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Weiße Wände

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28.12.2009
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Weiße Wände

Ihr Bett ist schmal. Wir liegen eng beieinander. Viertel nach elf. Draußen schreit jemand. Eine Flasche zerschellt auf dem Asphalt. Ich drehe mich auf den Rücken. „Weiße Wände“, sage ich. „Kein Bild, nichts.“
„Ich mag weiße Wände. Die Klarheit.“
„Mein Schlafzimmer ist rot.“ Ich lege meine Hand auf ihren Bauch, der weich und entspannt ist.
„Euer Schlafzimmer.“
„Ich schlafe seit einem Jahr auf der Couch.“
„Warum trennt ihr euch nicht, wenn da nichts mehr ist?“
Mondlicht fällt durch die Spalte im Vorhang.
„Ist nicht so einfach.“
„Doch“, sagt sie. „Ist es. Es ist so einfach.“ Sie lässt ihren Kopf auf meine Brust sinken. „Ich habe Angst vor dem Verlorengehen. Kannst du das verstehen?“

Der Flur ist dunkel. Als wir uns umarmen, kommt sie mir klein und zerbrechlich vor. „Ich ruf‘ dich an“, sage ich und greife nach der Türklinke. Sie nickt schweigend. Der Cherokee steht unten vor dem Haus. Ich gehe noch ans Büdchen gegenüber, kaufe eine Schachtel Marlboro und Cherry Coke. Im Wagen zünde ich mir eine Zigarette an und drehe die Anlage auf. Ihr Schlafzimmer im Rückspiegel. Dritter Stock. Hinter den Vorhängen gedämpftes Licht. An der nächsten Ampel öffne ich die Dose. Die Cola ist eiskalt und zuckersüß.

Nach Mitternacht, kaum Verkehr. Ich fahre mit Hundertzwanzig auf den Zubringer. Das Mobiltelefon vibriert in meiner Brusttasche. Tyler Childers singt: It takes twice as long to build bridges you burn. And there is hurt you can cause time alone cannot heal. Ich zünde mir noch eine Zigarette an, öffne das Seitenfenster. Die frische Luft tut gut. Das erste Mal bin ich ihr auf einer Vernissage begegnet, zu der mich ein Freund spontan mitgeschleppt hat. Ich kam gerade von der Jagd und hatte bei einem Kiosk um die Ecke drei Flaschen Mühlen gekauft. Der Künstler, dessen Werke an diesem Abend präsentiert wurden, hieß Nigel. Nigel war anwesend, wollte aber nicht mit dem Publikum sprechen. Stattdessen las eine Kunsthistorikerin einen Text über moderne Kunst vor. Ich trank das Bier, das ich in einer Plastiktüte mitgebracht hatte und tat so, als lese ich den Ausstellungskatalog. Sie stand mit einem Glas Wein vor einem der Bilder. Sie war mir gleich aufgefallen. Zierliche Figur. Lange, braune Haare. Augen wie flüssiger Honig. Komplett in schwarz gekleidet. Später erzählte sie mir, ihr Lieblingsfilm sei Only Lovers left alive von Jim Jarmusch. Ich schenkte ihr das letzte Bier, und wir tauschten Nummern aus. Ein paar Tage danach schrieb sie mir eine SMS: Ich hab so ein krasses Nähebedürfnis. Ich weiß, dass du das nicht erfüllen kannst, ich wollte dich das nur wissen lassen.

Die Lastwagen werden weniger. Wieder das Mobiltelefon. Ich drehe die Musik lauter und nehme die nächste Abfahrt, vorbei am Campingplatz. Im Sommer habe ich dort ein paar Wochen in einem gemieteten Wohnwagen verbracht. Ich wollte einfach nicht mehr streiten. Seltsame Tage. So ruhig, dass ich nicht einschlafen konnte. Vor dem Fenster des Wohnwagens hingen billige Leuchtgirlanden. Kleine Lampions in allen möglichen Farben. Rot. Blau. Gelb. Ich habe sie jede Nacht angeknipst und so lange angestarrt, bis mir die Augen zugefallen sind.

Hinter dem Campingplatz die Fabrik. Dichte Rauchschwaden hängen über den Schornsteinen. Ich nehme eine Abkürzung, umgehe die Ampeln. An der Talsperre vorbei durch den Wald. Die Straße wird abschüssig, Trespengras schlägt auf die Frontscheibe. Hinter der Dickung öffnet sich die Landschaft. Unten in der Senke der Stausee, eine große, dunkle Fläche. Das Mondlicht spiegelt sich auf dem Wasser, sanftes Glitzern. Wir haben Jason Isbell gehört, Reissdorf in Dosen getrunken und uns das erste Mal an einer Straßenecke geküsst. Weiße Wände. Sie ist Sechsundzwanzig. Vielleicht verstehe ich es einfach nicht mehr. Den Schatten auf der Fahrbahn sehe ich erst im letzten Moment. Ich steige auf die Bremse, die Hinterreifen brechen aus, und ich lenke dagegen, bis der Wagen auf dem Randstreifen zum Stehen kommt. Meine Hände zittern, als ich die Musik abstelle. Im Lichtkegel der Scheinwerfer erkenne ich die Umrisse eines länglichen, flach auf dem Asphalt ausgestreckten Körpers. Hinter mir absolute Dunkelheit. Ich lasse den Motor laufen und steige aus.

Ihre Küsse schmecken, wie Küsse schmecken sollen. Wenn sich unsere Lippen berühren, rückt alles andere in weite Ferne, übrig bleibt nur die Verschmelzung. Die Luft ist klar und kalt, mein Atem kondensiert, dünne, weiße Wolken. Dunkle Tieraugen starren mich an, ganz ohne jedes Geheimnis. Die Läufe der Ricke stehen schräg abgewinkelt vom Körper ab, der Rücken durchtränkt von Blut, die Wirbelsäule gebrochen. Ich bleibe am Rand des Lichtkegels stehen und lege meine Hand auf den offen stehenden Äser, dann ziehe ich die Ricke an den Hinterläufen von der Straße auf ein Stück feuchtes Grün. An der Flanke klafft ein langer Riss, teilt den weichen Bauch in zwei Hälften. Mitten im schartigen Gewebe sehe ich die Bewegung, ein regelmäßiges, rhythmisches Zucken. Das Schlagen eines Herzens.

Der Tod schmeckt nach Kupfer, sagte mein Vater früher immer. Ich fahre mit den Fingerkuppen den Riss nach. Das Blut ist warm und klebrig. Sternenklare Nacht. Heller Mondschein, Sauensonne. Ich gehe zurück zum Auto, nehme die Dose Cola von der Mittelkonsole. Das Auspuffrohr glüht rot. Ohne seine Mutter wird das Kitz nicht überleben. Das weiß ich. Tatsachen. Fakten. Wahrheiten. Das Mobiltelefon vibriert. Ich hole es aus der Hemdtasche, lege es auf den Fahrersitz und trinke den letzten Schluck.

Für einen Moment zweifle ich, einen Moment halte ich inne, höre auf eine Stimme, warte auf ein Zeichen. Nichts. Ich ziehe die Ricke bis auf einen flachen Felsvorsprung, rolle sie über den Grat, und sie verschwindet in der Dunkelheit. Der Hang ist steil. Es geht schnell. Unten fällt sie ins Wasser. Ein kurzes Geräusch noch. Sie ist weg.

