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Tod dem Tyrannen Großer Bozo

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10.10.2006
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Tod dem Tyrannen Großer Bozo

„Sic semper tyrannis“​

Berühmter Satz,
auszusprechen im Moment eines Tyrannenmords,
fälschlicherweise häufig dem großen Bozo zugeordnet​

Der große Bozo beherrscht die Manege. Taumelt in zu großen, roten Schuhen hin und her, hält eine Fackel an den Mund und spuckt Flammenbälle gen Zirkushimmel. Ein viel kleinerer Clown krabbelt auf seinem Rücken herum, klopft ihm gegen den Hinterkopf, lässt sich dann fallen, schlägt einen Purzelbaum zwischen Bozos Beinen und versteckt sich, als der große Bozo nach unten schaut, unter seinen mächtigen Bauch. Bozo wirkt wütend. Schaut nach links, schaut nach rechts, funkelt ins Publikum, tappst in der Manege herum und der andere Clown mimt jeden seiner Schritte nach, unter Bozos Wampe verborgen.
Das Publikum kann sich gar nicht satt sehen an dieser Clownerie. Rotbackige Bälger klatschen Beifall, während sie an rosa Zuckerwatte nagen. Fette Frauen können endlich wieder Kind sein, und junge Männer tätscheln beruhigend Regionen ihrer Freundinnen, die in der Nähe dessen liegen, was sie eigentlich tätscheln wollen, jedes Mal, wenn ein weiterer höllischer Feuerball das Zelt erhellt.
Für uns andere ist es doch eine rechte Routine. Solange Bozo nur nach oben spuckt, kann niemandem etwas passieren. Dann jedoch stockt auch uns der Atem, denn ein großes Rad wird von Hadur, dem stärksten Mann der Welt, in die Manege gerollt, und an ihm hängt die süße Jasmin.
Der Zwerg verdrückt sich, Bozo lässt Fackel wie Feuerwasser fallen und zieht, das ist Magie, man mache da keinen Fehler, ein Messerset aus der Luft heraus, fünf Fleischermesser hat er da auf einmal wie einen Fächer ausgebreitet. Die jungen Männer hören nun auf, ihre Frauen zu tätscheln, denn Jasmin hat viel mehr zu bieten als die Sitznachbarin. Haar, das Feuer in den Schatten stellen könnte, fällt da auf nackte Schultern. Und die Brüste, man sollte nicht über sie reden, aber sie stehen im Raum wie ein rosa Elefant, der allerdings schon in der ersten Viertelstunde dran war. Jeder kann sie sehen, wenn ein froschgrünes Kleid sie auch bedecken mag. Das Kleid schimmert, als sei es aus den Schuppen eines Lindwurms gefertigt. Und nach allem, was ich und die anderen wissen, könnte das auch so sein.
Bozo wankt auf das Rad zu, torkelt wie ein Schlachtschiff unter Beschuss, verlagert Gewicht vom linken auf den rechten Schlappen und macht, so sehr gespielt ist es wahrlich nicht, ein Bild des Elends. Die Leute meinen nun: „Ach, schau, der fette Clown will doch lieber ein paar Schritte näher gehen mit seinen Messern aus Plastik oder Gummi oder was die da auch immer verwenden, wahrscheinlich sind die Augen nicht mehr so gut oder er hat die Zitterhand, da will er doch lieber der Scheibe etwas näher sein.“ Doch Bozo, als könne er das Publikum denken hören, überlegt es sich, wankt zurück, sekunden-, minutenlang wankt er da, bis er fast am Rande der Manege steht und wirft dann ohn Ansatz eines der Messer auf Jasmin, es bohrt sich dicht zwischen ihren und Hadurs Kopf und als Hadur, ein Hüne mit gewichstem und gezwirbelten Schnauzer, einen Schritt nach hinten geht, kann man Schweißperlen auf seinem kahlen Schädel ausmachen. Denn auch wenn er ein Loyalist ist, bei einem Clown kann sich niemand sicher wähnen.
Bozo wirft die freie Hand nach oben, Musik setzt ein, man hört einige Pferde wiehern, Hadur fasst sich und macht einen Schritt nach vorne, legt zwei Pranken an das Rad und dreht und Jasmin wirbelt. Bozo lässt die Hand aber nicht sinken, formt die Finger nur zu einer Kralle. Schneller, will er sagen. Dreh schneller. Und Hadur fasst erneut an und dreht und dreht noch einmal und dreht ein drittes Mal. Kein Mucks ist mehr zu hören, als die stählernen Messer fliegen. Man weiß nicht, wo man hinschauen soll, auf Bozo, auf Jasmin, oder auf die Strecke dazwischen. Ich entscheide mich für Jasmin, höre aber nur das Tock, Tock und Tock. Unter den linken Arm, unter den rechten, zwischen die gespreizten Beine, alles kein Problem, doch beim letzten Mal hört man etwas anderes, kein Zack, Messer auf Holz, sondern ein Flatschen. Man kann nicht sehen, wo das Messer gelandet ist, noch immer dreht sich die Scheibe, ist die Manege vor ihr feucht? Ist da Blut geflossen? Ich kann es nicht sehen.
Doch als Hadur schließlich, die Sehnen in seinen Muskeln zeichnen sich ab, mit gewaltigem Griff das Rad zum Stehen bringt, sieht man, dass Bozo nur Jasmins Kleid getroffen hat, dicht an der Hüfte und man sieht, dass kein Blut geflossen ist. Als Hadur ihr aus den Ösen und Manschetten hilft, rasch muss es gehen, der Clown will wieder im Rampenlicht stehen, schwankt sie kurz und als sie schließlich einen Schritt nach vorne macht, reißt ihr Kleid an jener Stelle, an der des Clowns Messer eingedrungen ist.
Und jetzt tatsächlich fließt etwas Blut auf den Manegenboden und uns allen, die wir Bescheid wissen, ist klar: Bald ist es soweit. Bald wird es geschehen. Bald muss etwas geschehen.

Nach der Vorstellung strömen die Menschen aus dem Zelt und auf den Rummel. Bleiben vor Iskabar stehen, dem braunen Mann aus dem Orient, mit seinem weißen Turban, dem Hohepriester Bozos, und lassen sich die Zukunft weissagen. Sie reihen sich in endlosen Schlangen ein vor Würstchenbuden und Losverkäufern, die fast alle loyal zu Bozo stehen. Ich aber schleiche an ihnen vorbei, ducke mich in die Schatten und gelange zu den Stallungen, dort hocken sie, jene Edelsten der Edlen, eitle Dompteure und blasse Akrobaten, Birx, der Chefjongleur, ist unter ihnen, und auch Penelope, die auf dem Rücken eines Pferdes die wildesten Kunststückchen vollführen kann. Das Wort aber führt, heute wie so oft, Casper, der Löwenbändiger. Sein Gesicht ist fast vollständig von einem dichten, schwarzen Bart bedeckt, aus dem einsam ein Zigarrenstumpen ragt, der sich kaum im Mund halten kann, so wild wird da schwadroniert: „Freunde und Freundinnen, ihr könnt die Zeichen der Zeit doch nicht übersehen“, flüstert er mit der Intensität eines Schreis, dass es die Gäule und Affen, zwischen deren Käfigen wir kauern, aufschreckt. „Wir müssen bald zuschlagen. Der Clown ist reif. Niemand weiß, was nach ihm kommen wird. Der nächste kann noch schlimmer sein. Seht ihr nicht den Hass in Iskabars Augen, die dumpfe Tyrannei, die aus den Muskeln Hadurs spricht? Nein, Freunde und Freundinnen, wir dürfen unser Schicksal nicht länger in die Krallen der Tyrannei und des Zufalls legen. Jetzt, sage ich, jetzt ist unsere Zeit gekommen!“
„Hört, hört“, flüstern die vier Hochseilakrobatinnen mit zirpenden Stimmen, als sie ihren Blick für einen Moment von Caspers mächtiger Zigarre lösen können.
Doch Birx hebt schon die Hand und wir alle wissen, was nun kommen wird. Zu einer Politik der Ruhe und Beschwichtigung wird er auffordern, dass die Unbillen, die wir zu ertragen hätten, zwar schlimm, aber doch auszuhalten seien, dass es nicht darum gehen könne, einen Tyrannen durch einen anderen zu ersetzen. So oft haben wir ihm zugehört, dass er gar nicht mehr sprechen muss, es reicht, wenn er seine Hand in mahnender Weisheit erhebt, und schon setzt Penelope ein: „Du sprichst nicht für uns alle, Löwenmann. Es ist Wahnsinn, hier überhaupt zu bleiben. Ich sage: Wir nutzen den Moment der Schwäche, schwingen uns auf unsere edlen Rösser und machen, dass wir hier wegkommen.“
Ihr Gefolge wiehert Zustimmung wie eine Herde junger Fohlen.
„Nicht alle von uns“, sagt nun Birx doch mal etwas Neues, „haben Pferde. Viele von uns haben ihre Familien hier, wir haben uns etwas aufgebaut, das kann man nicht so einfach zurücklassen, dass wir uns wegschleichen wie Diebe in der Nacht.“
„Wen nennst du hier einen Dieb, alter Mann?“, Penelope streicht über ihre Reiterpeitsche.
„Ruhe, meine Freunde und Freundinnen“, intoniert Casper nun. „Ich sage, wir müssen sein wie die Finger einer Faust, zu allem entschlossen, ein einzelner Finger mag leicht brechen, doch die Faust, sage ich, sie zerschmettert die Ketten der Tyrannei!“
„Ich gebe zu bedenken“, sagt Birx. „Dass wir nicht wissen, was nach Bozo kommen wird. Ihr kennt die Geschichten so gut wie ich. Vielleicht endet mit ihm alles.“
„Ach!“, Casper winkt zornig ab, die Zigarre hinterlässt eine Feuerspur in der Dunkelheit. „Wenn du das glauben würdest, säßest du doch gar nicht hier.“
„Iskabar sagt aber, dass …“
„Diese Propaganda!“, zischt Casper. „Nicht wert, dass ich mir den Arsch damit abputze!“
Die Akrobatinnen werden unruhig, können sich kaum noch im Lotussitz halten.
„Attaché“, sagt Casper. „Was hältst du davon?“
Und plötzlich ruhen alle Augen auf einer kleinen Figur ganz hinten im Kreis, dicht neben dem Affenkäfig, in dem ein alter, bösartiger Pavian haust. Auf mir. Und ich habe rein gar nichts zu sagen.

