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Copywrite Das Dunkle in mir

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09.09.2015
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Das Dunkle in mir

Weiches Licht fällt durch die Dachfenster und verzaubert Marie in ein ätherisches Wesen. Sie hat die Haare nachlässig hochgesteckt, blonde Löckchen kringeln sich im Nacken, einige ruhen auf den nackten Schultern. Der Rock ist in kunstvollen Falten zwischen ihren gespreizten Beinen drapiert. Mit dem aufgestellten Fuß wippt sie unruhig. Sie bläst eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

„Halt doch mal still, Marie!“, sage ich und kaue auf dem Pinselstiel herum.
„Langsam tun mir die Knochen weh. Ich hab jetzt lang genug so gesessen.“ Sie dehnt sich ausgiebig und sendet mir einen Blick, der Funken schlägt.
„Nur noch ein paar Minuten, Kleines. Bitte!“ Ich schäme mich für meine Worte und den Tonfall, in dem etwas Flehendes, Verzweifeltes mitschwingt. Und ich hasse die Stimme in mir, die mir unablässig einflüstert, dass es mir nie gelingen werde, Maries Vollkommenheit zu konservieren, sie unvergänglich und unvergesslich zu machen. Nicht in hundert Jahren. Die Wirklichkeit würde meine Bilder immer Lügen strafen.
Dabei war ich mir sicher, dass mit dem Auftauchen von Marie die Wende in meiner Laufbahn begonnen hätte. Ich fand eine Galeristin, die an mich glaubt und meine Bilder ausstellt, und ich bin fest entschlossen, die Chance auf Erfolg und Liebe festzuhalten, die mir das Leben bietet.

Ich bringe das Raunen in mir zum Schweigen, indem ich mich auf den Schwung der dunklen Brauen und den leuchtenden Punkt in ihren Augen konzentriere. Der Punkt, in dem sich die Welt, das gesamte Universum spiegelt, und der die Marie auf der Leinwand zum Leben erwecken soll. Mit feinen Pinselstrichen tupfe ich das weiße Viereck in die Iris, aber Maries Ebenbild bleibt tot.
Ich lege den Pinsel weg, wische mir die Hände an einem Tuch ab und gehe zu Marie.
Sie lächelt und rafft den Rock hoch. „Ich hab mich schon gefragt, wie lange ich noch warten soll.“
Ich streichle ihre Schenkel, vergrabe mein Gesicht in ihrem Schoß. Sie wirft den Kopf zurück und stöhnt.
Dann trage ich sie zur Matratze, die in einer Ecke des Ateliers liegt, seit mir Marie Modell steht. Ich küsse Hals und Schultern. Maries Duft nach frischen Erdbeeren macht mich fast wahnsinnig.
„Liebst du mich?“ Ich schaue ihr tief in die Augen, als könne ich sie zwingen, das zu sagen, was ich hören will.
„Du kennst die Antwort“, sagt sie ernst.
„Du bist wunderschön.“
„Was hab ich davon? Neidische oder lüsterne Blicke. Keiner interessiert sich dafür, wer ich wirklich bin.“
„Doch, ich“, sage ich mit einer Feierlichkeit, die mir fremd ist.
„Schön sein macht einsam, David. Ich will aber nie wieder einsam sein.“
„Wirst du nicht.“ Ich halte dich in der Dunkelheit. “Ich liebe dich.“
„Auch, wenn ich mein Examen nicht schaffe, weil ich nur noch im Atelier sitze?“ Sie grinst mich an.
„Für immer und ewig.“

Als wir uns schwitzend und keuchend aus den Kissenbergen schälen, steht die Welt in Flammen. Marie tritt an die Fenster und betrachtet das Schauspiel. „Zum Fürchten schön“, sagt sie.
Wie sie so vor dem roten Feuer des Himmels steht, in ihrer Anmut und Zerbrechlichkeit, hinter der sich eine geheimnisvolle Kraft zu verbergen scheint, würde ich sie liebend gerne malen. Aber etwas lenkt mich ab, irritiert mich. Marie leuchtet ebenfalls. Die zarte Haut am Hals sowie Arme und Rücken sind von einer Landkarte aus leuchtend roten Pusteln überzogen.
Ach, du heilige Scheiße! „Was ist denn das?“
„Was denn?“, Marie dreht sich zu mir um.
„Sieht aus wie ein Ausschlag. Juckt das denn nicht?“ Ich will die Stellen berühren, überlege es mir aber anders.
„Wird schon nicht so schlimm sein. Vielleicht eine allergische Reaktion auf deine dämliche Ölfarbe.“
„Und die Vernissage?“
„Ach, bis dahin ist das längst weg.“ Marie grinst wieder und läuft ins Bad. „Aber wenn du mich wirklich liebst, …“ Den Rest verstehe ich nicht, weil sie schon die Tür hinter sich geschlossen hat.
Einer ersten Eingebung folgend, greife ich nach dem Handy, das mir beinahe aus den Händen gleitet.

Seit Stunden sitzen wir nun schon im Wartezimmer und sehen zu, wie Patient für Patient ins Sprechzimmer verschwindet. Ich habe meinen ganzen Charme aufbieten müssen, um kurzfristig den Termin bei dem Hautarzt zu bekommen. Und Marie hat sich erst kindisch geweigert und mir einen Vogel gezeigt, später aber mir zuliebe dem Besuch zugestimmt.
Außer uns wartet nur noch ein junger Mann, der Marie ungeniert anglotzt. Ich bin es gewohnt, dass Marie bewundernde Blicke auf sich zieht. Und normalerweise stört es mich nicht, im Gegenteil, ich finde es aufregend, ja sogar erregend und oft kann ich gar nicht erwarten, dass wir nachhause kommen. Aber dem Pickelgesicht würde ich am liebsten die Fresse polieren.
Marie rutscht auf dem Stuhl hin und her. Sie kratzt sich am Ellenbogen. Endlich wird sie aufgerufen. Marie schwebt über die Fliesen - als schreite sie über einen Laufsteg - und dreht sich noch einmal nach mir um. Sie wirkt amüsiert. Die Tür zum Sprechzimmer öffnet sich wie ein zahnloses Maul und verschluckt Marie.
Zum ersten Mal spüre ich eine diffuse Besorgnis, sie könne für immer entschweben.

Eine warme Hand liegt auf meinem Arm und rüttelt mich sanft. „Hallo! Aufwachen!“ Die dunkle Stimme gehörte der Sprechstundenhilfe. „Was machen Sie denn noch hier?“
Ich war weggedöst und antworte benommen. „Ich warte.“
„Die Sprechstunde ist längst vorbei.“
„Aber, wo ist denn …“
„Sie müssen jetzt gehen! Bitte! Ich muss abschließen.“
Während ich zum Fahrstuhl gehe, sehe ich, dass es bereits dunkel wird.

„Hier ist Marie. Stopp! Nur meine Stimme. Hinterlass mir einfach eine Nachricht!“
„Verdammt, Marie. Wo bist du denn?“ Gefühlte hundertmal habe ich auf die Mailbox gesprochen. Aber sie ruft nicht zurück. Die Wut kommt in kleinen Wellen, schwappt heiß über mich hinweg und lässt geballte Fäuste zurück, die nur noch zuschlagen wollen. Es fehlt nicht mehr viel und ich knalle das Scheißhandy an die nächste Wand und zermalme die Einzelteile unter meinen Sohlen zu Staub.
Die letzten Meter bis zu unserem Haus renne ich. In diesem Moment schwöre ich mir, wenn ich sie finde, dann gnade ihr Gott.
Schon von Weitem erkenne ich, dass in der Wohnung kein Licht brennt. Ich stürme ins Treppenhaus, rempele die Alte aus dem Parterre an, reiße die Wohnungstür auf und rufe Maries Namen. Das Echo wird von den Wänden zurückgeworfen.
Dass ich nicht gleich an mein Atelier gedacht habe. Ich hetze die Stufen nach oben und öffne mit zitternden Fingern das Schloss. Der Geruch von Terpentin liegt in der Luft. Ich lausche in die Finsternis und höre nur meinen fliegenden Atem. Dann ein Rascheln, ein Knistern.
Gerade als ich die Deckenleuchte anschalten will, dringt das Flüstern an mein Ohr. „Bitte lass das Licht aus!“
Marie. Nachdem sich meine Augen an die Düsternis gewöhnt haben, erkenne ich auf unserer Matratze eine Wölbung, einen dunklen Fleck im Grau der Schatten.
„Mir ist so kalt. Kannst du mich wärmen?“
Mit steifen Bewegungen gehe ich zu ihr und lege mich neben sie. „Was machst du denn für Sachen? Warum bist du ohne mich gegangen?“ Meine Worte klingen vorwurfsvoller, als ich es beabsichtigt habe. „Was hat denn nun der Arzt gesagt?“
Sie schweigt, legt den Kopf auf meine Brust und kuschelt sich an mich. Ab und zu wird ihr Körper von Zuckungen geschüttelt und ich glaube, ein Wimmern zu hören. Ich liege wie ein Brett und starre in die sternenklare Nacht.
Ich halte dich in der Dunkelheit.
Nach einer Ewigkeit sagt sie: „Die Antworten wirst du selber finden, David.“

Noch bevor ich die Augen aufschlage, steigt mir ein fremder Geruch in die Nase. Nach faulen Eiern, nach undichtem Siphon.
Ich schiebe die Decke weg, erhebe mich ungeschickt und taumle rückwärts. Ich will schnell eine große Distanz zwischen mich und das stinkende Bündel bringen, das auf der Matratze zusammengerollt schläft. Ich stoße an die Staffelei, der halbfertige Akt von Marie kracht auf den Boden. Die Gestalt zwischen den Kissen erwacht und kriecht auf allen Vieren auf mich zu. Die Haare hängen aschfahl und strähnig herab. Gesicht, Hals und Schultern sind von eitrigen Pusteln übersät. Ein perverses Meisterwerk aus Körpersäften.
„Du bist schon wach, David?“
Die Augen starren mich aus schmalen Schlitzen an. Die winzigen Spiegel in den Iriden suche ich vergeblich. Ich kann nur zurückstarren.
„Was ist mit dir, hast du einen Geist gesehen?“, fragt das Monster.
„Du siehst gefährlich aus. Tut das denn nicht weh?“ Ich widerstehe dem Drang, mich zu schütteln.
Das Monstrum schiebt die Ärmel des Shirts hoch, tastet über sein Gesicht und verschwindet wortlos im Bad. Ich höre nur ein Stöhnen, obwohl ich mit einem Schrei der Verzweiflung gerechnet habe.
Dann öffne ich ein Fenster, ein zweites, aber der Gestank steht wie festverwurzelt im Raum und legt sich bereits wie ein schmieriger Film auf meine Haut. Abwaschen, denke ich nur, bevor er in jede Pore eindringt und mich infiziert. Wie ein Irrer falle ich über das Bettzeug her, es muss schnellstens abgezogen und verbrannt werden. Alles soll in Flammen aufgehen. Ich verheddere mich in den Decken, die ich in den Hof werfen will, und stürze. Das Ölbild liegt vor mir und Marie schaut mir tief in die Augen. Mit einem Mal legt sich Scham über meine Raserei. Die Übertreibung ist die kleine Schwester der Paranoia, sage ich mir und werfe die Zudecken zurück auf unser Lager. Sicher gibt es eine einfache Erklärung für Maries Krankheit und bestimmt wird sie bald wieder gesund und sowieso werden Äußerlichkeiten total überschätzt und vielleicht hat alles einen tieferen Sinn und … Die ganze Welt kann mich mal. Außerdem hat Marie nur mich. Ich halte dich in der Dunkelheit. Eine ausgiebige Dusche kann Wunder bewirken.
Marie steckt den Kopf aus dem Bad. „Sieht nicht so rosig aus, was?“
„Na ja, das wird schon wieder.“ Es ist mir nicht möglich, ihr ins Gesicht zu schauen.
„Was machen wir denn jetzt? Heute Abend muss ich wohl passen“, entschuldigt sie sich. „Schade.“
„Die nächste Vernissage kommt bestimmt“, sage ich. Selbst daran kann ich nicht glauben.

Durch die Ausstellungsräume wabert Gemurmel. Es ist warm und eine unangenehme Feuchtigkeit hängt wie eine dichte Wolkendecke aus Parfüm und menschlichen Ausdünstungen über den geladenen Gästen. Sie stehen in kleinen Gruppen, plappern, kichern, schlürfen Sekt oder deuten mit ausgestreckten Fingern auf meine Werke. Niemand hat mein Erscheinen bemerkt.
Mit Marie an meiner Seite wäre es natürlich ein spektakulärer Auftritt geworden. Marie, die Sensation des Abends, die alles bisher Dagewesene in den Schatten gestellt hätte. Aber ich habe sie in der Wohnung eingeschlossen. Es ist die einzige Möglichkeit, um zu verhindern, dass sie mir folgen und mich zum Gespött machen kann.
Ruth, die Besitzerin der Galerie, stakst mit zwei Gläsern Sekt auf mich zu und reicht mir eins davon. Mit ihren hohen Pfennigsabsätzen überragt sie mich um einen halben Kopf.
„Wo hast du denn deine Muse gelassen?“
„Irgendetwas ist ihr nicht bekommen.“
„Weißt du, was man munkelt?“ Ihr Blick erinnert mich an einen Raubvogel, der seine Beute schon im Visier hat. „Du würdest ihr bald den Laufpass geben.“
„Gerüchte. Darauf würde ich keinen Pfifferling wetten.“ Ich leere das Glas in einem Zug.
„Auf deinen Erfolg!“ Sie prostet mir zu. „Die Leute sind ganz versessen auf deine erotischen Skizzen. Ich hab’s gewusst, deine kleinen Schweinereien schlagen ein wie eine Bombe.“ Ihr Lachen klingt wie das Klirren der Sektflöten. Sie beugt sich zu mir, kommt nah an mein Ohr und raunt: „Es knistert, spürst du das, David?“
Ich lasse sie stehen und hole mir vom Büffet noch ein Glas, dessen Inhalt ich hinunterstürze.

Wohin ich schaue, die Wände lückenlos mit Marie behängt, der makellosen Marie, sitzend, stehend, liegend. Ihr sinnlicher Mund lächelt, die weichen Hände streicheln ihren Körper. Marie, zart, unerschütterlich, unverbraucht. Die Sehnsucht nach dieser Frau bringt mich fast um den Verstand. Ich habe keine Mühe, sie mit all den fremden Menschen zu teilen. Ich ertrage die gierigen Blicke auf Maries entblößter Haut, spüre, wie sie ihr den letzten Fetzen Stoff von Leib reißen und in sie eindringen.
Ein unvernünftiger Stolz wuchert in mir. Schaut nur ihr Bastarde, das ist die Frau an meiner Seite, will ich rufen. Bis mir klar wird, dass Marie vielleicht nie mehr dieselbe sein wird. In Zukunft bekäme ich eitrigen Schorf und tiefe Krater zu sehen. Ein Netz aus lila Spinnfäden würde das helle, wulstige Narbengewebe auf Gesicht, Hals und Schultern bedecken.
Die Marie auf dem Gemälde, neben dem ich stehe, beginnt sich zu bewegen, sie streift sich lasziv einen Träger von der Schulter, fährt sich mit der Zunge über die Lippen, flüstert unverständliche Worte. Dann kratzt sie sich. Ihre Augen funkeln. Die hellen Punkte blitzen. Marie lebt. Die Punkte blähen sich auf, die getrocknete Farbe dehnt sich aus, so dass tiefe Risse entstehen, aus denen gelber, fetter Eiter quillt.
Ein Gestank von faulem Fleisch verbreitet sich, nimmt mir die Luft. Die Kreatur auf der Leinwand lacht. Mir wird schwindelig und ich stütze mich an der Wand ab. Die Farben beginnen zu verschwimmen und ineinanderzufließen, sich mit Blut zu vermischen. Die Schlieren laufen über die Leinwand, tropfen aufs Parkett, wo sie eine stinkende Pfütze bilden. Ein Aquarell des Grauens.

Mein Schaffen löst sich vor meinen Augen auf. Fassungslos spüre ich, wie sich der Raum um mich dreht und mich in die Tiefe reißen will. Ich muss hier raus.
„David“, höre ich Ruth hinter mir rufen, oder vielleicht ist es Marie. Fahrt zur Hölle, alle!

Marie, oder das, was die Seuche von ihr übrig gelassen hat, wartet auf mich in der Wohnung, sie sitzt auf dem Boden und beobachtet die Flamme einer einsamen Kerze. Das flackernde Licht lässt die Schatten tanzen.
Sie sieht zu mir auf und flüstert: „Küss mich, David!“
Das funktioniert im Märchen, da verwandeln sich Frösche in Prinzen, aber in meiner Welt kann ein Kuss aus einem Monstrum keine begehrenswerte Nymphe machen.
„Du musst mich küssen!“
Als ob uns ein Kuss von dem bösen Fluch erlösen kann. „Sag mal, spinnst du? Hast du dich schon mal im Spiegel betrachtet?“ Meine Stimme zischt gefährlich. „Ich kann dich nicht mehr riechen.“
„Morgen werde ich ausziehen“, sagt sie ruhig.
„Morgen“, schreie ich, „morgen geh’n wir noch mal zum Arzt. Und wenn ich dich an den Haaren hinzerren muss. Aber vorher werde ich dich gründlich waschen.“ Ich packe sie an den Handgelenken und schleife sie über den Boden ins Bad. Immer wieder entgleitet sie mir, die Haut fühlt sich heiß und glitschig an. Ich zerre ihr Shirt und Slip herunter, stelle sie unter die Dusche und drehe das heiße Wasser auf. Alles würde ich abwaschen: die Krankheit, den Gestank, die Gefühle. Ich schrubbe Schultern, Arme, Rücken. Ohne Seife. Nur mir meinen Händen. Nur mit meinen Nägeln. Marie wimmert, doch sie wehrt sich nicht. Erst als sich das Wasser, das in den Abfluss gurgelt, rot färbt, lasse ich von ihr ab.
Mit letzter Kraft flüstert sie: „Ich liebe dich, David.“
Ich sinke neben sie und weine lautlos.

