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Überwintern

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Überwintern

Schwalbenschwänze leben verstreut. Wie Rousseaus Naturmenschen verbringen sie ihr Leben allein, sind sich selbst genug und treffen lediglich zur Paarung aufeinander. Ist die Zeit gekommen, finden sie auf sonnigen Hügelkuppen zusammen. Die Männchen steigen hoch, flattern um Baumwipfel oder Sträucher, befeinden sich, drängen Rivalen ab. Die starken besetzen die höchsten Stellen und dorthin fliegen auch die Weibchen. Hinterleiber docken aneinander und für einige Stunden klammern sich die Schmetterlinge an eine Blüte, reglos, die Köpfe in entgegengesetzte Richtung weisend, während der Samen des Männchens hundertfünfzig Eier befruchtet. Nach der Begattung machen sich die Weibchen auf die Suche nach Fenchel, Dill und Giersch. Kilometerweit fliegen sie, um die Eier abzulegen, auf jede Pflanze nur wenige, damit sich die Raupen, die aus ihnen schlüpfen werden, nicht in die Quere kommen. Die Eier sind weiß, später werden sie braun und schließlich grau.

Vor den Raupen ekelte sich meine Mutter am meisten. Mit einem weißen Fleck auf dem Rücken ähneln sie zunächst dem Kot von Vögeln, danach werden sie grün und orange und fett, sodass sie nicht mehr zu übersehen sind. Ihr Körperbau beschränkt sich auf das Wesentliche, die Punktaugen vermögen nicht mehr als hell und dunkel zu unterscheiden, erkennen gerade so viel, dass die Mandibeln nicht ins Leere greifen. Die Raupe beim Fressen zu beobachten, lässt einen erschauern, denn das unablässige Mahlen der Kauwerkzeuge bezeugt, dass die Natur keine Freiheit kennt. Die Tiere wachsen schnell, ihre Außenhaut wird zu eng. Fünfmal streift die Raupe sie ab.

Am Abend, nachdem ich das erste Mal eine Häutung beobachtet hatte, versuchte ich mich aus meinem Pyjama zu schälen, ohne die Arme zu benutzen. Die Hose war leicht loszuwerden. Als ich mich in den linken Ärmel verbissen hatte, um ihn in Richtung Ellenbogen zu ziehen, kam meine Mutter herein. Schweigend packte sie meinen Arm, schob die Finger unter den Pyjama, spreizte sie, befühlte den Stoff und sagte, er sei ruiniert. Am nächsten Tag, als meine Eltern am Tisch saßen und Gericht hielten, bezeichnete sie mein Verhalten als krank, ein Wort, das sie nie zuvor in den Mund genommen hatte, denn als Mitglied meiner Familie war man entweder gesund oder fühlte sich unpässlich. Mein Vater sprach beschwichtigende Worte, es gab keine Strafe.

Nachdem sich die Raupe ein letztes Mal gehäutet hat, kommt eine graubraune Puppe zum Vorschein, in deren Körper die späteren Flügel bereits vorgebildet sind. Vor Regen geschützt stand der Kasten auf einem Gartentisch. Ich hatte ihn ohne fremde Hilfe gebaut, aus Holzleisten und einer alten Gardine, und während der Sommermonate setzte ich mich jeden Morgen davor, um zu schauen, was in der Nacht geschehen war. Die Puppen hingen am Vorhangstoff oder an Zweigen, festgemacht mit einem hauchdünnen Faden, der ihre Körper wie ein Gürtel umspannte. An den meisten Tagen hatte sich von außen betrachtet nichts verändert, doch ich wusste, dass das Innere der Form eines Schmetterlings ein Stück näher gekommen war. Organe wurden abgebaut, andere neu gebildet. Ich stellte mir vor, wie es in der Puppe aussah: Matsch und Schleim und alles durcheinander. Zu meinem Vater sagte ich, dass ich nicht verstünde, wie am Ende alles seinen richtigen Platz finden könne. Er schlug vor, eine der Puppen aufzuschneiden und nachzusehen.

Nach wenigen Wochen reißt die Puppenhaut und der Schwalbenschwanz schlüpft. Er pumpt Flüssigkeit in seine Flügel, die sich entfalten und aushärten. Die Flüssigkeit fließt zurück in den Körper und wird in Form rötlicher Tropfen ausgeschieden. Die letzten Tiere jeder Saison überwintern allerdings als Puppe, verbringen die kalten Monate unbeweglich. Eines Abends holte ich den Militärschlafsack meines Vaters vom Estrich, legte mich hinein und umwickelte den unteren Teil mit einer Schnur. Als ich am nächsten Morgen schweißgebadet erwachte, streckte ich meine schmerzenden Beine, was sich so gut anfühlte, dass ich in der folgenden Nacht die Schnur noch ein wenig enger zog.

 

Bas

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Hey @Peeperkorn,

nur eine kurze Rückmeldung, dass ich deine Geschichte sehr gerne gelesen habe. Ich mag, wie ruhig sie daherkommt: Da wäre ja noch super viel Eskalationspotenzial, aber das Ausmalen mit den grellen Farben überlässt du dann mir, dem Leser. Gefällt mir gut.

Allerdings bin ich ein wenig über den letzten Satz gestolpert. "Da fühlte ich mich zum ersten Mal in meinem Leben glücklich" - das ist mir ein zu geläufiger, grober Satz in einem ansonsten so ungeläufigen, feinen Text. Ich könnte mir vorstellen, dass sich da ein noch wuchtigeres Ende rausholen lässt.

Und, ohne mich zu sehr einmischen zu wollen, eines meiner Highlights war tatsächlich der von @AWM angeführte Raumkapsel-Satz, das ist für mich eines der kraftvollsten Bilder in diesem Text. Ob das so ... korrekt ist, kann ich nicht beurteilen. Was mir daran aber gefällt, ist, dass er so aus diesem Natur-Thema raussticht bzw. es noch verstärkt, diese Flucht, die das ja ein wenig darstellt: In meiner Vorstellung ist das Weltall der ultimative Fluchtpunkt, falls du weißt, was ich meine - weiter weg geht nicht, und so passt es für mich gut in den Gedankenkosmos des Protagonisten.

Danke für die kurze, freu mich schon auf die nächste lange :)

Bas

 
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Hey @Peeperkorn,

freut mich, wieder was von dir zu lesen. Ich finde den Text sehr gut, auch wenn er für meinen Geschmack etwas zu leise ist. In meiner Wahrnehmung zeigt die Geschichte mit dem Finger auf die familiäre Situation des Protagonisten. Aber was genau ist da eigentlich? Dein Protagonist möchte sich zu etwas anderem transformieren, sich in einen Schmetterling verwandeln, wegfliegen. Weshalb? Das ist eine bewusste Leerstelle, die du mit den Beschreibungen über die Schmetterlinge auffüllst. Es ist also einer dieser Texte, die ein Thema sehr technisch und detailreich beschreiben, um damit etwas anderes zu zeigen. Für mich persönlich würde der Text noch besser funktionieren, wenn du eine heiklere Situation in der Familie darstellst, weil das für mich in der jetzigen Form auch eine durchschnittliche, wenn auch repressive, Familie sein könnte. Ist natürlich Geschmackssache. Es gibt bestimmt viele, die gerade dieses leise und feine an der Geschichte schätzen. Sprachlich finde ich den Text sehr gut ausgestaltet, also da kann ich nur Positives zu sagen.

Noch ein paar Details:

Schwalbenschwänze leben verstreut. Wie Rousseaus Naturmenschen verbringen sie ihr Leben allein, sind sich selbst genug und treffen lediglich zur Paarung aufeinander. Ist die Zeit gekommen, finden sie sich auf sonnigen Hügelkuppen zusammen. Die Männchen steigen hoch, flattern um Baumwipfel oder Sträucher, befeinden sich, drängen Rivalen ab. Die Starken besetzen die höchsten Stellen und dorthin fliegen auch die Weibchen. Hinterleiber docken aneinander wie Raumkapseln im All, und für einige Stunden klammern sich die Schmetterlinge an eine Blüte, reglos, die Köpfe in entgegengesetzte Richtung weisend, während der Samen des Männchens hundertfünfzig Eier befruchtet. Nach der Begattung machen sich die Weibchen auf die Suche nach Fenchel, Dill und Giersch. Kilometerweit fliegen sie, um die Eier abzulegen, auf jede Pflanze nur wenige, damit sich die Larven, die aus ihnen schlüpfen werden, nicht in die Quere kommen. Die Eier sind weiß, später werden sie braun und schließlich grau.
Der Anfang lässt mich Fragen, was genau Schwalbenschwänze überhaupt sind und was sie mit dem Text zu tun haben. Insofern motiviert mich der erste Absatz weiterzulesen. Bei Rousseaus Naturmenschen habe ich mich gefragt, ob dein Erzähler das überhaupt wissen kann. Der scheint ja sehr belesen zu sein für sein Alter. Auch habe ich mich gefragt, inwiefern dieses Rousseau-Ding tatsächlich aus dem Text motiviert ist, also was genau hat das Thema mit Rousseau zu tun? Hab ich da was verpasst? Der fällt mir hier etwas aus dem Himmel.

Meine letzte Anmerkung wäre, dass weder der Protagonist noch die Beziehung zu seinen Eltern im ersten Absatz eingeführt werden, was vielleicht in die falsche Richtung führen könnte. Also der Absatz hätte so auch in einer Doku über Schmetterlinge vorgelesen werden können. Nur das Raumkapselbild zeigt in die Richtung der Einsamkeit und auch in gewisser Weise der Realitätsflucht des Protagonisten. Weiß nicht, ob das gut oder schlecht ist. Ist mir nur aufgefallen.


