Was ist neu

Лазурит (Lazurit)

Challenge-Text
Challenge-Text
Wortkrieger-Team
Monster-WG
Seniors
Beitritt
19.05.2015
Beiträge
2.573
Zuletzt bearbeitet:

Лазурит (Lazurit)

Agafja steht mit den ersten Sonnenstrahlen auf. Wie jeden Tag. Sie blinzelt und schaut zum Himmel, als sie aus der Hütte tritt. Gott ist überall und in der Natur ist man ihm am nächsten. Sie legt den blauen Stein vor sich auf den Schrein und nimmt die Bibel zur Hand, streicht über das Leder, spürt die Kratzer auf dem Einband, die Tränen und Schweißtropfen des Vaters, der Mutter, der Geschwister, die es in den Händen gehalten, an sich gedrückt haben. Sie schlägt das Buch auf, die vergilbten Seiten knistern …

... der verlässliche Zeuge über den Wolken … verworfen und mit Zorn überschüttet … Krone … Eingerissen … in Trümmer gelegt … plündern … hast all seine Feinde erfreut … die Spitze seines Schwertes umgekehrt … Kampf … Sieg verweigert … Ende gemacht seinem Glanz … Jugend verkürzt … bedeckt mit Schande … Wie lange noch, Herr? … Zorn wie Feuer brennen? … Was ist unser Leben … wie vergänglich hast du alle Menschen erschaffen! Wo ist der … ewig lebt … der sich retten kann … Herr, wo sind die Taten deiner Huld geblieben … Im Herzen brennt … der Hohn der Völker …
(Psalm 89, Einheitsübersetzung)

Amen, ja amen.

… Eltern fallen ihr ein. Ihr Geist, alles, was sie ihr beigebracht haben, steckt irgendwie zwischen den Buchseiten. Einige der Buchstaben sind verblichen, unmöglich zu entziffern, aber Agafja stört sich nicht daran, Worte sind ein steter Fluss, ein Flüstern zwischen den Baumwipfeln und dem Rauschen des Jerinat, Worte, einzelne Sätze, das, was die Eltern, die Geschwister vor langer Zeit gesagt haben, versteckt sich im Holz der Hütte, die sie gemeinsam gebaut haben, Gegenstände nehmen auf, was sie zu fassen bekommen. Auf dem Rollstuhl, den sie aus Brettern und zwei Reifen, die sie bei den Leuten aus der Forschungsstation hundert Werst nach Westen geholt haben, liegt die warme Decke ihres Bruders.
… hört sie die Geister. Sie ist nicht allein …

Das Wort Lapis entstammt der lateinischen Sprache und bedeutet „Stein“. Lazuli, Genitiv des mittellateinischen Wortes lazulum für „blau“, leitet sich wie mittellateinisch lazurium und griechisch lazoúrion über Paschtunisch لازورد lāzaward vom persischen لاجورد / lāǧevard /‚himmelblau‘ ab. Synonyme Bezeichnungen sind unter anderem Azur d'Acre, azurum ultramarinum, Bleu d'Azur, Lapis lazuli ultramarine, Las(z)urstein …
(Wikipedia, Lapislazuli)

… weg von den Menschen, die sich gegenseitig umbringen, weg von den Lastern, der Gier der Städte. Die Bolschewiki wollten das Gute und trotzdem mordeten sie, weil sie nicht an Gott glauben, weil sie an gar nichts glauben, hörte sie ihren Vater sagen. Wir mussten weg, Agafja, wir mussten. Du hast damals geweint, warst klein wie eine Erbse und süß wie eine Himbeere, hört sie die Mutter sagen. Lange waren sie gewandert, hatten gehungert und die Schuhe abgelaufen, erinnert sie sich. Bis sie in die Baikal-Region gelangten, weitab von anderen Menschen, weit weg von dem, was die Menschen Zivilisation, was Agajfja Sodom und Gomorrha nennt, das Reich des Antichristen …

… Die Vorräte schmolzen, nichts war mehr da. Sie gruben im Schnee, aßen Würmer, jagten Murmeltiere, kochten Suppe aus Gras, aus Baumrinde und kauten solange am Leder ihrer Schuhe, bis sie sich einbildete, satt zu sein, bis Gott zu ihnen sprach, ihnen zurief, sie müssten nur eine Weile durchhalten. Eine schlimme Zeit. Beten hatte geholfen. Der Hunger darf das Bewusstsein nicht fluten, alles überlagern. Dagegen muss man ankämpfen, die Gedanken zum Himmel richten. Gott sorgt sich um seine Kinder. Sie tanzten, als der Hungerwinter vorüber war und die Frühlingssonne schien, tanzten in ihren Hungerkleidern, lachten, küssten einander, als der Kohl wuchs, die Pastinaken, das Porree, Blüten aus dem Boden …