Die Versammlung löst sich auf, Beleuchter und Zeltaufbauer verschwinden als erstes, dann das weitere Gefolge und das engere, sogar die Akrobatinnen schlängeln sich irgendwann von dannen, am Ende sitzen nur noch Birx, Penelope und Casper beisammen und tuscheln.
Ich fühle mich ganz schwer und hungrig von all dem Gerede über die Revolution, doch kaum stehe ich für einen kandierten Apfel und ein paar kandierte Mandeln an, denn Jasmin besteht auf ihre Mandeln, spüre ich eine Pranke auf der Schulter. „Er möchte dich sehen“, grollt mir Hadur ins Ohr.
„Bozo?“, frage ich. Doch Hadur ist kein Mann vieler Worte, drückt mir einfach aufs Schlüsselbein, bis ich in die Knie sacke und ihm folge.
Er führt mich in ein dunkles Zelt, dort sitzt Iskabar vor einer milchigen Kristallkugel. Hadur baut sich hinter ihm auf, die Arme vor der Brust verschränkt.
„Mein Freund“, sagt Iskabar, untermalt es mit einer weitumfassenden, wohl irgendwie orientalischen Geste und lächelt. Ihm fehlen ein paar Zähne und die, die er noch hat, strahlen in gesundem Safranton. „Erlaubt Ihr es, dass wir uns in aller Freundschaft nach dem Wohlbefinden des edlen und einzigen, großen Bozos erkundigen?“
„Warum fragt Ihr nicht Eure Kristallkugel?“, sage ich, während ich mir die Schulter reibe.
Hadur macht einen Schritt auf mich zu und ich zucke zusammen, doch Iskabar hebt eine Hand und Hadur hält inne. „Aber bitte, wir sind doch hier unter Brüdern. Wir alle sind durch den Wunsch verbunden, die Herrschaft des großen Bozo möge noch tausend Jahre andauern.“
„Daran besteht kein Zweifel“, sage ich.
„Also erfreut er sich bester körperlicher Gesundheit?“
„Und auch der geistigen.“
„Ein Freudentag!“, sagt Iskabar und legt die Fingerkuppen seiner Spinnenhände aneinander. „Und wie ist es denn mit seinem Appetit. Funktioniert denn der Magen noch?“
„Er isst und trinkt wie eh und je“, sage ich.
„Und sein Gehör?“
„Bitte?“
„Seine Ohren, sein Lauschorgan, sein“, Iskabar hält sich einen Finger ans Ohr und fährt die Windungen der Muschel entlang, „jenes dort.“
„Tadellos“, sage ich. „Gewiss tadellos.“
„Und wenn ihm zu Ohren käme, dass sein engster Vertrauter, sein Kammerdiener.“
„Attaché“, sage ich.
„Gewiss, mein Freund, gewiss. Wenn ihm also zu Ohren käme, dass so eine enge Vertrauensperson an gewissen, umstürzlerischen Treffen teilnähme, dann würde ihn sein hervorragendes Gehörvermögen also in die Lage versetzen, gewisse Schlüsse aus dieser wertvollen Erkenntnis zu ziehen.“
„Iskabar, mein Bruder“, sage ich. „Ihr glaubt doch nicht, dass dem großen Bozo irgendetwas, das so direkt vor seiner Nase geschieht, entgehen würde. Denkt ihr wirklich, ich nähme ohne seine Kenntnisnahme an solchen Treffen teil.“
Iskabars Hände spielen mit der knochigen Spitze seines Kinns.
„Seid versichert: Alles, was ich weiß, ist dem großen Bozo wohlbekannt. Auch gewisse Versuche, sich meine Gunst zu erschleichen oder mich zu erpressen.“
Hadur macht nun einen Schritt zur Seite, von Iskabar weg.
„Ihr entschuldigt mich, man erwartet mich bereits. Mein Bruder“, ich nicke Iskabar zu, „Hadur“ und auch dem feigen Fleischberg nicke ich zu.

Kaum aus dem Zelt, wird mir schummrig vor den Augen.
„Hey, Attaché, schnell hier“, höre ich eine Mädchenstimme rufen und sehe eine der kleinen Akrobatinnen, sie fasst mich am Handgelenk und zerrt mich über den Jahrmarkt an dicken Kindern vorbei mit Luftballons und an Ständen, in denen Männer mit Gewehren auf Hasen schießen, um Stofftiere für ihre Freundinnen zu gewinnen. Die kleine Akrobatin tippelt und bei jedem Gewehrschuss zucke ich zusammen, dann ist sie verschwunden und ein Mann legt mir seine Hand um die Hüften, als wäre ich betrunken, und wir torkeln Arm in Arm wie alte Freunde über den Markt.
„Was haben die Loyalisten von dir gewollt?“, fragt Casper, ganz ohne Pathos. Kein Zigarrenstumpen im Mund, niemand da, vor dem er Testosteron versprühen müsste. „Ahnen sie was? Nun sag doch, ahnen sie was? Ich kann uns beide hier raus bringen. Dich, mich und die Mädchen vielleicht noch. Ich hab da was mit der Stallzofe von Peno.“
„Was? Unsinn“, sag ich.
„Gut“, sagt er.
„Also wissen sie nichts?“, fragt er.
„Nein.“
„Es muss bald passieren, Attaché. Bald! Wir beide wissen, wie Tyrannen sterben.“
„Ja, mit der Faust und nicht mit dem Finger allein!“, sage ich und muss nach oben schauen, was mich wütend macht, während ich seine Hand an meiner Hüfte spüre.
„Nein“, zischt Casper. „Sie sterben entweder laut und mit viel Blut oder leise in der Nacht in ihrem Bett. Ganz ohne Blutvergießen. Was ist dir lieber?“
Ich streife seine Hand von meiner Hüfte und fädel mich in den Strom der Jahrmarktbesucher ein.

Jasmin liegt nackt auf dem Bauch und hält ein Glas Wein in ihren Händen. Haare fallen nass und rot über ihren Rücken. Ich muss an erloschenes Feuer denken. Ich stehe vor ihr am Fenster des Wohnwagens und frage: „Was sagst du denn zu Bozo?“
„Bozo interessiert mich nicht“, sagt sie.
„Aber du musst doch eine Meinung zu ihm haben. Alles ist Bozo. Alles um dich herum.“
Sie nimmt einen Schluck Wein, ich kann sehen, wie er ihre Kehle hinabfließt, sie schaut mich von unten an: „Nein, muss ich nicht.“ Sie atmet durch ihre Nase ein. „Sich keine Gedanken zu machen, das ist Freiheit“, sagt sie. „Es gibt so viele, die über Bozo reden, meinst du es ist wichtig, was ich von ihm halte, oder was du von ihm denkst?“
„Es ist wichtig“, sage ich.
„Nein“, sie schüttelt den Kopf. „Mir ist Bozo egal.“
„Und wenn du mit ihm zusammen sein könntest?“
Sie rümpft die Nase.
„Nicht mit ihm, aber wenn du mit jemandem zusammen wärst, der so ist wie er, so viel Macht und Reichtum-“
„Ich glaube“, sagt sie. „Dann würde ich dem nächsten Messer, das auf mich zufliegt, nicht ausweichen wollen.“

Als ich nach Hause gehe, machen die Buden gerade zu, die Luftballons verschwinden von den Straßen, und etwas weiter, als ich mich durch die Wohnwagen schlängele, höre ich die Geschichten, die Iskabar den Menschen einimpft. „Ohne Bozo wären wir nichts, nur durch Bozo existieren wir“, flüstern sie einander zu. Sie erzählen, wie der junge Bozo einst, bevor er noch der große wurde, durch eine Welt voller Leid zog, das Unrecht bekämpfte und mannigfaltige Abenteuer erlebte, bis er schließlich den großen Mumpatz bezwang, einen furchtbaren Tyrannen, und die Menschen aus seiner Knechtschaft befreite.
Als ich die Tür zum Wohnwagen öffne, sitzt Bozo vor dem Abschminkspiegel, aus Clownsaugen starrt mich sein Spiegelbild an, die Tränensäcke sind riesig, ohne seine Perücke hat er ein kahles Haupt, seine Hände zittern, als er die rote Nase abnimmt. Bozo hustet etwas Blut auf den Spiegel. „Attaché“, sagt er. „Ist es heute endlich soweit?“
„Sie bringen nicht den Mut auf“, sage ich. „Weder die einen, noch die anderen.“
„Ich hab dir immer gesagt, du wirst es tun. Eines Tages wirst du es tun müssen, Attaché. So wie ich es einst tat. Du wirst die Worte sagen und du wirst es tun.“
„Noch eine Weile“, sage ich und streiche mir ein einzelnes rotes Haar von der Schulter. „Nur noch eine kleine Weile.“

 
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Hey Quinn

Die Sehnsucht des Herrschers, der darauf wartet, endlich abtreten zu können und weil der das nicht kann, weil er nicht freiwillig vom Thron klettern kann, wünscht er sich jemanden, der ihn stürzt, einen Brutus oder sonstwen, um das Possenspiel zu beenden. Ich habs jetzt nur einmal gelesen, aber hübsch finde ich rückblickend den Clown, der Bozos moves nachahmt, so ein kleiner Wadenbeißer, der imitiert und lernt und irgendwann der Leitwolf sein möchte. Am besten einen Satz, Moment, ja, von Jasmin, also das Ganze hier:

„Nicht mit ihm, aber wenn du mit jemandem zusammen wärst, der so ist wie er, so viel Macht und Reichtum-“
„Ich glaube“, sagt sie. „Dann würde ich dem nächsten Messer, das auf mich zufliegt, nicht ausweichen wollen.“
Das finde ich schön gedacht und gesagt.

Hier ist ein Erzähler, der bestimmt kein Abscheu, oder wie du das unter Schutt Asche usw gesagt hast, hervorruft. Der ist ganz brav und versteckt sich und weiß nichts Eigenes zu sagen, aber Augen hat er und Ohren und einen Mund, um zu erzählen, was er mitgekriegt hat. Die Geschichte ist okay, das Ende gut.