Ich fahre. Ich rieche das Blut an meinen Händen. Kupfer. Ich denke an meinen Vater, der schon lange tot ist. Was hätte er getan? Ich denke an die Bilder von Nigel. An ihre kleinen, dunklen Brustwarzen. In der Küche brennt Licht. Ich sehe die Schemen meiner Frau hinter der Fensterscheibe. Sie sitzt am Tisch, wartet. Ich werfe die Dose in die gelbe Tonne, ziehe die Stiefel vor der Tür aus, lasse sie auf der Schmutzmatte stehen. In dem Wohnwagen, den ich im vergangenen Sommer gemietet habe, schlief ich manchmal komplett angezogen - Hemd, Jacke, Blundstones. Ich habe mich einfach so hingelegt, es war mir egal. Ich schließe die Haustür auf, drücke die Klinke mit dem Ellenbogen herunter. Im Flur der Geruch von gebratenem Fleisch. Auf dem Tisch steht eine offene Flasche Schwarzriesling. Sie sitzt da, raucht eine Zigarette. Ihr Haar ist hochgesteckt und noch feucht von der Dusche.
„Wie war das Spiel?“, fragt sie.
„Was?“
„Wie hat der FC gespielt?“
„Unentschieden.“ Ich gehe zur Spüle, drehe den Wasserhahn auf, halte meine Hände unter den Strahl.
„Ist das Blut?“
Ich nicke.
„Bist du nicht ein bisschen zu alt dafür?“
„Ich hab' mich nicht geprügelt. Ist von `nem Stück Fallwild. Oben an der Talsperre. Ich habe es von der Straße gezogen, die Ecke da ist ziemlich gefährlich.“ Ich nehme mir ein Bier aus dem Kühlschrank und setze mich an den Tisch. Sie tippt mit dem Zeigefinger auf den Rand ihres Weinglases. „Modeste“, sagt sie. „Modeste und Schaub.“
Ich sehe sie an. Sie lächelt kalt und sagt: „Zwei Null.“
„Zwei Null“, wiederhole ich und öffne das Bier mit der Kante meines Feuerzeugs.
„Du hast das Spiel nicht gesehen.“ Sie schüttelt den Kopf und nimmt einen Schluck Wein. „Du warst … es gibt da jemand anderen, so ist's doch, oder nicht?“
Ich schweige. Ich trinke. Der Tod schmeckt nach Kupfer.
„Weißt du eigentlich, dass du ein richtiger Feigling bist? Warum sagst du es nicht einfach? Warum sagst du nicht die Wahrheit? Ich meine, du musst es nicht sagen. Ich weiß, dass es so ist. Ich weiß es!“
„Nicht. Ich will nicht streiten.“
„Wir streiten nicht. Wir reden.“
„Ja?“
Sie atmet aus. „Ja.“
„Es gibt jemand anderen …“
„Ich weiß.“
„Okay, dann weißt du es …“
„Nigel“, sagt sie. „Auf der Vernissage von diesem Nigel.“
„Was war da? Was soll da gewesen sein?“
„Hannes hat erzählt, dass er dich mitgenommen hat.“ Sie senkt den Blick. „Und ich dachte noch, du und Kunst?“
„Hannes“, wiederhole ich.
„Ja." Sie führt das Glas an die Lippen, setzt es wieder ab. „Sie soll ziemlich jung sein.“
„Sie mag weiße Wände.“
„Weiße Wände?“
„Ja, die Klarheit.“
„Wir, wir bräuchten auch mal Klarheit, oder?“, fragt sie und legt die Hand auf den Hals. „Ich hab‘ gedacht, ich hab wirklich gedacht, wir kriegen das wieder hin, und nach Irland, da, da war es gut, ich hab gedacht, das wird wieder, da hängt so viel dran, wir geben uns noch `ne Chance, irgendwie schaffen wir das, ganz ehrlich …“
Die dunklen Augen der Ricke, wie sie mich angestarrt hat, seelenlos, ohne jeden Funken.
„Aber … so, so kann das einfach nicht mehr weitergehen.“ Ihre schmalen Finger umfassen das Glas. „Hörst du mir überhaupt zu?“
„Ich höre dir zu.“
„Ist alles nicht so einfach, ich …“
„Doch“, unterbreche ich sie. „Ist so einfach.“ Ich trinke einen Schluck, stelle die Flasche auf den Tisch und hole die Schachtel Zigaretten aus der Hemdtasche. „Ich zieh wieder in den Wohnwagen, und dann … dann suchst du dir was, in Ruhe, so was braucht Zeit. Ich glaube, das wäre die beste Lösung, bevor wir zu irgendwelchen Anwälten gehen. Brauchen Abstand von allem. Von uns. Muss nicht schmutzig werden, das willst du nicht, und ich will das auch nicht. Mit dem Haus und alles, das sehen wir dann.“
„Einfach so?“
„Ja.“
Sie schnippt mit dem Finger. „Nach all den Jahren … und das war`s, das ist alles?“
„Manchmal ist das so. Manchmal muss man eine Entscheidung treffen.“
„Ja“, sagt sie. „Ja, da hast du Recht.“
Wir sehen uns schweigend an.
„Und du willst wirklich in diesem Wohnwagen leben?“
Ich zünde mir eine Zigarette an, nehme zwei, drei Züge, asche in den Kronkorken. „Ist doch der Wohnwagen von meinem alten Freund Hannes … nein, schon okay, ich mag es, und ist ja auch nicht für ewig.“
„Nein“, sagt sie. „Ist nicht für ewig.“

Später liege ich auf der Couch im Wohnzimmer. Ich habe eine Otis Redding Scheibe aufgelegt, das dritte, vierte oder fünfte Bier getrunken und die halbe Schachtel geraucht. Draußen dämmert es. Ich denke an nichts. Ich schließe die Augen. Otis singt. Als ich aufwache, ist es zehn Uhr morgens. Im ganzen Haus ist es still. Ich gehe in die Küche, wo die leere Flasche Wein auf dem Tisch steht. Im Mahlwerk die letzten Bohnen. Ich setze Wasser auf. Die Schwanenhalskanne war ein Geschenk von ihr. Zum Vierzigsten. In meinem Mund der Geschmack von schalem Bier und kaltem Rauch. Ein stechender Schmerz hinter meiner Schläfe. Ich halbiere mit dem Jagdmesser eine Zitrone, presse den Saft in die Kaffeetasse. Mein Mobiltelefon vibriert. Eine SMS. Ihre Nummer ist unter Kurt – Drückjagd abgespeichert.

Das, was ich dir gerade schreibe, ist sehr ehrlich und ungefiltert. Ich denke an dich. Aber auch an das größere Ganze. Was für mich möglich sein könnte und was nicht. Ich denke da seit heute Nacht drüber nach. Ich war lange nicht so mit jemandem, wie in den letzten Tagen mit dir. Trotzdem fehlt mir etwas. Ein Gefühl, was ich brauche, um mich weiter auf Dich einzulassen. Das Gefühl, dass ich alles von dir will. Dass es für mich keine Grenzen gibt. Eine gewisse Form der Bedingungslosigkeit.

Ich lasse das Telefon auf der Anrichte liegen, setze mich an den Tisch, lege beide Hände um den Flaschenhals. Das Glas ist kalt, glatt, perfekt. Modeste und Schaub. Zwei zu Null. Ich lache, dann lasse ich die Flasche vom Tisch rollen. Sie fällt auf die Kacheln, zerspringt in große und kleine Scherben.

Das Kitz wartete darauf, geboren zu werden. Weder tot noch lebendig. Nein, es war richtig. Es war das einzig Richtige.

 
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Hey @jimmysalaryman,

Hat´s dich auch gepusht? :D

Viertel nach Elf
Wird die elf nicht klein geschrieben? Bin mir fast sicher.

Ich habe Angst vor dem Verlorengehen, aber ich will auch alles von mir in Liebe und Begehren geben.
Das finde ich für wörtliche Rede zu gestelzt. Ich hab den laut vorgelesen und kann ihn so nicht kaufen. Ich hab die Absicht dahinter gesucht und nicht kapiert, bzw. nicht gefunden, deshalb erlaube ich mir den Vorschlag: Ich hab Angst vor dem Verlorengehen, will aber auch alles von mir geben. Liebe. Und Begehren. Kannst du das verstehen?

It takes twice as long to build bridges you burn. And there is hurt you can cause time alone cannot heal.
Ich bin ein elender Klugscheißer: It takes twice as long to build bridges you've burned.

Im Sommer habe ich dort ein paar Wochen in einem gemieteten Wohnwagen verbracht.
Das verbracht finde ich sehr neutral bis nichtssagend. Gehaust? Gelebt?

Reißdorf in Dosen getrunken
Wenn du das kölsche Bier meinst, dann so: Reissdorf.

Trespengras, Dickung
Beides noch nicht gehört. Woher weißt du das?

Was hätte er getan? Hätte er das Gleiche getan?
Da finde ich die hätte er-Doppelung unschön. Absicht? Sehe gerade, du setzt die Wiederholung später als Stilmittel ein.

Ich hab‘ mich nicht geprügelt. Ist von `nem
Die Apostrophe sind etwas merkwürdig. Hast du kein gerades? ;)

Ich habe es von der Straße gezogen, die Ecke da ist ziemlich gefährlich, geht’s schnell, schon ist ein Unfall passiert
Das "geht´s schnell" bremst aus, vielleicht: "kann auch schnell gehen, schon ist ein Unfall passiert."

Modeste und Schaub
Oh, das wär schön, aber der eine darf noch nicht und der andere ist verletzt. Schnief.

„Zwei Null“, wiederhole ich und öffne das Bier mit der Kante meines Feuerzeugs
Könntest auch schreiben: öffne das Bier mit dem Feuerzeug.

Du warst … du warst bei jemand anderem. Es gibt da jemand anderen, so ist es doch, oder nicht?
was spricht gegen: einer anderen, eine andere?

Nach all den Jahren …und das war`s, das ist alles
Leerzeichen hinter dem Dreipunkt.

Weißt du eigentlich, dass du ein richtiger Feigling bist? Warum sagst du es nicht einfach? Warum sagst du nicht die Wahrheit? Ich meine, du musst es nicht sagen, denn ich weiß, dass es so ist. Ich weiß es!“
Das reduzierte Tempo bereitet schön den langsamen, lakonischen Dialog vor, der sich anschließt. Der ist für mich fast das Highlight der Story. Jim Jarmusch lässt grüßen.

Das Gefühl, dass ich alles von dir will. Dass es für mich keine Grenzen gibt. Eine gewisse Form der Bedingungslosigkeit.
Schön.

