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Novelle Greeny

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Seniors
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02.01.2011
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Greeny

Als ich runter in die Küche komme, steht auf einmal Asi vor mir, in Hard Rock Café-T-Shirt und karierten Boxershorts.
»Wohnste jetzt hier oder was?«, frage ich, eher im Scherz, aber als er sich umdreht und mich ansieht, stocke ich kurz. In der Hand hält er zwei Kaffeetassen, seine Haare sind zerzaust. Er heißt tatsächlich Asi, das ist die Kurzform seines türkischen Vornamens, aber man spricht es: Assi. Und so nenne ich ihn auch: Assi.
»Guten Morgen erst mal«, brummt er nach ein paar Sekunden vorwurfsvoll und fährt sich durch die Haare. Er steht an der Kaffeemaschine und sucht irgendwas.
»Suchste die Filter?«, frage ich.
»Ja«, sagt er.
»Da oben.« Ich deute auf den Schrank, dann sage ich grinsend: »Jetzt schuldest’ mir ’ne Fluppe.«
Er zieht die Augenbrauen hoch und wirft mir diesen Blick zu, dann öffnet er die Schranktür und greift nach den Kaffeefiltern. »Komm mir nich’ so«, sagt er, »is’ noch zu früh für deine Scheiße, okay?«
Ich grinse.
»Was machst’n überhaupt schon auf?«, fragt er, löffelt Kaffee aus der Dose in den Filter, setzt ihn in die Maschine ein und beäugt mich dabei.
»Arbeit«, sage ich, dann ziehe ich mir eine Zigarette aus der Hosentasche und stecke sie mir in den Mund.
»Alter«, zischt er, als er meine Fluppe sieht, »wenn das deine Mutter sieht!« Assi hebt die Hand wie zu einer Ohrfeige. »Die dreht durch, ey«, sagt er halblaut und wirft mir wieder diesen Blick zu.
»Die pennt doch eh noch«, sage ich und zünde mir die Kippe an. Wir schweigen einen Augenblick, dann lehnt sich Assi mit dem Rücken am Kühlschrank an, fährt sich noch mal durch die Haare und sagt: »Hab’s gehört, neulich. Was war’n da los, ey? Dein Lehrer? Alter!«
Ich rauche und will etwas sagen, überlege mir schon die passenden Worte, halte dann aber doch meine Schnauze. Ich blase ein paar Rauchringe in die Luft und zucke mit den Schultern.
»Werd mal wieder«, sagt Assi und tippt sich mit dem Zeigefinger auf die Stirn. »Dafür hätt’ mich mein Alter damals gehängt, ey, ich sag’s dir!«
»Kann sein«, sage ich, dann hole ich mir eine Tasse aus dem Schrank, schenke mir den ersten Schwall Kaffee ein und gehe hinten aus dem Haus raus, setze mich auf die Treppenstufen und schaue ein paar Lastwagen und Traktoren hinterher, die auf der Straße vor unserem Haus Richtung Stadt fahren. Ich nippe am Kaffee, ziehe an meiner Kippe. Der Himmel ist blau, wolkenfrei, und die Sonne steht noch tief im Osten und wirft erste, helle Lichtstrahlen auf mich herab. Es stinkt nach Erde und Dung. Assi also hier. Schöner Scheiß!

Meine Mutter ist eine Kämpferin. Manchmal nennt sie sich im Scherz selbst so: Löwen-Mama. Und dann lachen wir alle, aber im Grunde lachen wir, weil sie recht hat. Als meine Schwester und ich noch klein waren, hat sie uns durchgeboxt, fünf Jahre lang. Morgens ist sie putzen gegangen, hier beim Supermarkt und beim Gartencenter um die Ecke, damit sie pünktlich nach der Schule wieder zuhause war, um zu kochen und nach unseren Hausaufgaben zu sehen. Nachmittags ging sie dann noch ins Büro, eine Stagehand-Firma, harte Jungs, Ex-Knackis und Bauarbeiter, mit denen sie sich rumschlagen musste. Da lernte sie zum Schluss auch Assi kennen. Eine Zeitlang schob sie dann noch Nachtschichten, in der Kugellagerfabrik, um genügend Geld für uns alle ranzuschaffen und die Schulden abzubezahlen, die uns mein Vater hinterlassen hatte.
Nachdem mein Vater abgehauen war, sagte meine Mutter, sie wolle nie wieder mit einem Mann zusammen sein. Nachdem sie Assi kennengelernt hatte, sagte sie, sie wolle nie wieder mit einem Mann zusammen sein, also, so richtig, mit Zusammenwohnen und Heiraten und all dem. Nachdem Assi zwei Jahre später bei uns eingezogen war, sagte sie, sie wolle nie wieder heiraten. Vom Tag seines Einzugs an stritten sie sich drei Wochen lang, bis Assi schließlich mit seinen Sachen im Kofferraum davonfuhr; und meine Mutter kniete heulend und schluchzend vor der Haustür, und sie sagte, das war’s jetzt, jetzt sei sie durch mit den Männern, endgültig. Das war letzten Sommer, und, klar, sie haben sich wieder vertragen, aber bei uns übernachtet hat Assi seitdem trotzdem nicht.

»Kartohns nicht zerreißen!«, ruft Herr Xie vorne an der Tür und schüttelt den Kopf. Hier unter dem Wellblech des Anbaus steht die Hitze, und obwohl ich ohne T-Shirt arbeite, läuft mir der Schweiß den Rücken hinunter. Herr Xie ist der älteste Paket-Zerkleinerer und Regal-Einräumer, den es hier gibt, und wenn der Filialleiter nicht da ist, auch unser Vorarbeiter. Niemals hätte mir das meine Mutter durchgehen lassen, dass ich erst Scheiße baue, vier Wochen vom Unterricht suspendiert werde und dann noch auf der faulen Haut liege. Ich habe alle möglichen Supermärkte in Schweinfurt abgeklappert, aber der Kaufland war der einzige, der mich kurzfristig einstellte. Die meiste Zeit stehe ich hier im Anbau bei den Mülltonnen und zerreiße für fünf Euro die Stunde Pappkartons und Bananenkisten, oder ich fülle mit der Studentin und dem Downy Regale auf: Zahnpasta, Dosenravioli und Toilettenpapier. Manchmal brauchen sie mich auch bei den Getränken, dann schleppe ich Bierkisten hin und her und überlege mir dabei, wie einfach es doch wäre, ein paar Flaschen durch den Aufenthaltsraum mit nach draußen zu schmuggeln.
Jetzt kommt Herr Xie herübergelaufen, er steckt sich auf halbem Weg eine Zigarette an und lässt sie gleich zwischen den Lippen hängen.
»Kartohns fahlten«, sagt er, nimmt mir meine halb zerrupfte Joghurt-Palette aus der Hand, löst die Verklebungen an den Ecken und faltet das Teil anschließend sorgfältig zusammen.
»Aber anders geht viel schneller«, sage ich und schnaufe.
»Ah«, macht Herr Xie, »schnehll nicht immer gut. Lieber ordentlich als schnehll«, sagt er. »Klar?«
»Klar«, sage ich, und dann ziehe auch ich mir eine Zigarette aus der Hosentasche und stecke sie mir zwischen die Lippen. Kurz warte ich darauf, dass er irgendwas sagt: Dass er rumschreit oder flucht, oder, ja, mich sogar feuert; aber dann lächelt er bloß, hält mir Feuer hin, dreht sich um, läuft wieder vor, zur Tür und beginnt, irgendein Lied vor sich hin zu trällern. Herr Xie hat oben auf dem Schädel eine Glatze und hinten am Haarkranz einen Pferdeschwanz. Ich habe noch nie einen Mann wie Herrn Xie gesehen.

Nachmittags mache ich früher Schluss, weil der Filialleiter meint, ich hätte die Woche schon genug Stunden, da gäbe es irgendein Gesetz. Er fragt mich, ob ich ein Bankkonto hätte, und als ich den Kopf schüttle, winkt er mich in sein Büro, und zehn Minuten später habe ich so viele Fünf-Euro-Scheine in der Hand wie noch nie. Kurz muss ich an meinen Vater denken; und auf einmal ist da so ein Hauch von Verständnis in mir: Die ganzen Scheine, das viele Geld, und was man alles damit anstellen könnte. Er sitzt jetzt sicherlich irgendwo an einem schönen Ort, mein Vater, ich weiß nicht wo, aber auf jeden Fall mit tausendmal so vielen Scheinen wie ich sie jetzt habe; – Holland, hat meine Mutter mal gemeint, er hätte sie angerufen, aus Holland, und er hätte nach uns gefragt, und er hätte noch ’ne Menge andere Dinge gesagt, aber was genau, das sagte sie nicht. Ich weiß nicht, ob ich oft an meinen Vater denke. Manchmal. Als Assi letzten Sommer auszog und ich kurze Zeit Bange um meine Mutter hatte, dass sie wieder wird, dass sie das nicht bricht, da musste ich an meinen Vater denken. Und manchmal, wenn ich mich im Spiegel ansehe, da frage ich mich, ob er auch so ausgesehen hat, früher, als er so alt war wie ich, ob da dieselbe spitze Nase oder eine ähnlich dicke Lippe in seinem Gesicht hing. Manchmal frage ich mich, ob das vererbbar ist, ob es vererbbar ist; ob ich mal genauso werde wie er, ob da irgendwas in mir steckt, was auch in ihm steckte, als er jung war.

Draußen steht die Hitze, drückend und schwer. Die Sonne hängt weit oben im Himmel, heiß und orange brennt sie auf mich herab, und ich schiebe mein Fahrrad vom Kaufland-Parkplatz, vorbei an Autos und Müttern mit Einkaufswägen. Es ist kurz nach zwölf Uhr, und als mir ein paar Kids in meinem Alter entgegenlaufen, mit Caps und East Packs, blicke ich instinktiv weg, obwohl meine Schule gar nicht hier in der Nähe ist. Weiß auch nicht, was das soll, vor was ich Schiss habe. Vielleicht davor, dass sie mich erkennen und lachen, weil ihnen diese ganze scheiß Geschichte wieder einfällt.
Ich überquere die Hauptstraße, und dann schiebe ich das Fahrrad noch ein Stück weit an den Gleisen und Güterzügen entlang, die links hinter dem Maschendrahtzaun liegen. Ich kann das Dach und die oberen Stockwerke des Hauptbahnhofs sehen, ein paar hundert Meter die Straße aufwärts, hinter Wohnhäusern und leerstehenden Industrie-Komplexen.
Weiter vorne schließe ich das Rad ab, steige über die hüfthohe Backsteinmauer, laufe einen kurzen Gang entlang, und dann stehe ich plötzlich direkt an den Gleisen. Keine Ahnung, was das früher mal für ein Gebäude war, aber auf jeden Fall ein geiler Spot, mit den ganzen Zügen, die direkt vor einem fahren. Der Schottersteinplatz vor den Gleisen ist voller Plastik, Scherben und Spritzen, aber auf der Laderampe der Hinterseite des Gebäudes kann man fett sitzen, wie auf einem Thron, zwei Meter über dem Boden, mit Blick auf den Zügen. Eigentlich will ich bloß ungestört mein Bier trinken. Ich hab doch eins gerippt, in meinem Rucksack durch den Aufenthaltsraum. Ich ziehe die Flasche heraus und halte sie in der Hand, betrachte das Etikett. Roth Bier. Ob das bei ihm auch so anfing, bei meinem Vater, ich meine, das mit dem Klauen? Der Psychologe sagt, Klauen ist bloß eine andere Art von Aggression. Er sagt, wenn ich dem jetzt nicht entgegensteuere, komme ich in noch größere Schwierigkeiten. Er sagt, ich könne froh sein, dass Herr Jahn von einer Anzeige absieht. Ich hasse den Psychologen. Ein langer Güterzug fährt im Schritttempo vorbei, mit grünen, roten, gelben Containern, es ist laut, die Bremsen quietschen.
Als ich halb ausgetrunken habe, läuft plötzlich so ein Kerl die Gleisen entlang. Er läuft am Rand auf dem Schotter, in meine Richtung. Ich glaube, er hat mich nicht gesehen. Er blickt auf die Güterzüge, die ein paar Gleise weiter geparkt sind, geladen mit Holzstämmen und Industrieteilen. Der Typ ist in meinem Alter, trägt weite Hip-Hop-Klamotten und hat die Haare so kurz rasiert, dass ich die Kopfhaut hindurchschimmern sehe. Seine Gesichtszüge sind knochig und kantig, und ich kann mir gut vorstellen, welches Gesicht er als Mann einmal tragen wird. Er ist sehr blass, viel zu blass für den Sommer. Er hat irgendwas auf der rechten Backe, aber was genau, dafür ist er zu weit weg. Jetzt blickt er zu mir, hoch auf meinen Thron, und schaut aber gleich wieder weg, auf die Züge. Seine Hände stecken in seinen Hoodie-Taschen, und er hat diesen wippenden, schwebenden Gang drauf, als ob er Musik mit entspannten Beats hören würde. Als er vor mir steht, blickt er wieder hoch zu mir.
»Hi«, sagt er.
Ich hebe die Hand und sage: »Peace.«
»Krieg ich ’nen Schluck?« Er nickt auf das Bier. Das Teil an seiner Backe, es ist rund wie ein Zwei-Euro-Stück, rot und vernarbt. Ich reiche ihm die Flasche runter, er trinkt, blickt wieder vor zu den Gleisen und stöhnt: »Ah!«
Als er mir das Bier hochreicht, blicke ich ihm in die Augen, und sie sind grün und stechend, wie das Glas der Flasche.
»Kommst nich’ von hier, oder?«, sage ich. Er schüttelt den Kopf.
»Virginia«, sagt er und blickt wieder auf die Züge. »Vor zwei Wochen erst wieder hergezogen«, sagt er. Als er sich umdreht und meinen Blick sieht, lächelt er. »Virginia is’ in Amerika«, sagt er.
»Weiß ich«, sage ich und pule an der Flasche herum.
»Mein Dad is’ bei der Army«, sagt er. »Falludscha. Da isser jetz’ wieder. Haddschis knallen und so.« Er zieht eine Hand aus dem Hoodie, formt mit Zeigefinger und Daumen eine Pistole und drückt ab. »Boom!« Er lacht und sieht mich an. »Wenn ich achtzehn bin, geh ich da auch hin, zur Army«, sagt er und sieht wieder auf die Gleise. »Aber davor muss ich hier weg, man, einfach abhauen, weißt du.«
Jetzt dreht er sich um, zu mir, zieht eine Schachtel Luckies aus der Hosentasche und hält sie mir hin. »Und du?«, sagt er, »was is’ mit dir? Biste von hier?«
Ich schüttle den Kopf, picke mir eine Zigarette heraus.
»Bergrheinfeld«, sage ich, »bin bloß zum Arbeiten da.«
Er nickt, hält sich die Schachtel an den Mund und zieht sich mit den Lippen eine Kippe heraus.
»Nix Schule?«, sagt er.
»Suspendiert«, sage ich. Er lacht.
»Geil, was haste gemacht?« Jetzt springt er die Laderampe hoch, mit der Kippe im Mund, hält sich mit den Händen an der Kante fest und zieht sich hoch.
»Lehrer geschlagen«, sage ich, hole mein BIC-Feuerzeug aus dem Rucksack und gebe uns beiden Feuer. Er raucht und beäugt mich.
»Wieso?«, sagt er.
Ich lache auf und schüttle den Kopf, schaue runter auf die Kieselsteine und auf all den Müll und das Plastik. »Is’ egal«, sage ich.
Er nickt, und einen Moment lang sind wir stumm, dann hält er mir plötzlich die Hand hin und sieht mich grinsend an.
»Greeny heiß’ ich übrigens«, sagt er, und ich schlage ein und sage: »Costa.«
Ich nehme einen großen Schluck, reiche ihm das Bier rüber und sage: »Mach leer.«
Greeny setzt an und zieht den Rest der Flasche in einem großen, endlosen Schluck in sich hinein. Als er absetzt, rülpst er und streicht sich über die Lippen. Ich fange an, richtig zu lachen, weil Greeny so verdammt lange und laut rülpst. Das Bier macht mich benebelt, schwindelig.
»Wie alt bist du?«, frage ich.
»Fünfzehn. Du?«
»Vierzehn. Fünfzehn im September.«
Greeny nickt. »Haste noch mehr davon?«, sagt er, hält die Flasche in der Hand und blickt auf meinen Rucksack. Ich schüttle den Kopf.
»Nee«, sage ich, »bloß das eine. Is’ schwer, hier was zu kriegen, ohne Ausweis«, sage ich.
»Ich kann’s probieren«, sagt Greeny und sieht mich an.
»Deine Stimme«, sage ich und Greeny grinst.
»Ja«, sagt er, »die halten mich an Telefon immer für meinen Dad, seitdem die so is’.«
Greeny greift sich in die Hosentasche und zieht ein paar Münzen heraus. »Hab noch ’n paar Euro. Du?«
Ich greife in meine Hosentasche, und als Greeny all die Scheine sieht, reißt er die Augen auf und sagt: »Alter, hast du ’ne Bank gecrasht oder was?«
Ich grinse, drücke ihm einen der Fünfer in die Hand und sage: »So ähnlich.«
»Also«, sagt er, steckt das Geld in die Hoodie-Tasche und nickt mir zu, »Bier?«
Ich nicke.
»Bin gleich wieder da«, sagt Greeny, und als er vom Thron springt und über die Schottersteine vor zum kleinen Gang läuft, blicke ich ihm hinterher – und ich denke an Michi und an Artur und an Zet, und an all meine anderen Kumpels, und ich frage mich, was sie wohl gerade tun, und ob sie noch lachen, über mich, ob sie noch manchmal an diese Sache denken, und ob sie sich dann auf die Schultern klopfen und Tränen lachen und: »Psycho!« schreien; klar, sie sind meine Kumpels, und sie haben mir geschrieben, als sie zum See oder zu McDonald’s gefahren sind – und ich habe keine Angst vor ihnen, ich komme damit schon klar; aber ich kann sie einfach noch nicht sehen, noch nicht jetzt.

»Einfach abhauen«, sagt Greeny. Wir sind beim dritten Bier und eine rote Regionalbahn schiebt sich langsam vor uns in Richtung Hauptbahnhof. Ich kann die Leute darin sehen, hinter den Scheiben: Ein kleiner Junge blickt mich an, und eine Frau mit Kopftuch steht hinter ihm und streicht ihm über den Kopf.
»Aber wohin?«, sage ich.
»Is’ doch egal«, sagt Greeny, »einfach weg. Mein Onkel Collin is’ mit dreizehn abgehauen, von zuhause. Sie hatten diesen schlimmen Dad, mein Vater und Collin, hat sie richtig verprügelt immer. Einmal hat er ihm mit dem Bügeleisen auf den Kopf gehauen, wegen irgend ’nem Scheiß, weil er irgend ’nen Kugelschreiber nicht wieder zurückgelegt hat oder sowas. Er war dann zwei Wochen lang wie weg, hat mir mein Onkel erzählt, war nur im Bett gelegen und hat vor sich hingedämmert. Und als er wieder klar war, mein Onkel, da isser aufgestanden, rausgegangen und nie wieder zurückgekommen. Is’ einfach auf den nächsten Zug gesprungen, hinten auf die Ladefläche, und weg war er. Mein Onkel hat mir genau erklärt, wie man das macht, trainhopping meine ich. Macht in den Staaten jeder, is’ schon fast Kultur.«
Greeny nippt an der Flasche, dann lächelt er. »Der Trick ist, dass du dir ’n gutes Plätzchen ausguckst, wo man sich gut festhalten kann und nicht so viel Wind in die Fresse bekommt. Und, dass man nicht zu früh und nicht zu spät draufsteigt, weil einen dann die staffs kriegen können, oder du zu schnell rennen musst und das Risiko zu groß ist, dass du stolperst und auf die Gleise fällst.«

Als ich später nach Hause fahre, fühlt sich alles warm und weich und leicht an. Greeny lacht, weil’s ihn im Gehen fast auf die Schnauze legt, weil er selbst keine drei Meter mehr geradeaus laufen kann. An der Hauptstraße checken wir ein paar Mal miteinander ein, dann schlendert er mit den Händen im Hoodie und der Kapuze über dem Kopf die Straße hoch Richtung Bahnhof, und ich schließe das Fahrrad auf und fahre Richtung Brücke. Die Sonne neigt sich zum Horizont, zu den Dächern und den Äckern, die ich jetzt in weiter Ferne draußen vor der Stadt erkenne. Als ich die ersten Meter fahre, weht mir eine lauwarme Brise ins Gesicht, und es riecht nach Autoabgasen, nach heißem Asphalt.

Draußen vor der Haustüre höre ich sie schon, Assi und meine Mutter. Ich bleibe kurz auf den Treppenstufen stehen, mit dem Schlüssel in der Hand, aber ich kann nicht sagen, ob sie streiten oder sich bloß laut unterhalten. In meinem Kopf herrscht so ein Chaos. Ich bin zweimal fast gegen den Bordstein gefahren, hab das letzte Stück geschoben. Ich bin müde und fühle mich leer, und gleichzeitig brennt da eine Wut in meinem Bauch, aber ich weiß gar nicht, gegen wen oder was. Ich spucke auf den Boden. Als ich die Haustür öffne, läuft der Fernseher, die Wohnzimmertür ist angelehnt. Ich ziehe meine Schuhe aus und will die Treppe hochschleichen, aber dann ruft Assi: »Hey!«
Ich bleibe stehen.
»Komm mal!«, ruft er.
Als ich hereinkomme, sehe ich ihn auf der Couch liegen, mit übereinandergeschlagenen Beinen und den Händen hinter dem Kopf verschränkt. Er trägt eine rote Cap.
»Wo kommst’n du jetzt her?«, sagt er und blickt nicht vom Bildschirm weg. Es läuft Fußball, eine angerissene Packung Flips neben ihm.
»Arbeit«, sage ich.
»Ach ja«, sagt er. Dann: »Die Bayern spielen. Alter!«, ruft er plötzlich, springt auf und schlägt die Hände zusammen. »Haste das gesehen?«
Ich setze mich neben ihn, nehme ein paar Flips.
»Nee«, sage ich.
»Der Lucio, der Dreckskerl!«, sagt er und grinst aufgeregt.
»Wo is’n die Mutter?«, sage ich, nehme mir noch ein paar Flips und schaue auf das Spiel.
»Arbeitet länger«, sagt er. Wir sehen auf den Bildschirm: Die Bayern führen, drei eins.
»Sag mal«, fängt er schließlich an, und ich spüre ein paar Sekunden lang seinen Blick von der Seite, mich musternd. »Bist du besoffen?«
»Ich bin nich’ besoffen.«
»Alter!« Er schüttelt den Kopf, ich sehe es aus dem Augenwinkel. Einen Moment blicken wir beide wieder auf das Spiel, dann sagt er: »Du bist so dumm«, und atmet tief ein.
»Danke«, sage ich.
»Du stinkst wie ’ne halbe Kneipe«, sagt er. »Was is’ eigentlich los mit dir?«
Als ich nach oben gehe, in mein Zimmer, ruft er mir hinterher: »Du bist tot, weißt du das? Wenn das deine Mutter rauskriegt, bist du tot!«
Oben schließe ich die Tür ab und lege mich aufs Bett. Ich heule. Ich weiß auch nicht, wieso. Die Tränen laufen mir heiß die Wangen hinunter. Als ich ein paar Minuten später fertig bin, drehe ich mich auf den Rücken und schalte den Ventilator auf meinem Nachttisch an. Ich stecke mir eine Zigarette zwischen die Lippen. Draußen wird es langsam dunkel, Grillenzirpen dringt durch mein offenes Fenster herein, ein Auto fährt vorbei, die Wolken am dunkelblauen Himmel leuchten in einem unwirklichen Rosa. Ich sehe dem Rauch meiner Zigarette hinterher, wie er vom Wind des Ventilators aufgelöst und auseinandergerissen wird, und wie er langsam in Richtung des Fensters zieht. Ich denke an Containerzüge und an weit entfernte Orte, und dann denke ich an Holland und an Herrn Xie, und ich stelle mir meinen Vater vor, wie er mit Anzug durch die Straßen läuft, und wie er eines Tages auf einen Zug springt, im Anzug, und erst in Schweinfurt wieder absteigt; und er trägt einen Koffer voller Geld mit sich, und er zeigt mir das Geld, und als ich es sehe, lachen wir beide, und plötzlich ist da so ein Gefühl in mir, dass nichts mehr wichtig ist, dass all meine Sorgen vergessen sind.