„David!“
Es fällt mir unendlich schwer, den Kopf zu heben und die Augenlider zu öffnen. Das Hemd klebt tropfnass am Körper. Mein Verstand versucht verzweifelt, aus Satzfetzen, farbigen Schnipseln und Gefühlssplittern ein Bild zusammenzusetzen. Allmählich tröpfelt Begreifen ins Hirn.
Nur ein böser Traum.
„Komm lass uns gehen!“ Die Stimme ist hell. Sie sitzt in meinem Kopf und hämmert an die Schädeldecke, bevor sie sich in einen harten Wasserstrahl verwandelt und auf mich einprasselt. Erschrocken fahre ich hoch. Marie liegt neben mir, sie schläft, nackt und blass. Ich drehe das Wasser ab, dabei fällt mein Blick auf meine Hände, feingliedrig und schmal, mit dunkelbraunen Rändern unter den Fingernägeln.

 

Liebe peregrina,

kannst du noch schnell mitteilen, welche Geschichte von M. Glass du als Vorlage hattest?

Danke!
speedy

 
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Es hilft ja alles nix, wer A sagt, muss auch C(opy) sagen.

Hier findet ihr das Original Eigentlich egal von M. Glass.

Lieber M. Glass, hoffentlich bist du nicht enttäuscht, was aus deinem David geworden ist.

 
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Hey peregrina,

eine wirklich schöne Vorlage hast Du Dir da ausgesucht. Ich fand das Thema ja damals schon spannend. Du hast es nicht variiert oder einen anderen Schwerpunkt gesetzt, Du hast es übernommen und jetzt kommt, was mir ein bisschen ausstößt, man im Zuge des CW aber des öfteren zu Lesen bekommt, Du erzählst die gleiche Geschichte mit anderen Worten. Das ist für mich immer ein wenig schwierig zu kommentieren, weil da eben viel was man zur Geschichte zu sagen hat, dem Originalautor zugeschrieben werden muss. Tolles Thema, tolle Figuren ... das ginge alles auf das Konto von Glass. Bliebe also noch die Sprache und das Ende. Ach Mensch, warum denn nur? Warum ein Traum? So Schade!

Lesen tut sich die Geschichte aber schick. Ich mein, dass ist schon ein spannendes Ding mit der Veränderung des Äußerlichen, und wie viel ist dran, an diesem: Ich liebe dich für deine inneren Werte? Den Menschen in Dir, nicht die Hülle, wenn der Hülle doch so viel Bedeutung zugesprochen wird. Und bei dir, da könnte man fast meinen, die Hülle ist alles. Der Glanz, die Muse, ja, am Ende sogar die berufliche Existenz. Das ist ein Punkt, den ich auch in deiner Version spannend fand, mit der Veränderung von Marie geht ja auch sein Motiv, sein Erfolg, seine Karriere flöten, d.h. es spitzt das Drama noch zu. Das fand ich gut! Nur leider ... diese Traumsache. Also, viele mögen ja ein Happy End, aber hier nimmt es wirklich alle Kraft, die in der Geschichte steckt, alles Drama und Dilemma löst sich auf in Schall und Rauch, da klingt auch nichts mehr nach in mir als Leser.

Und normalerweise störte es mich nicht, im Gegenteil, ich fand es aufregend, ja sogar erregend und oft konnte ich gar nicht erwarten, dass wir nachhause kamen. Aber dem Pickelgesicht hätte ich am liebsten die Fresse poliert.
Sehr schön.

Als ich an mein Atelier dachte, wurde es mir siedend heiß. Dass ich nicht gleich auf unser Refugium gekommen war.

Ich weiß nicht, ich habe im Kopf noch die gefühlten 100 Anrufe. Und dann reden wir aber über eine Zeitspanne von einer halben Stunde? Ich mein, er wird geweckt, telefoniert sofort mit der Freundin, statt erst mal zu Hause zu gucken und findet sie ja auch recht schnell im Atelier. Das passt irgendwie nicht. Eher so, wach werden, einmal Marie anrufen, zu Hause gucken, Atelier gucken und dann kommen die Zweifel auf.

Noch bevor ich die Augen aufschlug, stieg mir in ein fremder Geruch in die Nase. Nach faulen Eiern, nach undichtem Siphon.
Ich schob die Decke weg, erhob mich ungeschickt und taumelte rückwärts. Ich wollte schnell eine große Distanz zwischen dem stinkenden Bündel, das auf der Matratze zusammengerollt schlief, und mich bringen. Ich stieß an die Staffelei, der halbfertige Akt von Marie krachte auf den Boden.
Die Gestalt zwischen den Kissen erwachte und stützte sich auf. Auf allen Vieren kroch sie auf mich zu. Die Haare hingen aschfahl und strähnig herab. Gesicht, Hals und Schultern waren von eitrigen Pusteln übersät. Ein perverses Meisterwerk aus Körpersäften.

Schon eine starke Szene. Du hast auch gedreht, dass Marie sich einfach so in ihr Schicksal ergibt, es annimmt und nicht versucht, sich vor ihm zu verstecken. Auch der Zug spitzt sein Drama noch zu. Allerdings wirkt Marie dadurch etwas unglaubwürdiger, aber sei es drum, ich sage mir einfach, vielleicht will sie selbst das Drama gar nicht so wahr haben und versucht daher, es zu ignorieren. Schwer, aber warum einer literarischen Figur nicht diese Vermeidungsstrategie zugestehen.

Das Monstrum schob die Ärmel des Shirts hoch, tastete über sein Gesicht und verschwand wortlos im Bad. Ich hörte nur ein Stöhnen, obwohl ich mit einem Schrei der Verzweiflung gerechnet hatte.

Ja, jeder hätte mit einem Schrei gerechnet.

Die Marie auf dem Gemälde, neben dem ich stand, begann sich zu bewegen, sie streifte sich lasziv einen Träger von der Schulter, fuhr sich mir der Zunge über die Lippen, flüsterte unverständliche Worte. Dann begann sie sich zu kratzen. Ihre Augen funkelten. Die hellen Punkte blitzten. Marie lebte. Die Punkte blähten sich auf, die getrocknete Farbe dehnte sich aus, so dass tiefe Risse entstanden, aus denen gelber, fetter Eiter quoll.
Ein Gestank von faulem Fleisch verbreitete sich, nahm mir die Luft. Die Kreatur auf der Leinwand lachte. Mir wurde schwindelig und ich stützte mich an der Wand ab.

Ein sau starker Absatz.

Aber vorher werde ich dich gründlich waschen.“ Ich packte sie an den Handgelenken und schleifte sie über den Boden ins Bad. Immer wieder entglitt sie mir, die Haut fühlte sich heiß und glitschig an. Ich zerrte ihr Shirt und Slip herunter, stellte sie unter die Dusche und drehte das heiße Wasser auf. Alles würde ich abwaschen: die Krankheit, den Gestank, die Gefühle. Ich schrubbte Schultern, Arme, Rücken. Ohne Seife. Nur mit meinen Händen. Nur mit meinen Nägeln. Marie wimmerte, doch sie wehrte sich nicht. Erst als sich das Wasser, das in den Abfluss gurgelte, rot färbte, ließ ich von ihr ab.
Mit letzter Kraft flüsterte sie: „Ich liebe dich, David.“ Sie blieb reglos liegen.

Und das auch. Die beiden Stellen waren meine Highlights.

Ich sank neben sie und weinte, still und beiläufig.

Und das fand ich schon wieder schade. Nein verdammt! Das brutale, unmenschliche, es soll da stehen bleiben. Kalt und egoistisch und widerlich. Denn so ist er. Weinen könnte er von mir aus auch, aber später oder früher in der Geschichte. Ich hätte es auch cool gefunden, wenn alle Besucher in der Galerie die Bildveränderung mitbekommen hätten - die Reaktionen von denen, und da, ja da hätte er flennen können. Es würde ihn nur noch mehr zum Schwein machen, aber dann wäre er ein richtiges, echtes, so brichst du es ab und an nach dem Motto: Ich bin zwar ein Arsch, aber es tut mir doch leid, ich heule mal ein bisschen. Vielleicht nur mein Empfinden, kann gut sein, andere Leser nehmen es anders auf, empfinden anders, wahrscheinlich sogar ;).

So viel von mir. Bin gespannt, wie sich das hier ausläuft in den Kommentaren.
Liebe Grüße, Fliege

 
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Hallo peregrina,

zuerst etwas Grundsätzliches:
Du lässt deine beiden Protagonisten in eine Horror-Situation geraten: Die schöne Marie, die plötzlich entstellt ist, und David, der Ich-Erzähler, der nicht nur Maries Geliebter ist, sondern dessen Erfolg als Maler auch von der Darstellung ihrer makellosen Schönheit abhängt. Marie wird zu einem hässlichen Monster und stürzt David damit in berufliche und gedankliche Probleme: Was wird ohne die Schönheit Maries aus seiner Karriere? Was wird aus seiner Liebe? Wird er es schaffen, Marie auch als hässliches Wesen zu lieben? Wird er sie ‚auch in der Dunkelheit halten’? Dein Text reißt diese Probleme an, löst sie aber am Ende nicht. Ganz im Gegenteil: Er wischt sie weg, indem sich alles als nur geträumt herausstellt: Das seltsame (an Geschichten von E.A. Poe erinnernde) Geschehen und auch die inneren Konflikte, in die Maries Verwandlung David treibt, sind zum Schluss null und nichtig. Und ich als Leser bin enttäuscht: Gerade noch habe ich mit den beiden gefühlt, mit David gelitten, habe seinen Weg in den Wahnsinn verfolgt. Doch dann: April, April.

peregrina, die Stärke deines Textes liegt in der Gestaltung der seltsamen und zum Ende hin immer absurder werdenden Situation. Obwohl ich weder ein Fan von ‚Seltsam’ noch von ‚Horror’ bin, würde es mir deshalb mehr einleuchten, wenn dein Text auf dieser Ebene bliebe und du als Autor es zuließest, dass die Verwandlung der Schönen in ein Monster David zum Schluss in den Wahnsinn treibt. Mein Vorschlag: Lass den letzten Absatz weg und nimm den vorletzten als das Ende deiner Geschichte:

„Morgen werde ich ausziehen“, sagte sie ruhig.
„Morgen“, schrie ich, „morgen geh’n wir noch mal zum Arzt. Und wenn ich dich an den Haaren hinzerren muss. Aber vorher werde ich dich gründlich waschen.“ Ich packte sie an den Handgelenken und schleifte sie über den Boden ins Bad. Immer wieder entglitt sie mir, die Haut fühlte sich heiß und glitschig an. Ich zerrte ihr Shirt und Slip herunter, stellte sie unter die Dusche und drehte das heiße Wasser auf. Alles würde ich abwaschen: die Krankheit, den Gestank, die Gefühle. Ich schrubbte Schultern, Arme, Rücken. Ohne Seife. Nur mit meinen Händen. Nur mit meinen Nägeln. Marie wimmerte, doch sie wehrte sich nicht. Erst als sich das Wasser, das in den Abfluss gurgelte, rot färbte, ließ ich von ihr ab.
Mit letzter Kraft flüsterte sie: „Ich liebe dich, David.“ Sie blieb reglos liegen.
Ich sank neben sie und weinte still. und beiläufig.

Und noch etwas: Ich frage mich, ob dein Text nicht noch packender würde, wenn du statt des Präteritums alles ins Präsens setztest. Das verschaffte mMn dem Horror, der sich während des Textes andeutet und in der letzten Szene entfaltet, eine noch direktere Wirkung auf den Leser.

Jetzt noch ein paar Gedanken, die mir beim Lesen deines Textes kamen, und die ich dir einfach der Reihe nach mitteilen möchte. Im einzelnen kann man das so oder so sehen. Nimm also für dich mit, was dir einleuchtet:

Weiches Licht fiel durch die Dachfenster und verzauberte Marie in ein ätherisches Wesen.
Es ist natürlich klar, was du hier meinst. Ich fände an dieser Stelle einen Bild-Vergleich besser. Irgendwie ist mir dieses ‚ätherische Wesen’ schon zu oft begegnet.

Im zweiten Absatz gibt es für mich ein Wechselbad der Gefühle des Protagonisten: Erst schämt er sich für sein Bitte um Geduld, dann hasst er sich für seine Unsicherheit, dann ist er sicher, dass sich alles ändern wird. Alles zusammen erzeugt in ihm ein Raunen. Das sagt schon einiges über David und doch lässt es für mich kein klares Bild dieses jungen Mannes entstehen.

Und dann deutest du das Thema deiner Geschichte an:

„Du bist wunderschön.“
„Was hab ich davon? Neidische oder lüsterne Blicke. Keiner interessiert sich dafür, wer ich wirklich bin.“
„Doch, ich“, sagte ich mit einer Feierlichkeit, die mir fremd war.
Schön sein macht einsam, David. Ich will aber nie wieder einsam sein.“
„Wirst du nicht.“ Ich halte dich in der Dunkelheit. “Ich liebe dich.“
„Auch, wenn ich mein Examen nicht schaffen werde, weil ich nur noch im Atelier sitze?“ Sie grinste mich an.
„Für immer und ewig.“

Obwohl Mariel schön ist, ist sie unsicher und ängstlich, weil ihre Schönheit sie einsam macht. Diesen Gedanken vertiefst du im Folgenden nicht weiter, lässt ihn so stehen, wie er hier ausgedrückt wird. Mit ihm unterscheidest du dich von der Vorlage: Wenn ich mich recht erinnere, ist es nicht die Schönheit, die Marie und David einsam werden lässt, sondern ihre Hässlichkeit und die Reaktion der Umwelt darauf.

An einigen Stellen gibt es den einen oder anderen Streichkandidaten, Informationen, die mMn nicht nötig sind oder in anderer Form schon gegeben wurden.

Einer ersten Eingebung folgend, griff ich nach dem Handy, das mir beinahe aus den Händen glitt. Ich stöberte im Adressverzeichnis nach der Nummer von Dr. Habermann und wählte durch. Mein Anruf wurde augenblicklich entgegengenommen.

Seit Stunden saßen wir nun schon im Wartezimmer und sahen zu, wie Patient für Patient ins Sprechzimmer verschwand.

Sie kratzte sich am Ellenbogen. Sie wurde endlich aufgerufen. Die Ansage des Arztes kam verzerrt durch den Lautsprecher.

Um zu vermeiden, dass mehrere Sätze hintereinander mit ‚Sie’ beginnen, vielleicht besser: Endlich wurde sie …

Die Wut kam in kleinen Wellen, schwappte heiß über mich hinweg und ließ geballte Fäuste zurück, die nur noch zuschlagen wollten.
Eine neue Facette an David: Er ist wütend, weil sie sich nicht meldet, möchte in seiner Wut am liebsten zuschlagen. Damit gibst du schon hier einen Fingerzeig auf die brutale Art, mit der David später auf seine Verzweiflung reagieren wird.

Es fehlte nicht mehr viel und ich hätte das Scheißhandy an die nächste Wand geknallt und die Einzelteile unter meinen Sohlen zu Staub zermahlen.
zermahlt (zermalmt?)

In diesem Moment schwor ich mir, wenn ich sie finde, dann lass ich sie nie mehr los.
Hier mMn der Konjunktiv: wenn ich sie fände, dann ließe ich sie ….

Als ich an mein Atelier dachte, wurde es mir siedend heiß. Dass ich nicht gleich auf unser Refugium gekommen war.
Vielleicht besser: Das Atelier fiel mir ein. …
Dieses ‚als’ wirkt so behäbig in dieser Situation.

Sie schwieg, legte ihren Kopf auf meine Brust und kuschelt sich an mich.
Kuschelte

Ich lag wie ein Brett, starrte in die sternenklare Nacht, den Kopf voller Fragen, die wie Pingpongbälle an die Schädeldecke ploppten.
Dieses Bild wirkt in dieser Situation und auch in Verbindung zum nächsten Satz auf mich recht albern.

Die Gestalt zwischen den Kissen erwachte und stützte sich auf. Auf allen Vieren kroch sie auf mich zu. Die Haare hingen aschfahl und strähnig herab. Gesicht, Hals und Schultern waren von eitrigen Pusteln übersät. Ein perverses Meisterwerk aus Körpersäften.
„Du bist schon wach, David?“
Die Augen waren zugeschwollen, sie starrten mich aus schmalen Schlitzen an. Die winzigen Spiegel in den Iriden suchte ich vergeblich. Ich konnte nur zurückstarren.

Wenn Horror, dann Horror. Die Stelle ist dir für mein Gefühl wirklich gut gelungen.

Sie standen in kleinen Gruppen, plapperten, kicherten, schlürften Sekt oder deuteten mit spitzen Fingern auf meine Werke.
‚mit spitzen Fingern’ deutet man auf etwas, was einem nicht gefällt. Willst du das ausdrücken?

Mit den (ihren) hohen Pfennigsabsätzen überragte sie mich (um) einen halben Kopf.

Bis mir klar wurde, dass Marie vielleicht nie mehr die Selbe sein würde.
mMn: dieselbe

Wenn ich sie in Zukunft malte, da bekäme ich eitrigen Schorf und tiefe Krater zu sehen.
Nur dann?

Die Marie auf dem Gemälde, neben dem ich stand, begann sich zu bewegen, sie streifte sich lasziv einen Träger von der Schulter, fuhr sich mir der Zunge über die Lippen, flüsterte unverständliche Worte. Dann begann sie sich zu kratzen. Ihre Augen funkelten. Die hellen Punkte blitzten. Marie lebte. Die Punkte blähten sich auf, die getrocknete Farbe dehnte sich aus, so dass tiefe Risse entstanden, aus denen gelber, fetter Eiter quoll.
Ein Gestank von faulem Fleisch verbreitete sich, nahm mir die Luft. Die Kreatur auf der Leinwand lachte. Mir wurde schwindelig und ich stützte mich an der Wand ab. Die Farben begannen zu verschwimmen und ineinanderzufließen, sich mit Blut zu vermischen. Die Schlieren liefen über die Leinwand, tropften aufs Parkett, wo sie eine stinkende Pfütze bildeten. Ein Aquarell des Grauens.
Für mich eine der besten Stellen.

Fassungslos drehte ich mich um mich, der Raum drehte sich mit und drohte, mich in die Tiefe zu reißen.
Fassungslos spürte ich, wie der Raum sich um mich drehte und mich in die Tiefe reißen wollte.

