt die Fälle-Falle mal zu

Die wirren Locken fielen ih[m] in die Stirn und er lachte sein federleichtes Jungenlachen.

Seine Umarmung war so fest, dass Jolanda glaubte, ihre Knochen würden splittern.
Wird nicht erst das Atmen schwer, die Luft weggedrückt? Und ja, bevor sie splittern, werden sie knacken … die Knochen und dann brechen.

Die Vorhänge blähten sich im Abendwind und durch das geöffnete Fenster hörte sie ein Motorengeräusch näher kommen.
Wie sich nahekommen ein Wort, „näherkommen“

„Danke[,] Maria! Du bist ein Schatz!“
(wg. der Anrede)

Die Luft war warm und feucht und duftete nach Kirschblüte[...]
ein Ausdruck für die einzelne Blüte bis hin zu allen wie für einen Zeitraum

„Weißt du, wir werden zurückgehen, zurück in die Heimat.“
was bei der Aussage
Sie gehört nicht hierher, ein Püppchen aus Deutschland, zu schwach, zu zerbrechlich.“
gar nicht verwundern darf.

Aber was ist „Heimat“?

Die kürzeste Antwort, die ich je gehört habe, von wem auch immer, als einem Stück Fleisch, das wärme und in das man sich kuscheln könne, lässt mich zum Adjektiv greifen: Heimat ist da, wo man sich heimisch fühlt. Das ahd. heimisc hatte neben der heute noch erkennbaren Bedeutung auch die für „zahm“ und steht im krassen Gegensatz zum elendi, dem Heimatlosen, dem ohne Land, dem Ge- und/oder Vertriebenen.

Jolanda sehnte sich nach Schlaf, der dem ewigen Grübeln nach dem Warum ein Ende setzte. Wünschte sich zurück in den Traum, der nur noch eine Ahnung war und ein diffuses Gefühl von Sehnsucht hinterlassen hatte.

Gern gelesen vom

Friedel,
der Jolanda frei nach dem ollen Schiller die Welt als Heimat und die Muttersprache als Vaterland empfiehlt.

Schöne Tage diese Tage aus'm Pott!

 

Hallo liebe @peregrina,

es freut mich sehr, dass du mitmachst!

Nicht erschrecken: Ich musste mich zwingen deine Geschichte zu lesen. Wenns nicht deine Challengegeschichte gewesen wäre, hätte ich wohl drauf verzichtet. Nicht weil ich sie schlecht finde. Ich kann mit so einem Thema nur ganz schlecht umgehen. Das nimmt mich mit, macht mich traurig, und so will ich mich nicht fühlen. So etwas würde ich normalerweise nicht lesen. Ich habe tatsächlich mehrere Anläufe gebraucht, und heute passte die Stimmung doch einigermaßen.

Und ich muss sagen, ich finde, du hast das echt gut gemacht. Ich verstehe Jolanda. Durchdrehen ist doch in so einer Situation sehr verständlich. Noch schöner ist natürlich der Gedanke, dass es solche Aare tatsächlich gibt und den armen Witwen helfen. Deswegen finde ich deine Geschichte in dieser Hinsicht überhaupt nicht beängstigend, so wie du es erwartest hast. Das Leben ist hier doch wohl der eigentliche Horror.

Auch dass Jolanda einfach aktzeptiert, dass Michel ihr erscheint, finde ich logisch. Warum sollte man so etwas wundervolles hinterfragen? Da nimmt man doch alles an, das den Schmerz lindert, alles um dem Alptraum zu entfliehen.

Ich fand es auch interessant etwas über die Sage der Aare zu erfahren. Ich finde, du hast die Informationen dazu schon eingeflochten, die richtige Dosierung getroffen.

Du merkst, ich hab gar nichts zu meckern. Auf Details verzichte ich, ich bekomm gerade schon wieder Beklemmungen. Nee, das ist einfach nichts für mich. Trotzdem sehe ich, wie toll du das gemacht hast!

Und jetzt nimm gefälligst ein Lob an, setz dich damit auf die Couch und genieße es!