Das Kitz wartete darauf, geboren zu werden. Weder tot noch lebendig. Nein, es war richtig. Es war das einzig Richtige.
Schöner Letzter und zugleich die Zusammenfassung des Themas: Do the Right Thing! Was ist richtig, fühlt sich richtig an oder seit längerer Zeit schon nicht mehr. Mal ist das Richtige einfacher als gedacht und die Trennung von der zu bunten Frau mit roten Schlafzimmer, Schwanenhals und Wildkaffee ist kein wirkliches Drama. Mal ist es schwieriger, als es sein sollte und der Blick des Rehkitzes bleibt im Kopf. Mal ist es schön, einfach nur auf weiße Wände zu schauen und für einen Moment Klarheit zu haben, ohne etwas tun zu müssen. Der Blick auf die weiße Wand wie eine Insel der Ruhe im Gewusel. Vielleicht ist es für sowas wie Liebe auch schon zu spät und die Naivität fehlt für den großen Wurf. Vielleicht ist er auch zu satt und müde, immer das Richtige tun zu wollen?
Gerne gelesen.

Peace, linktofink

 
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Hey Jimmy

„Ich habe Angst vor dem Verlorengehen, aber ich will auch alles von mir in Liebe und Begehren geben. Kannst du das verstehen?“

Finde ich spannend, wie du zwei sprachliche Register aufeinandertreffen lässt. Wenn die Frau spricht, die offenbar deutlich jünger als der Prota ist, gibt es Worte für Begehren und Liebe und Nähe und das wird auch direkt ausgesprochen, da hat sie kein Problem damit.
Demgegenüber haftet die Sprache des Prota an den Dingen, an Gerüchen und Songs. Und da ist natürlich dieses zentrale Bild des Rehkitz im Herzen des Textes, da erzählt der Prota davon und der Leser weiss, das hängt ganz eng mit dem zusammen, was hier gerade abgeht, in dieser Phase seines Lebens, die zunächst mal den Tod einer Beziehung darstellt. Er muss sich entscheiden und das Richtige tun. Aber da ist gefühlt noch mehr. Das Bild jetzt weiter analysieren möchte ich aber nicht, könnte ich vielleicht auch nicht und das ist auch gut so, der Text bezieht durch dieses Nebeinanderstellen dieser Szenen auf alle Fälle eine grosse Kraft.
Wo war ich? Ach ja, die sprachlichen Register. Ich weiss nicht, ob du es dir hier nicht erlauben könntest, die Sprache der Frau noch etwas zurückhaltender zu gestalten, also das kommt jetzt immer sehr direkt und auch dick daher, vor allem auch die SMS am Ende mit Bedingungslosigkeit und allem. Also, ich finde schon gut, dass da zwei komplett gegensätzliche Sprachen zu hören sind, das lässt dann ja auch darüber nachdenken, ob die neue Verbindung halten kann, was die beiden sich davon versprechen. Aber na ja, es liest sich halt nicht gut, dieses "alles von mir in Liebe und Begehren geben" zum Beispiel.

Der zweite Punkt, wo du noch drüber nachdenken könntest, betrifft die Songtitel, Markennamen etc. Bin ich grosser Fan von. Macht den Text konkret, sinnlich fassbar. Aber gegen Ende hatte ich, rein intuitiv, den Eindruck, dass jetzt gut ist, vielleicht kannst du noch etwas zurückfahren, die Gefahr ist halt, dass es sich auf einmal nicht mehr organisch, sondern als Technik liest.

Zwei, drei Details:

Das erste Mal bin ich ihr auf einer Vernissage begegnet, zu der mich ein Freund spontan mitgeschleppt hat. Ich kam gerade von der Jagd und hatte bei einem Kiosk um die Ecke drei Flaschen Mühlen gekauft. Der Künstler, dessen Werke an diesem Abend präsentiert wurden, hieß Nigel.
Die Passage hebt sich negativ vom Duktus des Textes ab, wie ich finde. Das liegt wahrscheinlich an den beiden Relativsätzen, die wirken schwerfällig im Vergleich zum Rest des Textes, der mich insgesamt sprachlich überzeugt.

Stattdessen las eine Kunsthistorikerin einen langen Text über die Interpretationsmöglichkeiten moderner Kunst vor.
Auch so ein Unding. Passt natürlich zum Inhalt, imitiert ihn gewissermassen, aber ich würde da vielleicht "langen" und "...möglichkeiten" streichen und nur: "über die Interpretation moderner Kunst" schreiben.

Hinter mir absolute Dunkelheit. Ich lasse den Motor laufen und steige aus.

Ihre Küsse schmecken, wie Küsse schmecken sollen.


Das ist ein sehr geiler Übergang.

Der Tod schmeckt nach Kupfer, sagte mein Vater früher immer.
Kann weg.

Was hätte er getan? Hätte er das Gleiche getan?
Gefällt mir nicht so, diese Verdoppelung.

Auf diese Fragen gibt es keine Antworten.
Wirkt wie ein Hülse. Kann meines Erachtens weg.

„Weißt du eigentlich, dass du ein richtiger Feigling bist? Warum sagst du es nicht einfach? Warum sagst du nicht die Wahrheit? Ich meine, du musst es nicht sagen, denn ich weiß, dass es so ist. Ich weiß es!“
Den Dialog zwischen den beiden empfand ich als einen Ticken zu lang, ohne jetzt genau sagen zu können, was weg sollte. Aber hier zum Beispiel hast du dreimal "weiss" drin und ein paar "dass", das könnte etwas schlanker.

Dein alter Freund Hannes hat mir alles erzählt.“
Wieso sagt sie ihm, wer Hannes ist? Fand ich zu sehr an den Leser gerichtet.

Ja, ein sehr guter Text, wie gesagt, diese Parallelisierung von Liebesbeziehung(en) und dem Geschehen in der Nacht auf der Strasse, das verschmilzt im Gehirn so zu einem Bild, zu einer Assoziation, die sich nicht so ganz ausbuchstabieren lässt, dafür umso nachhaltiger wirkt und dem Text eine grosse Tiefe verleiht.

Sehr gern gelesen!

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Moin Jimmy.

Ich leg direkt mal los.

Viertel nach Elf.

"elf"?

„Ich habe Angst vor dem Verlorengehen, aber ich will auch alles von mir in Liebe und Begehren geben.

Heißt es nicht eigentlich "an"? Bin mir nicht sicher. Künstlerische Freiheit evtl.

„Ich ruf‘ dich an“

Du bist im Text irgendwie nicht durchgehend konsequent. Mal Apostroph und mal nicht. Besonders deutlich wird das später:

„Ich hab‘ gedacht, ich hab wirklich gedacht (...) da war es gut, ich hab gedacht“

Augen wie flüssiger Honig.

Das liegt jetzt an mir, aber ich musste an Splatterfilme denken. Flüssige Augen und so.

Ich hab so ein krasses Nähebedürfnis. Ich weiß, dass du das nicht erfüllen kannst, ich wollte dich das nur wissen lassen.

Ich krieg ne Gänsehaut. Bestimmt kann ich heut Nacht nicht schlafen.

Vor dem Fenster des Wohnwagens hingen billige Leuchtgirlanden. Kleine Lampions in allen möglichen Farben. Rot. Blau. Gelb. Ich habe sie jede Nacht angeknipst und so lange angestarrt, bis mir die Augen zugefallen sind.

Hat mir gefallen. Kenne ich nur allzu gut.

Ich nehme eine Abkürzung, umgehe die Ampeln.

"Umfahre"? Geschmackssache.

Trespengras

Was zum Fick. Ein Google später: Ah, das. Natürlich, das wusste ich.

Hinter der Dickung

Häh? Zum F- ... achso, ja, na klar.

Ihre Küsse schmecken, wie Küsse schmecken sollen. Wenn sich unsere Lippen berühren, rückt alles andere in weite Ferne, übrig bleibt nur die Verschmelzung. Die Luft ist klar und kalt, mein Atem kondensiert, dünne, weiße Wolken. Dunkle Tieraugen starren mich an, ganz ohne jedes Geheimnis. Die Läufe der Ricke stehen schräg abgewinkelt vom Körper ab, der Rücken durchtränkt von Blut, die Wirbelsäule gebrochen. Ich bleibe am Rand des Lichtkegels stehen und lege meine Hand auf den offen stehenden Äser, dann ziehe ich die Ricke an den Hinterläufen von der Straße auf ein Stück feuchtes Grün. An der Flanke klafft ein langer Riss, teilt den weichen Bauch in zwei Hälften. Mitten im schartigen Gewebe sehe ich die Bewegung, ein regelmäßiges, rhythmisches Zucken. Das Schlagen eines Herzens.

Der Übergang "Küsse" zu "Dunkle Tieraugen", das ist der Jimmy den ich lesen und kommentieren möchte. Und äh ja, Ricke, äh ... ah, natürlich!

Ich fahre mit den Fingerkuppen den Riss nach. Das Blut ist warm und klebrig.

Konnte ich jetzt nicht wirklich nachvollziehen. Hätt aber ruhig ein bisschen mehr sowas sein können. :D

Sauensonne

Äh, ja ... natürlich.

Es wird einen qualvollen Tod sterben. (...) Es würde nicht überleben.

Schmeckt mir nicht. Entweder, oder.

„Bist du nicht bisschen zu alt dafür?“

Fehlt da was? N' "n'" odern "'". Nicht sicher.

“ Sie schüttelt den Kopf und nimmt ein Schluck Wein.

"einen"?

Ich trinke ein Schluck

"einen"?

bevor wir zu irgendwelchen Anwälte gehen.

Anwälten?