Grüße
Kubus

 

Hallo Quinn

Genüsslich las ich dieses Intrigenspiel, das der Antike oder dem Mittelalter entlehnt sein könnte, sich im Umfeld eines Jahrmarktes der Eitelkeiten darbietet. Zunehmend wartete ich auf ein schreckliches Ereignis, doch der Schluss entpuppt sich als Selbstinszenierung des Tyrannen. Seinen letzten Akt vorbereitend, in der Maske von Clownerie.

Als Stolpersteine waren mir einzig:

… dicht an der Hufte und man sieht, dass kein Blut geflossen ist.
Hüfte
rasch muss es gehen, der Clown will wieder im Rampenlicht steht,
stehen
Sie reihen sich in endlose Schlagen ein
Schlangen

Gern gelesen.

Gruss

Anakreon

 

Hallo Quinn,

das ist eine der besten Geschichten, die ich seit langem hier gelesen habe! Du zeigst einen brutalen, tierhaften Kampf ums Überleben in der skurrilen Zirkuswelt, wo der Große Bozo es offensichtlich zu Reichtum und Macht gebracht hat. Anders als die Tycoone im Showgeschäft wird sein Nachfolger ihn wirklich umbringen – und alle wissen es. Beim Lesen dieser Geschichte hatte ich ein Gefühl wie bei manchen Dokumentationen, die zeigen, wie erbarmungslos Löwen und Paviane mit ihren Leittieren umgehen, wenn diese reif zum Abdanken sind. Das Erdolchen und die Beschreibung der Konspiration könnten der römischen Kaiserzeit entnommen sein. Hut ab, da hast du die Stimmung gut rübergebracht! Solche Dinge liest man hier viel zu selten.

Dass Attaché (bitte mit accent aigu!) den Großen Bozo auf der Bühne nachahmt und es auch in der Realität tun wird, ergibt eine hübsche Symmetrie. Auch, wie die Loyalisten unruhig werden und wie die Rothaarige die Situation beschreibt war eine Freude zu lesen:

„Ich glaube“, sagt sie. „Dann würde ich dem nächsten Messer, das auf mich zufliegt, nicht ausweichen wollen.“

Weitere Highlights:
Bozo wankt auf das Rad zu, torkelt wie ein Schlachtschiff unter Beschuss, verlagert Gewicht vom linken auf den rechten Schlappen und macht, so sehr gespielt ist es wahrlich nicht, ein Bild des Elends.
Man kann nicht sehen, wo das Messer gelandet ist, noch immer dreht sich die Scheibe, ist die Manege vor ihr feucht? Ist da Blut geflossen? Ich kann es nicht sehen.
„Ich hab dir immer gesagt, du wirst es tun. Eines Tages wirst du es tun müssen, Attaché. So wie ich es einst tat. Du wirst die Worte sagen und du wirst es tun.“
„Noch eine Weile“, sage ich und streiche mir ein einzelnes rotes Haar von der Schulter. „Nur noch eine kleine Weile.“
Die Umstände zwingen die beiden Hauptakteure, Dinge zu tun, die sie eigentlich nicht wollen. Wenn Attaché Bozu tötet, löst er damit aus, dass sein Nachfolger ihn töten wird, so wie Bozo Mumpatz erledigt hat. Aber es ist eben an der Zeit, es zu tun. Wenn er es nicht täte, würde der Zirkus zerfallen oder Chaos ausbrechen? Der berechenbare Schrecken scheint besser als die Ungewissheit zu sein.

Könnte es sein, dass Jasmin der scharfen rothaarigen Sekretärin aus „Mad Men“ nachempfunden ist? ;-)

Potenziale für Verbesserungen sehe ich in der Sprache, deren Teile stellenweise nicht zusammenpassen und die (für meinen Geschmack) knapper und eleganter sein könnte. Du schreibst z. B.:

Der Zwerg verdrückt sich, Bozo lässt Fackel wie Feuerwasser fallen und zieht, das ist Magie, man mache da keinen Fehler, ein Messerset aus der Luft heraus, fünf Fleischermesser hat er da auf einmal wie einen Fächer ausgebreitet.
Das „verdrückt“ und der Einschub „man mache da keinen Fehler“ sind suboptimal. Ich würde schreiben: Der Zwerg verschwindet. Bozu lässt Fackel und Feuerwasser fallen und zieht – das ist Magie! - ein Messerset aus der Luft heraus. Fünf Fleischermesser hat er wie einen Fächer ausgebreitet.

Auch das Klischeebild, wie all die notgeilen jungen Männer im Publikum sitzen und ihre Begleiterinnen befingern, passt nicht zur Klasse der Geschichte.

Von diesen Winzigkeiten abgesehen, finde ich sie in vieler Hinsicht vorbildlich und werde mir die Freiheit nehmen, sie zu empfehlen.

Freundliche Grüße,

Berg

 

Grüß dich, Quinn!

Stellenweise hab ich mich gefragt, warum das nicht unter Satire steht. Denn dann würde ich dir sagen, dass es die beste Satire ist, die ich hier auf KG.de je gelesen habe. Diesen Ton hast du wundervoll getroffen.

Ich habe dann einen Bezug zur Welt gesucht, diese beiden Lager, die Treuen und die Rebellen, der Tyrann, der mit einem Knall aus der Manege und dem Leben verschwinden will, und der fürchten muss, einsam und kalt im Bett dahinzusiechen. Was für eine Schmach wäre das denn? Denn auch die Treuen, die "Loyalisten", wie du sie nennst, haben es auf ihn abgesehen, denke ich.

Und so muss es also der Attaché tun, und wie Bonzo sagt, wäre es damit genauso, wie damals, als er das tat. Und so gucken alle nur dumm aus der Wäsche und jammern, aber keiner tut etwas, nur er alleine, er, der unauffällige Attaché, der zwischen den Fronten steht, der einzige, den alle akzeptieren würden, ER wird am Ende den Tyrannen töten.

Dabei ist er kein Tyrann. Er ist derjenige, der den Zirkus leitet. Und ich bin sicher, ohne ihn würde er sich auflösen. Er hat nur das Pech, den Fluch, im Mittelpunkt zu stehen, und er wartet nur darauf, dass es endlich zu Ende geht.

So ist es, wenn man Anführer ist. Man wird dafür gehasst und muss Zwist und Anfeindungen aushalten von Leuten, die nicht den Mut dazu haben, es selber besser machen zu können.

Und der Attaché? Will es nicht tun, weil er dann fürchten muss, Jasmin zu verlieren. Er traut keiner der beiden Parteien und wird alles dafür tun, dass es Bozo noch lange gibt. Er ist derjenige, der alle Fäden in der Hand hält und spielt eigentlich nur mit allen um dafür zu sorgen, dass sich nichts ändert.

Spannende Figuren, spannende Geschichte.

Textmäßig gibts ein paar Kleinigkeiten:

Ein viel kleinerer Clown krabbelt auf seinem Rücken herum, klopft ihm gegen den Hinterkopf, lässt sich dann fallen, schlägt einen Purzelbaum zwischen Bozos Beinen und versteckt sich, als der große Bozo nach unten schaut, unter seinen mächtigen Bauch.

Würd ich streichen.

Bozo wirkt wütend. Schaut nach links, schaut nach rechts, funkelt wütend ins Publikum

Fette Frauen können endlich wieder Kind sein, und junge Männer tätscheln beruhigend Regionen ihrer Freundinnen, die in der Nähe dessen liegen, was sie eigentlich tätscheln wollen, jedes Mal(Komma) wenn ein weiterer höllischer Feuerball das Zelt erhellt.

Außerdem ist der Satz zu verdrillt.

Die jungen Männer hören nun auf(Komma) ihre Frauen zu tätscheln

Das wär hier gut ... sonst lese ich: Die jungen Männer hören nun auf ihre Frauen ...

und macht, so sehr gespielt ist es wahrlich nicht, ein Bild des Elends.

Bietet ein Bild? Machen ist so fad.

Ach, schau, der fette Clown(kein Komma) will doch lieber ein paar Schritte näher gehen mit seinen Messern aus Plastik oder Gummi oder was die da auch immer verwenden, wahrscheinlich sind die Augen nicht mehr so gut oder er hat die Zitterhand, da will er doch lieber der Scheibe etwas näher sein.

und wirft dann ohne Ansatz eines

reißt ihr Kleid an jener Stelle

Birx, der Chefjongleur(Komma) ist unter ihnen

Ich sage(Komma) wir nutzen den Moment der Schwäche

„Ach!“, Casper winkt zornig ab

Kein Komma.

„Warum fragt Ihr nicht eure Kristallkugel?“

Wenn beides Anreden sind, dann "Eure".

die Herrschaft des großen Bozo

Hmm ... und oben hast du:

nach dem Wohlbefinden des edlen und einzigen, großen Bozos

Und ich weiß jetzt nicht, ob man Bonzo beugen muss oder nicht. Ich würde sagen: Nein. Also "nach dem Wohlbefinden des Bonzo".

Wie: Nach der Lehre des Darwin. Aber: Nach Darwins Lehre.

Denkt ihr wirklich, ich nähme ohne seine Kenntnisteilnahme an solchen Treffen teil?

Kenntnis würd reichen.

„Seid versichert: Alles(Komma) was ich weiß, ist dem großen Bozo wohlbekannt. Auch gewisse Versuche, sich meine Gunst zu erschleichen oder mich zu erpressen.“

„Ihr entschuldigt mich, man erwartet mich bereits. Mein Bruder“, ich nicke Iskabar zu, „Hadur“ und auch dem feigen Fleischberg nicke ich zu.

Hmhmhgrmmmhm. Besser vielleicht:

"Ihr entschuldigt mich, man erwartet mich bereits. Mein Bruder. Hadur." Ich nicke Iskabar zu und dann dem feigen Fleischberg.

in denen Männner mit Gewehren

„Was haben die Loyalisten von dir gewollt?“

„Ahnen Sie was? Nun sag doch, ahnen Sie was?
„Also wissen Sie nichts?“, fragt er.

Nee, das ist hier keine Anrede. "sie"

Ich stehe vor ihr, am Fenster des Wohnwagens und frage

Kein Komma.

„Es gibt so viele, die über Bozo reden, meinst du es ist wichtig, was ich von ihm halte, oder was du von ihm denkst?

