Was ist neu

Serie Sturmfrei

Challenge 3. Platz
Challenge 3. Platz
Monster-WG
Seniors
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07.01.2018
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Sturmfrei

Ich will Tageslicht ins Zimmer lassen, ziehe die Vorhänge weiter auf. Heller wird es dadurch nicht. Vor dem Fenster liegen Dünen im Dunst, Regentropfen rinnen die Fensterscheibe herab.
Vom Flur höre ich das Trappeln kleiner Füße, Lotta erscheint in der Wohnzimmertür, die Hände zu Fäusten geballt, schreit: »Isa!«
»Lotta, ich bin ja hier.«
»Wo ist Mama?«
»Weißt du doch. Spazieren.«
Ich ziehe sie an mich, sauge den Erdbeershampoo-Geruch ein, und wir spähen aus dem Fenster, hinaus in den Regen. Der Wind jagt vom Meer über die Dünen, zerzaust das Schilf. Trollhaar hat Papa dazu gesagt. Der Leuchtturm hebt sich als Scherenschnitt gegen den Himmel ab, dunkel, riesig.
Lotta reißt sich los. »Wann fahren wir nach Hause?«
»In fünf Tagen geht die Schule wieder los«, sage ich.
Sie funkelt mich aus dunklen Augen an. »Ich will nach Hause.«
»Ich weiß. Ich auch.«
»Mir ist langweilig.«
»Willst du was spielen?«

Ich räume Malefiz zurück in die Schublade unter dem Fernseher. Der DVD-Player zeigt die Uhrzeit an — kurz vor fünf. Wieder wandert mein Blick aus dem Fenster.
Irgendwann wird eine Gestalt im rosafarbenen Regenparka auf den Dünen auftauchen, am Leuchtturm vorbei auf unser Ferienhaus zulaufen. Irgendwann am Abend, so wie die letzten vier Tage.
Ein Scheppern schreckt mich auf. Ich fahre hoch, renne auf den Flur. Lotta nimmt die Küche auseinander. Bestimmt stapelt sie wieder Töpfe auf dem Fußböden. Den Ruf habe habe ich schon auf den Lippen — Lotta, lass das! Doch im Vorübergehen fällt mein Blick auf die Garderobe, auf das blasse Rosa.
Ich bleibe stehen, erstarre. Strecke dann die Hand aus, greife nach dem glatten Stoff. Mamas Parka hängt noch hier.
Ich schlucke, atme tief ein. Mit der Hand fahre ich in die linke Tasche des Parkas, ertaste Mamas Portmonee. In der anderen Tasche finde ich ihr Handy. Ich lecke über meine trockenen Lippen.
Erst jetzt nehme ich die Stille wahr, sie drückt auf meine Ohren. Das Scheppern ist verstummt. Ich hebe den Kopf und erblicke Lotta in der Küchentür. Sie starrt Mamas Jacke an.
Ich öffne den Mund, aber ich brauche einen Moment, um Worte zu finden. Dann höre ich mich sagen: »Wir sollten schon mal kochen.«

Fernsehflackern erhellt das Wohnzimmer, und ich schlage die Augen auf, blinzele in das bleiche Licht. Lotta bewegt sich im Schlaf, umklammert das Sofakissen, tritt gegen mein Schienbein. Auf dem Couchtisch stehen die Teller, soßenverschmiert. Lotta schmatzt, doch ihre Augen bleiben geschlossen. Im Fernsehen läuft Werbung, diese Art von Werbung, die Papa immer aus den TV-Aufzeichnungen rausgeschnitten hat. Ich setze mich auf und schalte den Fernseher aus.
Barfuß schleiche ich auf den Flur. »Mama?«, flüstere ich.
Die Tür zu Mamas Schlafzimmer ist geschlossen. Leise drücke ich die Klinke herunter, spähe in den Raum. Das Bett gemacht, unberührt. Kein Geräusch, bis auf das Prasseln des Regens und das Rauschen der Wellen vor dem Fenster.
»Mama?« Als hätte sie sich vielleicht in irgendeiner Ecke versteckt. Als hätte ich nicht gesehen, dass das Zimmer verlassen ist.
Ich trete ein, nähere mich dem Fenster. Draußen herrscht Finsternis. Nichts zu sehen, nicht einmal der Schatten des Leuchtturms. Ein Blitz jagt über den Himmel, für einen Moment sind die aufgewühlte See, die Schaumkronen auf den Wellen, die rasenden Wolken in grelles Licht getaucht. Dann wieder Finsternis.
Auf dem Nachtschrank eine Packung Taschentücher, der Wecker, ein Pillendöschen. Das Foto von Papa, das immer auf ihrer Seite des Bettes stand, hat sie jedes Mal mit in den Urlaub genommen, aber jetzt ist es weg. Ich weiß nicht, wo sie es hingeräumt hat.
Mama hat geweint, als Papa seine Sachen gepackt hat. Lotta und ich waren im Wohnzimmer eingeschlossen, haben das Schluchzen und die Flüche durch die Tür gehört. Sie hat zu Papa gesagt, wir wären nicht zu Hause.
Zurück im Wohnzimmer kuschele ich mich an Lotta, schließe die Augen. Doch das Prickeln unter meiner Haut hält mich wach, der Donner, das Prasseln des Regens auf der Fensterscheibe. Wie ein Klopfen von draußen. Ich lausche, hoffe auf das Klicken der Haustür, Schritte auf dem Flur.
Da! Ein Geräusch. Oder?
Ich setze mich auf. »Mama?«
Nichts.
Vor dem Fenster wirbeln Schatten, etwas will herein. Vielleicht auch nur der einsame Baum am Rande des Grundstücks. Hat Mama wenigstens einen Schlüssel mitgenommen?
»Isa?«, flüstert Lotta.
Ich umklammere ihre Hand. Wo kann Mama hingegangen sein? Bei dem Wetter? Ohne Jacke? Das nächstgelegene Gebäude ist der Leuchtturm.
Ich springe auf, ziehe Lotta hoch. »Wir müssen gehen. Ich weiß, wo Mama ist.«

Wir hätten unsere Jacken mitnehmen sollen. Auch auf dem kurzen Weg zum Leuchtturm beißt die Kälte in meine nackten Oberarme, fährt unter den Pullover. Am liebsten wäre ich gerannt, doch Lotta presst sich an mich, hindert mich daran.
Der Lichtkegel meiner Taschenlampe zuckt über die nassen Steine, die den Weg zum Leuchtturm säumen. An der Spitze des Turms kreiselt das Licht, fährt wie ein Finger über das Meer, über die schwarzen Wellen.
Auf dem Weg rutscht Lotta aus. Gerade noch kann ich sie festhalten, bevor sie hinschlägt. Sie öffnet den Mund, schreit jedoch nicht.
»Alles gut?«
Sie nickt, geht voran, zieht mich mit sich. Papa hat uns schon davor gewarnt: Die Gewehwegsteine werden glatt, wenn es regnet.
Vor dem Leuchtturm bleiben wir stehen. Eine Tür gibt es nicht, nur einen gemauerten Bogen. Dahinter Finsternis. Ich mache einen Schritt vorwärts. »Mama?« Meine Stimme klingt verloren im Turm, dünn gegen das Wüten des Sturms.
»Mama!«, kreischt Lotta.
Wir stehen in der Tür, ich lausche. Vielleicht ein Geräusch. Vielleicht ein Rufen. Vielleicht nur der Donner. Ich mache einen Schritt vorwärts, hinein in den Leuchtturm, richte das Licht der Taschenlampe auf die metallenen Stufen, die kreisförmig nach oben führen.
Lotta presst sich wieder an mich, folgt mir hinauf, Stufe um Stufe. Der Sturm dämpft das Geräusch unserer Schritte auf dem Metall. Schließlich endet die Treppe an einer schweren Tür. Ich drücke die Klinke herunter, es ist abgeschlossen. So wie es sein muss.
Papa hatte einen Schlüssel, hat uns alles gezeigt. Und wir haben zusammen das Land und das Meer beobachtet. Als Mama wieder einmal lange spazieren war, hat er uns mit nach oben genommen, und wir haben nach ihr Ausschau gehalten. Nach ihr und nach der versunkenen Stadt, von der Papa erzählt hat. Stundenlang konnten wir auf die Wellen blicken, auf das Blitzen im Wasser, wir haben dort an der Brüstung gestanden, Wind in den Haaren, Salzgeschmack auf der Zunge.
Da, ein Turm!, habe ich gerufen, war ganz sicher, eine Turmspitze aus dem Meer aufragen zu sehen, und Lotta, ganz klein noch, hat gelacht.
Und Papa hat gesagt: Vineta, Vineta, du rieke Stadt. Vineta sall unnergahn, wieldeß se het väl Böses dahn.
Ich lege eine Hand auf die verschlossene Tür, auf das kalte Metall. »Wie sollen wir jetzt Mama finden?«, frage ich, weiß nicht genau, wem ich diese Frage stelle, aber Lotta antwortet, das Kinn gereckt: »Ist sie da drin?«
Und ich warte darauf, dass sie mich packt und schüttelt, wie Papa Mama geschüttelt hat, wenn sie nach Hause gekommen ist. Aber Lotta schüttelt mich nicht. Sie wartet bloß — auf meine Antwort.
Ich drücke ihre Hand. »Sie kommt schon wieder.«

Am Morgen ist Mama immer noch nicht da. Ich ziehe Lotta die Regenjacke an, schlüpfe in Mamas rosafarbenen Parka und steige in meine Gummistiefel. Lotta hält sich an mir fest, am Saum von Mamas Parka, und ich greife die Schlüssel von der Kommode. Für einen Moment schwebt meine Hand über dem Autoschlüssel. Das Auto steht noch auf der Auffahrt, Papas alter Kombi. Eines Tages hat er uns auf die Rückbank verfrachtet und ist losgefahren, ohne zu sagen, wohin. Ohne auf Mama zu warten. Wenn ich Autofahren könnte, ich würde Lotta einladen und losfahren. Aber das ist Kidnapping. Hat Mama gesagt.
Ohne Auto ist der Weg zum Dorf weit. Die ganze Wanderung über halte ich Lottas Hand fest, sie zerrt an mir, will ständig in den Dünen verschwinden, doch wieder zurücklaufen. Wie ein kleiner Hund. Das Wasser steht im löchrigen Asphalt der Uferstraße, aber immerhin hat es zu regnen aufgehört. Einen Fußweg gibt es nicht, aber auf der Landzunge herrscht kaum Verkehr.
Der Wind treibt ausgerissene Trollhaare vor sich her, salzige Luft, die auf den Wangen brennt. Lottas Hand ist kalt. Die Sonne taucht hinter einem Wolkenband auf, eine fahle Scheibe am Horizont.
Irgendwann hält ein Auto an, ein roter Transporter. Ein Mann beugt sich zur Seite, stößt die Beifahrertür auf.
»Soll ich euch mitnehm’?«, ruft er, und ich kann durch seinen grausprenkelten Bart die Lippenbewegungen kaum erkennen.
Ich beiße die Zähne zusammen, schaffe trotzdem ein Lächeln. »Das wäre nett. Wir müssen ins Dorf.«
»Steigt ein.«
Ich öffne die hintere Tür, schiebe Lotta vor mir her auf die Rückbank. Gestank von Zigarettenrauch schlägt uns entgegen. Lotta bleibt neben mir, setzt sich auf den mittleren Sitz, klammert sich an meinem Ärmel fest. Ich werfe die Tür hinter mir zu.
»Zum Glück is’ der Sturm überstand’n.« Der Mann dreht die Heizung auf, seine Finger sind schmutzig. »Wo wollt ihr ’n hin?«
»Zum Ausstellungshaus.«
Er fährt los, wirft mir durch den Rückspiegel einen Blick zu. »Welches?«
»Äh … Das … äh … am Ortseingang, direkt rechts?«
»Ah, die Scheune. Bei Anja?«
»Ja.«
»Gut.«
Ich strecke die Hand aus, und Lotta ergreift sie. Sie lehnt den Kopf gegen mich, schaut den Mann mit großen Augen an. Sie reckt sich und flüstert mir ins Ohr: »Ist er ein Troll?«

Die Scheune lehnt sich gegen den Wind, ein Fensterladen ist nicht richtig festgehakt und klappt auf und zu — auf und zu. Die Kiefer neben dem Haus beugt sich mit ausgebreiteten Ästen über das Dach.
Der Mann hält den Transporter direkt vor dem grünen Holztor, und ich springe mit Lotta aus dem Wagen. Ich laufe zur Tür, klopfe dagegen.
»Is’ doch offen.« Der Mann taucht neben mir auf, drückt die Klinke herunter und stößt die Tür auf. »Kumm in.«
In dem Ausstellungsraum ist es kalt. An den Wänden hängen Bilder: schiefergraue Seen, lilafarbene Himmel. Wirbel aus Schwarz und Gelb. Mamas Ausstellung.
Eine Frau kommt aus dem Büro, groß, kurze blonde Haare. »Moin, Jens.« Sie schüttelt dem Mann die Hand. »Was führt dich hierher?« Sie sieht mich an. »Ihr seid doch Sandras Mädchen?«
»Ja«, sage ich.
Sie mustert den rosafarbenen Parka.
»Sind mir zugelaufen«, sagt der Mann.
»Haben Sie unsere Mutter gesehen?«, frage ich die Frau.
Hinter den Brillengläsern verengen sich ihre Augen zu Schlitzen. »Nein. Wieso?«
»Sie ist weg«, sage ich.

Wir sitzen auf grauen Plastikstühlen unter einem Bild von Mama, das stürmische See zeigt, im Hintergrund der Küstenstreifen, ein dunkler Leuchtturm. Lotta hält den Kopf gesenkt, sieht die Bilder nicht an. Die Frau und Jens sind im Büro, Stimmen dringen durch die angelehnte Tür.
Lotta klammert sich an mich. »Was machen die jetzt?«
»Ich glaube, sie rufen die Polizei.«
Sie hebt den Kopf, sieht mich mit schimmernden Augen an. »Wo ist Mama?«
»Ich weiß nicht, Lottchen.«
Sie springt auf, der Stuhl fällt um. Sie stolpert über die Stuhlbeine, stürzt jedoch nicht.
»Lotta!«
Doch sie ist schon zur Tür gerannt, reißt sie auf, verschwindet im Herbstsonnenschein. Ich fahre vom Stuhl hoch, renne ihr nach. Einen Moment bin ich blind, taumele im Sonnenlicht umher. Dann erblicke ich Lotta in der blauen Jacke. Sie klettert über eine Böschung.
»Lotta!«
Ich renne. Rutsche im Schlamm auf der Böschung aus, Mamas Parka bekommt Dreckspritzer ab. Ich rutsche auf der anderen Seite die Böschung hinunter. Hinter einer Reihe Kiefern erheben sich die Dünen, wirbeln die grauen Trollhaare im Wind. Lotta hastet an dem Verbotsschild vorbei — die Dünen soll man nicht betreten, das hat Mama immer wieder gesagt. Sie ist immer durch die Dünen gegangen, wenn sie dachte, ich sähe es nicht.
»Lotta!«
Ich kämpfe mich die Düne hinauf, durch Sand und Erde. Lotta steht oben auf der Düne, die Haarsträhnen kringeln sich um ihr Gesicht. Am Horizont erhebt sich der Leuchtturm, reglos. Reglos wie Lotta.
Ich schlinge die Arme um sie, halte sie fest.
Das Meer brüllt. Die Brecher rollen mit Wucht an den Strand — ich kann die Gischt noch auf der Düne schmecken. Das Salz und den Dreck. Das Wasser reißt ein Stück Holz mit, das am Strand liegt; es verschwindet im weißen Wirbel, wird hochgetragen, auf den Strand geworfen. Sofort wieder zurückgeholt in die wilde See. Nach unten gezogen.
»Wo ist Mama?«, fragt Lotta, das Gesicht an Mamas Parka gepresst.
»Sie ist weg.« Mit zittrigen Fingern fahre ich über ihren Rücken, will sie in den Arm nehmen, in den Arm genommen werden, bin wie gelähmt. Ich starre aufs Meer, tanzende Schaumkronen, Finger aus Sonnenlicht glitzern auf den Wellen. Keine Türme in Sicht, keine Spuren der versunkenen Stadt.
»Lotta?«
Lotta schluchzt. »Was?«
Ein Knoten löst sich in meiner Brust, Schmerz wallt durch meinen Oberkörper, brandet über mich hinweg. »Ich weiß es auch nicht! Ich weiß es nicht!« Ich sinke auf den nassen Sand, lasse den Kopf hängen.
Sie hockt neben mir, schiebt ihre Hand in meine. »Weißt du noch, das Papa-Gedicht?«, flüstert sie in mein Ohr.
Das Papa-Gedicht, das Lotta so nennt, dabei hat Papa es immer aus einem Buch vorgelesen, aus Das Wilde Hänschen und sein Hund.
Ich hole tief Luft und sage:

»Beruhige dich und warte, bis dass es fertig fällt,
Denn niemand fällt ins Nirgendwo, und nichts fällt aus der Welt.«

 
Quellenangaben
"Das wilde Hänschen und sein Hund" von Barbro Lindgren-Enskog (1986)

Hi @TeddyMaria,

Ich freu mich so. Da ist sie ja endlich, deine Challengegeschichte. Toll. Und dann spielt die auch noch am Meer! Und ich spüre die Kälte und Nässe auf meiner Haut und sitze nicht mehr auf dem Sofa, sondern mitten im Trollhaar ... Mensch, ich liebe das Setting. So richtig. Und jetzt wünsch ich mir, ich wäre mal kurz für ein paar Stunden nicht mehr in Texas, sondern irgendwo am Meer, wo‘s kalt und nass und so richtig schön Meermäßig ist. Wo ich rumsitzen und in die Wellen starren und nachdenken kann, während ich mir einen abfrier.