Liebe Grüße,
NGK

 

Lieber @Friedrichard,

danke für deinen Besuch und fürs genaue Hinschauen. Den Großteil deiner Anregungen habe ich direkt umgesetzt. Und wie ich sehe, bist du jemand, der strukturiert vorgeht.

denn als die Liste der Beiträge zur Challenge über eine zwote Seite anwuchs, beschloss ich, immer den an letzter Stelle stehenden Beitrag zu kommentieren, den ich noch nicht kommentiert hatte
– und immer, wenn Deiner in nächster Nähe stand, erreichbar für den nächsten Komm erschien, lag er wieder nahezu unerreichbar vorne in der Liste.
Das klingt beinahe nach Entschuldigung. Aber hallo! Ich freue mich, dass du mir deine Gedanken mitteilst, die wie immer eine erweiterte Sichtweise auf den Text gestatten.

Und also erfüllet sich auf wundersame Weise Math. 19, 30, wenn er 1545 in den Worten Luthers lautete „Aber viel die da sind die ersten / werden die letzten / Vnd die letzten / werden die ersten sein“,...
Und bibelfest bist du auch. Ja, von der Prophezeiung hörte ich bereits.

Wie dem auch sei: Das Eingangszitat aus der mære vom Mond überm Finsteraarhorn, bringt es für mich auf den Punkt, wenn er sich als Umkehrung nicht nur der europäischen, sondern überhaupt der Gattungsgeschichte offenbart, als Umkehrung des Mythos des Prometheus …
mit der Verlegung des Kaukasus … am Rande der Welt und zur Strafe, dass er den Menschen wider göttlichem Gebot das Feuer brachte … und dem Adler (dessen ursprünglichste Form im „Aar“ es nur noch zur scheinbar veralteten – so der Duden – dichterischen Erhöhung schafft und doch im wasserreichsten Nebenfluss des Rheines, der Aare, überleben wird.
Sagenhaft, welche Verknüpfungen du herstellst. Du schaffst es jedes Mal, mich zu verblüffen.

... Isegrims hat es angesprochen bzgl. der scheinbar gewagten Formulierung

Zwischen ihren Brüsten stand Schweiß.


und Du hast da schon ausführlich gegengesetzt, aber es ginge auch viel einfacher, wenn man auf die die Redewendung zurückgreift, die m. E. noch nie widerlegt wurde, dass einem der (kalte) Schweiß auf der Stirn stehe (statt wie ein „Wasserfall“ herabzustürzen“ oder „zu fließen“).
Auf die einfache Begründung bin ich nicht gekommen, aber manchmal gelangt man auch auf Umwegen zum Ziel.

Die Ellipse ist m. E. mehr als eine bloße Aussage.
Verrät das „Tasten“ nicht Hoffnung, dass etwas sei? Also hat das „Leer“ weniger eine Bestätigung und schlichte Aussage als ein Überraschung, ausgedrückt - weniger in einem Ruf als und nach einem deutlichen „!“!
Friedel, ich weiß nicht. Das Ausrufezeichen so dominant hinter dem kurzen Wort „Leer“, ich kann mich nicht überwinden (noch nicht).

Sie hätte nicht sagen können, wie lange sie so reglos lag und an die Decke starrte – Zeit war ohne Bedeutung für sie –, als sie zu zittern begann.
Da fällt mir Gottfried Kellers „Die Zeit geht nicht ...“ ein, das zu Deiner Geschichte passt (umso mehr, als Du Dali erwähnst), nicht nur weil da die Verse drin vorkommen „Es ist ein weisses Pergament / Die Zeit, und jeder schreibt / Mit seinem roten Blut darauf, / Bis ihn der Strom vertreibt.“
Ach, ist das wunderschön!
Das Gedicht ist im Netz eingestellt und ich hab‘s mal für @Kanji – wo bistu überhaupt?! - hierorts eingestellt.
Ja, das interessiert mich auch!

