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Nenn mich bei meinem Namen

Challenge 3. Platz
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Nenn mich bei meinem Namen

Aufm Teller `n Rest Omelett. Das hat sie mir so beigebracht – drei große Eier, halbe Zwiebel, `ne zerdrückte Knoblauchzehe, alles in die Pfanne und `n Spritzer Chilisauce dazu. Sie kauft immer die richtig scharfe. Keine halben Sachen, sagt sie.

Ich seh aus dem Küchenfenster. Unten vor der Fabrikeinfahrt warten Lastwagen. Die meisten haben Chemikalien geladen. Ich weiß nicht genau, was sie in der Fabrik herstellen. An manchen Tagen riecht's nach verfaultem Fleisch. Vor ein paar Monaten war nachts die Feuerwehr da, aber nur falscher Alarm. Im Kabuff an der Einfahrt sitzt immer `n fetter Typ mit Glatze. Trinkt Kaffee und liest Express. Winkt Lastwagen durch. Zeichnet Frachtpapiere ab. Aber der bringt wenigstens was nach Hause. Ich lieg' seit zwei Monaten auf Eis. Den ganzen Sommer über hab‘ ich ordentlich Schotter gemacht. Kernbohrungen. Abriss. Schwarzkolonne. Mit den Maschinen war ich gut, ich hab‘ Kraft. Kann arbeiten bis zum Umfallen. Trotzdem hat der Chef mich weggeschickt. Ich solle im Frühjahr kommen, vielleicht gäb's dann wieder was. Davon kann ich mir aber nix kaufen, von dem Vielleicht. Keiner will mehr zu seinem Wort stehen. Gibt nur noch leere Versprechungen.

An guten Tagen, wenn genug Futter im Stall ist, mach‘ ich das Omelett mit Sardellen. Ich kipp `ne Handvoll direkt aus der Büchse in die heiße Pfanne. Der Körper braucht Salz. Der fette Typ öffnet eine Luke und nimmt ein Stück Papier von einem der Fahrer entgegen. Die meisten kommen aus dem Osten – Polen, Rumänien, Tschechei. Sieht man auf den ersten Blick. Ich hab' kein Problem mit Kanaken. Auf Baustelle gibt’s die reihenweise. Nur wenn sie alles für billiger machen wollen, reiß ich`s Maul auf. Würde jeder. Keiner lässt sich einfach so abservieren. Ich setz‘ mich an den Küchentisch. Der Tabak ist krümelig, aber `n neuer Beutel oder Aktive sind nicht drin. Sie schafft momentan die Kohle ran, und da will ich`s nicht einfach so verblasen. Mehr mache ich ja nicht zurzeit. Kippen und Kaffee. Wirste irre. Fettsack setzt sich wieder auf den Hocker und liest in seiner beschissenen Zeitung. Arschloch.

Ich mag`s nicht, dass meine Frau in dem Imbiss da arbeitet. Aber machst du nix. Kassiert von allen das meiste Trinkgeld. Liegt daran, dass sie nicht einfach nur ´n Teller vor dich hinstellt, die bietet dir `ne kleine Show, und das mögen die Leute eben. Den Ring, den ich ihr in Madeira gekauft hab‘, lässt sie vor ihrer Schicht in der Handtasche verschwinden. So zahlen sie mehr, sagt sie. Und ich solle mir nix dabei denken. Auf`m Bau war ich gut. Mit den Maschinen war ich gut. Da konnte mir keiner was. Immer saubere Arbeit abgeliefert. Im Wohnzimmer schalte ich den Fernseher an. Zappe durch die Kanäle. Tagesschau. Werbesendungen. Ich schalte aus. Manchmal, da hat sie mich mit `nem Mühlen geweckt. Hat die Bettdecke hoch genommen, mir die eiskalte Flasche gegen den Schenkel gedrückt. So `ne Frau, sag‘ ich dir, die findest du nicht oft.

Wenn mir die Bude zu eng wird, geh‘ ich rüber zu ihr. Zehn Minuten zu Fuß. Ich hab‘ jedes Recht dazu. Gucken können se alle. Hab‘ ich ihr auch gesagt: Die können dich ruhig angucken. Ich nehm‘ den Mantel von der Garderobe und schließ‘ die Wohnungstür ab. Beim Matratzengeschäft unten an der Ecke hängt `n Schild im Fenster: Fünfzig Prozent Rabatt. Vier oder fünf leerstehende Ladenlokale. Dann `n Nagelstudio, Miss Nails, da sitzt `ne Platinblonde, Mundschutz um'n Hals, und wartet auf Kunden. Paar Kanaken vor’m Kiosk, die lungern da immer rum. Ist keine schlechte Gegend. Bisschen runtergekommen, das ja, aber Miete günstig. Wenn du auf Eis liegst, kannst du `s eben nicht mit beiden Händen rauswerfen, das is‘ einfach nicht drin. Wenn ich manche von den Pissern sehe, die in der ersten Woche vom Monat direkt den NETTO stürmen, kann ich nur lachen. Die leben dann paar Tage wie die Könige, danach kommense angekrochen und wollen dich anpumpen. Nix, sag ich denen, ich geb‘ nix, ich krieg auch nix. Musste selber gucken. Muss ich auch. Muss jeder.

Die Frischluft auf Baustelle war gut. Warst immer draußen beim Malochen. Und konntest abends sehen, was de geschafft hast – `ne Mauer hochgezogen, paar dicke Löcher in‘ Beton gefräst, so was. `n Typ, wie der da im Kabuff, der mal `ne Unterschrift hier drauf und da drauf kritzelt, was hat der schon geschafft? `n Scheiß hat der geschafft, ich sag’s dir. Ich stell mich in den Hauseingang vor der Ampel. Da stinkt‘s immer nach Pisse, egal, wann du kommst. Von hier aus kann ich den ganzen Laden sehen. Wie sie dasteht, sich bewegt, hatt‘ ich schon gesagt - so `ne Frau findest du nicht oft. Ich wart‘ `n Moment, dann geh‘ ich rein. Abends, wenn sie von der Schicht kommt, kann ich das ranzige Fett in ihren Haaren riechen. Ich sag ihr, dass sie duschen gehen soll, sie soll sofort duschen gehen, kann ich nicht ertragen, den Gestank. Ist zu gut für die Arbeit, weiß ich ja, aber was soll ich machen?

Sind noch `n paar Plätze frei, an `nem Tisch vor einem der Spielautomaten. Ich setz‘ mich, das Geplärre vom Automaten im Ohr. Sind immer die gleichen Typen, die da dranhängen, stecken ihre letzten Euro rein ... du kannst nix gewinnen, die Dinger sind immer so eingestellt, dass die deine Kohle schlucken und das war‘s. So Wichser können sich nach meiner Meinung gleich einsargen lassen. Keiner gibt dir was ab. Im Leben gibt’s nix umsonst. Niemand schenkt dir was. Das muss man von klein auf verstehen, sonst isses zu spät. Und manche raffen das nie. Hab‘ ich dem Chef gleich gesagt – ich weiß, dass ich nix geschenkt krieg, deswegen reiß ich mir hier auch den Arsch auf. Chef war’n Guter. Hat gewusst, wann du genug Dreck gefressen hattest. Haben geschwitzt wie die Schweine, und `s war auch beschissen harte Arbeit. Wollteste nur Feierabend haben.

