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Kurz vor Schluss

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10.07.2007
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Kurz vor Schluss

Ich wache auf, weil Nick vor meinem Bett steht und mich anstarrt. Keine Ahnung wie er das macht, aber ich werde jedes Mal wach, ohne dass er mich anfasst oder etwas sagt.
„Ist was passiert?“, frage ich, obwohl ich schon weiß, dass es so sein muss. Er weckt mich nie ohne Grund. Meine Mutter hat immer gesagt, eines Tages werde ich den Weltuntergang verschlafen. Nick würde mich lassen.
„Die Dahlkamps haben heute Nacht die Abkürzung genommen“, sagt Nick.
Mit einem Schlag bin ich richtig wach. „Scheiße. Mit den Kindern?“
„Ja. Tut mir leid. Aber es wird warm heute. Wir sollten gleich anfangen.“
Ich hasse es, wenn Leute die Abkürzung nehmen. Es ist so egoistisch, keiner denkt daran, dass hinterher jemand aufräumen muss. Aber wenn man Kinder hat, kann ich es sogar irgendwie verstehen. Wie soll man das aushalten, jeden Tag in ihre Augen zu schauen und zu wissen, dass sie nie erwachsen werden und einen enttäuschen können? Und wenn es schlaue Kinder sind, stellen sie irgendwann Fragen, die man nicht beantworten will. Oder kann.
Die Dahlkamps haben es wenigstens sozialverträglich gemacht. Nicht wie dieser Arsch in der Platanenstraße, der seine ganze Familie erschossen hat, eine furchtbare Sauerei. Hier waren es Tabletten, nehme ich an. Und sie haben einen Zettel in unseren Briefkasten gelegt, damit wir es nicht erst am Geruch merken. Gute Nachbarn, bis zuletzt.
Trotzdem bedeutet das, dass wir vier Körper zum Krematorium bringen müssen, zwei davon so klein, dass ich sie alleine die Treppe runter tragen kann. Sie waren Zwillinge, höchstens ein oder zwei Jahre vorher geboren. Vor dem Tag, an dem wir alle erfahren haben, dass es eine schlechte Idee ist, noch Kinder in die Welt zu setzen. Ich bin so froh, dass Nick und ich uns nicht sicher waren, ob wir ein Baby wollen.
Wir haben echt Glück, dass der Motor den Biodiesel anscheinend ganz gut verträgt. Ich weiß nicht, was wir ohne Auto machen würden. Wenn da jemand die Abkürzung nähme, oder einfach einen Herzinfarkt hätte, was sollten wir dann machen? Ich verstehe total, dass jetzt keiner mehr auf Ölbohrplattformen arbeiten will, aber ich bin wirklich dankbar, dass es Alternativen gibt. Wenn es die dicke Omi von gegenüber erwischt, glaub ich nicht, dass wir das mit dem Lastenrad hinkriegen.
Das sind keine netten Gedanken. Pietätlos, hätte meine Mutter gesagt. Aber anders schafft man das nicht. Nick und ich helfen oft beim Aufräumen, wenn Leute abkürzen. Wir haben langsam so was wie Routine. Wir wissen, du kannst dabei an alles denken, nur nicht an das, was du gerade machst.
„Ich will heute ins Museum“, sage ich. „Kommst du mit?“
„Klar. Wenn du dich in Farbe wälzt und deinen nackten Hintern an die Wände drückst, lass’ ich mir das nicht entgehen.“
„Arsch“, sage ich.
„Von mir aus“, sagt Nick. „Aber das klingt so unfein. Nicht besonders künstlerisch.“
Ich will nicht lachen, nicht mit einer toten Familie auf dem Anhänger. Aber es blubbert einfach aus mir raus. Und es fühlt sich gut an.
Nick und ich sind stark. Wir passen aufeinander auf. Von uns beiden wird keiner die Abkürzung nehmen, und wir werden das Beste machen aus der Zeit, die uns noch bleibt. Das gottverdammt Allerbeste.

Wir wollen nicht auf die Asche warten. So gut haben wir die Dahlkamps nicht gekannt. Alex wird sich darum kümmern. Gar kein Problem, sagt er, während er in meinen Ausschnitt schielt. Ich wünschte, heute wäre jemand anderes im Dienst.
Alex ist eigentlich ganz in Ordnung, wenn man ihn näher kennt. Und wir kennen ihn gut, weil wir so oft hier sind. Es ist nur schwer auszuhalten, wie er jedes Mal wieder mit seiner Nummer anfängt.
„Wieder ein paar Opfer, die drauf reingefallen sind“, sagt er. „Ich versteh’ nicht, warum die Leute das nicht kapieren, dass die den Mainstreammedien einfach jeden Schwachsinn abkaufen. Es gibt keine Beweise für eine Hypernova. Null! Die Dinger sind so selten, es gibt vielleicht eine in einer Million Jahren pro Galaxie. Und dass es ganz in unserer Nähe passiert, und der Gammablitz genau auf die Erde trifft, das kannst du vergessen.“
Ich könnte mit ihm streiten, aber ich bin zu sehr damit beschäftigt, den Spucketröpfchen auszuweichen. „Vielleicht haben sich die Astronomen ja verrechnet“, sage ich.
Vielleicht steigerst du dich jetzt nicht rein und ersparst mir den Rest des Vortrags.
„Oh nein, das war kein Irrtum. Die haben gewusst, was sie tun“, sagt er. Wieder einmal.
„Bevölkerungskontrolle, darum geht es. Ich meine, von all den Dingen, die uns umbringen könnten, das Klima, Atombomben, Meteoriten, soll es ausgerechnet so ein Scheiß-Blitz sein? Da hätten sie auch gleich die Zombieapokalypse vorhersagen können! Aber die Schafe haben es natürlich alle geschluckt, genau wie es geplant war.“
Ich weiß nicht, was für ein Plan das gewesen sein soll. Schritt eins, sag den Leuten, die Erde hat noch fünf bis zehn Jahre, bevor alles Leben ausgelöscht wird, ein dummer kosmischer Zufall und alles ist vorbei. Schritt zwei: Alle schmeißen hin, Regierungen brechen zusammen, Selbstmorde überall. Schritt drei: Profit! Aber ich sage nichts. Jeder hat seine eigene Art, mit der Sache umzugehen, und vielleicht sind Verschwörungstheorien sogar die beste. Auf seine Art ist Alex wohl ganz glücklich. Schade, dass ich nicht so gestrickt bin.
Nachdem er seine ganze Predigt abgespult hat, ohne dass jemand widersprochen hat, scheint Alex nicht mehr zu wissen, was er sagen soll. Er fängt an zu pfeifen. Ich glaube, er arbeitet hier, weil es ihm ein Gefühl von Überlegenheit gibt. All die Leute, die abkürzen – für ihn sind das alles Schafe, die auf die Propaganda reingefallen sind.
Ich unterschreibe die Papiere. Es gibt nicht mehr viel Bürokratie, aber wenn es um den Tod geht, bemühen wir uns darum, die Form zu wahren. Zumindest die meisten von uns.
„Schönen Tag noch“, sagt Alex zwischen zwei Pfeifmelodien.
„Danke“, sage ich. Das Wort fällt aus meinem Mund wie ein Stein.
Der Weg nach draußen kommt mir viel zu weit vor. Wenn ich eines Tages nicht mehr könnte? Würde er dann auch pfeifen?
Nick legt einen Arm um mich. „Hey“, sagt er. „Denkst du was Trauriges?“
„Unsere Nachbarn haben sich umgebracht“, sage ich.
Er schüttelt den Kopf. „Eva, nicht. Sie haben die Abkürzung genommen. Jeder entscheidet für sich.“
Ich atme tief durch. „Du hast Recht. Das wirklich Traurige war der Versuch, Yesterday zu pfeifen.“

***​

Wenn Nick schläft und ich ihn anstarre, passiert nichts. Ich teste das eine ganze Weile. Dann probiere ich es mit einem Kuss. Als das auch nichts bewirkt, ziehe ich ihm die Decke weg.
„Sorry“, sage ich. „Es ist alles in Ordnung, aber wir haben den Termin um zehn. Und mit wir meine ich dich.“
„Kein Problem“, sagt er. „Danke fürs Wecken.“
„Frühstück?“ frage ich.
„Lieber nicht. Aber hinterher kriege ich so viel Eis wie ich will.“
„Nix da, das ist bei Mandeln. Die sind weiter oben.“
Nick schiebt die Unterlippe vor und ich muss lachen. Er lächelt auch, aber ich kann sehen, dass ihm nicht danach zumute ist.
„Fahren wir?“
„Es ist um die Ecke“, sage ich.
„Aber hinterher …“, sagt er.
„Hinterher hole ich dich ab, und du kriegst so viel Eis wie du willst.“
Beinahe hätte ich gesagt „Sei kein Baby“, aber ich habe die Kurve gekriegt. Manchmal schaffe ich es, einem Fettnäpfchen auszuweichen.
Es stimmt nicht, dass wir nicht sicher waren, ob wir Kinder wollen. Ich war nicht sicher.
Das mit der Vasektomie war Nicks Idee, aber das macht es nicht leichter für ihn.

Der Arzt ist supernett. Er entschuldigt sich hundert Mal dafür, dass es mit dem Termin so lange gedauert hat– die Nachfrage zurzeit ist riesig. Sie werden anrufen, wenn es vorbei ist, damit ich Nick abholen kann.
Ich nehme seine Hand. „Alles okay?“
„Klar. Alle sagen, die Spritze wäre das Schlimmste, alles andere ist halb so wild.“
„Ich liebe dich“, sage ich.
„Ich liebe dich auch“, sagt er.
„Du musst auch immer das letzte Wort haben“, sage ich, und er zeigt mir den Mittelfinger.