Nach all den Jahren …und das war`s

Wieso eigentlich nicht, "war's"? Finde das angenehmer zu lesen.

Das, was ich dir gerade schreibe, ist sehr ehrlich und ungefiltert. Ich denke an dich. Aber auch an das größere Ganze. Was für mich möglich sein könnte und was nicht. Ich denke da seit heute Nacht drüber nach. Ich war lange nicht so mit jemandem, wie in den letzten Tagen mit dir. Trotzdem fehlt mir etwas. Ein Gefühl, was ich brauche, um mich weiter auf Dich einzulassen. Das Gefühl, dass ich alles von dir will. Dass es für mich keine Grenzen gibt. Eine gewisse Form der Bedingungslosigkeit.

Oh ja, bitte. Meine Güte. So much Selbstfindung, so much Schneeflocke. Ich werde heute wirklich sehr schlecht schlafen. Buarks.

--

Müllers und Reißdorf und Modeste und Schaub. Ganz schön fancy. Aber ist wohl dein Stil. Tendiere eher dazu, das zu mögen, als es peinlich zu finden. Mach nur weiter so.

Zur Geschichte an sich sag ich mal nichts. Ist nicht mein Thema, sorry. Hatte die ganze Zeit gehofft, da kommt jetzt was um die Ecke und springt mich an und da warse dann auch schon wieder zu Ende, die nette, kleine Geschichte. Die paar Vorschläge und Anmerkungen lass ich trotzdem mal da.

Bis dann,

Analog

 

@linktofink

Danke dir für deinen Komm, hat mich sehr gefreut.

Ja, der ist irgendwie so entstanden, der Text, und heute dachte ich, mach mal. Sind auch noch scheißviele Fehler drin, wie ich so eben sehe.

Hab vieles von deinem Feedback mal eingebaut. Die kursiven Sachen sind tatsächliche Texte, ich hab es trotzdem mal gekürzt, es wirkt etwas peinlich und pathethisch, aber hey, fuck it. Die Textstelle von Tyler Childers habe ich allerdings von den originalen Lyrics übernommen! :D Ich überarbeite den Text und sag Bescheid, vielleicht liest du dann nochmal.

Vielleicht ist es für sowas wie Liebe auch schon zu spät und die Naivität fehlt für den großen Wurf. Vielleicht ist er auch zu satt und müde, immer das Richtige tun zu wollen?

Ich glaube, wie er das sagt, wie sie Musik gehört haben und Dosenbier getrunken, sich an Straßenecken geküsst, das ist ja jung, Jungsein, auch ein Junge sein, das hat etwas, ist ein Flashback, es geht natürlich auch um Sex und Körperlichkeit etc, aber eben nicht nur, sondern auch um eine gewisse Form der Maskulinität, die es zu beweisen gilt, und ein Mann würde sich das ab einem bestimmten Alter immer gerne wiederholen, zurückholen, finde ich. Da fehlt dann natürlich diese Naivität, er ist etwas abgezockter, sie ist viel empfänglicher, aber auch nicht dumm, sie analysiert sich eben, wie man das heute tut, und er ist in einer Beziehung gefangen, die einer grundlegenden Analyse mal gut getan hätte, schon vor langer Zeit.

Ja, danke für deine Zeit und den Komm, link.


Hey @Peeperkorn

hat mich sehr gefreut. Ja, ist so ein Kreis, ein Zyklus, beginnt mit dem zerbrochenen Glas, endet damit, Tod, Liebe, meine Güte. Du hast Recht, ich hab die Dopplung und die Otis-Quote rausgehauen, und ihre Sprache etwas reduziert. Ist wirklich was dick. Dieser Satz mit der Vernissage, ich weiß, hab den mal verändert, aber irgendwie kriege ich den auch nicht anders hin, die Schwerfälligkeit bleibt. Den Dialog hingegen, der darf ruhig so bleiben, ich habe für mich herausgefunden, dass es oft so eine Kreisbewegung gibt bei dieser Art von Dialogen, weil niemand rausrücken will, wie Schach, und dann, wenn es einmal ausgesprochen ist, verändert sich die ganze Atmosphäre. Das Nachfragen, Deuten, Hinhalten, das gehört dazu, und ich finde, einen verkürzten Dialog, das würde hier zu einer Reduktion führen, die von der Eigentlichkeit, dieser Beziehung und dem Tod der Ricke im Hintergrund, ablenkt. Genau wie, wenn sie sagt, dein alter Freund Hannes - das macht sie ja lakonisch, weil sie ihn darauf hinweisen will, dass er ihn trotz der Freundschaft sozusagen verraten hat. Könnte man drauf verzichten, jau, muss ich mal sehen. Ich finde das auch intim, sie muss ja nicht mit Hannes befreundet gewesen sein, es kann aber auch schon eine Spaltung, ein Voneinander-Entfernen andeuten.

Der Text basiert auf dem Gedicht "Traveling through the dark" von William Stafford. Ich habe lange überlegt, wie ich das hinbekomme, dieses geile Poem in eine Story einzubetten, und dann, plötzlich, war es da. Ist natürlich das starke Motiv, und man vermengt und verschmilzt das mit den beiden Frauen, auf eine ganz seltsame Art, da spielt Eros und Tod und auch Loyalität, diese Idee der echten Liebe auch mit, und alles endet nicht mal im Patt, sondern in einer Art Tabula Rasa.

Hat mich, wie gesagt, sehr gefreut, Peeperkorn.

Gruss, Jimmy

wird forgesetzt!

 

@ Analog

danke dir für deinen Komm und deine Zeit.

Hab die Rechtschreibverkacker mal ausgebessert. Nur bei den Apopstrophen, da scheint mein Rechner zu machen, was er will. Ich muss da mal das Orakel von Delphi befragen, wie das wirklich und richtig funktioniert. Hab auch paar deiner Kürzungsvorschläge eingebaut bzw die Story umgebaut, liest sich besser jetzt.

Ja, ich glaube, Küsse vs Dunkle Tieraugen, das ist so der Kern der Geschichte, das kann man mögen oder nicht, sicher auch Geschmackssache, ich wollte auch diesen Part nicht gorig machen, weil es dann einfach den restlichen Ton versaut hätte. Aber sicher, auch das hier ist im Grunde ein Trick, auch wenn ich immer dagegen schimpfe, durch den Eindruck dieser Szene liest man den Rest, die beiden Parts wie einen Konter, anders als vorher, eher mit Symbol behaftet, als es sonst der Fall wäre. Ist eine Manipulation, der Leser wird schon krass gebürstet, TROTZDEM nehme ich mir hier einfach das Recht raus, es so zu machen! :D

Also, ich schreib die um, mit einem alternativen Ende, wo er der Ricke die Leber rausreißt, sich an ihr vergeht, dann mit seiner .30-06 seiner Frau den Schädel wegbläst, und dann das Magazin seiner 1911 in die andere Truller entlädt. Wäre das eine Alternative? :D

Gruss, Jimmy

 

Hey Jimmy!

Ich finde das einen starken Text. Das Reh, der Wohnwagen, das fand ich starke Bilder. Was ich extrem authentisch fand, waren die SMS von der 26-jährigen. Ich kaufe dir das absolut ab, die Nachrichten, das fühlt sich sehr authentisch an. Solche Mädels gibts.

Im Gegensatz dazu - sorry, wenn das etwas spitzfindig ist - fand ich die Dinge, die die Ehefrau sagt, hier und da etwas "holprig".

Sie schüttelt den Kopf und nimmt einen Schluck Wein. „Du warst … es gibt da jemand anderen, so ist es doch, oder nicht?“
"so ist es doch, oder nicht?" Das liest sich für mich ein wenig gekünstelt - "so ist's doch, oder?" fände ich besser

„Weißt du eigentlich, dass du ein richtiger Feigling bist? Warum sagst du es nicht einfach? Warum sagst du nicht die Wahrheit? Ich meine, du musst es nicht sagen, denn ich weiß, dass es so ist. Ich weiß es!“
" Ich meine, du musst es nicht sagen, denn ich weiß, dass es so ist. Ich weiß es!“"
würde ich zu
Ich meine, du musst es nicht sagen. Ich weiß, dass es so ist. Ich weiß es!“

„Nigel“, sagt sie. „Auf der Vernissage von Nigel. Dein alter Freund Hannes hat mir alles erzählt.“
Ich hätte es hier besser gefunden, wenn sie nicht gleich damit rausrückt: Hannes hat mir alles erzählt. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass das ein bisschen eine schnelle Lösung ist. Was ist das für ein Kollege?! Wenn sie das hier mit Hannes nicht gleich sagt, er ein wenig nachbohren muss, ein wenig Tauziehen hin und her, würde mir der Dialog hier besser gefallen - just my opinion

„Ich hab‘ gedacht, ich hab wirklich gedacht, wir kriegen das wieder hin, und nach Irland, da, da war es gut, ich hab gedacht, das wird wieder, da hängt so viel dran, wir geben uns noch `ne Chance, irgendwie schaffen wir das, ganz ehrlich …“
„Aber … so, so kann das einfach nicht mehr weitergehen.“ Ihre schmalen Finger umfassen das Glas.
Ist nur ein Gefühl meinerseits, und ich möchte das nicht zu kritisch beurteilen, aber ich habe hier nicht das Gefühl, die Frau ganz greifen zu können ... ist dieses "da, da", weil sie emotional wird, im Hinblick auf rote Flecken im Gesicht und Tränen in den Augen? Oder ist es nachdenklich? Sie kam mir bis jetzt eher tough vor ... wie gesagt, ich kann sie hier in dem Teil nicht ganz zu 100% greifen, wie sie das meint, wer sie ist, das kommt mir ein wenig zu wenig durch


Ja, also sehr gerne gelesen. Im Gegensatz zu @Peeperkorn gefallen mir nicht nur die SMS der jüngeren Frau, ich finde sie sogar extrem stark und sie haben mich schon ein bisschen umgehauen, muss ich gestehen, weil ich einfach das Gefühl habe, ich hab da ein richtiges Bild von einer Frau vor Augen, das ganze Zerbrechliche, bei dem ich das Gefühl bekomme, zu verstehen, weswegen er gerade diese Frau interessant findet.