Bis bald!

yours

 

Hallo kubus,

Die Sehnsucht des Herrschers, der darauf wartet, endlich abtreten zu können und weil der das nicht kann, weil er nicht freiwillig vom Thron klettern kann, wünscht er sich jemanden, der ihn stürzt, einen Brutus oder sonstwen, um das Possenspiel zu beenden. Ich habs jetzt nur einmal gelesen, aber hübsch finde ich rückblickend den Clown, der Bozos moves nachahmt, so ein kleiner Wadenbeißer, der imitiert und lernt und irgendwann der Leitwolf sein möchte.
Ja, das ist sicher ein Aspekt des Textes, wenn ich auch auf den Herrscher selbst nicht diesen Fokus legen wollte, sondern mehr auf das Drumherum. Meine Lieblingsfigur ist z.B. Casper.

Die Geschichte ist okay, das Ende gut.
Das ist ja die Höchststrafe, also so lauwarme Reaktionen befürchtet man beim Schreiben natürlich am ehesten. :)

Danke dir für den Kommentar.
Quinn

Hallo Anakreon,

Genüsslich las ich dieses Intrigenspiel, das der Antike oder dem Mittelalter entlehnt sein könnte, sich im Umfeld eines Jahrmarktes der Eitelkeiten darbietet.
Der Mensch und seine Verhaltensmuster haben sich ja auch seit der Zeit nicht sonderlich geändert, zwar gibt es Theorien und Wissenschaften, die das menschliche miteinander nun besser beschreiben, aber die Natur des Menschen wird man nicht so schnell ändern können. Der Vorteil in der Antike oder im Mittelalter war, glaube ich, die Überschaubarkeit der Verhältnisse. Die Unmittelbarkeit ich hab da einen Satz im Ohr „Der Fall Antigone würde heutzutage von Kreons Sekretärin behandelt werden“ – der ist von Dürrenmatt, glaube ich. Es ist ja ein Vorteil, dass man sich als Autor Szenarien aussuchen kann und vom Leser dennoch verstanden wird.

Schön ,wenn dir die Geschichte Genuß bereiten konnte
Quinn

Hallo Birx, äh Berg

das ist eine der besten Geschichten, die ich seit langem hier gelesen habe!
Das ist schön.

Beim Lesen dieser Geschichte hatte ich ein Gefühl wie bei manchen Dokumentationen, die zeigen, wie erbarmungslos Löwen und Paviane mit ihren Leittieren umgehen, wenn diese reif zum Abdanken sind.
Ja, tatsächlich, das ist eine gute Parallele.

Das Erdolchen und die Beschreibung der Konspiration könnten der römischen Kaiserzeit entnommen sein
Das Eingangszitat möchte man tatsächliche häufige gerne Brutus unterschieben, als der Cäsar erdolcht hat. Weil das mit so einem Satz alles noch ein bisschen größer wäre, wahrscheinlich.

Dass Attaché (bitte mit accent aigu!)
Ja, das muss ich mal ändern, tu mir da schwer mit Sonderzeichen. Ist eigentlich auch ein unsinniger Name für den Beruf, aber er passt halt irgendwie intuitiv. So ein Mann in der zweiten Reihe, der einen klangvolleren Namen als Adjudant verdient, den könnte man auch Attaché nennen, ob es sinnvoll ist oder nicht.

Die Umstände zwingen die beiden Hauptakteure, Dinge zu tun, die sie eigentlich nicht wollen. Wenn Attaché Bozu tötet, löst er damit aus, dass sein Nachfolger ihn töten wird, so wie Bozo Mumpatz erledigt hat. Aber es ist eben an der Zeit, es zu tun. Wenn er es nicht täte, würde der Zirkus zerfallen oder Chaos ausbrechen? Der berechenbare Schrecken scheint besser als die Ungewissheit zu sein.
Es ist tatsächlich ein nicht zu lösendes Dilemma, es gibt ja drei mögliche Kandidaten, wie es sich so abzeichnet, für den Job. Casper, Iskabar und er selbst. Und, man kann ja erahnen, dass sowohl Casper als auch Iskabar nicht nur eine Verschlechterung wären, sondern dass es bei so einem Wechsel dann auch zu einem Blutbad kommen würde. Und der Attaché fürchtet, glaube ich, weniger, dass er in ferner Zukunft sterben müsste, sondern dass er hier im Jetzt Jasmin verliert. Deshalb schiebt er es, glaube ich, immer weiter hinaus, und kann im Umgang mit den beiden Parteien nur halbherzig provozieren, dass sie doch losschlagen sollten. Richtig wollen, wird er es nicht. Ich weiß nicht, wie sehr dieser Konflikt nahe gelegt wird, beim Schreiben war er mir sehr gegenwärtig. Ich fand’s dann gut, dieses Finden dem Leser zu überlassen, ich weiß nicht, wie viele danach überhaupt suchen.

Könnte es sein, dass Jasmin der scharfen rothaarigen Sekretärin aus „Mad Men“ nachempfunden ist? ;-)
Nein, mit der angeschnallt würde sich das Rad nicht drehen lassen, nichtmal vom stärksten Mann der Welt.

Auch das Klischeebild, wie all die notgeilen jungen Männer im Publikum sitzen und ihre Begleiterinnen befingern, passt nicht zur Klasse der Geschichte.
Ach, das ist doch nicht gleich notgeil. Das sind normale Verhaltensweise, wer fummelt nicht im Kino? Also sowas würde ich nicht so tragisch sehen. Natürlich nimmt es etwas den Ernst aus der Sache, aber mich stört das nicht. An der Figur des Casper wird das ja auch deutlich.

Empfehlung ist immer gut, da hab ich wenigstens eine Zielgruppe gut getroffen
Vielen Dank
Quinn

Hallo yours,

Stellenweise hab ich mich gefragt, warum das nicht unter Satire steht. Denn dann würde ich dir sagen, dass es die beste Satire ist, die ich hier auf KG.de je gelesen habe. Diesen Ton hast du wundervoll getroffen.
Ich hab ja einmal eine Satire geschrieben, die fanden alle doof, und da schreib ich halt keine mehr. Geh ich halt wieder nach Seltsam und Horror, da schätzt man mich!

Ich habe dann einen Bezug zur Welt gesucht, diese beiden Lager, die Treuen und die Rebellen, der Tyrann, der mit einem Knall aus der Manege und dem Leben verschwinden will, und der fürchten muss, einsam und kalt im Bett dahinzusiechen. Was für eine Schmach wäre das denn? Denn auch die Treuen, die "Loyalisten", wie du sie nennst, haben es auf ihn abgesehen, denke ich.
Ja, also natürlich. Iskabar hat da die Schwäche gewittert, das wird ja deutlich – hoffe ich -, dass auch ihm der Zustand des Clowns nicht entgangen ist. Und zu dem Tyrann … wenn man sich mal die Bilder anschaut von Honecker am Ende oder Fidel Castro oder Jelzin, von mir aus, oder hier, Last King of Scotland, Idi Amin – diese Tyrannen sind ja am Ende ihrer Karriere, ihres weges, keine strahlenden Leitfiguren mehr, sondern Relikte, Greise, auch gar nicht mehr vollständig im Hier und Jetzt. Sogar über Kohl, der beileibe kein Tyrann war, könnte man das sagen, dass er am Ende eher darum besorgt war, wie sein Bild in den Geschichtsbüchern wirken würde, als um das Hier und Jetzt. Die Macht nutzt die Menschen stark ab, glaube ich. Joschka Fischer vorm Außenminister und danach – das sind Welten.

Und so gucken alle nur dumm aus der Wäsche und jammern, aber keiner tut etwas, nur er alleine, er, der unauffällige Attaché, der zwischen den Fronten steht, der einzige, den alle akzeptieren würden, ER wird am Ende den Tyrannen töten.
Ich weiß nicht, ob ihn alle akzeptieren würden, er steht als Kandidat, glaube ich, nicht auf der Rechnung. Casper wird Casper als neuen Bozo sehen und Iskabar sich selbst.

Dabei ist er kein Tyrann. Er ist derjenige, der den Zirkus leitet. Und ich bin sicher, ohne ihn würde er sich auflösen. Er hat nur das Pech, den Fluch, im Mittelpunkt zu stehen, und er wartet nur darauf, dass es endlich zu Ende geht.
Ja, es gibt da die kleine Volte, die man wahrscheinlich erst sieht, wenn man genauer hinguckt, dass Bozo nicht so nett ist. Denn er wirft ja auf Jasmin am Anfang, und er macht da schon deutlich. Wenn du noch länger wartest, nehm ich dir die Entscheidung ab … also, es ist da schon ein leiser Text. Ich freu mich über sowas diebisch, habe aber die Befürchtung, dass es nicht viele sehen werden.

So ist es, wenn man Anführer ist. Man wird dafür gehasst und muss Zwist und Anfeindungen aushalten von Leuten, die nicht den Mut dazu haben, es selber besser machen zu können.
Ja, das ist eine sehr bozofreundliche Sichtweise. Du bist eindeutig Pro-Bozo.

Und der Attaché? Will es nicht tun, weil er dann fürchten muss, Jasmin zu verlieren. Er traut keiner der beiden Parteien und wird alles dafür tun, dass es Bozo noch lange gibt. Er ist derjenige, der alle Fäden in der Hand hält und spielt eigentlich nur mit allen um dafür zu sorgen, dass sich nichts ändert.
Ja, was soll er denn machen? Also die einzige Option wäre die Flucht, aber dann würde er natürlich alle ihrem Schicksal überlassen und ob Jasmin weg will, ist nicht so sicher.

Vielen Dank für den Kommentar und auch die Kleinarbeit
Quinn

 
Zuletzt bearbeitet:

Ach kacke, jetzt ist mein ganzer Kommentar weg. :( Also nochmal: Hello Quinn!

Das ist eine tolle Geschichte, echt! Über diese Art von Stil könnte ich mich ewig auslassen: Der ist so voll, dass man sich richtig satt fühlt, auch wenn man ganz wenig gegessen hat. Ein bisschen schwülstig, dunkel und natürlich voller sexueller Energie. Find auch nicht, dass das da nicht reinpasst. Ein Zirkus ist auch einfach ein gutes literarisches Setting, da kann man den Leuten coole Namen geben, Wörter wie "Lindwurm" verwenden, die kindheits-gruselige Assoziationen wecken und so schön mit den Grenzen zwischen Realität und Fiktion spielen. Diese Art von Atmosphäre mag ich.
Das Ende kam für mich überraschend, ich hatte erst sowas in der Richtung Mario und der Zauberer im Kopf. Ich dachte, es gibt so eine Steigerung der Grausamkeit, erst die Verletzung von Jasmin, dann Hasen schießen, ich dachte am Ende gibts was mörderisches. A propos, die Stelle mit dem Hasen schießen ist auch toll, weil es so beiläufig-natürlich klingt und so schön symbolhaft für diese ganze Zirkusrealität ist.