Nach wenigen Wochen reißt die Puppenhaut und der Schwalbenschwanz schlüpft. Die letzte Generation jeder Saison überwintert allerdings als Puppe, verbringt die kalten Monate beinahe unbeweglich. Einmal borgte ich einen Schlafsack von einer Freundin, umwickelte den unteren Teil mit einer Schnur, um ihn enger zu machen, legte ihn aufs Bett und kroch hinein. Als ich am nächsten Morgen schweißgebadet und mit schmerzenden Beinen erwachte, fühlte ich mich zum ersten Mal in meinem Leben glücklich.
Das Ende finde ich cool. Schätze mal, dass der ganze Text wegen diesem Bild entstanden ist?


Kann sein, dass der Kommentar kritischer klingt als er gemeint ist. Habe den Text jedenfalls gerne gelesen.

Grüße
Klamm

 
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Hinterleiber docken aneinander an wie Raumkapseln im All, und für einige Stunden klammern sich die Schmetterlinge an eine Blüte, reglos, die Köpfe in entgegengesetzte Richtung weisend, während der Samen des Männchens hundertfünfzig Eier befruchtet.

Hallo,

das beginnt wie feinstes Nature-writing, ich denke John Burroughs, und dann: Raumkapseln im All. Bei dem Wort Kapseln muss ich auch immer an so metallic-glänzende Kapseln für Kaffeeautomaten denken, aber das bin ja nur ich. Also, ich finde, das passt rein vom Register nicht so.

Schwalbenschwanzraupen sind schrecklich schön und ungeheuer gefräßig und vor ihnen ekelte sich meine Mutter am meisten.
Warum sind sie schrecklich schön? Im Sinne von irgendwie gruselig aber trotzdem ästhetisch? Ich denke, hier kann auch kein Bild entstehen, weil du es ja nicht sofort lieferst, sondern nachlieferst. Vielleicht hier etwas mehr Zeit lassen, die Raupe darstellen und dann ein Fazit liefern? So rein von der Reihenfolge her?
Die Raupe beim Fressen zu beobachten, lässt mich erschauern, denn das unablässige Mahlen der Kauwerkzeuge bezeugt, dass die Natur keine Freiheit kennt.
Fressen oder gefressen werden. Für mich ist das auch so ein Resonanzraum, den du in der Kürze des Textes ganz geschickt aufmachst, nämlich in dem du Rousseau direkt im ersten Absatz erwähnst: einmal den angeblich edlen Wilden, und dann dieser trockene Verismus, dieses fast schon Darwinistische.
Die Hose war leicht loszuwerden, doch das Oberteil erwies sich als widerspenstig.
Es wäre glaube ich stärker, wenn du den Rest nicht erwähnst, es spielt auch so in Gedanken weiter, es ist dann wie ein kleiner Haken, weil du eben nur dieses leicht loszuwerdende Teil, das Offensichtliche erwähnst.

Später, als meine Eltern am Tisch saßen und Gericht hielten, bezeichnete sie mein Verhalten als krank, ein Wort, das sie nie zuvor in den Mund genommen hatte, denn als Mitglied der Familie Sarasin war man entweder gesund oder fühlte sich unpässlich.
Ist eine gute Szene, ein gutes Bild. Auch das Gericht halten. Stark! Ich denke aber, entweder das eine oder das andere; man ist als Sarasin gesund. Da finde ich es konsequenter, wenn nur die eine Möglichkeit da ist. Es ist der Drastik angemessen.

Mein Vater sprach beschwichtigende Worte, die Strafe fiel milde aus. In den Tagen, die folgten, gab sich Mutter versöhnlich, doch sie tat es auf eine verkrampfte Weise, als hätte ich mich tatsächlich in eine Larve verwandelt, die es nun mit aller Kraft zu lieben galt.
Hier hätte mich die tatsächliche Strafe interessiert? Wofür genau? Und wie sieht diese aus? Und auch die Mutter: Wie liebt man etwas auf verkrampfte Art und Weise? Warum denkt sie, dass er sich - bildlich gesprochen - in eine Larve verwandelt, und warum muss man Larven denn dann mit aller Kraft lieben? In der Natur wäre es nicht so, die kennt keine Liebe in unserem Sinne. Es ist ja eine Art bizarre Sünde, der Erzähler hat sich seltsam verhalten, es passt nicht in das starre Muster, in kein Schema der Sarasin, aber was ist dann dieses Muster, von dem er abweicht? Er müsste genau dafür, für einen konkreten Verstoss gegen diesen Kodex bestraft werden, oder?
Zu meinem Vater sagte ich, dass ich nicht verstünde, wie am Ende alles seinen richtigen Platz finden könne. Er schlug vor, eine der Puppen aufzuschneiden und nachzusehen, worauf ich zwei Monate lang nicht mehr mit ihm sprach.
Zwei Sachen sehr stark sehr nah beieinander. Der erste Satz ist die Quintessenz für mich in diesem Text. Er will etwas verstehen, etwas durchdringen, und dabei findet er Wahrheiten, aber es reicht ihm nicht, er will diesen Prozess nachempfinden, vielleicht sogar imitieren, selbst durchmachen, eventuell mit der Erwartung, in Schönheit zu erwachen, also so etwas wie die Ankündigung einer Metamorphose, das Proben einer solchen. Das ist super. Das zweite finde ich zu hart; der Vater reagiert mit einer mikroskopischen Genauigkeit, er will es sich ansehen, inspizieren, und der Sohn versteht diesen gesamten Prozess eher romantisch verklärt, er versteht es nicht genau und will es im Grunde auch nicht genau verstehen, es hat etwas Metaphysisches, etwas Magisches, das ist ja auch ein altes Motiv - Dinge, die man nicht ganz begreifen kann und will, eine Form des Rituals, hier das Ritual der Beobachtung, das Festhalten einer dynamischen Bewegung, der Werdung schlussendlich. Ich glaube, der Sohn müsste ihn gar nicht verstehen, den Vater, er wüsste gar nicht, worauf dieser hinauswill mit seinem Aufschneiden, weil das so fern von seiner eigenen Wahrnehmung, seiner eigenen Intention ist, dass er mit Sprachlosigkeit reagiert, aber nicht in diesem passiv-aggressiven Sinne, sondern eher wie eine große Lethargie, der Vater rutscht einfach noch mal eine Liga in seinem Ansehen herunter, weil er überhaupt zu solchen Gedanken fähig ist.
Einmal borgte ich einen Schlafsack von einer Freundin, umwickelte den unteren Teil mit einer Schnur, um ihn enger zu machen, legte ihn aufs Bett und kroch hinein. Als ich am nächsten Morgen schweißgebadet und mit schmerzenden Beinen erwachte, fühlte ich mich zum ersten Mal in meinem Leben glücklich.
Würde ich eventuell kürzen, das ein wenig mehr Transfer vom Leser erforderlich wird, das macht das Ende intensiver, denke ich. Ist interessant, der Schluss. Er wählt metaphorisch die Unbeweglichkeit, das Passive, das Verharren. Das ist auch eine Übertragung wahrscheinlich, der Erzähler als Solitär, als selbsterwähler Außenseiter, der abseits der Norm lebt und dem seine eigene Position gar nicht so wichtig erscheint, der lieber behutsam beobachtet und einfach ist. Der anders am Leben teilnimmt, aber dennoch empfindet, der ja auch einen Preis zahlt, es ist anstrengend und es kostet ihn Schmerzen, trotzdem (oder gerade deswegen) ist er glücklich, fast schon wird Glück hier als etwas Reinigendes empfunden. Allerdings finde ich, dass da der geliehene Schlafsack da nicht so reinpasst, das ist schon fast ein Indiz für ein umfangreiches Sozialleben, was nicht so ganz schlüssig erscheint, oder? Vielleicht bin auch nur ich das.

Ja, hat mir sehr gefallen, auch in der Kürze alles drin.

Gruss, Jimmy

 
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Hey @AWM, @Bas, @Klamm, @jimmysalaryman

Vielen Dank für eure Kommentare. Ich greife zwei, drei Punkte auf, die mehrfach genannt wurden, damit ich mich später nicht wiederholen muss. Ich werde aber eure Anmerkungen auf alle Fälle noch einzeln beantworten.
Als ich den Text gepostet habe, standen für mich folgende Fragen ganz oben auf der Liste. 1. Die Raumkapsel? 2. Die Erwähnung von Rousseau? 3. Der Satz mit "schrecklich schön"? 4. Der Schlusssatz? 5. Ob der Text überhaupt funktioniert, oder ob das nicht zu schwammig ist, zu sehr bloss angedeutet, zu viel Schmetterling gewissermassen? Kapiert man überhaupt, wovon der Text handeln könnte?

1. Die Raumkapsel steht komplett schräg in der Landschaft, ich bin da recht bewusst aus dem Register gegangen. Aber ich hatte halt genau das Bild vor Augen, diesselben Assoziationen wie Bas: Diese "Paarung im All" in der absoluten Stille, Einsamkeit in Reinform. Genau das ist das Problem bei solchen Vergleichen. Nicht nur haben wir unterschiedliche Bilder abgespeichert, sie werden auch unterschiedlich getriggert. Momentan steht es drei zu eins gegen den Vergleich, mal schauen. Wenn man dabei an Kaffeemaschinen denkt, ist das natürlich nicht gut.

2. Rousseau habe ich eingeführt, weil damit die Thematik: Mensch - Natur bereits anklingt. Als Leser sollte man danach darauf eingestimmt sein, dass der Text nicht (nur) von Schmetterlingen handelt. Dazu kommt noch die Thematik, die Jimmy angesprochen hat. Die Idealisierung der solitären Existenz bei Rousseau wird angetippt, während dann im Text nicht so ganz klar wird, wie das bewertet werden soll. Einsamkeit, Sich-ausgestossen fühlen oder doch bewusser Rückzug?

3. Ist gestrichen, da habt ihr mich bereits überzeugt.

4. Plakativ, ich weiss. Bisher aber nur wenig Einwände. Aber ich behalte den Satz im Auge, Bas. Vielleicht geht's auch subtiler. Mir ist nur noch nichts eingefallen.