Bei der Ehefrau, der Dialog/Streit mit ihr, ich würde da evtl. noch ein klein bisschen rumjustieren - wäre das mein Text -, damit noch klarer herauskommt, wie bspw. das Stottern gemeint ist, was ja im Endeffekt kommuniziert, wie sie zur Beziehung steht, wie sie die Trennung jetzt kickt oder eben auch nicht, ob da Hass, Resignation, Depression oder sonstwas in ihr hervorploppt. Ich hab das schon vor Augen, das Gespräch, aber ich hab auch das Gefühl, würdest du da noch etwas nachjustieren, könntest du noch was reißen, vielleicht auch den Unterschied zwischen der jungen und alten Frau sichtbar machen, das Verständnis, wieso er fremdgeht und sich trennen will. Sind so ein paar Gedanken, die ich zum Text habe.

PS:

Tyler Childers singt: It takes twice as long to build bridges you burn. And there is hurt you can cause time alone cannot heal.
Tyler Childers! White House Road! :D Sehr sehr guter Mann


Beste Grüße!
zigga

 

@zigga

Yo, hat mich gefreut. Schön, wenn der Text dir gefällt. Mit den Dialogen hast du Recht, da feile ich dran, aber dieses da, da, das ist schon mit Bedacht, denn es ist ein Zögern auch in der Sprache, Nachdenklichkeit sicher, aber auch ein Erinnern, wie eine Leerstelle. Deswegen die Wiederholung Hab aber den Dialog umgebastelt, lad ich nachher in einer neuen Version hoch. Im Grunde will er sich ja gar nicht trennen, das ist eine von diesen Beziehungen, die jahrelang vor sich hin vegetieren, und hier war es eben dieser auslösende Moment mit dem Reh, das ihn dazu gebracht hat, jetzt endlich aktiv zu werden, das ist ja eher ein Impuls, das ist nicht durchdacht, also das würde ich nicht wollen, dass es da jetzt zu einer Abrechnung oder Begründung kommt, beide wissen, was Sache ist, es will nur keiner aussprechen.

Ich bastel mal weiter! Danke dir für dein Lob, deine Zeit und deinen Kommentar.

Gruss, Jimmy

 

Hallo @jimmysalaryman ,
ich habe an konstruktiver Kritik nichts hinzuzufügen und Du bist ja sowieso bei der Bearbeitung. (den Dialog mit Ehefrau hätte ich auch etwas bemäkelt)
Ich will nur, bevor ich es vergesse, anmerken, dass mir die Story sehr gut gefällt. Sie hat alles, was eine gute Geschichte ausmacht; Der Text ist gut strukturiert und locker zu lesen, mit dem erforderlichen Maß an ansptuchsvoller Gestaltung. Die Figuren sind glaubwürdig, ambivalent. Ziemlich traurig, mitzuerleben, wie dem Kerl alles unter den Händen zerfließt und doch so ein bisschen Erleichterung und Hoffnung auf etwas Neues. Wie das Leben eben so ist.
Das war jetzt nur ein langgezogenes "LIKE"

Gruß
Kellerkind

 

@Kellerkind

danke dir für deine Zeit und deinen Kommentar. Langgezogenes Like ist ja auch gut, schön, wenn es dir gefällt. An dem Dialog mit Ehefrau habe ich gebastelt, vielleicht ist er jetzt besser lesbar, klarer in der Intention, sicher verändert sich da noch was, aber ist eben ein erster Wurf.

Gruss, Jimmy

 

Hi @jimmysalaryman

Mein Kommentar wird wohl gar nicht so sehr konstruktiv, im Sinne von: mir sind Dinge aufgefallen, du könntest da und da noch feilen, oder ähnliches, sondern bei diesem Text ist mir eher danach, dir einen Eindruck dazulassen. Was mir jedoch beim mehrmaligen Lesen der verschiedenen Versionen aufgefallen ist, ist der bessere Einstieg. Ich finde, der erste Dialog zwischen den beiden, diese ganze erste Szene ist nun viel kompakter und dichter, als anfangs.

So, nun zu meinem Eindruck. Irgendwie löst der Text viel aus bei mir. Ich glaube sogar, dass das ein Text ist, der total unterschiedliche Dinge triggert, tatsächlich vor allem bei den Geschlechtern. Ein Mann liest da ganz andere Dinge raus, bzw. für ihn treten andere Dinge in den Vordergrund, als für eine Frau. Den Unterschied darf man ja heute kaum noch machen, weil hey, wir sind ja alle gleich, kein Unterschied zwischen den Geschlechtern und so, aber ich mache ihn. Und ich mache ihn hier. Aber ich finde das super interessant, deshalb sage ich es dir - ich hoffe du verstehst, was ich ausdrücken will.

Das Abgefahrene ist, dass ich mich in beiden Frauen wiederfinde. Und das ist genau der Punkt, der bei mir einiges auslöst. Ich versuche mal, das zu erklären:
Auf der einen Seite die Frau zu sein, die Angst hat vor dem Verlorengehen und sich gleichzeitig nach Gefühl ohne Grenzen sehnt. Das kenne ich sehr gut. Solche Frauen (ich rede jetzt mal in der distanzierten Form, sonst klingt das hier so nach Selbsttherapie) sind oft reizvoll für Männer, weil sie sie als sehr intensiv empfinden - sie werden aber auch schnell zu viel. Vielleicht weil sie selbst nicht greifen können, was genau sie von dem Mann und der Liebe erwarten, sondern einfach ein tiefes Verlangen in sich tragen nach etwas, das schwer zu benennen ist.
Auf der anderen Seite die Frau zu sein, die im Alltag feststeckt, die die Beziehung gegen die Wand fahren sieht, die genau weiß, da stimmt was nicht, vielleicht sogar kämpft und erträgt - aber letztendlich doch nur aushält bis zum Gnadenschuss. Für mich steht hier ihre Frage „Bist du nicht ein bisschen zu alt dafür?“ sinnbildlich für all das. Die Bevormundung des Partners, eine gewisse Wildheit nicht mehr zulassen (warum sollte man nicht auch "erwachsen" Dummheiten begehen?), selbst vielleicht in eine Rolle rutschen, in der man sich gar nicht wiederfinden will. Auch das habe ich schon erlebt und auch das ist nicht einfach.

Ich überlege, ob die junge Geliebte nicht sogar dafür stehen könnte, wie die eigentliche Freundin früher mal war. Dieser fast schon tragische Prozess in einigen Beziehungen - wenn jegliche Leichtigkeit und Leidenschaft einer seltsamen Gewohnheit und Spießigkeit weicht. Vielleicht interpretiere ich da zu viel. Du siehst auch, mir fallen diese Dinge mehr ins Auge als zum Beispiel das tote Wild und die Symbolhaftigkeit, die finde ich zwar gut, sind für mich aber nicht der Kern. Naja, kennste ja, jeder liest so anders ...

So, zu dem Mann habe ich bisher nichts gesagt. Kann ich auch irgendwie nicht. Das würde ausufern ;) In Kürze: Er wirkt sehr verloren.

Was mir noch aufgefallen ist am Anfang, ist das rote Schlafzimmer des eigentlichen Paares. Rot als Farbe der Liebe und Leidenschaft, fast schon, um etwas darzustellen, was es schon lange nicht mehr zwischen den beiden gibt. Aber eben auch rot als Farbe der Wut ... Das fand ich gut!

Jimmy, das war wieder viel Eindruck, wenig Textarbeit. Aber das kennst du ja nun schon von mir.

Bis bald
RinaWu

p.s.: habe ich gerne gelesen!

 

Hi @jimmysalaryman

der Einstieg gefällt mir gut. Die Szene ist klar, das Verhältnis der beiden auch.

Ich habe nur etwas Schwierigkeiten mit den beiden im Bett.

Ihr Bett ist schmal.
Ich drehe mich auf den Rücken.
Das Bett ist schmal, also 90cm? Wenn sich da einer auf den Rücken legt, hängt von dem wahrscheinlich Arm oder Bein raus. Oder der andere presst sich ganz an die Wand.

Ich lege meine Hand auf ihren Bauch, der weich und entspannt ist.
Ich gehe davon aus, dass sie nicht auch auf dem Rücken liegt, dafür ist ja gar kein Platz. Das heisst der Bauch hängt einfach runter, und er legt seitlich die Hand drauf? Fällt mir irgendwie schwer ein Bild zu formen.