Sie schüttelt den Kopf, aber so, dass nur ich das sehen kann. Die anderen Typen haben’s nicht gerne, wenn ich hier rumhäng‘. Ich mach keinen Ärger, würd‘ ich nie tun, ich will nur meine Frau sehen. Wie gesagt, lieber wär`s mir, die würd‘ zuhause bleiben, `ne Frau gehört nach Hause. Aber was soll ich machen? Ich guck nach Arbeit, überall guck ich nach Arbeit. Ich sag‘ denen immer, dass ich auch Toiletten putz, ich putz die Toiletten mit `ner Zahnbürste, wenn`s sein muss. Aber nix. Weiß auch nicht, was los ist. Früher war einfacher. Sind die Zeiten. Früher brauchteste nur `s Maul aufmachen, solange du malochen konntest, war alles gut. Heute stellen die Kanaken ein, Schwule oder Sabberheinis.

Sie stellt mir `ne Tasse Kaffee hin. Ich rühr‘ Kondensmilch rein, bis er die richtige Farbe hat, dann sehe ich den Schein, `n Zwanni, zusammengefaltet unter’m Löffel … sie streicht mir über die Hand und schließt die Augen, wie sie das morgens immer macht, wenn ich noch liegenbleib‘, und ich weiß, wie sie das meint. Dann geht sie wieder nach hinten, bringt Teller raus, räumt Tische ab, und ich seh‘ das, ich seh‘, wie die Typen ihr auf die Kiste glotzen, alle würden da gerne mal ran, das weiß ich, aber die Sache ist die – ich nehm' die mit nach Hause, ich, und kein anderer.

Der Kaffee ist heiß und dünn. Ich trink’ langsam, will noch was von meiner Frau hab’n. Ihr Chef is‘ so `n schmieriger Affe vom Balkan, `n Jugo, und manchmal könnteste echt auf die Idee kommen, dass der noch was nebenbei am Laufen hat, stehen immer wieder Autos mit ausländischen Kennzeichen draußen auf’m Hof, da weißte nie, was Sache is‘ … aber ich sag‘, Hauptsache is‘, der zahlt pünktlich, wenn’s um die Moneten geht, dann werden se nämlich alle schnell komisch. Ich leg‘ meine Hand auf den Unterteller, klapp‘ den Schein zusammen, muss keiner sehen, muss nicht jeder mitkriegen. Bin nicht der Einzige, der auf Eis liegt, aber ich halt wenigstens mein Maul, ich jammer‘ nich‘ so wie die anderen, das sind alles Pisser, die nich‘ malochen wollen, die reden nur so als ob, in Wahrheit mögen die das, auf der faulen Haut rumliegen und fremden Weibern nachschauen.

Den Zwanni steck ich in meine Hemdtasche … für `n Zwanni krisste heute ja nix mehr, das is‘ ja fast schon lächerlich, früher haste da zwei volle Tüten aus’m ALDI rausgeholt, heute musste gucken, wo de bleibst. Ich weiß, ich weiß, ich beschwer mich nich‘, gibt genuch, die nix zu fressen hab’n, ich kenn‘ auch die Bilder aus Afrika, hier die ganzen abgemagerten Dachpappen mit ihren aufgeblähten Bäuchen, aber `s is‘ ja nich‘ so, dass wir uns jetzt mit den Kaffern aus der Dritten Welt vergleichen, oder? Ich hol‘ den Tabak raus, dreh‘ mir eine, trink den letzten Schluck Kaffee, dann geh‘ ich raus, um’s Gebäude, hinten, neben der Auffahrt is‘ `n schmaler Durchgang, wo die Mülltonnen stehen, hier hat‘s überall Ratten, dick und fett werden die Viecher, ich steck mir die Zigarette an, wisch mir die Krümel von den Lippen, da kommt sie, bleibt im Gang stehen, macht ihre Haare auf, ich will ihr `n Kuss geben, sie nimmt `n tiefen Zug aus der Zigarette, ich seh‘ den weißen Streifen an ihrem Ringfinger, und für `n Moment denk‘ ich, was `n verdammte Scheiße, `s geht irgendwie immer nur um Kohle, nur um die dreckige Kohle, und so war‘s schon immer und so wird‘s auch immer bleiben. Kohle, Kohle, Kohle.
„Wie lange musste heute?“, frag ich, und sie zuckt mit den Schultern. „Bis eben Ende is‘.“
„Jut, ja, da machste nix.“ Ich nehm‘ ihr die Kippe aus der Hand. „Brauchst sowieso bald mal was Neues.“
Sie sieht mich an. „Nich‘ so einfach, die guten Jobs liegen nich’ auf der Straße, weißte doch selbst.“
„Wenn der Winter vorbei is‘, im Frühjahr, wart’s ab.“
„Bleibt mir ja auch nix anderes übrig …“
„Krieg wieder was auf’m Bau, auf’m Bau, da war ich gut, da hab‘ ich Kohle verdient, Wahnsinn.“
Sie dreht sich um, sieht in den Gang und sagt: „Okay, Schatz, ich muss ma‘ wieder“, aber ich halt sie am Arm fest. „Nix Schatz, hier, ich bin nich‘ irgendwer, also nenn mich gefälligst bei meinen Namen.“
„Was is‘ denn los mit dir?“
„Nix is‘ los, ich bin nur nich‘ irgendwer.“
„Na dann ...“
Ich seh‘ ihr nach, wie sie in der Küche verschwindet, dann drück ich die Kippe auf‘m Geländer aus, ich kann das Fett riechen, die Fritten und das beschissene Cevapcici, und ich weiß, da muss bald mal was passieren, das geht so nicht weiter, das macht was im Kopf mit der, diese Arbeit, is‘ ja wie den wilden Tieren das Fressen servieren, und das will ich nich‘, sie is was Besseres, keine Nutte, der du auf den Arsch glotzen kannst, so wie’s dir grad‘ gefällt.