Rotbackige Bälger klatschen Beifall, während sie an rosa Zuckerwatte nagen.
Lass dir bloß nicht von irgendwem einreden, man könne nicht an Zuckerwatte nagen. An der Stelle darfst du nichts ändern, die ist toll! Auch dieser Dreiklang am Anfang.
„Hört, hört“, flüstern die vier Hochseilakrobatinnen mit zirpenden Stimmen, als sie ihren Blick für einen Moment von Caspers mächtiger Zigarre lösen können.
lol
Und plötzlich ruhen alle Augen auf einer kleinen Figur ganz hinten im Kreis, dicht neben dem Affenkäfig, in dem ein alter, bösartiger Pavian haust. Auf mir.
Ja ich wollte grad was zum Erzähler sagen. Den find ich eigentlich gekonnt vorgestellt! Im Sinne von: Man weiß am Anfang gar nicht, wer er ist, und es entsteht diese Außenperspektive, man ist der Zuschauer, man sitzt nicht irgendwooo im Zirkuszelt, sondern im Publikum. Und erwartet auch nichts anderes, als immer Zuschauer zu bleiben, auch wenn der Erzähler die ganze Zeit so wissend erzählt. Und da wird man dann buchstäblich in die Geschichte gesogen. Allerdings hab ich mit dieser spezifischen Stelle ein Problem, von der ganzen Konstellation her klingts als hause der Pavian auf seinem Kopf. Ich weiß, das ist albern, aber ich find das klingt komisch. :)
Ihm fehlen ein paar Zähne und die, die er noch hat, strahlen in gesundem Safranton.
Haha, ja von dem Typen krieg ich nicht so richtig ein Bild. Einerseits stell ich ihn mir bisschen wie Isnogud vor, von der ganzen Art her, aber diese Stelle. Also, du weißt schon wer außerdem nicht viele Zähne hat, die aber von gesundem Safranrot sind?
„Und sein Gehör?“
„Bitte?“
„Seine Ohren, sein Lauschorgan, sein“, Iskabar hält sich einen Finger ans Ohr und fährt die Windungen der Muschel entlang, „jenes dort.“
Total gute Stelle! Auch das "wenn ihm zu Ohren käme" danach!

Das Eingangszitat ist auch richtig cool. Also vielmehr die Referenz als das Zitat an sich. Mann ey, ich lob mich richtig tot hier. Hab das Gefühl ich verwende immer dieselben Wörter, ist viel unzufriedenstellender eine unkritische Kritik zu schreiben. Zum Glück hat Berg die Geschichte empfohlen, ich bin so schlecht im Empfehlungstexte schreiben. Aber irgendwer anders hätte das eh getan, denk ich. Also, genug geschleimt.

Tschus,
strrudel

 

Hallo Großer Bozo!

Der große Bozo beherrscht die Manege.
Wenn du Großer Bozo als Namen bzw. als "Titel" hast, musst du das auch so durchgehend schreiben, wie im Titel schon gemacht.
Männer tätscheln beruhigend Regionen ihrer Freundinnen, die in der Nähe dessen liegen, was sie eigentlich tätscheln wollen, jedes Mal, wenn ein weiterer höllischer Feuerball das Zelt erhellt.
Ich gehe nicht mehr auf so doofe Details ein, aber nur das hier: die jungen Männer tätscheln erst dann ihre Freundinnen, wenn das Zelt erhellt wird? Was sind das für blöde, junge Männer?
Für uns andere ist es doch eine rechte Routine. Solange Bozo nur nach oben spuckt, kann niemandem etwas passieren.
Beim ersten Lesen mochte ich die Erzählperspektive/den Erzähler überhaupt nicht. Jetzt denke ich mir, dass es doch passt, vor allem, hast du den Übergang ganz clever gemacht, geschmeidig hinbekommen.
Der Zwerg verdrückt sich, Bozo lässt Fackel wie Feuerwasser fallen und zieht, das ist Magie, man mache da keinen Fehler, ein Messerset aus der Luft heraus
finds auch störend, musst es mit den Zeichen anders machen, kein Ausrufezeichen, aber vielleicht tun die Bindestriche ihren Dienst.
Denn auch wenn er ein Loyalist ist, bei einem Clown kann sich niemand sicher wähnen.
Für eine Allegorie find ich den Begriff Loyalist doch zu, hmm, wie soll ichs sagen: platt?


Positives: Die Geschichte kann man öfters lesen, ohne sich zu langweilen, es gibt viele kleine Details, an denen man sich ergötzen kann, gerade weil man sie entdeckt hat und sich dabei ganz toll vorkommt.
Ich finde es auch schön, dass man mal so etwas schreibt, also eine Allegorie. Dann denke ich mir, so etwas, gerade bei so Tyrannen-Kritik hat man Allegorien verwendet, um der Zensur zu entgehen und heute schreiben wir Allegorien, um wem oder was zu entgehen? Du kannst es doch frei heraus schreiben, was dich quält, was du am System scheiße findest und soweiter ... aber so wie ich dich kenne, ist das für dich dann keine Literatur bzw. Meinungsmache?
Gut, wir brauchen hier die Allegorie, um aus dieser Geschichte Literatur zu machen, und um empfohlen zu werden. ;P
Nein, es ist eine gute GEschichte, die wirklich Spaß macht, jedoch mit dem Hintergrundwissen, dass es sowas mal gab und dass es mal eine Funktion hatte, so zu schreiben und nicht anders.

Insgesamt gefällt sie mir. Auch schön, wie du die Fäden am Ende zusammenführst und alles erst recht Sinn ergibt. Gut gemacht, Großer Bozo. Die Figuren sind auch schön gezeichnet, haben paar Leute vor dir schon so vorgezeichnet, aber sie auch mal hinzubekommen, ist für den Hobbyautor doch eine große Leistung, finde ich.

Gruß und Kuss,
deine Penelope :P

 

Moin Quinn

Ich finde du bist ein bisschen verwöhnt. Ein gutes Ende ist doch furchtbar schwer zu schreiben und was richtig Gutes. Ich bin gar nicht ganz sicher, was mir hier fehlt, das ist ja sauber bis stark geschrieben, und was die Figuren sagen, ist lebendig gesagt.
Vielleicht dass die Figuren trotz ihrer Eigenheiten so wenig seltsam sind, trotz des Zirkus, das ist so ein normaler Zirkus, klassische Figuren: der stärkste Mann, der Wahrsager, der Löwenbändiger ...
Das Seltsame an der Geschichte könnte in meinen Augen vor allem die Möglichkeit sein, die Situation auf sonstige Hierarchien zu übertragen, seltsam, einen Zirkus mit dem großen Hühnerhof zu vergleichen.
Und vielleicht hat sie deswegen nicht so bei mir eingeschlagen wie bei den anderen Begeisterten. Denn das finde ich sehr naheliegend, das bestätigt eher, als dass es überraschend ist.

Aber das Ende, schön, die Wandlung des einstigen Helden zum ungeliebten Herrscher, wobei er ja auch nur als Tyrann behauptet wird, so richtig tyrannisch verhält er sich nicht. Die Wut ist dann vllt auch nur die des Fußvolks gegen den an der Spitze, das Ziel wechselt. Denken auch nur alle sollen besser leben und dass das nicht funktioniert, dafür machen sie halt den Anführer verantwortlich. Alle warten, dass die Alten sterben und vererben oder der Typ, der im Job die nächste Stufe blockiert, dass der große Sportkonkurrent einen Unfall hat, damit man endlich selbst einmal an der Reihe ist.

Beim zweiten Lesen gefiel Jasmin mir noch besser. Ihre entschiedenen, knappen Sätze. Casper ist schon ein starker Typ, den umweht der Nimbus des Machers. Zigarre rauchen, Löwen bändigen und ständiges Agitieren. Kann aber auch sein, dass er vor allem ein Gefahrensucher ist. Führungsqualitäten finde ich bei ihm weniger.

Kubus

 

Hallo Strudel,

Ein bisschen schwülstig, dunkel und natürlich voller sexueller Energie. Find auch nicht, dass das da nicht reinpasst.
Ich schreib sowas auch gerne, ja. So ein pralles Setting ist dankbarer als eine Alltagswelt mit kleinen Zimmern und Innenstadtstraßen.

Ein Zirkus ist auch einfach ein gutes literarisches Setting, da kann man den Leuten coole Namen geben,
Ja, ist toll jemanden den großen Bozo zu nennen, ohne dass es irgendwem seltsam vorkäme. :)

A propos, die Stelle mit dem Hasen schießen ist auch toll, weil es so beiläufig-natürlich klingt und so schön symbolhaft für diese ganze Zirkusrealität ist.
Ach so, ich hatte da an meine Kirmeskindheitserfahrungen gedacht, da konnte man auf kleine Blechhasen schießen, die an so einem Rollding vorbeifahren. Aber wenn du da echte Hasen siehst, die abgeknallt werden, hat es natürlich auch was richtig gutes.

Im Sinne von: Man weiß am Anfang gar nicht, wer er ist, und es entsteht diese Außenperspektive, man ist der Zuschauer, man sitzt nicht irgendwooo im Zirkuszelt, sondern im Publikum.
Stimmt, tatsächlich, das ist ein guter Punkt, mir ist noch aufgefallen, dass die Szenen von Anfang zum Ende hin auch immer intimer werden, die große Bühne, die geheime Versammlung, das Zweiergespräch, das Einzelgespräch in der Öffentlichkeit, die nackte Jasmin und Bozo ungeschminkt.