Sie lässt ihren Kopf auf meine Brust sinken.
Okay, sie liegt seitlich und er auf dem Rücken. Das Bild passt wieder.

Sie nickt schweigend.
Nicken ist ja sowieso erstmal schweigend oder? Meiner Meinung nach könnte der Satz weg und an die Stelle ein Umbruch.

Ihr Schlafzimmer im Rückspiegel. Dritter Stock. Hinter den Vorhängen gedämpftes Licht.
Gefällt mir, dieser Blick zurück zu ihr.

Die frische Luft tut gut. Das erste Mal bin ich ihr auf einer Vernissage begegnet, zu der mich ein Freund spontan mitgeschleppt hat.
Mir fällt auf, dass du innerhalb der Absätze keine Umbrüche machst. Zwischen diesen beiden Sätzen fände ich zum Beispiel einen angebracht.

Der Künstler, dessen Werke an diesem Abend präsentiert wurden, hieß Nigel. Nigel war anwesend, wollte aber nicht mit dem Publikum sprechen. Stattdessen las eine Kunsthistorikerin einen Text über moderne Kunst vor.
Wozu sind diese Sätze?

Sie war mir gleich aufgefallen.
Klingt abgedroschen.

Vor dem Fenster des Wohnwagens hingen billige Leuchtgirlanden. Kleine Lampions in allen möglichen Farben. Rot. Blau. Gelb. Ich habe sie jede Nacht angeknipst und so lange angestarrt, bis mir die Augen zugefallen sind.
Das gefällt mir echt gut.

Die Straße wird abschüssig, Trespengras schlägt auf die Frontscheibe.
Das verstehe ich nicht. Fliegt da Gras durch die Luft?

Ihre Küsse schmecken, wie Küsse schmecken sollen. Wenn sich unsere Lippen berühren, rückt alles andere in weite Ferne, übrig bleibt nur die Verschmelzung.
Dass seine Gedanken während der Fahrt zu ihr wandern finde ich passend. Hier nicht. Er hatte fast einen Unfall und dann denkt er an ihre Küsse, die Verschmelzung?

Die Luft ist klar und kalt, mein Atem kondensiert, dünne, weiße Wolken. Dunkle Tieraugen starren mich an,
Bisschen viele Adjektive auf einmal. Vielleicht den ersten Teil des Satzes weglassen? Dass die Luft kalt ist, merkt man ja auch an dem kondensierten Atem.

lege meine Hand auf den offen stehenden Äser,
Ricke kannte ich noch. Äser musste ich googlen. Auch wenn er Jäger ist, würde ich es mit der Sprache nicht übertreiben.

Mitten im schartigen Gewebe sehe ich die Bewegung, ein regelmäßiges, rhythmisches Zucken. Das Schlagen eines Herzens.
Mir war erst nicht klar, dass da ein Kitz im Bauch ist. Ich dachte, es wäre das Herz der Ricke das noch schlägt.

Ein kurzes Geräusch noch. Sie ist weg.
Hier würde ich entweder konkreter werden, also zum Beispiel „Steine kullern hinab, dann ist sie weg.“ oder die Sätze weglassen.

Ich denke an die Bilder von Nigel. An ihre kleinen, dunklen Brustwarzen.
An die Brustwarzen von Nigel? :Pfeif: Natürlich nicht, Nigel ist ein Mann. Trotzdem finde ich die beiden Sätze hintereinander unglücklich.

Ich sehe die Schemen meiner Frau hinter der Fensterscheibe.
Wieso nur den Schemen? Ist das Glas milchig? Sind da Vorhänge?

„Wie hat der FC gespielt?“
„Unentschieden.“
Schlecht vorbereitet ...

Das Gespräch empfinde ich als sehr flüssig, glaubhaft.

Sie schnippt mit dem Finger. „Nach all den Jahren … und das war`s, das ist alles?“
„Manchmal ist das so. Manchmal muss man eine Entscheidung treffen.“
„Ja“, sagt sie. „Ja, da hast du Recht.“
Sehr abgebrüht die beiden. Es scheint als wäre da nicht mehr viel, als hätten beide schon längst mit der Beziehung abgeschlossen.

Ihre Nummer ist unter Kurt – Drückjagd abgespeichert.
Das finde ich irgendwie befremdlich.

Das, was ich dir gerade schreibe, ist sehr ehrlich und ungefiltert. Ich denke an dich. Aber auch an das größere Ganze. Was für mich möglich sein könnte und was nicht. Ich denke da seit heute Nacht drüber nach. Ich war lange nicht so mit jemandem, wie in den letzten Tagen mit dir. Trotzdem fehlt mir etwas. Ein Gefühl, was ich brauche, um mich weiter auf Dich einzulassen. Das Gefühl, dass ich alles von dir will. Dass es für mich keine Grenzen gibt. Eine gewisse Form der Bedingungslosigkeit.
Vielleicht liegt es daran, dass ich eine Frau bin und mir Frauen nicht solche SMS schicken. Aber ... was will die Frau? Ich verstehe es nicht. Sie braucht das Gefühl, dass sie alles von ihm will. Hat es aber nicht, oder wie?

Das Kitz wartete darauf, geboren zu werden. Weder tot noch lebendig. Nein, es war richtig. Es war das einzig Richtige.
Das Ende ist mir auch nicht ganz klar. Manchmal fühlt es sich falsch an das Richtige zu tun? Und es war das Richtige das Kitz zu töten und die Beziehung zu beenden, auch wenn es sich Scheiße anfühlt?

Was dieser Nigel in der Geschichte macht ist mir nicht ganz klar geworden. Könnte es nicht einfach eine Vernissage von irgendwem sein?

Die Dialoge gefallen mir in dieser Geschichte am besten. Die Bilder mit der Ricke und dem Kitz im Wechsel mit seiner Affäre, das ist mir irgendwie zu viel und ich begreife auch den Zusammenhang nicht wirklich. Es erscheint mir konstruiert.

Liebe Grüße,
NGK

 

@RinaWu

Ja, du hast da sicher den Nagel auf den Kopf getroffen. Ist ein sehr guter Kommentar. Weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Frauen lesen Texte sicher anders, sie schreiben ja auch anders als Männer, und ich werde den Teufel tun, mich da irgendwelchen SJW oder PC-Brigaden zu beugen. Ich bin dabei gar nicht wertend, denn die Autoren, die mich am meisten geprägt haben, was Stil angeht und Komposition, waren Frauen. Egal ... finde ich äußerst interessant, deine Sichtweise. Natürlich ist so ein wenig die reverse Entwicklung mitgedacht, die junge Frau vs die alte Frau, und das Mitdenken der Jugend oder Jugendlichkeit, die neue, frische, supergeile Phase der Verliebtheit, vs Haus und Auto und Wein, also alles konträr, und er ist mittendrin und kommt doch nie an, ist also, wie du sagst, verloren.

Danke dir sehr für deinen Leseeindruck!

@Nichtgeburtstagskind

Wozu sind diese Sätze?

Ich denke an Atmosphäre. Er steht da, der Text wird vorgelesen, er lässt den Blick schweifen, dann sieht er sie. Ist das mißverständlich?

Dass seine Gedanken während der Fahrt zu ihr wandern finde ich passend. Hier nicht. Er hatte fast einen Unfall und dann denkt er an ihre Küsse, die Verschmelzung?

Genau, so sind die Männer! :D Also, nein. Es ist ja so, er weiß oder ahnt, was passiert ist, und es ist ein Gedanke, der ihm kommt, der ihn ablenkt. Aus dieser Perspektive kann ich das aber ja nicht schreiben, sozusagen einen begleitenden Kommentar, sondern muss es so stehen lassen. Das ist sicher unbewusst, was er denkt, aber ich kann es eben nicht so nennen: Ach, das denke ich jetzt aber nur unbewusst, weil ich verdränge, was passieren wird!

Das verstehe ich nicht. Fliegt da Gras durch die Luft?

Nee, da soll betonen, dass die Straße schmal ist, und das Gras im Grunde, wie bei einer Serpentine, an den Seiten hochwächst. Es ist also keine befestigte Straße. Eventuell muss ich das klarer machen, und Wirtschaftsweg oder so. Wäre das besser, leichter verständlicher?

Mir war erst nicht klar, dass da ein Kitz im Bauch ist. Ich dachte, es wäre das Herz der Ricke das noch schlägt.

Ich glaube, das habe ich extra gemacht. Er weiß, was es ist, und das ist wieder der Perspektive geschuldet, dass er sich nicht selbst kommentieren kann und somit dem Leser etwas mitteilt. Das müssen brachiale Aussagesätze sein, gemeißelt in Stein. Der Leser, wenn er dranbleibt, bekommt das nachher mit, und wenn es der letzte Satz ist, wo er stoppt und kurz denkt, aha, Moment.

Hier würde ich entweder konkreter werden, also zum Beispiel „Steine kullern hinab, dann ist sie weg.“ oder die Sätze weglassen.