Das mal vorab. Ich liebe das Setting deiner Geschichte total, das hat mich von Anfang an richtig in die Geschichte reingezogen und immer noch nicht ausgespuckt. Dabei hab ich sie schon heut morgen in der Schule gelesen und in Zwischenzeit zwei großartige Filme gesehen, und jetzt sitze ich trotzdem noch in deinem nasskalten Trollhaar. Das finde ich super.

Ich war die ganze Zeit total nah bei Isa und Lotta dabei, hab total tief dringesteckt ... und deswegen kann ich da jetzt gar nicht so viel anmerken.
Eigentlich stört mich nur eine Winzigkeit:

Vater.
Das Wort Vater baut für mich immer so eine gewisse Distanz auf, und die erkenne ich da sonst eigentlich nicht in der Geschichte. Die Isa, die scheint doch ein gutes Verhältnis mit ihrem Vater gehabt zu haben, schließlich weint sie, wenn sie sein Foto sieht. (Ich schätze mal, er ist gestorben? Ertrunken?)Und ihre Mutter, die nennt Isa doch auch Mama, dann wäre es nur logisch, den Vater auch Papa zu nennen. Isa ist höchstens sechzehn, eher sogar noch etwas jünger. In dem Alter nennt man seine Elter nur dann Vater oder Mutter, wenn man mit nicht sehr bekannten Leuten über sie redet, oder wenn man kein gutes Verhältnis zu ihnen hat. Was hier meiner Meinung nach nicht der Fall ist. Und angenommen, der Vater wäre schön sehr früh gestorben ... dann wäre er für sie höchstwahrscheinlich immernoch Papa und nicht Vater, weil man bei kleinen Kindern einfach dieses Wort nicht verwendet. Zumindest nicht, wenn die Mutter auch Mama genannt wird ... Also meine Mutter habe ich nie kennengelernt, aber für mich ist sie trotzdem noch Mama und wird es immer bleiben.
Vater ... das klingt einfach so unpersönlich und distanziert und nach schlechtem Verhältnis.
Und ich hör jetzt auf über die Gründe zu schwafeln, ich dreh mich nämlich so langsam in Kreis. Hoffe es wird klar, warum mir da ein Papa passender vorkäme.

Tja, dann verschwindet die Mama einfach so.
Seit das ich gelesen habe:

Seine Finger sind schmutzig.
habe ich doch tatsächlich den Sören verdächtigt, obwohl der mir nach dem kladdernatt eigentlich sofort sympathisch war. (Ich mag diesen Dialekt einfach zu gerne) Da haste mich aber gründlich auf den Holzweg geführt, wie mir beim Schreiben dieses Kommentars jetzt klar wurde. Ich weiß jetzt was ganz anderes über das Verschwinden der Mutter. Dazu komme ich gleich. Diese falsche Fährte finde ich super, sehr subtil eingebaut, toll. Na ja, vielleicht war das gar nicht von dir beabsichtigt. Seit ich hier in den USA zur Schule gehe und Forensic Science als Schulfach habe, bin ich da vielleicht ein bisschen voreingenommen. Jede zweite Woche haben wir da Serial Killer Friday, und inzwischen hab ich so viel Ekelhaftes über Serienkiller gelesen, dass ich bei dreckigen Fingern sofort an Vergrabene Leichenteile denke. Und dann nahm der die auch noch in seinem Auto mit und fuhr zu einer Scheune, oh Gott, meine Nerven waren so angespannt, das glaubst du gar nicht! Dabei wirkt der Sören sonst so nett. Falsche Fährte hat auf jeden Fall geklappt ... sowas machst du ja gerne.

Und dann noch dieses offene Ende, wo es sogar sein könnte, dass die Fährte doch gar nicht falsch war, weswegen ich sie noch eine ganze Weile im Kopf hatte. Aber jetzt glaube ich, es besser zu wissen. Oh Mann.

Im Hintergrund ein Leuchtturm. Der Leuchtturm.
Auf einem Bild steht eine Frau auf den Klippen, ihr weißes Haar flattert im Wind. Abschied, so nennt Mama die Ausstellung
Eine Hand ragt aus dem Wasser.

Oh Mann. Sie bringt sich selbst um, oder? Stürzt sich von den Klippen? Ach du kacke.
Der Papa ist an dem Ort auch ertrunken. Deswegen kommen die da immer wieder hin. Die zwei hatten da eine gemeinsame Vergangenheit. Und sie kann das alles jetzt nicht mehr aushalten, und ...
Ich will es immer noch nicht glauben, aber ich kann nicht anders. Und da kannst du mir noch was erzählen, ich werde nicht aufhören, das so zu lesen, auch wenn es nicht deine Intention gewesen sein sollte. Scheiße. Die Erkenntnis geht mir gerade voll nah, ich wünsche mir ja so sehr, dass das nicht stimmt, aber ... ich lese die Geschichte jetzt so und kriege diesen Gedanken nie wieder aus meinem Kopf raus. Boah. Haste richtig gut gemacht. Diese ganzen Hinweise, die mir jetzt plötzlich alle ins Auge springen nachdem ich so lange an der falschen Fährte geklammert habe, und dann dieses grausame offene Was-Dann-Ende, das alles macht mich voll fertig.

So tief gehe ich selten mit einer Geschichte mit, da ist einfach alles richtig zusammengelaufen. Vielleicht liegt’s auch an meiner Grundstimmung im Moment, wie gesagt, ich hab zwei tolle Filme gesehen, und einer davon hat mich auch schon total fertig gemacht. Jedenfalls tolle Geschichte. Ist eine meiner Lieblinge.

Fertig gemachte, liebe Grüße aus Texas.
Anna

 

Hallo @TeddyMaria!

Das ist jetzt weniger eine Kritik an deinem Text, mehr ein Gedanke, der mir gerade gekommen ist. Vielleicht kannst du was damit anfangen, vielleicht auch nicht.
Mir ist nur gerade klar geworden, warum ich viele Wortkriegertexte nicht mag, nicht gerne lese, total unabhängig davon, wie gut sie technisch geschrieben sind. Viele Texte hier sind Downer, die ziehen mich runter. Den Prots passieren traurige Sachen und sie müssen damit fertig werden.

Ich gehöre halt zu der anderen Zielgruppe. @Asterix hat es mal irgendwo sehr gut formuliert (ich kriege das sicher nicht so gut hin): Es gibt zwei Lesergruppen: Die einen wollen über das wirkliche Leben lesen, und die anderen lesen, um durch Geschichten aus dem wirklichen Leben zu entkommen.
Ich gehöre zu Gruppe zwei, du schreibst hier für Gruppe eins.

Wie gesagt, vielleicht kannst du was damit anfangen, vielleicht auch nicht.

Grüße,
Chris

 

Hej @TeddyMaria ,

was, wenn Mama doch für immer weg ist?
Es macht in diesem Fall wenig Sinn, dir mein Gefühl erklären zu wollen. Zum einen, weil ich vermutlich nicht genau ausdrücken kann, was ich meine, ohne dass es negativ klingt, zum anderen weil ich denke, dass du nun mal schreibst, wie du schreibst und es auch wenig Sinn macht, das zu kritisieren. Ist dann wohl unter Geschmacksache zu verbuchen, so wie die meisten eben Bier mögen und andere es meiden. Nimm es mir nicht übel, wenn ich deinen Beitrag dennoch kommentiere, es geschieht wohl eher aus Eigennutz, weil ich eben alle Challenge-Geschichten kommentieren will. Ich weiß, du bist eine nette und freundliche Frau und nimmst es mir nicht übel.

Ich presse das Handy ans Ohr. Das Freizeichen ertönt. Lotta hebt den Kopf, und ich folge ihrem Blick zur geöffneten Tür. Auf dem Flur klingelt es.
Ich taste mich zur Garderobe, Lotta folgt mir, klammert sich an meinen Pullover. Der rosafarbene Parka hängt am Kleiderhaken. Ist noch hier. Ich lasse die freie Hand in die linke Jackentasche fahren, ertaste ein Portmonee. In der rechten Tasche klingelt Mamas Handy.
Lotta steht neben mir, die Augen auf die beiden Handys gerichtet. Ich beende den Anruf. Mein Mund ist trocken, ich schlucke, werde das Kratzen im Hals nicht los. Ich zwinge die Mundwinkel nach oben.
»Sie ist bestimmt im Dorf. Wir können ja schonmal kochen.«

Diese Textstelle soll stellvertretend stehen, für das, was mich in dieser Geschichte formal nicht anspricht. Du beschreibst explizit, was ich sehen soll. Das mag hilfreich sein, aber mich langweilt das, ich werde ungeduldig. Außerdem, was viel wichtiger für mich ist: Ich bekomme ein Bild von der Protagonistin, die trotz der Handlungen an ihrer kleinen Schwester, zu abgeklärt ist und wenig Emotionen besitzt, bzw. zeigt. Dagegen ist auch nichts zu sagen, aber bei mir schafft es eine Distanz zum gesamten Text, zur gesamten Handlung, die mir wiederum sehr gut gefällt. Vor allem, weil die Mutter für mich von Anfang nicht existiert, sie ist bereits verschwunden und tot.

»Mama?«, flüstere ich. Als hätte sie sich vielleicht in irgendeiner Ecke versteckt. Als hätte ich nicht gesehen, dass das Zimmer verlassen ist.

Das ist schön.

Auf dem Nachtschrank hat Mama die Pillendöschen aufgereiht, daneben steht ein gerahmtes Foto. Ich hebe es auf, fahre mit dem Daumen über das Glas.
Ein Mann auf den Klippen, in die Kamera grinsend.
Das Gesicht des Mannes verschwimmt vor meinen Augen, ich blinzele, spüre eine Träne heiß über die Wange rollen.
Vater. Im Hintergrund ein Leuchtturm.
Der Leuchtturm.

Das ist zu und zu viel ... für mich. Zu sehr gezoomt und es bleibt kein Platz für mich und meine Sichtweise.

Wir lassen das Frühstück stehen. Ich ziehe Lotta die Regenjacke an, setze ihr die Kapuze auf. Schlüpfe in Mamas rosafarbenen Parka und steige in meine Gummistiefel. Lotta nimmt meine Hand, und ich nehme die Schlüssel vom Schlüsselbrett.

Wie gesagt, diese Aneinanderreihung der Taten wirkt auf mich behäbig und monoton.

Lotta zwängt sich an mir vorbei, reißt die hintere Tür auf. »Danke«, kräht sie.

Und diese Handlung nehme ich der Kleinen nicht ab ...

Sie beugt sich nach vorne und flüstert mir ins Ohr: »Ist er ein Troll?«

... zumal sie ein fantasievolles Kind ist und bei aller Lebendigkeit, ein Kind ist, das wohl eher zurückhaltend Fremden gegenüber sein wird. Meine Meinung. ;)

»Sie ist weg«, sage ich.

Ich weiß, die Mutter leidet unter dem Verlust des Mannes, dem Vater ihrer Kinder, sie nimmt Medikamente, die das Leiden lindern sollen, den Verlust ertragen helfen sollen. Es funktioniert nicht. Na so was ... aber das ist eine andere Geschichte. Es scheint eine schwerere Form einer Depression vorzuliegen und deine Protagonistin übernimmt schon länger die Fürsorge für ihre Schwester. Dennoch fehlt mir die andere Seite ihrer Persönlichkeit, damit ich sie als glaubhaft empfinden kann.

»Weißt du …« Mit zittrigen Fingern fahre ich über ihren Rücken, ziehe die Kapuze auf das Köpfchen. »Unter der Insel wohnen kleine Wesen. Die Unterirdischen. Wenn sie einsam werden, dann kommen sie an die Oberfläche und nehmen die lustigsten und nettesten Menschen mit hinab. Dort sitzen sie bei einem Festmahl und haben viel Spaß. Und weißt du was?«
Lotta schluchzt. So laut, das Schluchzen übertönt sogar das Heulen des Sturms und Brüllen des Meeres. »Was?«
»Die Unterirdischen nehmen nichts für immer weg. Alle Menschen kommen eines Tages wieder an die Oberfläche.«
»Mama auch?«, fragt sie.
Ich setze mich auf den nassen Sand, ziehe sie auf den Schoß. »Wir müssen nur warten.«

Das ist pädagogisch außerordentlich lobenswert, aber in diesem Augenblick recht konstruiert. Aber gut. Möglich ist alles.

Ich wünsche dir viel Erfolg in der Challenge und ein lieber Gruß zum Leseeindruck, Kanji

 
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Hallo TeddyMaria

Vielleicht liegt es am Challenge-Thema, das dazu verleiten mag, keine Geschichten zu erzählen, oder nur halbe, keine Ahnung. So oder so vermag mich dein Text nicht recht zu überzeugen, weil er narrativ zu bescheiden ist. Der Plot lässt sich in einem Satz zusammenfassen und dies ohne grossen Verlust an Information, wie ich finde. Was du darstellst, ist eine Art Erkenntnisprozess, der sehr linear verläuft und auch ohne doppelten Boden. Schon nach dem ersten Absatz habe ich geahnt, worauf das hinausläuft und im Unterschied zu Annami habe ich den Mann im Transporter als völlig harmlos wahrgenommen. Der ganze Beginn des Textes führt in eine andere Richtung und diese Richtung ändert auch im weiteren Verlauf der Geschichte nicht. Symptomatisch dafür ist, dass die Ausstellung der Mutter, wie könnte es anders sein, den Titel: "Abschied" trägt. Und das trübe Zwielicht, der Regen, der Leuchtturm, das Herbstlaub. Das ist mir alles zu klar, zu einfach, zu bekannt auch, und zu direkt auf die Emotion des Lesers gezielt. Ich denke, wenn man den Plot graphisch darstellt, ergibt sich eine fallende Linie, hin zur Gewissheit, dass etwas Schreckliches passiert ist. Mir fehlen sowohl Nebenlinien wie auch Ausschläge nach oben und unten. Im Verlauf des Textes werden auch keine Denkräume geöffnet, vielmehr verengen sich die Gedanken des Lesers von der Ahnung hin zur Gewissheit, zumindest bei mir war das so.