Ich halt am Kiosk, die Kanaken immer noch da, drinnen verkaufen die eiskaltes Bier, und `n Mann braucht sein Bier, ich kauf drei Sester, `n kleine Pulle Zinn 40, und `ne Schachtel Camel ohne. Den Zwanni aus der Hemdtasche. Der Wichser hinter’m Tresen grinst und gibt mir’s Rückgeld raus, ich denk‘, `s darf nicht wahr sein, paar Zerquetschte, das war’s, aber ich weiß ja, bald is‘ vorbei, bald is’ wieder Futter im Stall, da mach ich das Omelett wieder mit Sardellen, denn der Körper braucht Salz, vor allem, wenn du schwitzt wie `n Schwein, und der Fettsack sitzt immer noch da in seinem Kabuff und liest im Express, ich bleib auf der anderen Straßenseite stehen, mach mir mit‘m Feuerzeug `n Sester auf, trink `n großen Schluck, der Schaum läuft mir’s Kinn runter, und ich weiß, so soll das sein, so muss das, bald, bald hau ich wieder rein, bald bin ich wieder wer, nich’ so `n armseliger Wichser wie der, Unterschriften sammeln, nee, das is‘ nix, was für alte Männer vielleicht, für Schwache und Kranke, Schwule, Sabberheinis, aber bald, im Frühjahr, wenn’s wieder genug Stunden gibt, dann bin ich dabei, dann bring ich’s nach Hause, dann steck ich meiner Kleinen `n Hunni in die Bluse, keinen läppschen Zwanni, dann kauf ihr `n neuen Ring, einen, den sie nicht mehr auszieht, den sie nie wieder auszieht … auf’m Bau war ich gut, Mann, mit den Maschinen war ich gut.

 

Hi, @jimmysalaryman

Hat mir sehr gut gefallen, Du kannst es Dir ja denken, auch und vor allem das Spiel mit der Sprache. Ich finde es sehr reizvoll, einen Text zu lesen, der so geschrieben ist, wie der Prot spricht. Das betrifft ja nicht nur die offensichtliche Sprache (die mich dazu verleitet, die Sätze vor mich hin zu murmeln, ihren Fluss aufzunehmen), sondern auch die Art des Erzählens.

Dein Erzähler setzt sich ja einfach vor mich und erzählt aus seinem Leben, und das funktioniert total gut. Ich möchte ihm wirklich zuhören, und ich spüre, dass dieses "Was dann?" über ihm hängt. Er ist ja auf Eis, festgefroren, hätte eigentlich gerne ein "Was dann?", aber im Prinzip ist da nur diese Situation, und die is' ja, wiese is', ne? Nix: "Was dann?" Nur das hier halt.

Ein paar Kleinigkeiten:

Auf'm Teller `n Rest Omelett. Das hat sie mir beigebracht – Omelett nach diesem Rezept: Drei große Eier, halbe Gemüsezwiebel, eine zerdrückte Knoblauchzehe, in die Pfanne einen Spritzer Chilisauce. Sie kauft die richtig scharfe. Keine halben Sachen, sagt sie.

Zu Anfang war ich sehr irritiert. Du ziehst mich für meinen Geschmack am Anfang nicht konsequent genug in diese Erzählung. Erst kommt dieser total verkürzte, besondere Satz, und danach ist der ganze Absatz: normal halt. Sodass ich mich gefragt habe, wer denn den ersten Satz sagt und warum der so schnoddrig ist. Im Vergleich zum restlichen Absatz. Da würde ich im ersten Absatz noch ein wenig nachlegen, denn später merke ich ja, dass der erste Satz sehr wohl zur Geschichte passt.

Beim Matratzengeschäft unten an der Ecke hängt `n Schild im Fenster: Fünfzig Prozent Rabatt. Vier oder fünf leerstehende Ladenlokale. Dann `n Nagelstudio, Miss Nails, da sitzt `ne Platinblonde mit Mundschutz und wartet auf Kunden. Paar Kanaken vor’m Kiosk, die lungern da immer rum. Ist keine schlechte Gegend. Runtergekommen, das ja, aber Miete günstig.

Ich spüre voll, wer Dein Prot ist und wo er lebt. Das fühlt sich authentisch an, und ich habe die ganze Zeit ein klares Bild vor Augen. Auch diese Gegend, diese Beschreibung, die ein bisschen skurril gewürzt ist und sich doch so exemplarisch anfühlt.

Sind immer die gleichen Typen, die da dranhängen, stecken ihre letzten Euro rein - du kannst nix gewinnen, die Dinger sind so eingestellt, dass die deine Kohle schlucken und das war‘s.
Hab‘ ich dem Chef gleich gesagt – ich weiß, dass ich nix geschenkt krieg, deswegen reiß ich mir hier auch den Arsch auf.

Was ist der Unterschied zwischen diesen beiden Stellen? Nun ja, an einer Stelle verwendest Du einen Gedankenstrich –, an der anderen einen Bindestrich - statt eines Gedankenstrichs. Ich sehe inzwischen ein, dass sich nicht jede/r die Mühe machen muss, den Gedankenstrich auf der Tastatur zu finden. Aber Einheitlichkeit wäre wünschenswert. Also entweder ganz oder gar nicht. ;)

Ich guck nach Arbeit, überall guck ich nach Arbeit. Ich sag‘ denen immer, dass ich auch Toiletten putz‘, ich putz die Toiletten mit `ner Zahnbürste, wenn`s sein muss.

Du setzt einmal Apostroph an "putz" und einmal nicht. Auch wieder: ganz oder gar nicht, würde ich sagen.

ich seh‘ wie die Typen ihr auf die Kiste glotzen,

Komma vor "wie".

vor allem, wenn du du schwitzt wie `n Schwein,

Hier steht zweimal "du" – das ist wohl nicht beabsichtigt, oder?

Das war's auch schon von mir! Toller Text, gerne gelesen. Ich hätte sogar noch länger in dieser Welt bleiben können. Das hat mich fasziniert, gerade weil der ganze Text gar nicht auf Spannung ausgelegt scheint, weil er mir einfach "erzählt" wird. Total lässig! :D

Zuhörende Grüße,
Maria

 

Hat die Bettdecke hoch genommen, ...

Man Alter, redet wat vonne Eier und sich gleich beschwern übern Jeruch vonne Lastwaa‘n vor de Fabrik. Frü‘er, weiße bestimmt noch, han se‘n Schwefelwasserstoff inne Luft abjeblasen und'e Fenster waa'n dicht, so gudet eben ging. Waa windstill, hatter Bauer nebenan übert jelbe Feld jeflucht, wehte Wind, freuter sich, daddet nach Schweden oder innen Ostblock ging.

So hat jeda wat vom Footschritt jehabt.

Aba dat mit die Alte, wie heiß‘se noch, is auch egal, also, äählich, die häddich voon paa Jah‘n auch nich vonne Bettkante jestoßen. Jetz, wo de Rücken kaputt is – Autobahn, weiße, hättich bei de Böschung aufjehö‘t, ich könnt heut in Cochem am Weinberch aabeiten.
Aba geb mich ma dein Schriftjelehrten,

Alter –

man, dat klingt ja so, als ermittelt de Götz Jeorge noch in Ruu‘ort - der Tanna is ja schon tot, weiße, Hee‘zkaspa, so weidich weiß.
Wat ich aba saa‘n will,

Schimmy,

hööma zu,
wo ich dat grad mit die Bettkante jesacht hab, hochjenommen, imma ein Wort, ob real oder jedanklich.