Auch hier. Er rollte sie ja schon über den Grat, dann verschwindet sie in der Dunkelheit. Dieses Hinabfallen, Kullern, dieses fast nicht zu beschreibende Geräusch, das, so finde ich, muss unbedingt ausgelassen werden, also den Akt des Fallens, dieser Aufprall, nur das Geräusch erwähnen (Sinn wäre hier, dass der Leser es sich mitdenkt) und dann das lakonische Sie ist weg, das hat ja auch noch eine andere, eine symbolische Bedeutung, in beide Richtungen.

Wieso nur den Schemen? Ist das Glas milchig? Sind da Vorhänge?

Ja, Schemen hinter Fenstern, bei Dunkelheit, gedämpfter Beleuchtung - muss ich klarer machen.

An die Brustwarzen von Nigel? :Pfeif: Natürlich nicht, Nigel ist ein Mann. Trotzdem finde ich die beiden Sätze hintereinander unglücklich.

Hahaha, verstehe ich. Ich dachte, es erschließt sich, weil er sie auf dieser Ausstellung von Nigel kennengelernt hat. Muss ich nachbessern.

Sehr abgebrüht die beiden. Es scheint als wäre da nicht mehr viel, als hätten beide schon längst mit der Beziehung abgeschlossen.

Vielleicht zu abgebrüht, ich weiß nicht. Sie haben abgeschlossen, wie bei einem Duell wollte keiner ziehen, und jetzt ist es passiert. Ich habe solche Gespräche schon so, in diesem Duktus und Ton geführt, ohne großes Drama, klar und sachlich, weil man weiß, was passiert.

Das finde ich irgendwie befremdlich.
Er hat die Nummer unter einem falschen Namen abgespeichert.

Das Ende ist mir auch nicht ganz klar. Manchmal fühlt es sich falsch an das Richtige zu tun? Und es war das Richtige das Kitz zu töten und die Beziehung zu beenden, auch wenn es sich Scheiße anfühlt?

Ich denke, dieser Tod hat ihn auf eine gewisse Art und Weise befreit hat, das Kitz war nicht mehr zu retten, eine seltsame Situation zwischen Leben und Tod, vielleicht eine Metapher für seine Beziehung, ein Ruck zur Entscheidungsfindung.

Was dieser Nigel in der Geschichte macht ist mir nicht ganz klar geworden. Könnte es nicht einfach eine Vernissage von irgendwem sein?

Könnte es. Ich bin aber gerne konkret, deswegen habe ich einfach diesen Namen genommen. Aber stimmt, im Grunde ist es egal.

Die Bilder mit der Ricke und dem Kitz im Wechsel mit seiner Affäre, das ist mir irgendwie zu viel und ich begreife auch den Zusammenhang nicht wirklich. Es erscheint mir konstruiert.

Ja, ich kann das verstehen. Man muss da sicher mitgehen, aber ich denke, es könnte so passiert sein, es könnte im Grunde der Auslöser sein, heute sagt man: Trigger, für diese endgültige Trennung. Ich denke da nochmal drüber nach und schreibe nachher noch was dazu, weil ich das sehr wichtig finde und mir diese Geschichte auch selbst sehr wichtig ist. Bis dahin erstmal danke für deinen sehr ausführlichen und guten Kommentar!

Gruss, Jimmy

 

Hi @jimmysalaryman

Ich noch mal.

Ich denke an Atmosphäre. Er steht da, der Text wird vorgelesen, er lässt den Blick schweifen, dann sieht er sie. Ist das mißverständlich?
Mir ist das zu viel. Das zieht mich weg vom Geschehen, es macht Nigel meiner Meinung nach wichtiger als er ist.

Nee, da soll betonen, dass die Straße schmal ist, und das Gras im Grunde, wie bei einer Serpentine, an den Seiten hochwächst. Es ist also keine befestigte Straße. Eventuell muss ich das klarer machen, und Wirtschaftsweg oder so. Wäre das besser, leichter verständlicher?
Ah, okay. So Wege kenne ich nur aus England. So schmal, dass man mit dem Spiegel durchs Gestrüpp fährt. Vielleicht fahren Jäger so Wege öfters. ;) Kannst du nicht einfach schreiben, dass die Reifen durchs Gras oder den Matsch fahren oder so? Fänd ich verständlicher.

Ich glaube, das habe ich extra gemacht.
:D den sie wussten nicht, was sie taten...

Der Leser, wenn er dranbleibt, bekommt das nachher mit, und wenn es der letzte Satz ist, wo er stoppt und kurz denkt, aha, Moment.
Passt für mich, wollte dir nur meinen Eindruck dalassen.

Er hat die Nummer unter einem falschen Namen abgespeichert.
Klar. Aber Geliebte und Drückjagd. Das hört sich weird an. Ist vielleicht nur mein Empfinden. Vielleicht ist es auch grade gut, weil es so abwegig ist.

Liebe Grüße,
NGK

 

Hi, @jimmysalaryman

Eine Geschichte, die ich sehr gerne gelesen habe. Ja, ich sage mal, es hat sogar Spaß gemacht. Spaß, die Puzzleteilchen wiederzufinden und die Menschen zu erkennen. Deshalb schreibe ich Dir auch nur ganz kurz – es wurde jetzt ja schon einiges gesagt.

Sie ist Sechsundzwanzig.

Nur eine Kleinigkeit: "sechsundzwanzig" wird klein geschrieben.

„Ist nicht so einfach.“
„Doch“, sagt sie. „Ist es. Es ist so einfach.“
„Ist alles nicht so einfach, ich …“
„Doch“, unterbreche ich sie. „Ist so einfach.“

Das hier meine ich mit Puzzleteilchen. Das fand ich total spannend zu entdecken. Vor allem frage ich mich, was das bedeutet. Wahrscheinlich, und das ist die wirklich erstaunliche Erkenntnis, die ich heute Morgen gemacht habe, dass der Prot seiner jungen Geliebten glaubt. Obwohl das, was sie sagt, wirklich nach einer jungen Geliebten klingt, ergibt es in seinem Kopf und in seiner Situation Sinn.

Obwohl ich also zu Anfang überhaupt nicht ernstgenommen habe, was sie sagt, hat Dein Prot das getan, und er ergänzt noch einige Informationen, sodass es passt. Das finde ich großartig. Das zeigt, dass diese Beziehung nicht so plakativ ist, er ist der Ältere, sie die Jüngere. Aber wir sind ja auch in Deiner Geschichte, natürlich hat das alles seine Facetten. :)

Trotzdem fehlt mir etwas. Ein Gefühl, was ich brauche, um mich weiter auf Dich einzulassen. Das Gefühl, dass ich alles von dir will. Dass es für mich keine Grenzen gibt. Eine gewisse Form der Bedingungslosigkeit.

Ich kann übrigens genau sagen, welche der Frauen mich am meisten fasziniert. Wir sind ja jetzt altersmäßig nicht besonders weit auseinander, und als ich ihre SMS gelesen habe, habe ich echt die Augen verdreht. Ich kenne so viele Mädels, die genauso sind.

Die eben etwas Großes suchen, Lebensveränderndes, für immer Aufregendes. Zumindest beobachten mein Freund und ich (wir sind ja üble Spießer, die ein Auto gekauft haben und abends vor dem Fernseher einschlafen) seit Jahren, wie in unserem Freundeskreis Paare zusammenkommen und sich wieder trennen. Meistens aus den Gründen, dass irgendwas fehlt. Vor einigen Wochen erst hat meine Schwester mir erzählt, was für ein furchtbarer Langweiler ihr Freund sei, und das ist nicht das, was sie sich für den Rest ihres Lebens vorstellt ...

Was sie und viele meiner Freundinnen sich für den Rest ihres Lebens vorstellen, ist wohl ein Leben voller Spannung, eine Beziehung wie eine Achterbahn. Das normale Leben nach dem Verliebtseinshoch fühlt sich wie ein tiefes Loch an. Und ich HASSE es, wenn ich mir wieder so eine Story anhören muss. Ich rolle mit den Augen. Fand ich also sehr scharfsinnig beobachtet hier. Das ist wahrscheinlich auch absolut nichts, worauf man eingestellt ist, wenn man schon älter ist, ne?

Dann tat mir Dein Prot wirklich leid. Aber ich denke auch: Er wird das schon machen. Hoffentlich ist es wirklich so einfach.

Aufregende Grüße,
Maria

 

Die eben etwas Großes suchen, Lebensveränderndes, für immer Aufregendes.

@TeddyMaria ,

hat mich wieder sehr gefreut. Ja, ich glaube, das ist schon eine Sehnsucht, von Männern und Frauen gleichermaßen, es ist ein Zurückblicken und auch ein wenig das Gefühl, dass man selbst jung ist. Natürlich kann ich alter Sack mich immer noch in Kneipen und Bars volllaufen lassen mit ein paar dudes und coole Sprüche bringen, aber es wirkt dann sehr oft deplatziert und dumm, und wenn du einmal den Filter eingeschaltet hast, und dich selbst von außen betrachtest, dann ist es genau das in den Augen aller anderen. Ich hatte mal eine Situation, wo mir eine Ü50 erzählt hat, sie hänge NUR mit jüngeren rum und sie würde im Club unter diesen jungen Menschen NULL auffallen. Das ist natürlich reichlich dämlich, weil du selbst glaubst diese Lüge vielleicht ganz gerne, aber JEDER andere sieht, wie alt du wirklich bist. Die Konstellation hier in dieser Story ist ja insofern anders, weil es keine offensichtlichen Gründe für irgendetwas gibt, es wird nicht gesagt, warum klappt es da nicht in der Beziehung oder Ehe, was ist da schief gelaufen? Man sieht das auch immer bei den Stories von Carver, da trennen sich Paare irgendwann und ES IST IMMER SO, es wird als Tatsache hingenommen, irgendwann trennen sich Paare eben, nix Dulles, nichts für die Ewigkeit, und deswegen auch dieser Satz von ihr am Ende. Da sind schon viele Anspielungen drin, vielleicht schon zu viele, es soll ja kein Trick sein, aber hier dachte, komm, jetzt, schlägste mal über die Stränge.