5. Natürlich der wichtigste Punkt. Ich bin sehr froh darüber, wie ihr den Text gelesen habt. Dieses Mal habe ich mir nicht so viele Gedanken darüber gemacht wie bei anderen Texten, also, ob das wirklich stimmig ist, was jetzt eigentlich diese Analogie von Mensch und Schalbenschwanz sagen will. Da habe ich mich eher auf ein Gefühl verlassen.
Ich hatte etwas Bedenken, ob denn das auch rüberkommt, über die Familie wird ja nur sehr wenig gesagt und ich war schon auf Fragen wie "Worum geht es eigentlich?" gefasst, aber als ich dann eure differenzierten und - mir fällt kein besserer Begriff ein - empathischen Kommentare gelesen habe, hat sich das erledigt. Der Tenor geht ja sogar in die andere Richtung: Man könnte noch mehr reduzieren, die Bilder schärfen, weniger auserklären, noch subtiler sein (Schlusssatz). Da werde ich mich noch dransetzen. Tja, wieder mal die Leserschaft unterschätzt.

Später mehr zu den einzelnen Kommentaren.

Lieber Gruss an alle
Peeperkorn

 
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Hallo @Peeperkorn.
Ein guter Text, der das Potenzial zu Mehr hat, wie ich finde ... :) Diese Verschränkung zwischen "Familien-Enge" und "Coming of Age" mit den Schwalbenschwänzen als Motiv ... dass aus aller "Hässlichkeit", diesem organischen oder aber auch pupertären "Gefühls-"Wirrwarr im Prozess schließlich etwas Schönes werden kann und wird ... das kannst du getrost noch ausbauen. Es könnte über den Zeitraum eines Frühlings oder Sommers erzählt werden, ja, es könnte eine längere Erzählung werden. Die Stadien des Falters sind Analogien zu den Stadien des Protagonisten, vom Kind zum Manne. Haare, Stimmbruch usw. Loslösung von den Eltern. Freiheit. Wäre doch nett. :)

Mach was draus!

Liebe Grüße!

Dante

 
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Hey @AWM

Ja und ein tolles Ende. Mir gefällt, wie unterschwellig du das Unwohl- und Anderssein deiner Prota in dieser Familie erzählst. Da ist nichts Extremes wie ein Missbrauch oder sowas. Und gerade deshalb funktioniert der Text über die Überwinterung deiner Prota auf diese Kürze so gut und verfällt an keiner Stelle in Klischees.
Hab vielen Dank für deinen Kommentar. Ich finde, du hast ein gutes Auge für Stacheln, die aus einem Text rausragen, bei der Raumkapsel überleg ich noch. Cool, wenn der Text für dich in dieser Kürze funktioniert hat. Ist ein wenig inspiriert von einem spanischen Kurzroman, den ich gerade lese (im Tempo von einer Seite pro Stunde :D). Der Autor ist da recht krass unterwegs und arbeitet sehr stark mit Blitzlichtern. Da wollte ich auch mal schauen, ob man so eine Familienkonstellation ganz kurz ins Licht halten kann und bei den Leser eine Art Nachbild bleibt. Und ja, je länger ich schreibe, desto unspektakulärer werden meine Plots und Figuren. Früher ist ständig wer gestorben, jetzt muss das nicht immer. Deine Anmerkung zu den Hohlräumen habe ich allerdings nicht vergessen, da hast du ja den Tod der Tochter gefordert und ich werde dem im Roman wohl nachkommen. Der Text hier gehört übrigens auch zum Universum "Hohlräume", wo es darum gehen soll, Formen der Einsamkeit auszuloten.

Hat mich sehr gefreut, lieber AWM, und vielen Dank!

Hey @Bas

Da wäre ja noch super viel Eskalationspotenzial, aber das Ausmalen mit den grellen Farben überlässt du dann mir, dem Leser. Gefällt mir gut.
Das freut mich sehr! War mir da nicht sicher, ob das zuviel des Guten ist, man liest hier ja auch manchmal: Ich will eine Geschichte lesen und mir keine ausdenken!
Über den Schlusssatz denke ich wie gesagt noch nach, und dass dir der Raumkapselvergleich gefallen hat, finde ich schön, das ergibt so eine kleine Verbundenheit, die auch dann bleiben wird, wenn ich den Satz gelöscht haben werde. :)
Hab vielen Dank für den Kommentar, hey, ich muss mich mal wieder revanchieren, "Loch" fand ich toll, auch wenn ich nicht kommentiert habe. Wenn ich dazu komme, gehe ich dann aber gerne auf einen der Gustafs ein.

Hey @Klamm

Aber was genau ist da eigentlich? Dein Protagonist möchte sich zu etwas anderem transformieren, sich in einen Schmetterling verwandeln, wegfliegen. Weshalb? Das ist eine bewusste Leerstelle, die du mit den Beschreibungen über die Schmetterlinge auffüllst. Es ist also einer dieser Texte, die ein Thema sehr technisch und detailreich beschreiben, um damit etwas anderes zu zeigen. Für mich persönlich würde der Text noch besser funktionieren, wenn du eine heiklere Situation in der Familie darstellst, weil das für mich in der jetzigen Form auch eine durchschnittliche, wenn auch repressive, Familie sein könnte. Ist natürlich Geschmackssache.
Verstehe ich sehr gut, das sind ja eigentlich zwei Punkte, zu leise und dann aber auch zu vage. Das leise gefällt mir gerade sehr gut. Vielleicht kann es in der Kürze nicht so viel Wirkung entfalten, aber ich denke, ein längerer leiser Text kann Abgründe auftun, in die man als Leser so langsam abrutscht. Kann der Text hier nicht leisten, ist klar. Das vage ist natürlich auch gegeben, es gibt ja kaum drei Sätze über die Beziehung zu den Eltern und man kann sich schon fragen, wie das jetzt genau ist mit dem Schmetterlings-Vergleich.
Sprachlich finde ich den Text sehr gut ausgestaltet, also da kann ich nur Positives zu sagen.
Sehr gut, das ist mir wichtig. Der Text ist so eine Art Testballon und Spin-off zu den Hohlräumen und da dort jedes Kapitel einer anderen Perspektive zugeordnet ist, nimmt es mich halt an wichtigen Stellen wunder, ob die jeweils neue Erzählart/Sprache grundsätzlich funktioniert.
Schätze mal, dass der ganze Text wegen diesem Bild entstanden ist?
Hehe, nein dieses Bild ist tatsächlich erst am Ende entstanden. Faktisch ist der Text so zustandegekommen, dass eine Figur (Laura aus den Hohlräumen) in einem Nebensatz erwähnt, dass sie als Kinder Schmetterlinge gezüchtet hat, weil sie wusste, dass sich ihre Mutter davor ekelt. Das habe ich als Aufhänger genommen, um einen neuen Zugang zu dieser Figur zu finden - denn mit der bisherigen Laura bin ich nicht so recht zufrieden.

Vielen Dank für deinen Kommentar!

Liebe Grüsse an euch, und ein dickes Merci!
Peeperkorn

 

MRG

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Moin @Peeperkorn,

nach meinem letzten Fiasko, bin ich wieder zurück zu den Basics gegangen und befasse mich wieder mit dem Buch "Elements of the Writing Craft". Und ich meine, dass ich hier eine Eröffnung von "Fact to Fiction" lese. Olmstead führt aus, dass wir als Leser gerne dazu lernen und wir solchen Erzählern vertrauen, die mit Autorität erzählen. Genau diesen Effekt hatte ich hier bei deiner Eröffnung. Erstens lerne ich etwas Neues und zweitens erlebe ich die Erzählstimme als kompetent und verliere meine anfänglichen Zweifel, die sich ja jeder Text stellen muss. Das finde ich sehr gelungen. Ich habe mich auch gefragt, wie du wohl den Übergang von dieser sachlichen und auf faktenbasierten Erzählstimme zu deinem Prota findest. Ich verwende im Folgenden Zitate, um das anschaulicher zu gestalten:

Schwalbenschwänze leben verstreut. Wie Rousseaus Naturmenschen verbringen sie ihr Leben allein, sind sich selbst genug und treffen lediglich zur Paarung aufeinander. Ist die Zeit gekommen, finden sie sich auf sonnigen Hügelkuppen zusammen. Die Männchen steigen hoch, flattern um Baumwipfel oder Sträucher, befeinden sich, drängen Rivalen ab. Die Starken besetzen die höchsten Stellen und dorthin fliegen auch die Weibchen.
Hier sind die Fakten, ich lerne etwas Neues, bin neugierig und vertraue der Erzählerstimme.

Kilometerweit fliegen sie, um die Eier abzulegen, auf jede Pflanze nur wenige, damit sich die Larven, die aus ihnen schlüpfen werden, nicht in die Quere kommen.
Das ist für mich der entscheidende Satz für den Übergang zu deinem Prota. Es erfüllt zwei Funktionen. Erstens rundet es den Faktenteil ab und zweitens ist das die Brücke, an der sich der Übergang zum Prota nahtlos anfügt. Du beginnst mit den flatternden Schmetterlingen und führst den Prozess zurück auf den Prozess des Schlüpfens und auf die Raupen.

Vor den Raupen ekelte sich meine Mutter am meisten. Mit einem weißen Fleck auf dem Rücken ähneln sie zunächst dem Kot von Vögeln, danach werden sie grün und orange und fett, sodass sie nicht mehr zu übersehen sind.
Und hier kommt jetzt dein Prota und schon mit dem ersten Satz etablierst du den Charakter in meinem Kopf, indem du einen Bezug zur Mutter herstellst. Offensichtlich interessiert er sich enorm für die Schmetterlinge, während seine Mutter sich davor ekelt. Ich sehe das als eine Charakterzeichnung durch einen Kontrast und Vergleich zu einer anderen Person. Hat für mich optimal funktioniert.