Am nächsten Morgen wache ich auf, weil ich meine Mutter heulen höre. Sie sitzt draußen im Hof, am Plastiktisch, mit meiner Schwester und deren bescheuertem Freund Toni – das alles sehe ich, als ich mich auf die Bettkante setze und noch halb verschlafen nach draußen blicke. Mein Kopf dröhnt und mein Mund ist unendlich trocken.
Unten in der Küche steht alles voller Umzugskartons. Ich schlängle mich zur Kaffeemaschine, schenke mir eine Tasse ein, und als ich noch im Türrahmen zum Hof stehe, werfen mir Toni und meine Schwester schon diesen Blick zu. Toni trägt wieder sein blaues Polo-Shirt, die kastanienbraunen Haare nach hinten gegelt, und mit dem Zeigefinger schwenkt er seinen Autoschlüssel herum. Er und meine Schwester wohnen jetzt ein Dorf weiter, und manchmal sehe ich die beiden ohne Verdeck über Landstraßen brettern, oder meine Schwester mit dieser Angeberkarre zum Einkaufen fahren. Mit sechzehn hat sie die Schule abgebrochen, war nur in Clubs unterwegs und schleppte tonnenweise Typen mit nach Hause, und jetzt ist sie zweiundzwanzig, Anwaltsgehilfin, und seit einem dreiviertel Jahr mit Toni zusammen. Sie alle sitzen schweigend am Gartentisch, meine Mutter schluchzend neben meiner Schwester, mit dem Rücken zu mir, und jeder mit einer brennenden Zigarette in der Hand.
»Das wird schon«, sagt meine Schwester zu Mutter und streicht ihr über das Bein.
»Sagt mal«, sage ich, und jetzt sehen alle zu mir, auch meine Mutter dreht sich um. »Was sollen denn die ganzen Kartons da in der Küche?«
»Asi zieht wieder ein«, sagt meine Schwester trocken, und meine Mutter nickt, und ihre Augen sind verheult und ihr Gesicht errötet.
»Und das ist nicht gut oder was?«, sage ich, mit der Kaffeetasse in der Hand.
Meine Schwester sagt: »Doch«, sieht zu meiner Mutter und streicht ihr wieder über das Bein. Mutter zieht an der Zigarette, fährt sich durch die Haare und atmet tief ein und aus. »Ist alles gut, Costa«, sagt sie zu mir.
»Sieht aber nicht so aus«, sage ich, und dann atmet meine Mutter wieder tief ein und zieht an ihrer Kippe.
»Doch«, sagt meine Schwester, »du verstehst das bloß nicht.«
Und genau so ist es: Ich verstehe es nicht.

Greeny kommt eine halbe Stunde zu spät, aber das macht mir nichts. Wir treffen uns wieder bei den Güterzügen, hinten an der Laderampe. Ich schwitze, die Sonne brennt von oben herab, und ich sehe Greeny die Gleise entlang laufen, diesmal mit Chicago Bulls-Cap, grauem, weitem Hip-Hop-T-Shirt und einem tarnfarbigen Army-Rucksack auf dem Rücken. Greeny grinst übertrieben, als er auf mich zuläuft, und als er schließlich vor mir steht, und wir ein paar Mal miteinander eingecheckt haben, sagt er: »Man, ich hab da so ’ne richtig krass schlechte Idee.«
»Was meinste?«, sage ich.
»Sag einfach: Hast du Schiss?«, sagt er und grinst noch immer.
»Vor was?«, sage ich.
»Sag einfach«, sagt er. »Hast du Schiss?«
Ich schüttle den Kopf. »Hab ich nicht«, sage ich, und jetzt nickt er, beäugt mich und spuckt auf den Boden.
»Guter Mann«, sagt er, zieht sich aus der Hosentasche eine frische Packung Luckies heraus, reißt das Plastik und die Alufolie ab und hält mir die Schachtel hin. Ich greife zu, dann steckt sich auch Greeny eine Kippe an, grinst und nickt in Richtung Gang und Hauptstraße.
»Dann komm mal«, sagt er rauchend. »Ich zeig dir was.«

Wir laufen über den Kaufland-Parkplatz, immer wieder die Parkreihen auf und ab, bei voller Hitze. Ich denke an Herrn Xie, der irgendwo hier gerade seine Runden zieht, und ich denke an seine Glatze und den Pferdeschwanz; und dann denke ich an meine Mutter, daran, wie sie mich angesehen hat, vorhin im Garten, und an die Art, wie sie geheult hat.
Wir laufen weiter über den Parkplatz, ich spüre mein T-Shirt langsam an meiner Brust kleben, meine Hände schwitzen – aber Greeny lässt sich nicht aus der Ruhe bringen: Immer wieder bleibt er stehen, und sein Blick schweift über die Weite des Platzes und über einzelne Fahrzeugkarosserien in unserer Nähe.
»Alter«, sage ich nach zehn Minuten und stöhne. »Was machen wir hier?«
»Warte«, sagt Greeny. Wir gehen noch ein paar Meter, und schließlich bleibt Greeny stehen und schaut sich um; und instinktiv blicke auch ich mich kurz um: weit und breit bloß wir, Fahrzeuge und der heiße Asphalt.
Plötzlich quetscht sich Greeny zwischen diesen schwarzen Van und den verdellten, alten, blauen Ford, der vor uns parkt. Als Greeny neben der Fahrertür des Fords steht, blickt er gebückt durchs Fenster in den Innenraum; er scheint irgendwas zu suchen, mit den Händen links und rechts abschirmend an sein Gesicht gedrückt.
»Bingo«, sagt er und blickt kurz zu mir, aber nicht grinsend oder lächelnd. Er geht in die Knie, hievt den tarnfarbigen Rucksack vor sich auf den Boden, schnürt ihn auf und kramt darin herum.
»Alter«, sage ich, und mein Herz beginnt stark zu schlagen. »Was machst du da?« Als Greeny nicht reagiert, zische ich: »Du kannst hier nichts machen! Lass wieder zurückgehen!« Und dann schiebe ich hinterher: »Ich arbeite hier!«, und sage das lauter als gewollt – ich drehe mich einmal um die eigene Achse, halte Ausschau, ob das jemand gehört hat.
Greeny kniet noch immer neben dem Ford und blickt mich plötzlich fragend an. »Du arbeitest hier?«, sagt er. »Als was?«
Ich denke kurz nach, dann sage ich: »Kartonzerreißer.«
Greeny lacht auf, schüttelt den Kopf, dann zieht er eine Schnur aus dem Rucksack und fingert mit ein paar flinken Handbewegungen so eine Art Schlaufe mit Knoten in ihrer Mitte.
»Alter!«, zische ich und blicke wieder um mich. Ich spüre einzelne Schweißtropfen meine Stirn herunterrinnen, sie kitzeln. »Bitte mach nix!«
»Relax«, murmelt Greeny, noch mit dem Blick auf die Schlaufe und die Schnur, an der er herumzupft. »I’m not doing anything«, sagt er. »Das is’ mein Wagen, okay? Hab ihn hier vergessen, das is’ alles. Entspann dich, calm down.«
Ich fahre mir durch die Haare, blicke nach links und nach rechts. Da sehe ich plötzlich diesen Mann in unsere Gasse biegen: kurzärmliges Hawaiihemd, Shorts, Einkaufswagen in den Händen.
»Was machst du da?«, sage ich, tripple herum und blinzle zu Greeny: Der steht an der Fahrertür, mit der Schnur gespannt zwischen seinen Händen, und er schleift mit der Schnur so komisch an der oberen Ecke der Ford-Fensterscheibe hin und her – und plötzlich ist sie drin, die Schnur. »Da kommt einer«, zische ich, »dreißig Meter, in unsre Richtung!«
»Relax«, sagt Greeny konzentriert; und er schleift die Schnur weiter hin und her, gleitet die geschlossene Fensterscheibe mit ihr herab, der Großteil der Schnur mitsamt der Schlaufe im Innenraum, bloß die Enden in seinen Händen.
»Zwanzig Meter«, sage ich, und mein Mund ist staubtrocken, meine Beine kribbeln – ich stelle mir vor, wie ich wegrenne, die Hauptstraße entlang, dann zu den Gleisen, verstecken – da sehe ich aus dem Augenwinkel Greeny das eine Ende der Schnur kerzengerade hochziehen, gefolgt vom Klacken der Türverriegelung. Der Mann ist jetzt keine zehn Meter mehr von uns entfernt: Er schaut mich komisch an – er beäugt mich, während er den Einkaufswagen schiebt: Sein Blick wandert von meinen Sneakern über meine abgeschnittene, kurze Jeans bis hoch zu meinem schwitzenden Gesicht.
»Also?«, höre ich Greeny sagen, »kommst du?«
Und gerade, als der Mann an mir – an uns – vorbeiläuft, drehe ich mich zu Greeny um: Und der steht grinsend in der geöffneten Autotür, mit einem Bein im Innenraum und den Arm lässig über den Türrahmen gelehnt.

»Du hast ’n Auto geknackt!«, sage ich. Ich sitze auf dem Beifahrersitz, mein Herz trommelt und meine Beine zittern, aber trotzdem muss ich loslachen. »Du bist irre!«, sage ich.
Greeny sitzt auf dem Fahrersitz und kramt in seinem Rucksack herum. Er scheint gar nicht aufgeregt zu sein, und ich balle meine Fäuste, beiße die Zähne zusammen. Ich blicke in den Rück- und Außenspiegel: keine Menschen.
»Meine Mom hatte den gleichen«, sagt Greeny schließlich und zieht einen Schraubenzieher aus dem Rucksack. »Hier, halt mal«, sagt er. »Auf jeden Fall hat sie ständig die Schlüssel verloren, meine Mom, drüben in South Hill noch, und irgendwann mussten wir das Teil immer so aufmachen.«
Ich nicke, mit dem Schraubenzieher in der Hand, meine Beine sind butterweich. Ich sage: »Was machst du da?«
Greeny blickt mich an, zieht einen Hammer aus dem Rucksack und sagt: »Die Karre ankriegen, or what yoar thinkin’?«
Er wirft mir ein Lächeln zu, aber es wirkt nervös, dann setzt er den Schraubenzieher am Schlüsselschlitz an und schlägt ein-, zweimal mit dem Gummihammer darauf – ein dumpfes Bam, Bam durchfährt das Auto, aber nicht laut. Ich blicke in den Rückspiegel, balle wieder meine Fäuste – aus irgendeinem Grund muss ich ganz schön grinsen. Eine Frau läuft hinter uns Hand in Hand mit ihrem Kind vorbei, ich ziehe den Kopf ein, rutsche den Sitz hinunter, Greeny folgt sofort meinem Beispiel.
»Weg?«, sagt er und wir linsen beide hoch in den Rückspiegel. »Weg«, sage ich. Wir rutschen wieder in unsere Sitze zurück, und Greeny setzt wieder am Zündschloss an – er hämmert drei-, viermal mit voller Wucht auf das Ende des Schraubenziehers, und plötzlich macht es Klack!, und der vordere Teil des Metalls steckt tatsächlich im Schlitz. Greeny blickt in den Rückspiegel, dreht den Schraubenzieher langsam um, der Motor stottert und ächzt – und schließlich springt er an: Ich höre sein gleichmäßiges Rattern, spüre den Fußboden und die Karosserie vibrieren.
»Voilà«, sagt Greeny, blickt in den Rückspiegel und legt mit dem großen Knüppel zwischen uns einen Gang ein. Ich lache, schüttle den Kopf und sage: »Alter! Du kannst doch kein Auto klauen!«
Greeny sagt: »Keiner klaut hier was.« Er blickt noch in den Rückspiegel, parkt aus, ich halte mich am Türgriff fest. Er sagt: »Just two guys borrowing a ride«, und ich beginne, richtig zu schwitzen – besser gesagt: zu lachen und zu schwitzen: »Alter, kannst du überhaupt fahren?«, sage ich noch, und als wir eine Minute später vom Kaufland-Parkplatz auf die Hauptstraße biegen, lachen und schreien Greeny und ich schon so irre, dass ich glaube, gleich den Verstand zu verlieren. Und, es ist komisch: Aber ich habe nicht das Gefühl, ein Auto geklaut zu haben: Es kommt mir eher vor, als hätten Greeny und ich uns da etwas zurückgeholt, von dem wir lange Zeit vergessen hatten, dass es auf eine Art uns gehörte.

Wir fahren ein Stück die Hauptstraße entlang, am Bahnhof vorbei, dann links über die alte, dreispurige Europa-Brücke: Links unter uns sehe ich die Güterzüge, die Waggons, rote Regionalbahnen; und rechts der Brücke die Industrie, die riesigen, grauen Fertigungshallen von SACHS, das blau leuchtende Banner von SKF, neben Fabrikschloten und gewaltigen Mitarbeiter-Parkplätzen.
»Geil oder?«, sagt Greeny, kurbelt das Fenster auf und streckt seinen Kopf kurz in den Wind. Meine Hände zittern, und da ist wieder dieses aufregende Gefühl in mir; und die Fabrik, die Lagerhallen, das gezogene Auto – ich grinse, schalte das Radio ein, ich schwitze am ganzen Körper – klar muss ich an meinen Vater denken; klar muss ich daran denken, was er abgezogen hat; hat er sich genauso gefühlt? War da dasselbe Gemisch aus Euphorie und Angst in ihm? Ich war sieben, als er diese Sache abgezogen hat – und er war verschwunden, von einem Tag auf den anderen. Ich hab ihn seitdem nie wieder gesehen. Manchmal, als Kind noch, da hab ich mir eingebildet, er würde uns besuchen kommen wollen, aber würde sich bloß nicht in unser Haus trauen; und dann habe ich nachts aus meinem Fenster gesehen, auf die andere Straßenseite, auf die Wiese dort, ob er da steht und auf irgendetwas wartet, irgendetwas austüftelt, so wie er immer irgendetwas ausgetüftelt hat. Manchmal, nach der Schule oder in der Stadt, hab ich mir eingebildet, ihn zu sehen, irgendwo in Menschenmengen, auf der Straße.
Ich glaube, er hat mir Briefe geschrieben. Meiner Schwester vielleicht nicht, aber mir. Klingt böse, aber das glaube ich wirklich. Sie ist einfach so sehr wie Mom; er sagte immer: Das Leben ist wie ein Fluss. Man muss sich treiben lassen. Er konnte sich stundenlang Zeichentrickserien mit mir ansehen, hat mit mir auf der Couch zusammen Tränen gelacht, wenn Tom und Jerry sich irre Verfolgungsjagden mit den verrücktesten Tricks geliefert haben. Mein Vater kam mir immer so vor, als würde er auf irgendeine Art schweben; schwer zu sagen, wieso. Da war etwas an seinem Gang, an seiner Art zu reden und an seinem Lachen, und sogar an der Art, wie er sich streckte und gähnte. Manchmal war er auch ganz anders. Ernst, nachdenklich. Stand stundenlang am Fenster, aß Zuckerschlangen und schaute in den Regen. Meine Mutter sagt, er konnte nie mit Geld umgehen. Hatte immer irgendwelche Ideen: Aktien, Taxiführerschein, T-Shirt-Versand. Ich weiß nichts Genaues, aber ich glaube, zum Schluss hat er sich irgendwo ’ne Menge Geld geliehen. Wollte wieder irgendwas aufziehen, irgend ’ne irre Idee. Was Mom davon gehalten hat, is’ ja wohl klar. Ob er es ohne sie geschafft hätte? Ob er es ohne uns geschafft hätte? Jedenfalls war sie es, die ihn dazu überredet hatte, in dem Lager anzufangen: ’n Haufen technischer Geräte soll’s da gegeben haben: Handys, Laptops, Festplatten. Selber schuld, denke ich mir immer. Einen wie ihn steckt man nicht in ein Lager.
»Hey«, sagt Greeny plötzlich, und ich zucke zusammen. »Alles klar bei dir?«
Ich ertappe mich dabei, die letzten Minuten stillschweigend aus dem Autofenster gestarrt zu haben. Die Sonne brettert durch die Glasfenster herein, Hitze strahlt vom Armaturenbrett. Die Karosserie vibriert, der Motor dröhnt, irgendein Classic-Rock-Song jault aus dem Radio. Greeny sitzt grinsend neben mir, mit einer Sonnenbrille auf der Nase. Wir sind schon ein Stück raus aus der Stadt, auf der Landstraße: Links und rechts neben uns Bäume, Wiesen, erdige und blühende Äcker: Der Geruch von Dung, Gräsern und Abgasen zieht herein.
Ich grinse zurück und sage: »Yeah. Alles cool, Bro.«
Wir stecken uns beide eine Zigarette an, Greeny fährt mit dem linken Ellbogen im geöffneten Fenster gelehnt.
»Dude«, sagt er, »so müsste’s sein.«
»Was meinst du?«, sage ich.
»Freiheit«, sagt er.
»Ja«, sage ich. Wir sitzen kurz still nebeneinander, bloß das Radio und der Motor in unseren Ohren. Greeny blickt ernst auf die Straße, durch die Windschutzscheibe. Ich sehe dieses komische Ding an seiner Backe; rund wie ein Zwei-Euro-Stück sieht es aus, vernarbt. Ich überlege, ihn zu fragen, tu’s aber nicht. Kurze Zeit später schaut er auf die Zeitanzeige des Autoradios und sagt: »Shit, wir müssen zurück.«
»Wohin?«, sage ich.
Ein Dorf taucht vor uns auf, und plötzlich blinkt Greeny, bremst langsam ab. Wir halten direkt vor dem Ortsschild. Die linke Hand hat er am Lenker, die rechte am Schaltknüppel. Er sieht durch die Windschutzscheibe nach draußen, knabbert sich auf der Unterlippe. »Wir könnten auch weiter«, sagt er.
Einen kurzen Moment weiß ich nicht, was ich darauf antworten soll, dann blickt mich Greeny an und sagt: »Bis nach Spanien.«
»Nach Spanien?«
Er zuckt mit den Schultern, dann grinst er. »Why not«, sagt er, »Sonne, Strand. Das Leben genießen. Und in ’n paar Jahren dann zur Army«, sagt er.
»Nicht dein Ernst, oder?«, sage ich. Ich fahre mir durch die Haare, lache kurz auf. Alles hinter sich lassen: Ich stelle es mir vor. Jetzt, sofort; nie wieder Assi, der Psychologe oder Herr Xie. »Das wär’ was«, sage ich.
Greeny sieht mich an, nachdenklich, ernsthaft; dann grinst er wieder, lacht, legt den Gang ein und wendet den Wagen.
»Wir müssen zurück«, sagt er.

Je näher wir der Stadt kommen, desto nervöser werde ich wieder. Ich denke mir: zwei Jugendliche am Steuer. Geklautes Auto. Unfall. Jugendknast. Ich fahre mir mit den Händen über die Beine, stecke mir eine Kippe an, vermeide den Blick rüber auf die Autos auf der Spur neben uns.
Wir fahren über die Europabrücke, und dann in ein anderes Viertel, Richtung Bergl: acht-, zehnstöckige Häusertürme tauchen vor und neben mir auf, eine Apotheke, ein Netto, ein Hauseingang, auf dem Abu-Bakr Moschee steht.
»Was wollen wir hier?«, sage ich.
»Warte«, sagt er.
Greeny biegt auf einen Parkplatz, dann hält er am Straßenrand fünf Meter vor der Apotheke. Zwei junge Mädchen mit Kopftüchern und langen Röcken laufen schnatternd auf dem Gehsteig an uns vorbei. Vor der Apotheke steht ein anderes Mädchen: Langes, braunes Haar hat sie, und sie wirkt auf eine zerbrechliche Art dünn. Mehr erkenne ich nicht. Als ich auf die Häuserfassade neben uns blicke, erkenne ich das Schild an der großen Holztür: Ärztehaus: Zahnärzte, Homöopathen, Psychiatrie und Psychosomatik. Greeny hupt, ich zucke zusammen, dann dreht sich das Mädchen vor der Apotheke zu uns um, Greeny winkt und sie kommt kopfschüttelnd angelaufen.
»Ich steig da nicht ein«, sagt sie, als sie neben Greeny an der Fahrertür steht. Sie hat die Arme verschränkt.
»Jetzt mach nicht so ’nen Affen«, sagt Greeny. Das Mädchen blickt sich um und schüttelt den Kopf; da ist etwas Seltsames, Aufgeregtes in ihrem Gesicht, an ihrem Blick.
»Ich fahr sicher«, sagt Greeny.
»Oh yeah«, sagt sie, »I know how yoar drivin’. Whose car is this?«
Und dann diskutieren sie irgendetwas, auf Englisch, ich verstehe es nicht; schnell sprechen sie, und als sie kurz das Volumen ihrer Stimmen voll aufgedreht haben, schaut sich das Mädchen wieder angespannt auf der Straße um, schüttelt den Kopf und steigt schließlich hinten ein.
»Mom’s gonna kill you«, sagt sie auf der Rückbank, noch mit den Armen verschränkt, und blickt kopfschüttelnd nach draußen.
»Oh yeah«, sagt Greeny grinsend, dreht wieder am Schraubenzieher und lässt den Motor aufknurren. »And death will be sweet.«

Abends sitzen wir alle am Esstisch im Wohnzimmer: Meine Mutter, meine Schwester, Toni und Assi. Meine Mutter kommt mit einer riesigen, dampfenden Auflaufform aus der Küche. Sie lächelt: ein echtes Lächeln. Assi trägt ein schwarzes Hemd und hat sich die Haare gegelt. Auch meine Schwester trägt Lippenstift und ein blaues, dünnes Kleid. Sie blickt mich von oben bis unten an: mein weites, graues Adidas-Shirt, und mit der Hand habe ich mir ein paar Mal durch die Haare gestriffen, jetzt stehen sie verschwitzt in alle Richtungen.
»Hättest dir ruhig mal was Anderes –«, fängt meine Schwester an, aber dann stellt Mom schon den Auflauf schnaufend auf den Tisch und sagt: »Heute Abend keine Streitereien, Klara, ja?«
Klara hebt Augenbrauen und Schultern an und zieht mit Daumen und Zeigefinger einen unsichtbaren Reißverschluss zwischen ihren Lippen zu.
»Dein Sohn«, sagt sie zu Mutter.
»So«, sagt Mutter, setzt sich lächelnd und sieht mich an. Ich denke mir: Löwen-Mama. Würde ich natürlich nie sagen, aber ich denke es.
»Ist doch einfach mal wieder schön, dass wir alle hier zusammensitzen«, sagt meine Mutter und lächelt uns an; mich besonders, habe ich das Gefühl.
»Ja«, sage ich, »wir.« Ich sehe auf meinen Teller, nicht zu Assi, aber er atmet sofort unnatürlich tief ein und kratzt sich an der Backe.
»Ja«, sagt meine Mutter, »wir.« Sie sagt: »Ihr habt’s ja schon alle gemerkt, aber ich wollt’s jetzt noch mal offiziell machen: Asi zieht wieder ein.« Sie lächelt und sie blickt mich an, und dann blickt sie zu Assi und lächelt ihn an. »Ist das für alle in Ordnung?«, sagt sie und blickt in die Runde. Alle schweigen, und ich blicke kurz auf meinen Teller, dann wieder hoch. Alle sehen mich an. Ich atme tief ein, dann sage ich: »Meinetwegen.«
»Super«, sagt meine Mutter, »dann können wir ja essen.«
»Ich verhunger gleich«, sagt Assi lächelnd, und meine Mutter nimmt grinsend den Nudelheber in die Hand und greift die erste Portion heraus.