Es wird nicht lange dauern. Ein winziger Eingriff, hat der Arzt gesagt.
Ich gehe solange zum Markt. Mal sehen, ob es Eis gibt.
Einkaufen hat sich sehr verändert. Eigentlich kann man es gar nicht mehr so nennen. Seit wir keine Zukunft mehr haben, interessiert sich niemand mehr für Geld.
Viele Leute verbringen sehr viel Zeit in den Gärten. Mich lenkt das nicht genug ab, aber es ist gut, dass es für so viele funktioniert. Um diese Jahreszeit bedeutet es: Tonnenweise Erdbeeren.
„Eva! Du nimmst ein paar, oder?“
Margarete. Sie hat sich auch sehr verändert. Bevor die NASA es bestätigt hat, ist sie morgens als Erste in der Straße aus dem Haus und abends als Letzte wieder heimgekommen. Und am Wochenende hat man sie nur gesehen, wenn sie sich beschweren kam, weil die Kinder im Hof zu laut waren.
Jetzt sieht man sie entweder im Gemeinschaftsgarten oder hier. Ich bin immer noch nicht sicher, ob sie jemals schläft, aber sie wirkt viel zufriedener. Und ihre Erdbeeren sind die besten.
„Ja, ich nehme gern welche“, sage ich.
Sie reicht mir einen Beutel – genau die richtige Menge für zwei Leute, die gerne Erdbeeren essen.
„Deine Kette ist hübsch“, sagt sie.
„Cool, oder? Ist aus Papier“, sage ich. „Eine Freundin von mir bastelt grade eine nach der anderen.“
„Papier, ehrlich? Die Perlen sehen so …“
„Nimm sie“, sage ich spontan, und löse den Verschluss.
„Nicht doch“, sagt Margarete, aber ich drücke ihr die Kette in die Hand. Irgendwie fühlt es sich gut an, mal wieder etwas gegen etwas anderes zu tauschen. Fast so, wie wir früher eingekauft haben.
„Meine Freundin wird sich freuen, wenn sie mir noch eine basteln kann“, sage ich. „Sie sagt, es lenkt sie ab.“
„Na dann … vielen Dank“, sagt Margarete. Sie legt die Kette um, sorgfältig, als wäre es ein Ritual. Dinge, die ablenken, sind wichtig. Wir alle brauchen irgendetwas, und wir alle respektieren, was für andere funktioniert.
„Weißt du, ob der Eismann heute da ist?“, frage ich.
Sie lacht. „Er hat gesagt, er will kommen. Aber man kann nie sicher sein. Wenn er an seinen Erfindungen herumschraubt, vergisst er manchmal, welcher Wochentag ist.“
Ich lächle, verabschiede mich und mache Platz – hinter mir ist inzwischen eine kleine Traube von Leuten, die Erdbeeren wollen.
Ich beschließe, auf den Eismann zu warten. Es ist nicht so leicht. Stille, einsame Momente, in denen ich nichts zu tun habe, machen mich nervös. Was, wenn es genau jetzt passieren würde, wo Nick nicht bei mir ist? Wo das letzte, was ich zu ihm gesagt habe, ein blöder Witz war? Aber ich kämpfe dagegen an. Ich setze mich auf eine Bank, fühle die Sonne auf meiner Haut, höre dem Plätschern des Springbrunnens und dem Gurren der Tauben zu. Ich entspanne mich so sehr, dass es mich anstrengt.
Und ich werde belohnt – von weitem ist die Melodie des Eiswagens zu hören. Der Eismann hat ihn selbst gebaut, und obwohl er viele andere Dinge baut, ist das jetzt sein Name und wird es bleiben, jedenfalls solange er niemandem verrät, wie er eigentlich heißt.
Das Schlimme am Eismann ist, dass er so viele Kinder anlockt. Aber daran denke ich jetzt nicht. Ich habe eine Mission.
„Was kann ich denn für dich tun?“, fragt der Eismann.
„Möglichst viel und möglichst viele verschiedene Sorten“, sage ich. „Mein Freund hat heute eine Mandel-OP.“

Gerade als ich die ganze Beute verstaut habe, klingelt mein Handy. Ich fahre zum Krankenhaus, wie ich es versprochen habe.
Nick humpelt ein bisschen auf dem Weg zum Auto, und ich versuche, mitleidig dreinzuschauen, aber es ist schwer, weil ich so erleichtert bin. Endlich müssen wir uns darüber keine Gedanken mehr machen. In letzter Zeit war es nicht mehr so einfach, Kondome zu bekommen.
„Ich hoffe, dir ist wirklich nach Eis“, sage ich. „Das ganze Gefrierfach ist voll.“
„Hmm“, sagt Nick.
„Tut es weh?“ frage ich.
„Nicht wirklich“, sagt er und schaut aus dem Fenster. Dann schweigt er, bis wir zuhause sind.
„Hey“, sage ich. „Denkst du an was Trauriges?“
Endlich sieht er mich wieder an. „Ja“, sagt er.
Ich überlege nicht lange. „Kommt ein Mann zum Arzt. ̍Herr Doktor, ich will mich kastrieren lassen. ̍ ̍Sind Sie da auch ganz sicher? ̍ fragt der Arzt. ̍Ja, meine Frau besteht darauf. ̍ Als der Mann heimkommt, fragt die Frau: ̍Und, wie war’s beim Impfen? ̍ Und der Mann schlägt sich an die Stirn und sagt: ̍Ach, Impfen …! ̍“
„Der ist so was von schlecht“, sagt Nick. Aber er lacht.
Humor, denke ich. Ob es eine Möglichkeit gibt, den ins Museum zu bringen?

***​

Das Museum ist eigentlich ein Bunker. Es geht das Gerücht um, dass es als eine Art Rettungskapsel gedacht war, mit künstlicher Sauerstoffversorgung, hydroponischen Gärten, gigantischen Vorräten an Konservendosen, Wasser und Medikamenten. Für eine Handvoll Reicher und Mächtiger, die glaubten, so könnten sie sich retten. Aber als das herauskam, heißt es, haben die Arbeiter sich einfach geweigert, das Ding zu Ende zu bauen.
Ich weiß nicht, ob das stimmt. Die einzige Quelle für die Geschichte ist Olli, und er ist nicht gerade objektiv. Olli trinkt eine Menge selbstgebrannten Fusel, und er ist so eine Art Kommunist.
Er tut mir leid. Sein Leben lang hat er davon geträumt, dass so etwas passiert, dass die Menschen aufhören, nach der Pfeife der korrupten Eliten zu tanzen, dass jeder in Freiheit leben kann und alles geteilt wird. Und nun ist es soweit gekommen, aber nur, weil in ein paar Jahren die Welt untergeht.

Als wir das Museum entdeckten, war es bloß ein Treffpunkt. Leute, die gern reden und andere zum Reden suchten. Das andere hat sich nach und nach ergeben.
Nichts Lebendiges wird überleben. Vielleicht ein paar Bakterien in der Tiefsee. Aber was wäre, wenn eines Tages Außerirdische landen? Oder wenn sich aus den übriggebliebenen Bakterien wieder komplexe Lebensformen entwickeln, eine neue Zivilisation?
Wir wissen alle, dass es nicht besonders wahrscheinlich ist. Im Grunde ist das, was wir machen, so etwas wie Religion. Aber wir wollen ihnen etwas hinterlassen, den zukünftigen Besuchern des Museums. Ihnen sagen, dass es uns gegeben hat. Vielleicht sogar, wer wir waren. Angefangen hat es mit der einfachsten Höhlenmalerei – Hände mit Farbe bestrichen und an die Wände gedrückt. Fast alle, die irgendwann dazukommen, tun das – wie eine Signatur. Das mit den Ganzkörperabdrücken haben nur ein paar gemacht, und nur ein einziges Mal, auch wenn Nick immer noch Witze darüber reißt.
Inzwischen ist jedenfalls viel mehr daraus geworden. Ein riesiges verrücktes Projekt, oder viele kleine verrückte Projekte.

Nick arbeitet gerne mit den Leuten, die Artefakte für das Museum sammeln. So gut wie alles, was nicht nach ein paar Jahrhunderten zu Staub zerfällt, ist ein Artefakt, Sachen aus Metall, Stein, Glas oder Kunststoff, vielleicht sogar welche aus Holz. Die schwierige Frage ist, wie man den Besuchern klar machen könnte, wozu diese Dinge einmal gut waren. Nick beschäftigt sich nicht viel mit der Theorie. „Ich trage einfach gern Sachen durch die Gegend“ sagt er. Und es stimmt. Er war schon immer der einzige, der sich freiwillig gemeldet hat, wenn jemand Umzugshelfer brauchte. Er mag körperliche Anstrengung, aber nur, wenn sie einen Zweck hat. Sport ist ihm zu langweilig, sagt er.

Ich arbeite gerne mit Lien. Ihr Projekt gefällt mir am besten.
Es scheint einfach richtig, den Besuchern zu zeigen, dass es nicht nur uns gegeben hat.
Inzwischen hat unser Team viele Wände gefüllt, und ich muss erst mal eine Weile suchen, bevor ich Lien finde. Der neue Raum ist den Fischen gewidmet. Drei von vier Wänden sind schon mit Umrissen in allen Größen gefüllt.
„Schön, dass du kommst“, sagt Lien. „Ich mache hier erst mal Schluss. Der Mandarin-Kurs, du weißt schon.“
Ein paar Leute vom Artefakt-Team sind der Meinung, man müsste alles im Museum beschriften. Natürlich werden die Besucher keine von unseren Sprachen lesen können. Um ihnen etwas zu erklären, bräuchte es eine Art Rosetta-Stein, aber die Schwierigkeit ist eben, dass der Rosetta-Stein seinerzeit nur etwas genützt hat, weil man eine der Sprachen darauf schon kannte. Und jetzt ist jemand auf die Idee gekommen, dass es mit chinesischen Schriftzeichen vielleicht gehen könnte, weil man für jedes Wort nur ein einziges Zeichen braucht.
„Glaubst du, dass es funktionieren wird?“, frage ich.
„Nein“, sagt Lien und lächelt. „Aber das macht doch nichts. Die Leute wollen lernen. Es lenkt sie ab. Und ich mache es auch gern.“
„Na dann viel Spaß“, sage ich. „Lass mich ruhig mit den Haien alleine.“
Lien sieht mich prüfend an. „Ist bei dir alles okay?“, fragt sie.
„Mir geht’s prima“, sage ich.
„Na dann“, sagt Lien.
Ich nehme mir ein Buch und beginne, die Fische in den richtigen Farben auszumalen. Liens Umrisszeichnungen sind perfekt. Die fertigen Bilder sehen beinahe lebendig aus. Mir gefällt die Vorstellung, dass eines Tages irgendein kleines Alien durch das Museum watschelt und erkennt, dass an den Wänden Lebewesen dargestellt sind, die es einmal hier gegeben hat. Und beim Ausmalen kann ich alles vergessen.
Ich male und male, und erst als Lien zurück kommt, merke ich, dass mein Nacken steif ist und meine Finger weh tun.
„Die sind super geworden“, sagt sie. „Vor allem der Hammerhai.“
„Ja, oder? Ich finde, das ist unser bester Raum bisher. Es ist wie ein Denkmal für all die Tiere.“
„Die Besucher werden keine Ahnung haben, dass wir die meisten von ihnen ausgerottet hätten, wenn der Blitz nicht gekommen wäre“, sagt Lien.
Ich stutze. So ein Kommentar ist ungewöhnlich für sie.
„Ist bei dir alles gut?“, frage ich.
„Alles bestens. Ich weiß, die meisten Leute finden es komisch, aber ich bin jetzt glücklicher als vorher. Ich habe Biochemie studiert, weil meine Eltern das wollten, und mich nichts getraut. Weißt du, was ich meine?“
„Ich glaube schon“, sage ich.
„Nick wartet oben auf dich“, sagt Lien. „Ich glaube, er ist ziemlich k.o. Sie haben Musikinstrumente hergebracht, Klaviere und so.“
Ich merke, dass ich auch ziemlich k.o. bin. Aber glücklich.
Wir umarmen uns kurz, dann greift Lien wieder zum Pinsel. Sie gehört auch zu den Menschen, bei denen ich nicht sicher bin, ob sie jemals schlafen.