… Spaltung innerhalb der Russisch-Orthodoxen Kirche kam. So entstanden die sogenannten Altgläubigen. Innerhalb dieser Bewegung bildete sich die religiöse Gruppierung der „Priesterlosen“, die vom baldigen Eintreffen des Jüngsten Gerichts überzeugt waren. Insbesondere in den radikalen Reformen Peters des Großen erkannten sie das Wirken des Antichristen. Viele dieser „wahren Gläubigen“ wichen in unbewohnte Regionen Russlands aus, um der hohen Steuerlast und anderen Pflichten des als gottlos betrachteten Staates zu entgehen. Im Verlauf der Jahrhunderte wurden Mitglieder dieser Gemeinschaft immer weiter in unzugänglichere Waldgebiete getrieben. Bedingt durch staatliche Nachstellungen zog sich die Familie Lykow in den 1930er Jahren bis zum Oberlauf des Abakan zurück und geriet dort – 250 Kilometer von der nächsten menschlichen Siedlung entfernt – in Vergessenheit …
(Wikipedia, Lykow)

Agafja nimmt den Zuber, mit dem sie sich wäscht, den Eimer, in den sie das Trinkwasser gießt, und geht den steilen Pfad hinab zum Fluss. Kein Wasser könnte jemals besser schmecken. Als die Leute kamen, mit ihren Geländefahrzeugen, sie bestaunten, als wäre sie eine seltene Blume oder ein Tier, das den Augen der Menschen bisher entgangen war, hatte sie sich überreden lassen, sich das moderne Russland anzuschauen, war mit ihnen in die Städte gefahren, hatte mit dem Zug, dem Flugzeug, dem Helikopter das Land bereist, Museen besucht, Konzerte gehört, in Hotelzimmern geschlafen, die in großen, steingefügten Gebäuden wie eine Ansammlung von Bienenwaben wirkten. Dort gab es Wasserhähne, Duschköpfe, warmes, kaltes, laues Wasser, das auf der Haut angelangt, grausamen Widerstand hervorrief und nach Jauche schmeckte. Kein Wasser war vergleichbar mit dem des Jerinat, keins. Man muss zuhause bleiben, wenn man nicht krank werden will. Je länger sie unterwegs war, desto größer wurde ihre Angst, weil es keine frische Luft gab, weil jedes Fahrzeug, das vorbeifuhr, so viele Gifte in der Luft zurücklässt, weil die Seuchen der Zivilisation sich durch die Luft ausbreiten. Als sie von ihrer Reise zurückkam, war ihr Vater gestorben und sie hatte verflucht, was die Menschen Zivilisation nannten.
Der Frühling wird bald kommen. Auf den Birken, Weiden und Espen singen die Regenpfeifer, Gänsesäger und Kolkraben …

… öffnet die Strickjacke, streift das Leibchen ab, das Kleid, nimmt mit der hohlen Hand erst einen Schluck Wasser, um den Fluss zu grüßen, bekreuzigt sich, nimmt die Seife, reibt sich ein, rubbelt. Die Haut muss gerötet sein nach dem Waschen, du musst fest schrubben, dann spürst du deinen Körper und deine Seele, hört sie ihre Mutter. Agafja streckt sich, wirft den Kopf zurück und blickt zum Himmel …

… bestand die Familie aus dem Vater, Karp Ossipowitsch Lykow, den Söhnen Sawwin (45) und Dimitri (36) und den Töchtern Natalja (42) und Agafja (34). Die Mutter, Akulina Karpowna geb. Daibowa, war 1961 vermutlich an Hunger gestorben …
(Wikipedia, Lykow)

… stellt den Honig ihrer Bienen bereit, um den Brei zu süßen. Gerade als sie sich umdreht und auf den Stuhl setzen will, auf dem die Mutter immer saß, bemerkt sie die Spinne, ein großes Tier mit kräftigem Körper, das ihre Hand ausfüllen würde, so groß. Sie gehört nicht hierher, das weiß Agafja sofort, hat zwar acht Beine, das schon, bewegt sich aber etwas ungelenker, nicht so wie eine sibirische Spinne, nicht so, als schwebte sie und glitte schwerelos über den Boden, nein, die Spinne, die neben der Tür sitzt, rennt wie ein Soldat in exakt gerader Bahn auf und ab, ohne sich ihr jedoch zu nähern …

… losrennen, blitzschnell auf ihren mannigfachen Beinen, sich einfach in Luft auflösen, sobald sie Gefahr spürt, jemand sich ihr auf kurze Distanz nähert, aber diese hier verhält sich zahm wie Emma, die Ziege in Agafjas Stall, bleibt, wo sie ist, zieht weiter ihre Bahn, hin und her, hin und her, als wäre sie ein Aufziehpüppchen. Agafja bückt sich, streckt den Arm aus …