Ich öffne die Haustür und vor mir stehen zwei Polizisten in Uniform. Zu zweit überbringen sie die Nachricht, als hätte ein Einzelner zu schwer an ihr zu schleppen.
Hm, nicht unbedingt falsch – stünde nicht die vergleichende Konjunktion „als“ im Wege, dass ich da ein verkürztes „als hätte ein einzelner/einziger Polizist zu schwer ...“, also ein bloßes Attribut / Adjektiv steht.
Schwierig, schwierig. Noch konnte ich mich nicht zum Minuskel durchringen.

Sie trug keine Handschuhe, sie wollte die feuchte Kühle, das Leben, das der fetten schwarzen Krume innewohnte, spüren.
Schwache Klammer lässt sich vermeiden durch einfaches Möbelrücken direkt hinters „Leben“
Den Satz hatte ich umgestellt. Und er wollte mir in seiner neuen Form gar nicht gefallen.

Seine Umarmung war so fest, dass Jolanda glaubte, ihre Knochen würden splittern.
Wird nicht erst das Atmen schwer, die Luft weggedrückt? Und ja, bevor sie splittern, werden sie knacken … die Knochen und dann brechen.
Ja, natürlich in dieser Reihenfolge. War ein bisschen dick aufgetragen, gestehe ich ein, aber ich dachte, das darf, aufgrund der Traumsequenz.
Ist verändert, aber der Satz springt mir momentan wie ein Fremdkörper entgegen. Mal sehen, wie ich das noch löse.

„Weißt du, wir werden zurückgehen, zurück in die Heimat.“
was bei der Aussage
Sie gehört nicht hierher, ein Püppchen aus Deutschland, zu schwach, zu zerbrechlich.“
gar nicht verwundern darf.
Sehe ich auch so, wird Zeit zu gehen.

Du hast so viel Interessantes über Heimat erzählt, dass ich mich direkt schäbig fühle, weil ich Heimat ersetzt habe, durch:

„Weißt du, wir werden weggehen. Dahin, wo wir zuhause sind.“
Macht die Aussage noch etwas unkonkreter, kann überall und nirgends sein, sogar bei den Aaren im Fels.

Danke, lieber Friedel, für die ausführliche Besprechung und es ist schön zu sehen, zu welchen Vernetzungen – vom Prometheus über Luther zu Gottfried Keller – die Geschichte dich angeregt hat. Danke für deine interessanten Überlegungen und bis demnächst.

Liebe Grüße von peregrina

Liebes @Nichtgeburtstagskind,

schön, dass du mal reinschaust und mir Einlass gewährst in deine Gefühlswelt.

es freut mich sehr, dass du mitmachst!
Weißt du, dass ich damit mein Challenge-Trauma überwunden habe? :bounce:

Nicht erschrecken: Ich musste mich zwingen deine Geschichte zu lesen. Wenns nicht deine Challengegeschichte gewesen wäre, hätte ich wohl drauf verzichtet.
Konnte mir schon denken, dass die Geschichte nicht in dein Beuteschema fällt. Allerdings ging ich davon aus, sie sei zu „alltäglich“, enthielte zu wenig Aktion, um dich ansprechen zu können.

Nicht weil ich sie schlecht finde. Ich kann mit so einem Thema nur ganz schlecht umgehen. Das nimmt mich mit, macht mich traurig, und so will ich mich nicht fühlen. So etwas würde ich normalerweise nicht lesen. Ich habe tatsächlich mehrere Anläufe gebraucht, und heute passte die Stimmung doch einigermaßen.
Dass dich die Traurigkeit der HF abhalten könnte, ist mir nicht in den Sinn gekommen.

Darum danke ich dir umso mehr, dass du durchgehalten hast und mich an deinen Gedanken teilhaben lässt.

Ich verstehe Jolanda. Durchdrehen ist doch in so einer Situation sehr verständlich. Noch schöner ist natürlich der Gedanke, dass es solche Aare tatsächlich gibt und den armen Witwen helfen. Deswegen finde ich deine Geschichte in dieser Hinsicht überhaupt nicht beängstigend, so wie du es erwartest hast. Das Leben ist hier doch wohl der eigentliche Horror.
Ist interessant, wie du das siehst. Ja, die Geschichte an sich ist nicht beängstigend, ehe verträumt, fast verspielt.