Haha, ja von dem Typen krieg ich nicht so richtig ein Bild. Einerseits stell ich ihn mir bisschen wie Isnogud vor, von der ganzen Art her, aber diese Stelle. Also, du weißt schon wer außerdem nicht viele Zähne hat, die aber von gesundem Safranrot sind?
Nee, Safran ist doch gelb. Weckt das „ton“ so starke Assoziationen zu „rot“? Und klar, der will Kalif anstelle des Kalifen werden. Das ist der, ja. ;)

Vielen Dank für deine Kritik, schön, dass es dir gefallen hat, dass mit dem Erzähler ist mir durch den Kommentar klar geworden eigentlich, ich wollte da vor allem mit dem „iwr“ arbeiten, aber der tritt ja tatsächlich körperlich erst Ende der zweiten Szene auf.

Gruß
Quinn

Hallo Jo,

[quot]die jungen Männer tätscheln erst dann ihre Freundinnen, wenn das Zelt erhellt wird? Was sind das für blöde, junge Männer? [/quote]
Weil sich die Frauen beim Feuerball jedes Mal erschrecken, es reicht als Anlass zum Fummeln doch nicht, dass es dunkel ist, die Frau muss sich erschrecken. Wie willst du denn jemals bei einer im Kino landen, wenn du diese einfachen Grundregeln nicht kennst? 

Für eine Allegorie find ich den Begriff Loyalist doch zu, hmm, wie soll ichs sagen: platt?
Hö?

Dann denke ich mir, so etwas, gerade bei so Tyrannen-Kritik hat man Allegorien verwendet, um der Zensur zu entgehen und heute schreiben wir Allegorien, um wem oder was zu entgehen? Du kannst es doch frei heraus schreiben, was dich quält, was du am System scheiße findest und soweiter ... aber so wie ich dich kenne, ist das für dich dann keine Literatur bzw. Meinungsmache?
Es gibt noch mehr Gründe für eine Verfremdung als Zensur zu entgehen. Außerdem geht es ja nicht unbedingt um den politischen Tyrannen, der ein Volk unterjocht, sondern es kann von mir aus auch um die Hierachie in einer Firma gehen, in einem Verein, was weiß ich.

Gut, wir brauchen hier die Allegorie, um aus dieser Geschichte Literatur zu machen, und um empfohlen zu werden. ;P
Nein, wenn man die Geschichte ohne Verfremdung erzählen wollte in einer Bananenrepublik zum Beispiel, dann müsste man das gründlich recherchieren. Dann müsste man viel mehr Zeit aufwenden, auch auf die Zeichnung der Figuren, das wäre ein riesen Aufwand, und selbst dann würden die Leute, völlig zu Recht sagen: So einfach stellst du dir das vor? So simpel ist für dich die Politik? Was sind das denn für Figuren? Das sind ja nur Klischees.
Ein Revolutionsführer in einem realistischen Setting müsste mehrdimensional angelegt sein, Casper kann eine Karikatur bleiben innerhalb dieses Zirkus-Settings, eine zugespitzte Parodie.
Also es geht nicht darum, dass eine authentische Kritik an Diktaturen oder Tyranneien keine Literatur wäre, aber das wäre ungleich aufwändiger und mit ganz anderen Mechanismen verbunden. Das sind zwei paar Schuhe.
So eine Verfremdung wie hier hat auch Vorteile in der Rezeption. Natürlich ist das allerdings eine, das ist auch die Gefahr, eine starke Simplifizierung. Hierachien und Machtverhältnisse und die Leute, die davon beeinflusst werden oder in ihnen existieren, sind ein komplexes und spannendes Thema, mit dem man sich immer wieder und in verschiedenen Arten auseinandersetzen kann, das wird – das sehe ich wie Berg – auch zu selten thematisiert.

Die Figuren sind auch schön gezeichnet, haben paar Leute vor dir schon so vorgezeichnet, aber sie auch mal hinzubekommen, ist für den Hobbyautor doch eine große Leistung, finde ich.
Es haben alle Leute schon alles vorgezeichnet, was ist das für ein doofer Satz, Jo? Mal ernsthaft, da könnte man ja gar nichts mehr schreiben. ;)

Danke dir für deine Kritik, schön, dass dir die Geschichte gefallen hat, du weißt: Die nächste Geschichte hat allein dich als Zielgruppe!
Quinn

Hallo Kubus,

Ich finde du bist ein bisschen verwöhnt.
Nein, das war ja der erste Kommentar und das ist für mich wirklich so die schlimmste Reaktion dann, das ist so ein Schulterzucken, das will doch kein Autor, oder? Halt so: Nojo, 3-, 3. Die euphorischen Kommentaren sind halt gut fürs Ego und die negativen können einen, nachdem man 2 Tage lang sauer drüber war, später weiterbringen.

Vielleicht dass die Figuren trotz ihrer Eigenheiten so wenig seltsam sind, trotz des Zirkus, das ist so ein normaler Zirkus, klassische Figuren: der stärkste Mann, der Wahrsager, der Löwenbändiger ...
Ja, das stimmt, diese Archetypen haben natürlich den Vorteil, dass man sie nicht vorstellen muss. Das ist dasselbe Prinzip wie bei den Tieren in Fabeln, da weiß jeder, dass der Hase hippelig, die Schildkröte langsam und der Löwe mutig ist, das muss nicht extra gesagt werden. Hier ist der Wahrsager intrigant, der starke Mann tumb und der Löwenbändiger ein Poser.

Danke, dass du den Kommentar noch mal präzisiert hast, es war auch nicht böse gemeint, ich konnte nur mit dem ersten nicht viel anfangen, jetzt hab ich verstanden, was du von der Geschichte hältst, glaube ich

Gruß
Quinn

 

Weil sich die Frauen beim Feuerball jedes Mal erschrecken, es reicht als Anlass zum Fummeln doch nicht, dass es dunkel ist, die Frau muss sich erschrecken. Wie willst du denn jemals bei einer im Kino landen, wenn du diese einfachen Grundregeln nicht kennst?
Deshalb die Horrorfilme ... aha, aber dann ist doch nur eine Umarmung oder so drin. Nee, ne, ich sag, Dunkelheit reicht schon. Ist ja auch egal, du hast Mist gebaut, und ich hab Recht.

Für eine Allegorie find ich den Begriff Loyalist doch zu, hmm, wie soll ichs sagen: platt?

Loyalist(Assoziation=> Royalist) Anhänger von Monarch xy.
So einfach stellst du dir das vor? So simpel ist für dich die Politik? Was sind das denn für Figuren? Das sind ja nur Klischees.
Klar ist das so. Da musst du dir bestimmte Eigenschaften raus suchen, die du kritisieren möchtest und ja, das sind dann einfache Figuren. Komplexe Figuren in Satiren? Hätte hier gerne ein Beispiel. :P
Es haben alle Leute schon alles vorgezeichnet, was ist das für ein doofer Satz, Jo? Mal ernsthaft, da könnte man ja gar nichts mehr schreiben.
Wieso doof, das sagst du doch selbst. Es sind Archetypen, da musst du eben nicht viel charakterisieren, weil die Leser ihnen schon mal so oder ähnlich begegnet sind. Es war Lob und Kritik in einem SAtz. :P Zwar gut gemacht, aber eben nicht nur deine Arbeit.
Die nächste Geschichte hat allein dich als Zielgruppe!
Dann hätte ich gerne eine bizarre R/E-Geschichte mit mir als kleinen, fiesen Clown.

So, alles richtig gestellt. Jetzt kann ich ohne schlechtes Gewissen weiterleben.

 

Leider kann ich mich dem Lob der anderen nicht anschließen, denn für mich ist die Tyrannei Bozos nur eine behauptete, nicht gezeigte. Er beherrscht die Manege, ja, und als Messerwerfer vielleicht auch das Publikum, aber inwiefern beherrscht er alle anderen Akteure im Zirkus? Die Eingangsszene, das Taumeln Bozos in der Manege als Parabel zu den taumelnden echten Tyrannen am Ende ihrer Karrieren, das ist zwar hübsch gemacht und verfehlt auch die Wirkung nicht, aber sonst? Was ist der Grund für die Verschwörung, und wieso würde Zirkus zusammenbrechen, wenn es Bozo, wie einer der Kommentatoren behauptete, nicht gäbe? Ich kann das nicht sehen. Und selbst wenn Bozo tatsächlich, wie behauptet, der Herrscher wäre, worin besteht seine Bosheit bzw. Tyrannei? Dazu wird nur lapidar gesagt: „Der nächste kann noch schlimmer sein.“

Gut, wenn man nur die Verschwörung an sich bzw. das Verhalten der Verschwörer untereinander schildern wollte, dann könnte man sich damit zufrieden geben. Zu zeigen, wie Menschen in solchen Fällen agieren – die einen ängstlich, die anderen forsch, und alle zusammen unentschlossen -, ist immer ein Hingucker, aber ist das genug für eine Geschichte, die laut Autor Parallelen zu Honecker, Fidel Castro, Jelzin oder gar Idi Amin haben soll.

Die Geschichte ist schon gut geschrieben, Quinn, aber das ist auf jeden Fall zu hoch gegriffen - sie leistet das einfach nicht.

 

Hallo Dion,

Leider kann ich mich dem Lob der anderen nicht anschließen, denn für mich ist die Tyrannei Bozos nur eine behauptete, nicht gezeigte. Er beherrscht die Manege, ja, und als Messerwerfer vielleicht auch das Publikum, aber inwiefern beherrscht er alle anderen Akteure im Zirkus?
Man hätte das ausführen können, ich hab mich dagegen entschieden. Die beiden direkten Untergegeben stehen ja auch für typische Figuren in einem Regime (Iskabar und Hadur), Casper reagiert mit Angst auf die Bedrohung ... man hätte da was einführen können, Machtspiele, mit denen sich Bozo oben hält, das Volk dem es nicht gut geht, klar, aber das wäre dann eine andere Geschichte gewesen. Es gibt Andeutungen, es gibt Mechanismen, aber es gbt keine Szene, die diese Tyrannei als grausam darstellen würde - das hat mich für weder in die Struktur der Geschichte, noch in die Stimmung gepasst. Die Geschichte hätte dadurch für mich nichts gewonnen.

Gut, wenn man nur die Verschwörung an sich bzw. das Verhalten der Verschwörer untereinander schildern wollte, dann könnte man sich damit zufrieden geben. Zu zeigen, wie Menschen in solchen Fällen agieren – die einen ängstlich, die anderen forsch, und alle zusammen unentschlossen -, ist immer ein Hingucker, aber ist das genug für eine Geschichte, die laut Autor Parallelen zu Honecker, Fidel Castro, Jelzin oder gar Idi Amin haben soll.