Auf dem Weg zu Nick versuche ich mir vorzustellen, ich wäre ein Besucher in einer fernen Zukunft, der das Museum zum ersten Mal sieht. Es ist ein buntes, absurdes Sammelsurium. Kunstwerke und Alltagsgegenstände, die kreuz und quer in den Räumen herumstehen. Tausende Bilder an den Wänden, Landschaften, Gegenstände, Porträts von Menschen, und in den Räumen von meinem Team: Säugetiere, Vögel, Reptilien, Käfer, Käfer, Käfer, Käfer. Keine Chance für die Besucher, irgendwas zu verstehen, chinesische Schriftzeichen oder nicht. Aber es ist wunderschön. Und es fühlt sich immer wieder gut an, hierherzukommen. Wir tun, was wir wollen. Wir arbeiten zusammen oder für uns allein, je nachdem, was besser funktioniert. Wir sind kreativ. Und wir lassen jedem seinen Raum, auch den Leuten, die unbedingt Ganzkörperabdrücke hinterlassen wollen.
Warum, denke ich, haben wir so was erst kurz vor Schluss hinbekommen? Wir haben auch vorher gewusst, dass wir irgendwann alle sterben werden.
Vielleicht sind meine Augen feucht, als ich beim Eingang ankomme. Nick liegt in einem Sessel, der wahrscheinlich nicht wegen seiner Artefaktqualitäten hier gelandet ist. Aber er springt sofort auf, als er mich sieht.
„Hey“, sagt er. „Denkst du an was Trauriges?“
„Ich weiß nicht“, sage ich.
„Komm“, sagt er. „Wir haben immer noch jede Menge Eis.“

 

Ich will bloß kurz anmerken, dass ich dieses Mal die vorhergehende Geschichte ("Das Erbe") wirklich ein bisschen überarbeitet habe vor dem Posten des neuen Textes. Nicht so stark, dass es irgendwie ein neues Leseerlebnis wäre oder so, aber ein paar Korrekturen und Verbesserungen sind passiert, und da ich mir ja sonst meistens bloß vornehme, meine Texte zu überarbeiten, und es dann so lange hinausschiebe, bis es irgendwann nicht mehr sinnvoll ist, finde ich, es ist schon als kleiner Fortschritt zu bezeichnen, dass ich nach einem Jahr immerhin so ein Minimum der Anregungen aus den Kommentaren umgesetzt habe. Also das Forum hat durchaus einen positiven Einfluss auf mich, auch wenn es oft nicht so aussieht. :)

 

Hey Perdita,
gleich am Anfang wird klar, dass es sich um ein Weltuntergangszenario handelt. Das hast du geschickt aufgezogen.
Den Einstieg finde ich sehr spannend.

Sie waren Zwillinge, höchstens ein oder zwei Jahre vorher geboren. Vor dem Tag, an dem wir alle erfahren haben, dass es eine schlechte Idee ist, noch Kinder in die Welt zu setzen. Ich bin so froh, dass Nick und ich uns nicht sicher waren, ob wir ein Baby wollen.
Das fette bräuchte es für mich nicht.

Nick und ich helfen oft beim Aufräumen, wenn Leute abkürzen.
Super Satz. Runtergebrochen aufs Alltägliche für sie und Nick.

Wir wissen, du kannst dabei an alles denken, nur nicht an das, was du gerade machst.
Das du kommt wie eine persönliche Ansprache daher. Weil auch gleich eine wörtliche Rede folgt. Das würde ich durch man ersetzen oder umformulieren.

„Ich will heute ins Museum“, sage ich. „Kommst du mit?“
„Klar. Wenn du dich in Farbe wälzt und deinen nackten Hintern an die Wände drückst, lass’ ich mir das nicht entgehen.“
„Arsch“, sage ich.
„Von mir aus“, sagt Nick. „Aber das klingt so unfein. Nicht besonders künstlerisch.“
:lol:

Und dann erscheint Alex. Der Spinner mit den Weltnichtuntergangstheorien. Schönes Gegenstück zu unserer Realität.

„Ich liebe dich“, sage ich.
„Ich liebe dich auch“, sagt er.
„Du musst auch immer das letzte Wort haben“, sage ich, und er zeigt mir den Mittelfinger.
Grandios! :lol:

Hände mit Farbe bestrichen und an die Wände gedrückt. Fast alle, die irgendwann dazukommen, tun das – wie eine Signatur. Das mit den Ganzkörperabdrücken haben nur ein paar gemacht, und nur ein einziges Mal, auch wenn Nick immer noch Witze darüber reißt
Aha, da schließt sich die Sache mit dem Arsch-Witz. Und dass es kein wirkliches Museum ist, in das sie gehen will, sondern ein Ort den jeder Einzelne zu seinem persönlichen Museum macht, um zukünftigen Besuchern ihre Welt zu erklären, ist eine schöne Idee.

Ich merke, dass ich auch ziemlich k.o. bin. Aber glücklich.
Das kauf ich ihr nicht ab.

Wir tun, was wir wollen. Wir arbeiten zusammen oder für uns allein, je nachdem, was besser funktioniert. Wir sind kreativ. Und wir lassen jedem seinen Raum, auch den Leuten, die unbedingt Ganzkörperabdrücke hinterlassen wollen.
Pedita, das ist eine wundervolle Botschaft, die dennoch nicht belehrend wirkt. Ich finde deine Geschichte: den Plot, die unaufdringliche Erzählweise, die Traurigkeit, die Charaktere und und und wahnsinnig gut. Das beste kommt wirklich zum Schluss oder kurz davor! :shy:

Sehr, sehr gern gelesen.
Viele Grüße und einen schönen Silvesterabend.
wegen

 

Liebe Perdita,

schön, dass du den Termin noch geschafft hast. Sonst hätten wir auf ein Glanzlicht in der Challenge verzichten müssen. Eine Endzeitwelt, die nicht im Chaos versinkt, sondern ein wenig Raum lässt für Humanität und Würde. Und eine klitzekleine Hoffnung, dass von der Menschheit eine Spur bleibt in den unendlichen Weiten des Universums.

Raffiniert finde ich den Anfang mit dem Euphemismus die Abkürzung nehmen. Das klingt zunächst harmlos, dann zynisch, erweist sich aber dann als hilfreiches Instrument, um die Endzeit auszuhalten. Gut, dass es ein paar Gleichgesinnte gibt, in der Nachbarschaft und im Bunker.

Ganz schlimm wäre es natürlich, wenn Alex, der alte Verschwörungstheoretiker, Recht hätte. So ganz abwegig sind ja seine Vermutungen nicht. Fake news können gewaltige Bewegungen auslösen. So oder so, insgesamt ein bedrückendes Szenario mit Augenblicken großer Traurigkeit, über das du einige Prisen schwarzen Humor streust. Humor ist, wenn man trotzdem lacht, sagt der Volksmund. Es rührt mich, wie sich dein Prota-Paar bemüht, sein Leben „vernünftig“, „sinnvoll“ und verantwortungsvoll zu gestalten, um dem „Trotzdem“ zu trotzen.

... und wir werden das Beste machen aus der Zeit, die uns noch bleibt. Das gottverdammt Allerbeste.

Ein treffender Appell für den Sivesterabend, an dem immer so gute Vorsätze gefasst werden. Mal sehen, wieviel Gegenwind im Neuen Jahr auf uns wartet. Und hoffen wir, dass er uns nicht aus dem All eine Mahnung schickt.

Hat mir sehr gut gefallen.
Herzliche Grüße
wieselmaus

 

Hallo Perdita,

"Kurz vor Schluss"? Sehr passend. :D

Eine sehr schöne, ruhige Endzeitgeschichte hast du da verfasst. Weil ich deinen Folge-Post irgendwie missverstanden habe und dachte, es gäbe einen inhaltlichen Bezug zu "Das Erbe", habe ich mir auch letzteres noch mal angeguckt. (Fand ich genauso schön, offenbar schon damals.) Ist das ein Thema, das dich öfter umtreibt?

Toll finde ich, dass du einen ziemlich positiven Blick auf diese vor der Vernichtung stehende Gesellschaft hast. Man könnte ja erwarten (ich würde es erwarten), dass Chaos und Anarchie ausbrechen, wenn die Leute denken, dass es eh nicht mehr drauf ankommt. Quasi "The Purge" rund um die Uhr. Stattdessen bauen deine Leute Erdbeeren an und Museen auf, kümmern sich um Kranke und Tote, einfach weil sie es für wichtig halten und sie sich selbst gut dabei fühlen. Das ist so ein bisschen Star-Trek-Optimismus, eigentlich fast schon Kommunismus. Marx würde staunen. Wie gut das in der Praxis klappen würde, mag ich gar nicht diskutieren; du hast das so festgelegt und basta.