Der Text entfaltet seine Wirkung, zweifelsohne, und auch ich konnte mich dieser Wirkung nicht entziehen. Daher mal ein Zwischenlob: Das ist sehr gut geschrieben, atmosphärisch dargestellt. Deine Fähigkeiten in diesem Bereich wachsen und wachsen, wie ich finde. Und gerade darum die vielleicht etwas heftig daherkommende Kritik. Ich möchte dich ermuntern, wieder zu komplexeren Erzählmustern wie z.B. in An der Als zurückzufinden. Vielleicht bin ich auch etwas übersättigt von den Geschichten, die nur auf das Tragische abzielen. Nicht wegen dem Tragischen, ich gehöre sicher in die erste der von Chris Stone genannten Kategorien von Lesern. Aber ich möchte nicht nur mitfühlen, ich möchte auch was mitnehmen aus Texten. Fragen, Widerhaken, Empörung, whatever. Leute, die gut schreiben können wie du, müssen unbedingt auch was zu erzählen haben!

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Ein Mann auf den Klippen, in die Kamera grinsend.
...
Vater. Im Hintergrund ein Leuchtturm.
Der Leuchtturm.
[...]
Auf einem Bild steht eine Frau auf den Klippen, ihr weißes Haar flattert im Wind. Abschied, so nennt Mama die Ausstellung.

Moin, Maria,

interessant ist die Geschichte allein schon deshalb, weil aus seiner Funktion als Verkehrszeichen heraus der Leuchtturm zum Symbol wird und Hilfe vom festen Land (muss ja nicht das Festland sein, braucht ja auch nur eine Haltung, Position im übertragenen Sinn sein) her verspricht, durch schwierige Gewässer und Dunkelheit (und sei‘s das Leben selbst).

Selbstverständlich hat ein Turm mit i. d. R. einer Wendeltreppe innendrin noch andere Deutungsmöglichkeiten von Gewalt und Macht bis hin zum wieder-hoch-Kommen, wieder aufstehn – aber das wären in diesem Fall alles Mutmaßungen über Dinge, über die das, was Lotta und Isa durchstehen, nicht mal im Ansatz Auskunft geben, aber - und vielleicht ist das ja Deine Intention - die Kinder wissen so wenig wie der Leser, wir werden - egal ob wir in unserm Alter noch Mama und Papa sagen, meine Meinung hab ich schon bei Fliege angedeutet, wir werden in die Situation des Kindes versetzt, gegenüber dem Ältern ihre Geheimnisse wahren.

Schon wieder ein Grund, Ältern abzuschaffen!

Buchstäblich ein Paar Trivialitäten

»In fünf Tagen«, sage ich. »In fünf Tagen geht die Schule wieder los.«
Sollten sie da nicht einen Tag früher zu Hause sein?

Wir können ja schonmal kochen.«
Kann sein, dass die Dudenredaktion wie bei „noch mal“ was anderes plant, aber „schon mal“ ist an sich ein verkürztes „schon einmal“

Kein Geräusch[,] bis auf das Prasseln des Regens …
Naja, muss ja kein Komma sein - Gedankenstrich geht auch

Gern gelesen vom

Friedel

 

Liebe @TeddyMaria,

dein Text enthält sehr viel Atmosphärisches, besonders fallen die Naturbeschreibungen ins Auge. Die sind dir gut gelungen. Allerdings haben sie ein so starkes Gewicht in deinem Text, als hätte die Aufgabenstellung gelautet: Beschreibe die äußere Natur, wenn sich ein Drama ereignet. Das ist mir alles ein wenig zu eindeutig – und, das muss ich leider sagen, in seiner Häufung dann irgendwie auch etwas zu manipulativ.

Beispiele:

Draußen herrscht trübes Zwielicht.

Regen klatscht gegen die Scheibe. Der Wind jagt vom Meer her über die Dünen, zerzaust das Schilf. Trollhaar, so nennt Mama die langen Gräser. Das Haar von Trollen, die sich zum Schutz vor dem Sturm im Erdboden eingegraben haben, nur die Köpfe schauen noch raus. Und das wilde Haar.

Ein schöner Vergleich. Das 'Trollhaar' nimmst du allerdings dann noch zweimal auf. Ich finde, dass die Wiederholung diesen wunderbaren Vergleich schwächt.

Draußen herrscht Finsternis. Nichts zu sehen, nicht einmal der Schatten des Leuchtturms. Ein Blitz jagt über den Himmel, für einen Moment sind die peitschende See, die Schaumkronen auf den Wellen, die rasenden Wolken in grelles Licht getaucht. Dann wieder Finsternis.

Das Wasser steht im löchrigen Asphalt der Uferstraße. Einen Fußweg gibt es nicht. Autos rasen vorüber.
Rasen die Autos dort wirklich? Wir befinden uns in einer eher einsamen Gegend:

Ohne Auto ist der Weg zum Dorf weit.

Der Wind peitscht den Regen auf mein Gesicht, die Tropfen stechen auf die Wangen wie Nadelstiche. Einen Moment bin ich blind, taumele auf dem Parkplatz umher.
Das Meer brüllt. Die Brecher rollen mit Wucht an den Strand — ich kann die Gischt noch auf der Düne schmecken. Das Salz und den Dreck. Das Wasser reißt ein Stück Holz mit, das am Strand liegt; es verschwindet im weißen Wirbel, wird hochgetragen, auf den Strand geworfen. Sofort wieder zurückgeholt in die wilde See.

Alle diese gut ausgearbeiteten Beschreibungen sollen auf mich als Leser wirken. Und das tun sie auch: Ich kann mir diese düstere, regnerische und stürmische Szenerie sehr gut vorstellen. Nur kommt mir am Ende alles ein wenig wie eine dramaturgische Entsprechung der sich abspielenden Szene vor.

Und irgendwie erinnern mich deine Bilder an romantische Gemälde. So auch dieses:

und Lotta steht oben auf der Düne, die Kapuze ist heruntergefallen, die nassen Haarsträhnen kringeln sich um ihr Gesicht. Am Horizont erhebt sich der Leuchtturm, dunkel, reglos. Reglos wie Lotta.

Zur Handlung:

Da ist mir auch das Hintergrundgerüst deiner Geschichte ein wenig zu Bronté-mäßig:

Das Gesicht des Mannes verschwimmt vor meinen Augen, ich blinzele, spüre eine Träne heiß über die Wange rollen.
Vater.
Im Hintergrund ein Leuchtturm.
Der Leuchtturm.

Der Vater hat sich (vermutlich) vom Leuchtturm gestürzt, die Mutter ist in eine Depression gefallen, die sie mit Tabletten bekämpft; sie malt todessehnsüchtige Bilder, die sie in einem Ort am Meer (wohl dem Ort des Geschehens) ausstellt. Sie verlässt ihre beiden Kinder - das suggeriert deine Geschichte –, um auch ihrem Leben ein Ende zu setzen. Doch das ist nicht der Fokus deines Textes. Im seinem Mittelpunkt stehen die beiden Kinder, die allmählich begreifen, dass ihre Mutter weg ist, und wie sie damit umgehen. Da ist einmal Lotta, die impulsiv und spontan reagiert, einfach irgendetwas tut, und da ist Isa, die Ich-Erzählerin, die sich besonnener und abwartend verhält, die Mutterrolle übernimmt und die Kleine am Ende zu trösten versucht.

Allerdings habe ich mich gefragt, warum sie, die ja groß genug ist, um in die Parka der Mutter zu passen (und damit deren Rolle zu übernerhmen), nicht am Abend oder in der Nacht versucht, mit irgendjemand Kontakt aufzunehmen? Sie hat ja ein Handy und könnte die Frau im Ausstellungsraum, eine Freundin, irgendeinen Verwandten oder Bekannten anrufen – oder sogar die Polizei. Überhaupt fehlt mir eine Beschreibung dieser Nacht, die ja besonders die ältere Schwester in immer größere Verzweiflung stürzen muss. Während du den Abend ausführlich beschreibst, bleibt die Nacht völlig unerwähnt. Ich könnte mir vorstellen, dass zumindest die Ältere nicht einschlafen kann, immer wieder nach draußen horcht und jeden Moment hofft, dass die Tür aufgeht und die Mutter zurückkommt, dass sie den vergangenen Tag Revue passieren lässt und nach einem Moment sucht, der das Weggehen der Mutter erklärt. An dieser Stelle hättest du mMn Isa sehr gut charakterisieren können.

Noch eine Stelle:

Lotta schluchzt. So laut, das Schluchzen übertönt sogar das Heulen des Sturms und Brüllen des Meeres.
Wirklich? Das halte ich für etwas übertrieben:

Fazit:

Die eigentliche Handlung deiner Geschichte ist mir etwas zu wenig.

Das Drama wird dem Leser relativ schnell klar (klar gemacht). Was sich im Weiteren abspielt, bleibt dann aber für mein Gefühl auf der einmal skizzierten Ebene, ohne dass sich die Tragik spürbar steigert. Das passiert auch nicht in den Personen: Lotta bleibt von Anfang an die Gleiche und auch Isa verändert sich nicht wesentlich. So zumindest meine Wahrnehmung.

Die Naturbeschreibungen sind dir - wie gesagt - gut gelungen. Die Atmosphäre teilt sich mir als Leser mit und die Szenerie wird erlebbar. Allerdings finde ich die Gewichtung von Handlung und Kulisse (Natur) problematisch. Deine Naturbeschreibungen sind mir in ihrer Häufung zu dominant. Da würde ich ein wenig straffen und dafür die sich entwickelnde Verzweiflung der beiden Mädchen stärker in den Fokus rücken, vielleicht solltest du mehr in Isas Gedankenwelt eintauchen. Obwohl sie die Ich-Erzählerin ist, bleibt sie mir unterm Strich doch recht fremd. Ich weiß einfach zu wenig über sie. Und so berührt mich die tröstende Geschichte am Ende auch nicht wirklich. Ich habe als Leser nicht genug Gefühlswelt, um von der kleinen Trost-Fantasie ergriffen zu sein. Aber das mag nur mir so gehen.

Das waren zum großen Teil inhaltliche Anmerkungen, sprachlich hat mir die Umsetzung deiner Idee in weiten Teilen gut gefallen.

Liebe Grüße
barnhelm

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe @TeddyMaria ,

so richtig reinfühlen konnte ich mich nicht in deine Geschichte. Vielleicht kommt es daher, weil hier im Forum sehr oft über Verlustängste von Kindern geschrieben wird. Und auch über Selbstmord.

»Wo ist Mama?«

Danach war mir alles klar. Und Stück für Stück legst du Indizien dafür dem Leser vor die Nase, manchmal so penetrant, dass er überhaupt gar keine Chance hat, etwas anderes zu vermuten als eben eine in der Nordsee verschwundene deprimierte Mutter. Die Handlung ist also sparsam, die eingeschobene Szene mit dem Transporterfahrer könnte man streichen. Der Zusammenhang mit der Troll- Geschichte kommt mir aufgesetzt vor.
Bleibt also das Innenleben der beiden Mädchen. Die Kleine, Lotta, kann ich anhand der Zahnlücke altersmäßig einschätzen, also zwischen fünf und sechs,wahrscheinlich noch nicht eingeschult. Isa, die Große, könnte zwischen zwölf und fünfzehn sein, sie schwankt für mich zwischen naiv und überfordert, und sie lässt kaum einen direkten Blick in ihr Inneres zu, wirkt über weite Strecken hölzern.

Ich will das mal an einem Beispiel festmachen.

Irgendwann wird eine Gestalt im rosafarbenen Regenparka auf den Dünen auftauchen, am Leuchtturm vorbei auf unser Ferienhaus zulaufen.
[
ch taste mich zur Garderobe, Lotta folgt mir, klammert sich an meinen Pullover. Der rosafarbene Parka hängt am Kleiderhaken. Ist noch hier. Ich lasse die freie Hand in die linke Jackentasche fahren, ertaste ein Portmonee. In der rechten Tasche klingelt Mamas Handy.

Schlüpfe in Mamas rosafarbenen Parka

Spätestens hier hätte die Protagonistin eine Regung zeigen können, z. B. weil Lotta gefragt hätte: "Warum ziehst du Mamas Parka an?"

Ich beiße die Zähne zusammen, doch ich kletterte auf den Beifahrersitz, ziehe die Tür zu.

Auch hier reagiert die Prota für mich unverständlich. Denn wenn sie eine Gefahr darin sieht, in ein unbekanntes Auto einzusteigen, dann müsste sie die Angst zeigen, oder aber sie ist der Situation nicht gewachsen.

Die Fabel, die sie ihrer kleinen Schwester (Köpfchen?) zum Trost erzählt, ist wohl Geschmackssache. Ich kann sie allenfalls als hilflosen Versuch deuten. Ob ein Kind, das eingeschult wird oder schon in der Schule ist, ihr ihn abnimmt?

übrigens:

Mallefiz Malefiz

Was mir gefällt, sind deine Naturbeschreibungen. Da merkt man, dass du ein Kind der Nordseeküste bist. Nur weiß ich nicht so genau, warum der Titel "Sturmfrei" heißt. Da verstehe ich etwas anderes darunter.:D "Sturmtief" könnte doch auch passen?

Freundliche Grüße
wieselmaus

 

Hi, @annami

Es war wirklich schön, Deinen Kommentar zu lesen. Vielen Dank, dass Du mich auf diese Gefühlsachterbahn mitgenommen hast. Das ist natürlich sehr aufschlussreich für mich.

Und ich spüre die Kälte und Nässe auf meiner Haut und sitze nicht mehr auf dem Sofa, sondern mitten im Trollhaar ... Mensch, ich liebe das Setting.

Und ich freue mich, dass Dir das Setting gefällt. Seit "An'er Als" habe ich das für mich entdeckt, echte Regionalbezüge zu verwenden, die Geschichten eben nicht mehr im luftleeren Raum geschehen zu lassen.

Das Wort Vater baut für mich immer so eine gewisse Distanz auf, und die erkenne ich da sonst eigentlich nicht in der Geschichte.

Ich könnte jetzt alles Mögliche sagen, aber Du hast ja schon jedes Gegenargument gebracht. Also: Habe ich es geändert. Hast recht. (Ich weiß, es ärgert mich persönlich auch manchmal, wenn ich als Kommentatorin total engagiert meine These vertrete und die Antwort lautet: "Hast recht. Geändert." Aber was soll ich machen, wenn Du recht hast? ;) )

habe ich doch tatsächlich den Sören verdächtigt, obwohl der mir nach dem kladdernatt eigentlich sofort sympathisch war. (Ich mag diesen Dialekt einfach zu gerne) Da haste mich aber gründlich auf den Holzweg geführt, wie mir beim Schreiben dieses Kommentars jetzt klar wurde.

Hm-m, das war tatsächlich nicht beabsichtigt. Sorrrry. :lol: Für mich waren die schmutzigen Hände und die Sprache, die sich ja deutlich von der der Mädchen unterscheidet, ein Zeichen, dass sie aus unterschiedlichen Welten kommen. Die Mädchen sind ja nur im Urlaub – sie kommen bestimmt aus der Stadt. Und Sörens rustikales Auftreten ist für sie mindestens exotisch, möglicherweise sogar trollhaft.

Der Papa ist an dem Ort auch ertrunken. Deswegen kommen die da immer wieder hin.

Ich bin, ehrlich gesagt, am Überlegen, ob ich an der Stelle nicht noch einmal einhake. Denn der Vater muss ja gar nicht gestorben sein. Aber das ist eine andere Geschichte, und vielleicht passt das in die Überarbeitung rein. Da kommt ja auf jeden Fall noch was.

Vielen Dank für Deinen Leseeindruck und das Rechthaben. :) Es freut mich immer sehr, wenn Du da bist und mich derart intensiv an Deinen Gedanken teilhaben lässt.

Jedenfalls tolle Geschichte. Ist eine meiner Lieblinge.

Und hier spiele ich mir selbst einen kleinen Tusch. Danke! Das hat mir wirklich den Tag versüßt.

Kladdernatte Grüße,
Maria

Hi, @Chris Stone

Was ich jetzt damit anfangen kann, oder nicht, erst einmal: Schön, dass Du hier bist.