Die Geschichte ist schon gut geschrieben, Quinn, aber das ist auf jeden Fall zu hoch gegriffen - sie leistet das einfach nicht.

So wie ich es verstehe, gefällt dir die Geschichte nicht, weil du aus einem Kommentar zu wissen glaubst, was ich mit ihr aussagen wollte? Da zeigen sich die unterschiedlichen Sichtweisen, die wir beide haben. Du hast da eher eine missionarische Sicht auf Literatur auch, eine instrumentalisierte. Welchen Zweck erfüllt eine Geschichte, was ist ihre Botschaft, erreicht der Autor sie. Ich teile diese Sicht nicht. Literatur findet zwischen dem Leser und dem Text statt, nicht zwischen dem Text, dem Leser und dem Autor.
Und was ich da gesagt habe über Tyrannen, du nennst da die vier Beispiele für Despoten, hörst aber - wohlweislich - auf zu zitieren, als es weitergeht mit Kohl und Joschka Fischer.
Es gibt einen guten Grund, warum Literatur auch nicht so funktioniert. Sonst würde bei jedem literarischen Text im Vorwort stehen: Mit diesem Text möchte ich zeigen, dass ... Oder: Hiermit mache ich meine Meinung zu ... deutlich.

Ich wollte mit der Geschichte - das spielt für mich aber auch keine Rolle, was ich wollte - auf jeden Fall nicht zeigen: So schlimm geht es den Menschen in einer Tyrannei. Das ist eine unterschiedliche Stoßrichtung so eines Textes, ich kann verstehen, wenn einem aus anderen Gründen, genau das an dem Text fehlt, dass er zu kurz gefasst ist, und es mehr Szenen gebraucht hätte, um die Situation komplexer darzustellen, was die Geschichte dann zwar umfassender gemacht hätte, aber dadurch wäre sie auch verwässert worden. Also aus handwerklichen Gründen, nicht aber aus denen, die du anführst, dass der Text eine von dir angenommene Intention nicht erreicht.
Dein Kommentar its eigentlich das beste Argument dafür, dass der Autor, wie ich das ne Weile gemacht habe, 4 Wochen lang die Schnauze bei so einem Text halten, und erst später was dazu schreiben sollte.

Also ich kann die Kritik wirklich im Resultat akzeptieren, aber ich denke du kommst aus den falschen Gründen auf ein richtiges Ergebnis. :)

Danke für die Kritik
Quinn

 

Quinn schrieb:
Ja, es gibt da die kleine Volte, die man wahrscheinlich erst sieht, wenn man genauer hinguckt, dass Bozo nicht so nett ist. Denn er wirft ja auf Jasmin am Anfang, und er macht da schon deutlich. Wenn du noch länger wartest, nehm ich dir die Entscheidung ab … also, es ist da schon ein leiser Text. Ich freu mich über sowas diebisch, habe aber die Befürchtung, dass es nicht viele sehen werden.

Jupp, da hast du Recht. Ich war mir beim Lesen nicht sicher, ob er sie nun absichtlich traf oder nicht, habe mich dann aber dazu entschlossen, auf einen Zufall zu tippen - vor allem nachdem er am Ende ja wirklich krank zu sein scheint.

Allerdings, sollte er es absichtlich machen, und natürlich weiß der Attaché das, dann hat er einen Grund dafür, um nach der Messerszene wie die anderen zu sagen: Man muss etwas tun!

Ich verstehe dann nur nicht, warum er sie verletzen will. Um die Leute anzutreiben, ihn schneller zu beseitigen? Wäre zumindest denkbar.

Ja, das ist eine sehr bozofreundliche Sichtweise. Du bist eindeutig Pro-Bozo.

Hrhr. Nein. Ich kann nur Verständnis für eine Figur aufbringen, wenn ich Ähnliches kenne. Das heißt nicht, dass ichs toll finde, wie sie ist.

Eigentlich bin ich pro Attaché. Er hat immerhin das Mädchen.

Bis bald,
yours

 

Ich verstehe dann nur nicht, warum er sie verletzen will. Um die Leute anzutreiben, ihn schneller zu beseitigen? Wäre zumindest denkbar.
Um vor allem seinem Wunschnachfolger, dem Attaché klar zu machen: Beeil dich oder ich beseitige den Grund, warum du zögerst. :)

 

Gut, Quinn, du hast eine andere Geschichte schreiben wollen - und auch geschrieben! - als ich sie erwartete. Für meine Erwartungen kannst du nichts, insofern war meine Kritik an ihr nicht gerecht. Ich will im Folgenden versuchen zu erklären, wie es dazu gekommen ist: Bei beinahe jedem Text frage ich mich, warum er geschrieben wurde oder was er soll. Ist ein Text schön, aber kein Warum erkennbar, so kommentiere ich ihn meistens gar nicht, denn schöne Texte, die nur schön sind, finde ich zum kotzen. Es ist immer der Inhalt, der mich bewegt bzw. bewegen soll.

Bei dieser Geschichte hier war ich zuerst begeistert. Ich meine, diese Szene am Anfang, mit dem taumelden und messerwerfenden Clown, das ist schon sehr gut geschrieben. Auch als es zu dieser Zusammenkunft der Verschwörer kam, war die Spannung noch da, weil da ein Tyrannensturz besprochen wurde, was naturgemäß nicht alle Tage vorkommt. Aber mit zunehmender Dauer der Gespräche verpuffte all das, ich hatte das Gefühl, so wie an dem Abend ging es wahrscheinlich auch an dem Abenden zuvor vor sich, und auch an den Abenden, die noch folgen werden.

Im Grunde passierte nichts. Ein Sturm im Wasserglass, vielleicht nicht einmal das. Gut, ein paar Gedanken zum Erlangen und Verlieren der Macht. Ein König, der selber durch Königsmord an die Macht kam, weiß, dass nun auch seine Zeit gekommen ist. Ist es das, was du mit dieser Geschichte sagen wolltest?

Du siehst, ich suche immer noch das Warum. ;)

 
Zuletzt bearbeitet:

He Quinn,

es wurde ja schon eine Menge schwadroniert zu deinem Text.

Für mich war es eine Freude dein verworrenes Intrigenspiel beobachten zu dürfen. Das hatte schon so ein bisschen was voyeurhaftes, ein Hauch des Verbotenen, so hinter den Kulissen mitzulauschen, hinter das Lächeln, der langsam abblätternden Fassade zu blicken.
Erinnert mich ein bisschen an damals, als im Fernsehen zum ersten Mal die Zaubertricks verraten wurden. So auch die SAche mit den Messern und dem Drehrad. Das war Entzauberung der perfiden Art. So ein bisschen ähnlich erging es mir mit deiner Geschichte auch. Ich wollte mehr von dem Zauber, der die Manege beherrscht, aber du hast den Voyeur hinter den Vorhang gezogen, wo die gleichen ernüchternen Machtspiele ablaufen wie überall sonst auch.

Da sind viele schöne Anspielungen und Bilder drinnen, die ich jetzt im Einzelnengar nicht pflücken möchte. IN dieser Form ist das so wunderbar dicht und so soll es bleiben.
Nur kurz noch meine Stolpersteine:

wirft dann ohn Ansatz
ein e fehlt

„Ich gebe zu bedenken“, sagt Birx. „Dass wir nicht wissen,

nach Birx Komma und dann mit kleinem dass weiter

„Und wenn ihm zu Ohren käme, dass sein engster Vertrauter, sein Kammerdiener.“
„Attaché“, sage ich.
„Gewiss, mein Freund, gewiss.
sein Kammerdiener ..." würde ich auslaufen lassen, da er ja unterbrochen wird.Deswegen finde ich auch age ich eher schwach. Hier kannst du ruhig mal ein andres verb verwenden. Werfe ich ein oder so

„Was? Unsinn“, sag ich.
„Gut“, sagt er.
„Also wissen sie nichts?“, fragt er
.
hm, das find ich oll so. Weswegen nicht einfacher:
„Gut“, sagt er. „Also wissen sie nichts?“
Sehr gern gelesen
grüßlichst
weltenläufer

 
Zuletzt bearbeitet:

Guten Abend allerseits, ich wollt auch nochmal ne Menge schwadronieren, also mir fiel noch ein bisschen was ein, zB zum Warum, oder was will der Autor oder besser was kann die Geschichte sagen. Die lässt sich auch als Geschichte über die Kraft von Geschichten lesen.

Aber mit zunehmender Dauer der Gespräche verpuffte all das, ich hatte das Gefühl, so wie an dem Abend ging es wahrscheinlich auch an dem Abenden zuvor vor sich, und auch an den Abenden, die noch folgen werden.

Im Grunde passierte nichts.


Aber alle sind in Bewegung. Aus dem äußeren Anlass seiner Schwäche, aber von den Intrigen und Geschichten bewegt. Hier wird konspiriert, ständig geflüstert, in Gruppen oder unter vier Augen tauscht man sich aus, pusht sich usw

Wir wissen nicht, ob sich Bozo wirklich tyrannisch verhält, das wird nur allerorten behauptet, aber wir kriegen ein paar Brocken über seine Persönlichkeit hingeworfen: Dass er unbedingt ins Rampenlicht will und sich gleichzeitig wünscht, dass ihn jemand vom Sockel stürzt. Mich interessiert Macht weniger als Liebe oder Tod, ich denke da selten drüber nach, aber den stelle ich mir wie ein hohles Standbild vor. Die über ihn erzählten Geschichten, das Ränkespiel der zwei Lager, das ist er, mehr ist von dem alten Clown zur traurigen Gestalt fast nicht mehr übrig.

Zum Beispiel ist die Geschichte, die über den jungen Bozo erzählt wird, der den bösen Mumpatz bezwang, auch nur eine Geschichte, die mündlich weitergegeben wird, die sich irgendwelche Leute nachts erzählen, da wird automatisch verfälscht, übertrieben, da werden Pointen ausgeschmückt, also all das, was wir beim Schreiben machen, wird da, unter den vielen Ohren, die unterhalten werden wollen, und mit ein zwei Gläsern Wein im Blut, noch schneller und krasser gemacht.
Dann gibt es da so Sätze wie Alles ist Bozo. Alles um dich herum. Das lässt sich kaum anders verstehen, als dass der, der das sagt, die pro- oder contraBozo-Atmosphäre meint, die Geschichten über ihn, die erzählt und ausgeschmückt, die Intrigen, die um ihn herum gesponnen werden. Bozo ist allgegenwärtig in dieser Geschichte, obwohl er wenig tut oder sagt, durch die Geschichten und die Wörter anderer.