Sie sah zu mir auf und flüsterte: „Küss mich, David!“
Das funktionierte im Märchen, da verwandelten sich Frösche in Prinzen, aber in meiner Welt konnte ein Kuss aus einem Monstrum keine begehrenswerte Nymphe machen.
„Du musst mich küssen!“
Als ob uns ein Kuss von dem bösen Fluch erlösen konnte. „Sag mal, spinnst du? Hast du dich schon mal im Spiegel betrachtet?“ Meine Stimme zischte gefährlich. „Ich kann dich nicht mehr riechen, nicht mehr sehen.“
„Morgen werde ich ausziehen“, sagte sie ruhig.
„Morgen“, schrie ich, „morgen geh’n wir noch mal zum Arzt.
Hier fehlt mir ein bisschen die innere Logik. Er verabscheut sie, möchte sie nicht mehr sehen, kann sie nicht mehr riechen, will dann aber doch am nächsten Tag mit ihr zum Arzt gehen. Welches Motiv steckt dahinter? Ihr zu helfen? Sein Modell zu retten? Ich kann seine Reaktion hier nicht so ohne Weiteres nachvollziehen. Schon eher seine anschließende Raserei. Er ist der Situation nicht mehr gewachsen und driftet ab in den Wahnsinn. Vielleicht solltest du den Arzt hier aus dem Spiel lassen und nur ihr Einfordern seiner Liebe und seine sich steigernde Abscheu darstellen.

peregrina, du hast dir sehr ambitioniert einen Text vorgenommen, der eine schwierige Problematik anspricht: Was bleibt von der Liebe, wenn der Körper verfällt? Was bleibt dann von einem Spruch wie ‚Ich halte dich in der Dunkelheit’? Deine Idee, das Ganze in ein Horror-Szenarium zu verwandeln, halte ich für gut. Nur solltest du sie mMn konsequenter durchziehen und den Horror auch Horror sein lassen.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hallo peregrina,

die Änderungen haben deiner Geschichte wirklich gut getan. Der Schluss ist diffuser geworden. Und so kann jeder ihn so nehmen, wie er möchte, selbst ein Happy End ist denkbar.

Ein kleiner Fehler ist geblieben:

Nur mir meinen Händen.

Liebe Grüße
barnhelm

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich bringe das Raunen in mir zum Schweigen, in dem ich mich auf den Schwung der dunklen Brauen und den leuchtenden Punkt in ihren Augen konzentriere. Der Punkt, in dem sich die Welt, das gesamte Universum spiegelt, und der die Marie auf der Leinwand zum Leben erwecken soll. Mit feinen Pinselstrichen tupfe ich das weiße Viereck in die Iris, aber Maries Ebenbild bleibt tot.

Und es muss tot bleiben,

liebe peregrina,

wie das Foto von meiner Yacht, meinem Haus, meinem Pferd, das ich übrigens jeden Tag reite, und meiner Frau nebst Kindern wohl meins ist, aber eben nicht mein Kind, meine Frau usw., sowenig wie der ferne Freund im Internet.

Von den "Liebenden" hat das immerhin Marie erkannt

„Hier ist Marie. Stopp! Nur meine Stimme. Hinterlass mir einfach eine Nachricht!“
Aber selbst wenn "erzählen" vom "Zählen" kommt, ist Sprache alles andere als eindeutig, was einem, der angewandte Mathematik von der Steuer über Bilanz/buchhaltung, dem Finanzunwesen und OR bis zu chemischen Formeln und Gleichungen sein Leben lang begleiteten, ja erst recht Spaß machen muss.

Da hastu Dir eine schwere Bürde aufgeladen - und fast will mir scheinen, dass ich von den alten Kommentaren zur markus'ischen Vorlage das eine oder andere übernehmen kann, zumal ich damals Ulfila, den Luther der Goten, wenn man denn Vergleiche braucht, und somit die ersten schriftlichen Zeugnisse germanistischer Zunge überhaupt entdeckte, die nicht nur ein R(a)unen bedeuten - etwa an den Worten Liebe und Freundschaft, aber auch Freiheit. Und schon dass Marie auf Leinwand eingefangene werden soll, auf dass David damit Karriere mache, zeigt, dass das Wort "Liebe" zu groß ist zwischen D. und M., was ja schon (berufsmäßig bedingt

Ich fand eine Galeristin, die an mich glaubt und meine Bilder ausstellt und ich bin fest entschlossen, die Chance auf Erfolg und Liebe festzuhalten, die mir das Leben bietet.
mit dem Lichteinfall durchs Dachfenster geoffenbart wird
Weiches Licht fällt durch die Dachfenster und verzaubert Marie in ein ätherisches Wesen.
und plötzlich stimmt nix mehr an ihr, wie bei den isolierten Leprakranken oder von einer Pest Befallenen, Aussätzige halt, zu denen sich literarisch nur zwo Beispiele der Nächstenliebe und des Kontaktes bei mir spontan jetzt melden: Im Neuen Testament und - Ben Hur (ein Roman, der ja sinnigerweise zur gleichen Zeit wie das NT handelt - sehn wir mal von der Offenbarung des J. ab. Das könnt die Trumpchoreria werden).

Triviales

Dabei war ich mir sicher, dass mit dem Auftauchen von Marie, die Wende in meiner Laufbahn begonnen habe.
Besser Konjunktiv irrealis (der Konjunktiv hat ja nix mit der Zeitenfolge, sondern mit dem Grad von Wahrscheinlichkeit und Aktualisierung zu tun)

..., aber der Gestank steht wie eingemauert im Raum und ...
Hm, hier will mir der Vergleich nicht gefallen, gut, es gibt die "Mauer des Schweigens" und die Nebelwand, aber der Ausdünstung(en)?
Obwohl die Verbindung kann natürlich das "Verb" schlagen" bringen, wenn einer mit dem Kopf gegen eine Mauer/Wand knallen kann, hier kehrt sich dann das Verhältnis um: Stänkerei/Gestank kann einen schlagen - auch mit Vorsilbe er- (eine Mauer würde auch eher jemand verschütten, statt sich als Film auf die Haut zu legen)

Und - wie wahr!

Die Übertreibung ist die kleine Schwester der Paranoia,
wie wahr, wie wir heute wieder im gesellschaftlichen, politischen Raum sehen - aber auch die Literatur lebt von Übertreibungen - hoffentlich immer, um so was wiewa hrheit und nicht nur Wahrscheinlichkeit zu finden.
„Gerüchte. Darauf würde ich keinen Pfifferling wetten.“

Womit ich auf ein sehr persönliches Gedicht von mir zurückgreife, das wahrscheinlich im Niederländischen, Frieischen oder sonstigem Platt viel schöner klänge

Wie Gerüche uns’rer Küche unter Türen, die verschlossen, unverdrossen sich verlieren, Nasen schmeicheln, Gaumen streicheln, somit Kopf und Bauch erweichen - so die Würze uns’rer Fürze unter Türen, die verschlossen, unverdrossen sich verlieren, Riecher plagen, Mägen schlagen - bräunen schnelle Hemd & Kragen - nehmen Ohren, was verloren durch geschloss’ne Tür’ dem Toren
sich verirret, flüsternd schwirret und wir verschwommen als nicht mal halbe Wahrheit mitbekommen, doch erhaschet ists vernommen und so auf die Welt gekommen! Weiter plappern, weitergeben, Zähne klappern. Überleben …

Und ein kleiner Vertipper (die Tasten liegen halt nebeneinnder und wenn ich meine Tastatur anseh - ich bin froh, dass ich noch sehen kann, warum sollte ich da blindschreiben lernen?)

Nur mir meinen Händen. Nur mit meinen Nägeln.

Gern gelesen und nicht das letzte Mal von Het windje

Ha, seh gerade, dass barnhelm schon den Ripper entdeckt hat. Bleibt das wenigstens bei den Leuten von "Niederlant" ...

Schönen Sonntag noch und bis bald!

 

Hey Peregrina,


Markus' Geschichte kannte ich bis dato nicht - ein starkes Stück hast du dir da ausgesucht, muss ich schon sagen. Aber ich finde, du hast dich nicht übernommen, ich finde es gut, dass du in Richtung Horror schwenkst, und ich finde, dass das eben eine schöne Copywrite-Idee von dir war. Genau hier setzt aber mein erster Kritikpunkt an: Du gehst nur in die Richtung, kommst aber mMn nicht im Genre an, obwohl du so vielversprechende Ansätze verfolgst. Ich wünschte, ähnlich wie barnhelm, du gingst diesen einen Schritt weiter. So wirkt es ein wenig, als wenn du um den heißen Brei herum schwadronierst, als wenn dir ein wenig Mut zu fehlen scheint. Ja!, sage ich, mach' da echten Horror daraus, guter Horror wäre das, da er nicht nur zu schockieren wüsste, sondern auch eine Erkenntnis, eine Provokation, einen Gedanken in sich trüge, der eben auch zum Nachdenken anregen könnte. So wie die Vorlage es schon vorzüglich schafft.

Der zweite Kritikpunkt: Bitte, bite kein Aufwachen aus einem Traum. Mich wundert es echt, dass du zu so einem billigen Ende greifst, du weißt doch selbst, dass das unbefriedigend, ja, wie eine Verarsche wirken kann. Tut es hier auch, sorry. Also das lässt mich leider völlig unbefriedigt zurück.
Hieran meine ich auch, die Scheu gg dem Horrorgenre zu erkennen. Also, ich führe das jedenfalls mal darauf zurück. Ich wünschte, du würdest dich da mehr trauen.
Ist ja gottseidank nur ein sehr kurzer Abschnitt, den du ratzfatz löschen könntest :).

Die Obsession, dass Marie der entscheidende Faktor für seinen Werdegang ist, deutest du ja schon an. Dass seine Muse ihn verlässt, dass sie ihre Magie verliert, kann David nicht zulassen - schön in dem Zusammenhang die gruselige Duschszene. Da fände sich mMn der Anknüpfpunkt, um die Geschichte weiter (grotesk?) zuzuspitzen. Er könnte sie verstecken, verzweifel daran basteln, dass sie wieder schön wird (könntest dich einiger Horrorzutaten bedienen), um sie wieder zu dem zu machen, was er so dringend braucht (da muss ich an Elemente aus dem Film "Der Tod steht ihr gut" denken). Natürlich gelingt ihm das nicht, er verschlimmbessert die Situation, was ihn in regelrechte Raserei versetzen könnte. Und zu guter letzt, war es vielleicht immer die hässliche Marie, die abstoßend auf all seinen Bildern konserviert wurde. Das Abstoßende, dass die Galeriebesucher und Fans so an den Werken bewundert haben und hatten.
Du siehst schon, die Gäule gehen mit mir durch, Peregrina :). Aber ja, dann hättest du die Schnittmenge zur Vorlage noch vergrößert: Die Frage, ob sich David die schöne Marie nur eingebildet hat.

Dass du mich mit deiner Geschichte so zum Weiterspinnen verführt hast, sagt schon einiges aus. Mir hat das bis auf die zwei Kritikpunkte echt gut gefallen, Peregrina. Würdest du den Traum killen und den Mut aufbringen, dich echtem Horror, Psychothriller zuzuwenden, dann gewänne dein Text jedoch noch deutlich hinzu, denke ich. Aus einem guten, könnte ein sehr guter, hervorragender Text werden.

Kannst ja mal darüber nachdenken, wenn du willst.


(Vielen) Dank fürs Hochladen


hell


PS. Sprachlich hat mir das übrigens sehr gefallen. Geschmeidig glitt ich durch die Zeilen. Ein paar Dinge gibt es immer, klar, das ändert aber am Gesamturteil nichts.
Vielleicht schaue ich nochmals rein.

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe peregrina,

deine Geschichte ist toll und kann es mit der Vorlage aufnehmen. Was mir sehr gut gefallen hat, ist der Wechsel von der Musik zur Malerei, obwohl beide Künste sehr verwandt sind, wie ich gestern bei der Klee-Ausstellung in Basel gezeigt bekommen habe (Fondation Beyerler):dozey::klug:

Das Verhältnis des Malers zu seinem Modell und zu seinem Bild ist, glaube ich, auch ein Thema der Weltliteratur. Mir fällt da Oskar Wilde ein, Das Bildnis des Dorian Gray. Wenn ich jetzt also einen Bogen dazu schlage, dann nimm es als Kompliment dafür, dass dein Text mich zu solchen Assoziationen verführt. Ich sehe hier vergleichbar die Frage nach der Essenz und Vergänglichkeit von Schönheit, ebenso die Frage, ob man Schönheit besitzen kann, seine eigene und die einer anderen Person.

Wahnvorstellungen kennzeichnen die jeweiligen Protagonisten, bei Wilde münden sie in einen Mord, bei dir wacht der Prota aus einem hässlichen, zerstörerischen Traum auf mit der Andeutung eines positiven Endes, jedenfalls in deiner Erstfassung.

Du hast inzwischen nachgebessert und dem Leser ein offenes Ende beschert. Das ist jedenfalls plausibler als das verharmlosende Happy End. Ich selber hätte ein grausameres Ende besser gefunden. Ich mach mal einen Vorschlag, um die Richtung anzudeuten.

"Komm, lass uns gehen , David! Es ist so weit."
David hört ihre Stimme, sie klingt wie immer. Im Aufstehen erhascht er einen Blick auf ihre Waden. Sie sind aufgeplatzt, eitriges Blut läuft an ihnen herab.

Warum ich den schaurigen Schluss bevorzugen würde? Ich finde, du hast ein Talent für Horrorgeschichten. Nicht für solche, wo außerirdische Phantomgeschöpfe auftauchen, sondern für solche, wo der Horror unvermittelt aus Alltagsszenerien herausbricht. Psychterror usw.

Herzliche Grüße
wieselmaus

 

Hallo peregrina,

als Kopierter bin ich reichlich voreingenommen, ich habe meine Geschichte Eigentlich egal nach sehr langer Zeit wiedergelesen und finde es spannend, was du daraus gemacht hast, unter anderem, weil es auch ein bisschen zeigt, wie du meine Geschichte gelesen und verstanden hast. Das Geblitze hast du in Aktmalerei verwandelt, das bringt ein neues Element in die Erzählung, die bereichernde Wirkung von Schönheit auf kreatives Schaffen, und dass es in diesem Fall tatsächlich der schöne Körper ist und nicht der wecke Geist von Marie. Dein David ist - völlig anders als der in Eigentlich egal – überhaupt nicht eifersüchtig, sondern er geilt sich ganz im Gegenteil daran auf, dass andere ihren Körper begehren. Er fasst das schon fast als Kompliment auf. Eine Sache, die ich – genau wie Fliege – sehr unglücklich finde, ist das mit dem Traum. Ich vermute, das wurzelt darin, dass sich im Original am Ende aus Sicht des kleinen Jungen nichts verändert hat und diese Nichtänderung hast du in dieses Traumhafte übersetzt, also dieses Surreale, was ich versucht habe, in die Geschichte zu mischen, hast du gesteigert bis zum tatsächlichen Traum. Das gefällt mir nicht, ich will das Traumhafte und nicht den Traum. Im Traum ist ja alles möglich und ungefährlich. Ich mag dieses Ungewisse, wenn Realität gefährlich wird. Mit dem letzten Absatz wertest du die Geschichte bloß ab, ich seh‘ keinen Gewinn am Ende. Dass du das geändert hast jetzt, finde ich gut.

Ich persönlich mochte die Version in Präteritum mehr.

Kleine Anmerkungen:

Dabei war ich mir sicher, dass mit dem Auftauchen von Marie, die Wende in meiner Laufbahn begonnen hätte.
hatte

Maries Duft nach frischen Erdbeeren machte mich fast wahnsinnig.
Das mag ich!

„Liebst du mich?“ Ich schaute ihr tief in die Augen, als könne ich sie zwingen, das zu sagen, was ich hören wollte.
Fand ich gut.

Zum ersten Mal spürte ich eine diffuse Besorgnis, sie könnte für immer entschweben.
Meine Worte klangen vorwurfsvoller, als ich es beabsichtigt hatte.
Kein Komma.

Ich lag wie ein Brett, starrte in die sternenklare Nacht, den Kopf voller Fragen, die wie Pingpongbälle an die Schädeldecke ploppten.
Das ist eines der ausgefallenen Bilder, die ich mag. Das Wort „ploppen“ ist fantastisch.

„Was ist mit dir, hast du einen Geist gesehen?“, fragte das Monster.
Das Monster so anzufügen, finde ich ungeschickt. Es reicht, wenn du später davon sprichst.

Ich ertrug die gierigen Blicke auf Maries entblößter Haut, spürte, wie sie ihr den letzten Fetzen Stoff von Leib rissen und in sie eindrangen.
vom Leib

Schaut nur ihr Bastarde, das ist die Frau an meiner Seite, wollte ich rufen. Bis mir klar wurde, dass Marie vielleicht nie mehr die Selbe sein würde.
dieselbe

Ich halte dich in der Dunkelheit.
Ein Satz, der schon zu Anfang kommt, und so im Ansatz Davids Zerrissenheit zeigt. Wo kommt der Satz her? Ist es eine tiefe Überzeugung oder eine Erwartung an sich selbst?

Im Groben hast du die Dynamik meiner Geschichte übernommen, insgesamt finde ich den Kontrast zwischen der schönen Marie und der hässlichen Marie bei dir noch krasser, die ursprüngliche Marie wird ganz schön idealisiert und mystifiziert, die muss ja echt ein heftiges Wesen sein, wenn eine Frau, „alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt“, dann wird das schnell unglaubwürdig, dadurch verliert die Geschichte etwas an Gefahr für mich. Hat auch irgendwie so einen Racheakt drin: lassen wir mal die Ultrahübsche abkacken. Und auf der anderen Seite verwandelt sie sich nicht nur in etwas Hässliches, sondern in ein Monster, also die beiden Extreme schiebst du noch weiter auseinander.

Besonders stark empfand ich die Szene auf der Vernissage, bei dem die Bildnisse von Maries Körper allen Blicken ausgeliefert sind. Da treffen unheimlich viele Gefühle aufeinander: Stolz und Freude, eine derart schöne Frau zu besitzen (!), aber freilich auch auf die eigene Kunstfertigkeit, auf der anderen Seite, die Panik, dass das Ausgestellte nicht mehr der Realität entspricht, hier sehen alle eine Schönheit, Zuhause sitzt das Grauen. Und zuletzt die plastisch gewordene Verunsicherung, aus den schönen Bildern steigt die abstoßende Erscheinung.

Ein weiterer interessanter Aspekt ist der, dass er ihre Schmutzigkeit, ihre Verbrauchtheit wegmachen will, er verletzt sie dabei sogar, das eröffnet auch viele Spielräume: er möchte ihr nicht helfen, sondern gegen ihren Willen wird er tätig, um seine Wahrnehmung zu richten.