Es gibt zwei Lesergruppen: Die einen wollen über das wirkliche Leben lesen, und die anderen lesen, um durch Geschichten aus dem wirklichen Leben zu entkommen.
Ich gehöre zu Gruppe zwei, du schreibst hier für Gruppe eins.

Also, erstmal komme ich nicht umhin, zuerst irritiert zu sein und mich dann geehrt zu fühlen, dass Du das für das wirkliche Leben hältst. Aber ich verstehe, denke ich, was Du und Asterix meinen. Und ich glaube auch, als ich hier angefangen habe, dachte ich: Unterhaltung ist Unterhaltung ist Unterhaltung, und das reicht ja auch.

Diesbezüglich ist die Genese des Textes vielleicht ganz interessant, denn ursprünglich hatte ich versucht, eine Horrorgeschichte zu schreiben mit echten Unterirdischen, die nicht nur Papa und Mama, sondern auch Lotta mitnehmen. Aber das ist dann ein richtiger Downer, obwohl es eindeutig nicht das echte Leben ist, und ich habe versucht, den Text auf Hoffnung umzubauen.

Die Situation ist ja so, dass Isa nichts tun kann. Sie lebt in einem echten Kinderalbtraum, sie ist auch weit weg von zu Hause – sie muss darauf warten, dass Erwachsene sie nach Hause bringen, dass Erwachsene ihr sagen, wo in Zukunft ihr Zuhause sein wird, dass Erwachsene ihr sagen, wie es sowieso weitergeht. Gleichzeitig ist sie zum Handeln gezwungen, denn sie hat eine Schwester, auf die sie aufpassen muss.

Deshalb ist die Magie in der Welt für mich nach wie vor das Schlüsselthema. Und ich denke, daneben, dass ich die Schwestern mehr ausarbeite (ich habe ja noch Platz), werde ich ein bisschen was von der Magie in die Welt zurückbringen. Zum Beispiel, das Licht im Leuchtturm wieder anmachen.

Wie gesagt, vielleicht kannst du was damit anfangen, vielleicht auch nicht.

Anscheinend schon. :D Vielen Dank!

Wirkliche Grüße,
Maria

Hallo, @Kanji

Nimm es mir nicht übel, wenn ich deinen Beitrag dennoch kommentiere, es geschieht wohl eher aus Eigennutz, weil ich eben alle Challenge-Geschichten kommentieren will. Ich weiß, du bist eine nette und freundliche Frau und nimmst es mir nicht übel.

Nimm es mir nicht übel: Ich fühle mich echt schrecklich dabei, dass Du Dich dafür entschuldigst, meine Geschichte zu kommentieren. Ich freue mich darüber, dass Du da bist, ich habe Dich echt vermisst. Ich wusste auch nicht, dass wir an einer Stelle stehen, wo man sich für Besuche entschuldigen muss.

Aber ich weiß, Du versuchst, immer etwas Nettes zu sagen, und das finde ich wirklich bewundernswert. Und da es Dir nicht gelingt, fühlst Du Dich vielleicht genötigt, Dich vorher dafür zu entschuldigen. Ich möchte nur, dass Du weißt: Das musst Du nicht!

Und los geht's:

Du beschreibst explizit, was ich sehen soll. Das mag hilfreich sein, aber mich langweilt das, ich werde ungeduldig.

Das ist sehr wertvoll für mich. Ich weiß auch, dass Du das nicht zum ersten Mal sagst. Ich habe mir das in die Notizen geschrieben und hoffe, dass ich es auch für zukünftige Geschichten nicht vergesse. Und dass es mir endlich gelingt, ein bisschen was davon umzusetzen.

Außerdem, was viel wichtiger für mich ist: Ich bekomme ein Bild von der Protagonistin, die trotz der Handlungen an ihrer kleinen Schwester, zu abgeklärt ist und wenig Emotionen besitzt, bzw. zeigt.

Verstehe. Hier werde ich noch einmal einhaken, mich stärker auf die Schwestern fokussieren. Das erscheint mir noch sehr wichtig zu sein. Ich werde nur ein bisschen Zeit brauchen, eine Woche, vielleicht mehr. Schauen wir mal. :D Denn ich will es ja auch nicht versauen.

Dagegen ist auch nichts zu sagen, aber bei mir schafft es eine Distanz zum gesamten Text, zur gesamten Handlung, die mir wiederum sehr gut gefällt. Vor allem, weil die Mutter für mich von Anfang nicht existiert, sie ist bereits verschwunden und tot.

Also, die Distanz gefällt Dir wiederum? Das überrascht mich wirklich. Und freut mich auch.

Wie gesagt, diese Aneinanderreihung der Taten wirkt auf mich behäbig und monoton.

Jetzt verstehe ich es wirklich. Du bist auch nicht die Einzige, die mir das ankreidet. Jetzt weiß ich, was ich zu tun habe. Danke!

Und diese Handlung nehme ich der Kleinen nicht ab ...

Ist markiert und wird überarbeitet.

Es scheint eine schwerere Form einer Depression vorzuliegen und deine Protagonistin übernimmt schon länger die Fürsorge für ihre Schwester. Dennoch fehlt mir die andere Seite ihrer Persönlichkeit, damit ich sie als glaubhaft empfinden kann.

Ich musste eine Weile überlegen, welche "andere Seite" Du meinst, aber Du meinst, dass sie ja auch unter den Verhältnissen leidet, nicht wahr? Das ist wirklich eine große Erkenntnis, gekleidet in ein paar kleine Wörter. Vielen Dank!

Das ist pädagogisch außerordentlich lobenswert, aber in diesem Augenblick recht konstruiert. Aber gut. Möglich ist alles.

So soll das nicht wirken. Wie ich im Kommentar an Chris schon dargelegt habe, ist für mich die wesentliche Frage, wie Isa in einer Situation, in der das "Was dann?" bedeutet, dass sie eigentlich nichts tun kann, neue Hoffnung schöpft. Das ist für mich der Kern der Geschichte. Und deshalb ist es natürlich falsch, ihn an das Ende zu rücken. Das sehe ich jetzt ganz deutlich. Ich setze mich nochmal hin, versuche, den Fokus zu verschieben. Oder eben zu erweitern, denn darauf läuft es ja irgendwie auch hinaus.

Liebe Kanji, ich hoffe, Du ärgerst Dich nicht zu sehr über mich. Ich bewundere Deine Art zu schreiben und zu kommentieren, und ich versuche, alles in mich aufzusaugen. Das ist gar nicht so einfach, denn ich denke, unsere Art unterscheidet uns doch. Und deshalb hadere ich hier immer wieder. Und deshalb bin ich trotzdem so erfreut, dass Du wieder hier bist, und nichts von dem, was Du schreibst, könnte ich Dir übelnehmen.

Hoffnungsvolle Grüße,
Maria


Gute Güte, Mädels,

Ich fühle mich unwohl dabei, Kommentare unkommentiert stehen zu lassen. Aber gestern fehlte mir dafür die Kraft, und heute fehlt mir die Zeit. Ihr wisst ja: Das kommt noch!

Und vielen Dank schonmal,
Eure Maria

 

Hi @TeddyMaria,

kann es sein, dass du einfach zu viel Zeit hast? Studium, NaNoWriMo, Challengezeit...

Ich hab die anderen Kommentare nur grob überflogen, wenn ich also was doppelt sage, einfach ignorieren.

Das Trappeln kleiner Füße,

Kann man den Unterschied hören? Zwischen kleinen und großen Füßen?

Ich schlage die Augen auf. Fahles Fernsehflackern erhellt das Wohnzimmer.

Die beiden haben ernsthaft den ganzen Tag darauf gewartet, dass sie zurückkommt, ohne irgendjemandem Bescheid zu geben? Ich meine, sie hätten doch auch einfach nen Onkel oder vielleicht Oma/ Opa oder irgendjemanden anrufen können, von mir aus auch die Polizei. Mittlerweile dürfte klar sein, dass Mutter nicht mehr auftaucht.

Der Wind peitscht über das Land, treibt Herbstlaub und ausgerissene Trollhaare vor sich her, salziges Wasser, das auf den Wangen brennt.

Die Trollhaare finde ich mega cool. Sowieso das ganze Bild.

Auf einem Bild steht eine Frau auf den Klippen, ihr weißes Haar flattert im Wind. Abschied, so nennt Mama die Ausstellung.

Der Name ist Programm.

Hinter den Brillengläsern verengen sich ihre Augen zu Schlitzen. »Nein. Wieso?«
»Sie ist weg«, sage ich.

Ja, aber wieso einen Tag später? Für mich schwingt zwischen den Zeilen durch, dass die ältere Tochter um den Zustand ihrer Mutter wusste, vielleicht sogar damit gerechnet hat, dass etwas passiert. Und trotzdem lassen sie sie alleine jeden Tag im Regen spazieren gehen.

Den Titel finde ich super, der ist so herrlich zweideutig. Auch das Setting ist toll, anschaulich beschrieben. Aber, ich weiß nicht, irgendetwas an deiner Geschichte stört mich. Ich glaube, es ist dein Prot. Irgendwie kann ich nicht mir ihr mitfiebern, weil sie einerseits wenig beschrieben, andererseits nicht den Willen zeigt, ihre Mutter zu suchen. Ihr Motiv passt mir nicht.
"Komm Lotta, wir setzen uns jetzt hier hin und warten auf Mama, wäre nett, wenn die mal wiederkommt. Bis dahin darfst du auch fernsehen, ja?"
Dabei würde ich viel lieber lesen: "So, pack deine Jacke ein, wir stürmen jetzt den Sturm. Wir finden Mama, egal wie viel davon oder was davon übrig ist, aber vorher gibt es keine Süßigkeiten, klar?"

Bitte nimm das nicht als Kritik an deiner Geschichte, die finde ich toll. Aber sie könnte noch viel spannender sein, wenn du deiner beiden Kleinen auf Schnitzeljagd im Regen schickst.
Bis (spätestens) in einer Woche!

Liebe Grüße
Michel

 

Hi @TeddyMaria ,

wie schön, dass ich mal wieder auf eine deiner Geschichten gestoßen bin und dann auch noch zum Thema "Was dann?". Natürlich hab ich schon den ein oder anderen Kommentar überflogen und muss sagen: Mich persönlich hat deine Geschichte abgeholt, vielleicht lag es an meiner Stimmung liegen oder der Tatsache, dass die Geschichte nicht so lang ist (was mir manchmal extrem gut gefällt, denn ich selbst finde es ziemlich schwierig, in kurzen Texten viel zu transportieren).

Die detaillierten Beschreibungen, die Melancholie, die in der Luft liegt, das alles hat mir besonders gefallen. Ich konnte den Regen auf der Haut und die Verzweiflung wirklich spüren. Da war auch immer so eine Spannung in der Luft, die du bis zum Ende halten konntest. Manchmal hast du mich gekonnt an der Nase herumgeführt und ich musste meine eigenen Thesen - über Hintergund und den Ausgang der Geschichte - wieder über Bord werfen.

Irgendwann hält ein Auto an, ein weißer Transporter. Ein Mann beugt sich zur Seite, stößt die Beifahrertür auf.
»Soll ich euch mitnehm’?«, ruft er, und ich kann durch seinen Bart die Lippenbewegungen kaum erkennen.
»Nein, danke«, sage ich. »Wir finden den Weg allein.«
»Sicher.« Er lacht. »Aber wenn ihr ins Dorf wollt, müsst ihr noch ’ne halbe Stunde lauf’n.«

Die ganze Szene hat mir gut gefallen. Sie war nicht nur sprachlich eine willkommene Abwechslung und hat alles etwas greifbarer erscheinen lassen; sie hat zusätzlich auch noch weitere Spannung erzeugt, da ich kurz nicht wusste, in welche Richtung sich das jetzt entwickeln könnte (ging zumindest mir so).

Ich presse das Handy ans Ohr. Das Freizeichen ertönt. Lotta hebt den Kopf, und ich folge ihrem Blick zur geöffneten Tür. Auf dem Flur klingelt es.
Ich taste mich zur Garderobe, Lotta folgt mir, klammert sich an meinen Pullover. Der rosafarbene Parka hängt am Kleiderhaken. Ist noch hier. Ich lasse die freie Hand in die linke Jackentasche fahren, ertaste ein Portmonee. In der rechten Tasche klingelt Mamas Handy.
Diese ganze Schnörkellosigkeit; den Leser an die Hand nehmen - in dieser Geschichte einfach passend.

Trollhaar, so nennt Mama die langen Gräser. Das Haar von Trollen, die sich zum Schutz vor dem Sturm im Erdboden eingegraben haben, nur die Köpfe schauen noch raus. Und das wilde Haar.

Ach, einfach schön.

Liebe TeddyMaria, ich habe (leider) nichts an deiner Geschichte auszusetzen, aber die anderen Kommentare werden schon hilfreich genug sein. Von mir gibt's nur ein Lob und Danke, für eine schöne Geschichte.

Beste Grüße
Cohen

 

Liebe @TeddyMaria,
die Ausgangssituation finde ich interessant, zwei Mädchen an einem düsteren Ferienort, die vergeblich auf ihre Mutter warten.

»Wo ist Mama?«
Ich streiche über ihr Haar. »Sie ist spazieren gegangen.«
Ich ziehe sie an mich, spähe aus dem Fenster. Regen klatscht gegen die Scheibe. Der Wind jagt vom Meer her über die Dünen, zerzaust das Schilf.
Hier wird schon deutlich, dass die Mutter nicht wiederkommen wird.
Meine Interpretation war, dass der Vater die Familie verlassen hat, oder gestorben ist und dass sie mit den Töchtern auf die Insel gefahren ist und sich dort auf ihren Spaziergängen in ihr Elend reinsteigert oder sogar psychotisch wird und schließlich ins Wasser geht. Mein Gefühl ist am Ende vor allem Ärger auf die Mutter, die ihre Töchter so im Stich lässt.
Atmosphärisch hast du ziemlich dick aufgetragen, besonders, was das Wetter betrifft, aber es hat schon funktioniert bei mir, ich habe gefröstelt. Gezuckt habe ich dann doch spätestens an der Stelle, die @Peeperkorn genannt hat:

Auf einem Bild steht eine Frau auf den Klippen, ihr weißes Haar flattert im Wind. Abschied, so nennt Mama die Ausstellung.
Wir sitzen auf grauen Plastikstühlen unter einem Bild von Mama, das stürmische See zeigt, im Hintergrund der Küstenstreifen, ein dunkler Leuchtturm. Eine Hand ragt aus dem Wasser.
Das ist schon sehr Holzhammer, da könntest du, wie man so schön sagt, deinen Lesern ruhig etwas mehr zutrauen.

Die Frage ist: Warum ist sie mit den Töchtern auf die Insel gefahren? Ich unterstelle jetzt mal nicht, dass sie schon vorhatte, sich umzubringen. Möglicherweise hat sie sich eine Art Heilung erhofft. Es sei denn, du hattest noch Übernatürliches im Sinn, Trolle, die sie auf die Insel rufen, oder so.

Irgendwann wird eine Gestalt im rosafarbenen Regenparka auf den Dünen auftauchen, am Leuchtturm vorbei auf unser Ferienhaus zulaufen. Irgendwann am Nachmittag, so wie die letzten vier Tage. Das schlechte Wetter kann Mama nicht an ausgedehnten Spaziergängen hindern.
Die Isa ist unfassbar brav und vernünftig. Ich kann ihr Alter überhaupt nicht fassen. Ihre Sprache ist abgeklärt, erwachsen. Am Ende klingt sie sogar wie eine Kunstfigur in einem Kindermärchen. Aber sie ist nicht in der Lage, vorher schon Hilfe zu holen, zu telefonieren.

»Sie ist bestimmt im Dorf. Wir können ja schonmal kochen.«
schon mal

Papa. Im Hintergrund ein Leuchtturm.
Der Leuchtturm.
Den Leuchtturm wiederum verstehe ich eigentlich gar nicht. Als Motiv nicht und was er für eine Rolle spielt.

»Äh … Das … äh … am Ortseingang, direkt rechts?«
»Was fragste mich?«
»Ich … ich weiß nicht, wie es heißt.«
»Aber du weißt, wo’s is’?«
»Ja.«
»Gut.«
Den mag ich, den Dialog, das ist realistisch, aber hier schätze ich sie plötzlich deutlich jünger.