Dat waat ei‘ntlich, wat ich nuu sagen wollt.

Tschüssikowski, Alter,

jetz aba 'n Pilsken ...

 

Hallo @TeddyMaria ,

vielen Dank für deinen Kommentar. Ist ein Text, der sehr oral funktioniert. Der im Grunde auch tatsächlich gemurmelt werden muss, damit er seine volle Wirkung entfaltet. Das sagt sich immer so einfach, aber ich finde, diese Texte funktionieren nur so. Man spürt auch sofort, beim Lesen, ob das in irgendeiner Art eine authentische Fiktion ist, also ist es nur eine fixe Idee des Autoren, oder passt der Sound? Wenn du den Sound einmal etabliert hast, dann glaubt man dem da redenden Requisit nämlich fast alles. Deswegen muss ich bedenken, was du über den ersten Absatz gesagt hast - wenn er dich irritiert und nicht mitnimmt, ist es nicht gut und ich muss da was machen. Vielleicht noch etwas ausweiten, ein weiteres Detail bringen, oder nein, besser, ein passenderes, präziseres Detail.

Ich finde, eine Welt darf nicht übervoll sein, ich meine jetzt, die erzählte Welt, ein gutes Detail, eines, dass jeder kennt, dessen Symbolhaftigkeit jeder kennt, dessen Ursprung, die soziale Reichweite. Man sagt immer, wenn Nagelstudios und Matratzengeschäfte kommen, ist die Gegend, rein ökonomisch betrachtet, erledigt. Du musst da natürlich mitgehen, in diese Welt, du musst eine Erinnerung haben, so etwas schon einmal selbst gesehen haben, ein eigener Abgleich erfolgt. Schön, wenn das hier funktioniert.

Nein, hier ist keine Spannung in dem Sinne, keine Suspense, aber natürlich gibt es ein Spannungsfeld, ich denke an toxische Maskulinität, an den Wert der Lohnarbeit in einem kapitalistischen Verwertungsgesellschaft, auch an Verantwortung und wie ein Mensch damit umgeht, wenn er für sich selbst als entwertet zu gelten, weil er "nichts nach Hause bringt."

Ja, die Rechtschreibfehler, die werde ich umgehend tilgen!

Vielen Dank für deine Zeit und deinen Kommentar.

Gruss, Jimmy

 

Ich nochma', egal, ob der Apostroph die richtig Länge und Richtung hat oder nicht (ein Problem bei den diversen Zeichen "..strich", das erst mit der mechanischisierten und genormten Zeichen- und Schriftzeichen aufkommt - übrigens auch ein Mittel, Individualität einzuschränken, wie das Förmchen im Sandkasten. Gleichwohl find ich auch, dass Du,

lieber Jimmy,

den Apostroph inflationär verwendest. Dabei hatte Karl Kraus noch dessen depressive Verwendung beklagt und gar dessen Ausrottung gefürchtet. In "der Büchse der Pandora" hat er ein paar bemerkenswerte Zeilen dazu geschrieben, die ich hier mal zitier (hab ich vor einiger Zeit auch mal bei @zigga - wenn auch aus anderem Grund - durchgezogen.

"„… Der deutsche Apostrophenraub, der den Indikativ »ich raub'« nicht mehr vom Imperativ »raub« unterscheiden läßt und gar den Konjunktiv des Imperfekts »ich schrieb'« nicht mehr vom Indikativ »ich schrieb«, macht jede moderne Ausgabe eines Klassikerwerkes schon zur Augenqual, wenn nicht zur vorgestellten Ohrenpein. Abgesehen von der Verwechslungsgefahr, welche manchmal durch den Sinn paralysiert wird, ist das eindeutige Monstrum eines »ich bänd« unerträglich. Diese Zeitsparmaschinen ahnen nicht die Bedeutung eines im Apostroph nachschwingenden Vokals und setzen auch getrost ein raumhaftes »lang« für das zeithafte »lang'«, ohne daß doch in beiden Fällen »lank« zu sprechen wäre. ...“

Wie dem auch sei,

schönes Wochenende und bis bald

Friedel

 

Hallo @Friedrichard

hast wahrscheinlich Recht, mit dem Apostroph, allerdings ist das ja hier ein Stilmittel. Eventuell kann ich da das ein oder andere rausnehmen, aber ich finde, man sollte da schon einen gewissen Zug im Text haben, also eine Regelmäßigkeit, entweder oder. Das ist ja auch eine Taktik im Text, eine Strategie, um das Erzählte noch mündlicher werden zu lassen, ihn noch näher an den Erzähler zu bringen. Ich weiß auch nicht, wie ich das ändern soll, weil das hier ist ja im Grunde ein Ein-Akter, Aufzug hoch, dir wird was erzählt, Aufzug runter, da geht es auch um das Etablieren einer Stimme, ich müsste mal drübergucken, wie ich die Anzahl der Apostrophe reduziere, damit sie dir und dem Kraus' Ansprüche genügen.

Danke für deine Zeit und deinen Kommentar

Gruss, Jimmy

 

Hi Jimmy,

ich mag, wie sich die Geschichte im Kreis dreht.

Omelett, Fabrikeinfahrt, Mit den Maschinen war ich gut, Frau im Imbiss, Ring.
Dann wieder zurück: Omelett, Fabrikeinfahrt, Ring, Mit den Maschinen war ich gut.

Das hat so etwas wie eine Endlosschleife, in der sich der arme Kerl, der sich von seiner Frau Geld zustecken lässt (Diebstahl aus der Kasse?), befindet.
Da macht mir auch die fehlende Spannung nichts aus, da ich diesen Kreislauf gerne mitverfolge.

Die Umgebung und Atmosphäre hast du gut eingefangen. Eingefangen in dem Sinn, dass ich mir richtig vorstellen kann, wie du die Gegend genauso wie in der Geschichte abgelaufen bist und den Text in dein Mini-Diktiergerät gemurmelt hast ;)

Aufgefallen ist mir die unregelmäßige oder nicht konsequente Nutzung von Apostrophen.
(Sehe, dass das Friedel auch schon angesprochen hat.)

Ich nehm' `ne Handvoll
und geb sie
Drei verschiedene Versionen.

Würde jeder.
Wieso nicht "Würd jeder." / "Würd' jeder."?

Ich persönlich würde Apostrophe nur einsetzen, wo sie laut Duden notwendig sind.
Ich finde jetzt die Regel nicht so schnell wieder, erinnere mich nur, dass bei Endung-e kein Apostroph notwendig ist.