Lange bevor deine Prota es ausspricht, habe ich gedacht: Warum haben wir das nicht eher hingekriegt, als wir auch noch Zeit hatten/hätten, dieses Leben zu genießen? Denn mit dem Genießen ist es in der Welt, die du zeichnest, natürlich nicht weit her. Alle tun ihr Bestes, aber sie wissen, dass es in Wirklichkeit nichts nützt. Und wer damit nicht klarkommt, kürzt halt ab. Daher die Melancholie, die über allem liegt, gegen die deine Protagonisten ständig ankämpfen, wobei sie naturgemäß nicht durchgängig erfolgreich sind. Humor ist offenbar wichtig.

Obwohl ich auch über die Grundthematik hinaus einige Ähnlichkeiten zu "Das Erbe" zu sehen glaube, fällt mir auf, dass du hier weitaus mehr mit szenischer Darstellung und Dialogen arbeitest. Ich finde, das tut der Geschichte sehr gut, weil du näher an den Personen bist und ihre Beweggründe besser sichtbar machst. Mit der Ich-Perspektive kannst du ja sonst nur in die erzählende Person richtig eintauchen, hier klappt das auch mit den anderen sehr gut.

Ich gehe mal ein bisschen durch den Text:

„Die Dahlkamps haben heute Nacht die Abkürzung genommen“, sagt Nick.
Und ich weiß sofort, was gemeint ist. Klasse. :thumbsup:

Ich hasse es, wenn Leute die Abkürzung nehmen. Es ist so egoistisch, keiner denkt daran, dass hinterher jemand aufräumen muss. Aber wenn man Kinder hat, kann ich es sogar irgendwie verstehen.
Nun ja. Ich kann verstehen, dass es für Eltern schwierig ist. Aber muss man seine Kinder dann mitnehmen? Andererseits: Kann man sie zurücklassen? Normalerweise finde ich solche erweiterten Suizide extrem egoistisch; aber normalerweise steht ja auch nicht das Ende der Welt bevor.

Das sind keine netten Gedanken. Pietätlos, hätte meine Mutter gesagt. Aber anders schafft man das nicht. Nick und ich helfen oft beim Aufräumen, wenn Leute abkürzen. Wir haben langsam so was wie Routine. Wir wissen, du kannst dabei an alles denken, nur nicht an das, was du gerade machst.
Die markierten Sätze würde ich weglassen. Ich denke, es ist ziemlich klar, dass die beiden das öfter machen.

Alex ist eigentlich ganz in Ordnung, wenn man ihn näher kennt. Und wir kennen ihn gut, weil wir so oft hier sind. Es ist nur schwer auszuhalten, wie er jedes Mal wieder mit seiner Nummer anfängt.
Hier das Gleiche.

Alex' Verschwörungstheorien halte ich für ähnlich absurd, wie deine Prota es tut, aber sie haben dann einiges an Gedanken bei mir ausgelöst. Ich stelle mir vor, dass er damit im Ernstfall alles andere als allein wäre. Ich meine: Wie viele Leute halten heute noch den Klimawandel für eine Erfindung? Bei so einem noch viel abstrakteren Phänomen wie einer Hypernova würden bestimmt noch viel mehr Menschen abwinken. Übrigens musste ich erst mal nachschlagen, dass es solche Dinger tatsächlich gibt. Was für einen Gammablitz die aussenden, weiß ich aber immer noch nicht. Ist aber auch eine interessante Variante von Gegenwind, so was wie ein extrem heftiger Sonnensturm.

Außerdem denke ich mir, dass Regierungen und Behörden so eine Information so lange wie möglich unter dem Deckel halten würden, um das gesellschaftliche Chaos zu vermeiden. Da war vor Jahren mal so ein Film - Deep Impact, glaube ich - der das gut dargestellt hat. Dort waren es dann Hobbyastronomen, die irgendwann auch den heranrasenden Kometen entdeckt haben; und erst da mussten die Regierenden Farbe bekennen. Bis dahin hatten sie an Plänen gearbeitet, die Katastrophe abzuwenden oder zumindest die Folgen zu mildern.

Das sind erst mal nur so Grübeleien meinerseits. Für deinen Text würde ich daraus nur eine einzige Kleinigkeit folgern: den Satz

Bevor die NASA es öffentlich gemacht hat
würde ich ändern zu: "Bevor die NASA es bestätigt hat".

Aber weiter im Text.

„Du hast Recht. Das wirklich Traurige war der Versuch, Yesterday zu pfeifen.“
:lol:

Das mit der Vasektomie war Nicks Idee, aber das macht es nicht leichter für ihn.
Sooo ein großes Ding ist das nicht (sofern die OPs noch so gut funktionieren wie jetzt), da braucht sie nicht ganz so viel Mitleid zu haben. Aber Eis ist trotzdem gut, muss man nur anders anwenden als bei Mandeln. :)

„Möglichst viel und möglichst viele verschiedene Sorten“, sage ich. „Mein Freund hat heute eine Mandel-OP.“
:lol:

„Kommt ein Mann zum Arzt. ̍Herr Doktor, ich will mich kastrieren lassen. ̍ ̍Sind Sie da auch ganz sicher? ̍ fragt der Arzt. ̍Ja, meine Frau besteht darauf. ̍ Als der Mann heimkommt, fragt die Frau: ̍Und, wie war’s beim Impfen? ̍ Und der Mann schlägt sich an die Stirn und sagt: ̍Ach, Impfen …! ̍“
Alt, aber gut. Und natürlich passend. :D

„Nick wartet oben auf dich“, sagt Lien. „Ich glaube, er ist ziemlich k.o. Sie haben Musikinstrumente hergebracht, Klaviere und so.“
Heißt das, Nick hat direkt nach seiner OP wieder schwere Sachen geschleppt? Das halte ich ja für keine gute Idee. Oder habe ich da einen Zeitsprung verpasst?

„Komm“, sagt er. „Wir haben immer noch jede Menge Eis.“
Ja, Eis hilft ja gegen vieles. Ein schönes Ende! :)

Eine Geschichte zum Nachdenken und irgendwie auch zum Wohlführen. Hat mir sehr gut gefallen, Perdita!

Grüße vom Holg ...

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Perdita,

Ich wache auf, weil Nick vor meinem Bett steht und mich anstarrt. Keine Ahnung wie er das macht, aber ich werde jedes Mal wach, ohne dass er mich anfasst oder etwas sagt.
Diesen Anfang mag ich sehr. Ich merke schon hier, dass zwischen den beiden eine besondere Verbindung herrscht, sie ist sehr sensibel für seine Anwesenheit, spürt sie sogar, wenn sie schläft, spürt sie so deutlich, dass sie davon aufwacht. Das hat mir gut gefallen.

Am Anfang war ich verwirrt über die Abkürzung. Mein erster Gedanke war nicht Selbstmord (und Mord), sondern eine tatsächliche Abkürzung, ich dachte die beiden sind irgendwelche Park-Ranger und holen Menschen raus, die sich irgendwo verlaufen haben. Ein paar Sätze später hab ich's dann aber begriffen. Und für diesen tragischen Ausweg ist das Wort Abkürzung wirklich passend. Da stellt man sich die Frage, was man selbst machen würde. Ich tendiere dazu, es so zu halten wie deine Protagonstin.

Von uns beiden wird keiner die Abkürzung nehmen, und wir werden das Beste machen aus der Zeit, die uns noch bleibt. Das gottverdammt Allerbeste.
Sehr sensibel beschreibst du später, wie sehr stille Momente ihr zusetzen. Wie sehr sie die Ablenkung und Beschäftigung braucht, um nicht über das Ende der Welt nachzudenken. Während ich deine Geschichte gelesen habe, musste ich an den Film Melancholia denken. Hast du den gesehen? Da geht es auch um den Weltuntergang und um zwei Schwestern, die eine lebensfroh und stark, die andere depressiv und schwach. Während das Ende der Welt immer näher rückt, vertauschen sich die Rollen, die depressive Schwester wird zur Handelnden, zur Starken, während die lebensfrohe Schwester immer mehr in ihrer Fassungslosigkeit erstarrt. Der Film hat mich damals sehr mitgenommen. Eben weil man sich automatisch fragt: Was würde ich machen?

Der Passus mit dem spuckenden Alex, den finde ich entbehrlich. Hätte es für mich nicht gebraucht, auch nicht, um zu erklären, was mit der Erde los ist, warum sie kurz vor dem Ende steht. Ich finde, der Eingriff, den Nick vornehmen lässt und die Episode in dem Museum (sehr schöne Idee, traurig, aber auch tröstend) erklären genug. Die Episode mit Alex kam mir unter all dem anderen irgendwie zu erklärend vor.

Das Museum wiederum hat mich sehr berührt. Was bleibt von uns zurück? Wird es jemand finden? Zu deuten wissen? All diese Fragen, die man sich stellt. Und vor allem ist das Museum eben ein Ort, an dem die Leute beschäftigt sind, an dem sie aufeinandertreffen, Halt finden, etwas von sich verewigen können, auch wenn sie vielleicht ahnen, dass am Schluss sowieso nur Schutt und Asche übrig bleiben. Aber dieser Ort hat etwas Tröstendes.

Hat mir wirklich gut gefallen, deine Geschichte!
RinaWu

 

Huhu Perdita!

Hey - eine wahnsinns coole Geschichte! Apokalypse und Weltuntergang (?), aber ohne Krach-Bumm und Mad-Max-Endzeit-Punker, sondern mit leisen, ruhigen Tönen. Ich mag solche Geschichte, ob's jetzt eine globale Pandemie oder kosmische Katastrophe ist.

Besonders gut gefällt mir an deinem Szenario das Umfeld und die Überlegungen, die dahinter stecken. Der Wunsch, etwas Bleibendes angesichts der eigenen Vergänglichkeit zu hinterlassen, wird ja oftmals durch den Nachwuchs und kommende Generationen erfüllt. Hier zieht das aber nicht! Was bleibt, ist die Hoffnung auf Spuren unseres Daseins, die von anderen/Aliens irgendwann mal wahrgenommen werden könnten. Ein irrationaler, aber verständlicher Wunsch.