Unter der Insel wohnen kleine Wesen. Die Unterirdischen. Wenn sie einsam werden, dann kommen sie an die Oberfläche und nehmen die lustigsten und nettesten Menschen mit hinab. Dort sitzen sie bei einem Festmahl und haben viel Spaß. Und weißt du was?«
Hier wiederum passt die Sprache für mich nicht zu der Dramatik der Situation und auch nicht zu Kindern. Wenn das ein wichtiges Motiv für dich ist, dass sie sich in ihrer Not an diese Geschichten klammert, dann müsste das Ganze noch was viel Besesseneres, Gebrochenes bekommen, als Motiv vielleicht immer wieder auftauchen. Vielleicht als Kehrseite ihrer überaus vernünftigen Persönlichkeit, dass sie mit der kleinen Schwester in diese Traumwelten flüchtet. Das wäre auch eine Verbindung zur Mutter, die sich ja möglicherweise maßlos überschätzt hat oder sogar den Bezug zur Realität komplett verloren hat. Und hier, am Ende, wo alles zerbricht, würde ich sprachlich nur noch Fragmente erwarten, die nicht mehr wirklich funktionieren. Wenn du da noch einen Hauch Hoffnung reinbringen willst, dann vielleicht über die beiden Erwachsenen, die Kakao gekocht haben. Ist so ein spontaner Gedanke, aber das würde ich den Kindern an der Stelle wünschen, Erwachsene, die Kakao kochen und da sind.

Liebe TeddyMaria, das waren so ein paar Gedanken, ich wünsche dir einen guten Start in die Woche.

Herzliche Grüße von Chutney

 

Hallo, @Peeperkorn

Nachdem ich Deinen Kommentar gelesen habe, habe ich erstmal entschieden, einen Tag lang nicht auf Kommentare zu antworten. Ein bisschen könnte ich das bereuen, da jetzt ja wirklich viel reingekommen ist (Challenge-Zeit!) und ich erstmal nachkommen muss. Aber ich bereue es nicht! Gestern Morgen bin ich dann nämlich aufgestanden, und alles hat Sinn ergeben. :D In diesem Sinne: Vielen Dank für Deinen Besuch.

Der Plot lässt sich in einem Satz zusammenfassen und dies ohne grossen Verlust an Information, wie ich finde.

Denn huiui, das ist ein hartes Urteil.

Was du darstellst, ist eine Art Erkenntnisprozess, der sehr linear verläuft und auch ohne doppelten Boden.

Hm, stimmt. Wahrscheinlich ist die Geschichte deshalb auch so kurz. Hatte mich schon gewundert.

Symptomatisch dafür ist, dass die Ausstellung der Mutter, wie könnte es anders sein, den Titel: "Abschied" trägt.

Ist raus. Du bist nicht der einzige, den das gestört hat. Ich werde wahrscheinlich auch noch weitere Hinweis entfernen – ab morgen habe ich wieder die Muße dazu.

Und das trübe Zwielicht, der Regen, der Leuchtturm, das Herbstlaub. Das ist mir alles zu klar, zu einfach, zu bekannt auch, und zu direkt auf die Emotion des Lesers gezielt.

Und außerdem werde ich noch etwas anderes tun. Ich habe das Gefühl, dass das auch so ein bisschen norddeutsche Mentalität ist, zumindest geben mir die Kommentare den Eindruck mit, dass die Magie dieser Welt sich eher Küstenseelen erschließt.

Aber das ist ja nicht der Punkt. Es gibt eine Vorversion der Geschichte, in der Isa Fußspuren im Haus findet, in der sie den Leuchtturm erkundet, in der Lotta verschwindet, in der es eine Falltür gibt, unter der sich nichts als Erde verbirgt. Ein Freund sagte mir dann, dass dies zu sehr auf Schocker abzielt, also habe ich vieles davon weggenommen, wollte die Hoffnung wiederfinden, Isa auch Hoffnung geben:

Ich denke, wenn man den Plot graphisch darstellt, ergibt sich eine fallende Linie, hin zur Gewissheit, dass etwas Schreckliches passiert ist.

Und das ist mir nicht so gut gelungen. Ich denke, dafür müsste der Punkt, der Hoffnung gibt, nicht ganz am Ende kommen.

Mir fehlen sowohl Nebenlinien wie auch Ausschläge nach oben und unten. Im Verlauf des Textes werden auch keine Denkräume geöffnet, vielmehr verengen sich die Gedanken des Lesers von der Ahnung hin zur Gewissheit, zumindest bei mir war das so.

Sondern mehr ein Teil der Geschichte werden, nicht aus dem Nichts einschlagen. Was ich damit sagen will, mir ging es darum, herauszufinden, wie eine Person wie Isa mit einer praktisch ausweglosen Lage umgeht und wie sie die Hoffnung wiederfindet. Und dass ich das zu geradeaus erzählt und das Ende, um das es mir eigentlich geht, zu stark forciert habe, wird mir nun klar.

Das ist sehr gut geschrieben, atmosphärisch dargestellt. Deine Fähigkeiten in diesem Bereich wachsen und wachsen, wie ich finde.

Und das Kompliment nehme ich natürlich trotzdem mit. :D Dass die Fähigkeiten wachsen, ist ja auch eine gute Grundlage dafür, dass ich den Ansprüchen, die Du an mich heranträgst, (eines Tages und hoffentlich bald, ich werde mich sofort an die Arbeit machen) auch gerecht werden kann.

Ich möchte dich ermuntern, wieder zu komplexeren Erzählmustern wie z.B. in An der Als zurückzufinden.

Hier habe ich mich auf der ersten Strecke des Satzes total erschreckt. Oh Gott, seit wann habe ich die komplexen Erzählmuster verloren? Und dann "An'er Als". Mensch. Das ist doch nur eine Geschichte her. :D I'll make it work!

Aber ich möchte nicht nur mitfühlen, ich möchte auch was mitnehmen aus Texten. Fragen, Widerhaken, Empörung, whatever.

Ich glaube, ich verstehe, was Du meinst. Ich muss mich jetzt erstmal hinsetzen und das aufdröseln. Das ist wirklich keine einfache Aufgabe, aber das Grundthema habe ich, so denke ich, schon gefunden. Jetzt muss ich es nur noch richtig umsetzen. Und es ehrt mich ja, dass Du mich mit dieser Aufgabe so stark konfrontierst.

Leute, die gut schreiben können wie du, müssen unbedingt auch was zu erzählen haben!

Danke und Hui! Ich stürze mich sofort (morgen) in die Arbeit! Und wie gesagt, obwohl ich mir jetzt Zeit gelassen habe, darüber nachzudenken, oder deshalb, denn es hat sich gelohnt, bin ich wirklich froh, Dich als Leser und Kommentator hier zu haben. Vielen Dank für Deinen Besuch!

Arbeitsame Grüße,
Maria

Hi, @Friedrichard

Wie schön, dass Du auch wieder hier bist. Und großartig, dass wir über den Leuchtturm reden können.

interessant ist die Geschichte allein schon deshalb, weil aus seiner Funktion als Verkehrszeichen heraus der Leuchtturm zum Symbol wird und Hilfe vom festen Land (muss ja nicht das Festland sein, braucht ja auch nur eine Haltung, Position im übertragenen Sinn sein) her verspricht, durch schwierige Gewässer und Dunkelheit (und sei‘s das Leben selbst).

Nur dass dieser Leuchtturm leider dunkel ist und deshalb nichts taugt. Aber ich denke, das ist das erste, was ich für eine Überarbeitung ändern werde: das Licht wieder anmachen. :D

Selbstverständlich hat ein Turm mit i. d. R. einer Wendeltreppe innendrin noch andere Deutungsmöglichkeiten von Gewalt und Macht bis hin zum wieder-hoch-Kommen, wieder aufstehn –

Vielleicht wurde ich ein bisschen geprägt von dem Buch, das ich gerade lese, "Annihilation" von Jeff Vandermeer, in dem der Leuchtturm der Ort des Showdowns ist, der Ort, an dem alle Fäden zusammenlaufen, zu dem alle Wege führen, wo sich alle Geheimnisse lüften. Der die ganze Geschichte über am Horizont sichtbar ist und schlussendlich die Erkenntnis bietet. Und deshalb denke ich, dass Isa und Lotta den Turm auch noch besuchen sollten. Vielleicht hilft's ja, denn:

Kinder wissen so wenig wie der Leser, wir werden - egal ob wir in unserm Alter noch Mama und Papa sagen, meine Meinung hab ich schon bei Fliege angedeutet, wir werden in die Situation des Kindes versetzt, gegenüber dem Ältern ihre Geheimnisse wahren.

Wie schön gesagt! Vielleicht erklärt das ein verspätetes Hilfeholen. Dass dort mehr vor sich geht, als es den Anschein hat, oder zumindest, dass die Kinder dies annehmen. Denn wer weiß das schon?

Buchstäblich ein Paar Trivialitäten

Sind ausgebügelt! Vielen Dank fürs Auffinden!

Leuchtende Grüße,
Maria

Hi, @AWM

Schön, dass Du hier bist. Ich habe einen Regenschirm mitgebracht.

ich hatte echt Gänsehaut bei deiner Geschichte.

Äh ... Schön?! Freut mich!

Dass sie einmal schluckt ist für mich nicht genug, um zu behaupten, dass sie das Kratzen nicht los wird.

Hm-m, hmhmhmm (wie meine Chefin im Praktikum zu sagen pflegte). Ich werde darüber nachdenken. Ist ein Liebling für mich.

Weiß nicht, ob es diesen starken Hinweis braucht.

Hast recht, neben einigen anderen. Die Hand im Wasser, "Abschied", das habe ich entfernt. Das hier habe ich markiert und werde es angehen, wenn ich Zeit für eine Überarbeitung finde. Einfach so ganze Sätze zu streichen, ohne Zeit zu haben, den ganzen Text nochmal zu lesen, das behagt mir nicht. Heißt nicht, dass ich das nicht noch mache, denn eigentlich bin ich sehr dafür zu haben, es noch zu streichen.

Sie sitzt hinten und lehnt den Kopf von hinten an die Lehne deiner Prota. Aber wie sieht deine, dass die Kleine den Mann anschaut? Sie reicht ja nur die Hand zurück.

Ist geändert. Sie sitzen jetzt nebeneinander auf der Rückbank.

ist eine streitbare Stelle, finde ich. Weil es auf der anderen Seite eben auch zeigt, dass sie in ihrer Rolle überfordert ist.

Habe ich gar nicht so wahrgenommen, hoppla. Sie sagt ja öfters mal Dinge ganz klar, wie ich finde. Aber ich habe es mir markiert und werde es ausführlich prüfen.

Die restlichen Kleinigkeiten habe ich bereits aufgehoben und angepasst. Vielen Dank fürs Auffinden!

Liebe Maria, ich fand deinen Text ganz toll und mich hat er echt ergriffen. Das hast du super gemacht und vor allem deine Lotta gefällt mir so gut! Dadurch, dass dir die Kleine so gut gelungen ist, wird das alles echt wahnsinnig traurig. Ein Top-Text! Gruß!

Und ein großes Dankeschön auch für die Blumen! :) Gerade bei Lotta habe ich über einige Versionen, die ich jetzt schon geschrieben habe, echt Arbeit reingesteckt. Langsam wird mir aber klar, dass auch Isa noch Liebe braucht. Und die wird sie bekommen. Schön, dass ich Dich jetzt schon ins Boot holen konnte.

Geänderte Grüße,
Maria

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe @TeddyMaria,

zu allererst eine Kleinigkeit, die mir beim Lesen aufgefallen ist:

für einen Moment sind die peitschende See, die Schaumkronen auf den Wellen, die rasenden Wolken in grelles Licht getaucht

Der Wind peitscht über das Land

Der Wind peitscht den Regen auf mein Gesicht

Das peitscht mir zu oft in dem Text ;) Liegt vielleicht auch daran, dass "peitschen" ein recht prägnantes Wort ist, aber die Wiederholungen sind mir beim Lesen aufgefallen. Vielleicht fallen dir da noch andere Variationen ein.

Ansonsten habe ich da nichts zu meckern. Mir gefällt das Tempo deiner Geschichte.
Gleich zu Beginn liegt da eine gewisse Anspannung in der Luft. Lotta ist ungeduldig, quängelig, von Anfang an. Da dachte ich mir schon: Hmm, die Mutter ist wohl nicht das erste Mal ziemlich lange weg. Die Kleine scheint zu spüren, dass irgendwas in der Luft liegt, noch vor ihrer großen Schwester. Kinder haben ja ein viel besseres Gefühl für Schwingungen, das verlernt man als Erwachsener oft ein wenig.

Dann die Szene mit dem Telefon, dass im Flur klingelt, die Jacke, die noch dahängt, das hat mir gefallen, weil es dieses Unwohlsein steigert, weil man spätestens jetzt denkt, dass etwas passiert ist, bzw. dass hier etwas nicht seinen üblichen Gang geht. Was du toll gemacht hast, ist die Außenkulisse, finde ich. Die raue Natur, der Wind, und allen voran die Trollhaare (die hab ich ins Herz geschlossen), das unruhige, bedrohliche Meer ... All das trägt natürlich dazu bei, dass die Situation der beiden Schwestern noch bedrückender wird.
Dein Text ist voller Symbole, vor allem ist da aber der Leuchtturm, den ich einerseits klassisch als Orientierungspunkt verstehe, andererseits als etwas Dunkles, als einen Ort, an dem etwas Schlimmes passiert ist (mit dem Vater?). Es gibt da verschiedene Varianten in meinem Kopf, was passiert sein könnte. Jedenfalls etwas, das die Mutter nicht loslässt. Sie malt Klippen, Leuchttürme, düstere Bilder. Dieses Motiv wiederholt sich immer wieder, auch in deiner Geschichte. Und schließlich - so verstehe ich es - folgt die Mutter ihrem Mann und die große Schwester versucht, Lotta mit einer Art Märchen zu beruhigen. Vorerst. Das Ende macht ziemlich klar, dass Isa die Hoffnung eigentlich schon aufgegeben hat.

Eine stürmische, tragische und doch sehr weiche Geschichte. Mich stört es auch nicht, dass ich relativ schnell ahne, worauf der Text hinausläuft. Klar, ich denke auch, an manchen Stellen könntest du noch subtiler erzählen, nicht zu sehr mit unheimlichen Symbolen/Vorboten um dich werfen (um es jetzt mal provokativ zu sagen). Aber ich bin generell so, dass mich Vorhersehbarkeit nicht immer stört. Wenn ein Text mich auf andere Weise trägt - und das tut deiner - dann rückt das für mich in den Hintergrund und ich konzentriere mich eher darauf, wie etwas erzählt wird.
Gerne gelesen!

Liebe Grüße
RinaWu

 

Liebe @barnhelm

Ich bin echt super happy über Deinen Besuch. Wirklich, wirklich echt. Dein Kommentar ist sehr umfangreich und hilft mir, alles andere vernünftig einzusortieren. Nach dem Lesen wusste ich, was ich zu tun habe.

Aber der Reihe nach:

Das ist mir alles ein wenig zu eindeutig – und, das muss ich leider sagen, in seiner Häufung dann irgendwie auch etwas zu manipulativ.

Ich glaube, ich habe mich zu sehr an diesen "Hinweisen" entlanggehangelt, den Rest ein bisschen vergessen. Und das trifft leider vor allem Isa. So soll das nicht sein, also legst Du natürlich gleich den Finger auf die Wunde, und das ist auch richtig so. Jetzt spüre ich es auch. :) Ich habe bereits einige der größten Holzhammer gestrichen. Das Neuschreiben von Szenen wird naturgemäß mehr Zeit in Anspruch nehmen.

Und irgendwie erinnern mich deine Bilder an romantische Gemälde.

Das finde ich gar nicht so schlimm, würde ich sagen. Ich denke, wir Norddeutschen haben doch diese romantisch-naive Ader, gerade wenn es um das Meer geht. Und die Mutter und die Kinder sicherlich auch.