Sieh mal hier: Das meine ich. Da hast du die Regel ...

deswegen reiß ich mir hier auch den Arsch auf.
Krieg wieder was auf’m Bau

Ich hab' kein Problem mit Kanaken.
Das glaub ich ihm aufs Wort :rolleyes:
(Wenn er schon Kanaken sagt ...)

Ich finde, eine gute, typische Jimmy-Geschichte. Zinn 40 darf auch nicht fehlen. Und "Sabberheinis" für die älteren Kollegen fand ich auch gut.

Hat mir gefallen.

Schönen Sonntag und 1. Advent.
Liebe Grüße, GoMusic

 

Hallo @jimmysalaryman,

sehr schöner Text, bei dem du keine halben Sachen machst. Ich seh den Typ vor mir, das Maggi vom Omelette läuft ihm aus dem Mundwinkel, die beschlagende Flasche Mühlen (oder zur Not Sester) in der Hand, kleines Bölkchen in die Luft, dann einmal mit der Faust auf die Brust und weiter mit 'Bierchen' am Tresen sitzen, über Maloche, Uschis, Trucker und Kohle parlieren und das alles mit nicht allzu viel Mühe. Mann versteht sich.

Kleinkram:

Ich solle im Frühjahr kommen, vielleicht gäbe es dann wieder genug Stunden
Da bin ich gestolpert, hab mich gefragt, ob es nicht immer gleich viel Stunden gibt. Warum nicht: genug zu tun?

da sitzt `ne Platinblonde mit Mundschutz und wartet auf Kunden
als gelegentlicher Mundschutzträger sage ich dir, den ziehst du nur auf, wenn du ihn brauchst, nicht wenn du auf Kundschaft wartest. Lass ihn doch am Hals baumeln.

. Heute stellen die Kanaken ein, Schwule oder Sabberheinis. Von wegen Quote, sagen die. Ich scheiß auf Quote.
Sabberheinis würde ich ersetzen, finde ich zu harmlos, zu nett (meinst du Behinderte?).
Vielleicht besser Spackos? Waschlappen? Oder derber: Schlappe Pimmel?
Die Quote irritiert mich, klingt fast zu reflektiert.

Ist die dritte Geschichte, die ich von dir lese. 'Du kannst nicht nach Hause' war beeindruckend. 'Hast du jemals etwas sterben sehen' find ich bärenstark, sehr dicht, intensiv und vielschichtig. Da kommt 'Nenn mich bei meinem Namen' anders daher, mit gekonnter Beiläufigkeit im Plauderton. Aber bei solch einer KG ist es wie im Zirkus, auch Schwieriges muss leicht aussehen und das gelingt dir sehr gut. Du bleibst bei deinem Duktus, bringst das Omelett, den Fettsack im Kabuff und die Sabberheinis als Klammer, die die Imbiss-Szene einrahmen. Das ist mit ruhiger Hand geschrieben, von jemand, der es kann.
Ich kaufe deinem Typ seinen Kosmos ab, in dem er kreist und sich letztlich nur um sich selbst dreht. Schöner Titel mit Belang, passender Abgang, in dem der letzte Rest Hoffnung mitschwingt, die Kuh nochmal vom Eis zu kriegen. Chapeau, ich lerne.

Peace, linktofink

 

Gude @jimmysalaryman,
mein besonderes "Talent" beim Lesen eines Textes den Titel desselbigen zu vergessen hat mich am Ende glaube ich auf ein zentrales Element aufmerksam gemacht: "Nenn mich bei meinem Namen" - aber den erfahren wir nie. Am Ende bleibt als Antwort nur "Na dann ...". Der Protagonist wünscht sich, jemand zu sein, in einer Welt, in der seine Fertigkeiten scheinbar nicht mehr zählen.
Dabei wünsche ich ihm doch eigentlich alles Gute, gerade als er sich etwas Besseres für seine Frau wünscht, als in einem Restaurant zu arbeiten - bis er offenlegt, dass auch diese Regung nicht (zumindest nicht vor allem) als Rücksicht auf seine Frau, sondern selbstbezogen begründet ist: Es ist seine Frau und die Frau bleibt daheim, weil er das Geld ranbringen kann. Oder eben nicht.
Wer ist dieser Mensch also? Er ist namenlos geworden in einer Welt, die sich auch ohne ihn weiterdreht. Dabei hat er nicht alle Hoffnung verloren und auch noch nicht alles Gute, seine Frau meint es ja doch gut mit ihm und ist noch da. Jetzt sitzt er erst einmal auf einer Bank und trinkt sein Bierchen. Mir gefällt dieser Grauton, der Mann ist niemand, der ganz besonders hart vom Schicksal getroffen wurde und dem jetzt auch noch die Frau wegläuft und die Wohnung abbrennt und dessen Siegeslottoschein in den Gulli fliegt. Er ist ein Arbeiter, der sich mit Fragen konfrontiert sieht, die er kennt, an denen er sich abarbeitet und ihnen auch mit einer gewissen stoischen Ruhe begegnet. Nur den Namen hat er bereits verloren und die Frage ist, ob er ihn sich wiederholen kann, wenn Frühling wird.

Soweit meine fabulierenden Gedanken zu deinem Text, jimmy. Ich kann an Kritik nichts bringen, ich denke, deine Kurzgeschichte ist fertig. Die Sprache passt perfekt, wirkt sehr natürlich auf mich; die einzelnen Themen werden schlüssig verknüpft und stimmig abgearbeitet; es gibt kein plattes Schwarz-Weiß, sondern eine facettenreiche Grauschattierung. Ich könnte bemängeln, dass es in dem Sinne keine "offene" Konfliktdarstellung gibt und hätte das früher vielleicht auch getan - mittlerweile habe ich aber gelernt, einen Text genau in dieser Form zu schätzen, da er eine neue, spannende Perspektive ermöglicht und verschiedenste Gedankengänge anstößt.

In dem Sinne sehr gerne gelesen,
Vulkangestein

P.S.: Alder, ne halbe Gemüsezwiebel bei drei Eiern und dazu gut Knobi. Da hat aber das ganze Wohnhaus was von :lol:

 

Hallo @GoMusic

ja, das ist ein Mäandern, auf eine Art, im Grunde passiert ja nicht viel, es ist viel eher eine Erzählposition, die hier verdeutlicht wird, also keine Entwicklung von A nach B, sondern nur A, aber da mehr reingehen.

Ich finde den Kerl auch gar nicht arm, das ist doch ein total dummes, rassistisches, frauenverachtendes Schwein, der sich permanent selbst überschätzt. Aber wenn dieser Sound und die Atmosphäre dich dahinbringt, das erstmal anzunehmen, dann ist die Oberfläche des Textes gut, das nehme ich als Kompliment an. Ich finde es unglaublich schwer, einen Text oder einen Erzähler zu glauben. Mittlerweile kann ich auch fast nichts mehr unbelastet lesen, that comes with the territory, aber manchmal muss man sich sagen, es ist alles Fiktion, reiner, purer Realismus wäre und ist auch langweilig. Also alles verdichtet und komprimiert. Schön, wenn es für dich so gut funktioniert hat. Die Apostrophe schaue ich mir an, das geht ja gar nicht.