Auch dass Jolanda einfach aktzeptiert, dass Michel ihr erscheint, finde ich logisch. Warum sollte man so etwas wundervolles hinterfragen? Da nimmt man doch alles an, das den Schmerz lindert, alles um dem Alptraum zu entfliehen.
Da spricht ganz der Fantasy-Fan aus dir. Aber irgendwie bin ich bei dir. Die Bereitschaft, sich auf alles einzulassen, das den Schmerz lindert, wird in solchen Situationen enorm hoch sein.
Ich kenne dieses Verhalten ein bisschen von mir selber, zum Beispiel vertiefe ich mich lieber in ein Buch, lass mich entführen, als über anstehende, wichtige Probleme nachzudenken, geschweige denn eine Lösung zu suchen. Verdrängen. Und wenn der Mechanismus sich bewährt hat, greift man gerne darauf zurück. Ich nenne das Realitätsflucht und halte die Handlungsweise zumindest für bedenklich.

Ich fand es auch interessant etwas über die Sage der Aare zu erfahren. Ich finde, du hast die Informationen dazu schon eingeflochten, die richtige Dosierung getroffen.
Das ist wichtig für mich zu erfahren, ob der Sagenteil nicht zu geballt als Info empfunden wird.

Auf Details verzichte ich, ich bekomm gerade schon wieder Beklemmungen. Nee, das ist einfach nichts für mich. Trotzdem sehe ich, wie toll du das gemacht hast!
Ist ja keine neue Erkenntnis, dass man mit einem Text nicht alle Leser abholen kann.
Deine Beklemmungen nehme ich natürlich als Lob und sage danke für die Mühe und entschuldige mich in aller Form für die Unannehmlichkeiten. Ich mach's wieder gut. Versprochen!

Liebe Grüße von peregrina

 

Ich öffne die Haustür und vor mir stehen zwei Polizisten in Uniform. Zu zweit überbringen sie die Nachricht, als hätte ein Einzelner zu schwer an ihr zu schleppen.
heißt es im Ursprungstext,

liebe peregrina,

worauf ich anmerkte

Hm, nicht unbedingt falsch – stünde nicht die vergleichende Konjunktion „als“ im Wege, dass ich da ein verkürztes „als hätte ein einzelner/einziger Polizist zu schwer ...“, also einbloßes Attribut / Adjektiv steht.
Schwierig, schwierig. Noch konnte ich mich nicht zum Minuskel durchringen.
befandestu,

wie man halt seine Kinder so liebt, wie sie sind.

Tatsächlich ist "ein einzelner/Einzelner" eine Verdoppelung - ob mit oder ohne Majuskel, denn steht dort inhaltlich relativ nackt "Ich öffne die Haustür und vor mir stehen zwei Polizisten in Uniform. Zu zweit überbringen sie die Nachricht, als hätte einer zu schwer an ihr zu schleppen."

Andere hätten da - so spricht meine Erfahrung - "einer allein" draus gemacht ...

Alles nur Anregung und ohne aufregen zu wollen vom

Friedel

 

Liebe @peregrina,

deine romantisch-mystische Geschichte habe ich sehr gerne gelesen. Du hast einen klaren Stil, schreibst total sauber, die Bilder passen perfekt und du erzeugst eine eindringliche Stimmung.
Auch das Einflechten der Sage ist dir gut gelungen, das ist angenehm dezent.
Ganz, ganz selten, wie jetzt hier, ist es mir ein wenig zu süßlich:

Er schaut mich nur an aus gletscherblauen Augen mit diesem Blick, der mich erspürt und Stromstöße durch meine Eingeweide schickt.
Das Gletscherblau und die Stromstöße würde ich versuchen, durch etwas Originelleres zu ersetzen. Oder ganz weglassen. Wie Micha einfach dasteht und nach Leder riecht, so als erster Eindruck, würde im Grunde auch genügen.
Maria stand dicht neben Jolanda, hatte sich untergehakt, um sie zu stützen.
Ich hatte etwas Probleme zu verstehen, wer Maria ist. Zunächst dachte ich, die Frau von Urs, also die Schwiegermutter sozusagen, weil Urs ja kurz danach genannt wird. Später scheint es aber doch eher eine gleichaltrige, vertraute Freundin zu sein. Das wundert mich allerdings ein wenig, weil ich den Eindruck hatte, dass Jolanda noch so neu ist in der Gegend. Es ist die Buchhändlerin, und sie können sich ja tatsächlich angefreundet haben, aber vielleicht könntest du das irgendwie noch deutlicher machen?
Als sie klingeln, scheint die Sonne. Die Luft duftet nach Erde, Gras und neuem Leben.
Bitter ist das, mit dem neuen Leben, in dem folgenden Kontext. Und sicher deutest du hier schon an, dass sie schwanger ist, ob sie es nun schon weiß oder nicht.
Zu zweit überbringen sie die Nachricht, als hätte ein Einzelner zu schwer an ihr zu schleppen.
Das finde ich ein schönes, trauriges Bild.
Aber ich muss sie aushalten, obwohl ich doch jetzt ganz alleine bin.
Das wiederum hätte ich nicht gebraucht, es schwächt mMn das Vorangegangene, indem es mir das nun so vorkaut. Du könntest hiermit einfach weitermachen, ohne das etwas fehlt:
Ich taumle rückwärts, finde Halt am Treppengeländer,
„Wer bist du?“, fragte Jolanda mit bebenden Lippen.
„Ich bin dein Mann.“
„Mein Mann? Der ist mit seiner Maschine unterwegs.“
(Bebende Lippen – das ist nochmal so eine Kleinigkeit, wo gleich der Kitschdetektor ausschlägt - vielleicht bekommst du das noch anders hin?) Ich verstehe übrigens nicht, warum sie hier sagt, er wäre mit seiner Maschine unterwegs, obwohl ihr ja klar ist, dass er tot ist und sie ja auch gleich darauf das hier denkt:
Micha, dachte sie, er ist zurückgekommen.
Also, sie ist vernebelt, ich weiß, aber denkt sie nun, dass er tot ist? Dann würde sie nicht sagen, er sei unterwegs. Denkt sie, dass er lebt? Dann würde sie nicht sagen, er sei zurückgekommen. Weißte? Oder kapiere ich hier einfach was nicht?
Die Bewegung übertrug sich auf das Papier und es sah aus wie ein lebender Organismus, der atmete.
Schön!
Als sie ihn berühren wollte, begann sein Körper zu zittern, wurde wässrig wie ein zu nasses Aquarell, zerfloss vor ihren Augen.
Inhaltlich gefällt mir das sehr, sprachlich stört mich irgendwas, weiß nicht genau, auf jeden Fall dreimal „ss“ , aber wohl auch, dass wässrig und zu nass redundant ist. Vllt. geht es irgendwie so: Als sie ihn berühren wollte, begann sein Körper zu zittern, verlor die Konturen, zerfloss vor ihren Augen wie ein zu nasses Aquarell.
Sie streckte die Hände nach ihm aus. „Verlass mich nicht!“ Sie griff ins Leere.
„Ein Teil von mir, Liebste, ein Teil von mir wird immer bei dir sein.“
Sie streckte die Hände nach ihm aus und griff ins Leere. Würde mir genügen, bei dem Rest meldet sich schon wieder der blöde Detektor. Den Rest würde ich nämlich auch ganz von alleine so für mich lesen, der tröstliche Schluß ist ja auch gegeben, da Jolanda am Ende die
Federleichtigkeit
wieder spürt, die für meinen Geschmack zwar auch einfach als Leichtigkeit funktionieren würde, aber ja: Geschmack, wie gesagt, und insgesamt habe ich das wirklich sehr gerne gelesen, peregrina.

Liebe Grüße von Raindog

 

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