Allerdings habe ich mich gefragt, warum sie, die ja groß genug ist, um in die Parka der Mutter zu passen (und damit deren Rolle zu übernerhmen), nicht am Abend oder in der Nacht versucht, mit irgendjemand Kontakt aufzunehmen?

Du bist nicht die Einzige (der Einzige?), die sich das fragt. Für mich war völlig klar, dass die Mutter eben häufiger lange weg bleibt. Das heißt, es ist besorgniserregend, aber nicht ungewöhnlich. Mein Freund guckt manchmal auch einen ganzen Tag lang nicht auf sein Handy, und ich sehe ihn nicht, weiß nicht, wo er ist, obwohl wir zusammen wohnen. Dann springe ich auch im Viereck, aber ich rufe weder seine Mutter an, noch die Polizei. Weil er bisher immer wieder aufgetaucht ist. Und ich denke, das ist auch Isas Vorgehen. Aber Sorgen macht sie sich sicher trotzdem, und deshalb:

Überhaupt fehlt mir eine Beschreibung dieser Nacht, die ja besonders die ältere Schwester in immer größere Verzweiflung stürzen muss. Während du den Abend ausführlich beschreibst, bleibt die Nacht völlig unerwähnt. Ich könnte mir vorstellen, dass zumindest die Ältere nicht einschlafen kann, immer wieder nach draußen horcht und jeden Moment hofft, dass die Tür aufgeht und die Mutter zurückkommt, dass sie den vergangenen Tag Revue passieren lässt und nach einem Moment sucht, der das Weggehen der Mutter erklärt. An dieser Stelle hättest du mMn Isa sehr gut charakterisieren können.

Du hast vollkommen recht, und ich danke Dir tausendmal für diese Idee. Verschärfend kommt hier vielleicht dazu, dass es eine Vorvorversion der Geschichte gibt, in der Isa und Lotta einen relativ unbekümmerten Bruder haben, der von Mamas Geld erst einmal Pizza bestellt. Richtig "Sturmfrei" macht eben. Aber ich denke, ich nehme mir Isa ganz allein jetzt noch einmal gründlich vor.

Was sich im Weiteren abspielt, bleibt dann aber für mein Gefühl auf der einmal skizzierten Ebene, ohne dass sich die Tragik spürbar steigert. Das passiert auch nicht in den Personen: Lotta bleibt von Anfang an die Gleiche und auch Isa verändert sich nicht wesentlich. So zumindest meine Wahrnehmung.

Entwicklungen. Richtig. Bei meiner letzten Geschichte habe ich das explizit beachtet, und es hier einfach wieder vergessen. Im Prinzip lässt sich das ja alles zusammenfassen, auf:

Da würde ich ein wenig straffen und dafür die sich entwickelnde Verzweiflung der beiden Mädchen stärker in den Fokus rücken, vielleicht solltest du mehr in Isas Gedankenwelt eintauchen. Obwohl sie die Ich-Erzählerin ist, bleibt sie mir unterm Strich doch recht fremd.

Und das ist ja nicht wenig, aber auf jeden Fall ein sehr guter Punkt. Liebe barnhelm, ich würde sagen, Du hast den zentralen Schwachpunkt der Geschichte zielsicher ausgemacht, belegt, erklärt, hervorragende Vorschläge geliefert. Ein Traumkommentar! Und jetzt weiß ich auch, was ich zu tun habe: mehr Isa, mehr Handlung vor allem. Sie lässt alles einfach geschehen, was, wie mir gerade auffällt, auf viele meiner Charaktere zutrifft. Ich finde es eben total faszinierend (nicht nur in der Literatur, sondern auch im Real Life), wie lange es dauert, bis manche Menschen aus ihrem "Ich warte mal ab, und sicher wird alles gut"-Trott rauskommen. Aber rauskommen sollten sie. Und vor allen Dingen habe ich es (denke ich) schon öfters geschafft, anderen meine Faszination für die Duldsamkeit, die so viele Menschen zeigen, näherzubringen. Ich denke, ich werde Isa die Duldsamkeit auf keinen Fall nehmen, sie jedoch stärker ausarbeiten, stärker fokussieren, bei ihr bleiben, sie zeigen.

Ich werde mir Isa genauer ansehen, mich stärker darauf konzentrieren. Danke!

Entwickelnde Grüße,
Maria

Liebe @wieselmaus

Wie schön, dass Du hier bist an der (hust) Ostsee. Wobei das im Text nicht eindeutig gesagt wird und deshalb ja auch irgendwie egal ist, ne?

Danach war mir alles klar. Und Stück für Stück legst du Indizien dafür dem Leser vor die Nase, manchmal so penetrant, dass er überhaupt gar keine Chance hat, etwas anderes zu vermuten als eben eine in der Nordsee verschwundene deprimierte Mutter.

Ich habe ein paar der penetrantesten Indizien bereits gestrichen und werde jetzt in der Überarbeitung Folgendes tun, um den Ablauf nicht zu geradlinig auf die Erkenntnis zuzuschreiben, die eh praktisch jede/r von Anfang an hat:

Isa, die Große, könnte zwischen zwölf und fünfzehn sein, sie schwankt für mich zwischen naiv und überfordert, und sie lässt kaum einen direkten Blick in ihr Inneres zu, wirkt über weite Strecken hölzern.

Mich mehr auf Isa konzentrieren. Auf ihr Innenleben, ihr Handeln, ihre Entwicklung. Hölzern soll sie ja nicht wirken, naiv und überfordert okay, vielleicht auch manchmal zugeknöpft. So stelle ich sie mir vor. Aber eben doch als echten Menschen. Und daran werde ich jetzt arbeiten. Vielen Dank fürs Augenöffnen!

Mallefiz Malefiz

Hoppla. Korrigiert. :D

Was mir gefällt, sind deine Naturbeschreibungen. Da merkt man, dass du ein Kind der Nordseeküste bist. Nur weiß ich nicht so genau, warum der Titel "Sturmfrei" heißt. Da verstehe ich etwas anderes darunter.:D "Sturmtief" könnte doch auch passen?

Erstmal danke für das Kompliment. "Sturmfrei", bei dem Titel bin ich mehr sicher. "Sturmfrei", oder auch: "Die Eltern sind nicht zu Hause." Frei zum Stürmen. Und hier werde ich auch in der Überarbeitung die Gelegenheit nutzen, dass meine Mädchen ja doch eine gewisse Freiheit haben und sich nicht selbst so einengen müssen, wie sie es aktuell tun.

Vielen Dank für Deinen Besuch! Es war mir wieder eine Freude, und ich hoffe, in der Überarbeitung mit einer lebendigeren Prota überzeugen zu können.

Bis dahin,

Freie Grüße,
Maria

Hallo, @Meuvind

Schön, dass Du hierher gefunden hast.

kann es sein, dass du einfach zu viel Zeit hast? Studium, NaNoWriMo, Challengezeit...

Wochenstart ist für mich immer schwierig. Deshalb poste ich normalerweise zur Wochenmitte und nicht wie viele andere zum Wochenende. Habe ich diesmal irgendwie verpeilt, und deshalb kommt meine Antwort erst heute.

Die beiden haben ernsthaft den ganzen Tag darauf gewartet, dass sie zurückkommt, ohne irgendjemandem Bescheid zu geben?

Ich finde das total organisch, wenn man sich überlegt, dass die Mutter bestimmt nicht zum ersten Mal lange weg ist. Der Punkt ist ja Folgender:

Für mich schwingt zwischen den Zeilen durch, dass die ältere Tochter um den Zustand ihrer Mutter wusste, vielleicht sogar damit gerechnet hat, dass etwas passiert. Und trotzdem lassen sie sie alleine jeden Tag im Regen spazieren gehen.

Sie sind die Kinder. Natürlich "lassen sie die Mutter spazieren gehen". Denn was haben die schon zu melden? Und so würde ich sagen, dass Isa wahrscheinlich über einen längeren Zeitraum gelernt hat, die Launen der Mutter einfach zu erdulden.

Aber nur, weil mir das organisch vorkommt, heißt es ja noch lange nicht, dass hier alles perfekt ist. Und in diesem Sinne: Du hast recht. Ich muss auf meine Prota mehr eingehen, sie lebendiger ausarbeiten, denn ...

Den Titel finde ich super, der ist so herrlich zweideutig. Auch das Setting ist toll, anschaulich beschrieben. Aber, ich weiß nicht, irgendetwas an deiner Geschichte stört mich.

Ja, den Titel finde ich auch feierbar (Entschuldigung, aber ich klopfe mir kurz selbst auf die Schulter). Das Setting ist mir wichtig. Ich habe durch die Hamburger Challenge diese Regionalbezüge für mich entdeckt und merke, dass mir das wirklich Spaß macht. Aber ...

Ich glaube, es ist dein Prot. Irgendwie kann ich nicht mir ihr mitfiebern, weil sie einerseits wenig beschrieben, andererseits nicht den Willen zeigt, ihre Mutter zu suchen. Ihr Motiv passt mir nicht.

Jap. Du bist nicht der Erste und lange nicht der Einzige, und ich sehe es ein. In meinen Notizen steht ganz dick und fett: Isa. Eine lebendige Prota mit nachvollziehbaren Handlungen zu schreiben, das werde ich in der Überarbeitung nachholen.

Dabei würde ich viel lieber lesen: "So, pack deine Jacke ein, wir stürmen jetzt den Sturm. Wir finden Mama, egal wie viel davon oder was davon übrig ist, aber vorher gibt es keine Süßigkeiten, klar?"

Es gab eine Vorversion, in der die beiden den Leuchtturm erkunden. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich genau das wieder zurückholen werde. Vielleicht nicht Lottas Verschwinden, das sich dann dort ereignete, aber zumindest diese Initiative, etwas zu tun, Mama zu suchen, sich zusammenzureimen, was geschehen ist.

Bitte nimm das nicht als Kritik an deiner Geschichte, die finde ich toll.

Ääääh ... Sorry. Ich nehme das als Kritik an meiner Geschichte. Was soll es sonst sein? Und ich werde sie besser machen. Got to make it work! Vielen Dank für diese Kritik und den Call for Action. Das bestärkt mich in der Entscheidung, den Ausflug zum Leuchtturm zurückzuholen.

Kritische Grüße und bis Samstag,
Maria

Hi, @Ronja

P.S. Du hast wohl schon überarbeitet und es kamen weitere Komms rein, daher ist vllt. einiges hinfällig. Sorry!

Wie Du immer auf diese Idee kommst! :lol: Seit "Bindung" bist Du da extra vorsichtig, ne? :p Bis zu Deinem Kommentar hier habe ich lediglich ein einziges Wort geändert. Nun habe ich aber all den Kram, den Du angemerkt hast, übernommen. Danke!

Die Atmosphäre hast du gut eingefangen. Ich liebe auch die Stimmung am Meer, selbst wenn es nass, kalt und trüb ist ... und es eine traurige Geschichte ist, die du erzählst.

Dankeschön! Das habe ich durch die Hamburger Challenge gelernt, Geschichten nicht einfach irgendwo passieren zu lassen, sondern an einem bestimmten Ort. Und es fühlt sich gut an.

Darüber hinaus finde ich, dass diese Geschichte im Verhältnis zu deinen anderen, schon beim ersten Hochladen relativ kurz ist. Well done.

Tja. Jetzt wird sie wahrscheinlich doch eher wieder länger. :)

Trotzdem würde ich noch viele Adjektive streichen und weniger detailliert beschreiben. Aber das ist meine persönliche Ansicht und es gibt ja viele die genau das an deinem Schreibstil schätzen.

Beschreibungen wieder kürzer zu fassen, das werde ich tun. Vielleicht wird die Geschichte also doch nicht länger ... Schauen wir mal.

Das finde ich etwas unglaubwürdig, insbesondere weil sie sonst doch sehr fürsorglich ist. Ich würde sie einfach beiden hinten einsteigen lassen.

Hast vollkommen recht. Erledigt! Sie steigt jetzt hinten ein.

Handwerklich finde ich es ohne Frage gut geschrieben und ich habe sie gerne gelesen.

Dankeschön! Den ganzen Kleinkram habe ich widerspruchslos eingearbeitet, und ich betone noch einmal, wie sehr ich schätze, dass Du ihn immer so penibel raussuchst. Es fühlt sich schön an, so viele Dinge direkt aufzuheben und einzuarbeiten.

Inhaltlich wurde ja schon viel gesagt. Ich denke auch, dass du da mehr rausholen kannst.

Ja. I'll make it work! Schön, dass Du hier warst und bis Samstag.

Kleinliche Grüße,
Maria

Hallo, @Leonhardt Cohen

Du bist wieder da. Und direkt hier an der Küste. Bisschen ungemütlich, wa? Hab nen Regenschirm mitgebracht.

Mich persönlich hat deine Geschichte abgeholt, vielleicht lag es an meiner Stimmung liegen oder der Tatsache, dass die Geschichte nicht so lang ist (was mir manchmal extrem gut gefällt, denn ich selbst finde es ziemlich schwierig, in kurzen Texten viel zu transportieren).

Ich finde es schwierig, kurze Geschichten zu schreiben. Es ist auch meine erste in dieser Kürze. Umso schöner, dass es Dir gefällt. Da freue ich mich gleich umso mehr, dass Du hier bist.

Ich konnte den Regen auf der Haut und die Verzweiflung wirklich spüren. Da war auch immer so eine Spannung in der Luft, die du bis zum Ende halten konntest. Manchmal hast du mich gekonnt an der Nase herumgeführt und ich musste meine eigenen Thesen - über Hintergund und den Ausgang der Geschichte - wieder über Bord werfen.

Ach, das ist schön zu hören. Trotzdem werde ich mich in der Überarbeitung etwas stärker auf meine Prota konzentrieren. Mit Sicherheit kann ich die Geschichte noch besser machen. :D

Liebe TeddyMaria, ich habe (leider) nichts an deiner Geschichte auszusetzen, aber die anderen Kommentare werden schon hilfreich genug sein.

Trotzdem (oder deswegen) freue ich mich, dass Du hier bist. Manche Leute denken ja, dass Lob nichts bringt. Ich bin (nicht nur, weil ich natürlich gerne gelobt werde) anderer Ansicht, denn natürlich ist es total wichtig für mich zu hören, was schon gut läuft und was ich beibehalten kann. Du hilfst mir, an den Dingen festzuhalten, die ich mag, von denen ich glaube, sie draufzuhaben. Dankeschön!

Gelobte Grüße,
Maria

Hi, @Chutney

Schön, dass Du hier bist. In dicker Atmosphäre. :lol:

Atmosphärisch hast du ziemlich dick aufgetragen, besonders, was das Wetter betrifft, aber es hat schon funktioniert bei mir, ich habe gefröstelt.

Äh ... Schön. Wenn ich persönlich so etwas lese, freue ich mich immer, im warmen Zimmer zu sitzen. Mit Kakao in der Hand. Aber dahin kommen wir ja noch.

Das ist schon sehr Holzhammer, da könntest du, wie man so schön sagt, deinen Lesern ruhig etwas mehr zutrauen.

Habe die totalen Holzhammer-Stellen gestrichen. Das soll ja so nicht sein.

Möglicherweise hat sie sich eine Art Heilung erhofft. Es sei denn, du hattest noch Übernatürliches im Sinn, Trolle, die sie auf die Insel rufen, oder so.

Tatsächlich habe ich angenommen, dass die Mutter regelmäßig dorthin zurückreist. Warum Menschen das machen (Todestage feiern, Gräber besuchen, immer wieder den Finger in die Wunde legen), verstehe ich oft nicht so ganz. Wahrscheinlich für Heilung, ja. Und wahrscheinlich sollte ich noch einmal versuchen, es herauszufinden.

Die Isa ist unfassbar brav und vernünftig. Ich kann ihr Alter überhaupt nicht fassen. Ihre Sprache ist abgeklärt, erwachsen. Am Ende klingt sie sogar wie eine Kunstfigur in einem Kindermärchen. Aber sie ist nicht in der Lage, vorher schon Hilfe zu holen, zu telefonieren.