Danke für deine Zeit und deinen Kommentar!

@linktofink

Danke auch dir. Ja, der Text kommt so geplaudert daher. Ich finde das ein spannendes Format, so fast schon oral history, und wenn du den Erzähler einmal etabliert hast, dann glaubst du ihm alles, du merkst nicht, was da eigentlich passiert, weil alles so schön im Fluss ist und du erstmal liest, die Stimme entwickelt sich im Kopf, der könnte dir alles erzählen, aber eine Verhältnis zur Person, also zum Erzähler, die entsteht oft erst im Nachhinein, ganz selten währenddessen, das ist ja auch dem Format geschuldet, man liest einen kurzen Text und muss das sortieren, und wenn da nicht sofort Triggerwörter stehen wie Fotze oder so, dann muss das erstmal sacken, zwischen den Zeilen kann ich dir alles Mögliche verkaufen, sick shit, und man nimmt es nicht direkt so wahr, weil der Ton so plauderig ist, so vertraut.

Stunden, das überdenke ich, Mundschutz mache ich so, danke für deinen Vorschlag. Sabberheinis, hast wahrscheinlich Recht, da könnte noch was Krasseres hin, aber ich wollte es nicht direkt übertreiben, ich denk mir was Passendes aus. (Ja, ich meinte Behinderte.)

Danke dir sehr, linktofink.

wird forgesetzt!

 

Ich bin immer wieder überrascht, mit welchen neuen Avataren du uns beglückst, heute musste ich dann einfach kommentieren, so kichern musste ich. Wer issen das, um Gottes Willen? Du siehst doch viel hübscher aus!
Aber ist nicht nur wegen dem Bildchen, sondern natürlich wegen der Geschichte, auf die ich schon länger antworten will.
Und damit erst mal Hallo, lieber Jimmy.

Ich hab deine Geschichte glaub schon dreimal gelesen, weil ich es total verrückt finde, wie du es schaffst, trotz dieses grausligen quasselnden Protagonisten so etwas wie Nähe zu ihm herzustellen. Und wie du es schaffst, in diesem mäandernden Gedankenstrom eine Struktur einzubauen, die mit Folgerichtigkeit von einem gewissen Stolz zu einer immer größeren Auflösung führt.
Seinen Selbstwert sieht er nur noch in der schönen Frau, über die er eifersüchtig wacht, wachen muss, deren Zustimmungihn am Leben hält. Er hat nichts mehr außer dieser Frau und dem Gedanken, dass sie ihn bei seinem Namen nennen muss, damit es ihn irgendwie noch gibt. Du schreibst das natürlich nicht so hin, aber es steckt zwischen den Zeilen, seine Auflösung, die er dann, selbstbetrügerisch, wie er ist, als Veränderung seiner Frau wahrnimmt. Ich finde das übrigens eine sehr gelungene Idee, ihn nicht durch die Frau beim Namen nennen zu lassen.
Eigentlich ist er ein armer, verrohter Mensch, der mit größter Selbstverständlichkeit die allerschlimmsten sexistischen und rassistischen Unverschämtheiten dahererzählt und sich auf nichts einen Reim macht. Über die "Kanaken", die ihm den Arbeitsplatz "stehlen" kann er herziehen, aber sich klar machen, dass es gerade sein Chef war, der ihn entlassen hat, dafür reicht es dann nicht mehr. Und noch weniger dafür, dass der ihm für einen Knochenjob gerade mal so viel bezahlt hat, dass Sardellen im Rührei ein hoher Genuss sind. Aber so denken ja leider viele und eigentlich mag man wie gesagt, gar nicht viel mit einer solchen Meinung zu tun haben. Aber vielleicht ist es der zunehmende Verlust an Identität und seine Auflösung, der ihn uns doch etwas nahebringt.

Das war der Aspekt, der mich beim Lesen einfach am meisten umgetrieben hat. Ich finde es ohnehin sehr schwer, so eine Rollenprosa zu schreiben, ohne dass sie langatmig wirkt. Und dann den Menschen, um den es geht, nicht nur aufzuspießen wie ein seltsames Insekt, sondern so einfühlsam zu sein, dass man hinter der rohen Ansicht die Verzweiflung eines anderen Menschen spürt.
Dafür muss man dann schon was können.
In diesem Sinne
Liebe Grüße von Novak

 

Hey Jimmy

Da erklärt einer auf eine sehr rohe Art und Weise die Welt und sein Leben, und doch spürt man immer auch den Kampf um Anerkennung.

Bei solchen Texten ist es ja besonders wichtig, als Autor ganz bei der Figur zu sein, kein Aussenblick, auch keine Samthandschuhe. Das ist unglaublich gut gemacht. Der Typ rückt mir auf die Pelle, ich blicke mich um, ob ich mich nicht vielleicht davon machen kann - und doch lese ich weiter. Nicht aus Faszination am sozialen Elend, sondern weil du mir - wie es Novak auch geschrieben hat - zwischen den Zeilen eben auch einen Menschen nahe bringst, Sorgen, Ängste, Sehnsucht.

Sprachlich hab ich nix. Einzig beim "Yugo" habe ich gestutzt. Müsste das nicht "Jugo" heissen? Ich habe gegoogelt und stosse bei Yugo in erster Linie auf eine Automarke.

Grosser Text, Jimmy. Für das, was es ist, perfekt.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo @Vulkangestein

sehr vielen Dank für deinen Komm. Finde ich einen sehr guten Gedanken, dass er im ganzen Text nicht erwähnt wird. Ist mir gar nicht aufgefallen, und als ich dann deinen Komm gelesen habe, dachte ich: Ja, hey, geil! War nicht bewusst geplant, aber es entspricht natürlich dem Text sehr gut, er ist ein wenig namenlos, ein anonymer Schwätzer, der ins Vakuum spricht. Man kann bemängeln, dass es keinen Konflikt gibt, das stimmt natürlich, spannend im ursprünglichen Sinne ist der Text nicht, dafür reicht es nicht, der Konflikt ist ja eher einer auf der Meta-Ebene, da oszilliert viel Hass und auch ein großer Abgrund, der wird eben nur in einem unverfänglichen Ton präsentiert, den kauft man eher. Aber es stimmt, was du sagst, manche Texte muss man so nehmen, wie sie sind, auch wenn sich das von Autorenseite immer ein wenig nach Faulheit anhört, "is genauso jemeint jewesen, ne?", aber natürlich ist das manchmal genau so, eine Intention, die mitschwingt, die auch ohne die goldenen Regeln auskommt. Freut mich, wenn der Text dir gefallen hat.