Für uns andere ist es doch eine rechte Routine.

Mensch, Quinn, das ist sowas von altbacken, das geht gar nicht.

Bozo lässt Fackel wie Feuerwasser fallen und zieht

da fehlt ein Artikel oder sowas. das klingt wie Quinn und Kubus gehen Ghetto.

das ist Magie, man mache da keinen Fehler

das hat mir richtig gut gefallen, aber Bergs Version noch besser. Super Satz für ein Ausrufungszeichen!

aber sie stehen im Raum wie ein rosa Elefant, der allerdings schon in der ersten Viertelstunde dran war

den rosa Elefant find ich klasse als Vergleich, aber die Relativierung danach, dieses allerdings, die nimmt dem Satz viel Kraft.

Jeder kann sie sehen, wenn ein froschgrünes Kleid sie auch bedecken mag.

warum nicht: obwohl sie von einem froschgrünen Kleid bedeckt sind? Weniger behäbig, prosaischer.

Die Leute meinen nun: „Ach, schau, der fette Clown will doch lieber ein paar Schritte näher gehen mit seinen Messern aus Plastik

Die sagen alle zur selben Zeit dasselbe?

bei einem Clown kann sich niemand sicher wähnen.

Das unsichere wähnen beißt das sicher. Warum nicht schlicht: Bei einem Clown kann man nie ganz sicher sein.

Abendgrüße
Kubus

 

Hey Quinn,

wegen Dir hab ich jetzt einen Ohrwurm. Diese typische Zirkusmusik da, dieses Rummelplatzdings - mach das mal wer weg!

Schöne Geschichte, die hat ordentlich Dynamik. Da plätschert nichts und so, da steuert alles auf das Ende zu, ein Ende, von dem niemand weiß, wie es zu erwirken ist und was danach kommen wird. Und vor allem, wo man selbst bei diesem "danach" bleibt.
Ich habe Bozo auch nicht als Tyrannen erfahren in der Geschichte. Behaupten tun es ja alle irgendwie und da werden Geschichten erzählt ... Ist für mich in dieser Geschichte aber auch gar nicht so spannend, ob oder ob nun nicht, weil darauf nicht die Spannung aufbaut. Ich finde das Ensemble viel spannender und wie sie alle versuchen, mit heiler Haut aus dem Ende Bozo rauszukommen.

Quinn schrieb:
Um vor allem seinem Wunschnachfolger, dem Attaché klar zu machen: Beeil dich oder ich beseitige den Grund, warum du zögerst.

Möglich, aber dann hilf Deinem Leser ein bisschen auf die Sprünge ja. Ich meine, da kannst nicht solche Sachen vorher schreiben:

Bozo wankt auf das Rad zu, torkelt wie ein Schlachtschiff unter Beschuss, verlagert Gewicht vom linken auf den rechten Schlappen und macht, so sehr gespielt ist es wahrlich nicht, ein Bild des Elends ... wahrscheinlich sind die Augen nicht mehr so gut oder er hat die Zitterhand ... wankt zurück, sekunden-, minutenlang wankt er da,
....
Und jetzt tatsächlich fließt etwas Blut auf den Manegenboden und uns allen, die wir Bescheid wissen, ist klar: Bald ist es soweit. Bald wird es geschehen. Bald muss etwas geschehen.

Also, da stellst Du diesen wankenden, schwankenden Bozo voran, ein Bild des Elends - und ich als Leser soll da eiskalte Berrechnung hinter dem Wurf vermuten?
Was ich eigentlich schade finde, denn wenn ich sie vermutet hätte, würdest Du mir nur einen kleinen Schubs geben, diesen Gedanken zu erlangen zu verfolgen, ich glaube, ich hätte ihn genossen.

Und plötzlich ruhen alle Augen auf einer kleinen Figur ganz hinten im Kreis, dicht neben dem Affenkäfig, in dem ein alter, bösartiger Pavian haust. Auf mir. Und ich habe rein gar nichts zu sagen.

Gefällt mir, wie Du Deinen Erzähler da vorstellst und einführst. "Und ich habe rein gar nichts zu sagen." ist ja mal ne Ansage. Und da stelle ich mir doch die Frage, wieso ausgerechnet er der Wunschnachfolger vom Tyrannen ist ;). Ausgerechnet er, der so gar keine Haltung annimmt und Stellung bezieht, außer auf Jasmin.

„Seid versichert: Alles, was ich weiß, ist dem großen Bozo wohlbekannt. Auch gewisse Versuche, sich meine Gunst zu erschleichen oder mich zu erpressen.“

Wie er sich auch hier nur hinter dem Rücken vom Bozo versteckt.

Bald ist es soweit. Bald wird es geschehen. Bald muss etwas geschehen.
...
„Noch eine Weile“, sage ich und streiche mir ein einzelnes rotes Haar von der Schulter. „Nur noch eine kleine Weile.“

Beide Sätze vom Attaché. Ich sag ja, der Typ hat sich entschieden, für ne Frau im Lindwurmkleid, kandierte Äpfel und Mandeln. Wie menschlich :).

Feine Geschichte und man kann sich so herrlich viele Gedanken dazu machen. Dieser ganze Zirkus um die Macht - doch, das hat was.

Sehr gern gelesen Fliege

 

Hallo Dion,

Im Grunde passierte nichts. Ein Sturm im Wasserglass, vielleicht nicht einmal das. Gut, ein paar Gedanken zum Erlangen und Verlieren der Macht. Ein König, der selber durch Königsmord an die Macht kam, weiß, dass nun auch seine Zeit gekommen ist. Ist es das, was du mit dieser Geschichte sagen wolltest?
Nein, die Geschichte könnte man lesen als „Um eine gesellschaftliche Veränderung herbeizuführen, sind persönliche Risiken oder gar Opfer von nöten.“ Und keine der Figuren ist bereit, die einzugehen.
Wir haben einen Herrscher (Bozo), der nicht aus eigener Kraft zurücktreten kann, weil das nicht vorgesehen ist oder weil er seine Nachfolge nicht geregelt sehen will. Wir haben eine zerstrittene Opposition mit 3 Rädelsführern, die sich nicht grün sind. Der eine mahnt, es auszusitzen (Birx), die andere denkt an Flucht (Penelope) und bei dem dritten hat man den Eindruck, er werde ein noch schlimmerer Tyrann als Bozo (Casper). Und Casper ist, denke ich, auch ein Typ, der nur in dieser Oppositionsrolle glänzt, der sich darin wohler fühlt – mit den Frauen – als in einer tatsächlichen Machtposition. Aber keiner der drei ist in irgendeiner Form bereit, sich die Hände schmutzig zu machen. Casper fordert zwar die große Revolution, weil er weiß, dass dem nicht zugestimmt werden wird, im Stillen hofft er allerdings, dass ihm der Attaché schon die Arbeit abnimmt. Und den einzigen echten Plan, den er hat, ist für seine Flucht.
Wir haben die Schergen des alten Regimes (Iskabar und Hadur), die sich schon für eine Nachfolge positionieren und auf Schwächen des Clowns warten.
Und wir haben den desiginierten Nachfolger, der nicht bereit ist, sein persönliches Glück gegen die Macht zu tauschen. Es hat ja einen Grund, warum ich gerade Attaché in den Mittelpunkt der Geschichte gestellt habe und keine der anderen Figuren.
Und wie sich das alles entfaltet, wie man hinter diese Verflechtungen kommt, dass halte ich schon für eine erzählenswerte Geschichte, eine Geschichte, die auch ohne den Umsturz erzählenswert ist.

Man kann das schon als Parabel auf vieles sehen, finde ich, weil die Figuren menschliche Verhaltensweise abbilden. Es ist keine Geschichte, die zeigen soll: So ist Tyrannei – das wollten vielleicht einige lesen. So schlimm ist eine Diktatur! Nein, darum ging es mir nicht.
Ich finde, das ist in der heutigen Zeit oder überhaupt in der Geschichte der Menschheit schon ein wichtiger Punkt, dieses „gesellschaftliche Veränderungen erfordern persönliche Opfer“, wir haben in der Politik heute in den westlichen Staaten einen Schwund an Führungspolitikern, an „Typen“, weil man ein Idiot sein muss, um eine Machtposition in der Politik anzustreben, die schlechter bezahlt ist als in der Wirtschaft, die einen Haufen Anfeindungen mit sich bringt und die sehr unsicher ist.
Der Satz „Sic semper tyrannis“ ist in der Geschichte seiner Verwendung häufig zu Unrecht benutzt worden, Cäsar wurde angeblich zu diesen Worten umgebracht und Abe Lincoln. Und hier, wo er vielleicht angebracht wäre, will ihn keiner sagen. Denn sowohl Brutus als auch John Wilkes Booth hatten nicht mehr lange zu leben, nachdem der Satz über ihre Lippen kam. Und wenn man, weil wir ja in Deutschland leben, da noch die Nazis mitreinbringen will. Stauffenberg hätte den Satz auch sagen können.
Robbespierre hätte den sagen können.
Es gibt eine lange Liste von politischen Märtyrern und Menschen, die für ihre Überzeugungen einstanden und bereit waren, sich die Hände schmutzig zu machen – die meisten von denen hatten ein kurzes Leben oder hatten andere Repressalien an den Hacken, die ihnen das Leben vermiest haben.

Der Text, und ich denke da ist das Missverständnis, ist allerdings keine politische Agitationsliteratur oder eine überdeutlich gezeichnete Parabel – ich weiß, das wollen einige gern lesen, aber dann sollen sie’s halt auch selber schreiben :) -, sondern es ging mir hier um ein Szenario und um das Abbilden von menschlichen Verhaltensmustern. Der Attaché ist nicht bereit, sein persönliches Glück (Jasmin) zu opfern, um eine Veränderung herbei zu führen, um an die Macht zu kommen. Das ist doch eine tolle Geschichte.

Gruß
Quinn

 

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