In der Geschichte wird Marie zum Objekt entwertet, nur wie sie aussieht, zählt, sie wird bloß betrachtet, nicht erfühlt, abgemalt, angestarrt, ausgestellt, eine Wahrnehmungspuppe, ein „Ich liebe dich“, das sich nicht wehren kann und fast stirbt an der Rücksichtslosigkeit Davids.

Danke fürs Weiterspinnen meiner Geschichte!

Beste Grüße
markus.

 

Ihr Lieben,

danke, danke, danke für eure ausführlichen Kommentare zur Geschichte.
Keine Sorge, ich bin nicht abgetaucht, sondern wollte nur etwas abwarten, ob die Kopie von allen
nur als Traum wahrgenommen wird.

Prinzipiell.
Natürlich war mir klar, dass die vordergründige Leseart sein wird: April, April, alles nur geträumt. Aber ich muss sagen, dafür wäre mir dann doch meine Zeit zu schade gewesen, um nicht mindestens eine zweite Interpretationsmöglichkeit zu installieren, die da wäre: Der Protagonist nimmt die Umwelt in seiner Verlustangst verzerrt wahr, nichts ist so, wie es scheint. Eine gute Gelegenheit meinen geliebten, unzuverlässigen Ich-Erzähler zu Wort kommen zu lassen. Was liegt näher, als in diesem Zusammenhang dem begnadeten Künstler in den Wahnsinn zu treiben?
Es war mir wichtig, dem Leser etwas vorzugaukeln, ihn im Unklaren zu lassen, was ihm da eigentlich vorgesetzt wird.
Das hat ja nun grandios nicht funktioniert, was wiederum an der Schlusssequenz liegen mag. Allerdings gebe ich zu bedenken, die ist nach dem gestrigen kleinen Eingriff noch unkonkreter, noch vager geworden. Es wird kein spezieller Ort genannt (kann Sprechzimmer oder Badezimmer sein), die (eindeutig sprechende) Marie wird nicht beschrieben. Entweder ist sie gestorben und ihr Geist will David mitnehmen (stark an den Haaren herbeigezogen?, da brauch ich noch ein helles Licht :lol:, auch um den Bogen zum ätherischen Wesen vom Beginn zu schlagen) oder selbst die Stimme entspringt nur dem kranken Geist des Künstlers. Oder er wacht tatsächlich im Wartezimmer aus einem Albtraum auf.

Was soll’s? Ihr seid euch einig, ihr habt einen Traum erkannt, mehr nicht. Der Leser kann wohl wirklich nur das sehen, was geschrieben steht. Da kann der Autor glauben, denken und meinen, dass er Hintertürchen geöffnet hat, um andere Interpretationen zuzulassen.
Mal sehen, wie ich das Problemchen angehe. Das Offensichtliche ist, dass ich zu viel wollte.

Danke für euren Zeitaufwand und ab morgen beantworte ich eure Kommentare ausführlich.

Schönes Wochenende,
peregrina

 
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„Nur noch ein paar Minuten, Kleines. Bitte!“

Also für mich deutet sich schon hier das Drama der weiteren Geschichte an. Die Art nämlich, wie David Marie anredet, wie er seine Muse/Freundin/Geliebte durch die Verwendung dieses vermeintlich harmlosen, in Wahrheit allerdings perfiden Kosewortes gleichsam verdinglicht, zum Objekt degradiert quasi, lässt ja schon erahnen, dass ich es hier nicht mit einer Beziehung zu tun bekomme, in der sich zwei Partner auf gleicher Augenhöhe begegnen.
Was sich am Ende ja auch auf schreckliche Weise bestätigt:

Marie wimmert, doch sie wehrt sich nicht. Erst als sich das Wasser, das in den Abfluss gurgelt, rot färbt, lasse ich von ihr ab.
Mit letzter Kraft flüstert sie: „Ich liebe dich, David.“

Nein, dieser David ist für mich wahrlich kein romantischer verliebter Träumer und darüber hinaus auch kein wahrer Künstler aus innerer Berufung, sondern in erster Linie ein berechnender, selbstverliebter Karrierist.
Ein Egomane letztlich, der Marie allein schon durch seine Sprache spüren lässt, was sie in Wahrheit für ihn ist: nämlich lediglich Mittel zum Zweck.
Und weil Marie das eben spürt, rächt sie sich an ihm, indem sie krank wird und ihm dadurch das wegnimmt, was er offenbar als ihren einzigen Nutzen für sich (neben ihrer Möse :Pfeif:) erachtet: Ihr Aussehen. Ob Marie nun tatsächlich von makelloser Schönheit ist/war oder David lediglich ein Idealbild in sie projiziert, ist dabei vollkommen unerheblich. Wesentlich ist, dass Marie verdammt noch mal seinen Vorstellungen zu entsprechen hat, ansonsten sie sich schleunigst vom Acker machen kann. (Zum Ficken hat er ja schließlich die Galeristin auch noch.)
Wahrlich ein typisches, herzallerliebstes Kind unserer modernen Zeit, dieser David, bzw. ein großartiger Vertreter jener Spezies von Bekloppten, für die Schein (nicht nur im Sinne von Äußerlichkeiten, sondern auch im Sinne von Geldschein) wichtiger und immer wichtiger zu sein scheint als wahrhaftiges Sein, bzw. ein echter Dreckskerl halt. :D
So, und was bleibt am Ende? Egal, ob ein Großteil der Handlung von David nur geträumt ist (was der geringfügig geänderte Schluss ja nach wie vor nicht explizit ausschließt), oder ob es sich gänzlich um reales Geschehen handelt - tritt David am Ende geläutert hervor? Hat er seine ganz persönliche Katharsis erlebt?
Tja, was David betrifft, mach ich mir ehrlich gesagt keine Illusionen. Der wird seinen Weg schon gehen, nehm ich mal an, er wird für seine gefälligen Bildchen*) weiterhin willfährige Abnehmer in der Schickeria finden, bei all diesen unsäglichen Figuren, für die sich der Wert von Kunstwerken ausschließlich an deren Preisen bemisst, und seine Marie, das kleine Dummchen (© David?), wird er wohl bald vergessen haben.

Ein seltsamer Text, peregrina, sehr gut geschrieben, keine Frage, aber eben seltsam. Ja, seltsam aufwühlend irgendwie für mich. Als würde ich’s persönlich nehmen, was dieser armen Marie da widerfährt. Und tatsächlich mochte ich diesen David von den ersten Zeilen an nicht, keine Ahnung, warum. Hab ich an ihm vielleicht irgendwas zu entdecken gemeint, von dem ich fürchte, dass es auch in mir selber schlummert?

*)Tja, und was noch seltsamer ist: Mir gefielen auch seine Bilder überhaupt nicht, so bescheuert das jetzt klingen mag, ich mein, wir reden von Bildern, die ausschließlich in meinem Kopf entstanden sind. Aber was ich da in meinem Kopf gesehen hab, jessas, das war einfach furchtbar. Furchtbar kitschig, furchtbar beliebig, furchtbar gefällig.

Tja, was so eine Geschichte so alles mit mir zu machen imstande ist. Schon seltsam ...

Vielen Dank jedenfalls für dieses aufwühlende Leseerlebnis, peregrina.


offshore

 
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Hallo Fliege,

danke für deinen Besuch und Kommentar, deine Mühe und Zeit.

eine wirklich schöne Vorlage hast Du Dir da ausgesucht. Ich fand das Thema ja damals schon spannend.
Ja, ein faszinierendes und zeitloses Thema, deshalb ist meine Wahl auch genau auf diese Geschichte gefallen: Die äußere Schönheit und unser Umgang mit ihrer Vergänglichkeit. Da dachte ich, ich könnte mitreden. :D

Du hast es nicht variiert oder einen anderen Schwerpunkt gesetzt, Du hast es übernommen und jetzt kommt, was mir ein bisschen ausstößt, man im Zuge des CW aber des öfteren zu Lesen bekommt, Du erzählst die gleiche Geschichte mit anderen Worten.
Das möchte ich ungern so im Raum stehen lassen, nicht mal im virtuellen.
Na ja, das Grundthema bleibt natürlich der Umgang mit Äußerlichkeiten, da habe ich einfach die Idee geklaut, wir sind ja im Copy-Spiel. Allerdings liegt eine andere Prämisse zugrunde. Während bei M. Glass der Protagonist resigniert, die Veränderung seiner Partnerin annimmt und sich einredet, Aussehen sei egal, zerstört meiner das, was er nicht unversehrt haben kann.
Ich bin ja Copy-Neuling und hab natürlich bei der KG Eigentlich egal nach der Kerbe gesucht, in die ich voll reinhauen kann. Konnte keine finden, spricht für die Geschichte. Also habe ich probiert, mich so weit wie möglich vom Plot, vom Setting, von den Charakteren und den Begebenheiten wegzubewegen. Für meine Begriffe ist da ein gewaltiger Unterschied zum Original.

Das ist für mich immer ein wenig schwierig zu kommentieren, weil da eben viel was man zur Geschichte zu sagen hat, dem Originalautor zugeschrieben werden muss. Tolles Thema, tolle Figuren ... das ginge alles auf das Konto von Glass.
Die Figur der Marie habe ich versucht zu erhalten: Fröhlich, unbekümmert und doch ernsthaft, gescheit und sie liebt den Kerl. Vielleicht ist meine Marie weicher und nachgiebiger.
Aber mein David hat absolut nix mehr, mit dem verständnisvollen und liebenswerten aus der Vorlage zu tun. Wir lernen ein jähzorniges, egozentrisches Arschloch kennen.

Bliebe also noch die Sprache und das Ende. Ach Mensch, warum denn nur? Warum ein Traum? So Schade!
Mensch Fliege, doch nur eine mögliche Interpretation. Bin fast ein wenig traurig, dass man hier glaubt, mir würde nix Aufregenderes einfallen als einen Traum abzuspulen. Aber ich glaube zu wissen, wo das Problem liegt.

Lesen tut sich die Geschichte aber schick.
Danke. Kann ich grade mal so gelten lassen. :lol: Schön, hübsch oder nett sind Attribute, die ich unter allen Umständen für die KG umschiffen wollte.

Und bei dir, da könnte man fast meinen, die Hülle ist alles. Der Glanz, die Muse, ja, am Ende sogar die berufliche Existenz. Das ist ein Punkt, den ich auch in deiner Version spannend fand, mit der Veränderung von Marie geht ja auch sein Motiv, sein Erfolg, seine Karriere flöten, d.h. es spitzt das Drama noch zu. Das fand ich gut!
Klar, in seinem Bestreben Marie festzuhalten, stößt er sie weg, zerstört die Beziehung und löscht Marie aus (auch nur eine mögliche Interpretation).

Nur leider ... diese Traumsache. Also, viele mögen ja ein Happy End, aber hier nimmt es wirklich alle Kraft, die in der Geschichte steckt, alles Drama und Dilemma löst sich auf in Schall und Rauch, da klingt auch nichts mehr nach in mir als Leser.
Das ist schade, wenn nichts nachwirkt. Nee, mit glücklichen Ausgängen hab ich’s eigentlich auch nicht so.
Vielleicht hast du gesehen, dass ich minimale Veränderungen am Schluss vorgenommen habe. Kann sein, dass nun meine gewollte Undeutlichkeit, das Schwebende erkennbarer wird. Ansonsten ist der Text tatsächlich so aufgebaut, dass ich die paar Zeilen am Schluss streichen kann. Das wäre wiederum in meinen Augen ein Verlust, da gerade das mehrgleisige Lesen den Reiz ausmacht (ausmachen sollte).

Als ich an mein Atelier dachte, wurde es mir siedend heiß. Dass ich nicht gleich auf unser Refugium gekommen war.
Ich weiß nicht, ich habe im Kopf noch die gefühlten 100 Anrufe. Und dann reden wir aber über eine Zeitspanne von einer halben Stunde? Ich mein, er wird geweckt, telefoniert sofort mit der Freundin, statt erst mal zu Hause zu gucken und findet sie ja auch recht schnell im Atelier. Das passt irgendwie nicht. Eher so, wach werden, einmal Marie anrufen, zu Hause gucken, Atelier gucken und dann kommen die Zweifel auf.
Erwischt! Die hundert Anrufe können zwar bleiben, entspricht ja nicht der feinen englischen Art, den Partner einfach in der Arztpraxis weiterschlafen zu lassen. Aber die Freundin Klara braucht's nicht, weil damit wirklich die Logik ausgehebelt wird. Erst wundern, telefonieren, zuhause nachsehen, finden.

… Du hast auch gedreht, dass Marie sich einfach so in ihr Schicksal ergibt, es annimmt und nicht versucht, sich vor ihm zu verstecken. Auch der Zug spitzt sein Drama noch zu. Allerdings wirkt Marie dadurch etwas unglaubwürdiger, aber sei es drum, ich sage mir einfach, vielleicht will sie selbst das Drama gar nicht so wahr haben und versucht daher, es zu ignorieren. Schwer, aber warum einer literarischen Figur nicht diese Vermeidungsstrategie zugestehen.
Marie hat sich am Abend in der Dunkelheit versteckt, als sie um kein Licht bat, nur kurz, das war’s. Sie hatte genug Zeit ihren „Ausschlag“ zu bewerten und die Tragweite zu relativieren. Am Morgen bleibt sie relativ gefasst. Vielleicht nimmt sie die Veränderung anders wahr als David?

Das Monstrum schob die Ärmel des Shirts hoch, tastete über sein Gesicht und verschwand wortlos im Bad. Ich hörte nur ein Stöhnen, obwohl ich mit einem Schrei der Verzweiflung gerechnet hatte.
Ja, jeder hätte mit einem Schrei gerechnet.
Nur der, der glaubt, mein David ist ein Erzähler, dem man alles ungefiltert abnehmen kann. Wir wissen doch, dass Schönheit zunächst im Auge des Betrachters liegt.

Ich sank neben sie und weinte, still und beiläufig.
Und das fand ich schon wieder schade. Nein verdammt! Das brutale, unmenschliche, es soll da stehen bleiben. Kalt und egoistisch und widerlich. Denn so ist er. Weinen könnte er von mir aus auch, aber später oder früher in der Geschichte.
Kennst du Choleriker? Die laufen in Sekundenbruchteilen zur Höchstform auf und kennen in ihrer Raserei weder Freund noch Feind. Eben so schnell bereuen sie zutiefst und würden vieles ungeschehen machen. Plottechnisch wiederholt sich diese Wellenbewegung der Emotionen, erst kaum wahrnehmbar, dann immer krasser. Es wäre inkonsequent von mir, wenn der Protagonist am Schluss einem anderen Muster folgen würde.

Ich hätte es auch cool gefunden, wenn alle Besucher in der Galerie die Bildveränderung mitbekommen hätten - die Reaktionen von denen, und da, ja da hätte er flennen können.
Würde so gar nicht meinem Plan entsprechen. David wird wahnsinnig und sieht unheimliche Dinge, sein Schaffen löst sich mit der Veränderung Maries auf. Gefällt mir so als Sinnbild.

So viel von mir. Bin gespannt, wie sich das hier ausläuft in den Kommentaren.
Ich würde es mit „ungewöhnliche Wortkriegereinigkeit“ umschreiben, zumindest was das kollektive Entsetzen über den Traum anbelangt. :lol:
Liebe Fliege, danke für dein Interesse und deine Überlegungen zur Kopie und die Reparatur vom Link (was hab ich da bloß wieder gemacht?).

Es war mir eine Freude. Wir lesen uns bei Ivo, kann sich aber noch hinzerren.

Herzliche Grüße,
peregrina


Liebe barnhelm,
auch dir möchte ich zunächst danken, nicht bloß für den Zeitaufwand auch für die wohlwollenden Worte.

Du lässt deine beiden Protagonisten in eine Horror-Situation geraten: Die schöne Marie, die plötzlich entstellt ist, und David, der Ich-Erzähler, der nicht nur Maries Geliebter ist, sondern dessen Erfolg als Maler auch von der Darstellung ihrer makellosen Schönheit abhängt. Marie wird zu einem hässlichen Monster und stürzt David damit in berufliche und gedankliche Probleme: Was wird ohne die Schönheit Maries aus seiner Karriere? Was wird aus seiner Liebe? Wird er es schaffen, Marie auch als hässliches Wesen zu lieben? Wird er sie ‚auch in der Dunkelheit halten’? Dein Text reißt diese Probleme an, löst sie aber am Ende nicht.
Was soll ich sagen, für mich stand von Anfang an fest, dass kann kein gutes Ende nehmen und mit dieser Intention bin ich die KG angegangen. Das bedeutet: die Antwort auf die aufgeworfenen Fragen ist Vernichtung. Beim beruflichen Erfolg und der Beziehung eindeutig, bei Maries Leben mit einem kleinen Fragezeichen.

Ganz im Gegenteil: Er wischt sie weg, indem sich alles als nur geträumt herausstellt: Das seltsame (an Geschichten von E.A. Poe erinnernde) Geschehen und auch die inneren Konflikte, in die Maries Verwandlung David treibt, sind zum Schluss null und nichtig. Und ich als Leser bin enttäuscht: Gerade noch habe ich mit den beiden gefühlt, mit David gelitten, habe seinen Weg in den Wahnsinn verfolgt. Doch dann: April, April.
Hab’s ja schon in meiner „Grußbotschaft“ erläutert, mein Autorenherz wünschte sich, dass der Leser selbst entscheiden mochte, was da wirklich passiert. Die Schlusssequenz ist nach der kleinen Reparatur etwas rätselhafter geworden, hast du ja schon gelesen und befürwortet. Vielleicht reicht der kleine Dreh wirklich schon aus, um meine Herzenswünsche wahr werden zu lassen.

peregrina, die Stärke deines Textes liegt in der Gestaltung der seltsamen und zum Ende hin immer absurder werdenden Situation. Obwohl ich weder ein Fan von ‚Seltsam’ noch von ‚Horror’ bin, würde es mir deshalb mehr einleuchten, wenn dein Text auf dieser Ebene bliebe und du als Autor es zuließest, dass die Verwandlung der Schönen in ein Monster David zum Schluss in den Wahnsinn treibt. Mein Vorschlag: Lass den letzten Absatz weg und nimm den vorletzten als das Ende deiner Geschichte:
Wäre eine mögliche Lösung, die recht simpel umzusetzen ist. Zwei oder mehrere Lesearten wären aber nach wie vor meine erste Wahl. Schaun wir mal.