@Novak

das ist John Huston! Danke dir für deinen Kommentar, hat mich sehr gefreut, dass du vorbeigeschaut hast. Ich glaube, der Prot reflektiert gar nicht, der plappert einfach, und es ist ja erstaunlich, wie manche Menschen reden, wenn sie glauben, dass du einer von ihnen bist, das funktioniert ja sehr oft über Sprache, das ist wie ein geheimer Code, der Schlüssel zu einem intimen Zirkel, und wenn du da einmal drin bist, geht es ab: bei manchen Hegeringveranstaltungen denke ich mir, andere Jäger, oft ältere, die reden mit dir nur so, weil sie denken, du denkst genauso wie sie, weil du die gleiche Sprache sprichst; dem ist oft nicht so, das ist ja fürchterlich spannend, was die alles über ihre Frauen erzählen, ihre Kinder, die Gesellschaft - das sind tiefe, tiefe Abgründe, mit denen man auch erstmal umgehen können muss, weil sie eben oft total erschütternd sind. Es wird viel über Frauenfeinde und Rassisten gesprochen und auch gesprochen, aber selten mit ihrer Zunge - gar nicht, um da Verständnis zu erwecken, sondern um die Mechanismen offenzulegen, warum sie so denken und fühlen. Seit Trump hat sich da was getan, da möchten die Journalisten schon wissen, wie konnte das passieren, wie konnte man den wählen, was sind das für Leute? Ähnlich mit der AfD, aber das sind alles nur Symptome, die Beweggründe für Hass liegen ganz woanders, oft in einem persönlichen Versagen, und darauf wollte ich auch ein wenig mit dem Text abzielen.

Also, ich bin begeistert, dass es bei dir so gut funktioniert, dass du es auch nicht als reinen Voyeurismus ansiehst, was der Text natürlich auch zu einem guten Teil ist, das muss man klar sagen, es geht ja nicht ohne das Makro, auch wenn es unangenehm werden kann.

Gruss, Jimmy

wird forgesetzt

PS: Mir fällt grad auf: Es müsste doch "Nenn mich bei meineM Namen", oder? Bin ich total behämmert?

 

PS: Mir fällt grad auf: Es müsste doch "Nenn mich bei meineM Namen", oder? Bin ich total behämmert?
Das fiel mir direkt als erstes auf.
Wollte aber nichts sagen. Denn wenn es doch ginge, stände ich als Depp da :D

P.S.: Es passt ja, wenn er mehrere Namen hätte:Pfeif:

 

jimmysalaryman schrieb:
PS: Mir fällt grad auf: Es müsste doch "Nenn mich bei meineM Namen", oder? Bin ich total behämmert?

Siehst du richtig. Vorausgesetzt, du meinst nur einen Namen. ;)

Zu deinem Text: Eindringliches Psychogramm.

 

Hallo @Peeperkorn

ja, das ist so beides, einerseits erkennt man diesen Mann irgendwie auch an, bzw man versucht ihn zu verstehen, aber andererseits findet man ihn auch ekelhaft. Seitdem ich "Tyrannosaur" damals gesehen habe, versuche ich so etwas, einen an sich unsympathischen Menschen in einer Fiktion zu erschaffen, die im besten Sinne zwiespältig ist, also der auch so einen Eindruck beim Leser hinterlässt, dass man eigentlich gar nicht genau weiß, wie man mit dem umgehen soll. Ist ja im echten Leben auch echt oft so.

Ich glaube ja, ein voyeuristischer Impuls, den hat man immer beim Lesen von solchen Texten. Anders geht es auch irgendwie nicht, das kann man nicht bestreiten. Man liest auch immer mit einem neugierigen Auge, zwischen Spannung und Entsetzen, das ist, glaube ich, auch einfach normal. Es darf eben nur nicht das einzige Element eines Textes sein, es darf nicht das Alleinstellungsmerkmal sein, und ich finde es natürlich gut, wenn das hier in dem Text nicht so ist.

Und klar, Jugo nicht Yugo!

Danke dir sehr für deine Zeit und dein Kommentar, hat mich sehr gefreut, dass du vorbeigeschaut hast.

Gruss, Jimmy

 

Hi Jimmy,

mir stellt sich bei diesem Text eine grundsätzliche Frage, die sich um das Wesen der Rollenprosa dreht. Da denkt, fühlt sich ein Autor ein, entwirft anhand Beobachtetem, Sebsterfahrenen eine Figur, gleicht ab, schreibt, formt, gestaltet. Die Figur erhält im besten Fall ein Eigenleben, das der Leser als wahrhaftig empfindet, nah an einer gedachten Realität, die er womöglich gar nicht kennt. Der Leser glaubt im Idealfall, dass die Figur auch genau oder ungefähr so denkt, wie die Innerlichkeiten, die er geliefert bekommt, kann über die Figur urteilen, sie beglotzen, auslachen, lieben, was auch immer. Aber was, wenn die Figur ein Bild wird, das der Autor mir vorgaukelt, eins, das ich glauben soll, weil ich mangels soziokultureller Ferne zu Figuren, wie in der Geschichte beschrieben keinen Vergleich habe. Was, wenn ich mir dann überlege, he, der Typ, ist der wirklich so eindimensional, denkt immer dasselbe, weiß gar nicht recht, warum er seine Frau liebt, kann sich keine Sardellendose leisten, die grade mal 2€ (?) kostet?
Was ich eigentlich sagen will: ich finde den Kerl respektlos beschrieben, da ist außer der angedeuteten Liebe zu seiner Frau, einer diffusen Sehnsucht nach einem besseren Leben, der menschliche Kern kaum erkennbar, völlig verklebt.
Dieser Eindruck würde nicht entstehen, wenn du von außen auf die Figur schaust, wie du es in anderen Geschichten absolut gekonnt, absolut wahrhaftig, vorführst.Na ja, ich hoffe du verstehst, was ich meine. Reduziertes Schreiben, okay, Minimalismus auch, ein bisschen Anreicherung, ein paar Andeutungen, Erinnerungen würden bestimmt helfen.

Davon kann ich mir aber nix kaufen, von dem vielleicht.
den Nachsatz verstehe ich im Zusammenhang nicht.

An guten Tagen, wenn genug Futter im Stall ist, mach‘ ich das Omelett mit Sardellen.
hier die Saredellenstelle, glaubt der das wirklich?

Aber machst du nix.
sagt man das so?