Und auch Du sprichst wieder die Prota an. Und ich nicke, nicht ergeben, nicht erschlagen, ganz wild. Ja! Die Isa braucht mehr Charakter, mehr Innenleben, mehr Handeln, mehr Entwicklung. Das ist das Erste, was ich jetzt anpacken werde.

Den Leuchtturm wiederum verstehe ich eigentlich gar nicht. Als Motiv nicht und was er für eine Rolle spielt.

Auch das möchte ich weiter ausarbeiten. Der Leuchtturm ist mir wichtig, eben gerade als Motiv von Fantasie. Ich denke, wir werden uns dem Leuchtturm in einer überarbeiteten Version stärker nähern. :)

Wenn das ein wichtiges Motiv für dich ist, dass sie sich in ihrer Not an diese Geschichten klammert, dann müsste das Ganze noch was viel Besesseneres, Gebrochenes bekommen, als Motiv vielleicht immer wieder auftauchen.

Das ist mir auch klar geworden. Wenn die Troll-Geschichte entscheidend sein soll für die Geschichte, dann darf sie nicht am Schluss einmal auftauchen, sondern muss sich durch den ganzen Text ziehen. Je länger ich darüber nachdenke, umso klarer wird mir, in welche Richtung ich überarbeiten möchte.

Vielleicht als Kehrseite ihrer überaus vernünftigen Persönlichkeit, dass sie mit der kleinen Schwester in diese Traumwelten flüchtet. Das wäre auch eine Verbindung zur Mutter, die sich ja möglicherweise maßlos überschätzt hat oder sogar den Bezug zur Realität komplett verloren hat.

Und diese Idee ist genial. Kanji hat ja schon "die andere Seite der Persönlichkeit" angesprochen, und dass diese andere Seite verträumt ist, realitätsflüchtig, vielleicht auch ein bisschen wahnsinnig, das passt. Das passt zur Mutter und zur Geschichte, und ja, zu Isa passt momentan ohnehin alles, weil ich sie ja viel zu wenig ausgearbeitet habe.

Wenn du da noch einen Hauch Hoffnung reinbringen willst, dann vielleicht über die beiden Erwachsenen, die Kakao gekocht haben. Ist so ein spontaner Gedanke, aber das würde ich den Kindern an der Stelle wünschen, Erwachsene, die Kakao kochen und da sind.

Oh. :herz: Das wäre so schön! Mal gucken.

Liebe Chutney, schön, dass Du hier warst und mir noch ein paar weitere Denkanstöße gegeben hast. Du hast die andere Seite der Persönlichkeit aufgegriffen und Ideen reingegeben, was das sein könnte. Langsam nimmt Isa immer mehr Gestalt vor meinem inneren Auge an. Jetzt muss ich es nur noch zu Papier bringen.

Ideenreiche Grüße,
Maria

Hallo, @RinaWu

Was für ein freudiger Besuch! Und in diesem Sinne: Willkommen.

Das peitscht mir zu oft in dem Text ;) Liegt vielleicht auch daran, dass "peitschen" ein recht prägnantes Wort ist, aber die Wiederholungen sind mir beim Lesen aufgefallen. Vielleicht fallen dir da noch andere Variationen ein.

Habe bis auf eins alle gestrichen/ersetzt. Danke fürs Raussuchen!

Gleich zu Beginn liegt da eine gewisse Anspannung in der Luft. Lotta ist ungeduldig, quängelig, von Anfang an. Da dachte ich mir schon: Hmm, die Mutter ist wohl nicht das erste Mal ziemlich lange weg.

Das war auch für mich der Punkt. Dass die Mutter eben häufiger verschwindet. Das erklärt auch die kritisierte Passivität von Isa. Denn die Mama kommt schon wieder. Aber auf ihr Innenleben werde ich nochmal eingehen, um das deutlicher zu machen.

Was du toll gemacht hast, ist die Außenkulisse, finde ich. Die raue Natur, der Wind, und allen voran die Trollhaare (die hab ich ins Herz geschlossen), das unruhige, bedrohliche Meer ... All das trägt natürlich dazu bei, dass die Situation der beiden Schwestern noch bedrückender wird.

Freut mich, dass die Kulisse Dir gefällt. Die war für mich selbst ein Quell der Inspiration, denn die inspirierendste Zeit meines Lebens habe ich in Ahrenshoop verbracht, einem Ort an der Ostseeküste, an dem viele Künstler/innen ihre Werke ausstellen. Meine Großeltern fahren jedes Jahr dorthin, und einmal haben sie mich mitgenommen. Und immer, wenn ich Inspiration suche, denke ich daran. Vielleicht ist der Fokus deshalb auch so stark auf dem Ort.

Dein Text ist voller Symbole, vor allem ist da aber der Leuchtturm, den ich einerseits klassisch als Orientierungspunkt verstehe, andererseits als etwas Dunkles, als einen Ort, an dem etwas Schlimmes passiert ist (mit dem Vater?).

Der Leuchtturm, ja, er ist wirklich dunkel. Aber ich denke, ich werde ihn für die Überarbeitung wieder in Betrieb nehmen, das Licht einschalten. Da geht noch was!

Eine stürmische, tragische und doch sehr weiche Geschichte.

Gerade, dass Du die Geschichte "weich" nennst, freut mich sehr. :bounce: Denn ich höre nicht nur beim Schreiben, sondern auch im persönlichen Kontakt häufiger, dass man mich und mein Schaffen als "spröde" bezeichnet. Ich versuche, in alle Lebensbereiche mehr Weichheit zu bringen. Dass Du schon etwas davon entdecken kannst, ist einfach wundervoll.

Mich stört es auch nicht, dass ich relativ schnell ahne, worauf der Text hinausläuft. Klar, ich denke auch, an manchen Stellen könntest du noch subtiler erzählen, nicht zu sehr mit unheimlichen Symbolen/Vorboten um dich werfen (um es jetzt mal provokativ zu sagen).

Ich habe schon einige Holzhammer entfernt, und ich werde noch weiter Richtung Subtilität überarbeiten.

Wenn ein Text mich auf andere Weise trägt - und das tut deiner - dann rückt das für mich in den Hintergrund und ich konzentriere mich eher darauf, wie etwas erzählt wird.

Aber dass es für Dich so funktioniert, ist schon echt wunderbar zu lesen. Es hilft mir dabei, im Auge zu behalten, was schon gut funktioniert, und diese Dinge nicht wieder über Bord zu werfen. Ich habe ja immer noch meinen "Verschlimmbesserungshorror", da sind all diese "Da ist schon gut"-Hinweise sehr, sehr nützlich.

Liebe Rina, so schön, dass Du hier warst.

Weiche Grüße,
Maria

 
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Hallo,

»Mama!« Lottas Stimme hallt durch den Flur.
Hallen. Hall entsteht durch eine gewisse räumliche Größe, wie eine Kirche etc. Ich denke, du meinst aber was anderes, eher so was wie dröhnen, also auch ein Ausdruck für Volumen, Lautstärke.

Ich will etwas Tageslicht ins Zimmer lassen, ziehe die Vorhänge auf. Heller wird es dadurch nicht, draußen herrscht Zwielicht.

"Etwas Tageslicht." Das klingt schräg. Wie beim Metzger. Darf es etwas mehr sein? Ist auch widersprüchlich, da sie im Grunde das Zimmer nur ein wenig heller haben möchte, dann aber die Vorhänge komplett aufzieht. Dann: Tageslicht, Zwielicht, ich finde das klingt unrund. Ist das Wetter hier so wichtig? Wenn ja, dann klarer zeigen. Warum ist das wichtig?

Das Trappeln kleiner Füße, Lotta erscheint in der Wohnzimmertür.
Ich mache das auch oft, einfach einen Satz ohne Zuordnung, um den Leser reinzuziehen, damit das Show nicht so überdeutlich wird. Hier solltest du aber tatsächlich hören etc anhängen, damit klar wird, wie ist da die Zuordnung, auch räumlich, es wird ja ein Weg zurückgelegt. Und: Trappeln. Vielleicht ist das jetzt Glatteis, aber ich finde, durch die Wahl solcher Worte entwertet man einen Text irgendwie. Das sind so Worte, die einfach schon nicht literarisch klingen. Ich weiß, die Prots in der Story sind selber jung und so, aber ich finde trotzdem, es zieht das Ganze auf so ein Schwank-Niveau runter. Das hat dein Text nicht verdient.

Ihr ganzer Körper ist angespannt, die Hände zu Fäusten geballt.
Hier, finde ich, kannst du dich entscheiden. Ihre Hände sind zu Fäusten geballt, that'll do. Das Angespanntsein wird dadurch gezeigt.

»Isa!«, schreit sie.
»Lotta, ich stehe direkt vor dir.

Schreien - kann weg. Weil: Ausrufezeichen. Das wird nur sparsam eingesetzt, und hier dann richtig. Harmonisiert außerdem toll mit ihrer Antwort. Es wird dem Leser klar, ohne dass du ihn an die Hand nimmst.

Ich ziehe sie an mich, spähe aus dem Fenster.

Das Spähen. Spähen ist hier sehr speziell, und deswegen, weil du es hier so explizit ausgesucht hast, bekomme ich den Eindruck, das die Geschichte in eine bestimmte Richtung gehen wird. Spähen, das hat was von einem Spion, von Erkundschaften, von abwartendem Lauern. Ich will das nicht werten, aber für den ersten Eindruck ist so etwas wichtig, finde ich, der Autor lenkt schon mit diesem Wort, du lädst damit eine gewisse Erwartungshaltung.

Dann: Sie zieht ihre kleine Schwester an sich. Das ist eine beschützende Geste, auf die du aber nicht weiter eingehst. Da fehlt mir eine kleine Überleitung zum Spähen, weil ich denke, sie späht nach der Mutter, mit der ist irgendetwas, da kann jederzeit was passieren, und diese Geste, dieses an-sich-ziehen, das ist ein Vorgriff auf etwas, dass vielleicht im weiteren Verlauf passiert. Das wissen wir nicht. Ich würde vielleicht noch mehr Nähe produzieren, ein Geruch, wie riecht ihre kleine Schwester, nach der gleichen Creme, die sie früher benutzt hat, Deo, Shampoo, Muttermal, irgendetwas, auf dass sie sich wirklich konzentriert, was klar macht, sie ist vigil, sie ist aufmerksam.

Das mit dem Trollhaar ist toll. Nur hast du zweimal Haar im Absatz. Einmal streicht sie über Lottes Haar, dann Trollhaar. Würde ich mich für eins entscheiden. Trollhaar ist deutlich stärker. Auch würde ich das nicht erklären. Trollhaar, das hat etwas Mystisches, etwas Verklärtes, und es sagt auch etwas aus über einen Menschen, wenn er solche Bezeichnungen findet. Das muss nicht unbedingt erklärt werden, ich finde, es wirkt stärker ohne diese Erklärung.

Ich lasse die freie Hand in die linke Jackentasche fahren, ertaste ein Portmonee.

Dieser ganze Absatz bereitet etwas vor. Da kommt Spannung auf. Man will wissen, wie geht es weiter. Du machst aber dann folgendes: Du greifst vor. Du sagst, ein Ereignis tritt wieder ein, Mutter kommt wieder über die Dünen, weil das die letzten vier Tage so gewesen ist. Fast, als würdest du dich gegen diese Spannung im Text wehren. Und dann findet sie diesen rosafarbenen Parka an der Garderobe. Das finde ich erstens unwahrscheinlich, dass ihr das jetzt erst auffällt, vielleicht hängt der ja versteckt unter anderen Jacken, aber du nimmst auch hier dieses Symbolhafte, der rosafarbene Parka, der steht ja für etwas, für Kontinuität, und als sie den da findet, entsteht eine Leerstelle, und der Leser weiß, etwas ist anders, etwas wird passieren, dieser rosafarbene Parka ist signifikant. Super! Nur: Der Leser sollte diese Entdeckung simultan mit der Protagonistin entdecken. Es müsste also ein Wechsel in eine aktive Position der Erzählerin passieren: Ich achte auf die Linie der Dünen, warte, bis ich das blasse Rosa von Mutters Parka entdecke. Ich sehe auf die Uhr. Zwanzig Minuten vergangen. Dann findet sie den Parka rein zufällig. Ups! WTF? Dass denken dann aber beide, Erzählerin und Leser. Effekt vergrößert. Auch hier auf Kleinigkeiten gucken: es ist nicht irgendein Portemonee. Es ist IHR Portemonee. Das impliziert, sie ist nicht einkaufen, sie ist nicht irgendwo einen Kaffee trinken.

Auf dem Nachtschrank hat Mama die Pillendöschen aufgereiht, daneben steht ein gerahmtes Foto. Ich hebe es auf, fahre mit dem Daumen über das Glas.
Warum? Hier schlägst du mich mit dieser Wahrheit fast tot. Vollende es nicht. Lass sie eine Pille nehmen, lass sie eine Pille in die Hand nehmen, lass sie dran riechen, sie physisch erfassen, lass sie die Nebenwirkungen auf dem Beipackzettel durchlesen, oder sie kann sie auch in den Mund nehmen und wieder ausspucken, aber nicht einfach: Pillendose. Das ist zu brachial. Zu brachial ist auch die Sache mit dem Photo. Man KANN das machen. Aber dann brauch die Prot hier eine gewisse Distanz, ein Verhältnis zu dem Mann auf dem Photo, der ihr Vater ist. Ich brauche als Leser eine Koordinate - Zeit, Ort, Verhältnis. Sie kann denken: Hier sieht er viel jünger aus. Früher hatte er mehr Haare. Damals hatte er noch keine Falten. Oder eine Anekdote: Damals sind wir an dem Leuchtturm rumgeklettert. Etwas Konkretes, weil ich sonst denke, da ist ein Geist, der Mann ist nicht da, und warum genau weint sie jetzt?

Zuende gelesen. Also, das ist oft dick. Ich will jetzt nicht jeden Absatz durchgehen, aber da ist viel Pathos drin, den du ruhig, meiner Meinung nach, ausdünnen kannst. Du könntest hier klarer in der Sprache werden, lieber immer nur ein Bild, ein gutes, aussuchen. Was mir hier auch etwas fehlt, ist, wie die Mutter so geworden ist. Es muss nicht auserzählt werden, aber ein Detail, eine Sache, die mir zeigt, wie aus etwas Ganzem so eine kaputte Sache entstehen kann. Das kann etwas ganz Einfaches sein, eine Erinnerung, ein Bild, dass die Mutter gemalt hat und dann wieder übermalt hat, verändert hat, von leuchtend fröhlichen Farben zu reinem Schwarz, oder was weiß ich, also eine Entwicklung. Und: Was ist das für eine Mutter, die ihre Töchter einfach alleine lässt, während sie ihren suizidären Neigungen nachgeht? Wenn sie so eine Egoistin ist, dann musst du das andeuten, dann musst du zeigen, dass sie die Töchter schon öfters alleine gelassen hat, wir kennen das schon, dann müsstest du auch eventuell Lottas Verhalten anpassen, weil die solche Eskapaden gewohnt ist. Da fehlt es etwas an Gewichtung.

Gruss, Jimmy

 

Hi, @jimmysalaryman

Erstmal möchte ich Dich beglückwünschen zu diesem tollen Kommentar. Ich schreibe selbst manchmal Kommentare, für die ich mich total feiere, und ich finde, Du solltest Dich total feiern für diesen Kommentar – ich tue es zumindest. Der ist so dicht, so genau, so detailliert, so intensiv. In diesem Sinne bin ich auch sehr dankbar, dass dieser feierbare Kommentar an mich ging. :D

Und das erklärt auch, warum Du jetzt mehr als vierundzwanzig Stunden auf eine Antwort warten musstest. Das ist ja sonst nicht meine Art. Gelesen habe ich den Kommentar sofort. Danach hatte ich sehr große Lust, etwas für meine Masterarbeit zu tun. Dann habe ich ihn nochmal gelesen und nochmal. Dann dachte ich: Okay, sacken lassen, damit auch wirklich alles ankommt. Und heute wollte ich dann all die kleinen Details einarbeiten, die Du für mich aufgehoben hast (danke!), und dabei habe ich wieder gemerkt: Das ist huge! Und ich glaube, ich würde Dir Unrecht tun, wenn ich da schnell drüberwische.