Nach dem Essen bleiben alle im Wohnzimmer sitzen, rauchen und unterhalten sich. Assi, Toni und meine Mutter trinken ein Bier, meine Schwester ein Glas Wein. Sie lachen und reden über andere Erwachsene, und Assi ist schon beim dritten Bier, und spielt auf eine alberne Art einen Kollegen von der Arbeit nach. Meine Mutter lacht mit hochrotem Kopf, sie steigt darauf ein und sagt: »Ja! So isser! Genau so!«
Ich gehe hoch in mein Zimmer, lege mich aufs Bett und rauche eine Kippe. Natürlich bin ich mies drauf. Unten reden und lachen sie, und ich spüre wieder diese Wut in mir aufsteigen, gegen Assi, meine Mutter, die ganze Welt. Greeny schreibt mir. Er schreibt: wenn du chillen willst komm vorbei, hab ne überraschung.
Ich stelle den Ventilator an, rauche und antworte: muss schauen melde mich, und Greeny simst mir, wo er wohnt, gleich das haus neben der esso, schreibt er. Ich laufe hin und her, im Zimmer. Ich höre meine Mutter lachen, dieses krächzende Lachen, und werde plötzlich richtig sauer. Ich hasse ihre gute Laune, ich hasse diese ganze Veranstaltung da unten. Ich stecke mir die Zigarette zwischen die Lippen und mache ein paar Schläge und Kicks in die Luft, mein Herz pumpt, es tut gut.
Zehn Minuten später schleiche ich mich die Treppenstufen hinunter, nehme unten meine Schuhe in die Hand und trage sie mit vor die Tür. Es ist bereits dunkel, blauschwarz spannt sich der Himmel über mich, das Licht bei den Nachbarn brennt. Ich schließe die Tür leise hinter mir, ziehe mir meine Sneakers an und gehe über den Hof zu meinem Fahrrad, das an der Hecke lehnt. Als ich auf den Sattel steige, blicke ich noch ein letztes Mal zurück: auf das Haus, seine Umrisse. Fast kommt es mir anders vor in diesem Augenblick; wie etwas, das ich seit langer Zeit nicht gesehen habe, das ich irgendwie anders in Erinnerung hatte, und bei dem mir Details auffallen, die mir in all den Jahren, in denen ich hier gewohnt habe, vollkommen entgangen sind: Die kleine Maria-Figur in der Nische über der Haustür; die seltsame Holzverkleidung der Fenster im ersten Stock; die schiefe, verzogene Spitze des Daches. Auch bei uns brennen die Lichter, und jetzt höre ich meine Mutter lachen, dann Assis rauchig-nasale Stimme etwas erzählen. Ich gehe auf die Zehenspitzen und erkenne ihre Köpfe dort drinnen, am Esstisch. Es ist seltsam, aber für eine Sekunde habe ich das Gefühl, eine Ahnung all der Größe, all der Unendlichkeit der Welt zu haben; und wie unbedeutend und klein wir doch sind, wie wahllos zusammengewürfelt: vier Köpfe in einer Küche, in einem Wohnzimmer; und überall die Straße rauf brennen die Lichter, überall diese winzigen Menschlein, die die Köpfe zusammenstecken, ihr eigenes Universum bilden. Ein Kloß breitet sich in meinem Hals aus, als ich über all das nachdenke, und da ist dieses Gefühl, nirgends wirklich dazuzugehören. Ich denke an meinen Vater, und dieses Gefühl, auf eine Art zu ihm zu gehören, macht mich einerseits glücklich, andererseits wütend, ängstlich. Ich blicke ein letztes Mal durch das Fenster, dann fahre ich los.

»Schaust voll durch aus«, sagt Greeny, als ich vor seiner Haustür stehe. Ich schnaufe, atme schwer: sechster Stock, kein Aufzug. Ihre Wohnung liegt direkt neben der alten Esso-Tankstelle, zehn Minuten entfernt vom Bahnhof und drei Blocks von der Apotheke, an der wir Greenys Schwester abgeholt haben.
Ich sage: »Kann sein«, versuche zu lächeln und zucke mit den Schultern. Greeny blickt nach hinten in die Wohnung, dann legt er sich den Zeigefinger auf die Lippen und flüstert: »Leise, die Alte is’ noch da«, und nickt über seine Schulter. »Warte kurz«, flüstert er, »ich komm gleich.«
Greeny verschwindet, die Tür steht einen Spaltbreit offen; ich höre einen Fernseher laufen, deutsches Programm, es riecht nach Zigarettenrauch, nassen Klamotten und Hund: Und tatsächlich, als ich die Tür ein wenig aufschiebe, um besser sehen zu können, blicke ich plötzlich in die Augen eines Hundes: Ein Schäferhund, am Ende des Ganges; er sitzt da, angeleint in der Küche oder im Wohnzimmer, jedenfalls flackert das blaue, weiße und rote Licht des Fernsehers auf ihn; und ganz still sitzt er da, ohne sich zu bewegen, und blickt mich an. Der Gang ist eng und dunkel, Schuhe, Umzugskartons und ein vollbehangener Wäscheständer liegen zwischen mir und dem Hund.
»Alles klar«, sagt Greeny, steht plötzlich mit seinen Schuhen in der Hand wieder vor mir und sieht mich an. »Kann losgehen, all right?«

Wir laufen ein paar Straßen entlang, Dönerbuden, eine Spielothek und hohe Wohnblocks ziehen an uns vorbei. Ich lasse mein Fahrrad bei Greeny im Hof stehen.
»Was is’ die Überraschung?«, sage ich.
»Gleich«, sagt Greeny mit den Händen in den Jogginghosen-Taschen und läuft zügig, blickt sich mehrmals um, die Straße auf- und abwärts.
»Was is’ eigentlich mit deiner Schwester?«, sage ich und ertappe mich dabei, an sie gedacht zu haben.
»Was meinst du?«, sagt er und sieht mich kurz an.
»Wieso musst du sie abholen, wenn die Apotheke oder wo sie war gleich da drüben ist?«
Ich zeige in Richtung der Apotheke, und Greeny lacht kurz auf, dann schüttelt er den Kopf, beißt sich eine Lucky Strike aus der Packung und sagt: »Long story.« Im Laufen kreist er mit dem Zeigefinger um sein Ohr. »Wie sagt man? Sie hat Schrauben locker.« Greeny raucht, dann reicht er mir die Zigarette rüber. »Sie hat Angst«, sagt er. »Angst. Mehr weiß ich auch nicht. Niemand weiß mehr. So Zustände hat sie, dreht manchmal richtig durch, mit rotem Kopf und Zittern. Mom und ich müssen überall hin mit ihr, sie geht nirgends mehr alleine hin.«
Als wir plötzlich auf dem Gehsteig vor dem blauen, verdellten Ford stehen, bleibt mir einen Moment die Luft weg.
»Dachte, du wolltest ihn wegstellen«, sage ich, »irgendwohin, wo der Typ ihn wiederfindet!«
Greeny grinst und sagt: »Hab ich doch. Und anscheinend hat er ihn noch nicht wiedergefunden.« Er läuft zur Fahrertür, öffnet sie einen Spalt. »Und offen ist auch noch«, sagt er grinsend.

Als wir im Ford hocken, ist alles wie noch am Nachmittag: Der Schraubenzieher steckt im Schlüsselschlitz, sogar unsere Kippen sehe ich noch im Aschenbecher gedrückt. Greeny nimmt ein Röhrchen in den Mund, dann zieht er einen Alufolie-Klumpen aus der Jogginghose und faltet ihn behutsam auseinander.
»Schon mal gekifft?«, sagt er, faltet die Alufolie zu einer Mulde und stochert mit dem Röhrchen darin herum.
»Ja«, sage ich und halte mein Feuerzeug neben Greeny, um ihm Licht zu geben. Ich sehe das braune, dunkle Pulver, die reflektierende Aluminium-Folie. »Hab gedacht, das sieht anders aus«, sage ich und nicke auf Greenys Schoß.
Greeny schüttelt leicht den Kopf, den Blick noch auf der Folie und seinen Händen. »Is’ von meinem Dad«, sagt er, »der kriegt das von der Army. Wegen Schmerzen. Ich weiß genau, wo er’s versteckt, too easy.«
Plötzlich schlägt es gegen Greenys Fensterscheibe, wir beide zucken zusammen, fast fällt Greeny das Zeug aus der Hand. Ein Gesicht ist vor der Fensterscheibe: ein Mädchengesicht.
»Open the door!«, sagt sie, und kurz bevor sie außen den Türgriff in die Hand bekommt, hat Greeny schon die Türverriegelung runtergedrückt.
»Fuck off!«, faucht Greeny, »verpiss dich!«
»Bitte«, sagt das Mädchen, »ich will nur einmal ziehen!«
»Gar nichts ziehst du!«, sagt Greeny, »geh heim! Was machst du hier?«
»Bitte«, sagt sie, »nur einmal ziehen, dann geh ich!«
Greeny sieht mich an, ich sehe ihn an, dann trommelt seine Schwester so heftig gegen die Fensterscheibe, dass er die Verriegelung hochzieht, die Tür öffnet und flüstert: »Okay, okay, don’t make such a noise, bitch!«
Greeny klappt seinen Sitz nach vorne, und als seine Schwester auf den Rücksitz steigt, blicken sie und ich uns an: dünn sieht sie aus, dünn und blass, mit dunklen, langen und ungekämmten Haaren, Mittelscheitel. Ihre Jeans ist am Knie zerrissen und am Hosenbein zu weit, und sie trägt ein graues T-Shirt mit irgendeinem Aufdruck. Sie ist höchstens dreizehn.
»Jetzt zufrieden?«, sagt Greeny und wirft ihr einen scharfen Blick hinter. Greeny und ich sehen in den Rückspiegel, durchs Fenster: keine Menschen.
Greeny sagt, es sei besonderes Dope, im Geschmack und seiner Wirkung; als er seinen Vater dabei erwischte, wie er es nachts heimlich mit dem Röhrchen aus dem Fenster rauchte, gestand er ihm, dass er kiffen würde, und zwar besonderes Zeug, auf eine besondere Weise.
Greeny zieht zuerst. Er hält das Feuerzeug unter die Alufolie und das Röhrchen über das Dope, und dann atmet er tief ein, bis seine Lungen voll sind. Als er ausatmet, fällt er sofort in seinen Sitz zurück, sinkt zusammen; seine Augen klappen im Bruchteil einer Sekunde zu, und er stöhnt, als ob er wichsen würde, dieser würzige Geruch wie die Sohlen alter Lederschuhe breitet sich im Wagen aus.
»Gib mir«, sagt seine Schwester und beugt sich vor, »lass mich jetzt!«
»Nee«, sagt Greeny und hält mir lächelnd und mit Augenschlitzen das Besteck hin. »Erst er.«
Er zündet sich mit schwankendem Arm eine Zigarette an, dann sagt er: »Hier, geb’ dir Feuer. Hältst das Röhrchen über das Dope und ziehst den Rauch so tief ein, wie du kannst.«
In der Mulde der Folie schwimmt ein komischer dunkler Fleck. Greeny hält das Feuer darunter, Qualm steigt auf, er stinkt eigenartig, und als ich eine halbe Sekunde gezogen habe, ziehen sich meine Lungen zusammen, ich huste wie verrückt, der Qualm schneidet mir in Hals und Lungen.
»Ich spür gar nichts«, sage ich schließlich und keuche noch.
»Noch mal«, sagt Greeny, »die Lungen voll und dann die Kippe obendrauf.« Ich nehme die Zigarette in die Rechte, mit der Linken halte ich das Röhrchen. Ich ziehe wieder, sehe den schwarzen Punkt in der Mulde blubbern und hin und her springen, und als meine Lungen randvoll sind, nehme ich noch einen tiefen Zug der Zigarette – plötzlich habe ich Wasser in den Ohren, ein Summen im Kopf, und von den Füßen aufwärtssteigend durchflutet eine gewaltige, warme Welle meinen Körper, meine Arme, mein Gehirn; meine Beine werden weich, ich sehe, wie ich hin und her schwanke im Autositz, höre Greenys Stimme in weiter Ferne; und draußen sehe ich Straßenlaternen in einem intensiven Orange leuchten, sehe den grauen Belag des Gehsteigs, das Gebüsch; ich weiß nicht, wie viel Zeit vergeht, aber ich lehne mich zurück in den Sitz, schließe die Augen, mein Gesicht und meine Arme sind taub; und es ist seltsam, aber ich denke an nichts, an gar nichts, bloß das heiße, angenehme Gefühl in meinem Körper wie die innigste Umarmung meiner Mutter; und ich denke an den Schäferhund in Greenys Wohnung, ich sehe ihn dort sitzen, angeleint, mich mit diesem Blick ansehend; und der Schäferhund und ich rennen über eine Wiese, ich lachend, jubelnd, er springend; und als ich Assi, meine Mutter und meine Schwester dort in der Küche sitzen, trinken und lachen sehe, erkenne ich auch einen Jungen, der sich hinter der Tür versteckt: Ganz grau ist der Junge, und innen hohl, und er fletscht die Zähne wie ein Hund, und um seinen Hals ist eine Leine gezogen, und ich höre meine Mutter lachen, und Assis rauchig-nasale Stimme etwas erzählen; mein ganzer Körper kribbelt, und kaum dass ich noch einen klaren Gedanken fassen kann, bin ich im nächsten Augenblick plötzlich weg.

Ich wache vom Schaukeln des Autos und dem Geräusch eines hochdrehenden Motors auf. Die Sonne bricht gleißend durch die Windschutzscheibe, und ich höre Greeny atmen. Mein Kopf drückt, meine Beine sind schwer und ein widerlich bitterer Geschmack liegt mir auf der Zunge. Meine Klamotten kleben mir nassgeschwitzt auf der Haut. Ein Kleintransporter zieht auf der rechten Spur an uns vorbei; dahinter Wiesen, Äcker und in weiter Entfernung die Silhouette eines Dorfes.
»Was zum –«, sage ich, und als ich rüber zu Greeny blicke, checke ich sofort, dass etwas nicht stimmt: Er krallt sich mit beiden Händen an den Lenker, kreidebleich sieht er aus, und da ist etwas an seinem Blick. Ich setze mich gerade in den Sitz, fahre mir durch die Haare. »Was machst du?«, sage ich.
Er schüttelt bloß den Kopf und wischt sich mit der Hand Rotz von der Nase. Wir heizen auf der linken Spur, Autos ziehen an uns vorbei.
»Jetzt halt mal an!«, sage ich und schlage Greeny gegen die Schulter. Der zuckt zusammen, und als er mich anblickt, sehe ich seine rotgeheulten Augen, die Tränen, die ihm über die Wangen laufen.
»Was is’ lo-«, sage ich, aber als ich hinter zur Rückbank blicke, weiß ich plötzlich Bescheid: Ganz eingesunken liegt sie gegen die Fensterscheibe gelehnt, noch mit der Alufolie in der Hand. Ich schaue weg und muss drei, viermal tief durchatmen; mir wird speiübel. Und trotzdem, ich kann nicht anders: Ich drehe mich wieder um: Seltsam gelbgrau ist ihr Gesicht, die Augen stehen halb geschlossen, unfokussiert und milchig auf, der Mund halb geöffnet. Ihr ganzer Körper wackelt mit der Vibration des Wagens mit.
Ich blicke wieder aus dem Fenster, mein Herz rast, ich atme schnell.
»Ja«, sagt Greeny und wischt sich wieder Rotz von der Nase.

Als Greeny auf dem Rastplatz hält, bricht er auf dem Lenkrad zusammen, verschränkt die Arme und heult ganz furchtbar. Ich klopfe ihm auf die Schulter, aber dann heule ich auch. Ich kann da nicht wieder hintersehen.
Ich sage: »Vielleicht ist sie ja bloß bewusstlos.«
Greeny schüttelt den Kopf. »Ist sie nicht«, sagt er. »Sie war vorhin schon ganz kalt«, sagt er.
Ich steige aus dem Wagen, ich weiß auch nicht, wieso. Meine Beine tun es von ganz alleine; laufen wollen sie, weit weg, am besten bis nach Spanien. Ich weiß nicht genau, wo Spanien liegt, aber es hört sich gut an, eine andere Welt. Greeny bleibt noch auf dem Lenker liegen, und ich sehe seinen Körper vom Heulen beben. Dann steigt auch er aus.
»Wir müssen einen Krankenwagen rufen«, sage ich und stecke mir zitternd eine Zigarette in den Mund. Durch das Rückfenster sehe ich ihre Beine, ihre Hand mit der Alufolie. Alles verkrampft sich in mir.
»Ja«, sagt Greeny.
»Vielleicht ist sie nur bewusstlos«, sage ich, »und wacht dann wieder auf.«
»Ja«, sagt Greeny. Ich gebe ihm meine Zigarette und er raucht. Mir wird wieder speiübel, und als ich in die Knie gehe, denke ich kurz, mich zu übergeben, aber dann geht es wieder.
Ich nehme mein Handy aus der Hosentasche: 18 Anrufe in Abwesenheit. Ich drücke alles weg und wähle schon 110, da reißt mir plötzlich Greeny das Handy aus der Hand.
»Nein«, sagt er, »warte mal.«
»Was?«, sage ich. »Wieso?«
Greeny blickt zum Auto, dann wieder zu mir. Ich stehe auf: Wald zu unserer linken Seite, dichter, dunkler, hoher Nadelwald. In weiter Entfernung stehen ein paar LKWs auf dem Rastplatz, ansonsten nichts.
»Es ist geklaut«, sagt er, »und die Drogen.«
»Vielleicht wacht sie dann wieder auf«, sage ich.
»Ja«, sagt Greeny, und dann heult er wieder. »Die bringen mich um«, sagt er, heult und hält sich die Hände vors Gesicht. Er wirft die Zigarette weg. Er sieht in die Ferne, mit so einem seltsamen Blick, und ich spüre, dass er kurz davor ist, etwas zu sagen, aber schließlich schüttelt er bloß den Kopf, atmet tief ein und aus und geht in die Hocke. »Du kennst sie nicht«, sagt er schließlich, mit den Händen wieder vor dem Gesicht. »Meinen Dad«, sagt er.
»Aber vielleicht wacht sie dann wieder auf«, sage ich. Ich sage: »Von Hasch stirbt man doch nicht. Das hab ich gehört. Dass noch nie jemand davon gestorben is’.«

Die Sonne brennt vom Himmel, meine Klamotten kleben mir am Körper und meine Füße schmerzen. Wir laufen neben der Leitplanke, immer in die Richtung, aus der wir gekommen sind, Greeny schweigend vor mir, und ich hinterher. Ich blicke auf meine Schuhe, auf die braune Erde, die unter mir dahinzieht. Mir ist alles egal. Der Himmel ist blau und spannt sich bis zum Horizont, und kein Auto hält neben uns an, niemand, der uns anspricht. Ich habe das Gefühl, jeder, der an uns vorbeifährt, der uns sieht, weiß genau, was wir getan haben; ein Stein hängt mir im Hals.
»Man kann doch gar nicht davon sterben«, sage ich noch mal. »Vielleicht wacht sie von ganz allein wieder auf«, sage ich, aber ich sehe bloß Greenys Rücken, wie er mit den Schultern zuckt und sich dann über die Augen wischt.

Irgendwann kommen wir auf eine Abfahrt, dann auf eine Landstraße. Greeny und ich setzen uns unter einen Baum neben der Straße, legen uns ins hohe Gras. Die Hitze steht im Land, Greenys Arme und Gesicht sind rotgebrannt, und als er wieder das Heulen anfängt, kommt es auch mir wieder.
»Meinst du, sie haben sie schon gefunden?«, sage ich.
Greeny schüttelt den Kopf. »Keine Ahnung«, sagt er.
»Wenn wir ’ne Telefonzelle sehen, rufen wir gleich den Krankenwagen«, sage ich. »Vielleicht wacht sie ja dann wieder auf«, sage ich. »Vielleicht spritzen sie ihr irgendwas, und sie war bloß bewusstlos«, sage ich.

Auf der Landstraße nimmt uns ein Traktor-Fahrer mit, und im nächsten Dorf nehmen wir den Bus, zum Glück habe ich noch zwei Fünf-Euro-Scheine einstecken. Es ist Sonntag, und wir müssen bis abends auf die nächste Verbindung warten. Wir reden nicht viel währenddessen. Ich kaufe eine Flasche Pepsi in einer Tankstelle, ansonsten sitzen wir bloß in der Bushalte herum und schwitzen und schweigen. Einmal will ich etwas sagen, aber als ich in Greenys Gesicht blicke, tu ich’s doch nicht.

Ich komme kurz vor Mitternacht nach Hause. Im Wohnzimmer brennt noch Licht, genauso wie im ersten Stock, in meinem Zimmer. Ich lehne mein Rad an die Hecke, dann schließe ich die Haustür auf.
Ich hab mir noch nicht mal die Schuhe ausgezogen, da steht sie schon vor mir, meine Mutter: Wütend sieht sie aus, und verheult, ihre Schminke ist verlaufen. Meine Schwester ist auch da, und Toni, und Assi natürlich. Sie kommen alle aus dem Wohnzimmer, und meine Mutter läuft schnell auf mich zu, und als sie im Gang vor mir steht, stemmt sie die Fäuste in die Seiten, blickt mich von Kopf bis Fuß an und sagt schließlich: »Wo kommst du denn jetzt her?«
Ich stehe da und kriege einfach keinen Ton heraus. Meine Mutter zieht die Augenbrauen hoch und reißt die Augen weit und fragend auf. Assi steht hinter ihr, mit der roten Cap, und Klara und Toni daneben.
»War weg«, sage ich schließlich.
»›War weg?‹«, äfft mich meine Mutter nach. Wir sehen uns einen Augenblick an, dann sagt sie: »Das ist alles, was du zu sagen hast?«
Sie kommt einen Schritt auf mich zu und schlägt mir mit der flachen Hand auf die Backe.
»Du Blödmann!«, faucht sie, und dann knallt sie mir noch eine, und Assi und meine Schwester legen ihr von hinten beschwichtigend die Hände auf die Schultern, ziehen sie weg, und dann beginnt meine Mutter wieder zu heulen und deutet mit dem Finger auf mich. »Einfach abhauen gibt’s hier nicht!«, schreit sie. »Du nicht!«, schreit sie.
»Mama –«, sage ich, aber dann hat sie schon die Hände vors Gesicht gezogen, schüttelt den Kopf und geht ins Wohnzimmer.
Assi steht vor mir und zieht die Augenbrauen hoch.
»Bist du total bescheuert«, sagt meine Schwester und tippt sich mit dem Zeigefinger auf die Stirn. »Das kannst du ihr nicht antun!«, sagt sie, dann geht auch sie ins Wohnzimmer. Toni steht peinlich berührt neben dem Treppengeländer, und Assi verschränkt sich vor mir die Arme, schüttelt den Kopf und atmet tief ein und aus. »Was is’ bloß los mit dir?«, sagt er, und dann geht auch er ins Wohnzimmer.

Ich liege oben auf dem Bett und heule. Ich kann gar nicht aufhören. Mein Herz rast und meine Hände zittern. Ich habe all meine Zigaretten aufgeraucht, und jetzt weiß ich nicht, wie ich mich beruhigen soll, was ich mit meinen Händen tun soll. Unten höre ich meine Mutter heulen, dann fangen sie alle laut zu diskutieren an, irgendwann schreien Klara, meine Mutter, und dann auch Assi. Türen fallen zu, ein Glas oder eine Flasche zerbricht, dann höre ich den dröhnenden Motor von Tonis BMW aus der Ausfahrt rasen.
Nachts fange ich das Zittern und Schwitzen an, und es ist, als ob alles hohl wäre: Die Wände, das Gesicht von Greenys Schwester, meine Mutter, ich selbst; grau und hohl ist alles. Ich sehe sie vor mir, tot. Ich stelle mir vor, wie ihr ein Notarzt eine Spritze setzt, und plötzlich bekommt sie wieder Farbe im Gesicht, schlägt die Augen auf. Ich frage mich, ob man sie schon gefunden hat; da ist etwas in mir, das sich verdreht, das in Schieflage gerät, wenn ich mir vorstelle, dass sie tot ist – dass dort, wo gestern noch dieses schnatternde Mädchen war, jetzt nichts mehr ist. Ich stehe auf und sehe aus dem Fenster. Überall sehe ich Leben, aber überall sehe ich auch den Tod, und ich schwitze und zittere und denke daran, wie sie an die Fensterscheibe geklopft hat, und wie sie dann auf der Rückbank gelegen hat. Da ist etwas Rasendes in mir, und ich weiß nicht, ob das jemals aufhört.
Am nächsten Morgen verschlafe ich. Meine Mutter weckt mich nicht, stattdessen steht irgendwann Assi in der Tür und sagt: »Sag mal, musst du nicht arbeiten?«

Der Filialleiter schüttelt den Kopf, als er mich an seinem Büro vorbei in den Mitarbeiter-Raum laufen sieht. Er pfeift laut, dann schreit er: »Her!«, und als ich in der Tür stehe, sieht er auf seine Armbanduhr und sagt: »Sag mal, geht’s noch?« Er schaut mich mit stechendem Blick an, dann sage ich: »Ja.«
»Dafür könnt’ ich dich feuern«, sagt er.
»Könnten Sie«, sage ich. Er beißt sich die Zähne zusammen, dann fuchtelt er bloß mit der Hand herum und sagt: »Los, an die Arbeit!«
Wir füllen die Putz-Abteilung nach, Toilettenreiniger und Bürsten, und es ist komisch, aber niemand spricht mit mir. Später heule ich beim Paletten-Zerreißen im Hinterhof, die Tränen laufen mir heiß aus den Augen, ich kann nichts dagegen tun. Bevor ich gehe, stopfe ich mir noch den halben Rucksack voller Rothbier-Flaschen.