So `ne Frau, sag‘ ich dir, die findest du nicht oft.
schöne Stelle, super!:Pfeif:

Ich mach keinen Ärger, würd‘ ich nie tun, ich will nur meine Frau sehen. Wie gesagt, lieber wär`s mir, die würd‘ zuhause bleiben, `ne Frau gehört nach Hause. Aber was soll ich machen?
auch die Stelle finde ich anrührend

ich kenn‘ auch die Bilder aus Afrika, hier die ganzen abgemagerten Dachpappen mit ihren aufgeblähten Bäuchen, aber `s is‘ ja nich‘ so, dass wir uns jetzt mit den Kaffern aus der Dritten Welt vergleichen, oder?
mm, schwierig, weiß nicht, ob der so denkt, ich meine ausgerechnet an Afrikaner

Sie dreht sich um, sieht in den Gang und sagt: „Okay, Schatz, ich muss ma‘ wieder“, aber ich halt sie am Arm fest. „Nix Schatz, hier, ich bin nich‘ irgendwer, also nenn mich gefälligst bei meinen Namen.“
warum er auf dem Namen beharrt, da baut ja der Text drauf auf, erschließt sich mir nicht komplett, na ja, muss ich drüber nachdenken.

bald is’ wieder Futter im Stall, da mach ich das Omelett wieder mit Sardellen, denn der Körper braucht Salz, vor allem, wenn du schwitzt wie `n Schwein,
das mit dem Salz ist natürlich klasse, deshalb wahrscheinlich auch Sardellen, aber wie gesagt, das Zeug kostet nicht gerade viel.

dann steck ich meiner Kleinen `n Hunni in die Bluse, keinen läppschen Zwanni, dann kauf ihr `n neuen Ring, einen, den sie nicht mehr auszieht, den sie nie wieder auszieht … auf’m Bau war ich gut, Mann, mit den Maschinen war ich gut.
auch eine starke Stelle.

Hab jetzt viel gemeckert, dennoch bleibt da was, vergessen werde ich den Text bestimmt nicht und wenn du die Geschichte vorträgst, wird sie sicher Wirkung entfalten.

viele kölschnächtliche Grüße
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Isegrims,

Aber was, wenn die Figur ein Bild wird, das der Autor mir vorgaukelt, eins, das ich glauben soll, weil ich mangels soziokultureller Ferne zu Figuren, wie in der Geschichte beschrieben keinen Vergleich habe.

Dann solltest du einfach aufhören, dich mit fiktiven Texten zu beschäftigen und dich dem Journalismus widmen oder Autobiographien. Fiktive Texte, das haben wir hier schon sehr oft besprochen, sind immer eine Art Gentlemens Agreement, bei dem der Leser die Parameter der Fiktion schon kaufen muss; Literatur ist eben auch das, eine kondensierte, komprimierte Form der Realität, wo viele Dinge eine Rolle spielen, um eine Echtheit darzustellen und glaubwürdig zu erscheinen. Wie man das macht und was es da für Erzählpositionen gibt, würde hier den Rahmen sprengen, es sind sehr viele.

Das ist ein grundsätzliches Problem jeder Prosa, jedes Textes, der über narrative Strukturen verfügt: Kaufe ich den als Leser? Ich kann auf deine fehlende soziokulturelle Bildung leider nicht eingehen und auch keine Rücksicht nehmen, Isegrims, wenn du nicht überprüfen kannst, ob diese Geschichte echt ist, oder andersherum, eben überprüfen willst, warum sie gerade so echt ist, dann solltest du dich eventuell mehr mit solchen Menschen beschäftigen, es öffnet das Denken, Fühlen, und schärft auch die eigenen Sinne. Ich muss da nicht viel machen, weil ich aus einer Arbeiterklassefamilie komme und mir das Denken dieser Menschen sehr bekannt ist, ich kenne die Strukturen, Ideen, Vorurteile sehr gut. Dieses Wissen habe ich nicht exklusiv, aber ich setze es natürlich ein. Ich kann auch nicht überprüfen, ob in Moby Dick die Walfänger das tatsächlich so gemacht haben, ich muss mich da ein bisschen auf meine guts, auf mein Bauchgefühl verlassen.

Was ich eigentlich sagen will: ich finde den Kerl respektlos beschrieben, da ist außer der angedeuteten Liebe zu seiner Frau, einer diffusen Sehnsucht nach einem besseren Leben, der menschliche Kern kaum erkennbar, völlig verklebt.

Mir anhand deiner verqueren Wahrnehmung von literarischen Welten jetzt Respektlosigkeit gegenüber meiner eigenen Figur vorzuwerfen, zeigt natürlich eher deine kleingeistige Lesart und Beschränktheit, was das Verstehen, Interpretieren und Verarbeiten von Erzählstrategien angeht. Natürlich passiert da wesentlich mehr als eine angedeutete Liebe, aber diese Erzählung wählt eben einen bestimmten, sehr engen Winkel, weil er aus Gründen nicht alles erzählen will. Das ist ja eine grundsätzliche Entscheidung, welchen Filter ich auswähle, welcher Sache ich auf den Grund gehen möchte. Ich sehe da keine Eindimensionalität. Was soll das überhaupt bedeuten? Ich sehe da eher ganz im Gegenteil eine Menge Doppelbödigkeit, der Text impliziert eine Menge Fragen - wie und aus welchen Gründen hat er seine Arbeit verlassen, wie und warum nimmt er seine Umwelt so wahr, wie er es tut, was versteht er unter "Arbeit", welchen Habitus hat dieser Mann, welches Bild von Männlichkeit pflegt er, ist Liebe für ihn auch eine Frage des Eigentums, aka meine Frau gehört mir, auch und gerade physisch? Alles so Dinge, die man da auch lesen könnte, wenn man sich ein wenig mehr Mühe gibt. Das ist ein bisschen so, wie zu fragen, warum der Apfel keine Birne ist, oder nicht auch eine Birne. Texte haben ihre eigenen Parameter, folgen einer Idee, die sicherlich nie alles enthalten kann, Texte sind ja auch kein Supermarkt, wo es alles im Discount gibt. Und ich weiß, Transferleistungen sind schwierig und verlangen auch eine gewisse intellektuelle Strenge, aber ich kann weiß Gott jetzt nicht in den Text irgendwelche banalen Erinnerungen einbauen, nur damit es an allen Ecken und Enden menschelt. Denn dann hätte dieser Text auch seinen Sinn verfehlt, dann wäre er nicht mehr so kondensiert und stringent, dann würde der Punch fehlen, die Tristesse. Gibt es solche Menschen, wie oben im Text beschrieben? Einhundert Prozent. Was ist dieser menschliche Kern, von dem du da redest, denn jetzt überhaupt? Ist das im Text nicht auch und vor allem alles menschlich? Wie würde denn eine respektvollerer Entwurf aussehen? Mir erscheint das vollkommen willkürlich.

Hab jetzt viel gemeckert, dennoch bleibt da was, vergessen werde ich den Text bestimmt nicht und wenn du die Geschichte vorträgst, wird sie sicher Wirkung entfalten.

Gemeckert finde ich weniger, eher am Text vorbeikommentiert, aber macht nichts, man lernt ja auch beim Kommentieren für sich selbst, und ich denke, der Text wird seine Wirkung entfalten, auch wenn man ihn einfach nur für sich liest.

Gruss, Jimmy

 

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