Ich habe jetzt die allerkleinsten Feinheiten schon eingearbeitet und werde darauf dann nicht näher eingehen. Vielen Dank!

Ich gehe rückwärts durch Deinen Kommentar, denn da stapeln sich die Flusen, die ich noch nicht aufheben konnte.

Also, das ist oft dick. Ich will jetzt nicht jeden Absatz durchgehen, aber da ist viel Pathos drin, den du ruhig, meiner Meinung nach, ausdünnen kannst. Du könntest hier klarer in der Sprache werden, lieber immer nur ein Bild, ein gutes, aussuchen.

Das sehe ich jetzt auch sehr deutlich, fügt sich ja auch in die anderen Kommentare. Das ist detaillierte Außenbeschreibung (die Natur, während sich ein Drama ereignet, wie barnhelm schrieb) und irgendwie romantisch (vielleicht auch eine norddeutsche Schwäche – oder Stärke). Ich merke, dass ich praktisch meine ganze Inspiration aus diesem Ort gezogen habe und dass dieser Ort nach meinem Empfinden so viel Pathos hat. Aber das sollen keine Excuses sein, nur: Ich weiß, wie es so gekommen ist, und mir wird immer klarer, wie ich wieder subtiler, klarer werden kann:

Was mir hier auch etwas fehlt, ist, wie die Mutter so geworden ist. Es muss nicht auserzählt werden, aber ein Detail, eine Sache, die mir zeigt, wie aus etwas Ganzem so eine kaputte Sache entstehen kann.

Einen stärkeren Fokus auf die Menschen legen, nicht auf die Umgebung. Und Du zeigst mir hier an mehreren Beispielen, dass das nicht ausschließlich Isa betrifft. Es betrifft auch alle Leute, die sie umgeben. Die Mutter, den Vater, die familiäre Vergangenheit ...

Wenn sie so eine Egoistin ist, dann musst du das andeuten, dann musst du zeigen, dass sie die Töchter schon öfters alleine gelassen hat, wir kennen das schon, dann müsstest du auch eventuell Lottas Verhalten anpassen, weil die solche Eskapaden gewohnt ist.

... eben auch, was mir sehr deutlich vor Augen schwebt, dass die Mutter die Kinder nicht zum ersten Mal allein lässt, und die Auseinandersetzung damit, wie auch Lotta darauf organisch reagieren kann und muss. Ich werde mich also in der Überarbeitung deutlich stärker auf die Menschen in der Geschichte konzentrieren. Du führst mir vor Augen, dass das nicht Isa allein ist, und als Sozialpsychologin ergänze ich (Fuchs!), dass wir alle ja auch mindestens teilweise durch unser soziales Umfeld definiert werden. Darauf werde ich stärker eingehen, und jetzt habe ich auch richtig Lust darauf.

Warum? Hier schlägst du mich mit dieser Wahrheit fast tot. Vollende es nicht. [...] nicht einfach: Pillendose. Das ist zu brachial. Zu brachial ist auch die Sache mit dem Photo. Man KANN das machen. Aber dann brauch die Prot hier eine gewisse Distanz, ein Verhältnis zu dem Mann auf dem Photo, der ihr Vater ist. Ich brauche als Leser eine Koordinate - Zeit, Ort, Verhältnis. Sie kann denken: Hier sieht er viel jünger aus. Früher hatte er mehr Haare. Damals hatte er noch keine Falten. Oder eine Anekdote: Damals sind wir an dem Leuchtturm rumgeklettert.

Ich habe einige Holzhämmer schon rausgenommen, dieser ist noch drin. Er ist auch jetzt noch drin, nachdem ich schon einiges eingepflegt habe, was Du anmerkst, aber das bedeutet nicht, dass ich ihn nicht noch rausnehmen werde. I just need some time. :D Und im gleichen Zuge werde ich wahrscheinlich die gesamte Erkundung des mütterlichen Schlafzimmers überarbeiten.

du nimmst auch hier dieses Symbolhafte, der rosafarbene Parka, der steht ja für etwas, für Kontinuität, und als sie den da findet, entsteht eine Leerstelle, und der Leser weiß, etwas ist anders, etwas wird passieren, dieser rosafarbene Parka ist signifikant. Super! Nur: Der Leser sollte diese Entdeckung simultan mit der Protagonistin entdecken.

Es überrascht mich selbst, dass diese Stelle für so viele Leser/innen signifikant ist. Aber wenn ich drüber nachdenke, wird mir klar, dass es doof wäre, etwas anderes anzunehmen. Es ist der Moment, wo man als Leser/in erfährt: Shit is going down. Und leider weiß man an diesem Moment auch genau, wohin down. Deshalb werde ich diese Szene stärken und gleichzeitig das deutliche "Wohin" in der folgenden Geschichte ein wenig stärker verzweigen.

Immer, wenn ich "Shit is going down" denke, denke ich an "Haus des Geldes", das ist eine wirklich tolle Serie. Wo die Fäden ganz fein gesponnen werden, und dann ändert sich eine winzige Kleinigkeit, und ich ringe auf dem Sofa nach Luft, weil ich weiß: Etwas Furchtbares wird geschehen. Aber ich weiß nicht genau, was. Idealerweise mache ich daraus einen solchen Moment. Aber das ist wirklich huge.

Es ist IHR Portemonee. Das impliziert, sie ist nicht einkaufen, sie ist nicht irgendwo einen Kaffee trinken.

Sehr stark formuliert. Ich habe es jetzt auch einfach deutlich geschrieben.

Trollhaar, das hat etwas Mystisches, etwas Verklärtes, und es sagt auch etwas aus über einen Menschen, wenn er solche Bezeichnungen findet. Das muss nicht unbedingt erklärt werden, ich finde, es wirkt stärker ohne diese Erklärung.

Aaaah, ich weiß, ich empfehle auch oft so viele Kills, und ich brüste mich damit, die Darlings sofort niederzuschießen, wenn auch nur der geringste Zweifel aufkommt. Lottas Haar ist raus, und die Erklärungen des Trollhaars habe ich ... gekürzt. :lol: Ich weiß noch nicht, ob es wirklich ohne Erklärung geht. Aber so, wie ich mich kenne, werde ich mich noch eine Woche sträuben und es dann entfernen.

Ich danke Dir sehr für den Besuch und diesen sehr intensiven Kommentar. Ich hoffe, ich habe nichts übersehen. :)

Dichte Grüße,
Maria

 

Hey Maria,

(ich muss bei Teddy immer an Teddy Duchamps aus "Stand by me" denken.)

Ich merke, dass ich praktisch meine ganze Inspiration aus diesem Ort gezogen habe und dass dieser Ort nach meinem Empfinden so viel Pathos hat.

Der Amerikaner würde das "sense of place" nennen, und das ist etwas, was der Gegenwartsliteratur VOLLKOMMEN abgeht. Neben der allgegenwärtigen Nabelschau ist das eines der allergrößten Probleme - niemand möchte mehr zu einer Örtlichkeit finden, Begriffe wie Heimat etc sind leider negativ konnotiert. Was ich nicht meinte, ist: Mach das weg! Das Erzählen über die Interaktion mit der direkten Umgebung ist etwas zutiefst Existenzielles, auch etwas sehr Sinnliches. Der Ort, oder viel mehr das Gefühl für den Ort, muss oder sollte in die Narrative eingewoben werden. UNBEDINGT! Ein sehr gutes Beispiel hast du dir selbst im Text geliefert: der Leuchtturm. Der steht ja nicht einfach so da, der ist auch ein Symbol für etwas, der ist einmal gegenwärtig, aber auch ein Teil der Vergangenheit. Wie ist der beschaffen? Wie ist dort die Luft? Wie fühlt man sich dort oben, und warum fühlt man sich nur dort GENAU SO? Sind die Steine dort nass, rau, weich, glatt? Das ist konkret, eine sehr konkrete Erfahrung, die deine Prots gemacht haben (oder auch nicht) und die sie aber mit einzelnen Punkten im narrativen Bogen verbinden, die Teil einer Gesamtentwicklung sind, die nicht solitär stehen, und du hast jetzt die Macht darüber, mit diesen "Verbindungspunkten", wo der Ort, das Konkrete, die Narrative zusammenfließen, den Rhythmus deiner Geschichte zu beeinflussen. Das wollte ich nur noch einmal ausführen.

Gruss, Jimmy

 

Hallo liebe @TeddyMaria,

du wunderst dich bestimmt schon, wo mein Kommentar bleibt. Treibe ich mich doch tagaus und tagein hier herum.
Gelesen habe ich deine Geschichte natürlich sofort. Und ich wusste erst nicht so richtig was ich davon halten sollte. Dann kamen schon die ersten Kommentare, die meine Gefühle eigentlich recht gut zusammenfassten.

Die Geschichte ist klar strukturiert und kurz, deswegen fiel es mir leicht, sie in einem Stück zu lesen. Handwerklich gut, da hatte ich kaum etwas zu meckern – und doch hatte ich das Gefühl irgendetwas stimmt nicht.
Mittlerweile habe ich mein Problem etwas genauer identifizieren können. Du drängst mich zu sehr. Ich fühle mich manipuliert. Das ist wie in einem Film in dem es anfängt zu regnen, wenn es traurig wird. Und dann sperre ich mich direkt gegen jegliche Gefühle , mach zu und fühle gar nichts mehr.
Ich versuche in letzter Zeit bewusst mit dem zu brechen, was ich aus dem ersten Impuls heraus schreiben will.
Das Wetter ist schlecht, um eine bedrohliche Stimmung aufzubauen? Lass die Sonne scheinen.
Die kleine Schwester ist schlecht drauf, weil die Mama nicht da ist? Lass sie ausflippen vor Freude über die sturmfreie Bude, alles auf den Kopf stellen.
Das sind nur so Ideen, aber ich denke, du verstehst was ich sagen will.

Hier noch ein paar textliche Anmerkungen:

Der Wind jagt vom Meer her über die Dünen, zerzaust das Schilf. Trollhaar sagt Mama dazu.
Das Trollhaar mag ich auch sehr gern. :)

Das Haar von Trollen, die sich im Erdboden eingegraben haben, nur die Köpfe schauen noch raus.
Die Erklärung bräuchte ich auch nicht, das kann sich glaube ich jeder denken und mich verwirrt es auch etwas, denn was sollen die Köpfe sein, die da rausschauen? Man sieht doch nur das Haar oder?

»Das hast du mit Absicht gemacht.«
Sagt ein kleines Kind „mit Absicht“? Ich würde vielleicht sagen: Das hast du extra gemacht.

Ich taste mich zur Garderobe,
Warum tastet sie sich? Ist es im Flur so dunkel?

In der rechten Tasche klingelt Mamas Handy.
„Klingelt ihr Handy“ reicht dann aus.

Mein Mund ist trocken, ich schlucke, werde das Kratzen im Hals nicht los. Ich zwinge die Mundwinkel nach oben.
»Sie ist bestimmt im Dorf. Wir können ja schon mal kochen.«
Da ist Isa ganz schön tapfer, lässt sich ihre Angst nicht anmerken, um die kleine Schwester nicht zu beunruhigen. Ich kann nicht fassen wie alt sie ist. Sie wirkt älter als 10, sie hat ein eigenes Handy, aber das sagt ja heute nichts mehr ... Vielleicht so 12?

Fernsehflackern erhellt das Wohnzimmer.
Das empfinde ich als so unbestimmt. Was läuft denn da? Vielleicht versaute Werbung? Das wäre dann auch ein Hinweis auf die Uhrzeit.

Im Hintergrund ein Leuchtturm.
Der Leuchtturm.
Hier würde es mir reichen, wenn du in dem ersten Satz direkt „der Leuchttrum“ schreibst und den zweiten weglässt.

Ohne Auto ist der Weg zum Dorf weit.
Ich verstehe nicht, warum die beiden nicht jemanden anrufen.

Sie reckt sich und flüstert mir ins Ohr: »Ist er ein Troll?«
Süß. :herz:

»Unter der Insel wohnen kleine Wesen. Die Unterirdischen. Wenn sie einsam werden, dann kommen sie an die Oberfläche und nehmen die nettesten Menschen mit hinab. Dort sitzen sie bei einem Festmahl und haben viel Spaß. Und weißt du was?«
Das ist mir zu krass. Selbst in diesem Moment bewahrt Isa noch die Fassung und erzählt ihrer Schwester eine Geschichte? Das glaube ich nicht, es fühlt sich falsch an. Ich hätte erwartet, dass Isa hier nun zusammenbricht und mit ihrer Schwester heult. Das muss doch auch mal drin sein.

Ich hoffe, du kannst damit etwas anfangen. Viel Erfolg bei allem, was du gerade so machst und liebe Grüße,
NGK

 

Hallo @TeddyMaria,

irgendwie hat mich Dein Text an Hänsel und Gretel erinnert. Da werden Kinder weggeschickt, hier zurückgelassen. Im Märchen erkenne ich das Motiv des Kinderhasses der Mutter. Sie ist ja, so ist eine Deutungsmöglichkeit, mit der Hexe identisch, hat die Kinder zum Fressen gern und will sie gleichzeitig loshaben, weil sie das Eheleben stören. Ein nachvollziehbares Motiv. Die Kinder verirren sich im dunklen Wald, was immer er sein mag, Blick in die eigene Psyche und so weiter. Am Ende plündern sie das Knusperhaus, nehmen die Emotionen, die die Mutter für sich hortete und die eigentlich die Kinder gebraucht hätten und leben glücklich ihre Tage, nachdem sie der Schwan wieder ins Licht gebracht hat. Einige Motive sehe ich in Deinem Text auch, die Kongruenz von Wald und Meer, das Unterstes nach oben spült und letzte Flucht sein kann. Der Mann im Auto ist wahrscheinlich nicht mit der Mutter identisch. Sie ist einfach weg. Sie hat die Kinder sicher nicht gehasst aber irgendwas war da. Und das ist für mich so eine Sache, das „einfach“ und „irgendwas“. Da sind ein paar Pillen und unheilvolle Bilder, die sie malte. Malen als Bewältigung der strapazierten Seele, ein Mann, der sie verlassen hat, vielleicht am Leuchtturm umkam, was die Ellipse „Der Leuchttum“ verraten mag. Sonst wenig Hinweise.

Jetzt ging es Dir wahrscheinlich darum, die gespannte Situation darzustellen. Die Ahnungslosigkeit der Kleinen, das Wissen oder zumindest die Ahnung der Größeren, dass die Welt nicht so nett und bunt ist, sondern schlimme Sachen bereithält. Das ist vor dem Hintergrund des Meeresrauschens auch gelungen, finde ich. Das ist gekonnt geschrieben in der konsequenten Knappheit der Sprache. Mir fehlt ein wenig eine zweite Dimension. Das mag aber Geschmackssache sein, muss ich sagen. So eine Unsicherheit in der Schwebe halten, so unerklärt lassen hat auch was. Also, Ansichtssache wohl. Aber ein tieferer Blick hätte mir gefallen.

Sprachlich, wie gesagt, ist das ziemlich konsequent gemacht. Für mich so konsequent, dass es mir manchmal zu trocken, zu spröde, fast schnoddrig rüberkommt, was aber sicher auch Ansichtssache ist und ja auch ein etablierter Stil ist. Man kann die Entschlackung schon weit treiben, wenn sie inhaltlich ein Gegengewicht hat. Es ist dann eben ein anderer Klang, Pattern statt Melodien. Das geht schon, wird im Extrem unpersönlich, was ich im Text nicht sehe. Dazu hat er dann doch etliche originelle Wendungen und Stimmungen, die zeigen, von wem er ist.

Also, mit hätte ein wenig mehr Hänsel und Gretel gefallen. Dennoch finde ich den Text sprachlich und in der Form gekonnt gemacht. Und drum ein klares gern gelesen.

Beste Grüße

rieger

 

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