Die Raupe beim Fressen zu beobachten, lässt mich erschauern, denn das unablässige Mahlen der Kauwerkzeuge bezeugt, dass die Natur keine Freiheit kennt.
Das Motiv der (fehlenden) Freiheit bzw. des Gefangenseins im eigenen Schicksal sehe ich als zentral für den Prota an. Das verstärkt sich durch die folgende Stelle:

Am Abend nachdem ich das erste Mal eine Verpuppung beobachtet hatte, versuchte ich mich aus meinem Pyjama zu schälen, ohne die Arme zu benutzen.
Er will sich befreien, will metaphorisch gesprochen von einer hilflosen Raupe zum fliegenden Schmetterling werden.

Er schlug vor, eine der Puppen aufzuschneiden und nachzusehen, worauf ich zwei Monate lang nicht mehr mit ihm sprach.
Auch hier wird der Charakter des Protas deutlich, während zugleich der Vater gezeichnet wird und die Verhältnisse in der Familie klar werden. Zudem meine ich eine weitere Ebene heraus zu lesen: Der Prota identifiziert sich mit den Schmetterlingen und möglicherweise ist die Aussage seines Vaters auch direkt auf ihn zu beziehen.

Als ich am nächsten Morgen schweißgebadet und mit schmerzenden Beinen erwachte, fühlte ich mich zum ersten Mal in meinem Leben glücklich.
Ein toller letzter Satz, bestätigt für mich den Eindruck, dass er selbst zum Schmetterling werden will.


Lieber @Peeperkorn, das ist eine sehr beeindruckende Geschichte und ich bin erstaunt, wie viel in diesem kurzen Text steckt. Das ist hohe Handwerkskunst und zeigt mir auf, wie viel es noch zu lernen gibt und dass wir niemals auslernen, sondern immer und immer wieder durch den Prozess des Lernens und des Verbesserns gehen. Freue mich, dass du deinen Text gepostet hast. Hat mir Spaß gemacht.

Beste Grüße
MRG

 
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Moin Peeperkorn,

der Seitenschlag zum „Naturmenschen“ lässt mich die natürliche Verpuppung als Modell für die Zwischenphase vom Kind/Jugendlichen zum Erwachsenen sehen, den die Naturvölker (und wir auch, ohne es noch unbedingt so zu verstehen, manchem verkommt es zum Erwerb des Führerscheins, als wenn wir Dummbaxe nicht schon genug Führer und Verführte [glaube keiner, dass die „Führer“ ausstürben] gehabt hätten) als Initiationsritus*
feiern – das sich auch vielfältig in den Säulen der Gesellschaft abspielt. Ich erinner mich, dass ich vom Wölfling zum Jungpfadfinder wurde, indem die ganze, johlende Truppe den nackten Friedel aus der Herberge in den Schnee trieb und dann über ihn herfiel ...

In den modernen Gesellschaften ein mehrstufiger „Reifungs“-Vorgang von der (Vor-) bis zur (Hoch-)Schulreife, von der Lehrzeit zum Gesellen gelegentlich zum Meister und über den schwächer werdenden Strang kirchlicher Formen (Kommunion - wesentlich zu früh angesetzt, da kann das AT eigentlich nur ein Abenteuerbuch sein - und Konfirmation intellektualisiert wird).

Die sog. „Volljährigkeit“/„Mündigkeit“ symbolisiert ja, dass einer für sich selbst sprechen kann und sogar muss, um sich nicht in eine andere Abhängigkeit zu begeben.) Das Mündel will Vormund werden!

So der erste Gedankengang aus'm Pott

*Der zweite "Gang" (3.09.22, ca. 11:45 - nach'm Staubsaugen ...)

begann eigentlich bei Bas, bei dessen neuem Text mir aufging, dass ich den "Initiationsritus" hierorts als "Initialritus" verniedlicht + vermodernt hab ... da klingt die Moderne selbst schon wieder etwas seltsam, sofern einer versehentlich die letzte Silbe betont.

Friedel

 
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Hey @jimmysalaryman

Toller Kommentar, ist alles dabei, der Blick aufs Ganze und mikroskopische Observation, inkl. der Verbindung dieser beiden Betrachtungsebenen.

das beginnt wie feinstes Nature-writing
Hab das zum ersten Mal in diesem Umfang gemacht und dabei viel Spass gehabt. Es ist eine entspannte Art des Schreibens, musst du nichts erfinden, nur sprachlich gestalten. Hätte Lust, ganze Bücher so zu verfassen, verstehe aber leider nichts von Flora und Fauna.
Die Raumkapsel ist weg. Das Bild hebe ich mir für eine andere Stelle auf.
Warum sind sie schrecklich schön? Im Sinne von irgendwie gruselig aber trotzdem ästhetisch?
Ja, wollte auf diesen Gegensatz hinaus, aber das sollte beim Lesen schon klar werden, habe den Satz gestrichen.
Es wäre glaube ich stärker, wenn du den Rest nicht erwähnst, es spielt auch so in Gedanken weiter, es ist dann wie ein kleiner Haken, weil du eben nur dieses leicht loszuwerdende Teil, das Offensichtliche erwähnst.
Cool, guter Tipp. Der Kürzungsvorschlag beim Schlafsack geht in eine ähnliche Richtung, den habe ich auch übernommen.
st eine gute Szene, ein gutes Bild. Auch das Gericht halten. Stark! Ich denke aber, entweder das eine oder das andere; man ist als Sarasin gesund. Da finde ich es konsequenter, wenn nur die eine Möglichkeit da ist. Es ist der Drastik angemessen.
Sehe den Punkt, aber der Begriff "unpässlich" gibt der Mutter noch mal Farbe, finde ich, das ist auch nicht so resolut. Sie ist - so habe ich sie im Hinterkopf - nicht ganz so drastisch drauf.
Hier hätte mich die tatsächliche Strafe interessiert? Wofür genau? Und wie sieht diese aus? Und auch die Mutter: Wie liebt man etwas auf verkrampfte Art und Weise? Warum denkt sie, dass er sich - bildlich gesprochen - in eine Larve verwandelt, und warum muss man Larven denn dann mit aller Kraft lieben?
Ja, guter Punkt. Ich lasse es hier mal so stehen, ich denke, wenn ich das ausarbeite, droht der Text eine Unwucht zu erhalten. Aber im grösseren Kontext (ist eine Art Spin-off) soll die Mutter dann schon noch so beleuchtet werden, dass sich ein besserer Zugang zu ihrer Psyche eröffnet.
Ich glaube, der Sohn müsste ihn gar nicht verstehen, den Vater, er wüsste gar nicht, worauf dieser hinauswill mit seinem Aufschneiden, weil das so fern von seiner eigenen Wahrnehmung, seiner eigenen Intention ist, dass er mit Sprachlosigkeit reagiert, aber nicht in diesem passiv-aggressiven Sinne, sondern eher wie eine große Lethargie, der Vater rutscht einfach noch mal eine Liga in seinem Ansehen herunter, weil er überhaupt zu solchen Gedanken fähig ist.
Da habe ich echt lange daran überlegt. Soll ich die Reaktion der Tochter / des Sohns mit reinnehmen oder nicht? Konsequent gedacht muss sie weg, aus genau den Gründen, die du erwähnst, die Fremdheit wird dadurch noch gesteigert, dass gar keine Reaktion erfolgt oder eben keine erzählt wird. Ich hatte rein pragmatische Bedenken: Der Vater sagt, komm wir schneiden die Raupe auf, Punkt, und im nächsten Abschnitt schlüpfen die Schmetterlinge. Da dachte ich, das könnte zu sehr irritieren und die Frage aufwerfen, haben sie's jetzt gemacht oder nicht? Aber beim erneuten Überdenken ist das ja eigentlich ganz gut so. Mal schauen, ob noch wer stolpert, aber ich habe die Reaktion gestrichen.
Das ist auch eine Übertragung wahrscheinlich, der Erzähler als Solitär, als selbsterwähler Außenseiter, der abseits der Norm lebt und dem seine eigene Position gar nicht so wichtig erscheint, der lieber behutsam beobachtet und einfach ist. Der anders am Leben teilnimmt, aber dennoch empfindet, der ja auch einen Preis zahlt, es ist anstrengend und es kostet ihn Schmerzen, trotzdem (oder gerade deswegen) ist er glücklich, fast schon wird Glück hier als etwas Reinigendes empfunden.
Schön, wie du das gelesen hast.
Allerdings finde ich, dass da der geliehene Schlafsack da nicht so reinpasst, das ist schon fast ein Indiz für ein umfangreiches Sozialleben, was nicht so ganz schlüssig erscheint, oder? Vielleicht bin auch nur ich das.
Auch da hatte ich zuerst was anderes: Schlafsack aus dem Keller geholt. Wahrscheinlich intuitiv, aus den von dir genannten Gründen, nur die Familie in den Fokus nehmen, keine Aussenwelt erwähnen. Da ich aber weiss, was ich ich mit der Figur noch vorhabe, habe ich dann doch diesen Fingerzeig gesetzt. Die Prota pflegt durchaus soziale Kontakte. Sie reagiert nur sehr empfindlich auf Erwartungen, die an sie gesellt werden.
Ja, hat mir sehr gefallen, auch in der Kürze alles drin.
Das freut mich sehr. Ich habe ja schon das eine oder andere mal ein Stück aus einem grösseren Zusammenhang rausgebrochen und als KG präsentiert und das war jeweils eher ein Murks. Aber hier denke ich, dass der Text wirklich als eigenständige Kurzprosa funktionieren kann.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
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Hallo @Peeperkorn =)

hat mir sehr gefallen!