Von Greeny höre ich den ganzen Tag nichts. Nach der Arbeit fahre ich bei seinem Haus vorbei, stehe unten vor der Tür, aber nichts passiert, nirgends sehe ich einen Mensch an den Fenstern, die zu seiner Wohnung gehören. Ich klingle, aber niemand öffnet.
Ich fahre einfach so durch die Stadt. Ich weiß nicht, wohin ich will, oder was ich überhaupt suche. Hinten an den Gleisen trinke ich einen Liter Bier, aber er hilft nicht gegen dieses Gefühl. Ich denke an meine Mutter, wie sie geheult hat. Ich denke an meine Schwester und an Assi, und dann denke ich wieder an das Mädchen, und alles rast in mir. Ich fahre im Schritttempo, die Sonne ist am Untergehen, aber die Hitze strahlt noch heiß vom Asphalt und den Fassaden der Häuserwände.

Auf dem Weg nach Hause trinke ich hinter der großen Kreuzung noch einen Liter Bier. Ich schreibe Greeny: melde dich lass uns treffen, und ich warte fast eine komplette Stunde, aber es kommt nichts zurück.
Meine Mutter schweigt, als wir später am Esstisch sitzen und Pizzabrötchen essen. Assi sagt auch nichts, und ich kriege bloß ein paar Bissen hinunter. Später, als ich in meinem Zimmer auf dem Bett liege und auf meinem mp3-Player Musik höre, höre ich sie wieder streiten: Ich weiß nicht, worum es geht und ob wirklich ich der Grund dafür bin; aber jedenfalls schreien sie sich gegenseitig an, erst sie, dann Assi, dann knallt irgendwann die Tür zu und der Fernseher wird lautgedreht. Und auch ich drehe lauter: Slayer höre ich, irgendein altes Album, das mir Michi gebrannt hat, als wir noch Freunde waren. Verzerrte Gitarren, prügelnde Drums und die tiefe Stimme von Tom Araya. Ich versuche, so lange wie möglich wachzubleiben; wenn ich die Augen schließe, sehe ich sie wieder: Wie sie auf der Rückbank liegt, mit den Augen halb geschlossen, unfokussiert und milchig. Ich denke: Wir hätten gleich einen Notarzt rufen sollen. Ich denke: Sie war nur bewusstlos, und ich bin schuld, dass sie doch noch gestorben ist. Ich denke: Hätte ich gleich den Notarzt gerufen, wäre sie jetzt noch am Leben. Ich denke: Sie war schon tot. Ich denke: Greeny hat den Notarzt gerufen, als wir am Bahnhof ausgestiegen sind, ich habe gesehen, wie er in die Richtung einer Telefonzelle gelaufen ist.

Ich schlafe kaum. Auch Greeny meldet sich nicht. Am nächsten Morgen stehe ich auf, mache mich fertig, aber komme nie im Kaufland an. Stattdessen höre ich mir im Radio Nachrichten-Sendungen an, und dann fahre ich zum Bahnhofs-Kiosk und blättere im Schweinfurter Tagblatt herum. Meine Handflächen sind feucht, als ich die Zeitung überfliege, aber nirgends finde ich etwas von einem geklauten Auto oder einem toten oder bewusstlosen Mädchen.
Alles rast in mir. Hinter dem Bahnhof trinke ich auf nüchternen Magen ein großes Bier, aber es hilft nicht. Alles kommt mir unreal und überbelichtet vor: Die Menschen, wie sie über den Bahnhof laufen, die Züge, die unter blauem Himmel in die Ferne verschwinden; lag sie wirklich auf dem Rücksitz? Habe ich wirklich Greeny kennengelernt? Ist mein Vater wirklich abgehauen, als ich sieben Jahre alt war? Ich sehe mich im Glas des Snack-Automaten; bin das wirklich ich? Sehe ich so aus? Alles bebt in mir, und ich atme stark, und ich spüre kalten Schweiß auf meinem Gesicht, auf meinen Händen. Ich gehe runter in die Hocke, mein Herz rast. Für einen Augenblick ist da dieses Gefühl in mir: Dieses, in einem dieser Träume festzustecken, in denen man an irgendeinem Punkt begreift, dass man einfach nur mit aller Kraft aufwachen wollen muss, und plötzlich sieht man die Umgebung auseinanderdriften, sich verlieren – und mit ihr all den Horror, der einem im Schlaf aus irgendwelchen dunklen Ecken in den Kopf gestiegen ist, und der sich dort eingenistet, ausgebreitet hat – und dann liegt man plötzlich in seinem Bett, in seinem Zimmer, und man weiß wieder, wer man ist, man ist wieder »man selbst«, und all der Spuk, der einen noch Minuten zuvor verschlungen hat, kommt einem so unreal, so weit weg vor, wie man nur denken kann.
Ich weiß nicht, wer ich bin, wer ich selbst bin, und dort, auf den Pflastersteinen des Bahnhofs, auf dem ich knie, kneife ich meine Augen so fest ich kann zusammen, ich will aufwachen, aufwachen, aufwachen, aber da ist bloß dieses Mädchen, und sie liegt auf der Rückbank, mit dem starren, ausdruckslosen Blick, den halb geschlossenen, matten Augen; und ich bin der schlechteste Mensch, der jemals gelebt hat, ich bin schlecht, schlecht, schlecht, schlimm, schlimm, schlimm, ich klaue, ich lasse alle im Stich, ich habe es verdient.

Ich weiß nicht, wie ich den Tag rumbringe. Ich esse nichts. Ich fahre zum Badesee, sitze einfach so auf der Wiese und sehe den Leuten zu, wie sie schwimmen, wie sie kreischen und sich gegenseitig vom Steg schubsen. Es ist unfassbar heiß, das T-Shirt klebt mir an Brust und Rücken. Ich habe die ganze Zeit meine Kopfhörer auf, höre The White Stripes, John Lee Hooker oder Garage Punk. Die Sonne glitzert auf der grünblauen Oberfläche des Wassers. Später trinke ich mein letztes Bier und fahre zu meinem Dealer. Besser gesagt, zum einzigen Dealer, den ich in der Stadt kenne, zu dem mich Michi einmal mitgenommen hat. Er wohnt in einer schiefen Wohnung in einer engen Seitengasse, über dem Kücheneingang eines Italieners. Ich werfe Kieselsteine gegen sein Fenster, so wie es Michi getan hat. Ich sehe ihm an, dass er mich nicht mehr kennt, trotzdem wirft er mir den Schlüssel runter. Er ist vielleicht Ende zwanzig und in seiner ganzen Wohnung stehen Skateboards und Bilder von ihm herum, Graffitis und riesige Ölgemälde.

Ich sitze am Bach, an dem wir früher, als Kinder, immer Lager gebaut haben, gleich hinter den Äckern und angrenzenden Waldstücken. Ich rauche den Joint, und irgendwann mache ich ihn aus, lege mich in die Wiese auf den Rücken und höre bloß noch dem Plätschern des Wassers zu, sehe die Sonne sich langsam neigen. Ich denke: Das war kein Hasch, was wir geraucht haben. Ich denke: Von Hasch ist noch nie jemand gestorben.

Als ich wieder aufwache, ist es bereits Nacht, Grillen zirpen und unzählige Sterne stehen leuchtend über mir im pechschwarzen Himmel. Ich schiebe mein Fahrrad über Wiesen, Äcker, und als ich auf die Hauptstraße biege, sehe ich plötzlich Greeny auf dem Bordstein sitzen, gegenüber von meinem Haus.
»Alter«, sage ich und gehe auf ihn zu. »Was machst ’n du hier?«
Greeny sieht noch fertiger aus als ich. Sein Gesicht ist noch rotgebrannt, tiefe, schwarze Ringe hängen unter seinen Augen, und ich glaube, er trägt noch die gleichen Klamotten wie vorgestern, als ich ihn das letzte Mal gesehen habe; zwischen seinen Beinen hält er den tarnfarbenen Armyrucksack. Greeny lächelt krampfhaft, und dann steht er auf und sieht mich einige Sekunden lang einfach nur an. Er schluckt erst, dann nickt er und sagt: »Ich hau ab.«
Ich nicke. Dann sage ich: »Wohin?«
Jetzt lacht er, nervös irgendwie, fährt sich über die Haarstoppel und blickt die Straße auf und ab. »Einfach weg. In den Süden wahrscheinlich.« Er sieht mich an und sagt: »Aber sagste doch keinem, oder?«
Ich denke einen Augenblick nach, dann schüttle ich den Kopf und sage: »Sag ich keinem.« Ich sage: »Versprochen.«
Und ich weiß nicht, wieso, aber plötzlich sage ich: »Mein Vater is’ abgehauen, als ich in der Zweiten war.«
Greeny blickt mich irritiert an, dann sagt er: »Okay?«
»Er hat in ’nem Elektronik-Lager gearbeitet. Er hat es dort gehasst.« Ich schlucke, spüre mein Herz schlagen, dann sage ich: »Er war ein Genie, mein Vater. Ich kann’s nicht richtig beschreiben, wieso, aber er war es. Er hat wohl dort erkannt, dass sie die Kamera in so ’nem kleinen Gang zum Lager abmontiert hatten. Die Wand von dem Gang war bloß ’ne normale Backsteinmauer, und dann hat er sich ’nen Lieferwagen gezogen, ’nen Minivan, und ist auf den Zugschienen damit bis vor die Wand gefahren. Er hatte richtig ausgeguckt, wann die Züge fahren und alles, und auch an dem Vorhof war keine Kamera. Er ist dann nachts da hin gefahren, hat den Van auf den Gleisen geparkt und hat mit ’nem Vorschlaghammer ’n richtiges Loch in die Wand reingeschlagen. Er wusste, dass das Industrie-Gleise waren, und dass er zwei Stunden Zeit hat. Er hat dann das halbe Lager ausgeräumt, Festplatten, Handys, Laptops, alles.«
Greeny sieht mich an und fährt sich über die Lippen.
»Er is’ auch davongekommen. Niemand hat ihn geschnappt in dieser Nacht. Bloß am nächsten Tag ist er nicht mehr zur Arbeit. Das war’s, woran sie’s dann gemerkt haben. Und so blöd das klingt, aber ich kann mich noch dran erinnern, an den Tag: Ich weiß noch, wie nervös er den ganzen Tag war, wie stark er geschwitzt hat und wie er ständig die Vorhänge am Fenster beiseite geschoben und nach draußen gelinst hat. Da kann ich mich noch dran erinnern«, sage ich.
»Und dann?«, sagt Greeny.
»Als die Polizei am nächsten Morgen gekommen ist, war er schon weg. Ist einfach nachts weggefahren, mit dem Van, mit dem ganzen Zeug. Hatte es wohl irgendwie gespürt, dass sie kommen würden, dass sie an ihm dran wären. Sie haben uns gesagt, er hat ’n paar Millionen geklaut«, sage ich.
Greeny nickt. »Scheiße«, sagt er.
»Hatte ’ne Menge Schulden, bei tausenden Leuten«, sage ich. »Musste meine Mutter dann alles abbezahlen«, sage ich.
Greeny schüttelt wieder fassungslos den Kopf. Dann stehen wir noch ein paar Minuten schweigend da, auf dem Gehsteig gegenüber von unserem Haus. Schließlich blickt mich Greeny an und hält mir die Hand hin. »Leb wohl«, sagt er, und ich schlage ein und will auch etwas sagen, aber letztendlich nicke ich bloß.
Als Greeny mit dem Rucksack auf dem Rücken die Straße entlangläuft, in seinen kurzen Hosen und dem weiten Hip-Hop-Shirt, dreht er sich noch mal um zu mir, wirft die Arme in die Höhe, grinst und schreit: »Freiheit!« Ich lächle und hebe auch die Hand. »Freiheit«, sage ich, aber da ist Greeny schon irgendwo zwischen Häuserwänden, parkenden Autos und der Dunkelheit der Nacht verschwunden.

In dieser Nacht wirft meine Mutter Assi ein zweites Mal aus dem Haus. Ich liege in meinem Zimmer auf meinem Bett, mit den Kopfhörern auf, und schaue in den Sternenhimmel, der wie eine Lichterkette über den Wiesen, Äckern und Häusern vor meinem Fenster hängt. Ich höre The Hives, aber trotzdem höre ich auch die Schläge von all den Dingen, die meine Mutter aus dem Fenster in den Hinterhof wirft, und ich höre Assi, der unten im Hof steht und verzweifelt meine Mutter anfleht. Irgendwann höre ich ihn Kisten nach vorne tragen, durch das Tor zu seinem Wagen an der Hauptstraße. Ich stehe auf und sehe aus dem Fenster, sehe, wie er schwitzend und stumm Bananenkisten schleppt.

»Hey«, sage ich. Er hebt gerade einen Karton voller Tassen in den Kofferraum, dann sieht er kurz zu mir, nickt und schaut wieder in den Kofferraum. »Hey«, sagt er.
»Können wir labern?«, sage ich. Asi sieht mich einen Moment lang musternd, skeptisch und ernst an, dann kratzt er sich unter der Cap am Kopf, nickt und sagt schließlich: »Na gut.«
Als wir uns auf den Bordstein setzen, überkommt es mich wieder, das Beben, das Rasen, und Tränen laufen mir über die Wangen. Ich halte mir die Hände vors Gesicht, lache kurz auf und sage dann: »Ich hab noch nie so oft geheult wie in den letzten Tagen. Richtig peinlich«, sage ich.
Wir schweigen einen langen Moment, und als ich die Hände von meinem Gesicht nehme, sehe ich, wie Asi sich die Kippenschachtel aus dem Hemd zieht.
»Auch eine?«, sagt er und hält mir die Schachtel hin.
Ich nehme mir eine Kippe, nicke in Richtung Haus und sage: »Und was is’ mit der Mutter?«
Er steckt sich eine Zigarette zwischen die Lippen und zuckt mit den Schultern. »Erstmal eh egal«, sagt er. Wir zünden die Zigaretten an, hören die Grillen zirpen, spüren die Wärme einer Sommernacht, und dann blickt mich Asi scharf von der Seite an. »Also«, sagt er, »was is’ los?« Er sagt: »Wegen mir schiebst du doch nicht so ’ne Nummer. Flennen, weil mich deine Große vor die Tür setzt, das kannste jemand anderem erzählen.«
Wir lachen beide, rauchen, und dann bin ich für ein paar Minuten einfach komplett still. Ich schaue auf die Straße vor mir, denke an gar nichts, und irgendwann beginne ich einfach zu erzählen, von Greeny, den Gleisen, von dem blauen Ford und seiner Schwester. Ich heule furchtbar, und dann legt Asi den Arm um mich, drückt mich fest an sich und sagt: »Nu’ reg dich mal nich’ so auf. Atme mal ganz tief ein und aus.« Ich tue es, und dann sind wir wieder eine Weile still, bis Asi schließlich sagt: »Das kriegen wir wieder hin, okay?«
Ich blicke ihn an. »Wirklich?«, sage ich. Er nickt. Er denkt nach, und dann sagt er: »Du musst jetzt ein Mann werden. Und wenn ich sage, wir packen das, dann packen wir das. Einfach ist es nie«, sagt er, und dann steht er auf und schaut ein letztes Mal über die Hecke zum Haus.

Wieder stehe ich im sechsten Stock vor der Haustür.
»Ich glaub, ich kann das nicht«, sage ich.
»Du kannst«, sagt Asi.
Es dauert eine Ewigkeit, bis jemand die Tür öffnet. Ich höre es schnaufen und ächzen, und als die Tür schließlich aufgezogen wird, blicke ich nach unten, in das rote, massive Gesicht eines Mannes im Rollstuhl; es dauert ein paar Sekunden, bis ich erkenne, dass das Stümpfe an seinen Oberschenkeln sind. Er hat eine platte Nase, fleischige, große Ohren, und flaschengrüne, stechende Augen, alles auf einem gedrungenen, bulligen Körper.
»What d’ya want?«, sagt er und schnauft immer noch stark, mit der Türklinke in der Hand. Ich blicke in die Wohnung: Den Fernseher höre ich wieder laufen, und den Hund sehe ich hinter ihm im Gang stehen, gleich neben einer mageren, dünnen, geisterhaften Frau mit dem traurigsten Gesicht, das ich je gesehen habe.

Als Asi und ich vor der Polizeistation im Wagen sitzen, rauchen und schweigen wir wieder, und irgendwann sage ich: »Ich weiß nicht, wieso ich ihn damals geschlagen habe. Es war ganz seltsam. Er war im Klassenzimmer am Fenster gestanden, und wir mussten eine Folie abschreiben, und er hat einfach nach draußen geschaut. Und irgendwann hat er sich umgedreht, und mich auf diese Art angegrinst; und es war die sechste Stunde, und ich weiß nicht, was mit mir los war, ob es die Hitze oder was war, aber ich bin ihm einfach hinterher gelaufen, nach der sechsten Stunde; bin ihm bis auf den Lehrerparkplatz hinterhergelaufen, und als er sich gerade den Helm an seinem Roller drüberziehen wollte, hat er gemerkt, dass ich hinter ihm stehe, und er hat sich umgedreht und wollte irgendwas sagen, hallo oder schönes Wochenende vielleicht, aber da ging irgendwas in mir durch, und ich hab’s selbst gar nicht mitbekommen, aber plötzlich hatte ich ihm eine gelangt, so richtig, weißt du, und er ist über den ganzen Roller gefallen, und sein halbes Gesicht war voller Blut«, sage ich. »Ich hab ihnen das allen genau so gesagt: Dass ich nicht weiß, wieso ich das gemacht hab, aber niemand hat’s mir geglaubt, und wenn doch, war ich der Psycho.«
Asi nickt, blickt einige Zeit schweigend aus dem Fenster und dann sagt er: »Ich hab ihr nie was Schlechtes angetan, weißt du? Nie irgendwas. Das will ich, das du weißt. Dass ich deine Mutter wirklich liebe.«

Der Gerichtsprozess findet statt, als ich schon fast sechzehn bin. Ich erzähle alles genau so, wie es war, bis auf das letzte Treffen mit Greeny. Man wirft mir Beihilfe zum Autodiebstahl vor. Alle sind da: Meine Mutter, meine hochschwangere Schwester, Asi, und Toni natürlich. Auch die Presse ist da: Aber sie sind weniger wegen mir da, als wegen dem seltsamen Vorfall, der den ganzen Prozess überschattet: Man hat den blauen Ford nie gefunden. An dem Abend, als Asi mich zu Greenys Eltern gefahren hat, erzählte ich der Polizei schließlich alles, und sie haben sofort alle möglichen Raststätten abgeklappert, die in Frage kamen: Aber nirgends stand der Wagen, und nirgends hat irgendjemand jemals eine Mädchenleiche gefunden oder ein Mädchen herumlaufen sehen, das auf Jessis Beschreibung gepasst hätte. Ihre Eltern nehmen nicht am Prozess teil; sie wollten nicht einmal Nebenkläger für die unterlassene Hilfeleistung sein.

Von Greeny habe ich nie wieder etwas gehört; nur einmal, Jahre später, als ich schon meine Werkstatt und meine Frau hatte, habe ich eine unbeschriftete Postkarte aus einem kleinen katalanischen Ort in der Nähe von Barcelona bekommen; und manchmal stelle ich mir vor, dass sie nie gestorben ist; dass Greeny an diesem letzten Tag, an dem ich ihn gesehen habe, zurück zu dem blauen Ford gelaufen ist; und dass sie aufgewacht war und noch verwirrt auf der Raststätte gestanden war, sich mit Getränken und Snacks der Kraftfahrer durchgeschlagen hätte; und dass sie zusammen losgefahren sind und einfach durchgefahren sind, bis nach Spanien, bis nach Andalusien; oder nein – der Tank ging ihnen aus, auf halber Strecke, irgendwo an der Grenze zu Frankreich; und dann sind sie zum nächsten Bahnhof gelaufen, Greeny und Jessi, und dort sind sie auf einen der Waggons geklettert, und sie haben sich zuvor ausgeguckt, wo man sich gut festhalten kann und wo man nicht so viel Wind in die Fresse bekommt; und dann sind sie durchgefahren, bis nach Spanien; und heute sind sie noch immer irgendwo da draußen, im Süden, in der Sonne, am Strand, und sie ist so dünn und zerbrechlich wie eh und je, mit einem gelben Strohhut auf dem Kopf; und Greeny ist alt geworden, ein Mann, mit eckigen, kantigen Gesichtszügen, die Haare kurz geschoren, bis auf die Kopfhaut; und alles wäre gut.

 
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Hey Zigga,

Ist eine echt schöne Geschichte. Leider ist sie mir viel zu lang. Ich habe gestern einen Teil gelesen, und heute den anderen, am Stück habe ich es nicht geschafft. Es ist mir nämlich zutiefst zuwider, Texte nur zu überfliegen.

Wo konkret du kürzen könntest, kann ich dir spontan nicht sagen, vielleicht sind dir da die anderen behilflicher.

Mein Feedback fällt jetzt ziemlich kurz aus, denn ich werde mir nicht die Mühe machen, den ganzen Brocken gezielt nach Fehlern abzusuchen. Das folgende ist mir nur aufgefallen, als ich den zweiten Teil gelesen gelesen habe.

Schuhe, Umzugskartons und ein vollbehangener Wäschständer liegen zwischen mir und dem Hund
Ich stimme dir vollkommen zu, dass Schuhe auf dem Boden liegen, bei Umzugskartons könnte man sich noch drüber streiten, aber als liegen würde ich den Zustand eines behangenen Wäscheständers wirklich nicht bezeichnen, es sei denn, er ist umgefallen.

Ihre Jeans ist am Knie zerrissen und am Hosenbein zu weit.
Na ja, ist wohl Geschmackssache, aber der zweite Teil des Satzes klingt komisch.

"Jetzt zufrieden?", sagt Greeny und wirft einen scharfen Blick hinter
Ich kann da nicht hintersehen
Die beiden Formulierungen klingen für mich echt komisch. Er würde das vielleicht so sagen, aber schreiben sollte man das so nicht.

nehme ich noch einen Tiefen Zug der Zigarette
Ist glaub ich klar: Tiefen klein

"Gib mir" sagte seine Schwester
Ich würde nach mir ein ! machen.

und von den Füßen aufwärtssteigend durchflutete ...
Ich würde aufwärts steigend getrennt schreiben, und dahinter ein Komma machen.

Ich denke an nichts. An gar nichts ... und ich denke an den Schäferhund ...
Dafür, dass er an nichts denkt, denkt er an ganz schön viel.

Durch das Rückfenster sehe ich ihr Beine
Entweder ihr Bein, oder ihre Beine. Mischmasch geht nicht.

"Einfach abhauen gibt's hier nicht!", schreit sie. "Du nicht!", schreit sie.
Zweimal schreit sie.
Aber immerhin, dies ist eine der sehr seltenen Stellen in deinem Text, in dem Gesagtes nicht einfach nur gesagt wird. Du solltest ihn nochmal überarbeiten, und mindestens 3/4 der "sagt/sagen" rauskicken und durch Neue Wörter ersetzen.

Asi verschränkt vor mir die Arme
Also entweder du streichst das vor, oder das mir, oder beides, oder er verschränkt die Arme vor der Brust, aber so gefällt es mir nicht.

sehe die Sonne sich langsam neigen
Vielleicht neigt sich die Sonne lieber zur Erde, oder so?

Ach ja, wie du Herrn Xings eigensinnige Sprache ausschreibst finde ich störend. Angenehmer wäre es, wenn du irgendwo seinen Akzent oder Sprachfehler erwähnst. (Wenn du das machst, kannst du meinetwegen auch die komisch ausgesprochenen Wörter so stehen stehen lassen.)

Das wars erstmal von mir, ich hoffe, ich konnte ein bisschen weiterhelfen.

Viele Grüße,
Anna

 

Hallo zigga,

puh, was für eine Geschichte! Die musste ich erstmal sacken lassen. Also vorweg: Das hat mir richtig richtig richtig gut gefallen! Ich liebe Milieu-Studien, und deine Geschichte bleibt für mich nicht auf dem Niveau einer Reality-Sow stecken, sondern gibt einen tiefen Einblick in die Psyche eines verlorenen Teenagers, der sich - zu Recht - von aller Welt unverstanden fühlt. Atmosphäre und Figuren werden so plastisch beschrieben, dass ich von Anfang an sofort drin war und die story in einem Rutsch durchgelesen hab. (Und das soll schon was heißen auf meinem kleinen Telefon hier.)