Und noch etwas: Ich frage mich, ob dein Text nicht noch packender würde, wenn du statt des Präteritums alles ins Präsens setztest. Das verschaffte mMn dem Horror, der sich während des Textes andeutet und in der letzten Szene entfaltet, eine noch direktere Wirkung auf den Leser.
Es gibt ja mehrer Geschichten von mir, die im Präses erzählt sind. Im Prinzip denke ich auch, dass diese Erzählzeit den Leser näher ans Geschehen rückt, ihn das Grauen unmittelbarer erleben lässt. Deshalb hab ich deine Überlegungen sofort umgesetzt.

Im zweiten Absatz gibt es für mich ein Wechselbad der Gefühle des Protagonisten: Erst schämt er sich für sein Bitte um Geduld, dann hasst er sich für seine Unsicherheit, dann ist er sicher, dass sich alles ändern wird. Alles zusammen erzeugt in ihm ein Raunen. Das sagt schon einiges über David und doch lässt es für mich kein klares Bild dieses jungen Mannes entstehen.
Schade eigentlich. Wir schauen mal in den Text, den du gelesen hattest. Ich sehe da zumindest die Emotionen in eine Richtung triften.
Ich schämte mich für meine Worte und den Tonfall, in dem etwas Flehendes, Verzweifeltes mitschwang. (er schämt sich auch für den hündischen Tonfall= Schwäche) Und ich hasste die Stimme in mir, die mir unablässig einflüsterte, dass es mir nie gelingen würde, Maries Vollkommenheit zu konservieren, sie unvergänglich und unvergesslich zu machen. (er hasst die Stimme, weil sie ihm Zweifel an seinen Fähigkeiten einflüstert = Schwäche und Hinweis auf Wahnsinn) Dabei war ich mir sicher, dass mit dem Auftauchen von Marie, die Wende in meiner Laufbahn begonnen hätte. (Die Sicherheit wird durch die Zweifel bereits zersetzt, das Auftauchen von Marie ist Vergangenheit.)
Ehrlich gesagt, hab ich keine Alternative parat, wie ich da mehr Deutlichkeit schaffen könnte.

Obwohl Marie schön ist, ist sie unsicher und ängstlich, weil ihre Schönheit sie einsam macht. Diesen Gedanken vertiefst du im Folgenden nicht weiter, lässt ihn so stehen, wie er hier ausgedrückt wird. Mit ihm unterscheidest du dich von der Vorlage: Wenn ich mich recht erinnere, ist es nicht die Schönheit, die Marie und David einsam werden lässt, sondern ihre Hässlichkeit und die Reaktion der Umwelt darauf.
Ich sehe Marie nicht ängstlich, nur gibt sie ihrem Äußeren nicht den gleichen Stellenwert, wie David es tut. Und es sind ihre Erfahrungen über Einsamkeit, die Marie hier äußert.
In der Vorlage sorgt die Krankheit für Einsamkeit, ja, die beiden entfernen sich emotional, bleiben aber zusammen. In meiner Version ist es auch die Hässlichkeit, die den Bruch herbeiführt. Wenn man will, könnte man sagen, die Situation ist bei mir drastischer, weil auch die Schönheit keine Garantie für Sicherheit in der Beziehung bieten würde. Aber das fällt wohl unter die Rubrik Auslegungsspielraum.
Das Verhalten der Umwelt hab ich vollständig ausgeklammert, bei mir spielt sich die Tragödie nur zwischen den beiden ab.

An einigen Stellen gibt es den einen oder anderen Streichkandidaten, Informationen, die mMn nicht nötig sind oder in anderer Form schon gegeben wurden.
Die Kürzungsvorschläge hab ich weitgehend übernommen, die waren mir sehr willkommen, weil mir der Text etwas lang erschien.

Die Wut kam in kleinen Wellen, schwappte heiß über mich hinweg und ließ geballte Fäuste zurück, die nur noch zuschlagen wollten.
Eine neue Facette an David: Er ist wütend, weil sie sich nicht meldet, möchte in seiner Wut am liebsten zuschlagen. Damit gibst du schon hier einen Fingerzeig auf die brutale Art, mit der David später auf seine Verzweiflung reagieren wird.
Ja, das ist ein wichtiger Satz, der bereitet den Boden für Davids Ausraster gut vor.

Es fehlte nicht mehr viel und ich hätte das Scheißhandy an die nächste Wand geknallt und die Einzelteile unter meinen Sohlen zu Staub zermahlen.
zermahlt (zermalmt?)
Beide Worte könnte man, oder? Hab „malmen“ übernommen, ist die sichere Seite.

Ich lag wie ein Brett, starrte in die sternenklare Nacht, den Kopf voller Fragen, die wie Pingpongbälle an die Schädeldecke ploppten.
Dieses Bild wirkt in dieser Situation und auch in Verbindung zum nächsten Satz auf mich recht albern.
Ich hab jetzt mal deinen seriösen Vorschlag akzeptiert.

Sie standen in kleinen Gruppen, plapperten, kicherten, schlürften Sekt oder deuteten mit spitzen Fingern auf meine Werke.
‚mit spitzen Fingern’ deutet man auf etwas, was einem nicht gefällt. Willst du das ausdrücken?
Das war nicht die Absicht, wollte nur das Deuten zeigen, hab's in „ausgestreckte“ Finger
abgeändert.

Die Marie auf dem Gemälde, neben dem ich stand, begann sich zu bewegen, sie streifte sich lasziv einen Träger von der Schulter, fuhr sich mir der Zunge über die Lippen, flüsterte unverständliche Worte. Dann begann sie sich zu kratzen. Ihre Augen funkelten. Die hellen Punkte blitzten. Marie lebte. Die Punkte blähten sich auf, die getrocknete Farbe dehnte sich aus, so dass tiefe Risse entstanden, aus denen gelber, fetter Eiter quoll.
Ein Gestank von faulem Fleisch verbreitete sich, nahm mir die Luft. Die Kreatur auf der Leinwand lachte. Mir wurde schwindelig und ich stützte mich an der Wand ab. Die Farben begannen zu verschwimmen und ineinanderzufließen, sich mit Blut zu vermischen. Die Schlieren liefen über die Leinwand, tropften aufs Parkett, wo sie eine stinkende Pfütze bildeten. Ein Aquarell des Grauens.
Für mich eine der besten Stellen.
Sehe ich genau so. Der absolute Höhepunkt. Die Hässliche zuhause eingesperrt und doch
erreicht sie ihn auf der Ausstellung. Endlich lebt die Marie auf seinen Bildern (er hätte keinen Grund mehr, an sich zu zweifeln), aber justament in dem Augenblick wird die Abgebildete hässlich und dann löst sie sich auf.

Fassungslos drehte ich mich um mich, der Raum drehte sich mit und drohte, mich in die Tiefe zu reißen.
Fassungslos spürte ich, wie der Raum sich um mich drehte und mich in die Tiefe reißen wollte.
Das ist eine interessante Stelle gewesen, die dann verrutscht ist, da ich in der Ausführung nicht konsequent geblieben bin.
Ursprünglich: "Ich drehte mich um mich, der Raum drehte sich um mich und der Strudel drohte, mich zu verschlingen."
Die vielen „um michs“ haben mich so schön schwindelig gemacht.

peregrina, du hast dir sehr ambitioniert einen Text vorgenommen, der eine schwierige Problematik anspricht: Was bleibt von der Liebe, wenn der Körper verfällt?
Ich wünschte, das Thema wäre meinem Hirn entsprungen.

Deine Idee, das Ganze in ein Horror-Szenarium zu verwandeln, halte ich für gut.
Das war für mich der einzige Weg, die Thematik neu zu beleuchten.

Nur solltest du sie mMn konsequenter durchziehen und den Horror auch Horror sein lassen.
Lag in meiner Absicht, hab ich nun oft genug erwähnt, ist nicht gänzlich gelungen, aber es besteht noch Hoffnung für allumfassendes Grauen.:baddevil:

Liebe Grüße von peregrina

Liebe maria.meerhaba,

schön, dass du meiner Kopie deine Aufmerksamkeit und einen Kommentar schenkst. Dankeschön.

Und tatsächlich, gleich entdeckst du ein Fehlerchen.

in dem ich mich auf den Schwung der dunklen Brauen
Nicht sicher, aber ich glaube, es heißt „indem“

den Kopf voller Fragen, die wie Pingpongbälle an die Schädeldecke ploppten.
Und ich finde den Vergleich mit den Pingpongbällen für unschön.
Interessant. barnhelm fand ihn auch albern, mir und Markus gefiel er gut, aber er ist vernichtet und an dieser Stelle fehlt komischerweise jetzt nichts

Langsam aber dämmert es mir wieder, das Original, das ich vor Jahren gelesen habe. Irgendwie bin ich mir jetzt sicher, dass Marie steinalt sein wird, so eine Transformation wie aus dem Nichts. Ich glaube, das habe ich damals beim Original bemängelt.
Nein, sie wird nicht steinalt, sie wird hässlich, total entstellt. Die Kommentare zum Original hab ich nicht vollständig gelesen.

Aber da ich jetzt eine kleine Pause eingelegt habe, um meine Vermutungen anzustellen, will ich noch etwas loswerden. Bis hierhier gab es schon einige schöne Stellen, doch stellenweise kam mir doch das meiste so mechanisch vor. Vor allem, wenn „ich machte dies“ und „ich machte jenes“ und ähnliches vorkamen, verlor der Text irgendwie seinen Glanz und kam mir wie ein Protokoll vor. Noch kann ich nicht sagen, ob das okay ist, ob ich damit leben kann, wird sich ja erst am Ende zeigen.
Echt jetzt, wie ein Protokoll? Aber ich muss doch erzählen, was er bzw. sie tun. Andauernd wird mir ans Herz gelegt, ich soll zeigen und nicht andauernd behaupten oder Gefühle nur durch Selbstreflexion des Protagonisten beschreiben.
Beispiel: David pinselt den Punkt im Auge, ist unzufrieden, Zweifel an seinen Fähigkeiten plagen ihn, also legt er den Pinsel weg. Außerdem ist er spitz auf Marie, das zeige ich, indem er seinen Kopf in ihren Schoß stecken darf. Insofern dachte ich, hab ich dem Text etwas Gutes getan.

Ich schob die Decke weg, erhob mich ungeschickt und taumelte rückwärts. Ich wollte schnell eine große Distanz zwischen dem stinkenden Bündel, das auf der Matratze zusammengerollt schlief, und mich bringen. Ich stieß an die Staffelei, der halbfertige Akt von Marie krachte auf den Boden.
Ich bin mir sicher, irgendwer wird sich beschweren, dass der Prot nicht sofort nach Marie gesucht hat oder sich irgendwelche Fragen in dieser Richtung gestellt hat. Aber ich finde, das passt hier so sehr gut. Er wacht auf, ist schlaftrunken, funktioniert nur halb und da stellt man sich nicht irgendwelche Fragen, sondern handelt rein instinktiv. Du zeigst das hier sehr gut, das gefällt mir.
David weiß es, der Leser weiß es, dass das Bündel Marie ist. David bezeichnet sie als Bündel, weil er damit seine Abscheu und Distanziertheit unterstreichen will, oder die Autorin will, dass er das will.
Deswegen ist deine nachfolgende Erkenntnis richtig:
Du siehst gefährlich aus. Tut das denn nicht weh?“ Ich widerstand dem Drang, mich zu schütteln.
Aber ab diesem Punkt ist er schon wach. Ich hätte etwas erwartet, wie „Marie?“ oder „Was ist passiert?“ oder irgendetwas in diese Richtung. Diese Frage jedoch zeigt ganz eindeutig, dass er in dem Monster Marie erkennt und das finde ich nicht gelungen.
Es geht nicht um das Erkennen des Monsters, es geht in der Szene (wie in mehreren anderen auch), darum, dass aus Ekel rasende Wut wird (manchmal aus Hilflosigkeit oder Enttäuschung), die aber wieder abflaut, weil David noch die Fähigkeit besitzt, sich zu zügeln. Am Beginn der Szene nimmt er Marie als Monster wahr, als sie aus dem Bad zurückkommt, nennt er sie wieder beim Namen. So weit meine Überlegungen.

Die nächste Vernissage kommt bestimmt“, sagte ich. Selbst daran konnte ich nicht glauben.
Er sieht ein Monster (er beschreibt es auch so), voller Pusteln und ich sehr Marie echt übertrieben vor mir, wie ein Ding eben, und ich weiß jetzt nicht, was ich von seinen Reaktionen halten soll. Ich bin da echt unentschlossen. Ich will es nicht einfach hinnehmen, denn so wie du sie beschreibst, muss sie echt grauenhaft aussehen und da hätte ich erwartet, dass er sich mehr Gedanken darüber macht, nach ihrem Arztbesuch fragt und tausend andere Fragen stellt.
Er hätte beharrlicher sein müssen, das stimmt schon. Aber da wusste ich auch keine echte Lösung. Ich dachte, wenn Marie David öfters mit mehr oder weniger geheimnisvollen Antworten abspeist, gibt sich der Leser ebenfalls zufrieden. Bei dir hat das nicht funktioniert.

Die Marie auf dem Gemälde,…. Farbe dehnte sich aus, so dass tiefe Risse entstanden, aus denen gelber, fetter Eiter quoll.
Ein Gestank von faulem Fleisch verbreitete sich … Die Kreatur auf der Leinwand lachte. ... Die Farben begannen zu verschwimmen ..., sich mit Blut zu vermischen. Die Schlieren liefen über die Leinwand, tropften aufs Parkett, wo sie eine stinkende Pfütze bildeten. Ein Aquarell des Grauens.
Das ist toll geworden! Super Beschreibung, erzeugt ein starkes Bild, das mir echt gut gefällt! Respekt!
Meine Güte, ich war selber überrascht, welche Abgründe sich da plötzlich auftaten. Das lässt tief blicken. :lol:

Ein Hauch frischer Erdbeeren lag in der Luft.
Ein angedeutetes Happyend. I like that :3
Ja, sollte ein Hoffnungsschimmer sein, aber war zum Verwirren der Leserschaft gedacht. Merkst du, meine Absichten sind unlauterer Natur? Und nun ist die Erdbeere erst mal verschwunden.

Liebe @peregrina,
also ganz kann ich mich nicht an das Original erinnern, liegt ja Ewigkeiten zurück, also kann ich den Vergleich nicht wirklich machen, aber ist ja nicht sooo wichtig.
Ja, nein, irgendwie schon. Auch für mich ist es schwierig, die kopierten Texte einzuschätzen. Letztendlich müssen sie sich doch immer einen Vergleich mit dem Original gefallen lassen.

Also, im Großen und Ganzen finde ich den Text gelungen, das will ich mal zuerst loswerden.
Das ist schon die halbe Miete!

Am Anfang habbert der Text leicht, aber auch wenn es sich nicht ganz legt, sind da echt tolle Szenen drinnen, die das Werk aufblühen lassen.
Mag sein, dass die KG etwas zäh beginnt, vielleicht hat sie auch unnötige Längen, aber gerade Seltsames oder Grauenvolles muss man doch ganz allmählich vorbereiten.

Die Rückkehr vom Hautarzt ins dunkle Zimmer, da hat man schon eine gewisse Ahnung, das war gut, und dann die Verwandlung auf dem Bild und natürlich die Duschszene, die sind echt gut gelungen und die fand ich außerordentlich stark. Es ist halt das, was dazwischen liegt, die konnten diesen drei Szenen nicht wirklich gerecht werden. Also da verliert meiner Meinung nach der Text seine Kraft, …
Lass es mich mal so sagen: Gegen so eine Berg- und Talfahrt gibt es doch nichts einzuwenden. Eine Geschichte kann eigentlich nicht nur aus Highlights bestehen. Oder? Dem Leser muss doch auch mal eine Verschnaufpause zugestanden werden, denke ich.

… vor allem hat mich die Szene gestört, wo er das Monster sieht und nicht wirklich verwundert ist, zumindest nicht ganz, und das habe ich ja auch oben bemängelt.
Hab ich versucht, dir zu erklären, welche Hintergedanken mich da umgetrieben haben.
Aber unsere Geschichten sind ja nicht in Stein gemeißelt und spätere Änderungen nicht ausgeschlossen.

Aber sonst machst du eigentlich alles richtig: Spannung ist da, die Figuren kriegen ein Gesicht, eine Tiefe, eine Seele, und natürlich sind da echt tolle Beschreibungen drinnen, so dass die Geschichte im Großen und Ganzen für mich funktionieren und ich sie gern gelesen habe.
Puh, Stein vom Herzen gefallen! Danke dir für deine Zeit, deine Überlegungen und das Lob, das will ja schließlich etwas heißen.

Liebe Grüße von peregrina

Hallo Friedrichard, hell, wieselmaus, M. Glass und ernst offshore, ein großes Dankeschön für eure Stimmungen und Meinungen. Ihr wisst ja, mit mir muss man ein bisschen Geduld habe.

Seid herzlich gegrüßt von peregrina

 

Hallo peregrina,

eine Künstlergeschichte also, verbunden mit einer tiefgründigen Liebesgeschichte. Du zeigst die Vergänglichkeit der Schönheit, wie nahe am Abgrund das leuchtet, was uns prall umfängt, solange es leuchtet. Dahinter, danach, droht Zerstörung, ist allgegenwärtig, kann jeden Moment passieren. Marie bleibt als Bild reiner Schönheit auf der Leinwand, löst sich vom Bild, verändert die Gestalt, verzweifelt mitsamt ihrem Schöpfer (denn kaum mehr ist der Künstler selbst) und geht zugrunde. Ganz verstanden habe ich den Text nicht. Warum passiert, was passiert? Eine real denkbare Geschichte lese ich ja nicht. Was für eine Seuche ist das? Warum hilft der Arzt nicht? Befinde ich mich in einer virtuellen Realität? Vielleicht muss ich ihn noch mal lesen. Keine Ahnung, ob ich das schaffe, so eindringlich hast du den Schorf und die eitrige Hautfläche beschrieben.

Was zeigt, wie du sprachlich mit den Emotionen des Lesers spielen kannst. Überhaupt finde ich, dass der Text handwerklich bestechend gut geschrieben ist. Vielleicht erzeugst du an manchen Stellen zu starke Bilder.