Hinterleiber docken aneinander und für einige Stunden klammern sich die Schmetterlinge an eine Blüte, reglos, die Köpfe in entgegengesetzte Richtung weisend, während der Samen des Männchens hundertfünfzig Eier befruchtet.
Du hast ja die Paarung der Raumkapseln inzwischen gestrichen; meiner Ansicht nach passten Bild und Wort nicht komplett zusammen, da eine Kapsel vor der Außenwelt schützt, seien es Kosmonauten, pharmazeutische Wirkstoffe oder gepressten Kaffee. Ein Zusammenfügen von Kapseln scheint unnatürlich zu sein. Mit der Fortpflanzung beschreibst du aber einen natürlichen Vorgang. Falls du immer noch Lust auf ein brechendes Bild hast: Vielleicht Raumfähre oder Raumschiff oder Satelliten im Orbit statt Raumkapseln?
Die Hose war leicht loszuwerden. Als ich mich in den linken Ärmel verbissen hatte, um ihn in Richtung Ellenbogen zu ziehen, kam meine Mutter herein.
Überbehütung ist auch eine Form der Repression. Mein Eindruck von dem Ich-Erzähler: Ein Junge, schon 16, 17 Jahre alt, intelligent, wächst in einer autoritären und überbehütenden Familie als Einzelkind auf, sehr spezielle Beobachtungsgabe, unselbstständig, vielleicht auch depressiv und ohne feste Identität, das Kind soll studieren. Der Text legt die Leidenschaft für den Schwalbenschwanz als Verarbeitung seiner repressiven Erfahrungen nahe. Ein Junge mit philosophischem Interesse (Rousseaus Naturmenschen, er muss ja dieses Wissen irgendwo erworben haben), andererseits fehlen noch zoologische Kenntnisse zur Beschreibung des Inneren einer Schmetterlingspuppe (Matsch, Schleim, durcheinander, eine Art kindersprachliche Restinsel). Schlussendlich ein Mensch ohne Selbstwertgefühl.
Der Raupenkasten stand vor Regen geschützt auf einem Gartentisch. Ich hatte ihn ohne fremde Hilfe gebaut, aus Holzleisten und alten Gardinen,
Da fragte ich mich kurz (möchte dich nicht lächerlich machen): Wie viele Gardinen hat er denn für den riesigen Raupenkasten benötigt?
Einmal borgte ich einen Schlafsack von einer Freundin, umwickelte den unteren Teil mit einer Schnur. Als ich am nächsten Morgen schweißgebadet und mit schmerzenden Beinen erwachte, fühlte ich mich zum ersten Mal in meinem Leben glücklich.
Ich mag das Bild sehr, es passt zu dem Motiv der Schmetterlingsentwicklung sehr gut. Aber die Wirkung wird umso stärker, je leidvoller er seinen Eltern ausgesetzt ist. Repression bedeutet oft Kontrolle. Vielleicht greife ich zu weit weg: Aber traut sich der Junge, in einen Schlafsack zu schlüpfen und ihn mit einer Schnur zu umwickeln? Wenn er am nächsten Morgen schweißgebadet erwacht, zum Frühstückstisch geht, wird den Eltern etwas auffallen? Fürchtet er die Konsequenzen für dieses Verhalten? Wenn schon das ungelenke Anziehen eines Pyjamas als "krank" bewertet wird, wie wird dann dieses Verhalten eingeschätzt? Psychiatrischer Notfall? Oder ist der Junge ganz woanders, schläft er außerhalb der elterlichen Sphäre? Kontrolliert ihn die Mutter abends oder nachts?

Vielleicht entferne ich mich gerade sehr von der Skizze, die du über den Jungen gezeichnet hast. Das Psychologisieren, weeßte ... aber dieser Junge hat einen sensiblen psychologischen Seismographen entwickelt, womit er Stimmungen, Handlungen und Denkweisen seiner Eltern einschätzen kann. Vielleicht verwendet er diese Methode auf andere Menschen. Leiht er einen Schlafsack einfach so aus? Wie begründet er das? Macht er sich Gedanken, wie er was wann erklären kann? Einen Schlafsack ausleihen, das ist keine alltägliche Handlung für einen minderjährigen Menschen.

Ich lese die Story als eine beginnende Entfremdung zwischen Sohn und Eltern und empfinde das leise Nature Writing als literarischen Kniff, womit ich als Leser zwei gegensätzlichen emotionalen Polen ausgesetzt werde: Einerseits das Mitleid und auch Wut über einen intelligenten Jungen, der seiner Freiheit beraubt, andererseits das wohlige Gefühl einer flüssig geschriebenen Naturdarstellung. Das ist eine Spannung, die ein längerer Text aus diesem Text, denke ich, durchhalten sollte.

Lg aus Leipzig,
kiroly

 
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Hey @Dante

Ein guter Text
So far, so good. :D
der das Potenzial zu Mehr hat, wie ich finde
Da rennst du offene Türen ein, auch wenn ich denke, dass der Text in dieser Form zumindest funktioniert.
Es könnte über den Zeitraum eines Frühlings oder Sommers erzählt werden, ja, es könnte eine längere Erzählung werden. Die Stadien des Falters sind Analogien zu den Stadien des Protagonisten, vom Kind zum Manne. Haare, Stimmbruch usw. Loslösung von den Eltern. Freiheit. Wäre doch nett.
Das scheint mir ein sehr schöner Vorschlag zu sein. Ich hab allerdings schon recht viel CoA geschrieben, das reizt mich augenblicklich nicht mehr so. Mir schwebt ein Zeitraum von 30 Jahren vor, der Text hier wäre ein Startpunkt und hätte die Funktion einer backstory, damit die Leser kapieren, wie die Figur tickt und so handelt wie sie handelt.
Mach was draus!
Jawohl! Lass die Hoffnung nicht fahren. (Das Ergebnis werde ich allerdings nicht im Forum posten)

Danke dir sehr für den knackigen Kommentar. Hat mich sehr gefreut!

Hey @Rob

Danke auch dir für den hilfreichen Kommentar.

Der letzte Satz wurde ja schon angesprochen, ich finde ihn zu abschließend formuliert, als wäre nun schon das Ziel erreicht ("... fühlte ich mich zum ersten Mal in meinem Leben glücklich"). Dabei ist es mE gerade erst der erste Schritt ... würde ich auch noch mal überdenken.
Dieser Hinweis, das "zu abschliessend" hat mir den Kick gegeben, endlich einen neuen Versuch zu wagen.
Hier fand ich den Höhenunterschied seltsam, aber das mag an meinem Unwissen zu dem Thema liegen ...
Ja, war bei der Recherche selber irritiert. Bäume, wenn es welche hat, ansonsten halt Sträucher.
Kreative Aufgabe: anderes Wort für Eier
Gescheitert!
Komma nach "Abend", glaube ich
Ist jetzt etwas aus der Hüfte geschossen, aber ich glaube, es macht einen Unterschied in der Bedeutung: Am Abend, nachdem ich die Verpuppung beobachtet hatte, versuchte ich mich aus dem Pyjama zu schälen. (Meint: Am Abend schälte ich mich aus dem Pyama, nachdem ich die Verpuppung beobachtet hatte, d.h. ich habe die Verpuppung ebenfalls am Abend beobachtet.
vs.
Am Abend nachdem ich die Verpuppung beobachtet hatte, versuchte ich mich aus dem Pyjama zu schälen. (Meint: Ich schälte mich an jenem Abend aus dem Pyjama, an dem ich (tagsüber) die Verpuppung beobachtet hatte. Ähnlich wie: Eine Weile nachdem ich x getan hatte, machte ich y. Oder Kurz nachdem ... Bei diesen Beispielen wäre ja das Komma offensichtlich falsch.
Also kein Komma, um das auszudrücken, was ich hier sagen möchte.

Dein Besuch hat mich sehr gefreut!

Lieber Gruss an euch beide
Peeperkorn

 
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Moin @Peeperkorn,
da hat sich ja schon viel getan unter und in deiner FF. Ich hab auch nur ein paar Kleinigkeiten. Anfangs würde ich den Hinweis auf Rousseau rauskicken, weil es den für mich nicht braucht, er tut nicht mehr dazu. Mir würde völlig reichen, wenn da stünde: Sie verbringen ihr Leben allein.
Ähnliches Fremdkörperempfinden habe ich beim ersten Satz im zweiten Absatz "Vor den Raupen ekelte sich meine Mutter am meisten". Der kommt so ohne Kontext und wirft die Frage auf: Wer ist der Prota und warum erzählt er mir das?
Danach folgt die weitere Beschreibung und für meine Lesart wäre es organischer, mit "Die Raupe beim Fressen zu beobachten, lässt mich erschauern" von der reinen Beschreibung zur Gedankenwelt und den Empfindungen des Protas überzugehen.

Metamorphose ist ein klassisches Motiv, eines das sich bei dem Drang nach Veränderung oder Befreiung, bei coming of age quasi aufdrängt. Die Raupen und die Massivität ihrer Veränderung faszinieren und erschrecken zugleich, Anziehung und Abstoßung, das schilderst du sehr nachfühlbar und ich vermute, das war der Keim des Ganzen?
Die Ideen mit Pyjama und Schlafsack finde ich gelungen, dieses Nachspüren, wie fühlt es sich wohl an, diese Anwendung auf das eigene Befinden. Und doch hätte ich mir den Konflikt krasser gewünscht, mir wird nicht so recht klar, was genau Prota eigentlich quält, dass er doch recht abseitige Wege beschreitet. Was da aus der Familienkonstellation durchschimmert, ist nichts wirklich Extremes, als Mitglied der Familie ist man gesund, der Vater beschwichtigend, die Mutter bemüht versöhnlich. Thema Motivation. Wie kommt einer dazu, das zu tun, was er tut? Da steht der Wunsch, etwas zu lernen und zu entdecken ganz weit vorne, auch dieser indifferente Wunsch nach eigener Entwicklung und Fortbewegung. Aber: Das Abbinden ist für mein Empfinden krass, das geht ja schon Richtung Selbstverletzung. Wäre Prota bspw. adipös und fat-shaming mit allen Begleiterscheinungen ausgesetzt, hätte der Text eine andere Drastik und ich würde diesen Bezug, die Not und den Wunsch, sich (mehrfach) zu häuten, besser verstehen. So denke ich, Prota ist ein wenig weird und kämpft mit Zwängen, aber eigentlich ist das Schmetterlingsding eine zeitweilige Obsession, vllt. auch nur ein Experiment oder ein kindliches Spiel.
FF ist möglicherweise nicht das geeignete Format, da tiefer zu gehen, aber wenn es darum geht, dieser Idee nachzuspüren und den Punkt exakter zu treffen, würde ich das Format hinten anstellen. Soweit meine Lesart.
Peace, l2f

 
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Lieber @Peeperkorn ,

herrlich, wie gerade alles aufs Ende der Sommerpause hindeutet. Unter anderem dass du – erfreulicherweise – mal wieder was hochlädst.