Dein Protagonist ist unglaublich sympathisch, auch Asi, Greeny und seine Schwester, obwohl die ja nun wirklich nicht gut wegkommt. Nur die Eltern der beiden Hauptfiguren sind undurchsichtig, brutal, verständnislos. Costas Mutter ist mit den Nerven am Ende, fühlt sich vom Leben betrogen und lässt ihren Frust an Asi und Costa aus, die Schwester wirkt total oberflächlich. Costa wird zum Klotz am Bein, belogen und ausgeschlossen. Die Mutter versucht ihre extremen Stimmungsschwankungen zu vertuschen, lässt Costa an seiner Wahrnehmung zweifeln, Asi zieht aus und wieder ein, und die Kinder werden in seinem Beisein gefragt, ob das ok ist. Aus die Maus.
Kein Wunder, dass er seinen Vater immer mehr idealisiert, sich vorstellt, dass der irgendwo in der Südsee hockt, mit Geld wie Heu und womöglich einer dicken Havanna zwischen den Zähnen. Dabei ist er in Holland, vielleicht irgendwo auf den Straßen von Amsterdam und hat seine Hände bei allen möglichen Deals im Spiel, oder sogar im Knast. Und die Mutter, obwohl ich ihre Verzweiflung verstehen kann, will mir einfach nicht sympathisch werden, und obwohl Costa sie bewundernd Löwenmutter nennt, bleibt sie irgendwie nur eine Randfigur. Sie redet nicht mit ihm, sie kümmert sich nicht um seine Sorgen und sonst wird eigentlich mehr über sie erzählt, als dass sie wirklich da ist. Und die Freunde sind auch weg.
Da sehe ich ihn bildlich vor mir, wie er das Fahrrad an Gleisen und Güterzügen entlangschiebt, leerstehenden Häusern und Industriekomplexen, und es bleibt nicht bloße Kulisse, sondern ich erlebe Costas Trostlosigkeit mit, fühle mich teilweise an meine eigene Jugend erinnert, alles ist Scheiße.

Die Atmosphäre erinnert mich nicht nur durch Greeny an Amerika, sie hat, trotz der Enge auf der einen Seite, eine Weite an Tristheit und Ödnis, irgendwo in Iowa oder so, die andauernde Hitze, die Weite des Himmels, die in verschiedenen Formen und Farben beschrieben wird, die Güterzüge, der Traum von Freiheit. Dazu kommen noch der Ford und der Mann im Hawaiihemd. Das alles hast du zu einer spannenden Geschichte geformt, die mir einen Kloß im Hals zurücklässt, ohne auf die Tränendrüse gedrückt zu haben.
Bei Greenys und Jessis Eltern bekomme ich nur eine kurze Szene zu sehen, habe mir natürlich einen Schrank als Vater vorgestellt, ein brutales Arschloch und war im ersten Moment überrascht, dass er im Rollstuhl sitzt, aber er hat dadurch nichts an Brutalität für mich verloren. Wahrscheinlich tyrannisiert er die ganze Familie, die Mutter hat sich selbst aufgegeben. Als dann noch die Heroinabhängigkeit beider (!) Kinder ins Spiel kommt, wurd's mir fast ein bisschen zu viel, aber natürlich brauchtest du die, um die Katastrophe auf die Spitze zu treiben. Nur eins hab ich nicht ganz verstanden. Erst hab ich gedacht, das wird noch geklärt, dass das kein Haschisch ist, und Costa ist da ja auch ganz naiv rangegangen. Also, er hat's schon kapiert, aber war sich irgendwie nicht sicher. Die Blässe von Greeny und die Magerkeit der Schwester weisen schon darauf hin, dass sie abhängig sind, vor allem die Schwester. Nur, warum gibt Greeny Costa dann was ab?/Oder macht er das nur ab und zu? Aber wieso ist er dann so bleich? Die Szene hat für mich nicht wirklich Sinn gemacht, außer, dass die Schwester sterben soll und alles noch schlimmer macht. Aber wer weiß, vielleicht sind sie ja auch abgehauen, mit dem Ford über die Landstraße, und nur Costa hockt noch in seinem Kaff.

Das Ende fand ich schön. Ich bin froh, dass es Hoffnung für Costa gibt. Und Asi war mir von Anfang an sympathisch, ich bin erleichtert, dass ich mich da nicht getäuscht hab.

Was mir auffiel:

..." brummte er nach ein paar Sekunden vorwurfsvoll." Vorwurfsvoll würde ich weglassen, das kann man sich denken.

..." löffelt Kaffee aus der Dose in den Filter, setzt ihn in die Maschine ein und beäugt mich dabei ..." Mit dem Bild hab ich Schwierigkeiten. Kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass er das alles macht ohne hinzugucken.

" ... sage ich, und zünde mir die Kippe an ..." Komma weg.

" ... sage ich, und schnaufte ..." Hier auch. Davon hast du einige drin, hab jetzt nicht alle rausgesucht. Komma nur vor ganzen Sätzen.

" ... Die Sonne hängt weit oben im Himmel, heiß und orange brennt sie auf mich herab." Hier bin ich über "orange" gestolpert. Wenn die Sonne weit oben hängt, ist sie eher weiß, gleißend.

" ... läuft so ein Kerl die Gleisen entlang ..." Gleise

" ... stechende grüne Augen wie das Glas der Flasche." Ich stelle mir unter stechenden grünen Augen eher ein sehr helles Grün vor. Die Bierflasche konnte ich da nicht unterbringen.

" ... aber davor muss ich hier weg, man, einfach abhauen." Den letzten Satz würde ich streichen.

" ... sagte er, und blickt nicht vom Bildschirm weg. Es läuft Fußball, eine aufgerissene Packung Flips ..." Vorm "und" kein Komma, aber ich finde den Satz eh etwas unglücklich. Vielleicht:" ... sagte er und blickte nicht vom Bildschirm weg, eine aufgerissene Packung Flips ... Es läuft Fußball."

Dass Toni mit dem Zeugefinger die Autoschlüssel schwenkt, ist mir etwas zu viel.

" ... Einkaufswagen in den Händen ..." Klingt komisch. Vielleicht eher schieben. Oder über den Asphalt scheppern.

" ... Auch meine Schwester trägt Lippenstift." Wieso "auch"?

" ... Ein Gesicht ist vor der Fensterscheibe: ein Mädchengesicht." Nach Doppelpunkt groß, aber ich würde hier eher einen Punkt machen.

" ... Ich weiß nicht genau, wo Spanien liegt ..." Das nehme ich einem 14jährigen nicht ab. Es sei denn, die Geschichte spielt tatsächlich in Amerika.

" ... Durch das Rückfenster sehe ich ihr Beine ..." ihre.

" Wenn wir 'ne Telefonzelle sehen ..." Sowas gibt's noch?

" Er beißt sich die Zähne zusammen." "sich" weg.

Schön fand ich auch den Schäferhund, wie er so ruhig dasitzt, angebunden in der Wohnung. Da ist irgendwie ein stilles Verständnis zwischen Costa und dem Hund. Beide sind sprachlos und bewegungsunfähig, haben sich in ihr Schicksal gefügt, und in seinen Träumen sieht er sie unbeschwert herumspringen. Das ist wirklich sehr schön!

Viele Grüße von Chai

 

Also zigga,

das ist wieder eine Geschichte genau nach meinem Geschmack. Ich habe sie schon gestern gelesen. Nicht auf einen Rutsch, dafür war sie zu lang und ich hatte zu wenig Zeit am Stück, aber sie ist einfach fesselnd geschrieben und deshalb war ich nicht nur gespannt darauf, wie es weitergeht, sondern hab mich tierisch darauf gefreut, weiterzulesen. das ist eine Geschichte zum eintauchen. Merkwürdig für mich dieses Leseerlebnis, ich habe gerade vorher noch mal Anes Geschichte gelesen, die gerade durch die erzeugte Distanz wirkt, hier ist das genau umgekehrt, du ziehst einen hinein in Costas Leben, man folgt ihm und leidet mit ihm. Und ich war unglaublich froh, dass es für ihn so zu Ende gegangen ist, dass er mit dem Erlebten vielleicht nicht fertig werden, aber zumindest abschließen kann.
Ich finde das Ende toll, ach die ganze Geschichte finde ich toll. Die Figurenzeichnung, die Charaktere, deren Vielschichtigkeit. Da ist keiner nur gut und keiner nur schlecht.
Für eine gründlichere Detailarbeit fehlt mir leider die Zeit, bestimmt gäbe es da noch was, aber das muss für dieses Mal im Hintergrund bleiben.


Nur zwei Sachen sind mir während des Lesens aufgefallen:
1. Du neigst manchmal dazu, Zusätze nachzustellen. Ich mag das eigentlich schon, das ist immer eine gute Methode, Atmosphäre zu schaffen und bestimmten atmosphärischen Elementen, wie hier der Schwüle, Gewicht zu verleihen. Aber zweimal in Folgeso dicht aufeinander ist mir das zu viel. Lies mal rhythmisch, das passt irgendwie nicht gut, wenn dieselbe Abfolge sich so schnell wiederholt.

Draußen steht die Hitze, drückend und schwer. Die Sonne hängt weit oben im Himmel, heiß und orange brennt sie auf mich herab, ...
Das zweite ist streng genommen eine andere Abfolge, aber durch das Voranstellen der Adverbialteile wirkt es so wie in dem Satz davor. Eigentlich könntest du es dir einfach machen, indem du "drückend und schwer" streichst, eigentlich steckt das schon in "draußen steht die Hitze" drin. Oder du findest eine andere Lösung.
Solche Abfolgen gibt es auch anderswo, aber da ist es gefälliger und nicht so nah beieinander.

2.

Er zieht die Augenbrauen hoch und wirft mir diesen Blick zu, dann öffnet er die Schranktür und greift nach den Filtern.
Das ist eine Marotte von dir. Oder von Costa. :) Du sagst immer, wenn es ein bestimmter Blick ist, den Personen situationsgerecht einander zuwerfen (ohje, gleich platzt mir die Zunge) "diesen" Blick. Wenn man das einmal gemerkt hat beim Lesen, kriegt man bei jedem diesen Blick Pickel an die Augen. Und du machst das echt oft, geh mal mit Suchfunktion durch. Ich würde wenigstens ein paar "dieser" Blicke ändern. Entweder die Blicke beschreiben. Oder sonstwie den Satz umstellen.

Das hier ist mir jetzt auch noch gerade aufgefallen:

Nachdem mein Vater abgehauen war, sagte meine Mutter, sie wolle nie wieder mit einem Mann zusammen sein. Nachdem sie Assi kennengelernt hatte, sagte sie, sie wolle nie wieder mit einem Mann zusammen sein, also, so richtig, mit Zusammenwohnen und Heiraten und all dem. Nachdem Assi zwei Jahre später bei uns eingezogen war, sagte sie, sie wolle nie wieder heiraten.
Das finde ich nicht gut gemacht. Also eigentlich finde ich die Idee dahinter schön, dass die Mutter immer mehr relativiert, aber bei dem zweiten Markierten würde ich umstellen, damit das auch sprachlich klarer wird: Nachdem sie Assi kennengelernt hat, sagte sie, sie wolle nie wieder richtig mit einem Mann zusammen sein, also mit Zusammenwohnen und Heiraten und all dem. Dann wirken die Wiederholung amS eher in deinem Sinne.

Manchmal frage ich mich, ob das vererbbar ist, ob es vererbbar ist; ob ich mal genauso werde wie er, ob da irgendwas in mir steckt, was auch in ihm steckte, als er jung war.
Einmal vererben genügt doch.

Lieber zigga, hat mir saugut gefallen. Wunderwunderschön, auch wenn es ganz oft weh tut, wie verlassen der Costa ist.
Novak

 

Hallo annami!

Vielen Dank dir erstmal fürs Lesen und Kommentieren.

Ist eine echt schöne Geschichte.
Danke!

Leider ist sie mir viel zu lang.
Ist schon viel, klar. Für mich liegt die Grenze einer Kurzgeschichte bei 50 Normseiten, ich bin hier knapp drunter. Aber für mich gibt es einen Unterschied zwischen lang und langweilig - solange eine lange Geschichte nicht langweilig wird, passt das eigentlich für mich, wenn ich sie denn gerne lese, auf Länge kann sich halt vieles ganz anders entfalten, als auf Kürze. Deswegen würde ich mich hier auch eher hüten, zu kürzen, und das nicht der Kürze willen tun, sondern wenn dann Längen rausschneiden, wo der Text sich zieht - was mich wiederum freut, denn überflüssige Szenen sind dir jetzt nicht direkt aufgefallen, entnehme ich deinem Kommentar einfach mal! :D

Mein Feedback fällt jetzt ziemlich kurz aus, denn ich werde mir nicht die Mühe machen, den ganzen Brocken gezielt nach Fehlern abzusuchen.
Brauchst du nicht, ich nehme alles, auch ein Gesamteindruck hilft mir weiter.

Danke dir für die vielen Detailanmerkungen, ich werde jetzt nicht explizit auf jede eingehen! Aber wenn ich den Text überarbeite, werde ich mit Sicherheit einiges einfließen lassen, merci!

Aber immerhin, dies ist eine der sehr seltenen Stellen in deinem Text, in dem Gesagtes nicht einfach nur gesagt wird. Du solltest ihn nochmal überarbeiten, und mindestens 3/4 der "sagt/sagen" rauskicken und durch Neue Wörter ersetzen.
Naja, ist schon kein Zufall, dass nur gesagt wird. Ich finde, ständige Variationen nehmen den eigentlichen Aussagen ein wenig ihre Kraft, und wirken oft auch so gewollt - da bin ich Anhänger der sagen-Schule. Aber verstehe ich, dass einem das auch nicht so gut gefallen kann, danke für den Hinweis.

Ach ja, wie du Herrn Xings eigensinnige Sprache ausschreibst finde ich störend. Angenehmer wäre es, wenn du irgendwo seinen Akzent oder Sprachfehler erwähnst. (Wenn du das machst, kannst du meinetwegen auch die komisch ausgesprochenen Wörter so stehen stehen lassen.)
Hm ... ich werde mal drüber nachdenken, danke

Ich denke an nichts. An gar nichts ... und ich denke an den Schäferhund ...
Dafür, dass er an nichts denkt, denkt er an ganz schön viel.
Ja, die Bilder sollten erst nach dem Nichtdenken kommen, so hatte ich das gedacht ... ich denke mal drüber nach

Das wars erstmal von mir, ich hoffe, ich konnte ein bisschen weiterhelfen.
Hast du, danke!

Liebe Anna, vielen Dank dir noch mal, auch für das genaue Lesen. Hat mich gefreut!

Hallo Chai,

puh, was für eine Geschichte! Die musste ich erstmal sacken lassen.

Mann, das ist natürlich ein Bombenkommentar. Den musste ich meinerseits erst mal sacken lassen. Habe mich sehr, sehr gefreut, natürlich, so ein Verständnis der Geschichte und Emotionenauslösen wünscht man sich als Autor natürlich immer. Toll!!

Also vorweg: Das hat mir richtig richtig richtig gut gefallen! Ich liebe Milieu-Studien, und deine Geschichte bleibt für mich nicht auf dem Niveau einer Reality-Sow stecken, sondern gibt einen tiefen Einblick in die Psyche eines verlorenen Teenagers, der sich - zu Recht - von aller Welt unverstanden fühlt. Atmosphäre und Figuren werden so plastisch beschrieben, dass ich von Anfang an sofort drin war und die story in einem Rutsch durchgelesen hab. (Und das soll schon was heißen auf meinem kleinen Telefon hier.)
Super, ich freue mich

Dein Protagonist ist unglaublich sympathisch, auch Asi, Greeny und seine Schwester, obwohl die ja nun wirklich nicht gut wegkommt. Nur die Eltern der beiden Hauptfiguren sind undurchsichtig, brutal, verständnislos. Costas Mutter ist mit den Nerven am Ende, fühlt sich vom Leben betrogen und lässt ihren Frust an Asi und Costa aus, die Schwester wirkt total oberflächlich. Costa wird zum Klotz am Bein, belogen und ausgeschlossen. Die Mutter versucht ihre extremen Stimmungsschwankungen zu vertuschen, lässt Costa an seiner Wahrnehmung zweifeln, Asi zieht aus und wieder ein, und die Kinder werden in seinem Beisein gefragt, ob das ok ist. Aus die Maus.
Kein Wunder, dass er seinen Vater immer mehr idealisiert, sich vorstellt, dass der irgendwo in der Südsee hockt, mit Geld wie Heu und womöglich einer dicken Havanna zwischen den Zähnen. Dabei ist er in Holland, vielleicht irgendwo auf den Straßen von Amsterdam und hat seine Hände bei allen möglichen Deals im Spiel, oder sogar im Knast. Und die Mutter, obwohl ich ihre Verzweiflung verstehen kann, will mir einfach nicht sympathisch werden, und obwohl Costa sie bewundernd Löwenmutter nennt, bleibt sie irgendwie nur eine Randfigur. Sie redet nicht mit ihm, sie kümmert sich nicht um seine Sorgen und sonst wird eigentlich mehr über sie erzählt, als dass sie wirklich da ist. Und die Freunde sind auch weg.
Da sehe ich ihn bildlich vor mir, wie er das Fahrrad an Gleisen und Güterzügen entlangschiebt, leerstehenden Häusern und Industriekomplexen, und es bleibt nicht bloße Kulisse, sondern ich erlebe Costas Trostlosigkeit mit, fühle mich teilweise an meine eigene Jugend erinnert, alles ist Scheiße.

Was mich besonders freut, ist, wie die Figuren bei dir gewirkt haben. Dass du meine Helden so sympathisch fandest, und dass du die Leute gesehen hast, wie du sie gesehen hast. Ich habe sie nämlich genauso vor Augen gehabt beim Schreiben, in all ihren Facetten, und es ist natürlich einfach schön zu sehen, wenn du als Leser außerhalb meines Kopfes die selben Figuren vor Augen hattest. Als ob es echte Menschen wären, und, äh, irgendwie sind sie auch für mich echte Menschen, und das freut mich besonders. :D Und natürlich, dass ich dich packen konnte.

Die Atmosphäre erinnert mich nicht nur durch Greeny an Amerika, sie hat, trotz der Enge auf der einen Seite, eine Weite an Tristheit und Ödnis, irgendwo in Iowa oder so, die andauernde Hitze, die Weite des Himmels, die in verschiedenen Formen und Farben beschrieben wird, die Güterzüge, der Traum von Freiheit. Dazu kommen noch der Ford und der Mann im Hawaiihemd. Das alles hast du zu einer spannenden Geschichte geformt, die mir einen Kloß im Hals zurücklässt, ohne auf die Tränendrüse gedrückt zu haben.
Ja, sau interessant, was du da schreibst. Du hast natürlich recht auf eine Art, obwohl ich beim Schreiben überhaupt nicht an Amerika dachte. Vielleicht liegt es an einer Art literarischen Sozialisation, dass ich viele Amis gelesen habe, dass ich ein großer Fan der Grit Lit bin, des literarischen, "dreckigen" Südens; dennoch wollte ich da keinen billigen Abklatsch schaffen, das hatte ich nie vor, sondern hatte immer meine Heimatstadt vor Augen, wie es dort aussieht und wie es sich dort angefühlt hat, zu leben. Ich denke, da ist viel von beiden Einflüssen mit rein gelaufen, in den Text - zu viel Amerika hätte ich nicht gut gefunden, das könnte den Leser irgendwie rauskicken, denke ich, von wegen Authentizität usw.
Aber schön auf jeden Fall, wie das bei dir gewirkt hat!

Bei Greenys und Jessis Eltern bekomme ich nur eine kurze Szene zu sehen, habe mir natürlich einen Schrank als Vater vorgestellt, ein brutales Arschloch und war im ersten Moment überrascht, dass er im Rollstuhl sitzt, aber er hat dadurch nichts an Brutalität für mich verloren. Wahrscheinlich tyrannisiert er die ganze Familie, die Mutter hat sich selbst aufgegeben.
Yes. Toll, dass du mir deine Eindruck so detailliert beschreibst - das bringt mir echt viel! Man weiß ja nie, wie einzelne Szenen usw. bei anderen wirken, und bei solchen Einschätzungen deinerseits kriege ich wirklich einen schönen Einblick. Ich finde auch, man hat da als Leser eine gewisse Erwartungshaltung, wer die Eltern von Greeny jetzt tatsächlich sind, und ich glaube, ich hätte es langweilig gefunden, wenn da jetzt der typische Armysoldat die Tür öffnet, ein Drill-Sergent, wie man ihn sich vorstellt und erwartet. Ich fand das Bild der abgetrennten Beine schön, und es wirft ja noch mehr Fragen und Vorstellungen auf, wer Greeny wirklich ist, und wer seine Eltern sind, und was da abgeht. Finde ich schön, dass der Vater für dich nichts an seiner Brutalität verliert. Danke!

Als dann noch die Heroinabhängigkeit beider (!) Kinder ins Spiel kommt, wurd's mir fast ein bisschen zu viel, aber natürlich brauchtest du die, um die Katastrophe auf die Spitze zu treiben. Nur eins hab ich nicht ganz verstanden. Erst hab ich gedacht, das wird noch geklärt, dass das kein Haschisch ist, und Costa ist da ja auch ganz naiv rangegangen. Also, er hat's schon kapiert, aber war sich irgendwie nicht sicher. Die Blässe von Greeny und die Magerkeit der Schwester weisen schon darauf hin, dass sie abhängig sind, vor allem die Schwester. Nur, warum gibt Greeny Costa dann was ab?/Oder macht er das nur ab und zu? Aber wieso ist er dann so bleich?
Hm. Also ich bin der Ansicht, ein Text muss für sich sprechen, und das Fatalste wäre, wenn sich der Autor neben dran mit dem Zeigestock stellt, und den Lesern nach der Lektüre erst mal alles erklärt, was sie da gelesen haben. Ich fasse das mal so auf, dass das für dich eine unklare Stelle war, die evtl. in einer Überarbeitung noch ausgebaut werden kann. Wenn ich das so lese, wären die beiden jetzt für mich kein klassischer Fall von klarer Opiatabhängigkeit. Ich glaube, als Leser würde ich das Greeny sogar glauben, dass er da seinem Vater was geklaut hat, und dass er eigentlich gar nicht weiß, was das ist. Oder doch? Ich bin mir nicht sicher. Ich denke mal drüber nach.

Das Ende fand ich schön. Ich bin froh, dass es Hoffnung für Costa gibt. Und Asi war mir von Anfang an sympathisch, ich bin erleichtert, dass ich mich da nicht getäuscht hab.
Super! Manchmal denke ich, man hat als Autor fast eine Verantwortung, die Emotionen der Leser am Ende nicht vollkommen in die Tonne treten, sondern einen Lichtblick zu lassen. Ich kenne das von mir selbst. Wenn ich harte Bücher lese, denke ich mir oft: Autor, wehe alles geht schlecht aus, dann hab ich wegen dir einen scheiß Tag. Hoffentlich lässt du XY doch noch irgendwie einen Lichtblick!

Vielen Dank dir auch für die vielen Detailanmerkungen, Chai, ich gehe da jetzt mal nicht auf jeden einzelnen ein, aber sei dir gewiss, dass ich sie beim Überarbeiten auf jeden Fall alle durchdenken werde. Danke!

Danke dir für den Hammer-Kommentar, Chai, hat mir den Abend versüßt.

Liebe Novak,

schön, von dir zu hören/lesen!

das ist wieder eine Geschichte genau nach meinem Geschmack. Ich habe sie schon gestern gelesen. Nicht auf einen Rutsch, dafür war sie zu lang und ich hatte zu wenig Zeit am Stück, aber sie ist einfach fesselnd geschrieben und deshalb war ich nicht nur gespannt darauf, wie es weitergeht, sondern hab mich tierisch darauf gefreut, weiterzulesen. das ist eine Geschichte zum eintauchen.
Yes! Was für ein Lob. Ich versinke im Boden. Danke dir.

Und ich war unglaublich froh, dass es für ihn so zu Ende gegangen ist, dass er mit dem Erlebten vielleicht nicht fertig werden, aber zumindest abschließen kann.
Ich finde das Ende toll, ach die ganze Geschichte finde ich toll. Die Figurenzeichnung, die Charaktere, deren Vielschichtigkeit. Da ist keiner nur gut und keiner nur schlecht.
danke, danke, danke! Ich freue mich.

Für eine gründlichere Detailarbeit fehlt mir leider die Zeit, bestimmt gäbe es da noch was, aber das muss für dieses Mal im Hintergrund bleiben.
Das macht überhaupt nichts. Ich bin ja schon froh, dass diesen langen Text überhaupt welche lesen.