Textstellen:

Der Rock ist in kunstvollen Falten zwischen ihren gespreizten Beinen drapiert.
“gespreizt“ brauchst du im Grunde nicht, weil der Rock ja zwischen den Beinen klemmt.

dass es mir nie gelingen wird, Maries Vollkommenheit zu konservieren, sie unvergänglich und unvergesslich zu machen.
damit schilderst du eindringlich ein künstlerisches Grundproblem.

und ich bin fest entschlossen, die Chance auf Erfolg und Liebe festzuhalten, die mir das Leben bietet.
bisschen fett aufgetragen

Maries Duft nach frischen Erdbeeren macht mich fast wahnsinnig.
wie unterscheidet man den Duft frischer Erdbeeren von meinetwegen denen, die ein paar Stunden alt sind?:schiel:

Keiner interessiert sich dafür, wer ich wirklich bin.“
ist natürlich ein Klischee, dass eine attraktive Frau glaubt, nicht sie, sondern ihre Hülle sei gemeint.

Zum ersten Mal spüre ich eine diffuse Besorgnis, sie könne für immer entschweben.
Besorgnis klingt merkwürdig, besser fände ich einfach “Sorge”

Schon von Weitem
von weitem

Die winzigen Spiegel in den Iriden suche ich vergeblich. Ich kann nur zurückstarren.
Iriden zerstört für mein Empfinden das an sich schöne Bild.

Ich verheddere mich in den Decken, die ich in den Hof werfen will, und stürzte.
den Satz verstehe ich nicht.

Es ist warm und eine unangenehme Feuchtigkeit hängt wie eine dichte Wolkendecke aus Parfüm und menschlichen Ausdünstungen über den geladenen Gästen.
schönes Bild:Pfeif:

Mein Herz rast und mein Verstand versucht verzweifelt, aus Satzfetzen, farbigen Schnipseln und Gefühlssplittern ein Bild zusammenzusetzen.
„Komm, lass uns gehen, David! Es ist so weit.“
den Schluss kapiere ich nicht: was ist so weit?

Ich hoffe, du kannst was mit anfangen.
Viele Grüße und einen sonnigen Tag wünscht dir
Isegrims

 

Hallo peregrina ,

„Ich fand eine Galeristin, die an mich glaubt und meine Bilder ausstellt und ich bin fest entschlossen, die Chance auf Erfolg und Liebe festzuhalten, die mir das Leben bietet. “
An diesem Satz habe ich gestockt. Vielleicht liegt es daran, dass er so lang ist.

„Schön sein macht einsam, David. Ich will aber nie wieder einsam sein.“
Schön. Hat mir gefallen :3

„Die Wut kommt in kleinen Wellen, schwappt heiß über mich hinweg und lässt geballte Fäuste zurück, die nur noch zuschlagen wollen.“
Auch schön.

„Ab und zu wird ihr Körper von Zuckungen geschüttelt und ich glaube, ein Wimmern zu hören.“
Kannst du streichen.

„Das Monstrum“
Interessant surrealistisch. Hat mich aber anfangs verwirrt.

„Ich lasse sie stehen und hole mir vom Büffet noch ein Glas, dessen Inhalt ich hinunterstürze. “
Haha

„Nur mir meinen Händen.“
Nur mit

„„Komm, lass uns gehen, David! Es ist so weit.““
Das war alles ein Traum? Ich weiß nicht, ist diese Auflösung nicht zu einfach?

Sooo peregrina,
mir hats gefallen. Ich fand es interessant und abwechslungsreich. Yeah. Ich hoffe, die Kritik konnte die helfen.

LG,
alexei

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Friedrichard,

danke für deinen Besuch im Gruselkabinett, deine freundlichen Worte und die Gedanken zum Text.

Mit feinen Pinselstrichen tupfe ich das weiße Viereck in die Iris, aber Maries Ebenbild bleibt tot.
Und es muss tot bleiben,
wie das Foto von meiner Yacht, meinem Haus, meinem Pferd, das ich übrigens jeden Tag reite, und meiner Frau nebst Kindern wohl meins ist, aber eben nicht mein Kind, meine Frau usw., sowenig wie der ferne Freund im Internet.
Wir Menschlein streben eben nach Liebe, nach Anerkennung und Erfolg, nach Schönheit und Gesundheit sowie nach materiellen Dingen und wollen alles festhalten, eben besitzen. Ist so. Der eine mehr, der andere weniger. Der David dieser Geschichte ist ein großer Streber.

Da hastu Dir eine schwere Bürde aufgeladen - und fast will mir scheinen, dass ich von den alten Kommentaren zur markus'ischen Vorlage das eine oder andere übernehmen kann, …
Nein, keine schwere Bürde aufgeladen, eine interessante Herausforderung angenommen.
Ich sehe es als Experiment, ich wollte nur mal wissen, ob ich fremdes Gedankengut handlen und eine halbwegs vernünftige Story erzählen kann, die sich vom Original abhebt und doch gleich ist.

… zumal ich damals Ulfila, den Luther der Goten, wenn man denn Vergleiche braucht, und somit die ersten schriftlichen Zeugnisse germanistischer Zunge überhaupt entdeckte, die nicht nur ein R(a)unen bedeuten - etwa an den Worten Liebe und Freundschaft, aber auch Freiheit. Und schon dass Marie auf Leinwand eingefangene werden soll, auf dass David damit Karriere mache, zeigt, dass das Wort "Liebe" zu groß ist zwischen D. und M.,…
Das kannst du laut sagen, Liebe ist ein großes Wort für sexuelle Obsession und für Freiheitsberaubung. Erst recht wenn sie nur als Vorwand herhalten muss, um beruflichen Erfolg durchzusetzen.
Ich fand eine Galeristin, die an mich glaubt und meine Bilder ausstellt und ich bin fest entschlossen, die Chance auf Erfolg und Liebe festzuhalten, die mir das Leben bietet.

und plötzlich stimmt nix mehr an ihr, wie bei den isolierten Leprakranken oder von einer Pest Befallenen, Aussätzige halt, zu denen sich literarisch nur zwo Beispiele der Nächstenliebe und des Kontaktes bei mir spontan jetzt melden: Im Neuen Testament und - Ben Hur (ein Roman, der ja sinnigerweise zur gleichen Zeit wie das NT handelt - sehn wir mal von der Offenbarung des J. ab. Das könnt die Trumpchoreria werden).
Es ist ja möglich, dass David nicht nur ein Streber sondern auch ein Übertreiber ist. Ich denke, er hat Marie schon vor ihrer krankhaften Veränderung nicht richtig wahrgenommen, viel zu viel Verklärung in seinen Blick gelegt.

Triviales:
Konjunktiv irrealis ist eingesetzt

Dazu mach ich mir später noch Gedanken, im Moment hab ich nicht die nötige Ruhe.

..., aber der Gestank steht wie eingemauert im Raum und ...
Hm, hier will mir der Vergleich nicht gefallen, gut, es gibt die "Mauer des Schweigens" und die Nebelwand, aber der Ausdünstung(en)?
Obwohl die Verbindung kann natürlich das "Verb" schlagen" bringen, wenn einer mit dem Kopf gegen eine Mauer/Wand knallen kann, hier kehrt sich dann das Verhältnis um: Stänkerei/Gestank kann einen schlagen - auch mit Vorsilbe er- (eine Mauer würde auch eher jemand verschütten, statt sich als Film auf die Haut zu legen)

„Gerüchte. Darauf würde ich keinen Pfifferling wetten.“
Womit ich auf ein sehr persönliches Gedicht von mir zurückgreife, das wahrscheinlich im Niederländischen, Frieischen oder sonstigem Platt viel schöner klänge

Wie Gerüche uns’rer Küche unter Türen, die verschlossen, unverdrossen sich verlieren,
Nasen schmeicheln, Gaumen streicheln, somit Kopf und Bauch erweichen - …

Wir versuchen es mal.
Zoals geuren onder afgesloten keukendeuren zich verliesen onverdroten, neuzen vleien, gehemelte aaien, bijgevolg hoofd en buik vertederen -
Denkst du, das klingt schöner? Ach nee, das würd ich nicht lernen wollen.

Da erzähl ich meine Märchen doch weiterhin in meiner Muttersprache. In diesem Sinne …

… wir lesen uns, das ist sicher, aber es kann noch dauern.

Liebe Grüße und alle guten Wünsche von peregrina


Hallo hell,

Respekt, du machst dein Versprechen wahr und kommentierst jeden Copy-Text. Dafür kann ich dich und auch barnhelm nur bewundern. Ich für meinen Teil hab es mir abgewöhnt, Hoffnungen zu wecken, weil ich einfach nicht konsequent sein kann. (Du musst heute noch auf den angedrohten Komm zu deinem Challenge-Beitrag warten. Wobei, die Fragmente liegen irgendwo. Es existieren in meinem Chaos mehrere Unvollendete.)

Markus' Geschichte kannte ich bis dato nicht - ein starkes Stück hast du dir da ausgesucht, muss ich schon sagen.
Für mich war die KG auch unbekannt, aber das ist ja auch ein angenehmer Nebeneffekt des Kopierens, dass versunkene, vergessene Geschichten noch einmal das Licht der Welt erblicken können.

Aber ich finde, du hast dich nicht übernommen, ich finde es gut, dass du in Richtung Horror schwenkst, und ich finde, dass das eben eine schöne Copywrite-Idee von dir war.
Die perfekte Geschichte gibt es ja nicht, allerdings ist das Original von Markus schon sehr bemerkenswert, das strotzt nur so vor originellen Ideen, wenn ich nur an den Perspektivwechsel des Erzählers denke oder den ausgefallene Sprachstil. Und allein schon wegen des Themas konnte ich nicht nein sagen, da hab ich gleich gespürt: Das ist es. Und letztlich wollte ich unser aller Angst vor Veränderung (nicht nur der Schönheit?) ansprechen, quasi als Horrorvisionen visualisieren. Wenn ich es mir recht überlege, drücke ich vielleicht sogar unterbewusst aus, dass ich mich als Autorin endlich mit meiner/unserer Veränderung und Vergänglichkeit abzufinden bereit bin.

Genau hier setzt aber mein erster Kritikpunkt an: Du gehst nur in die Richtung, kommst aber mMn nicht im Genre an, obwohl du so vielversprechende Ansätze verfolgst. Ich wünschte, ähnlich wie barnhelm, du gingst diesen einen Schritt weiter.
Auch wenn ich mit klassischen Horrorelementen spiele, wollte ich dass Horrorgenre gar nicht in dem Maße bedienen, die Ereignisse sollten nur seltsam anmuten. Ich war selber etwas verblüfft, als die Bilder ein Eigenleben bekamen. Aber das wirklich Gruselige für mich sind Davids Überreaktionen, die unkontrollierten Ausraster bis hin zur Auslöschung Maries???

So wirkt es ein wenig, als wenn du um den heißen Brei herum schwadronierst, als wenn dir ein wenig Mut zu fehlen scheint.
Nee hell, feige ist keine Eigenschaft, die mir steht. Hätte ich mich sonst auf diese Spielrunde eingelassen?:fluch:

Ja!, sage ich, mach' da echten Horror daraus, guter Horror wäre das, da er nicht nur zu schockieren wüsste, sondern auch eine Erkenntnis, eine Provokation, einen Gedanken in sich trüge, der eben auch zum Nachdenken anregen könnte. So wie die Vorlage es schon vorzüglich schafft.
Jetzt stehe ich auf dem Schlauch. Bist du sicher, dass guter Horror Erkenntnisse und Provokationen mit sich bringt? Sollte nicht jede Geschichte in der Lage sein, zum Nachdenken anzuregen?
Wenn meine Kopie das nicht schafft, dann liegt das wohl nicht am dem Genre, wohl ehe am Gesamtkonzept?
Vielleicht war es eine Fehlentscheidung, die Stellvertreter für die Gesellschaft (Bettler, Musikgenie, dessen Mutter und Schwester) in der Bedeutungslosigkeit verschwinden zu lassen, weil dadurch meine KG seichter gerät und die gesellschaftliche Komponente vernachlässigt wird. Unsere Idee, was Schönheit sein soll, schwebt nicht einfach im luftleeren Raum. Meinst du das?

Der zweite Kritikpunkt: Bitte, bite kein Aufwachen aus einem Traum. Mich wundert es echt, dass du zu so einem billigen Ende greifst, du weißt doch selbst, dass das unbefriedigend, ja, wie eine Verarsche wirken kann. Tut es hier auch, sorry. Also das lässt mich leider völlig unbefriedigt zurück.
Stichwort Verarsche: Verarsche im positiven Sinne, sagen wir mal Verwirrung des Lesers, war meine Absicht. Mir schwebte vor, dass der Leser am Ende der KG fragt, was’n das jetzt? Hat der David das geträumt oder nicht? Billig wäre, wenn ich nicht wenigstens probiert hätte, mehrer verschieden Lesearten vorzubereiten. Gut, mein Plan ist nicht aufgegangen. Da muss ich wohl noch bisschen üben. :lol:
Möglicherweise hast du gelesen, was ich zu dem Problem Schlussgestaltung geschrieben habe, an alle.

Ist ja gottseidank nur ein sehr kurzer Abschnitt, den du ratzfatz löschen könntest ;) .
Das hast du mit deinen Argusaugen natürlich sofort erkannt. Ist kein Zufall, dass im Notfall die letzten Zeilen wie durch Zauberhand eliminiert werden könnten. Aber ich tendiere zur Umsetzung des Vorschlages von wieselmaus.

Die Obsession, dass Marie der entscheidende Faktor für seinen Werdegang ist, deutest du ja schon an. Dass seine Muse ihn verlässt, dass sie ihre Magie verliert, kann David nicht zulassen - schön in dem Zusammenhang die gruselige Duschszene. Da fände sich mMn der Anknüpfpunkt, um die Geschichte weiter (grotesk?) zuzuspitzen.
Selbstverständlich könnte man ab dem Punkt weiter spinnen, aber die Duschszene ist das angestrebte Ende Punkt Und wie lang soll das Teil denn noch werden? :lol:

Er könnte sie verstecken, verzweifel daran basteln, dass sie wieder schön wird (könntest dich einiger Horrorzutaten bedienen), um sie wieder zu dem zu machen, was er so dringend braucht (da muss ich an Elemente aus dem Film "Der Tod steht ihr gut" denken). Natürlich gelingt ihm das nicht, er verschlimmbessert die Situation, was ihn in regelrechte Raserei versetzen könnte. Und zu guter letzt, war es vielleicht immer die hässliche Marie, die abstoßend auf all seinen Bildern konserviert wurde. Das Abstoßende, dass die Galeriebesucher und Fans so an den Werken bewundert haben und hatten.
Ja, eine fantasievolle Lösung, Davids Erfolg basiert auf der Abscheulichkeit seiner Muse.
Die nächste Copy-Runde kommt bestimmt, vielleicht wirst du mir ja zugelost. ;)

Du siehst schon, die Gäule gehen mit mir durch, Peregrina . Aber ja, dann hättest du die Schnittmenge zur Vorlage noch vergrößert: Die Frage, ob sich David die schöne Marie nur eingebildet hat.
Meine KG beantwortet die Frage zwar nicht, aber sie wirft sie auf. Das „ätherische Wesen“ könnte ein Hinweis auf gewisse Blendung/Blindheit/Voreingenommenheit sein.

Würdest du den Traum killen und den Mut aufbringen, dich echtem Horror, Psychothriller zuzuwenden, dann gewänne dein Text jedoch noch deutlich hinzu, denke ich. Aus einem guten, könnte ein sehr guter, hervorragender Text werden.

Kannst ja mal darüber nachdenken, wenn du willst.

Seit Tagen mach ich nichts anderes als nachdenken.

PS. Sprachlich hat mir das übrigens sehr gefallen. Geschmeidig glitt ich durch die Zeilen. Ein paar Dinge gibt es immer, klar, das ändert aber am Gesamturteil nichts.
Vielleicht schaue ich nochmals rein.
Logisch, darüber würde ich mich freuen, wie immer, wenn ich deine Anregungen ausbeuten darf. Aber nur, wenn’s nicht zu viel Umstände macht
Und vielleicht hab ich bis dahin das Ende noch etwas behauen.

Danke hell für deine interessanten Anregungen und die Zeit, Zeit, Zeit, die du meiner Kopie geschenkt hast.

Liebe Grüße von peregrina

Liebe wieselmaus,

das haut gleich voll rein:

deine Geschichte ist toll und kann es mit der Vorlage aufnehmen. Was mir sehr gut gefallen hat, ist der Wechsel von der Musik zur Malerei, obwohl beide Künste sehr verwandt sind, wie ich gestern bei der Klee-Ausstellung in Basel gezeigt bekommen habe
(Fondation Beyerler)
Die Lösung ist aus der Not geboren. In musikalischen Dingen kenn ich mich zu wenig aus, da musste die bildende Kunst herhalten und die war ja dann recht ergiebig.

Das Verhältnis des Malers zu seinem Modell und zu seinem Bild ist, glaube ich, auch ein Thema der Weltliteratur. Mir fällt da Oskar Wilde ein, Das Bildnis des Dorian Gray. Wenn ich jetzt also einen Bogen dazu schlage, dann nimm es als Kompliment dafür, dass dein Text mich zu solchen Assoziationen verführt.
Ich nehm’s als Kompliment. Wer weiß, vielleicht waren es unbewusste Verknüpfungen -
Bildnis, Wahnsinn - keine Ahnung. Ich muss mir den Roman noch mal ranholen. Jonge, Jonge, das wird mir grade bewusst, da verändert sich auch das Bild, es altert an Dorians Stelle. Na bravo, da hab ich Wilde kopiert, ohne es zu wilden. Den muss ich unbedingt ausgraben, da bin ich gespannt auf die Atmosphäre und auch die erfrischenden philosophischen Gespräche.

Wahnvorstellungen kennzeichnen die jeweiligen Protagonisten, bei Wilde münden sie in einen Mord, bei dir wacht der Prota aus einem hässlichen, zerstörerischen Traum auf mit der Andeutung eines positiven Endes, jedenfalls in deiner Erstfassung.
Mit dem Tod von Marie liebäugel ich natürlich schon lange.

Du hast inzwischen nachgebessert und dem Leser ein offenes Ende beschert. Das ist jedenfalls plausibler als das verharmlosende Happy End. Ich selber hätte ein grausameres Ende besser gefunden. Ich mach mal einen Vorschlag, um die Richtung anzudeuten.

"Komm, lass uns gehen , David! Es ist so weit."
David hört ihre Stimme, sie klingt wie immer. Im Aufstehen erhascht er einen Blick auf ihre Waden. Sie sind aufgeplatzt, eitriges Blut läuft an ihnen herab.