Ich habe mir auch Gedanken gemacht, wie sich unsere Gesellschaft angesichts des sicheren Untergangs wohl verhalten würde. Totale Anarchie? Plünderungen, Mord, Totschlag und das ultimative Chaos? Oder tatsächlich gegenseitige Rücksichtnahme, Solidarität, soziales Verhalten und Mitgefühl? Tja, wer weiß das schon. Ich denke, das ist eine Frage, die jeder nur für sich selbst beantworten kann, wie er mit einer solchen Situation ümgehen würde. Und schön, dass du uns diesen Spielraum für eigene Spekulationen lässt.

Sehr cool übrigens das mit der "Abkürzung" nehmen. Erinnert mich an eine Textzeile aus einem Lied - "take the easy way out". Und nett von den Dahlkamps, vorher eine Mitteilung zu hinterlassen, bevor die Fliegen dass erledigen.

Eine ruhige, "entspannte" Katastrophe, die das Ende mit stoischem Gleichmut einläutet. Vielleicht hättest du in ein paar eingestreuten Andeutungen erwähnen können, dass es auch zu Massenhysterien, Kriegsrecht und Ausnahmezuständen in einigen Städten/Ländern/Kontinenten gekommen ist - das also wirklich nicht jeder so abgeklärt mit dem gobalen Tod umgehen kann wie Eva, Nick und Lien, aber das ist nur so ein Detail, dass deiner Geschichte wirklich nicht fehlt!

Sehr gern zum Jahresausklang, also quasi "Kurz vor Schluss" noch gelesen! Und wenn wir uns das Datum anschauen, dann ist dein Titel doppelt gut gewählt.:thumbsup:

Einen apokalypsefreien Rutsch ins neue Jahr wünscht dir der EISENMANN

 

Hey Perdita.

Nach den Tags "Philosophisches" und "Seltsam" war ich gar nicht auf Endzeit eingestellt und wurde umso positiver überrascht. Interessante Variante einer sterbenden Welt, die du da erdacht hast.

Ich will jetzt nicht zu sehr ins Detail gehen, einerseits will ich gleich los (wollte mir nur kurz die Zeit mit einer Kurzgeschichte vertreiben :) - aber es wäre egoistisch, jetzt keinen Kommentar zu hinterlassen), andererseits gefällt mir dein Stil handwerklich sehr gut und der Rest ist Geschmackssache.

Wenn du die Geschichte im Mittelteil (Arzt/Supermarkt und am Ende im Museum) ein wenig straffst, könnte ich mir vorstellen, dass die Geschichte einen Platz in einer kommerziellen Anthologie oder in einem einschlägigen Magazin finden könnte. Ich für meinen Teil bezahle Geld, um derartige Geschichten lesen zu dürfen. Und meistens sind die Geschichten nicht im Ansatz so ausgefeilt wie deine.

Ich habe übrigens nicht sofort gemerkt, wie die Handlung sich vom Schlafzimmer ins Auto verlagert hat. Das war mir erst ab hier klar: "Ich will nicht lachen, nicht mit einer toten Familie auf dem Anhänger."

Was "wegen" und "Holg" dir in Fett ankreiden, kann ich dagegen nicht unterschreiben. Mir gefällt es. Allerdings fand ich es ebenfalls seltsam, dass Nick nach der OP direkt weiterschleppt.

Sehr gerne gelesen. Danke.

 

Perdita
Das ist in meinen Augen eine rundum gelungene Geschichte. Es wäre ein aufwändiges Unterfangen, davon zu schwärmen, was mir daran gefällt. Vielleicht genügt es Dir, wenn ich sage, dass es nichts gibt, was ich zu bemängeln habe.
Ich habe die Hauptfiguren sofort in mein Herz geschlossen. Die ganze Szenerie ist gut vorstellbar und glaubwürdig aufgebaut. Und Dein Erzählrhythmus erzeugt ein melancholisches aber seltsamerweise nicht hoffnungsloses Gefühl.
Wirklich eine sehr, sehr gute Arbeit.

Grüße!
Kellerkind

 

Frohes Neues Jahr, liebe Kommentatoren!
Das Jahr fängt ja richtig gut an. :)

Hallo wegen,

Den Einstieg finde ich sehr spannend.

vielen Dank! Ich bin froh, dass der Einstieg offenbar ganz gut funktioniert. Das Weltuntergangsszenario ist bei der Geschichte ja nicht der Hauptfokus, denn mein Ziel war tatsächlich, eine Utopie zu schreiben. :)

Die Schwierigkeit war, mir ein Szenario auszudenken, was dazu führen könnte, dass die Menschen auf einmal ihre bisherige Lebensweise überdenken und radikal ändern. Nur deshalb hängt dieses kosmische Damoklesschwert über den Figuren.

Und ich war mir nicht sicher, ob das für die Leser funktionieren wird, dieser ziemlich harte Einstieg mit toten Kindern und dann später diese viel „weicheren“ Szenen.

Das fette bräuchte es für mich nicht.
Gut, dass du das sagst, das werde ich überdenken, ob es den Satz unbedingt braucht. Ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob es nicht vielleicht verwirrend ist, wenn nur „vorher“ gesagt wird, denn was genau damit gemeint ist, wird ja erst in der nächsten Szene wirklich deutlich.

Das du kommt wie eine persönliche Ansprache daher. Weil auch gleich eine wörtliche Rede folgt. Das würde ich durch man ersetzen oder umformulieren.
Ursprünglich war das auch mit „man“ glaube ich, aber das klang irgendwie nicht so schön für mein Bauchgefühl. Das ist halt ein unpersönliches du. Aber wenn sich da noch mehr Leser dran stören, muss ich das vielleicht noch mal überdenken.

Das kauf ich ihr nicht ab.
Du hast schon recht - glücklich ist da wohl nicht das richtige Wort. Ich schwanke noch, ob Eva es trotzdem verwenden soll – denn die Leute müssen sich natürlich irgendwo selbst davon überzeugen, dass es ihnen gut geht. So wie man pfeift, wenn man nachts über den Friedhof muss. Die Formulierung werde ich vielleicht noch ändern, aber sie hat halt so einen kleinen Endorphinrausch an der Stelle.

Pedita, das ist eine wundervolle Botschaft, die dennoch nicht belehrend wirkt. Ich finde deine Geschichte: den Plot, die unaufdringliche Erzählweise, die Traurigkeit, die Charaktere und und und wahnsinnig gut.
Und ich habe jetzt einen großen Endorphinrausch. :) Vielen Dank noch mal.

Hallo wieselmaus,

schön, dass du den Termin noch geschafft hast. Sonst hätten wir auf ein Glanzlicht in der Challenge verzichten müssen.
Danke schön! Bei den vielen tollen Geschichten in der Challenge schmeichelt mir das natürlich extrem. Gepostet hätte ich den Text natürlich auf jeden Fall irgendwann. Aber wer weiß, wie lange es sich noch hingezogen hätte ohne ein bisschen Termindruck von außen … das ist schon sehr hilfreich dabei, sich zu motivieren.

Ganz schlimm wäre es natürlich, wenn Alex, der alte Verschwörungstheoretiker, Recht hätte.
Also dass die Illuminaten oder lizard people oder was weiß ich, was sich solche Leute vorstellen, das bevorstehende Ende der Welt nur erfunden haben, um Chaos zu verbreiten, wäre schlimm. Aber das ist zum Glück auch nicht der Fall, das weiß ich aus sicherer Quelle, nämlich der von Autorin. :lol:
Womit er vielleicht aus Versehen richtig liegen könnte, wäre, dass die Erde am Ende doch nicht von einem Gammablitz getroffen wird. (Die sind wirklich sehr selten und ich glaube eigentlich nicht, dass man die so präzise vorhersagen könnte, bisher sehen die Astronomen die glaube ich erst, wenn sie schon passiert sind. Ich habe nur eine Form der Katastrophe gesucht, die sehr schnell und sehr tödlich wäre, aber Strukturen wie den Bunker mit hoher Wahrscheinlichkeit verschonen würde, weil ich die Museumsidee so schön fand.)
Aber das wiederum wäre doch eigentlich eine sehr coole Sache – da hätten sie die Ansätze für eine bessere Gesellschaft geschaffen und dann ginge die Welt gar nicht unter.

... und wir werden das Beste machen aus der Zeit, die uns noch bleibt. Das gottverdammt Allerbeste.

Ein treffender Appell für den Sivesterabend, an dem immer so gute Vorsätze gefasst werden.

Ja, das Timing bei der Fertigstellung dieser Geschichte war in vieler Hinsicht gut, nicht? :)
Und ich glaube auch, das ist auf jeden Fall eine Maxime, nach der man sich auch richten kann, ohne dass der Weltuntergang droht. Denn wie Eva sagt: Wir wissen ja auch so, dass wir nur ein begrenzte Lebenszeit haben. Und am Ende ihres Lebens denken sich die Menschen halt in der Regel nicht „Ach, hätte ich doch mehr gearbeitet“ oder „Ich wünschte, ich hätte den Umsatz meiner Firma mehr gesteigert“ oder so was.

So, geht dann nach dem verabredeten Neujahrsspaziergang weiter – ist vielleicht ganz gut, das Smileylimit reicht mir eh immer nicht aus, wenn ich auf viele Kommentare nacheinander antworte.

 

Hi Perdita,
ich wünsche dir einen tollen Start ins neue Jahr oder halt, dass es genauso weiter geht. :)

Ich merke, dass ich auch ziemlich k.o. bin.*Aber glücklich.
Das kauf ich ihr nicht ab.
Du hast schon recht - glücklich ist da wohl nicht das richtige Wort.*
Glücklich finde ich zu stark. Vielleicht erfüllt oder zufrieden?

Viele Grüße
wegen

 

Hallo Perdita,

frohes Neues Jahr!

Zuerst eine Fluse:

Eigentlich ist kann man es gar nicht mehr so nennen.

Das "ist" erscheint mir fehl am Platze.

Ich habe Deine Geschichte sehr gerne gelesen. Sie ist sprachlich sauber und sehr routiniert erzählt.

Generell finde ich auch die Thematik spannend. Was passiert, wenn die Menschheit wüsste, dass die Welt unterginge?