Schwalbenschwänze

Ohje, habe die ersten Sätze irgendwie nicht an Schmetterlinge, sondern an Schwalben gedacht. Geht hoffentlich nur mir so.

Die Starken

Vielleicht gibt es da ein treffenderes Wort. Oder etwas Genaueres.

denn das unablässige Mahlen der Kauwerkzeuge bezeugt, dass die Natur keine Freiheit kennt

Wieso?, habe ich mich hier gefragt. Was ich daran grundsätzlich gut finde: Es ist verschrobene Wahrnehmung, die deinen Prot charakterisiert. Aber ich hätte gerne Gelegenheit gehabt, den Gedanken zu verstehen.

ihre Außenhaut wird zu eng

wird zu eng ist schon eine recht schwache Verbkonstruktion. Da gibt es doch bestimmt ein Verb, dass dich ohne Partizip und "werden" auskommen lässt. "Die Außenhaut spannt" – vielleicht etwas, dass sich in den übrigen Stil fügt.

Am Abend nachdem ich das erste Mal eine Verpuppung beobachtet hatte, versuchte ich mich aus meinem Pyjama zu schälen, ohne die Arme zu benutzen.

das fand ich amüsant und irgendwie süß

schob die Finger unter den Ärmel, spreizte sie, befühlte den Stoff und sagte, der Pyjama sei ruiniert

und ich hatte auch vorher nicht den Eindruck, dass es sich hier um mehr als kindliche Neugier und Begeisterung handelt. Außerdem klang es nicht als hätte er den Pyjama zerbissen. Ich habe gedacht, er zerrt etwas an dem Stoff.

Schweigend setzte sie sich neben mich

Bis hier hin habe ich das als Wohlwollen gelesen. Eine Mutter, die sich mit einem Schmunzeln dazusetzt. Wenn sie über sein Verhalten schockiert wäre, würde ich eher erwarten, dass sie in der Tür stehenbleibt oder dergleichen.

als hätte ich mich tatsächlich in eine Larve verwandelt, die es nun mit aller Kraft zu lieben galt

Das ist eine schöne Idee und ja auch, finde ich, der Kerngedanke der Story (ein Junge interessiert sich für Schmetterlinge und verwandelt sich zum Entsetzen der Eltern zunehmend selbst zu einem). So ein fast kafkaesker Verwandlungsglaube. Mich erstaunt dennoch das harte Verhalten der Eltern oder lässt mich erstaunt zurück.

Eines Tages holte ich meinen Schlafsack

da gibt es vielleicht ein besseres Verb

---

Für mich eine Story, die klare Bilder mit viel Farbe erzeugt und zurücklässt. Die aber gerade erst anfängt, als sie schon wieder vorbei ist. Ließe sich das Krankhafte daran steigern? Wie geht es weiter? Was ist er als nächstes bereit zu tun und was unternehmen die Eltern? Wen holen sie zu Hilfe? Angeregt fühle ich mich nach dem Lesen auf jeden Fall.
Ein bisschen unmotiviert kommt mir die Beziehung zu den Eltern vor und ich frage mich, ob das nicht auch anders optimaler erzählt werden könnte. Zum Beispiel zurückhaltende, selbst verkapselte Eltern (wenn man den Konflikt will: Eltern, denen das Verhalten des Prots zur realen Gefahr wird). Oder ein ganz klar liebloser Hintergrund, der aber auch skizziert ist. Ein Waisenhaus, eine zerstörerische Mutter, ein grausamer Vater. Allein dass es 'unschicklich' ist, reicht mir da nicht.

Dennoch (trotz hoffentlich differenziertem Gemecker) ein Text, den ich sehr gerne gelesen habe.
Lieben Gruß
Carlo

 
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Hey @MRG

Vielen Dank für deinen Besuch, ich habe deine Rekonstruktion sehr gerne gelesen, das ist immer interessant, welche Sätze wie gelesen werden. Was wird als Kern identifiziert, wo werden Wendungen/Brüche wahrgenommen?

nach meinem letzten Fiasko, bin ich wieder zurück zu den Basics gegangen und befasse mich wieder mit dem Buch "Elements of the Writing Craft". Und ich meine, dass ich hier eine Eröffnung von "Fact to Fiction" lese.
Gut. Das ist der längerfristige Nutzen des Fiaskos. Man besinnt sich. Mir ist am Anfang meines Schreibens viel gelungen, zumindest in der Wahrnehmung anderer (z.B. Jurymitgliedern von Wettbewerben), was mir trotz aller Zweifel die Hoffnung vermittelt hat, vielleicht so was wie ein Komet zu sein. Umso härter war dann die Zeit, die nach dem Erreichen des grossen Ziels (Verlag finden, Buch veröffentlichen) kam. Kein Komet, eher so was wie ein hübsches Feuerwerk, das nach fünfzehn Minuten dem dunklen Nachthimmel weicht. Mein Fazit: Das einzige, was zählt, ist die kontinuierliche Arbeit an sich und an seinem Schreiben.
Unter anderem habe ich die gleiche Bewegung vollzogen wie du, das heisst, ich habe den Olmstead aufgeschlagen und die ersten 70 Seiten durchgearbeitet, jede Übung gemacht, die er vorschlägt. Fast jede, denn exakt "Fact to Fiction" habe ich ausgelassen. :D Nun gut, die Übung kann ich jetzt also ebenfalls abhaken. Bleiben wir dran!
Und hier kommt jetzt dein Prota und schon mit dem ersten Satz etablierst du den Charakter in meinem Kopf, indem du einen Bezug zur Mutter herstellst.
@linktofink fand den Satz wenig organisch platziert, was ja auch stimmt. Mir hat es aber irgendwie gefallen, da einfach für eine Sekunde die eigentliche Thematik aufscheinen zu lassen und danach wieder in die Naturbeschreibung zurückzugehen. Weiss noch nicht, vorerst lasse ich es mal so.
ich bin erstaunt, wie viel in diesem kurzen Text steckt.
Das freut mich sehr. Die Stimmen mehren sich, dass man da noch mehr zeigen könnte/müsste, was ja kein schlechtes Zeichen ist. (Zumindest besser als: Ich war froh, als der Text so schnell zu Ende war) :D Da habe ich auf alle Fälle noch Pläne.

Merci!

Hey @Friedrichard

Danke dir für deinen Kommentar, der zwar nicht auf den Text eingeht, aber doch dessen Thematik umreisst und zeigt, dass dieser den einen oder anderen Gedanken anzuregen vermag. Habe das gerne gelesen, unter anderem ist es erstaunlich, wie du innerhalb von fünf Zeilen von meiner kleinen Schmetterlingsgeschichte zu ...

glaube keiner, dass die „Führer“ ausstürben
... gelangt bist.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
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Hey @kiroly

Falls du immer noch Lust auf ein brechendes Bild hast: Vielleicht Raumfähre oder Raumschiff oder Satelliten im Orbit statt Raumkapseln?
Werde ich mir merken, wenn ich das Bild dann doch noch mal verwende. Ja, Kapsel oder Fähre, das weckt andere Assoziationen.
das Kind soll studieren
Steht davon nichts im Text, aber im grösseren Kontext, den ich im Hinterkopf habe, ist das ein zentraler Punkt. Interessant, dass du das gleich mit dazu denkst.
Ein Junge mit philosophischem Interesse (Rousseaus Naturmenschen, er muss ja dieses Wissen irgendwo erworben haben), andererseits fehlen noch zoologische Kenntnisse zur Beschreibung des Inneren einer Schmetterlingspuppe (Matsch, Schleim, durcheinander, eine Art kindersprachliche Restinsel).
Da gehe ich nicht mit. Die Passagen zum Schmetterling (und zu Rousseau) sind im Präsens geschrieben, für mich ist damit klar, dass auch das Wissen des erwachsenen Erzählers mit rein in den Text darf. Die fehlenden zoolgischen Kenntnisse sind hingegen eindeutig in der Vergangenheit verortet.
Wie viele Gardinen hat er denn für den riesigen Raupenkasten benötigt?
Hehe. Hab's in den Singular gesetzt.
Vielleicht greife ich zu weit weg: Aber traut sich der Junge, in einen Schlafsack zu schlüpfen und ihn mit einer Schnur zu umwickeln? Wenn er am nächsten Morgen schweißgebadet erwacht, zum Frühstückstisch geht, wird den Eltern etwas auffallen? Fürchtet er die Konsequenzen für dieses Verhalten? Wenn schon das ungelenke Anziehen eines Pyjamas als "krank" bewertet wird, wie wird dann dieses Verhalten eingeschätzt? Psychiatrischer Notfall? Oder ist der Junge ganz woanders, schläft er außerhalb der elterlichen Sphäre? Kontrolliert ihn die Mutter abends oder nachts?
Leiht er einen Schlafsack einfach so aus? Wie begründet er das? Macht er sich Gedanken, wie er was wann erklären kann? Einen Schlafsack ausleihen, das ist keine alltägliche Handlung für einen minderjährigen Menschen.
Ja, das sind sehr gute Überlegungen. Eine Freundin hat mir gesagt, dass sie als Kind niemals einen Schlafsack geborgt oder ausgeliehen hätte. Ich denke, als Leser macht man sich da mehr Gedanken als mir lieb ist. Ich habe die Passage daher gestrichen, der Schlafsack liegt jetzt griffbereit daheim. Dass das geheim bleibt, kann ich mir nun gut vorstellen, wenn das Kind ihn tagsüber wieder verstaut. Die Eltern werden ja nicht schauen, ob da noch ein Schlafsack unter der Decke liegt, wenn das Kind schläft.
Das ist eine Spannung, die ein längerer Text aus diesem Text, denke ich, durchhalten sollte.
Du hast recht, denke ich, aber genau das will ich nicht machen. :D Der Text fährt anschliessend mit anderen Stilmitteln fort, und erst an einer entscheidenden Stelle (die Prota wird ungewollt schwanger), will ich dann diese Befruchtungssache, dieses naturalistische Vokablular wieder aufgreifen.