Solche Frauen sind anziehend, aus eben den von dir genannten Gründen. Es ist ein aus dem Trott bringen, es ist auch ein Wiedererleben, du lernst eine neue Welt kennen, und zeigst etwas aus deiner, vor allem ist das intensiv, weil sich als neu anfühlt und dieses Gefühl eben unschlagbar ist, das Beste. Du kannst keinem erzählen, wie es ist, 15 Jahre in einer Beziehung zu sein (oder länger), weil die Zeit auch die Menschen auswringt und auf die Essenz runterkocht, da beweist sich dann Liebe, also dieser Gesamtkomplex, Love is an ancient disease.

Ja, sind viele gute Gedanken zu dem Text, die du dir gemacht hast. Ich finde das sehr interessant, wie der Text aufgenommen wird, wie der analysiert wird, das bringt mir sehr viel. Ja, vielen Dank für deine Zeit und deinen Kommentar!

Gruss, Jimmy

wird fortgesetzt!

 

Ah, okay. So Wege kenne ich nur aus England. So schmal, dass man mit dem Spiegel durchs Gestrüpp fährt. Vielleicht fahren Jäger so Wege öfters. ;) Kannst du nicht einfach schreiben, dass die Reifen durchs Gras oder den Matsch fahren oder so? Fänd ich verständlicher.

Hey, @Nichtgeburtstagskind

hast natürlich Recht. Ich zweifele immer noch, wie viel ich von so einem Jäger-Idiom hier einbauen kann und sollte, damit es verständlich bleibt. Du hast Recht, ich nehme ein Bild was man besser sieht, was sofort hängenbleibt.

Mir ist das zu viel. Das zieht mich weg vom Geschehen, es macht Nigel meiner Meinung nach wichtiger als er ist.

Ja, da ist sicher was dran. Ich dachte, ich bleibe konkret, auch wegen dem Dialog am Ende, wo sie ja auch konkret diesen Namen nennt, und auch so etwas als Gegensatz zu seiner Welt, die ja anders beschaffen ist, fundamental anders, als die Welt um ihn herum. Überlege ich mir, ob ich das unbedingt brauche.

Ja, danke dir sehr für deine Rückmeldung nochmals, super.

Gruss, Jimmy

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey jimmy,

scheint ein Trend derzeitig zu sein, eine zweite Ebene über Tiere zu öffnen. Spinnen, Ratten, Rehe ... :).
Habe ich gern gelesen, aber mach ich ja eh mit deinen Texten, vor allem, weil ich mich hier auch mal im "Personal" wiederfinden kann. Ich bin hier ganz mit der weiblichen Leserschaft, also der weiblichen Lesart. Und ich kann mich eigentlich nur RinaWu anschließen, in allem was sie sagt.

„Warum trennt ihr euch nicht, wenn da nichts mehr ist?“
Mondlicht fällt durch die Spalte im Vorhang.
„Ist nicht so einfach.“
„Doch“, sagt sie. „Ist es. Es ist so einfach.“

Starke Stelle. Steckt auch so viel drin. Die Naivität der Jugend vs. der Gewohnheiten des Alltags im Alter. Die sind zwar langweilig, aber man geht nicht verloren.

Der Künstler, dessen Werke an diesem Abend präsentiert wurden, hieß Nigel. Nigel war anwesend, wollte aber nicht mit dem Publikum sprechen.
:D

Ein paar Tage danach schrieb sie mir eine SMS: Ich hab so ein krasses Nähebedürfnis. Ich weiß, dass du das nicht erfüllen kannst, ich wollte dich das nur wissen lassen.
Die ist so krass. Mit so viel Gefühlsüberschuss, dass man das sogar an Fremde verteilt, verstehe schon, was ihn reizt, wo er doch auch gerade so leer davon ist.

Im Sommer habe ich dort ein paar Wochen in einem gemieteten Wohnwagen verbracht. Ich wollte einfach nicht mehr streiten. Seltsame Tage. So ruhig, dass ich nicht einschlafen konnte.
Dicht und sau gut.

Mitten im schartigen Gewebe sehe ich die Bewegung, ein regelmäßiges, rhythmisches Zucken. Das Schlagen eines Herzens.
Shit.

In dem Wohnwagen, den ich im vergangenen Sommer gemietet habe, schlief ich manchmal komplett angezogen - Hemd, Jacke, Blundstones. Ich habe mich einfach so hingelegt, es war mir egal.
Eine kleine Rebellion. Ach je, und trotzdem redet man sich da die große Freiheit rein. Aber genau so ticken wir.

Die Küchenszene mag ich voll gern. Die beiden, wie sie da kämpfen und resignieren in einem. Das Schicksal annehmen und doch nicht. Ich finde die das Herzstück. Reh hin, Reh her, Leben ist nicht endlos und so, manch einer erhält nicht mal die Chance, das transportiert schon viel, da kann man sich auch schön dran abinterpretieren, aber die Küche ist so verdammt real, so echt, so tot eigentlich, ach, ich bin ganz entzückt. Ich könnt auch jeden Satz zitieren und toll drunter schreiben. Ach Scheiß, ich schreib gleich noch ne Empfehlung. Nur dafür schon.

„Doch“, unterbreche ich sie. „Ist so einfach.“ Ich trinke einen Schluck, stelle die Flasche auf den Tisch und hole die Schachtel Zigaretten aus der Hemdtasche. „Ich zieh wieder in den Wohnwagen, und dann … “
„Einfach so?“
„Ja.“
...
Wir sehen uns schweigend an.
„Und du willst wirklich in diesem Wohnwagen leben?“
Ich zünde mir eine Zigarette an, nehme zwei, drei Züge, asche in den Kronkorken. „Ist doch der Wohnwagen von meinem alten Freund Hannes … nein, schon okay, ich mag es, und ist ja auch nicht für ewig.“
„Nein“, sagt sie. „Ist nicht für ewig.“
Das ist so gut! Wir machen jetzt hier mal eben Schluss, aber es endet mit ist ja auch nicht für ewig. Kann man natürlich auch anders lesen, aber ich denke, für die beiden ist es vielleicht länger als der letzte Sommer und wer weiß, aber eigentlich glaube ich denen nicht. Ihm jedenfalls nicht. Der kommt mir nicht willens genug vor. Ich glaub, der ist einfach gerade nur total überfordert und müde. Und sie ist ja eh nicht von überzeugt.

Ich bin echt keine gute Kritikerin für deine Texte. Ich lese die einfach zu gern. Nicht immer und alle, aber den hier schon sehr.

Schönen Tag Dir noch!
Fliege

 

Ich finde die das Herzstück.

Hey @Fliege,

erstmal danke ich dir für die Empfehlung, echt toll.

Das ist seltsam. Ich habe diesen Text bei einer Face-to-Face Schreibgruppe am Start gehabt, und da waren zwei junge Frauen, so Anfang 20, eine hatte in Hildesheim studiert, und sie fand den Text handwerklich super, hat aber den Typen gehasst, also der sei ein totales Macho-Arsch, und am besten würde das wohl die Stelle mit der Cola beschreiben, eiskalt und zuckersüß. Das fand ich krass, die waren so richtig empört. Sie argumentierte, die Frauen würden nur passiv bleiben, was ich ja überhaupt nicht so finde, aber egal, jedenfalls war es eine frische Sicht der Dinge.

Ich finde es gut, wie du das Ende liest, dass eventuell gar nicht so eindeutig ist. Dieser Dialog am Ende, der hat sich schon so etwas zum Kernstück gewandelt, zuerst dachte ich ja, es ist das Reh, aber das ist nur ein Effekt, wobei diese Szene in der Küche natürlich einfach realistischer ist, mehr Aussagekraft hat. Diese Ricken-Szene ist natürlich ein Symbol, das Leben im Toten, was dann doch nicht geboren wird, da steckt halt der Kern drin, aber der Dialog ist halt schon so was wie das Aufdröseln, und es ist ja schmerzhaft, dabei zuzusehen, wie das so Schlag auf Schlag geht. Ich dachte auch zuerst, das geht vielleicht zu schnell, aber ich denke, es eskaliert ja nicht ins Unmögliche, sondern es zerbricht etwas, das jahrelang Bestand hatte und auch ausgehöhlt wurde, da ist diese Entwicklung mitgedacht, und es ist im Grunde unspektakulär.

Ja, toller Kommentar von dir, ehrt mich natürlich, wenn dir der Text so gut gefallen hat, dass du ihn empfohlen hast.

Gruss, Jimmy

 

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