Tja, das ist eine sehr gute Frage. Ich denke, es würde nicht viel passieren. Die Menschen glauben am Ende, was sie wollen. Wenn man sich alleine die Diskussionen ums Impfen oder Homöopathie ansieht, von Religion ganz zu schweigen, denke ich, dass die Menschheit ein Untergangsszenario einfach nicht glauben würde.

Daher glaube ich auch nicht, dass die großen Organisationen (Staaten) zusammenbrechen würden. Die täglichen Zwänge sind schließlich die gleichen. Selbst bei Krieg oder Hyperinflation, Seuchen oder Naturkatastrophen brechen Staaten nicht zusammen, sondern funktionieren (irgendwie) weiter.

Aber dafür ist Literatur ja da, dass man sich aussuchen kann, was passiert und Deine Geschichte hat mir wirklich gut gefallen und ich bin gerne Deinen Gedanken gefolgt.

Lieber Gruß

Geschichtenwerker

 

Moin Perdita,

Was für ein einfacher und doch so passender Titel. So kurz vorm Abgabeschluss war ich sicherlich nicht die einzige mit einem Lächeln im Gesicht, bis mir die doppelte oder eher die eigentliche Bedeutung klar wurde. Aber auch, als das "Endzeitszenario" klar war (nach der Frage: "Scheiße. Mit den Kindern?") verschwand das Lächeln nie ganz. Die ganze Geschichte hat sich für mich angenehm und mit genau dem richtigen Mix aus Info, Anreiz zum Bilder im Kopf basteln und leisem Witz gelesen, Dankeschön.

Nein, eine konstruktive Kritik wird dieses jetzt leider nicht, ich mag die Geschichte einfach zu sehr (und bin noch ein wenig zu ... um schon wirklich mitreden zu können). Aber ein, zwei Lieblingsstellen will ich Dir noch verraten:

Die Dahlkamps haben es wenigstens sozialverträglich gemacht. Nicht wie dieser Arsch in der Platanenstraße, der seine ganze Familie erschossen hat, eine furchtbare Sauerei. Hier waren es Tabletten, nehme ich an. Und sie haben einen Zettel in unseren Briefkasten gelegt, damit wir es nicht erst am Geruch merken. Gute Nachbarn, bis zuletzt.
Aber ich sage nichts. Jeder hat seine eigene Art, mit der Sache umzugehen, und vielleicht sind Verschwörungstheorien sogar die beste. Auf seine Art ist Alex wohl ganz glücklich. Schade, dass ich nicht so gestrickt bin.
„Möglichst viel und möglichst viele verschiedene Sorten“, sage ich. „Mein Freund hat heute eine Mandel-OP.“
„Hey“, sagt er. „Denkst du an was Trauriges?“
„Ich weiß nicht“, sage ich.
„Komm“, sagt er. „Wir haben immer noch jede Menge Eis.“

Da kommt wohl keiner beim Lesen um die Frage drumrum, "Was würde ich tun" - sehr spannend und wir hatten hier im Haushalt eine rege Diskussion dazu. Noch für eine ganze Weile werde ich beim Kauf von Eis, an deine Geschichte denken müssen, Dankeschön!

Nick wartet oben auf dich“, sagt Lien. „Ich glaube, er ist ziemlich k.o. Sie haben Musikinstrumente hergebracht, Klaviere und so.“
Ich merke, dass ich auch ziemlich k.o. bin. Aber glücklich.
Ich bin sicher, das es so richtig ist und wenn es als Stilmittel eingesetzt ist, lässt sich nichts sagen, aber die so nahe Wiederholung der auffälligen Abkürzung hat mich irritiert.

Beste Wünsche für 2018
witch

 

Hallo The Incredible Holg,

"Kurz vor Schluss"? Sehr passend.
Hehe. :) Aber nur Zufall. Den Titel hatte die Geschichte schon lange vor der Challenge.

Weil ich deinen Folge-Post irgendwie missverstanden habe und dachte, es gäbe einen inhaltlichen Bezug zu "Das Erbe", habe ich mir auch letzteres noch mal angeguckt. (Fand ich genauso schön, offenbar schon damals.) Ist das ein Thema, das dich öfter umtreibt?
Tut mir leid, dass das missverständlich war, ich war nur so stolz, dass ich die Unart, Überarbeitungen anzukündigen und sie dann bis auf den Sankt-Nimmerleinstag zu verschieben, endlich abgelegt habe, zumindest jetzt dieses eine Mal …
Zwischen beiden Geschichten gibt es keinen Zusammenhang, außer dass das Thema der Kommunikation über sehr lange Zeiträume hinweg auch eine Rolle spielt. Ich glaube, das hat sich auch tatsächlich hier mit hineingemischt, weil es mich nach der letzten Geschichte immer noch beschäftigt hat.

Toll finde ich, dass du einen ziemlich positiven Blick auf diese vor der Vernichtung stehende Gesellschaft hast. Man könnte ja erwarten (ich würde es erwarten), dass Chaos und Anarchie ausbrechen, wenn die Leute denken, dass es eh nicht mehr drauf ankommt.
Ich denke auch, was in der Geschichte passiert, ist keine besonders realistische Vorstellung. Zum einen, weil Menschen extrem gute Verdrängungskünstler sind, zum anderen weil ein gesellschaftlicher Zusammenbruch, wo dann auch leicht Versorgungsengpässe und so was auftreten können, wahrscheinlich eher aggressives Verhalten auslösen würde, wie du sagst.
Aber mir ging es diesmal auch gar nicht darum, etwas Realistisches zu schreiben.

Ich habe neulich ein Zitat gelesen, da sagte jemand sinngemäß, es wäre inzwischen einfacher, sich das Ende der Welt vorzustellen als das Ende des Kapitalismus. Das stimmt unglücklicherweise, aber ich finde, das darf man nicht einfach hinnehmen.
Man braucht positive Visionen, wenn etwas besser werden soll. Ich bin da gar nicht festgelegt auf ein bestimmtes Gesellschaftsmodell, weil mir bewusst ist, dass die „real existierenden“ Versionen im Vergleich zum platonischen Ideal immer große Macken haben werden. Und den nötigen Transformationsprozess wünsche ich mir in jedem Fall demokratisch und gewaltfrei, denn alles andere führt immer zu Scheußlichkeiten. Aber man kann ein System, das, wenn es so weiterläuft wie bisher, in absehbarer Zeit zur Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen führen wird und in dem unglaublich viele Menschen in unwürdigen Bedingungen leben müssen, nicht einfach als alternativlos ansehen.

Aber eine Geschichte, wo die Menschheit eines Tages aufgewacht ist und einfach so beschlossen hat „so, jetzt machen wir mal alles besser“, die wäre dann doch … na ja, nicht unbedingt unrealistischer, aber ich hätte die nicht schreiben können, glaube ich. Da hätte ich immer die Befürchtung gehabt, dass es Kitsch wird.

Die Idee zu der Geschichte gibt es schon eine ganz Weile, aber was mich dann noch mal sehr bestärkt hat, die zu schreiben, war das Buch „The Dispossessed“ (deutsch „Freie Geister“) von Ursula K. Le Guin. Da geht es um einen Planeten von Anarchisten. Da ist bei weitem nicht alles perfekt, aber gerade deshalb, weil sie ehrlich damit umgeht, dass durch menschliche Schwächen auch mit der schönsten Philosophie in der Praxis nicht alles eitel Sonnenschein ist, wirkt die Gesellschaft die sie beschreibt, um so anziehender. Denn da sieht man halt: Es könnte durchaus anders (und besser) gehen, wenn wir wollen.

würde ich ändern zu: "Bevor die NASA es bestätigt hat".
Das macht Sinn! Auf die Vorgeschichte, wie hat man das mit dem drohenden Gammablitz eigentlich rausgefunden, wollte ich nicht eingehen, weil das für die Geschichte nicht wirklich wichtig ist. Aber wenn es reicht, ein Wort zu ändern, um es ein bisschen plausibler zu machen, das ist natürlich komfortabel.

Sooo ein großes Ding ist das nicht (sofern die OPs noch so gut funktionieren wie jetzt), da braucht sie nicht ganz so viel Mitleid zu haben.
Ich weiß, ich habe mich dafür extra in Foren zu dem Thema umgesehen, da haben auch alle, die damit Erfahrung hatten, gesagt, es wäre nicht weiter schlimm.
Sie meint das auch vor allem in psychologischer Hinsicht – Nick wollte halt gerne Kinder und sie nicht unbedingt. Vor allem deshalb leidet er darunter.

Heißt das, Nick hat direkt nach seiner OP wieder schwere Sachen geschleppt? Das halte ich ja für keine gute Idee. Oder habe ich da einen Zeitsprung verpasst?
Da ist ein bisschen Zeit vergangen, ja. Bei Leerzeilen vergeht dazwischen ein bisschen Zeit, und bei den Sternchen etwas mehr, könnten ein paar Tage oder sogar Wochen sein. Das ist halt nicht so offensichtlich, weil alle Szenen nur so kleine Episoden sind, die nicht zwingend in einer speziellen Reihenfolge passieren müssen. Da muss ich mal überlegen, wie ich das besser deutlich machen mit den zeitlichen Abständen.

Eine Geschichte zum Nachdenken und irgendwie auch zum Wohlführen.
So was in der Art habe ich mir vorgestellt. Das freut mich sehr. Vielen Dank für deine Anmerkungen. Über die eventuell überflüssigen Sätze denke ich noch nach.

Hallo RinaWu,

Am Anfang war ich verwirrt über die Abkürzung.
Das wird sicher den meisten so gehen, dass man erst nach ein paar Sätzen versteht, was damit gemeint ist. Ich glaube Holg war der einzige, der geschrieben hat, dass es ihm sofort klar war.

Während ich deine Geschichte gelesen habe, musste ich an den Film Melancholia denken. Hast du den gesehen?
Ja, den kenne ich. Ich mag aber Lars von Trier nicht. Ich habe bei ihm irgendwie immer das Gefühl, dass er sein Publikum absichtlich quält, und das stört mich. Man kann deprimierende Themen auch verarbeiten, ohne sich so richtig im Elend zu wälzen, finde ich. Das ist aber eine Geschmacksfrage. Optisch ist Melancholia beeindruckend und die Schauspielerinnen – Kirsten Dunst war glaube ich die depressive Schwester? – spielen sehr gut.