Hat mich sehr gefreut, lieber kiroly, immer sehr cool, deine Gedanken zu einem Text zu lesen!

Hey @linktofink

Vielen Dank für deinen Kommentar, der hat mich dazu gebracht, noch mal über ganz grundsätzliche Dinge nachzudenken.

Anfangs würde ich den Hinweis auf Rousseau rauskicken, weil es den für mich nicht braucht, er tut nicht mehr dazu.
Ja, ich will deutlich machen, dass es im Folgenden um Menschen geht und nicht um Schmetterlinge. Ich will da auch eine bestimmte Erzählhaltung anzeigen. Ich weiss, dass das nicht so glatt daherkommt. Ich denke noch darüber nach.
Ähnliches Fremdkörperempfinden habe ich beim ersten Satz im zweiten Absatz "Vor den Raupen ekelte sich meine Mutter am meisten". Der kommt so ohne Kontext und wirft die Frage auf: Wer ist der Prota und warum erzählt er mir das?
Hier fand ich es reizvoll, den Text gerade nicht so zu strukturieren, wie "man" es so macht. Und die beiden Fragen, die da aufgeworfen werden, sind doch genau die richtigen, das will ich ja. Danach kommt aber ein retardierendes Element: Noch einmal Beschreibung des Schmetterlings. Könnte man ja auch so lesen, dass die Prota lieber von diesen erzählt als von ihrer Familie. Aber grundsätzlich hast du schon recht, es ist etwas unorganisch.
Und doch hätte ich mir den Konflikt krasser gewünscht, mir wird nicht so recht klar, was genau Prota eigentlich quält, dass er doch recht abseitige Wege beschreitet.
:dagegen:
Was da aus der Familienkonstellation durchschimmert, ist nichts wirklich Extremes, als Mitglied der Familie ist man gesund, der Vater beschwichtigend, die Mutter bemüht versöhnlich.
So denke ich, Prota ist ein wenig weird und kämpft mit Zwängen, aber eigentlich ist das Schmetterlingsding eine zeitweilige Obsession, vllt. auch nur ein Experiment oder ein kindliches Spiel.
Über sowas denke ich schon länger nach. Hier konkret und auf angriffige Weise formuliert: Warum willst du als Leser lieber einen krassen Konflikt haben, damit das seltsame Verhalten des reinen unschuldigen Kinds sich erklärt, und bist nicht bereit, die zweite Hypothese zu akzeptieren, die ja der Text eher nahelegt: Das ist tatsächlich ein etwas seltsames Kind, das auf die üblichen bürgerlichen Zwänge sehr heftig reagiert. Denn genau so wollte ich die Figur eigentlich charakterisieren.
Ich muss zugeben, dass mich krasses Zeugs momentan auch einfach nicht mehr so richtig interessiert. Ich finde alltägliche Konstellationen viel spannender. Der Druck, der von liebevoll gemeinten Erwartungen ausgeht, die subtilen Zwänge. Ich möchte gerade nicht, dass die Leser denken, aha, Kind wird geschlagen, Kind wird angeschnautzt, Kind wird im Schnee ausgesetzt, kein Wunder, dass es sich so verhält wie hier beschrieben. Die Vorstellung, dass jede Abweichung vom reinen und unschuldigen und guten Verhalten des Kindes irgendwie erklärt werden kann/muss und gesellschaftlich verschuldet ist (was ja u.a. Rousseaus Erbe ist), ist meines Erachtens sehr dominant. Oder aber die radikale Umkehr: Das monströse Baby, geboren im Zeichen des Teufels. Ich frage mich: Was ist mit all den Welten dazwischen?
Aber ja, mir ist auch bewusst, dass ich mit so was in die Nische gehe. Das lesen wahrscheinlich nicht so viele Leute gerne, weil sie denken, Alltag hab ich ja schon genug und mir sind eindeutige Charaktere und Konflikte lieber.

Dein Kommentar hat mich sehr gefreut, lieber linktofink!

Hey @Carlo Zwei

Schön, dass du reingeschaut hast, du bringst immer was Bedenkenswertes mit.

Vielleicht gibt es da ein treffenderes Wort. Oder etwas Genaueres.
Ich finde "stark" hier genau das richtige Wort, auch wenn es sich um zarte Schmetterlinge handelt. Das Recht des Stärkeren, sich fortzupflanzen, das wollte ich hier anklingen lassen ...
Wieso?, habe ich mich hier gefragt. Was ich daran grundsätzlich gut finde: Es ist verschrobene Wahrnehmung, die deinen Prot charakterisiert. Aber ich hätte gerne Gelegenheit gehabt, den Gedanken zu verstehen.
... was ja auch mit dem Determinismus zu tun hat, der in der Natur herrscht. Ich weiss nicht, ich finde, der Gedanke ist durchaus lanciert: Der Körper ist auf das Wesentliche beschränkt, die Raupe sieht kaum etwas und dann frisst sie unablässig. Sie besitzt nicht die Frieheit etwas anderes zu tun. Ich habe noch kurz daran gedacht, so etwas wie "frisst wie eine Maschine" hinzuzufügen, aber ich finde, das braucht es nicht. Für mich ist das hier sehr deutlich.
wird zu eng ist schon eine recht schwache Verbkonstruktion. Da gibt es doch bestimmt ein Verb, dass dich ohne Partizip und "werden" auskommen lässt. "Die Außenhaut spannt" – vielleicht etwas, dass sich in den übrigen Stil fügt.
Na ja, ich finde, wenn etwas ein passiver Vorgang ist, dann darf der auch passiv beschrieben werden, es ist nun mal so, dass der Körper wächst und die Haut eben nichts tut und dann wird sie zu eng. Ich habe dafür den folgenden Satz ins Aktiv gesetzt, damit sich das "wird" nicht wiederholt.
Bis hier hin habe ich das als Wohlwollen gelesen. Eine Mutter, die sich mit einem Schmunzeln dazusetzt. Wenn sie über sein Verhalten schockiert wäre, würde ich eher erwarten, dass sie in der Tür stehenbleibt oder dergleichen.
Ja, ich möchte da eben die typischen Klischees vermeiden.
da gibt es vielleicht ein besseres Verb
Ja, habe ich umformuliert. "holen" ist wirklich kein Verb erster Güte. Wobei "legen" auch nicht viel besser ist. :D
Ein bisschen unmotiviert kommt mir die Beziehung zu den Eltern vor und ich frage mich, ob das nicht auch anders optimaler erzählt werden könnte. Zum Beispiel zurückhaltende, selbst verkapselte Eltern (wenn man den Konflikt will: Eltern, denen das Verhalten des Prots zur realen Gefahr wird). Oder ein ganz klar liebloser Hintergrund, der aber auch skizziert ist. Ein Waisenhaus, eine zerstörerische Mutter, ein grausamer Vater. Allein dass es 'unschicklich' ist, reicht mir da nicht.
:dagegen: Begründung siehe oben in meiner Antwort auf linktofinks Kommentar. Grausamer Vater, zerstörerische Mutter, da verdrehen sich mir gleich die Augen, sorry, ich mag solche Storys irgendwie auch nicht mehr lesen. Als Autor interessiert mich das Leben in den Extremen ebenfalls nicht mehr so sehr, da wird schon genug darüber geschrieben und ich habe davon auch keine Ahnung. Aber von kleinen seltsamen Verhaltensweisen, von leisem Druck, von Zwängen und Nöten, von Begierden und Verfehlungen, davon habe ich eine Ahnung. Wollen wahrscheinlich nicht so viele Leute lesen, aber :whocares: ?

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
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Nur ganz kurz, trainier gleich einen Frischling auf vier Beinen ... Nun hierzu, wenn Du schreibst

Hey @Friedrichard

Danke dir für deinen Kommentar, der zwar nicht auf den Text eingeht, aber doch dessen Thematik umreisst und zeigt, dass dieser den einen oder anderen Gedanken anzuregen vermag. Habe das gerne gelesen, unter anderem ist es erstaunlich, wie du innerhalb von fünf Zeilen von meiner kleinen Schmetterlingsgeschichte zu ...
Friedrichard schrieb:
glaube keiner, dass die „Führer“ ausstürben
... gelangt bist.

...
so bin ich halt,

lieber Peeperkorn,

aber wenn ich Deine Frage an mich sehe

… 5. Ob der Text überhaupt funktioniert, ...
stößt mir ein bisschen schon „funktionieren“ auf, das wir gedankenlos aus der Technik/Ingenieurskunst übernehmen und Dein Held ist ein gerade 14- oder 15jähriger Knabe („Konfirmant“, eben im Initiationsalter in der „Gemeinde“ - in der nicht das Gemeine, sondern das Allgemeine wichtig ist), das gemeinhin mit einer gewissen Widerständigkeit gegen die Welt der Eltern verbunden ist … als in Deiner beschaulichen Geschichte im „Normalfall“ – und ich weiß (schon allein über mein Interesse für Gottfried Keller – den ich in einer Linie mit Jean Paul sehe, der selbst hierorts eher belächelt wird), dass das mit der Beschaulichkeit bloße Idylle, Fassade ist.

Doch was ist schon normal?

Selbst Normalverteilungen kennen Dellen …

Aber vllt. hab ich Dich nur - wie gesagt, ein junger Hund wartet schon mit dem Älteren ... gespannt mit dem Schwanze wedelnd auf den

Friedel

Bis bald!