Es gibt auch schon ein alternatives Ende, da hab ich deinen guten Gedanken aufgegriffen. Momentan hab ich mich noch in die dämliche Idee verbissen, mehrere Interpretationen der KG seien wichtig. Aber der innere Widerstand beginnt bereits zu bröckeln, wird nicht mehr lange dauern, da tausch ich die letzten Zeilen aus, wirst sehen.

Warum ich den schaurigen Schluss bevorzugen würde? Ich finde, du hast ein Talent für Horrorgeschichten. Nicht für solche, wo außerirdische Phantomgeschöpfe auftauchen, sondern für solche, wo der Horror unvermittelt aus Alltagsszenerien herausbricht. Psychterror usw.
Ein Ende ohne Schrecken würde gar nicht passen :baddevil:
Nein, jetzt im Ernst, irgendein rosarotes alle-fallen-sich-um-den-Hals-Ende wäre der absolute Horror.
Talent hin oder her, da tue ich mich schwer, dieses Lob anzunehmen. Und doch hast du ein scharfes Auge, ich bin nämlich der geborene Psychothrillerleser und -schauer.
Kann sein, dass der Massenkonsum abfärbt, damit könnte ich gut leben.


Liebe speedy wieselmaus, vielen Dank für deine aufmunternden Worte, die Zeit und den super Vorschlag für den Schluss.

Herzliche Grüße von peregrina

 

Nur ganz kurz:

hell schrieb:
... guter Horror wäre das, da er nicht nur zu schockieren wüsste, sondern auch eine Erkenntnis, eine Provokation, einen Gedanken in sich trüge ...
Jetzt stehe ich auf dem Schlauch. Bist du sicher, dass guter Horror Erkenntnisse und Provokationen mit sich bringt? Sollte nicht jede Geschichte in der Lage sein, zum Nachdenken anzuregen?
Natürlich. Leider ist es so, dass sehr viele Horrorgeschichten (aus Film u.o. Buch) nur oder Hauptsächlich auf Schockelemente (zumindest schwerpunktmäßig) zu setzen scheinen. Meinte ich also ganz banal.
Das Monster ist in uns/ die Monster sind wir selbst. Das zu zeigen, ist halt spannender, als ausschließlich auf Splatterelemente o.ä. zu setzen. Für mich jedenfalls.


Gruß


hell

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Markus,

du hast dein kritisches Auge auf die Kopie geworfen, das freut mich sehr.
Die Beziehung zwischen den Copy-Paaren ist ja eine ganz besondere, ich empfinde es jedenfalls so. Du bist ein erfahrener Kopierer, hab ich mitbekommen, vielleicht ist der Erregungsfaktor bei dir schon etwas abgeklungen. :D.

als Kopierter bin ich reichlich voreingenommen, ich habe meine Geschichte Eigentlich egal nach sehr langer Zeit wiedergelesen und finde es spannend, was du daraus gemacht hast, unter anderem, weil es auch ein bisschen zeigt, wie du meine Geschichte gelesen und verstanden hast.
Nein, du muss ich widersprechen. Verstanden hab ich sie so, dass die Hauptaussage deiner KG ehe ist, dass sich David nicht frei machen kann von gesellschaftlichen Ansprüchen, Vorgaben und Meinungen. Er lässt sich stark beeinflussen durch die Ansichten der anderen, sein Verhalten steht in einer unmittelbaren Abhängigkeit zur Umwelt. Zum Beispiel, wenn Mirco behauptet, er würde die gleiche Melodie wieder spielen beim Anblick der veränderten Marie, sagt mir das, Mirco steht für den Teil von uns Menschen, die die inneren Werte erkennen und schätzen können.

Das Geblitze hast du in Aktmalerei verwandelt, das bringt ein neues Element in die Erzählung, die bereichernde Wirkung von Schönheit auf kreatives Schaffen, und dass es in diesem Fall tatsächlich der schöne Körper ist und nicht der wecke Geist von Marie.
Es war der Punkt in Maries Auge beim Geblitze, der die Gedankenlawine ausgelöst hat.
Da konnte ich das Schatzkästchen der Erinnerungen öffnen und mein Wissen über die Bedeutsamkeit des Punktes in Auge bei der Portraitmalerei auskramen.
Und dann wurde der helle Punkt zum roten Faden.
Die Wirkung von Schönheit auf die Kreativität, auf den Erfolg, damit habe ich alles auf die Spitze getrieben, auch um den Wahnsinn des Künstlers besser etablieren zu können. Verstärkt das Abhängigkeitsverhältnis klasse.

Dein David ist - völlig anders als der in Eigentlich egal – überhaupt nicht eifersüchtig, sondern er geilt sich ganz im Gegenteil daran auf, dass andere ihren Körper begehren. Er fasst das schon fast als Kompliment auf.
Eifersüchtig im landläufigen Sinne erscheint der neue David nicht, das ist richtig. Aber wenn wir Eifersucht als eine Form sehen, von Besitzansprüche durchsetzen wollen, dann verhält er sich nicht wesentlich anders als dein David. Mein David pusht sein Selbstwertgefühl durch das Besitzen von Marie auf, deshalb ist er nicht bereit sie aufzugeben. Er zieht es vor zu zerstören, was er nicht in seiner ursprünglichen, schönen Hülle haben kann. (Ein klassisches Vorgehen in Eifersuchtsdramen.)

Eine Sache, die ich – genau wie Fliege – sehr unglücklich finde, ist das mit dem Traum. Ich vermute, das wurzelt darin, dass sich im Original am Ende aus Sicht des kleinen Jungen nichts verändert hat und diese Nichtänderung hast du in dieses Traumhafte übersetzt, also dieses Surreale, was ich versucht habe, in die Geschichte zu mischen, hast du gesteigert bis zum tatsächlichen Traum. Das gefällt mir nicht, ich will das Traumhafte und nicht den Traum.
Deine Unzufriedenheit kann ich total nachvollziehen. Mein Vorgehen hat nix mit dem Klavierspieler Mirco zu tun.
Mittlerweile hab ich oft geschrieben, weiß nicht, inwieweit du die Kommentare verfolgst, nur als Traumauflösung wollte ich das Ende nicht verstanden wissen, (manchmal greif ich nach den Sternen) mir war eine vielseitige Leseart wichtig, weil das thematisch mit dem Wahnsinn passt.
Aber die Idee habe ich mir schon abgeschminkt. Für solche Kunststückchen fehlt mir die Übung.

Im Traum ist ja alles möglich und ungefährlich. Ich mag dieses Ungewisse, wenn Realität gefährlich wird. Mit dem letzten Absatz wertest du die Geschichte bloß ab, ich seh‘ keinen Gewinn am Ende. Dass du das geändert hast jetzt, finde ich gut.
Ja, das Ungewisse hat seinen Reiz, ich mag solche Geschichten auch gerne. Aber das muss dann auch vom Erzähler/Autor geschickt aufgezogen werden.
Die kleine Notoperation hat es noch nicht gebracht. Den Schluss werde ich verändern.

Ich persönlich mochte die Version in Präteritum mehr.
Das wundert mich, rückt doch das Erzählen im Präsenz den Leser näher ans Geschehen.

Deine Anmerkungen:

Dabei war ich mir sicher, dass mit dem Auftauchen von Marie, die Wende in meiner Laufbahn begonnen hätte.
hatte
der Konjunktiv sei hier besser, behauptet Friedrichard, meistens höre ich auf seinen Rat

Zum ersten Mal spürte ich eine diffuse Besorgnis, sie könnte für immer entschweben.
Meine Worte klangen vorwurfsvoller, als ich es beabsichtigt hatte.
Kein Komma.
In Kommafragen bin ich nicht der richtige Ansprechpartner, aber hier glaube ich zu wissen, weil „als“ einen kompletten Nebensatz einleitet, sollte es stehen. Bei: „Meine Worte klangen vorwurfsvoller als gedacht“ darf kein Komma stehen.

Ich lag wie ein Brett, starrte in die sternenklare Nacht, den Kopf voller Fragen, die wie Pingpongbälle an die Schädeldecke ploppten.
Das ist eines der ausgefallenen Bilder, die ich mag. Das Wort „ploppen“ ist fantastisch.
Bilder find ich auch klasse, aber barnhelm und Maria haben's mir ausgeredet, ihre seriöse Begründung konnte ich nicht negieren

Was ist mit dir, hast du einen Geist gesehen?“, fragte das Monster.
Das Monster so anzufügen, finde ich ungeschickt. Es reicht, wenn du später davon sprichst.
Da muss ich echt noch mal grübeln. Ich hab Maria schon versucht, die Situation und meine Gedanken dazu zu erklären. David nimmt sie in dieser Szene erst als Monster wahr, er wird wütend, dann schwächt sich das Extreme ab, er bringt sich selber auf einen normalen Gefühlspegel zurück, dann ist es wieder Marie.

Schaut nur ihr Bastarde, das ist die Frau an meiner Seite, wollte ich rufen. Bis mir klar wurde, dass Marie vielleicht nie mehr die Selbe sein würde.
dieselbe
hab’s geändert, das ist der Legastheniker in mir


Ich halte dich in der Dunkelheit.
Ein Satz, der schon zu Anfang kommt, und so im Ansatz Davids Zerrissenheit zeigt. Wo kommt der Satz her? Ist es eine tiefe Überzeugung oder eine Erwartung an sich selbst?
Anfangs wollte ich im Text viel mehr mit Licht und Schatten spielen, was nahe läge bei der bildenden Kunst. Das Halten in der Dunkelheit baut eine schmale Brücke zum Titel Das Dunkle in mir und wie du schon absolut richtig sagst, das Kursive zeigt Davids Zerrissenheit.
Es ist eine Art Glaubenssatz und sehnlichster Wunsch von ihm, Marie zu halten, ihr Geborgenheit zu geben. Aber ich sehe auch sein tiefes Wissen, dass er dazu nicht in der Lage sein wird.

Im Groben hast du die Dynamik meiner Geschichte übernommen, insgesamt finde ich den Kontrast zwischen der schönen Marie und der hässlichen Marie bei dir noch krasser, die ursprüngliche Marie wird ganz schön idealisiert und mystifiziert, die muss ja echt ein heftiges Wesen sein, wenn eine Frau, „alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt“, dann wird das schnell unglaubwürdig, dadurch verliert die Geschichte etwas an Gefahr für mich.
Das mag sein. Das kann und will dir gar nicht abstreiten, dass man das so lesen kann.
Für mich hatte von Anfang an das „ätherische Wesen“ und „alles Dagewesen in den Schatten stellen“ den Zweck zu erfüllen, Davids verklärten Blick auf das Subjekt seiner Begierde zu illustrieren.

Hat auch irgendwie so einen Racheakt drin: lassen wir mal die Ultrahübsche abkacken. Und auf der anderen Seite verwandelt sie sich nicht nur in etwas Hässliches, sondern in ein Monster, also die beiden Extreme schiebst du noch weiter auseinander.
Natürlich schiebe ich, muss ich sogar, mein Ich-Erzähler ist gestört, balanciert am Rande des Wahnsinns.
Denkst du da speziell an einen Racheakt der Autorin an wunderschönen Frauen?
So nach dem Motto: Ich schaffe mir auf die Weise die Konkurrenz vom Hals? :lol:

Besonders stark empfand ich die Szene auf der Vernissage, bei dem die Bildnisse von Maries Körper allen Blicken ausgeliefert sind. Da treffen unheimlich viele Gefühle aufeinander: Stolz und Freude, eine derart schöne Frau zu besitzen (!), aber freilich auch auf die eigene Kunstfertigkeit, auf der anderen Seite, die Panik, dass das Ausgestellte nicht mehr der Realität entspricht, hier sehen alle eine Schönheit, Zuhause sitzt das Grauen. Und zuletzt die plastisch gewordene Verunsicherung, aus den schönen Bildern steigt die abstoßende Erscheinung.
Danke für die schöne und treffende Interpretation

Ein weiterer interessanter Aspekt ist der, dass er ihre Schmutzigkeit, ihre Verbrauchtheit wegmachen will, er verletzt sie dabei sogar, das eröffnet auch viele Spielräume: er möchte ihr nicht helfen, sondern gegen ihren Willen wird er tätig, um seine Wahrnehmung zu richten.
Durch den Akt der Reinigung will er den ursprünglichen Zustand herstellen, um sein Eigentum zu erhalten.

In der Geschichte wird Marie zum Objekt entwertet, nur wie sie aussieht, zählt, sie wird bloß betrachtet, nicht erfühlt, abgemalt, angestarrt, ausgestellt, eine Wahrnehmungspuppe, ein „Ich liebe dich“, das sich nicht wehren kann und fast stirbt an der Rücksichtslosigkeit Davids.
Ja, in meiner Geschichte geht es nur um die Hülle, um die Vergänglichkeit des Äußerlichen.
Und am Beispiel eines Individuums versuche ich in einer Art Gleichnis (vermessener Wunsch von mir) zu zeigen, wie verbissen, verzweifelt und krankhaft wir uns oft festklammern an Glanz und Gloria, und Schönheit und Jugend über alles andere stellen.

Danke fürs Weiterspinnen meiner Geschichte!
Ich danke dir, dass ich diese wunderbare Vorlage missbrauchen durfte.

Liebe Grüße und ein „schönes“ Wochenende wünscht peregrina


Hallo ernst offshore, da du ohnhin keine Zeit hast, dir meine Antwort auf deinen Komm durchzulesen, schieb ich sie noch ein bisschen nach hinten. ;) Hab ich etwas, worauf ich mich freuen kann.

Liebe Isegrims, lieber alexei, auch euch bitte ich um Verständnis für mein Schneckentempo.
Es wird, aber es wird dauern.

Sonnige Grüße,
peregrina

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo ernst offshore,

es gefällt mir nicht, dass du warten musstest auf die Beantwortung deines Kommentares, aber ich hinke hinterher, weil ich die Disziplin Schattenspringen (noch) nicht beherrsche.
Vielen Dank für deine Gedanken, die ja wieder einmal aus tiefen Emotionen resultieren. Du weißt, was jetzt folgt, mein Standardsatz: Und was kann sich ein Schreiber mehr wünschen, als dass seine Geschichte Gefühle anspricht und Nachdenklichkeit hervorruft.

Nur noch ein paar Minuten, Kleines. Bitte!“
Also für mich deutet sich schon hier das Drama der weiteren Geschichte an. Die Art nämlich, wie David Marie anredet, wie er seine Muse/Freundin/Geliebte durch die Verwendung dieses vermeintlich harmlosen, in Wahrheit allerdings perfiden Kosewortes gleichsam verdinglicht, zum Objekt degradiert quasi, lässt ja schon erahnen, dass ich es hier nicht mit einer Beziehung zu tun bekomme, in der sich zwei Partner auf gleicher Augenhöhe begegnen.
Natürlich steht dieses „Kleines“ der amerikanischen Verniedlichung „Baby“ in nichts nach. Aber den Lorbeerkranz kann ich mir nicht aufsetzen, das war keine bewusste Wahl, um Marie hier schon zu erniedrigen.
Interessant ist, dass ich später im Text mit den Größenverhältnissen spiele: die größere Galeristin, die sitzende Marie, auf die David herabschaut, bei „Kleines“ kam mir vielleicht das Unterbewusste zur Hilfe.

Marie wimmert, doch sie wehrt sich nicht. Erst als sich das Wasser, das in den Abfluss gurgelt, rot färbt, lasse ich von ihr ab.
Mit letzter Kraft flüstert sie: „Ich liebe dich, David.“
Nein, dieser David ist für mich wahrlich kein romantischer verliebter Träumer und darüber hinaus auch kein wahrer Künstler aus innerer Berufung, sondern in erster Linie ein berechnender, selbstverliebter Karrierist.
An dem Text merkt man, Romantik ist nicht mein Steckenpferd und einen Hang zum glücklichen Ende kann man mir auch nicht nachsagen.

Und weil Marie das eben spürt, rächt sie sich an ihm, indem sie krank wird und ihm dadurch das wegnimmt, was er offenbar als ihren einzigen Nutzen für sich (neben ihrer Möse :Pfeif: ) erachtet: Ihr Aussehen.
Eine interessante Leseart, freiwilliges Aufgeben der schönen Hülle aus Rache, daran hatte ich nicht gedacht, aber es spricht nichts dagegen, es so zu deuten.

Ob Marie nun tatsächlich von makelloser Schönheit ist/war oder David lediglich ein Idealbild in sie projiziert, ist dabei vollkommen unerheblich. Wesentlich ist, dass Marie verdammt noch mal seinen Vorstellungen zu entsprechen hat, ansonsten sie sich schleunigst vom Acker machen kann. (Zum Ficken hat er ja schließlich die Galeristin auch noch.)
Der Begriff makellos schön ist ja fast wie eine Provokation in meinem Text. Während des Schreibens dachte ich immer: Definiere „schön“ doch endlich mal! Und da bin ich immer da gelandet, dass jeder Schönheit mit eigenen Maßstäben misst und doch total dressiert ist von unserer Gesellschaft, die sich eben ihre eigenen Werte geschaffen hat.
Und so ist Marie eben auch nur die Projektionsfläche für Davids Idealvorstellungen.
(Ja, so hatte ich mir das gedacht, als ich die Figur der Ruth einführte.)

Wahrlich ein typisches, herzallerliebstes Kind unserer modernen Zeit, dieser David, bzw. ein großartiger Vertreter jener Spezies von Bekloppten, für die Schein (nicht nur im Sinne von Äußerlichkeiten, sondern auch im Sinne von Geldschein) wichtiger und immer wichtiger zu sein scheint als wahrhaftiges Sein, bzw. ein echter Dreckskerl halt.
Ohne Worte!

So, und was bleibt am Ende? Egal, ob ein Großteil der Handlung von David nur geträumt ist (was der geringfügig geänderte Schluss ja nach wie vor nicht explizit ausschließt), oder ob es sich gänzlich um reales Geschehen handelt - tritt David am Ende geläutert hervor? Hat er seine ganz persönliche Katharsis erlebt?
Das Geschehen ist natürlich durch die Augen Davids beobachtet, der Blick von Verlustangst getrübt, weil sein Ego schrumpfen könnte und sein Erfolg gefährdet scheint. Sein Handeln ist vom Wahnsinn gesteuert, da ist nix mehr mit Katharsis. Aber vielleicht ist das, was David treibt, auch nur der ganz normale Wahnsinn.