Der Passus mit dem spuckenden Alex, den finde ich entbehrlich. Hätte es für mich nicht gebraucht, auch nicht, um zu erklären, was mit der Erde los ist, warum sie kurz vor dem Ende steht. Ich finde, der Eingriff, den Nick vornehmen lässt und die Episode in dem Museum (sehr schöne Idee, traurig, aber auch tröstend) erklären genug. Die Episode mit Alex kam mir unter all dem anderen irgendwie zu erklärend vor.
Da hast du schon irgendwo recht, das ist der Expositionstyp. :)
Aber abgesehen davon, dass es ohne die Szene manchen Lesern vielleicht auch zu wenig Erklärung sein könnte, hat er aus meiner Sicht noch einen anderen Mehrwert. Der ist ja wirklich nicht so leicht zu ertragen. Aber die Protagonistin streitet nicht mit ihm und versucht nicht, ihm seine Ideen auszureden, sondern akzeptiert das als seine Art, mit der Situation umzugehen. Die Menschen in der Geschichte sind ja allgemein sehr tolerant und rücksichtsvoll und fragen sich gegenseitig sehr oft, ob es dem anderen gut geht. Und das war mir wichtig, dass sie das halt nicht nur mit den netten Leuten im Museum so machen, sondern dass die Rücksichtnahme auch bei jemandem wie dem Alex gilt.

Das Museum wiederum hat mich sehr berührt. Was bleibt von uns zurück? Wird es jemand finden? Zu deuten wissen? All diese Fragen, die man sich stellt. Und vor allem ist das Museum eben ein Ort, an dem die Leute beschäftigt sind, an dem sie aufeinandertreffen, Halt finden, etwas von sich verewigen können, auch wenn sie vielleicht ahnen, dass am Schluss sowieso nur Schutt und Asche übrig bleiben. Aber dieser Ort hat etwas Tröstendes.
Darüber freue ich mich sehr. Ich habe mir überlegt, was ich in der Situation der Protagonisten machen würde, und da ist mir diese Museumsidee gekommen und ich mag die auch sehr (abgesehen davon, dass mir die Idee gefallen hat, dass sich die Leute geweigert haben, den Reichen einen Rettungsbunker zu bauen.). Wenn die so allgemeinen Anklang findet, dann klappt das ja vielleicht doch mit dem vorapokalyptischen Utopia. :)

Hallo Eisenmann,

Freut mich sehr, dass dir die Geschichte gefallen hat.

Eine ruhige, "entspannte" Katastrophe, die das Ende mit stoischem Gleichmut einläutet. Vielleicht hättest du in ein paar eingestreuten Andeutungen erwähnen können, dass es auch zu Massenhysterien, Kriegsrecht und Ausnahmezuständen in einigen Städten/Ländern/Kontinenten gekommen ist - das also wirklich nicht jeder so abgeklärt mit dem gobalen Tod umgehen kann wie Eva, Nick und Lien, aber das ist nur so ein Detail, dass deiner Geschichte wirklich nicht fehlt!
Das habe ich auch überlegt. Denn ich mag ja die „lauteren“ Varianten von Endzeitgeschichten auch gerne.

Und wie gesagt ist mir natürlich klar, dass die Geschichte nicht gerade ein wahrscheinliches Szenario beschreibt. Aber ich habe mich dann wirklich bewusst darauf konzentriert, was mit ein paar Menschen in einer Ecke der Welt passiert.

Hallo Analog,

Nach den Tags "Philosophisches" und "Seltsam" war ich gar nicht auf Endzeit eingestellt und wurde umso positiver überrascht.
Ich habe erst auch an Science Fiction gedacht, was vielleicht die Erwartungen schon eher in die Richtung lenken würde. Da habe ich mich aber dagegen entschieden, weil das Endzeitszenario hier eigentlich nicht so richtig im Zentrum steht. Das Thema Sterblichkeit/ Vergänglichkeit im Allgemeinen kann man ja prinzipiell auch unabhängig vom Weltuntergang behandeln.

Wenn du die Geschichte im Mittelteil (Arzt/Supermarkt und am Ende im Museum) ein wenig straffst, könnte ich mir vorstellen, dass die Geschichte einen Platz in einer kommerziellen Anthologie oder in einem einschlägigen Magazin finden könnte. Ich für meinen Teil bezahle Geld, um derartige Geschichten lesen zu dürfen. Und meistens sind die Geschichten nicht im Ansatz so ausgefeilt wie deine.
Das ehrt mich natürlich sehr, und Potenzial zum Straffen ist bestimmt vorhanden. Aber ich finde, das direkte Feedback von Lesern, was man hier bekommt, das ist eigentlich wertvoller als Geld (also nichts gegen professionelle Veröffentlichungen natürlich. Schreibt mir ruhig, Anthologie-Herausgeber! :D)

Hallo Kellerkind,

Das ist in meinen Augen eine rundum gelungene Geschichte.
Vielen Dank!

Ich habe die Hauptfiguren sofort in mein Herz geschlossen.
Freut mich sehr. Die waren irgendwie auch von Anfang an sehr plastisch beim Schreiben. Bis sich die Handlung so richtig herauskristallisiert hat, das hat ganz schön gedauert, aber Eva und Nick waren gleich ziemlich lebendig.

Und Dein Erzählrhythmus erzeugt ein melancholisches aber seltsamerweise nicht hoffnungsloses Gefühl.
Das ist super, darauf habe ich hingearbeitet.

Hallo Geschichtenwerker,

danke für den Flusenhinweis, ist beseitigt! :)

Die Menschen glauben am Ende, was sie wollen. Wenn man sich alleine die Diskussionen ums Impfen oder Homöopathie ansieht, von Religion ganz zu schweigen, denke ich, dass die Menschheit ein Untergangsszenario einfach nicht glauben würde.
Ja, ich glaube auch, es ist am wahrscheinlichsten, dass ein großer Teil der Menschen so eine Information einfach verdrängen würde. Die meisten Leute hören ja auch zumindest gelegentlich in den Nachrichten, was bis Mitte oder Ende dieses Jahrhunderts alles passieren kann, wenn der Klimawandel ungebremst weitergeht. Wenn man sie aber darauf anspricht, dass das ja ihre Kinder und, wenn sie nicht gerade im Rentenalter sind, auch sie selbst betrifft, dann gucken einen die meisten an, als würde man irgendwas völlig Abwegiges und Extremes erzählen. Möglicherweise ist das der Preis dafür, dass wir nicht ständig über unsere eigene Sterblichkeit nachdenken müssen.
Ich habe auch eine Weile hin- und herüberlegt, ob ich da irgendwie drauf eingehen muss, warum die Mehrheit der Menschen so überzeugt ist. Aber irgendwann habe ich dann einfach gesagt: nö, das ist halt in der Geschichte so. :)

Daher glaube ich auch nicht, dass die großen Organisationen (Staaten) zusammenbrechen würden. Die täglichen Zwänge sind schließlich die gleichen. Selbst bei Krieg oder Hyperinflation, Seuchen oder Naturkatastrophen brechen Staaten nicht zusammen, sondern funktionieren (irgendwie) weiter.
Darauf bin ich nicht so sehr eingegangen. Es wird erwähnt, dass Regierungen zusammengebrochen sind, aber ob danach wirklich pure Anarchie herrscht, ist offen. Ich glaube, es gibt schon noch so eine Art Verwaltungsapparat, um die nötigsten Sachen zu organisieren (es wird ja z.B. erwähnt, dass es im Krematorium Formulare gibt) – aber halt nur die nötigsten. Die Leute in der Geschichte machen nur noch, was ihnen sinnvoll erscheint.

Deine Geschichte hat mir wirklich gut gefallen und ich bin gerne Deinen Gedanken gefolgt.
Schön, vielen Dank!

Hallo greenwitch,

Aber auch, als das "Endzeitszenario" klar war (nach der Frage: "Scheiße. Mit den Kindern?") verschwand das Lächeln nie ganz. Die ganze Geschichte hat sich für mich angenehm und mit genau dem richtigen Mix aus Info, Anreiz zum Bilder im Kopf basteln und leisem Witz gelesen, Dankeschön.
Ich habe zu danken! :)
Das mit dem „richtigen Mix“ erfreut mich besonders, denn zwischendurch war ich da immer am Zweifeln – ist das zu krass, mit einem Familienselbstmord/Mord einzusteigen? Mache ich zu viele Witze, um die Depri-Stimmung nicht überhand nehmen zu lassen? etc. – das war echt nicht so leicht auszubalancieren.

Nein, eine konstruktive Kritik wird dieses jetzt leider nicht, ich mag die Geschichte einfach zu sehr
Ach was, ich finde das auch konstruktiv, wenn man etwas Positives zu sagen hat. Und welche Stellen besonders gut ankommen, finde ich auch immer spannend.

Das mit dem wiederholten k.o. ist auch ein guter Hinweis, über die Stelle werde ich sowieso noch ein bisschen nachdenken wegen den Formulierungen, auch was das glücklich betrifft.

Vielen Dank euch allen, habt ein schönes 2018!

 

Hallo perdita,

das ist mal die abgefahrendste Endzeitgeschichte, die ich hier bisher gelesen habe.
Abkürzung, allein dieses Wort ist schon großartig.
Aber das Bravurstück ist, wie du die Erwartungen brichst. Endzeit muss eben nicht jeder gegen jeder sein, Verfall von Kultur und Zusammenhalt. Du zeigst das komplette Gegenteil: da es eh nichts mehr zu Gewinnen gibt, kann man auch freigiebig sein. Das gefällt mir sehr gut.
Dein Pärchen gefällt mir außerordentlich gut, auch ihre Kontrollfrage ist ein wunderbares Verbindungsstück zwischen en beiden.
Ich bin in einem Rutsch durch den Text, habe keinerlei kritische Anmerkungen und komme deswegen lediglich mit einem uneingeschränkten-Daumen-nach-Oben-Kommentar um die Ecke.

Sehr gerne gelesen und wird mir sicher noch eine lange Zeit durch den Kopf gehen.