 
Monster-WG
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Lieber @Friedrichard

so bin ich halt,
Danke, dass du mir die Stichelei nicht übel nimmst. Ja, so bist du halt und so wirst du geschätzt und du weisst ja, wie viel ich schon von deinen Anmerkungen profitiert habe. Kleiner Scherz, der zu deinem Unbehagen überleiten soll, ...
stößt mir ein bisschen schon „funktionieren“ auf
... das ich gut nachvollziehen kann. Im Versuch, mich gegen die Vorstellung zu stemmen, das Schreiben habe etwas mit Inspiration und Kreativität zu tun und sei eine Kunst (nicht, dass ich die Vorstellung ablehne, aber es entpricht nicht dem, wie sich das Schreiben für mich anfühlt), schiesse ich auch gerne mal übers Ziel hinaus. Das Verhältnis zu den Rezipient:innen ist halt auch ein praktisches und so habe ich den pragmatischen Ausdruck gewählt, aber ja, ich weiss, dass das unserer Sache nicht angemessen, gar unwürdig ist. Danke für den Stupser!

Lieber Gruss vom gut gelaunten Peeperkorn

 
Monster-WG
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Ich muss zugeben, dass mich krasses Zeugs momentan auch einfach nicht mehr so richtig interessiert. Ich finde alltägliche Konstellationen viel spannender. Der Druck, der von liebevoll gemeinten Erwartungen ausgeht, die subtilen Zwänge. Ich möchte gerade nicht, dass die Leser denken, aha, Kind wird geschlagen, Kind wird angeschnautzt, Kind wird im Schnee ausgesetzt, kein Wunder, dass es sich so verhält wie hier beschrieben. Die Vorstellung, dass jede Abweichung vom reinen und unschuldigen und guten Verhalten des Kindes irgendwie erklärt werden kann/muss und gesellschaftlich verschuldet ist (was ja u.a. Rousseaus Erbe ist), ist meines Erachtens sehr dominant. Oder aber die radikale Umkehr: Das monströse Baby, geboren im Zeichen des Teufels. Ich frage mich: Was ist mit all den Welten dazwischen?
Ich finde, man macht sich als Leser auf eine spezielle Weise mitschuldig, wenn man jegliches abnormales Verhalten auf "krasse" Ereignisse zurückführt und erklärt.Vielleicht wäre das ein literarischer Straftatbestand, sowas wie Vereinfachung der menschlichen Psyche oder so.

Nur als Anmerkung. Lg kiroly

 
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Hallo @Peeperkorn,

ich war noch jung, quasi gerade zum Studium aufgebrochen, als Michel Houllebecqs Elementarteilchen erschienen ist und ich es auch gelesen habe. Das war das erste Mal, dass ich in einem Roman (zumindest bewusst) solche naturwissenschaftlich anmutenden Passagen gelesen habe. Und ich fand es ganz großartig. Gibt es für dieses Stilmittel einen Namen? Ich hatte mich dann irgendwann an einem Text über Seekühe (wie bei dir die Schmetterlinge) versucht, daran kann ich mich erinnern, worum es ging, hab ich aber vergessen. Jedenfalls hab ich deinen Text wirklich gerne gelesen. Es ist reichlich faktische oder wissenschaftliche Prosa (oder wie auch immer die korrekte Bezeichnung dafür ist) vorhanden und ich hätte mir tatsächlich eine minimal andere Gewichtung gewünscht, nicht unbedingt weniger Schmetterling, aber ein klitzekleines bisschen mehr Protagonist, so 3 bis 5 Sätze ;)

Deinen Einstieg mag ich sehr, wobei ich nicht weiß, was es mit Rousseau auf sich hat. Vielleicht ist es auch die Stelle im Absatz also gleich im 2. Satz, wo ich ja noch gar nicht richtig orientiert bin. Mir ist ja klar, einfach weil ich Prosa lese, dass es nicht um Schmetterlinge geht, sondern dass das "Schwalbenschwänze leben verstreut" etwas anderes bedeutet als das, was da steht. Das kann ich aber noch nicht greifen. Aber ich weiß, es hat was mit Natur zu tun, in meinem Kopf entsteht ein Bild vom Sein, im Moment sein, bei sich sein, im Gefühl oder Instinkt sein. Das ist was ich mit deinem ersten Absatz verbinde. Es ist eine naturwissenschaftliche Betrachtung, eher etwas objektives, der Absatz erzählt eben nicht, wie Schwalbenschwänze ganz subjektiv erlebt werden, sondern vermittelt Wissen (auf eine sprachlich sehr schöne Art und Weise) und legt damit eine Herangehensweise an die oder auch Auseinandersetzung mit der Welt nahe. Eine, die schon auch recht kognitiv ist (was die Faszination nicht schmälert), da ist jemand nicht Teil, sondern Beobachter. Und ich finde, dass das durch den Absatz total schön deutlich wird und empfinde dadurch den Hinweis auf Rousseau nach dem Lesen sogar noch mehr als Fremdkörper, als Erklärung des Autors, wie ich den Absatz jetzt zu lesen und deuten habe. Ich habe also ein Bild von dem/der Prota gewonnen und lese dann im 2. Absatz einen Ich-Erzähler. Oh wie schön. Ein Ich-Erzähler, der eine Mutter hat, die sich vor den Schmetterlingsraupen ekelt, das heißt ich sehe jemanden, der noch zu Hause wohnt, einen Jugendlichen. Und dann kommt da noch mal der Beobachter in dem Erzähler raus, diesmal expliziter. Er beobachtet und ist fasziniert (das sagt er ja genauso): Die Natur kennt keine Freiheit, denkt er(oder sie). Das find ich schon krass und ich bin durchaus interessiert an der Figur. Dann spielt er Verpuppung bzw. das Schlüpfen des Schmetterlings, wenn ich das richtig verstanden habe. Er "schlüpft" aus seinem Schlafanzug, will wissen, wie es sich anfühlt ein Schmetterling zu sein, will mehr als ein Beobachter sein, will ein Teil sein. Da kommt schon eine Sehnsucht bei mir an. Es wird dann von den Eltern Gericht gehalten, ob diese Sehnsucht krank ist, dieser Wunsch Teil zu sein krank ist oder der Wunsch, etwas auf einer anderen Ebene als dem Verstand verstehen zu wollen, etwas erfahren zu wollen. Es ist krank, bescheiden die Eltern. Ich habe also ein eher kognitives Elternhaus vor meinem inneren Auge. Körper, Krankheiten, Gefühle ... mnää ... da hats man dann als empfindsames Kind (mit einer angeborenen Sehnsucht nach Empfindungen) durchaus schwer, denke ich mir.

Mein Vater sprach beschwichtigende Worte, die Strafe fiel milde aus.
Ich fänds noch schöner, wenn die Strafe konkret benannt würde. ZB Mein Vater sprach beschwichtigende Worte, dann musste ich ohne Essen ins Bett (muss gerade an "Wo die wilden Kerle wohnen" denken, keine Ahnung). Also was genau ist denn eine bzw hier die milde Strafe?
Ich verstehe nicht so richtig, was die Mutter jetzt so arg krankhaft an ihrem Kind findet, aber ich lese es auch als eben Empfindung des Prota. Die Mutter liebt mich nicht, wie ich bin, ekelt sich vor mir, wie vor den Raupen, weil ich anders bin.
Zu meinem Vater sagte ich, dass ich nicht verstünde, wie am Ende alles seinen richtigen Platz finden könne. Er schlug vor, eine der Puppen aufzuschneiden und nachzusehen.
Ich glaube in einer anderen Version hattest du hier noch eine Reaktion von ihm. Das fände ich ganz gut, das wäre dann noch ein Satz mehr für den Prota, gar nichts großes, aber doch noch mal eine Reaktion. Insgesamt wirkt der Prota ja ziemlich beziehungslos in seiner Familie, hier klingt einmal kurz an, dass es doch Gespräche gibt und vielleicht auch der Versuch der Eltern Nähe aufzubauen, aber sie scheinen verschiedene Sprachen zu sprechen oder so. Aufschneiden und nachsehen ... wie absurd aus Sicht des Prota, weil er eben doch mehr ist als nur Beobachter. Sehr schön!
Eines Tages legte ich meinen Schlafsack aufs Bett und umwickelte den unteren Teil mit einer Schnur. Als ich am nächsten Morgen schweißgebadet erwachte, streckte ich meine schmerzenden Beine, was sich so gut anfühlte, dass ich am folgenden Abend die Schnur noch ein wenig enger zog.
Eines Abends? Dann weiß man gleich, dass es ums Schlafen geht. Auch hier war es mal anders oder? War da nicht irgendwas mit glücklich? Das hat mir gut gefallen. Wieso darf er denn nun nicht mehr glücklich sein? Jetzt fühlt es sich nur noch gut an ... :sad:
Am Ende der Geschichte lese ich den ersten Satz dann auch noch mal anders, bzw. als Thema des Textes. Es geht für mich um Verbundenheit bzw. Verstreutsein. Die Schwalbenschwänze leben verstreut, haben keine Bindungen untereinander. Und wie ich den Text lese, das kann natürlich total an deiner Intention/Interpretation vorbeigehen, gibt es in der Familie wenig Bindungen und dein Prota "bindet" sich an die Schwalbenschwänze, und erfüllt damit zum einen das Bedürfnis nach Bindung, zum anderen ist er fasziniert davon ohne Bindungen zu leben und ich glaube eben, dass ist so, weil seine Familie so bindungslos ist und er sich als Fremdkörper darin fühlt. Macht mein Geschreibsel Sinn? In meinem Kopf ists irgendwie klarer.

Jedenfalls, lieber Peeperkorn, vielen Dank für diesen schönen Text. Ich habe das Lesen und auch das Schreiben dieses Kommentars sehr genossen :-)
Viele Grüße
Katta

 

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