Tja, was David betrifft, mach ich mir ehrlich gesagt keine Illusionen. Der wird seinen Weg schon gehen, nehm ich mal an, er wird für seine gefälligen Bildchen*) weiterhin willfährige Abnehmer in der Schickeria finden, bei all diesen unsäglichen Figuren, für die sich der Wert von Kunstwerken ausschließlich an deren Preisen bemisst, und seine Marie, das kleine Dummchen (© David?), wird er wohl bald vergessen haben.
Ob David aus der Geschichte so unbeschadet herauskommt, vermag ich nicht zu sagen, nachdem ich den Schluss angepasst habe. Wahrscheinlich wird er hinter verschlossenen Türen weiterhin seinen Vorstellungen von Schönheit nachhängen und sie sogar auf eine Leinwand bringen können. Malen als Therapie und Chance auf Heilung.:lol:

Ein seltsamer Text, peregrina, sehr gut geschrieben, keine Frage, aber eben seltsam. Ja, seltsam aufwühlend irgendwie für mich. Als würde ich’s persönlich nehmen, was dieser armen Marie da widerfährt. Und tatsächlich mochte ich diesen David von den ersten Zeilen an nicht, keine Ahnung, warum. Hab ich an ihm vielleicht irgendwas zu entdecken gemeint, von dem ich fürchte, dass es auch in mir selber schlummert?
Nicht nur in dir, Ernst. Auch ohne die Spuren von Wahnsinn denke ich, schlummert dieser David in uns allen, das lass ich mir von niemandem ausreden.

*)Tja, und was noch seltsamer ist: Mir gefielen auch seine Bilder überhaupt nicht, so bescheuert das jetzt klingen mag, ich mein, wir reden von Bildern, die ausschließlich in meinem Kopf entstanden sind. Aber was ich da in meinem Kopf gesehen hab, jessas, das war einfach furchtbar. Furchtbar kitschig, furchtbar beliebig, furchtbar gefällig.
Beim Schreiben muss man sich ja an etwas Konkretem festhalten können und da hab ich mir die Werke von Egon Schiele vor Augen geführt. Die Pose, die Marie am Anfang der KG einnimmt ist einem seiner Bilder nachempfunden. Sinnigerweise ist er ein Österreicher (gewesen) :D und ob ich seine Bilder als gefällig bezeichnen würde? Eher für die Zeit innovativ und provokativ .

Tja, was so eine Geschichte so alles mit mir zu machen imstande ist. Schon seltsam ...

Vielen Dank jedenfalls für dieses aufwühlende Leseerlebnis, peregrina.

Ist ja nicht allein mein Verdienst, Markus hat schließlich auch seinen Teil beigetragen. Das Original war auch nicht ohne Wirkung geblieben und da sehe ich die beiden Geschichten in ihrer Wirkung gerne als Ganzheitliches.

Danke für deine Offenheit, Ernst und liebe Grüße nach Wien von peregrina

Hallo Isegrims,

das ist schön, dass du mich wissen lässt, wie du die Kopie gelesen hast, auch wenn du nicht alles entschlüsseln konntest.

eine Künstlergeschichte also, verbunden mit einer tiefgründigen Liebesgeschichte. Du zeigst die Vergänglichkeit der Schönheit, wie nahe am Abgrund das leuchtet, was uns prall umfängt, solange es leuchtet.
Ja, die Vergänglichkeit von Schönheit (und nebenher in meinen heimlichen Gedanken die Vergänglichkeit von Jugend) und wie gehen wir damit um. In dem Falle nicht aus der Sicht des direkt Betroffenen, sondern des Partners.
Die Thematik war nur so weit meine freie Entscheidung, dass ich speziell diese Geschichte von M. Glass ausgewählt habe, weil ich es generell spannend finde, welchen Stellenwert Äußerlichkeiten in unseren Augen besitzen (und in der Gesellschaft).

Dahinter, danach, droht Zerstörung, ist allgegenwärtig, kann jeden Moment passieren.
Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Sie ist eine fragile, ungreifbare Erscheinung wie auch ihre Vergänglichkeit. Da müssen wir wohl unterscheiden zwischen den Veränderungen in der objektiven Realität und der subjektiven Wahrnehmung.
Und die Wahrnehmung des Künstlers ist mein Spielfeld. Mein David erlebt und erzählt, während er von Angst um Verlust und Selbstzweifel geplagt wird, die ihn in den Wahnsinn treiben. Du befindest dich im Kopf eines genialen Künstlers.

Ganz verstanden habe ich den Text nicht. Warum passiert, was passiert? Eine real denkbare Geschichte lese ich ja nicht. Was für eine Seuche ist das? Warum hilft der Arzt nicht? Befinde ich mich in einer virtuellen Realität? Vielleicht muss ich ihn noch mal lesen.
Ursprünglich war da die Idee, der Leser soll sich die Erklärung nehmen, die ihm zusagt. Nun denke ich, dass ich mich an dem Plan etwas verhoben habe.
Der Schluss ist nun verändert, dadurch wird der Wahnsinn deutlicher, doch nun merke ich voller Entsetzen, das Verschwinden Maries aus der Arztpraxis ist nicht unbedingt plausibel und ihre Antwort (die geheimnisvoll sein sollte) auf Davids Fragen, die du auch stellst, entbehren mittlerweile jede Logik. Der nächste Eingriff ist also unumgänglich.
Du arbeitest doch auch mit Ich-Erzählern, du kennst doch ihre besondere Leistungsfähigkeit.
Marie hat keine ansteckende Seuche, nur einen Ausschlag, der aber in Davids Augen zum Weltuntergang wir. Der Arzt hat sicher Medizin verschrieben oder anderweitig geholfen, manchmal hilft auch Geduld.

Vielleicht muss ich ihn noch mal lesen. Keine Ahnung, ob ich das schaffe, so eindringlich hast du den Schorf und die eitrige Hautfläche beschrieben.
Ja, das ist das Dunkle in mir ;)
Was zeigt, wie du sprachlich mit den Emotionen des Lesers spielen kannst. Überhaupt finde ich, dass der Text handwerklich bestechend gut geschrieben ist. Vielleicht erzeugst du an manchen Stellen zu starke Bilder.
Bilder können gar nicht stark genug sein

Zitat von peregrina
Der Rock ist in kunstvollen Falten zwischen ihren gespreizten Beinen drapiert.
“gespreizt“ brauchst du im Grunde nicht, weil der Rock ja zwischen den Beinen klemmt.
ja, ich will das Wort, das ist der erste Hinweis auf die Art der Bilder und der obsessiven Beziehung

Zitat von peregrina
und ich bin fest entschlossen, die Chance auf Erfolg und Liebe festzuhalten, die mir das Leben bietet.
bisschen fett aufgetragen
muss sein, er nennt Erfolg und Liebe in einem Atemzug, hat einen Hang zur Theatralik und der Gedanke zeigt seine Entschlossenheit, die zur Zerstörung Maries führt, die er vorgibt zu lieben

Zitat von peregrina
Maries Duft nach frischen Erdbeeren macht mich fast wahnsinnig.
wie unterscheidet man den Duft frischer Erdbeeren von meinetwegen denen, die ein paar Stunden alt sind?
:lol: da steht nicht, frisch gepflückt, denn es wird keinen Unterschied geben, nur zwischen haltbar gemachten und unverarbeiteten Beeren

Zitat von peregrina
Keiner interessiert sich dafür, wer ich wirklich bin.“
ist natürlich ein Klischee, dass eine attraktive Frau glaubt, nicht sie, sondern ihre Hülle sei gemeint.
Klischee hin oder her, ich glaube nicht, dass das alle schönen Frauen glauben, sonst würden nicht so viele Frauen (auch Männer) ihrer „Schönheit nachhelfen“

Zitat von peregrina
Schon von Weitem
von weitem
Da bin ich verunsichert, beide Varianten sind wohl zulässig,

Zitat von peregrina
Die winzigen Spiegel in den Iriden suche ich vergeblich. Ich kann nur zurückstarren.
Iriden zerstört für mein Empfinden das an sich schöne Bild.
Iriden empfinde ich als melodisch, es könnte sich auch um ein Sternbild oder eine Inselgruppe in der Karibik handeln :D .

Zitat von peregrina
Ich verheddere mich in den Decken, die ich in den Hof werfen will, und stürzte.
den Satz verstehe ich nicht.
David hat sich die Zudecken von der Matratze gegriffen, will sie aus dem Fenster werfen, um mit ihnen ein Feuerchen im Hof zu schüren, weil sie seiner Meinung nach stinken, er stolpert und fällt.

Zitat von peregrina
Mein Herz rast und mein Verstand versucht verzweifelt, aus Satzfetzen, farbigen Schnipseln und Gefühlssplittern ein Bild zusammenzusetzen.
„Komm, lass uns gehen, David! Es ist so weit.“
den Schluss kapiere ich nicht: was ist so weit?
Die Zeit ist reif, um zu gehen. Ist ja eigentlich gewollt, wenn du nicht gleich alles richtig einordnen kannst. War ja der Plan.
Hätte sein können: Marie, die aus dem Sprechzimmer kommt und David aus einem Traum weckt.
Oder der Geist von Marie, der David auf die andere Seite mitnehmen will.
Oder auch nur die Stimme in Davids Kopf.

Liebe Isegrims,

danke für deine Zeit und deine Gedanken. Logisch kann ich etwas mit ihnen anfangen.

Liebe Grüße und eine erfolgreiche Wochen wünscht peregrina


Hallo alexei,

du hast es geschafft, dir ein paar Gedanken zu meiner Kopie zu machen. Mann o Mann,
da bist du ein ganzes Stück flinker als ich. Aber ich besuch deinen Text noch.
Auf alle Fälle danke ich dir für deine Mühe.

Ich fand eine Galeristin, die an mich glaubt und meine Bilder ausstellt und ich bin fest entschlossen, die Chance auf Erfolg und Liebe festzuhalten, die mir das Leben bietet.
An diesem Satz habe ich gestockt. Vielleicht liegt es daran, dass er so lang ist.
Ich seh gar keinen Smiley, du meinst das ernst? :lol:
Es gibt viel kurze Sätze im Text, da brauchen wir zwischendurch schon mal ein etwas längeres Exemplar, damit der Leser nicht wegnickt. Weißt du selber. Aber richtig lang geht anders. Also wird's wohl nicht an der Länge scheitern, ehe an der Aussage.

Die Wut kommt in kleinen Wellen, schwappt heiß über mich hinweg und lässt geballte Fäuste zurück, die nur noch zuschlagen wollen.
Auch schön.
Ja, der Satz ist „schön“, erzeugt ein deutliches Bild, ein wichtiges Bild, da es den Jähzorn Davids ankündigt.

Ab und zu wird ihr Körper von Zuckungen geschüttelt und ich glaube, ein Wimmern zu hören.
Kannst du streichen.
Warum? Marie weint leise vor sich hin und David ahnt Schlimmes. Für ihn wird das Grauen am Morgen real.

„Das Monstrum“
Interessant surrealistisch. Hat mich aber anfangs verwirrt.
Zwei Zeilen drüber erscheint das Wort „Monster“ und vorher „Gestalt“. Ich bin hin und her gerissen, ob ich diese Wertungen entferne, denke aber, es wäre nicht sinnvoll. Die Monster haben die Aufgabe zu zeigen, was und wie David sieht und innerhalb dieses Abschnitts ändert sich seine Wahrnehmung von Monster zu Marie analog seines Wutpegels.

Ich lasse sie stehen und hole mir vom Büffet noch ein Glas, dessen Inhalt ich hinunterstürze.
Haha
Ja, Alkohol, der „Sanitäter in der Not“.

„Komm, lass uns gehen, David! Es ist so weit.“
Das war alles ein Traum? Ich weiß nicht, ist diese Auflösung nicht zu einfach?
Das ist eine berechtigte Frage. Ja ja, sieht aus, als hätte die Autorin keine andere Idee gehabt oder nicht genug Mut, um konsequent im Horrorgenre zu bleiben. Aber neben dem Traum wollte ich auch für den Leser andere Interpretationsmöglichkeiten schaffen. Jetzt ist die Schlussszene etwas verändert, damit wird für den Leser klar, David hat nicht geträumt.

Sooo peregrina,
mir hats gefallen. Ich fand es interessant und abwechslungsreich. Yeah. Ich hoffe, die Kritik konnte die helfen.
Ja, mal was anderes! Für meine Verhältnisse ein großes Wagnis, mal in ein anderes Genre zu schnuppern. Und jeder Kommentar ist hilfreich. Danke dir für deine Gedanken.

Liebe Grüße,
peregrina


Hallo hell,

danke für deine Rückmeldung und die Aufklärung des klassischen Missverständnisses.
Da sind wir uns absolut einig, so sehe ich das auch.

Leider ist es so, dass sehr viele Horrorgeschichten (aus Film u.o. Buch) nur oder Hauptsächlich auf Schockelemente (zumindest schwerpunktmäßig) zu setzen scheinen. Meinte ich also ganz banal.
Das Monster ist in uns/ die Monster sind wir selbst. Das zu zeigen, ist halt spannender, als ausschließlich auf Splatterelemente o.ä. zu setzen. Für mich jedenfalls.
Na, da ist mir ja nun mit der Veränderung der Schlussszene genau diese Aussage gelungen.

Danke für dein ernsthaftes Interesse (auch an der Grundsatzdiskussion von Achillus zur Maskerade) und eine tolle Woche voller Sonne und ohne dunkle Gedanken

wünscht dir peregrina

 

Hallo Peregrina,

ich weiß noch genau, wie mich damals die Geschichte von Markus umgehauen hat.
Von daher ist die Messlatte recht hoch für mich. Was natürlich irgendwie unfair ist, aber auch nicht einfach ausblendbar, da meine Gedanken immer wieder zum Original schwenkten.
Dass mir deine Geschichte dennoch gut gefallen hat, darfst du als großes Kompliment werten.
Ich mein, die Idee ist dieselbe, die geht jetzt nicht auf dein Konto, du gibst dem ganzen ein neues Setting, einen anderen Anstrich, um mal im Bild deiner Geschichte zu bleiben. Aus diesem Grund reißt mich die Geschichte nicht so sehr wie das Original, denn es bleibt dem Thema treu, kopiert es eben. Aber das ist nicht wirklich eine Kritik - welche Geschichte ist denn nicht bereits geschrieben worden, und außerdem sind wir hier ja beim copywrite.
Bei Markus' Geschichte gab es für mich den Unterschied, dass ich gelitten habe beim Lesen. Ich wollte, dass das alles ein Traum ist, dass die beiden wieder zueinander finden. Dass sich alles zurückfaltet.
Dein David ist mir nicht nah genug, um mit ihm zu leiden. Ein Teil in mir findet es gut, dass er die Rechnung bekommt für seine oberflächige Art, die in meiner Lesart in erster Linie vollkommen ich-bezogen ist. Er will Marie haben, sie besitzen, von ihr Besitz ergreifen und nutzt sie, prostituiert sie, wenn man es eng nimmt, um seinen Erfolg voranzutreiben. Das mag er als Liebe verstehen, und das gefällt mir auch an deiner Geschichte. Seine Wahrnehmung ist nachvollziehbar und recht konsequent umgesetzt.
Die Beschreibung der Marie ist recht eindimensional. Aber das passt eben zu Davids Wahrnehmung. Dass sie unter dieser Wahrnehmung leidest, machst du am Anfang sehr schön deutlich.


Maries Duft nach frischen Erdbeeren macht mich fast wahnsinnig.
Als Andeutung kann man hier getrost das fast streichen
„Liebst du mich?“ Ich schaue ihr tief in die Augen, als könne ich sie zwingen, das zu sagen, was ich hören will.
Das gefällt mir sehr gut. Hier wird die Besessenheit sehr gut deutlich.
„Du kennst die Antwort“, sagt sie ernst.
den Begleitsatz würde ich streichen. Bremst den Lesefluss, wirft Fragen auf, das ernst, die du hier nicht haben willst.
Der Satz danach macht es wunderbar rund, zeigt uns, was dein Protagonist tatsächlich an ihr findet.
„Du bist wunderschön.“
Als wir uns schwitzend und keuchend aus den Kissenbergen schälen, steht die Welt in Flammen. Marie tritt an die Fenster und betrachtet das Schauspiel. „Zum Fürchten schön“, sagt sie.
sehr schön gesagt mi, denn es passt herrlich auf die nun folgende Situation. Plötzlich steht die perfekte Welt in Flammen

Einer ersten Eingebung folgend, greife ich nach dem Handy, das mir beinahe aus den Händen gleitet.
der Satz ist wirr und bringt ins Grübeln, würd ein rausnehmen. fehlt dann etwas? Nein. Also weg damit.

Marie schwebt über die Fliesen als schreite sie über einen Laufsteg und dreht sich noch einmal nach mir um.
weniger ist mehr. Schweben reicht. Was bringt der Laufsteg für ein neues Bild? Du willst ihre Erhabenheit beschrieben. Eins von beiden reicht.

Die Tür zum Sprechzimmer öffnet sich wie ein zahnloses Maul und verschluckt Marie.
Zum ersten Mal spüre ich eine diffuse Besorgnis, sie könne für immer entschweben.
Ich mag ja sowas, hier finde ich das zahnlose Maul aber etwas weit hergeholt. Der zweite Satz ist wieder sehr gut, unterstützt er wieder Davids Denken

Ich stürme ins Treppenhaus, rempele die Alte aus dem Parterre an, reiße die Wohnungstür auf und rufe Maries Namen, dessen Echo von den Wänden abprallt und mir wie Schrotkugeln um die Ohren pfeift.
das gehetzte passt sehr gut. Aber nach Namen würd eich einen Punkt setzen. Stell es dir wie in einem Film vor. Alles in Hektik: Die Figur rennt, sie rempelt jemand an, reißt eine Tür auf, ruft den Namen.
Dann würde die Hektik erstmal anhalten, weil jetzt die Spannung in die Höhe getrieben word - ist jemand da? Antwortet jemand? Nein, nur das Echo.
Schrotkugeln finde ich in diesem Zusammenhang kein sonderlich gelungenes Bild.

Nach faulen Eiern, nach undichtem Siphon.
sehr gut das mit dem Siphon.
Ich will schnell eine große Distanz zwischen dem stinkenden Bündel, das auf der Matratze zusammengerollt schläft, und mich bringen.
das ist ein sperriger Satz

Oh, die Zeit - ich brech hier mal ab. Sind noch ein paar Dinger drin, aber das ist alles Gemecker auf hohem Niveau.
Alles in allem liest es sich sehr gut.
Hab ein schönes Wochenende :)

grüßlichst
weltenläufer

 

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