Nur zwei Sachen sind mir während des Lesens aufgefallen:
1. Du neigst manchmal dazu, Zusätze nachzustellen.
Das stimmt und du hast recht. Ich hab echt so ein paar Marotten, was Sprache angeht, die ich auch selbst weiß, aber die ich irgendwie nicht sein lassen kann. Da hast du wirklich den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich werde den Text noch mal dahingehend durchsehen, vielen Dank dir!

2.
Er zieht die Augenbrauen hoch und wirft mir diesen Blick zu, dann öffnet er die Schranktür und greift nach den Filtern.
Das ist eine Marotte von dir.
Ja! Du hast recht. Ich kann das einfach nicht sein lassen :D

Das hier ist mir jetzt auch noch gerade aufgefallen:

Nachdem mein Vater abgehauen war, sagte meine Mutter, sie wolle nie wieder mit einem Mann zusammen sein. Nachdem sie Assi kennengelernt hatte, sagte sie, sie wolle nie wieder mit einem Mann zusammen sein, also, so richtig, mit Zusammenwohnen und Heiraten und all dem. Nachdem Assi zwei Jahre später bei uns eingezogen war, sagte sie, sie wolle nie wieder heiraten.
Das finde ich nicht gut gemacht. Also eigentlich finde ich die Idee dahinter schön, dass die Mutter immer mehr relativiert, aber bei dem zweiten Markierten würde ich umstellen, damit das auch sprachlich klarer wird: Nachdem sie Assi kennengelernt hat, sagte sie, sie wolle nie wieder richtig mit einem Mann zusammen sein, also mit Zusammenwohnen und Heiraten und all dem. Dann wirken die Wiederholung amS eher in deinem Sinne.
Ah, super, Novak. Ehrlich: Mit dem Satz bzw. der Konstellation bin ich nach wie vor nicht ganz glücklich, das ist eine der wenigen Stellen, die man einfach nicht geschliffen bekommt in seinem Text. Danke dir für die Anmerkung, werde ich umsetzen

Manchmal frage ich mich, ob das vererbbar ist, ob es vererbbar ist; ob ich mal genauso werde wie er, ob da irgendwas in mir steckt, was auch in ihm steckte, als er jung war.
Einmal vererben genügt doch.
Du hast recht. Marotte! Ich kille es sofort


Novak, auch dir vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren, gerade bei so einem Mammut-Ding. Ich hab mich wirklich sehr gefreut!

 

Moin zigga,

so macht man mich glücklich - eine richtig lange Geschichte, also ab, mit Stift und ausgedruckter Variante, in die Badewanne.
Ich mag erste Sätze und Deiner ist für mich gut. Ich hab sofort ein Bild vor mir, wenn ich mich für die Assoziation von Asi (Assi), zu sozial schlechten Verhältnissen auch schäme.

Von Deinen Dialogen kann ich mir eine dicke Scheibe abschneiden, die zeigen mir Deine tollen Prots ganz dicht, ganz nahe. Du nimmst mich hier mit, in eine Welt, die mir völlig fremd ist, die mir Angst macht, mich in meinem komfortablen heilen Welt unsicher werden lässt, aber das ganze mit eine Leichtigkeit und, ja Hoffnung ist das, was ich immer wieder aufblitzen sehe. Da ist nichts Schwarz/Weiß, da sind von allen so verschieden Signale und offene Möglichkeiten - wirklich gut geschaut und rüber gebracht. Ich hab den Stift in der Wanne versenkt, die Geschichte in einem Rutsch gelesen (zum Glück ist die Wanne gut isoliert, die Wärme hat also gehalten).

Konstruktiv kommt von mir leider nicht viel, aber ich hab auch beim heutigen zweiten Mal drüber lesen, die zwei Stellen gefunden, an denen ich stutzte. Vielleicht ist es regional, oder ich sehe es zu eng, aber ansagen schadet nie.

»Kann sein«, sage ich, dann hole ich mir eine Tasse aus dem Schrank, schenke mir den ersten Schwall Kaffee ein und gehe hinten aus dem Haus raus, setze mich auf die Treppenstufen und schaue ein paar Lastwagen und Traktoren hinterher, die auf der Straße vor unserem Haus Richtung Stadt fahren. Ich nippe am Kaffee, ziehe an meiner Kippe. Der Himmel ist blau, wolkenfrei, und die Sonne steht noch tief im Osten und wirft erste, helle Lichtstrahlen auf mich herab. Es stinkt nach Erde und Dung. Assi also hier. Schöner Scheiß!

»Ich verhunger’ gleich«, sagt Assi lächelnd, und meine Mutter nimmt grinsend den Nudelheber in die Hand und greift die erste Portion heraus.
Hier passten für mich die Beschreibungen bzw. gewählten Wörter nicht, jedenfalls hab ich innerlich den Kopf geschüttelt.

Ich habe es sehr genossen, wie Du mir die schwierigen, eigentlich ja schon entglittenen Jugendlichen gezeigt hast, man sieht das Unglück geradezu kommen, den Punkt ohne Rückkehr. Aber da ist immer auch jemand, der noch ran kommt, der es kann. Ich bin so eine typische "heile-Welt-alles-wird-gut"-Frau, mir wären wahrscheinlich fünf Geschichten eingefallen, wie jemand das alles zum guten klärt - aber so ist das Leben nun mal nicht. Also ist Deine ehrliche und harte Geschichte viel wahrer und daher für mich auch viel schöner. Und ja, Deine Hoffnungsblitz am Ende, Asi, der ihm die Hand reicht und sie es irgendwie "aufräumen" - Dankeschön, es gebe noch vieles zu loben, aber da hat der Umfang der Geschichte leider seinen einzigen Nachteil, es dauert zu lange :-)

Herzlichen Dank für das Vergnügen und die besten Wünsche
witch

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo zigga,

das ist eine absolut berührende Geschichte, nein: eher ein Film, ich habe alles vor mir gesehen und meine inneren Ohren haben ganz leise ein Saxophon im Hintergrund gehört.
Mir war der Text nicht zu lang, um ihn zu lesen, wohl aber, ihn jetzt im Detail kommentieren zu können, daher hinterlasse ich dir nur einen kurzen Leseeindruck -aber da der positiv ist, sollst du ihn auch haben.
Du lässt dir Zeit, die Figuren einzuführen, man kommt wirklich ganz nah an sie ran, vor allem natürlich an Costa, man sieht durch seine Augen, und trotzdem bleibt einem noch lange verborgen, was er nun eigentlich angestellt hat und warum er nicht mehr mit seinen Freunden zusammen sein kann oder will. Das ist spannend.
Schön, dass die Figuren nicht schwarz/weiß gezeigt werden, Assi (schon toll: der Name!) war mir, wie (wahrscheinlich) gewünscht, erst nicht sympathisch, aber am Ende wird er ja richtig wichtig und gut für Costa. Der ja auch immer irgendwie versucht, eine „männliche Orientierung“ zu finden:

Ich habe noch nie einen Mann wie Herrn Xing gesehen.
da musste ich an meinen Vater denken. Und manchmal, wenn ich mich im Spiegel ansehe, da frage ich mich, ob er auch so ausgesehen hat, früher, als er so alt war wie ich
Seine Gesichtszüge sind knochig und kantig, und ich kann mir gut vorstellen, welches Gesicht er als Mann einmal tragen wird.

Was ich auch interessant fand, dass du die eigentliche Geschichte, die länger zurückliegt, in der Gegenwartsform schreibst, und den Schluss, der ja sozusagen Gegenwart ist, in der Vergangenheitsform. (Bei einer Geschichte, an der ich herumbastle, habe ich das auch so – wahrscheinlich gibt es das ja auch ganz oft, aber es fällt einem dann nicht immer so auf ...)

Apropos Vergangenheit: Wann, denkst du denn, handelt die Geschichte?
Ich habe deshalb überlegt, weil die mit Euro bezahlen. Aber am Ende, als Costa schon Frau und Werkstatt hat und in seiner Wunschvorstellung Greeny auch alt geworden sein könnte - dann kann das ja theoretisch erst 16 Jahre her sein, weil‘s denn Euro erst solange gibt.
Dann wäre Greeny erst 31, aber das erscheint natürlich auch alt, wenn man 15 ist - und vielleicht ist es ja auch nur die Vorstellung von Costa und zeitlich gar nicht so genau zu nehmen. Hinweisen wollte ich dich trotzdem darauf.

»Was machst’n überhaupt schon auf?«, sagt er,
Wasdn aufmachen? Sagt man das so und nur ich kenne das nicht? Oder einfach „Was bist’n“ überhaupt …?

»Du arbeitest hier?«, sagt er. »Als was?«
Ich denke kurz nach, dann sage ich: »Kartonzerreißer.«
Kartonzerreißer ist klasse! :)

Es kommt mir eher vor, als hätten Greeny und ich uns da etwas zurückgeholt, von dem wir lange Zeit vergessen hatten, dass es auf eine Art uns gehörte.
Absolut schön!

Die Autofahrerei hat mich ein wenig an Tschick erinnert, aber nicht schlimm, nicht geklaut,
es gibt ja immer genug Jugendliche, die mit gestohlenen Autos durch die Gegend fahren.

…wollte irgendwas sagen, hallo oder schönes Wochenende vielleicht
Hallo und Schönes eher groß?

Ich habe das sehr gerne gelesen! Wann kommt der Film?

Liebe Grüße von Raindog

 

Hey Zigga,

Ich wollte mit meinem Kommentar keinesfalls anmerken, dass deine Geschichte langweilig ist. Ich fand sie wirklich gut. Und du hast recht, mir ist keine Stelle eingefallen, die du kürzen könntest. Der Text konnte sich wirklich gut entfalten.Alles gehört für mich irgendwie dazu. Deshalb hab ich auch gar nichts dagegen, wenn du nicht kürzt.

Dass sehr viele verschiedene Variationen von sagen vom Text ablenken, und ihm die Kraft nehmen können, kann ich auch verstehen, allerdings sind es mir doch ein bisschen zu viele sagens.

Zum Beispiel hier:

"Hey", sage ich ... "Hey", sagt er. "Können wir labern", sageich ... dann kratzt er sich am Kopf, nickt, und sagt: "Na gut."

Als Kompromiss könnte man ja wenigstens ab und zu mal fragen und/oder antworten verwenden, oder?
Das ist immernoch schön schlicht, aber nicht ganz so eintönig.

Vielen Dank für deine detaillierte Antwort, so macht das Kommentieren doch gleich doppelt Spaß.

Liebe Grüße nochmal,
Anna

 

Hallo zigga,

nee, also versteh mich nicht falsch, was Greeny's Vater angeht. Ich fand's gut, dass er eben nicht der Klischee-Army-Fritze war. Und seine Erscheinung hat ihn fast noch brutaler gemacht.
Was das Heroin angeht, habe ich mich auch kurz gefragt, ob Greeny vielleicht gar nicht weiß, was er da tut, aber das Rauchen scheint mir ja schon ein ziemlich komplizierter Vorgang zu sein, woher weiß er das denn so genau? Vermutlich raucht der Vater im Beisein der Kinder, irgendwo war da so eine Stelle im Text, aber war das nicht Costas Vater? Hm. Vielleicht irre ich mich da. Aber irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass ein 15jähriger Kleinkrimineller den Unterschied zwischen Haschisch und Heroin nicht kennt.

Einen schönen Abend wünscht dir Chai

 

Hallo zigga,

gleich am Anfang kam ich ablaufmäßig ins Stocken:

In der Hand hält er zwei Kaffeetassen, seine Haare sind zerzaust. Er heißt tatsächlich Asi, das ist die Kurzform seines türkischen Vornamens, aber man spricht es: Assi. Und so nenne ich ihn auch: Assi.
»Guten Morgen erst mal«, brummt er nach ein paar Sekunden vorwurfsvoll, und fährt sich durch die Haare.
Wie kann er sich durch die Haare fahren mit zwei Kaffeetassen in den Händen? Ich weiß, das ist nur eine Kleinigkeit und so, aber das hat mich stutzen lassen.

Assi hebt die Hand wie zu einer Ohrfeige.
Das ist interessant gemacht. Der Erzähler weiß, dass der Typ eigentlich Asi heißt, aber er nennt ihn dann im Text doch immer Assi. Er scheint Asi nicht zu respektieren, ihn tatsächlich eher als Assi zu sehen, so kommt es mir vor. Das fand ich schlau gemacht von dir. Also die Schwingungen zu beschreiben zwischen den beiden, ohne sie wirklich zu benennen.

Und manchmal, wenn ich mich im Spiegel ansehe, da frage ich mich, ob er auch so ausgesehen hat, früher, als er so alt war wie ich, ob da dieselbe spitze Nase oder eine ähnlich dicke Lippe in seinem Gesicht hing. Manchmal frage ich mich, ob das vererbbar ist, ob es vererbbar ist; ob ich mal genauso werde wie er, ob da irgendwas in mir steckt, was auch in ihm steckte, als er jung war.
Das ist eine Überlegung, die ich ebenfalls kenne, also die Frage danach, was steckt von den Eltern in ihren Kindern, mal abgesehen von den physischen Merkmalen. Wenn der Vater abhaut, ruhelos ist, verantwortungslos und egoistisch, sind diese Charakterzüge dann auch in seinem Sohn vorhanden? Das ist sehr interessant und ich neige dazu, dem zuzustimmen, mit der Einschränkung, dass jeder Charakterzug sich dennoch anders auswachsen kann. Je nach Erfahrungen, nach Begegnungen, nach Eindrücken, die ein Mensch individuell sammelt.

Es ist kurz nach zwölf Uhr, und als mir ein paar Kids in meinem Alter entgegenlaufen, mit Caps und East Packs, blicke ich instinktiv weg, obwohl meine Schule gar nicht hier in der Nähe ist.
Er scheint sich für irgendetwas zu schämen, das an der Schule passiert ist ...

Weiter vorne schließe ich das Rad ab, steige über die hüfthohe Backsteinmauer, laufe einen kurzen Gang entlang, und dann stehe ich plötzlich direkt an den Gleisen. Keine Ahnung, was das früher mal für ein Gebäude war, aber auf jeden Fall ein geiler Spot
Hier komme ich nicht so ganz mit. Er steigt über eine Mauer und befindet sich plötzlich in einem Gang? Wie eine Art Tunnel? Und dann steht er direkt an den Gleisen, aber eigentlich in einem Gebäude? Das erschließt sich mir nicht so ganz, aber vielleicht bin ich da gerade schwer von Begriff.

mit Blick auf den Zügen
- mit Blick auf die Züge

klar, sie sind meine Kumpels, und sie haben mir geschrieben, als sie zum See oder zu McDonald’s gefahren sind – und ich habe keine Angst vor ihnen, ich komme damit schon klar; aber ich kann sie einfach noch nicht sehen, noch nicht jetzt.
Jetzt bin ich voll drin. Wenn er suspendiert wurde, weil er seinen Lehrer geschlagen hat, dann verstehe ich die Scham vor seinen Jungs nicht. Eigentlich würde ihm das doch Respekt verschaffen, nehme ich an. Bin gespannt, was dahinter steckt ...

Und als er wieder klar war, mein Onkel, da isser aufgestanden, rausgegangen, und nie wieder zurückgekommen. Is’ einfach auf den nächsten Zug gesprungen, hinten auf die Ladefläche, und weg war er.
Das ist sowas, das ist einerseits unfassbar mutig und stark, andererseits auch traurig und einsam. Ich frage mich, warum Greeny unbedingt weg will. Ob sein Vater wiederum nach seinem Vater kommt, es Gewalt in der Familie gibt, wenn Greenys Dad mal daheim ist. Ich musste bei diesem Absatz an "Der Fänger im Roggen" denken, das habe ich vor kurzem gelesen und war richtig begeistert. Holden redet auch oft darüber, abzuhauen, aus Gründen, die man nicht so wirklich nachvollziehen kann. All seine Pläne sind so aufgeregt und gleichzeitig so traurig, weil man spürt, er wird sie nicht umsetzen, weil man spürt, wie einsam er eigentlich ist. Ähnlich ging es mir hier bei dem Gespräch zwischen Greeny und Costa.

Hier bin ich wieder kurz verwirrt:

Draußen vor der Haustüre höre ich sie schon, Assi und meine Mutter.
Und dann, ein bisschen weiter unten:
»Wo is’n die Mutter?«, sage ich, nehme mir noch ein paar Flips und schaue auf das Spiel.
»Arbeitet länger«, sagt er.
Wie kann er denn Assi und seine Mutter hören, wenn sie noch arbeiten ist?

Es kommt mir eher vor, als hätten Greeny und ich uns da etwas zurückgeholt, von dem wir lange Zeit vergessen hatten, dass es auf eine Art uns gehörte.
Je mehr ich lese, desto mehr verliebe ich mich in die Geschichte. Ich bin total drin, in diesem Sommer, der Hitze, dem Gefühl, 14 zu sein, dem Gefühl, alles gehört uns, diese Leichtigkeit. Das spüre ich vor allem auch hier, in diesem einen Satz.

Ich ertappe mich dabei, die letzten Minuten stillschweigend aus dem Autofenster gestarrt zu haben.
Den Satz finde ich unhandlich. Warum nicht einfach: Die letzten Minuten habe ich nur stillschweigend aus dem Autofenster gestarrt. Oder so. Also einfach klarer, ohne dieses "ich ertappe mich", denn bei den ganzen Gedanken, die er davor hat, ist es klar, dass er schweigend dasitzt, dieses Ertappen klingt irgendwie so, als wäre Costa davon überrascht.

»Nicht dein Ernst, oder?«, sage ich. Ich fahre mir durch die Haare, lache kurz auf. Alles hinter sich lassen: Ich stelle es mir vor. Jetzt, sofort; nie wieder Assi, der Psychologe oder Herr Xing. »Das wär’ was«, sage ich.
Greeny sieht mich an, nachdenklich, ernsthaft; dann grinst er wieder, lacht, legt den Gang ein und wendet den Wagen.
»Wir müssen zurück«, sagt er.
Hier ist es wieder, das ist schon fast schmerzhaft, für mich jedenfalls. Dieses Streben nach vermeintlicher Freiheit, diese Sehnsucht nach Leben und die gleichzeitige Angst vor den Konsequenzen, das Eingeengtsein in der Welt, in der man sich schon mal eingerichtet hat.

Who’s car is this?
Ich will ja nicht klugscheißen, aber heißt es nicht: Whose car is this?

Ein Kloß breitet sich in meinem Hals aus, als ich über all das nachdenke, und da ist dieses Gefühl, nirgends wirklich dazuzugehören. Ich denke an meinen Vater, und dieses Gefühl, auf eine Art zu ihm zu gehören, macht mich einerseits glücklich, andererseits wütend, ängstlich.
Ich weiß nicht, wie sehr du an diesen Sätzen hängt, aber ich würde sie streichen. Genau das, was du hier aussprichst, spüre ich schon den ganzen Text hindurch. Du hast das richtig gut erzählt, also davor, in diesen einzelnen Situationen bekomme ich ein richtiges Gespür für Costa und ich kann ihn verstehen. Seine Einsamkeit, seine Wut, dieses Gefühl, die anderen machen einfach weiter und ich bin der einzige, der das nicht kann. Und ich finde es schade, dass es mir hier mit diesen Sätzen so plakativ vorgesetzt wird. Das braucht es gar nicht.

und als ich Assi, meine Mutter und meine Schwester dort in der Küche sitzen, trinken und lachen sehe, erkenne ich auch einen Jungen, der sich hinter der Tür versteckt: Ganz grau ist der Junge, und innen hohl, und er fletscht die Zähne wie ein Hund, und um seinen Hals ist eine Leine gezogen
Auch ein krasser Moment, eine krasse Beschreibung.

»Wenn wir ’ne Telefonzelle sehen, rufen wir gleich den Krankenwagen«, sage ich. »Vielleicht wacht sie ja dann wieder auf«, sage ich. »Vielleicht spritzen sie ihr irgendwas, und sie war bloß bewusstlos«, sage ich.
Scheiße, der Kleine steht total unter Schock.

»Einfach abhauen gibt’s hier nicht!«, schreit sie. »Du nicht!«, schreit sie.
So langsam habe ich einen riesengroßen Knoten im Bauch ...

lag sie wirklich auf dem Rücksitz? Habe ich wirklich Greeny kennengelernt? Ist mein Vater wirklich abgehauen, als ich sieben Jahre alt war? Ich sehe mich im Glas des Snack-Automaten; bin das wirklich ich? Sehe ich so aus?
Seine Realität verschwimmt, das Gefühl für sich selbst.

»Leb wohl«, sagt er
Das kommt mir irgendwie zu geschwurbelt daher für jemanden wie Greeny.

»Können wir labern?«, sage ich. Asi sieht mich einen Moment lang musternd, skeptisch und ernst an
Mann, ich finde das richtig richtig gut, wie du das gemacht hast!

und heute sind sie noch immer irgendwo da draußen, im Süden, in der Sonne, am Strand, und sie ist so dünn und zerbrechlich wie eh und je, mit einem gelben Strohhut auf dem Kopf; und Greeny ist alt geworden, ein Mann, mit eckigen, kantigen Gesichtszügen, die Haare kurz geschoren, bis auf die Kopfhaut; und alles wäre gut.

zigga, großes Kompliment, ich finde den Text wirklich richtig gut. Ich muss das erstmal alles sacken lassen, aber mich hast du gekriegt. Ich lese die Geschichte die Tage sicherlich noch einmal ... Da ist so viel drin, Dinge, mit denen ich mich identifizieren kann, Dinge, die ich bei anderen beobachten konnte, die mir mal sehr nahe standen. Macht mich fertig gerade - aber auf eine gute Art und Weise.
Dieses Gefühl in der Pubertät, bzw. diese vielen Gefühle während dieser Zeit, das Ruhelose, das Verzweifelte, dieser Schicksalsschlag, wo du doch bis zum Schluss die Möglichkeit offen lässt, die Kleine könnte noch am Leben sein - zumindest für Costa -, die Verehrung seines Vaters, die mich fast schon traurig gemacht hat, die Mutter ... Das ist einfach krass viel und ich kann da im Detail gerade gar nicht so viele Worte finden, dafür hat mich der Text irgendwie überwältigt.

Aber - darauf will ich eigentlich hinaus - richtig gut ist die Geschichte!
Liebe Grüße
RinaWu

 

Hallo, zigga

Wow, das Ende dieser Geschichte hat mich wirklich zu Tränen gerührt. Es ist melancholisch und mysteriös, hoffnungsvoll und erlösend. Am Ende ist alles möglich. Das ist so wunderschön.

Dass ich trotz der Länge bis zum Ende gekommen bin, zeigt, dass auch der Rest der Geschichte hervorragend ist. Es begann für mich wie "Tschick" - mit einer seltsamen Freundschaft und dem Beginn eines Roadtrips. Nur düsterer, unter unheilvolleren Vorzeichen. Dass das Ende voller Hoffnung ist, finde ich umso erstaunlicher.

Besonders gefallen hat mir tatsächlich die Beziehung zwischen Costa und Asi. Sie ist so voller Wendungen, so zerbrechlich und zartfühlend. Das ist etwas ganz Kostbares. Das Besondere daran ist, dass man dies von Anfang an spürt. Großartig.

Eine Sache hat mich beim Lesen total gestört. Es wurde hier schon angemerkt, aber ich wollte sagen: Mich als Kommanärrin hat Deine Zeichensetzung am "und" wahnsinnig gemacht. Ich beobachte gerne, wie Fehler sich entwickeln, welchen Regeln sie folgen ... Du machst ein paar Zeichensetzungsfehler, bei der Länge des Textes ist das aber i.O. Aber Deine Zeichensetzung an "unds" ist völlig willkürlich. Ich habe mal ein Beispiel mitgebracht:

»Schon mal gekifft?«, sagt er, faltet die Alufolie zu einer Mulde und stochert mit dem Röhrchen darin herum.
»Ja«, sage ich, und halte mein Feuerzeug neben Greeny, um ihm Licht zu geben. Ich sehe das braune, dunkle Pulver, die reflektierende Aluminium-Folie. »Hab gedacht, das sieht anders aus«, sage ich, und nicke auf Greenys Schoß.

Das erste "und" ist richtig ohne Komma, die zweiten "und"s falsch mit Komma. Solche Kommata setzt Du aber so häufig, dass ich mich gefragt habe, ob es ein Stilmittel ist, weil es in der englischen Sprache so gemacht wird. Da Du dies aber nicht voll durchziehst (siehe erstes "und" im Beispiel) glaube ich das nicht - ich würde dieses Stilmittel auch nicht besonders gelungen finden. Kommata an "und"s sind nur in einem Falle wirklich notwendig: wenn davor ein Nebensatz eingeschoben wurde. Ansonsten KANN man das Komma setzen, wenn danach ein neues Subjekt kommt. Ansonsten wird kein Komma gesetzt. Ich nehme an, das weißt Du. Deine Fehlerdichte am "und" ist aber so wahnsinnig hoch - es hat mich ganz kribbelig gemacht, weil ich eigentlich dachte, dass jemand, der so toll schreibt, so etwas wissen muss.