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Perdita,
die klassische Geschichte geht ja so: Unter der dünnen Schicht der Zivilisation sind die Menschen grausame Wesen. Ich fand das schon immer eine deprimierende und auch falsche Vorstellung - als würden wir alle nur darauf warten, endlich mal so richtig grausam sein zu dürfen.
Wie Wellenläufer ja schon sehr richtig angemerkt hat: Bei Dir verhält es sich genau andersrum. Damit ist Dir ein echter Coup gelungen. Man liest die Geschichte und ist von Satz zu Satz mehr angetan. Auch deshalb, weil es bei allem Positiven natürlich trotzdem todtraurig ist. "Wie geht es dir?", "Denkst du an etwas Trauriges?" - das ist ja irgendwie der heimliche Refrain der Geschichte. Wirklich sehr gut.
Gruß
Jürgen Hoffmann

 
Zuletzt bearbeitet:

Gude Perdita,
du hast einen sehr detailreichen Text geschrieben. Mir gefallen der Grundtenor und die Idee, eine Welt zu beschreiben, die kurz vor der Apokalypse steht, aber ohne die eigentliche Katastrophe an sich. Sondern „nur“ das, was vorher kommt. Interessant und gut finde ich dabei auch, dass du bis zum Schluss nicht auflöst, ob es in der Geschichte tatsächlich ein Weltende gibt, womit du der Perspektive deiner Protagonistin treu bleibst.
Für mich fehlt dem Text jedoch eine zündende Handlung. Es ist mehr eine Momentaufnahme, ein Tag im Leben vor der Apokalypse, ohne, dass dieser Tag irgendwie von den anderen Tagen zu unterscheiden ist. Dabei finde ich deinen Anfang zunächst sehr ansprechend. Die „Abkürzung“ ist ein teuflischer Euphemismus, was mich gleich wachrüttelt und einstimmt. Nach dem Gespräch mit Alex verliert es sich aber leider. Es folgen nur noch einzelne Szenen, die zuweilen abrupt aneinandergereiht sind, z.B. hier:

Sport ist ihm zu langweilig, sagt er.

Ich arbeite gerne mit Lien. Ihr Projekt gefällt mir am besten.

Da fehlt mir nach dem Absatz eine zeitliche oder räumliche Verbindung zur vorherigen Situation.

Was mich zudem irritierte waren die Figuren deiner Erzählung. Die meisten von ihnen werden von dir dargestellt, sogar recht genau, aber sie verschwinden nach ihrer Exposition gleich wieder. Am auffälligsten ist da „Olli“:

Ich weiß nicht, ob das stimmt. Die einzige Quelle für die Geschichte ist Olli, und er ist nicht gerade objektiv. Olli trinkt eine Menge selbstgebrannten Fusel, und er ist so eine Art Kommunist.
Diese Erwähnung lässt mich denken, ich müsste diesen Olli bereits kennen. Aber vorher und nachher taucht er nicht auf – es ist nur die Stelle und scheinbar braucht es Olli nur für die Vermutung, dass das „Museum“ als Bunker geplant war. Ich glaube, man könnte ihn streichen und das Alex sagen lassen, der ja verschiedensten (Verschwörungs-)Theorien anhängt, z.B. als ironischer Kommentar, dass sogar Reiche „darauf reingefallen seien“.

Daneben ist mir noch aufgefallen, dass du manchmal erzählst, wo du es auch in der Geschichte „zeigen“ könntest. Zum Beispiel hier:

„Schön, dass du kommst“, sagt Lien. „Ich mache hier erst mal Schluss. Der Mandarin-Kurs, du weißt schon.“
Ein paar Leute vom Artefakt-Team sind der Meinung, man müsste alles im Museum beschriften.
Du könntest auch das „du weißt schon“ streichen und die Protagonistin unwissend lassen. Wenn sie dann nachfragt, kannst du die Informationen ins Gespräch einfließen lassen, was ich schöner finde, als einen erzählerisch-informierenden Block.

Was mir sehr gefallen hat, war die fast schon Mantra-hafte Wiederholung der Frage: „Denkst du an was Trauriges?“ Und immer wird der Frage ausgewichen oder halb gelogen. Das ist für mich die Essenz deines Textes, denn irgendwie belügt sich jeder halb, wenn er weiß, der Weltuntergang kommt und man macht trotzdem weiter. Also meinem Empfinden nach ein starker Satz. Aber um die Brücke zu meinem anfänglichen Argument zu schlagen: Ich habe mir bis zum Schluss gewünscht, dass es schließlich einen Bruch gibt und irgendjemand sagt: „Ja.“ Das bleibt aber leider aus.

Als Fazit würde ich sagen, dass du ein äußerst spannendes Setting gewählt und glaubwürdig umgesetzt hast, auch wenn noch ein, zwei lose Fäden da sind, die du noch besser verweben kannst (s.o.). Mir persönlich fehlt dann ein sich entfaltender Konflikt, der mich bis zum Ende hin an den Text fesselt. Ich muss aber auch zugeben, dass das auch eine Geschmacksfrage sein kann, ich werde mal neugierig die anderen Kommentare durchstöbern.
Bis dahin hoffe ich, dir ein paar nützliche Anmerkungen dagelassen zu haben!

Vulkangestein

Edit: Ok, es scheint wohl wirklich meine persönliche Meinung zu sein. Ganz allein meine :Pfeif:

 

Hola Perdita,

hoffe, guten Rutsch gehabt zu haben!
Von Dir habe ich außer sehr guten Kommentaren noch nie etwas gelesen. Denke mir, dass Du auch sehr gute Geschichten schreibst – und schon bin ich drin.

Ich hasse es, wenn Leute die Abkürzung nehmen.
Heh, und jetzt bin ich richtig wach! Was geht da ab?
Hier waren es Tabletten, nehme ich an.
Ab-/Verkürzungstabletten. Aha.
... eine furchtbare Sauerei.
... damit wir es nicht erst am Geruch merken.
Starker Tobak.

Ich weiß nicht, was wir ohne Auto machen würden.
... dass wir das mit dem Lastenrad hinkriegen.
... nicht mit einer toten Familie auf dem Anhänger.

und der Gammablitz genau auf die Erde trifft
Präzisionsarbeit, Freispruch für die Menschheit; weitermachen mit der alten, leider nicht bewährten Methode!

„Danke“, sage ich. Das Wort fällt aus meinem Mund wie ein Stein.
Perfekt.
Das wirklich Traurige war der Versuch, Yesterday zu pfeifen.“
Dto.
Ich entspanne mich so sehr, dass es mich anstrengt.
Ganz wunderbar!
Nagel auf Kopf! Vielleicht ist Fische malen besser als Yoga, Hauptsache in Aktion bleiben.
Deine Geschichte bringt den Leser zur Kernfrage, und da fällt mir eine Träne ins Weinglas – muss ich doch an die Superreichen denken, die noch bei schwerer Schlagseite der Titanic zu den Tresoren strebten, um ihre Schätze zu retten. Eisenmann denkt an Plünderungen – das wäre das gleiche Verhalten für die untere Kaste: Noch etwas grabschen, raffen – und sei’s nur für einen Tag! Nur nicht denken.
Dieses oft gebrauchte Wort ‚Demut’, meist instrumentalisiert von Politikern und anderen Schwätzern, kommt mir in den Sinn; jeder wird versuchen, das Finale auf seine Weise zu managen. Jedenfalls haben sich Deine Helden tapfer geschlagen, ihre Liebe macht sie stark.

Auch ein paar Unklarheiten sind mir begegnet:

Das mit der Vasektomie war Nicks Idee, ...
Hier muss ich gugln. Da kann ich auch gleich noch ein Stück Käse holen, zur Toilette gehen – jedenfalls bin ich raus. Schade.
... etwas gegen etwas anderes zu tauschen. Fast so, wie wir früher eingekauft haben.
Ist aber schon ’ne Weile her, oder:shy:?

Liebe Perdita, da hast Du mir und Deinen Lesern ein paar nachweihnachtliche Nüsse zum Knacken gegeben, der Einfluss der (gesteuerten) Medien auf unser (manipuliertes) Befinden
ist die härteste Nuss.

Hat mir sehr gut gefallen!
José

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Perdita,

raffiniert hast du das gemacht, ehrlich. Da setze ich mich doch zwischen die Protagonisten und denke drüber nach, wie ich mich verhalten würde. Ich würde es einfach nicht glauben. Wieso sollen diese Wissenschaftler auch 100% sowas voraussagen können? Das ist sicher nur ein Komplott von den Chinesen, Russen und/oder Amis, die damit was bezwecken wollen :shy:

Spannend ist auch diese Vorgabe, dass es ein Blitz sein wird: Also geht alles schnell, so verstehe ich das, und in nullkommanix sind alle verbrannt oder so. Also ist das nicht viel tragischer, als eine Abkürzung zu nehmen. Da die Hoffnung doch zuletzt stirbt, kann ich gar nicht verstehen, dass sich da die Leute reihenweise vorher das Leben nehmen.

Ich finde, diese Idee ist ein Roman wert, weil deine Umsetzung auch nicht so deprimiert, sondern eine positive Seite der Menschen zeigt, die dem Leser im realen Leben wirklich ein paar Ahas geben können.

Ich stelle mir vor, wie dann dieser Tag X immer näher kommt (das ist doch anscheinend berechnet, oder?)
und am Ende nur noch Party ist, um sich abzulenken, das macht man am besten mit was Schönem. Dann wird gefeiert, gefeiert, gefeiert ... und der Blitz kommt nicht.
Die Geschichte ist dann aber noch nicht zu Ende. Denn wie gehen die Menschen danach damit um?

Nicht nur inhaltlich, auch ansonsten gefällt mir die Geschichte außerordentlich gut, wie die Zwei miteinander umgehen, was für Ideen du da reinspinnst. Großes Kino.

Komm, schreib' einen Roman davon. Gibt es eigentlich schon eine Empfehlung für diese Geschichte?

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo, perdita.
Nur eine kurze Anmerkung zu deiner tollen Geschichte: Du verwendest den Begriff „eine Abkürzung nehmen“ für meinen Geschmack zu oft. Das war für mich eine „Lesebremse“, an der ich mich verhakt habe.
Würde man in der Situation nicht auch Alternativen wie „sie sind gegangen“ oder „sie haben‘s hinter sich gebracht“ o. ä. sagen?

 

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