Ich hoffe, das klang jetzt nicht zu kleinkariert von mir. Aber es waren wirklich viele Fehler ... Das hat mein Lesevergnügen trotzdem nicht ruiniert. Als relativer Newbie hier fühle ich mich zu mehr Kritik auch gar nicht befähigt. Außerdem hatte ich wirklich viel Spaß und viel Melancholie mit Deiner Geschichte. Gerne wieder.

Viele Grüße,
Maria

 

Hallo greenwitch!

Vielen Dank dir fürs Lesen und Kommentieren!

so macht man mich glücklich - eine richtig lange Geschichte, also ab, mit Stift und ausgedruckter Variante, in die Badewanne.
Ich mag erste Sätze und Deiner ist für mich gut. Ich hab sofort ein Bild vor mir, wenn ich mich für die Assoziation von Asi (Assi), zu sozial schlechten Verhältnissen auch schäme.

Von Deinen Dialogen kann ich mir eine dicke Scheibe abschneiden, die zeigen mir Deine tollen Prots ganz dicht, ganz nahe. Du nimmst mich hier mit, in eine Welt, die mir völlig fremd ist, die mir Angst macht, mich in meinem komfortablen heilen Welt unsicher werden lässt, aber das ganze mit eine Leichtigkeit und, ja Hoffnung ist das, was ich immer wieder aufblitzen sehe. Da ist nichts Schwarz/Weiß, da sind von allen so verschieden Signale und offene Möglichkeiten - wirklich gut geschaut und rüber gebracht. Ich hab den Stift in der Wanne versenkt, die Geschichte in einem Rutsch gelesen (zum Glück ist die Wanne gut isoliert, die Wärme hat also gehalten).

:D Das freut mich. In der Badewanne habe ich auch immer die besten Ideen.

Konstruktiv kommt von mir leider nicht viel, aber ich hab auch beim heutigen zweiten Mal drüber lesen, die zwei Stellen gefunden, an denen ich stutzte. Vielleicht ist es regional, oder ich sehe es zu eng, aber ansagen schadet nie.
Das macht mir überhaupt nichts. Jeder Lesereindruck hilft mir weiter.

»Kann sein«, sage ich, dann hole ich mir eine Tasse aus dem Schrank, schenke mir den ersten Schwall Kaffee ein und gehe hinten aus dem Haus raus, setze mich auf die Treppenstufen und schaue ein paar Lastwagen und Traktoren hinterher, die auf der Straße vor unserem Haus Richtung Stadt fahren. Ich nippe am Kaffee, ziehe an meiner Kippe. Der Himmel ist blau, wolkenfrei, und die Sonne steht noch tief im Osten und wirft erste, helle Lichtstrahlen auf mich herab. Es stinkt nach Erde und Dung. Assi also hier. Schöner Scheiß!
»Ich verhunger’ gleich«, sagt Assi lächelnd, und meine Mutter nimmt grinsend den Nudelheber in die Hand und greift die erste Portion heraus.
Hier passten für mich die Beschreibungen bzw. gewählten Wörter nicht, jedenfalls hab ich innerlich den Kopf geschüttelt.
Ja ... ich werde mal drüber nachdenken, ich bin mir da jetzt auch nicht sicher. Was ist denn an dem letzten verkehrt? Ein Nudelheber ist ein Küchenwerkzeug, und mit ihm kann man Nudeln aus einem Topf o.ä. herausheben. Oder habe ich da was übersehen?

Stimmt, im ersten wirkt die Geographie ein klein wenig verrückt. Ich überlege mal, wie ich das beheben kann.

ch habe es sehr genossen, wie Du mir die schwierigen, eigentlich ja schon entglittenen Jugendlichen gezeigt hast, man sieht das Unglück geradezu kommen, den Punkt ohne Rückkehr. Aber da ist immer auch jemand, der noch ran kommt, der es kann. Ich bin so eine typische "heile-Welt-alles-wird-gut"-Frau, mir wären wahrscheinlich fünf Geschichten eingefallen, wie jemand das alles zum guten klärt - aber so ist das Leben nun mal nicht. Also ist Deine ehrliche und harte Geschichte viel wahrer und daher für mich auch viel schöner. Und ja, Deine Hoffnungsblitz am Ende, Asi, der ihm die Hand reicht und sie es irgendwie "aufräumen" - Dankeschön, es gebe noch vieles zu loben, aber da hat der Umfang der Geschichte leider seinen einzigen Nachteil, es dauert zu lange :-)
Das freut mich sehr! Vielen Dank. Ich denke, bei zu gut oder zu böse ist die Gefahr groß, dass die Leute aussteigen, weil sie sich denken: So gut/schlecht ist die Welt nicht - und dann platzt die Fiktion, der Traum. Von daher ist der Realismus, das Echte auch immer ein Fixstern für mich. Freut mich, dass das so gut für dich geklappt hat.

Danke schön!

Hallo Raindog,

vielen Dank dir fürs Lesen, Vorbeischauen und Kommentieren. So ein Kommentar geht natürlich runter wie Öl, und man möchte ihn sich am liebsten gleich ein paar Mal durchlesen.

Fdas ist eine absolut berührende Geschichte, nein: eher ein Film, ich habe alles vor mir gesehen und meine inneren Ohren haben ganz leise ein Saxophon im Hintergrund gehört.
Freut mich, dass das so gut für dich geklappt hat und dass du die Assoziation mit einem Film herstellst. Für mich ist das auch immer eine Referenz: Filme. Ich glaube, im heutigen Zeitalter, wo man von überall her mit Filmbildern, Serien etc. bombardiert wird, ist man als Mensch und Leser schon irgendwie darauf geeicht, von Geschichten zu erwarten, dass man alles ganz nah miterleben kann, dass man Szenen sieht, ein gewisser Plottwist und aufbau der Story. Ist natürlich kein Muss, aber das ist für mich einfach eine Richtung, in die ich auch gehen möchte, dass die Leute das Gefühl haben, in meinen Storys drin zu sein, sie wie einen Film zu sehen.

Mir war der Text nicht zu lang, um ihn zu lesen, wohl aber, ihn jetzt im Detail kommentieren zu können, daher hinterlasse ich dir nur einen kurzen Leseeindruck -aber da der positiv ist, sollst du ihn auch haben.
Absolut in Ordnung.

Du lässt dir Zeit, die Figuren einzuführen, man kommt wirklich ganz nah an sie ran, vor allem natürlich an Costa, man sieht durch seine Augen, und trotzdem bleibt einem noch lange verborgen, was er nun eigentlich angestellt hat und warum er nicht mehr mit seinen Freunden zusammen sein kann oder will. Das ist spannend.
Super!

Schön, dass die Figuren nicht schwarz/weiß gezeigt werden, Assi (schon toll: der Name!) war mir, wie (wahrscheinlich) gewünscht, erst nicht sympathisch, aber am Ende wird er ja richtig wichtig und gut für Costa. Der ja auch immer irgendwie versucht, eine „männliche Orientierung“ zu finden:

Ich habe noch nie einen Mann wie Herrn Xing gesehen.
da musste ich an meinen Vater denken. Und manchmal, wenn ich mich im Spiegel ansehe, da frage ich mich, ob er auch so ausgesehen hat, früher, als er so alt war wie ich
Seine Gesichtszüge sind knochig und kantig, und ich kann mir gut vorstellen, welches Gesicht er
Super, dass das für dich so geklappt hat. Das mit der männlichen Orientierung war mir - v.a. in zitierten Stellen - gar nicht wirklich bewusst, aber du hast recht. Gut aufgepasst!

Was ich auch interessant fand, dass du die eigentliche Geschichte, die länger zurückliegt, in der Gegenwartsform schreibst, und den Schluss, der ja sozusagen Gegenwart ist, in der Vergangenheitsform. (Bei einer Geschichte, an der ich herumbastle, habe ich das auch so – wahrscheinlich gibt es das ja auch ganz oft, aber es fällt einem dann nicht immer so auf ...)

Apropos Vergangenheit: Wann, denkst du denn, handelt die Geschichte?
Ich habe deshalb überlegt, weil die mit Euro bezahlen. Aber am Ende, als Costa schon Frau und Werkstatt hat und in seiner Wunschvorstellung Greeny auch alt geworden sein könnte - dann kann das ja theoretisch erst 16 Jahre her sein, weil‘s denn Euro erst solange gibt.
Dann wäre Greeny erst 31, aber das erscheint natürlich auch alt, wenn man 15 ist - und vielleicht ist es ja auch nur die Vorstellung von Costa und zeitlich gar nicht so genau zu nehmen. Hinweisen wollte ich dich trotzdem darauf.

Ich dachte auch immer, dass der Zeitwechsel in einer Geschichte ein Anfängerfehler bzw. eine Unmöglichkeit ist. Da wurde ich eines besseren belehrt, durch einen Roman, den ich im Sommer gelesen habe, und der auf eine ganz natürliche Art und Weise einige Passagen immer im Präsens, einige in der Vergangenheit hat. Ich wette, das fällt den meisten Lesern gar nicht auf, und das ist dann auch ein Beweis, dass das funktioniert und ok ist, denke ich. Jedenfalls dachte ich mir hier, dass es gut passen würde, wenn besagter Abschnitt ins Präteritum schwenkt - wie etwas Zurückliegendes, noch nostalgischer wirkend. Habe ich mir jedenfalls dabei gedacht.

Wann spielt das ... die Story ist um das Jahr 2007 angesetzt. Die Kids schreiben noch SMS, es gibt Telefonzellen hier und da, und das Internet ist noch nicht so weit, als dass die Regionalzeitung dort täglich Dinge zugreifbar machen würde (er hört ja einmal Radionachrichten und blättert in einer Zeitung, als er Informationen sucht). Ich nehme mir mal die künstlerische Freiheit raus, da nicht nachzurechnen, wann Asi seine Werkstatt eröffnet und eine Frau gefunden hat :D Ich denke, auch wenn das in zehn Jahren entfernt von uns spielt, die letzte Szene: Egal, was passiert bis dahin, solange kein Atomkrieg ausbricht, würden sich die Gedanken bezüglich Greeny und Jessi ja nicht ändern, auch wenn es noch nicht 2027 ist. Verstehst du, wie ich meine?

»Was machst’n überhaupt schon auf?«, sagt er,
Wasdn aufmachen? Sagt man das so und nur ich kenne das nicht? Oder einfach „Was bist’n“ überhaupt …?
Sagt man im Schweinfurt des Jahres 2007 tatsächlich, ich kenne das so: Was machst du denn schon auf?

Kartonzerreißer ist klasse!
merci!

Die Autofahrerei hat mich ein wenig an Tschick erinnert, aber nicht schlimm, nicht geklaut,
es gibt ja immer genug Jugendliche, die mit gestohlenen Autos durch die Gegend fahren.
Ja, hab ich mir beim Schreiben schon gedacht, hoffentlich halten das zu viele nicht für einen dunklen Tschick. Was ich deinem Kommentar aber jetzt nicht entnehme. Das ist halt wie mit Zauberer, Orks oder einer virtuellen Realität, in die wir alle gefangen sind: Das sind Bilder oder Themen, die so großartig einmal erzählerisch umgesetzt wurden, dass sie irgendwie im kollektiven Gedächtnis bleiben, und diese Bilder oder Themen auch für sich gepachtet haben, auf eine Art. Aber alles in Ordnung. Tschick fand ich auch super.

Ich habe das sehr gerne gelesen! Wann kommt der Film?
Danke sehr! Wenn du ihn sponserst, schon bald! :D

Hallo annami

Ich wollte mit meinem Kommentar keinesfalls anmerken, dass deine Geschichte langweilig ist.
Das habe ich nicht falsch verstanden, keine Sorge.

Dass sehr viele verschiedene Variationen von sagen vom Text ablenken, und ihm die Kraft nehmen können, kann ich auch verstehen, allerdings sind es mir doch ein bisschen zu viele sagens.
Ja ... sind echt viele sagen, ich weiß. :D Irgendwie mag ich das gerade total, stilistisch. Kann sein, dass das ein Irrweg ist, und dass ich das in drei Jahren vollkommen schlecht finde, und alles noch mal durchgestrichen habe. Ich meinte übrigens nicht vom "Text" ablenken, sondern vom Gesagten der Figuren. Meine Theorie ist, dass man als Leser über die "sagen"s einfach drüberliest, dass man sie gar nicht wirklich wahrnimmt (anders, als wenn man immer: schrie - rief - jaulte - wisperte - flüsterte - keuchte - nuschelte - etc. lesen muss), und man daher die Stimmen, das Gesagte der Figuren viel mehr wahrnimmt, und das viel mehr Gewicht bekommt. Ich weiß, klingt etwas schlecht greifbar, und wie gesagt, kann sein, dass ich daneben liege, ich bin nicht Gott, aber das ist mein jetziger Standpunkt. Ich denke mal drüber nach.

Vielen Dank für deine detaillierte Antwort, so macht das Kommentieren doch gleich doppelt Spaß.
Gerne und freut mich!

Lass dir gut gehen und danke fürs nochmalige Melden.


Hallo Chai

nee, also versteh mich nicht falsch, was Greeny's Vater angeht. Ich fand's gut, dass er eben nicht der Klischee-Army-Fritze war. Und seine Erscheinung hat ihn fast noch brutaler gemacht.
Habe ich nicht falsch verstanden! Ich meinte bloß, und das war evtl etwas abseits des Themas, weswegen ich den Vater so gezeichnet habe - dass es langweilig wäre, auf eine Art, wenn der Vater genau so auftauchen würde, wie man ihn unterbewusst erwarten würde - groß, Drillsergent - und ich glaube, dass es auch dem Leser gefällt und den Text interessant macht im Allgemeinen, wenn man mit diesen Erwartungshaltungen manchmal bricht, und der Sache irgendwo eine neue Richtung gibt. aber ich will dich damit nicht vollkäsen.

Was das Heroin angeht, habe ich mich auch kurz gefragt, ob Greeny vielleicht gar nicht weiß, was er da tut, aber das Rauchen scheint mir ja schon ein ziemlich komplizierter Vorgang zu sein, woher weiß er das denn so genau? Vermutlich raucht der Vater im Beisein der Kinder, irgendwo war da so eine Stelle im Text, aber war das nicht Costas Vater? Hm. Vielleicht irre ich mich da. Aber irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass ein 15jähriger Kleinkrimineller den Unterschied zwischen Haschisch und Heroin nicht kennt.
Ja, ich denke mal darüber nach. Im Text wirkt es schlüssig bzw. natürlich für mich, das Verhalten Greenys, aber ganz geklärt wird es natürlich nicht, ob er weiß, was er da tut, oder ob er es nicht weiß - Bleche rauchen ist jetzt nicht soo schwer, wenn man es mal gesehen hat, wie es andere machen. Rein theoretisch. Genau, Greenys Vater raucht das ja, und Greeny hatte ihn dabei gesehen. Ich denke noch mal drüber nach!


Danke fürs nochmalige Kommentieren!


Hallo RinaWu

gleich am Anfang kam ich ablaufmäßig ins Stocken:

In der Hand hält er zwei Kaffeetassen, seine Haare sind zerzaust. Er heißt tatsächlich Asi, das ist die Kurzform seines türkischen Vornamens, aber man spricht es: Assi. Und so nenne ich ihn auch: Assi.
»Guten Morgen erst mal«, brummt er nach ein paar Sekunden vorwurfsvoll, und fährt sich durch die Haare.
Wie kann er sich durch die Haare fahren mit zwei Kaffeetassen in den Händen? Ich weiß, das ist nur eine Kleinigkeit und so, aber das hat mich stutzen lassen.
Aber liebe RinaWu :D, da steht doch gar nicht in den Händen sondern In der Hand - man kann zwei Kaffeetassen auch in einer Hand und zwar am Henkel halten. So war das von mir gedacht - der Kaffee ist ja auch noch nicht gemacht (keine Filter), deswegen sind die Tassen höchstwahrscheinlich leer

Assi hebt die Hand wie zu einer Ohrfeige.
Das ist interessant gemacht. Der Erzähler weiß, dass der Typ eigentlich Asi heißt, aber er nennt ihn dann im Text doch immer Assi. Er scheint Asi nicht zu respektieren, ihn tatsächlich eher als Assi zu sehen, so kommt es mir vor. Das fand ich schlau gemacht von dir. Also die Schwingungen zu beschreiben zwischen den beiden, ohne sie wirklich zu benennen.
Danke!

Und manchmal, wenn ich mich im Spiegel ansehe, da frage ich mich, ob er auch so ausgesehen hat, früher, als er so alt war wie ich, ob da dieselbe spitze Nase oder eine ähnlich dicke Lippe in seinem Gesicht hing. Manchmal frage ich mich, ob das vererbbar ist, ob es vererbbar ist; ob ich mal genauso werde wie er, ob da irgendwas in mir steckt, was auch in ihm steckte, als er jung war.
Das ist eine Überlegung, die ich ebenfalls kenne, also die Frage danach, was steckt von den Eltern in ihren Kindern, mal abgesehen von den physischen Merkmalen. Wenn der Vater abhaut, ruhelos ist, verantwortungslos und egoistisch, sind diese Charakterzüge dann auch in seinem Sohn vorhanden? Das ist sehr interessant und ich neige dazu, dem zuzustimmen, mit der Einschränkung, dass jeder Charakterzug sich dennoch anders auswachsen kann. Je nach Erfahrungen, nach Begegnungen, nach Eindrücken, die ein Mensch individuell sammelt.
Super, dass du dich so gut mit identifizieren kannst.

Hier komme ich nicht so ganz mit. Er steigt über eine Mauer und befindet sich plötzlich in einem Gang? Wie eine Art Tunnel? Und dann steht er direkt an den Gleisen, aber eigentlich in einem Gebäude? Das erschließt sich mir nicht so ganz, aber vielleicht bin ich da gerade schwer von Begriff.
Ja, ich meine es schon so, wie es da steht ... ich denke mal drüber nach, ob/wie ich es ändern könnte

Und als er wieder klar war, mein Onkel, da isser aufgestanden, rausgegangen, und nie wieder zurückgekommen. Is’ einfach auf den nächsten Zug gesprungen, hinten auf die Ladefläche, und weg war er.
Das ist sowas, das ist einerseits unfassbar mutig und stark, andererseits auch traurig und einsam. Ich frage mich, warum Greeny unbedingt weg will. Ob sein Vater wiederum nach seinem Vater kommt, es Gewalt in der Familie gibt, wenn Greenys Dad mal daheim ist. Ich musste bei diesem Absatz an "Der Fänger im Roggen" denken, das habe ich vor kurzem gelesen und war richtig begeistert. Holden redet auch oft darüber, abzuhauen, aus Gründen, die man nicht so wirklich nachvollziehen kann. All seine Pläne sind so aufgeregt und gleichzeitig so traurig, weil man spürt, er wird sie nicht umsetzen, weil man spürt, wie einsam er eigentlich ist. Ähnlich ging es mir hier bei dem Gespräch zwischen Greeny und Costa.
Das freut mich!

Hier bin ich wieder kurz verwirrt:
Draußen vor der Haustüre höre ich sie schon, Assi und meine Mutter.
Und dann, ein bisschen weiter unten:
»Wo is’n die Mutter?«, sage ich, nehme mir noch ein paar Flips und schaue auf das Spiel.
»Arbeitet länger«, sagt er.
Wie kann er denn Assi und seine Mutter hören, wenn sie noch arbeiten ist?
Ja, da ist etwas, das der Text offenlässt. Ich will das auch nich totdeuten. Wenn der Text das nicht für dich hergegeben hat und es dir seltsam und unlogisch vorkam, nehme ich das mal so zur Kenntnis. Den eigenen Text im Nachhinein erklären müssen, da ist für mich immer Grund zur Annahme, dass ich eher etwas am Text ändern müsste

Je mehr ich lese, desto mehr verliebe ich mich in die Geschichte. Ich bin total drin, in diesem Sommer, der Hitze, dem Gefühl, 14 zu sein, dem Gefühl, alles gehört uns, diese Leichtigkeit. Das spüre ich vor allem auch hier, in diesem einen Satz.
das freut mich sehr!

Ich will ja nicht klugscheißen, aber heißt es nicht: Whose car is this?
Ja, peinlich. So oft drüber gelesen, über den Satz, und nie gesehen. Ausgebessert.

Ein Kloß breitet sich in meinem Hals aus, als ich über all das nachdenke, und da ist dieses Gefühl, nirgends wirklich dazuzugehören. Ich denke an meinen Vater, und dieses Gefühl, auf eine Art zu ihm zu gehören, macht mich einerseits glücklich, andererseits wütend, ängstlich.
Ich weiß nicht, wie sehr du an diesen Sätzen hängt, aber ich würde sie streichen. Genau das, was du hier aussprichst, spüre ich schon den ganzen Text hindurch. Du hast das richtig gut erzählt, also davor, in diesen einzelnen Situationen bekomme ich ein richtiges Gespür für Costa und ich kann ihn verstehen. Seine Einsamkeit, seine Wut, dieses Gefühl, die anderen machen einfach weiter und ich bin der einzige, der das nicht kann. Und ich finde es schade, dass es mir hier mit diesen Sätzen so plakativ vorgesetzt wird. Das braucht es gar nicht.
denke ich mal drüber nach, danke sehr

»Können wir labern?«, sage ich. Asi sieht mich einen Moment lang musternd, skeptisch und ernst an
Mann, ich finde das richtig richtig gut, wie du das gemacht hast!
merci!

zigga, großes Kompliment, ich finde den Text wirklich richtig gut. Ich muss das erstmal alles sacken lassen, aber mich hast du gekriegt. Ich lese die Geschichte die Tage sicherlich noch einmal ... Da ist so viel drin, Dinge, mit denen ich mich identifizieren kann, Dinge, die ich bei anderen beobachten konnte, die mir mal sehr nahe standen. Macht mich fertig gerade - aber auf eine gute Art und Weise.
Dieses Gefühl in der Pubertät, bzw. diese vielen Gefühle während dieser Zeit, das Ruhelose, das Verzweifelte, dieser Schicksalsschlag, wo du doch bis zum Schluss die Möglichkeit offen lässt, die Kleine könnte noch am Leben sein - zumindest für Costa -, die Verehrung seines Vaters, die mich fast schon traurig gemacht hat, die Mutter ... Das ist einfach krass viel und ich kann da im Detail gerade gar nicht so viele Worte finden, dafür hat mich der Text irgendwie überwältigt.

Aber - darauf will ich eigentlich hinaus - richtig gut ist die Geschichte!
Liebe Grüße
RinaWu

Danke und ich freue mich natürlich, dass du so viel mit der Story anfangen konntest. Super!

Hallo TeddyMaria

Wow, das Ende dieser Geschichte hat mich wirklich zu Tränen gerührt. Es ist melancholisch und mysteriös, hoffnungsvoll und erlösend. Am Ende ist alles möglich. Das ist so wunderschön.
Ach danke. Das freut mich wirklich.

Dass ich trotz der Länge bis zum Ende gekommen bin, zeigt, dass auch der Rest der Geschichte hervorragend ist. Es begann für mich wie "Tschick" - mit einer seltsamen Freundschaft und dem Beginn eines Roadtrips. Nur düsterer, unter unheilvolleren Vorzeichen. Dass das Ende voller Hoffnung ist, finde ich umso erstaunlicher.
Ja, Tschick wird wohl so eine ewig Referenz sein zu zwei Teenagern, die ein Auto klauen und damit zum Spaß herumfahren. Aber Tschick ist toll und ich finde es nicht schlimm.

Besonders gefallen hat mir tatsächlich die Beziehung zwischen Costa und Asi. Sie ist so voller Wendungen, so zerbrechlich und zartfühlend. Das ist etwas ganz Kostbares. Das Besondere daran ist, dass man dies von Anfang an spürt. Großartig.
Das ist super! Ich mag die beiden auch, auch ihre Beziehung. Ich denke mir, im echten Leben ist das auch so, dass man manchmal mehr mit jemandem kann, manchmal weniger, manchmal hasst man solche Figuren wie Asi, manchmal sind sie die Größten für einen, und man würde ohne sie untergehen. Gerade in dem Alter kann ich mich erinnern, dass das besonders so war.

Eine Sache hat mich beim Lesen total gestört. Es wurde hier schon angemerkt, aber ich wollte sagen: Mich als Kommanärrin hat Deine Zeichensetzung am "und" wahnsinnig gemacht. Ich beobachte gerne, wie Fehler sich entwickeln, welchen Regeln sie folgen ... Du machst ein paar Zeichensetzungsfehler, bei der Länge des Textes ist das aber i.O. Aber Deine Zeichensetzung an "unds" ist völlig willkürlich. Ich habe mal ein Beispiel mitgebracht:

»Schon mal gekifft?«, sagt er, faltet die Alufolie zu einer Mulde und stochert mit dem Röhrchen darin herum.
»Ja«, sage ich, und halte mein Feuerzeug neben Greeny, um ihm Licht zu geben. Ich sehe das braune, dunkle Pulver, die reflektierende Aluminium-Folie. »Hab gedacht, das sieht anders aus«, sage ich, und nicke auf Greenys Schoß.
Das erste "und" ist richtig ohne Komma, die zweiten "und"s falsch mit Komma. Solche Kommata setzt Du aber so häufig, dass ich mich gefragt habe, ob es ein Stilmittel ist, weil es in der englischen Sprache so gemacht wird. Da Du dies aber nicht voll durchziehst (siehe erstes "und" im Beispiel) glaube ich das nicht - ich würde dieses Stilmittel auch nicht besonders gelungen finden. Kommata an "und"s sind nur in einem Falle wirklich notwendig: wenn davor ein Nebensatz eingeschoben wurde. Ansonsten KANN man das Komma setzen, wenn danach ein neues Subjekt kommt. Ansonsten wird kein Komma gesetzt. Ich nehme an, das weißt Du. Deine Fehlerdichte am "und" ist aber so wahnsinnig hoch - es hat mich ganz kribbelig gemacht, weil ich eigentlich dachte, dass jemand, der so toll schreibt, so etwas wissen muss.
Aiaiai :D Ja. Also ich bin auf dem Stand der Rechtschreibung, dass man vor einem Und ein Komma setzen kann, aber nicht muss. So willkürlich setze ich die Kommas aber nicht: ich haue halt nach jedem "sage ich" oder "sagt er" usw. ein Komma rein, weil ich da auch im Kopf beim Erzählen eine kurze Pause mache, und dann kommt das, was nach dem Anhang der wörtlichen Rede kommt - ansonsten habe ich ehrlich gesagt absolut keinen blassen Schimmer von Kommasetzung, da hast du mich schon ein wenig erwischt, ich haue das total intuitiv in einen Text, wenn ich eben eine kurze Pause beim "Erzählen" im Kopf mache, und ich habe das Gefühl (sorry für das Komma eben :D), dass ich eine (dafür) erstaunlich hohe Trefferzahl hab damit. Aber danke für die Anmerkung, ist nicht kleinlich, passt schon, ist schade, wenn das dich so gestört hat, könnte ja auch anderen so gehen. Ich denke mal drüber nach, ob ich das Komma nach den sagt er sage ich usw. generell rausstreiche, auch wenn sich das für mich dann falsch anhört bzw. falsch liest, weil ich mir immer denke DA MÜSSTE DOCH EINE PAUSE SEIN ... aber alles gut!

Außerdem hatte ich wirklich viel Spaß und viel Melancholie mit Deiner Geschichte. Gerne wieder.
Danke! Auch fürs Lesen, Gedankenmachen und Kommentieren. Hab einen schönen Tag!


Gruß
zigga

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi zigga,
ich hab die Geschichte schon Montagabend gelesen und - in der edlen Absicht, einen Kommentar zu schreiben - dabei vorsorglich auch den Rotstift in der Hand gehabt. Leider ist es bei der Absicht geblieben, das wirkliche Leben nämlich, diese dumme Sau, hat es sich nicht nehmen lassen, mir wieder einmal ein paar Knüppel zwischen die Beine zu schmeißen. Heißt nix anderes, als dass ich momentan vor lauter Arbeit zu kaum was anderem komme, was nix anderes heißt, als dass du auf einen ausführlichen Kommentar von mir noch warten musst.
Zumindest kann ich dir heute schon mal die Stellen zeigen, die ich mir angemerkt hab. (Wobei sich die Anmerkungen auf die Fassung von Montag beziehen. Eventuelle Änderungen von dir bzw. eventuelle Anmerkungen anderer hab ich jetzt nicht berücksichtigt. Keine Zeit, wie gesagt. Aber vielleicht kannst du mit meiner Liste trotzdem was anfangen.)

»Suchste die Filter?«, sage [frage] ich.
»Ja«, sagt er.

»Alter«, zischt er, als er meine Fluppe sieht, »wenn das deine Mutter sieht!«
Absicht? So ala Deutsch-Rap? :D
Also wenn du den Nebensatz raushaust, bist du nicht nur die Wortwiederholungen los, sondern ersparst dir auch ...

»Die pennt doch eh noch«, sage ich, und zünde mir die Kippe an.
... dir in jeder zweiten Zeile ein neues Synonym für Zigarette ausdenken zu müssen. :Pfeif:

Wir schweigen einen Augenblick, dann lehnt [sich] Assi mit dem Rücken am Kühlschrank an,

»Aber davor muss ich hier weg, man, einfach abhauen, weißt du.«
Mann, zigga!

Sie sitzt draußen im Hof, am Plastiktisch, mit meiner Schwester und deren [derem (Dativ!)] bescheuerten Freund Toni

seit einem Dreiviertel [dreiviertel] Jahr

»Man, ich hab da so ’ne richtig krass schlechte Idee.«
Siehe oben.

neben Fabrikschlote[n] und gewaltigen Mitarbeiter-Parkplätzen.

War da das selbe [dasselbe] Gemisch

Verfolgungsjagten [-jagden]

Selber Schuld [schuld]

Assi trägt ein schwarzes Hemd und hat sich die Haare gegelt. Auch meine Schwester trägt Lippenstift und ein blaues, dünnes Kleid.
Assi auch? :D

mit der Hand habe ich mir ein paar Mal durch die Haare gestriffen,
Nö, zigga.
streifen, streifte, gestreift
(Auch wenn das Partizip gestriffen umgangssprachlich hin und wieder gebraucht wird, ist es nichtdestoweniger schlicht falsch.)

Ich schließe die Tür leise hinter mir, ziehe mir meine [besser: die] Sneakers an und gehe über den Hof zu meinem Fahrrad,

aber für eine Sekunde habe ich das Gefühl, eine Ahnung all der Größe, all der Unendlichkeit der Welt zu haben
Er hat das Gefühl, eine Ahnung zu haben? Klingt sehr schräg.

Wir laufen ein paar Straßen entlang, Dönerbuden, eine Spielothek und hohe Wohnblocks ziehen an uns vorbei. Ich lasse mein Fahrrad bei Greeny im Hof stehen.
Nachdem sie schon einige Blocks gelaufen sind, lässt er das Fahrrad im Hof von Greeny stehen? Klingt auch schräg.

»Gleich«, sagt Greeny mit den Händen in den Jogginghosen-Taschen,
Mann, schreib doch einfach Hosentaschen, zigga. Dass der Typ Jogginghosen trägt, erfahre ich eh im nächsten Satz:
(... dann zieht er einen Alufolie-Klumpen aus der Jogginghose)

»Okay, okay, don’t you make such a noise, bitch!«
Der Typ ist echt Ami?

»Jetzt zufrieden?«, sagt Greeny, und wirft ihr einen scharfen Blick hinter.
Hä?

aber als ich hinter zur Rückbank blicke,
s.o.

Ich kann da nicht wieder hintersehen.
s.o.

Greeny sagt, es sei besonderes Dope, im Geschmack und seiner Wirkung;
Das geht so nicht. Die Präpösition im (= in dem) kann sich nicht gleichzeitig auf die Wirkung beziehen.

Ähnlich hier:

aber die Hitze strahlt noch heiß vom Asphalt und den Fassaden

nehme ich noch einen Tiefen [tiefen] Zug [aus?] der Zigarette

die Augen stehen halb geschlossen, unfokussiert und milchig auf,
Hä?

Später heule ich beim Paletten-Zerreisen
:Pfeif:

Für einen Augenblick ist da dieses Gefühl in mir: Dieses, in einem dieser Träume festzustecken, in denen man an irgendeinem Punkt begreift,
Hä? Was hat das Komma hinter "Dieses" zu bedeuten?


Überhaupt komme ich stellenweise nicht recht mit deiner Interpunktion zurande.
Sehr viele eigenartig gesetzte Kommas, ein paar Doppelpunkte an fragwürdigen Positionen und - aber das hatten wir ja schon einmal - eine fast inflationäre Verwendung des Semikolons.


So viel mal für heute, zigga, jetzt muss ich wieder an den Zeichentisch.


offshore

 
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Hey ernst offshore,

heilige Scheiße, sind da noch viele Tippfehler drinnen. Bei manchen grammatikalischen Konstellationen bin/war ich mir echt nicht sicher - jedenfalls vielen Dank dir fürs Herauspicken, ich versinke im Boden! :D


»Aber davor muss ich hier weg, man, einfach abhauen, weißt du.«
Mann, zigga!
Englisch, das ist doch ein englisches män hier, offshore!

Assi trägt ein schwarzes Hemd und hat sich die Haare gegelt. Auch meine Schwester trägt Lippenstift und ein blaues, dünnes Kleid.
Assi auch?
Ja Shit, das wurde schon angemerkt, ich meinte: Er hat sich halt auch schick gemacht ... ich denke mal drüber nach

Sehr viele eigenartig gesetzte Kommas, ein paar Doppelpunkte an fragwürdigen Positionen und - aber das hatten wir ja schon einmal - eine fast inflationäre Verwendung des Semikolons.
Ich bin der Semikolon-Mann. Ja eine traurige Leserin hat sich gestern/heute schon wegen meiner Komma-Setzung beschwert, ich gelobe Besserung, auch wenn ich noch nicht weiß, wie. :D

 

Hallo zigga,

herzlichen Glückwunsch, tolle Geschichte! Es hat mir sehr viel Spaß gemacht darin einzutauchen. Da "Tschick" einige Male schon gefallen ist, brauche ich wohl nicht zu sagen, dass Deine Geschichte ein ähnliches Gefühl transportiert. Ich finde das sehr gut, denn "Tschick" hat mir - wie Dir auch - gut gefallen. Man kann Deine Geschichte als Hommage betrachten, als Plagiat (für die Neider) oder als sonst was. Mir reicht das Gefühl, und da war es mir, als hätte ich einfach Herrndorf weiter gelesen.

Was Kritik angeht, so kann ich nicht anders, als mich nur auf Lob zu beschränken. Ich mag Dein Stil, die Art wie du erzählst. Vor allem mag ich die Atmosphäre, die Du schaffst. Beim Lesen hatte ich überhaupt nicht das Gefühl, fiktive Charaktere vor Augen zu haben und ehrlich gesagt, mehr Lob kann ich einem Autor nicht aussprechen.

Du sagst:

Ja ... sind echt viele sagen, ich weiß. Irgendwie mag ich das gerade total, stilistisch. Kann sein, dass das ein Irrweg ist, und dass ich das in drei Jahren vollkommen schlecht finde, und alles noch mal durchgestrichen habe. Ich meinte übrigens nicht vom "Text" ablenken, sondern vom Gesagten der Figuren. Meine Theorie ist, dass man als Leser über die "sagen"s einfach drüberliest, dass man sie gar nicht wirklich wahrnimmt (anders, als wenn man immer: schrie - rief - jaulte - wisperte - flüsterte - keuchte - nuschelte - etc. lesen muss), und man daher die Stimmen, das Gesagte der Figuren viel mehr wahrnimmt, und das viel mehr Gewicht bekommt. Ich weiß, klingt etwas schlecht greifbar, und wie gesagt, kann sein, dass ich daneben liege, ich bin nicht Gott, aber das ist mein jetziger Standpunkt. Ich denke mal drüber nach.

Was das Nachdenken angeht, vielleicht hilft Dir das: es gibt von Elmore Leonard "10 writing rules". Er hat das als kleines Buch herausgegeben mit witzigen Zeichnungen. Ob man sich grundsätzlich an solche "rules" eines Autors hält oder nicht, ist selbstverständlich Eigensache. Betrachte aber Regel Nr. 3:

3. Never use another verb than "said" to carry dialogue.

Und die nächste Regel macht es noch deutlicher:

4. Never use an adverb to modify the verb "said".

Respekt also, lieber zigga. :)

Wenn ich von Respekt spreche, dann ist es natürlich schwer, überhaupt etwas Negatives anzuführen. Erlaube mir dennoch - bei allem Respekt - zu fragen, wie ein vierzehnjähriger Junge nicht weiß, was Alufolie und Pulver bedeuten? Wie er darauf kommt, dass das etwas anderes als Heroin sein kann und er es mit Hasch verwechselt? Ich bin kein Experte darin, weiß also nicht ob das üblich ist, ich kann als Referenz nur mich hinzuziehen und mit vierzehn, da wußte ich natürlich was das ist. Mit vierzehn hatte ich Unmengen an Filmen durchgenommen, die genau das zeigen. Songs gehört, die die Drogenkultur verherrlichten. Bücher gelesen, die das REbellische in mir bestätigten und auch da gab es immer wieder Alufolien und Röhrchen. Betrachte ich Dein Prot, seine Eltern, in was für eine Welt er sich bewegt, so kann ich wirklich schwer nachvollziehen, dass er so unschuldig da rangeht. Es ist das Einzige, was mir an Deiner Geschichte unschlüssig erscheint. Es ist natürlich keine weltbewegende Sache und betrachte ich die Kommentare vor mir, so scheint das niemand zu stören. Ich bin natürlich bereit zuzugeben, dass wenn man aus einer "besseren" Familie stammt, einer Familie, die mehr Ressourcen zur Verfügung hat um einen Jugendlichen durch die Nöte des Lebens zu tragen, dass dann eine derartige Verwechslung möglich wäre.

Versteh' mich bitte nicht falsch, ich versuche nur in der Rolle eines Vierzehnjährigen zu schlüpfen, der Deine GEschichte liest. Du erinnerst dich mit Sicherheit auch, wie es damals mit der Urteilsfähigkeit so war, zu unterscheiden was "real" ist und was nicht, oder? Denke ich also zurück, so war genau diese SAche meine Hauptbeschäftigung, angefangen von der Musik bis hin zu Freunde.

Es ist nur eine Kleinigkeit, die mich auch nicht davon abhalten soll, zurück zum Lob zu kommen. Ich werde deine Posts weiter verfolgen und ich danke auch TeddyMaria dafür, mich auf "Greeny" aufmerksam gemacht zu haben. Ich habe die Geschichte am Stück gelesen und finde die Länge ausgezeichnet, die Länge trägt hervorragend zur Atmosphäre bei. Und ich bedauere fast, die Entscheidungen deines Protagonisten anzuzweifeln, denn Deine KG ist wirklich klasse.

Danke also für die Zeit, die ich damit verbringen durfte.


Liebe Grüße

Tanghai

 
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So viel Zeit muss sein.
(Damit ich dir nicht nur elendiges Erbsenzählen dalasse.)

Ein junger Mensch muss in dieser großen, rätselhaften Welt, in die er ungefragt hineingeworfen ist, seinen Platz finden. Keiner kann in diesem Alter auch nur irgendetwas für die Situation, in der er aufwächst, oder dafür, was oder wie er ist, es bleibt ihm nichts anderes übrig, als mit seinem „So-sein-wie-ich-bin“ umgehen zu lernen und zurechtzukommen. Na ja, und genau diese alltäglichen Dramen, die deinem Helden da widerfahren, haben mich beim Lesen einfach wahnsinnig berührt, zigga, und mich viel nachdenken lassen, über meine eigenen Jugendjahre, über meine Söhne, die zum Glück (leider?) nicht mehr wirklich Halbwüchsige sind, über das Erwachsenwerden, über all diese Seltsamkeiten und Unwägbarkeiten dieser so eigenartigen Welt und unseres Lebens darin.
Und wenn mich eine Geschichte derart berühren kann, dann hat der Autor wohl einiges richtig gemacht. Sag ich mal.
In diesem Falle also du, zigga.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi zigga,

ich hab mehrere Ansätze gebraucht, um in deinen Text hineinzukommen. Doch leider kam ich nie über die ersten Absätze hinaus. Dennoch möchte ich dir einen Leseeindruck hinterlassen.

In der Hand hält er zwei Kaffeetassen, seine Haare sind zerzaust. Er heißt tatsächlich Asi, das ist die Kurzform seines türkischen Vornamens, aber man spricht es: Assi. Und so nenne ich ihn auch: Assi.
»Guten Morgen erst mal«, brummt er nach ein paar Sekunden vorwurfsvoll, und fährt sich durch die Haare. Er steht an der Kaffeemaschine und sucht irgendwas.
»Suchste die Filter?«, sage ich.
»Ja«, sagt er.
»Da oben.« Ich deute auf den Schrank, dann sage ich grinsend: »Jetzt schuldest’ mir ’ne Fluppe
Er zieht die Augenbrauen hoch und wirft mir diesen Blick zu, dann öffnet er die Schranktür und greift nach den Filtern. »Komm mir nich’ so«, sagt er, »is’ noch zu früh für deine Scheiße, okay?«
Ich grinse.
»Was machst’n überhaupt schon auf?«, sagt er, löffelt Kaffee aus der Dose in den Filter, setzt ihn in die Maschine ein und beäugt mich dabei.
»Arbeit«, sage ich, dann ziehe ich mir eine Zigarette aus der Hosentasche und stecke sie mir in den Mund.
»Alter«, zischt er, als er meine Fluppe sieht, »wenn das deine Mutter sieht!« Assi hebt die Hand wie zu einer Ohrfeige. »Die dreht durch, ey«, sagt er halblaut und wirft mir wieder diesen Blick zu.
»Die pennt doch eh noch«, sage ich, und zünde mir die Kippe an. Wir schweigen einen Augenblick, dann lehnt Assi mit dem Rücken am Kühlschrank an, fährt sich noch mal durch die Haare und sagt: »Hab’s gehört, neulich. Was war’n da los, ey? Dein Lehrer? Alter!«
Ich rauche und will etwas sagen, überlege mir schon die passenden Worte, halte dann aber doch meine Schnauze. Ich blase ein paar Rauchringe in die Luft und zucke mit den Schultern.
»Werd’ mal wieder«, sagt Assi, und tippt sich mit dem Zeigefinger auf die Stirn. »Dafür hätt’ mich mein Alter damals gehängt, ey, ich sag’s dir!«
»Kann sein«, sage ich, dann hole ich mir eine Tasse aus dem Schrank, schenke mir den ersten Schwall Kaffee ein und gehe hinten aus dem Haus raus, setze mich auf die Treppenstufen und schaue ein paar Lastwagen und Traktoren hinterher, die auf der Straße vor unserem Haus Richtung Stadt fahren. Ich nippe am Kaffee, ziehe an meiner Kippe.
Ich kann mich gar nicht auf die Handlung einlassen, da ich andauernd nur etwas über Kaffee (-maschine, -dose, -filter, -tassen) und über Fluppen, Zigaretten(rauchringe) und Kippen lese.
Auch wenn es kleinlich wirken kann, aber hinzu kommen noch die verschiedenen Körperteile:
Hand, Haare, Haare, Augenbrauen, Mund, Hand, Rücken, Haare, Schnauze, Schultern, Zeigefinger, Stirn.

Dann ist mir aufgefallen, dass du sehr sehr oft das Wörtchen „und“ verwendest. Word sagt mir 700 Mal bei 13200 Wörter insgesamt. Das sind nacheinander geschrieben fast drei Buchseiten voller „und“. :Pfeif:

Außerdem sind da viele Kommata vor „und“, die da - wie ich denke - nicht hingehören, z.B.:

»Wenn ich achtzehn bin, geh’ ich da auch hin, zur Army«, sagt er, und sieht wieder auf die Gleise.
Der Typ ist in meinem Alter, trägt weite Hip-Hop-Klamotten, und hat die Haare so kurz rasiert, dass ich die Kopfhaut hindurchschimmern sehe.
Ich grinse, drücke ihm einen der Fünfer in die Hand, und sage: »So ähnlich.«
Bin da jetzt nicht der absolute Experte, das müssten andere besser sehen.

Tut mir Leid, wenn ich dir im Moment nicht mehr sagen kann, aber das wollte ich loswerden.
Vielleicht kannst du damit ja dennoch etwas anfangen.

Liebe Grüße,
GoMusic

 

GoMusic

Ich kann mich gar nicht auf die Handlung einlassen, da ich andauernd nur etwas über Kaffee (-maschine, -dose, -filter, -tassen) und über Fluppen, Zigaretten(rauchringe) und Kippen lese.
Auch wenn es kleinlich wirken kann, aber hinzu kommen noch die verschiedenen Körperteile:
Hand, Haare, Haare, Augenbrauen, Mund, Hand, Rücken, Haare, Schnauze, Schultern, Zeigefinger, Stirn.

Da weiß ich jetzt echt nicht, was ich zu sagen soll. Du kannst keiner Handlung folgen, wenn

In der Hand hält er zwei Kaffeetassen, seine Haare sind zerzaust.

mehr als ein Körperteil in einem Satz auftaucht, und dort Kaffeetassen und Zigaretten vorkommen? Hä?

Brauchst darauf nichts antworten. Ich war kurz davor zu schreiben, dass ich das für einen selten dämlichen Kommentar halte, GoMusic, aber ich glaube, du kannst einfach nichts mit meinem Stil anfangen. Das passt. Hat so lange gedauert, weil ich mir dachte, ein Mod mit knapp 2k Kommentaren, da müsste etwas Differenzierteres kommen.

 

Hi zigga,

Ich war kurz davor zu schreiben, dass ich das für einen selten dämlichen Kommentar halte, GoMusic, aber ich glaube, du kannst einfach nichts mit meinem Stil anfangen. Das passt. Hat so lange gedauert, weil ich mir dachte, ein Mod mit knapp 2k Kommentaren, da müsste etwas Differenzierteres kommen.

Ja, dann ist es halt so. Dann komme ich halt mit deinem Stil nicht zurecht, wenn du es sagst.
Ist ja kein Weltuntergang.

Wollte dir trotzdem etwas da lassen. Schade, dass du es dämlich findest. Hatte gehofft, du konntest mit meinen begründeten Anmerkungen etwas anfangen. Wäre dir ein "Dauen-Runter" ohne Begründung lieber gewesen?

Trotzdem finde ich es richtig und wichtig, auch versuchen etwas an Feedback zu geben, wenn man halt nicht durch den Text kommt, über Wortwiederholungen stolpert, Probleme mit vielen "und" hat und offensichtlich viele Kommata falsch gesetzt sind. Das ist doch immerhin ein Feedback, wenn auch kein gutes, aber es muss sich auch irgendwie ausbalancieren.

Vielleicht finde ich zu deinen nächsten Geschichten eher den Zugang.

Gruß, GoMusic

 
Zuletzt bearbeitet:

GoMusic,

versteh mich nicht falsch. Das mit den "Unds" und den Kommas, ja, haben auch andere angemerkt, hab ich ja in meiner Antwort gar nicht angekreidet. Ist angekommen, danke für deine Einschätzung. Du kannst auch keinen Zugang finden zu der Geschichte oder mit dem Stil nichts anfangen können, passt alles und nehme ich hin, ohne dir es übel zu nehmen.

Bloß das mit dem Herauspicken, dass dort viele Körperteile und Gegenstände vorkommen, und dass du dem nicht folgen kannst. Ich habe daraus geschlussfolgert, dass du den Stil einfach nicht magst oder keinen Zugang zu ihm findest, und deswegen habe ich deinen Kommentar schlussendlich auch nicht dämlich nennen wollen, passt ja.
Mir will das nur gerade nicht in den Kopf gehen, dass du dem Geschehen wegen den Körperteilen und den Gegenständen nicht folgen kannst? Also wenn das mehrere Leute hier angemerkt hätten, oder auch nur ein anderer, dann würde ich sagen, gut, muss was dran sein. Ich kenne das selber, dass man manchmal einfach unkonzentriert ist und keinem Text folgen kann, und ich hatte den Verdacht, dass der Teil deines Kommentares mit den Körperteilen und Gegenständen daher resultiert. Oder ich liege falsch und man kann dem wirklich schwer folgen. Aber von den zehn Vorkommentatoren hat niemand in die Richtung irgendwas gesagt, das ist es. Ich bin nicht beleidigt, bloß dachte ich mir, jemand mit so einer Kommentator-Erfahrung müsste doch erkennen, wenn er unkonzentriert ist? :D Keine Ahnung, ich hab mir den Anfang noch mal angeschaut und kann es einfach nicht nachvollziehen, das ist es.

Nichts für ungut,
zigga

 

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