… Fundstätten befinden sich in Russland. Hier stammen die farblich besten Varietäten von der Lagerstätte Malobystrinskoye am Baikalsee. Weniger ergiebig erwiesen sich die Lokalitäten Talskoye und Sljudjanskoye in der Baikalregion. Die Fundstelle am Fluss Sljudjanka entdeckte Erich G. Laxmann in den Jahren 1784–1785, als er im Auftrag der Akademie der Wissenschaften des Zaren am Baikalsee naturwissenschaftliche Erkundungen betrieb. Katharina die Große sandte 1787 eine geologische Expedition in diese Region …
(Wikipedia Lasurit)

… Oberfläche fühlt sich weich an, kalt, gummiartig, gibt nach, wenn man leichten Druck ausübt, ganz anders als der Panzer eines Käfers. Der Körper pulsiert, vibriert, die Beine scheinen mit Metall überzogen zu sein, und die Augen glühen grünlich. Sie dreht die Spinne um, will den Bauch begutachten und entdeckt eine winzige Stelle, einen Punkt, kaum zu erkennen, der genau so aussieht, wie die Zeichen, die in den Städten an allen Produkten angebracht sind, die irgendwo verkauft werden, Joghurtbecher, Musikabspielgeräte, Schälchen, Flaschen, Kleidungsstücke, einfach an allem, was man Agafja auf ihrer Reise als die Errungenschaften der modernen Zeit präsentiert hatte. Sie zittert, lässt die Spinne beinahe fallen, denn sie weiß, was das Zeichen, die Ziffernfolge bedeutet, der Teufel, der Antichrist, Beelzebub …

… Schurawljow beschrieb die Lebensumstände folgendermaßen:
„Feuer machen sie mit dem Wetzstahl, Licht erzeugen sie durch Kienspäne … Sie leben wie in der Zeit vor Peter dem Ersten, vermengt mit ein paar Spritzern Steinzeit. Im Sommer laufen sie barfuß, im Winter tragen sie Schuhwerk aus Birkenrinde. Sie benutzen kein Salz …
(Wikipedia, Lykow)

… hört das Geräusch des Aufpralls auf dem Dielenboden und geht zu dem Wasserzuber, nimmt die Seife, wäscht die Hände und bekreuzigt sich. Die Spinne verharrt einen Moment, als müsste sie sich sammeln und fängt dann wieder an, ihre Bahnen zu ziehen. Das grüne Strahlen der Augen streicht weiter durch den Raum, streift nun über alle Ecken und Wände, über die Gegenstände und Möbelstücke, als wollte die Spinne notieren, was sie sieht, vermessen …
… eine merkwürdige Erregung, fast so wie an den Abenden, wenn es kribbelt und zwickt und sie sich zwischen den Beinen streichelt, sich süßen Gedanken hingibt, an Männer denkt und den Stab aus Glas benutzt, den sie in Sankt Petersburg gekauft hat …

… 1981 verstarben die drei ältesten Kinder; 1988 der Vater im 87. Lebensjahr. Wenig später wurde von einer angeblichen Hochzeit der allein zurückgebliebenen jüngsten Tochter Agafja berichtet …
(Wikipedia, Lykow)

… half er ihr, hackte Holz, grub die Erde um, zeigte ihr, wie man den Saft der Beeren gären lassen konnte, etwas Alkohol daraus zu gewinnen. Sie saßen abends zusammen, tranken, sangen, lachten. Lass uns tanzen, hatte er gesagt, an einem Sommerabend. Dabei hinkte er, das Bein war lädiert, die Armee, die verfluchte Armee …

… dass es den Zweiten Weltkrieg gab. «Wie das - zum zweiten Mal, und wieder die Deutschen?», wunderte sich Karp, als ihn 1978 die GeologInnen besuchten und vom «grossen Krieg» berichteten …
(Die Burunduks als Geissel Gottes, WOZ, 31.03.2005)

… tanzen, hatte er gesagt. Und als er nicht mehr stehen konnte, hatte Agafja den Rollstuhl geholt und Vitja reingesetzt, sich mit ihm gedreht, den warmen Luftzug gespürt, sich glücklich gefühlt, unbeschwert wie ein kleines Mädchen. Er hat’s dann probiert bei ihr, im Rollstuhl sitzend, sie an sich gezogen, die Lippen auf ihre gedrückt, sie auseinander gepresst, die Hände um ihre Taille geschlungen, das hat er probiert, aber sie lachte ihn aus, sie lachte einfach, drehte ihn schneller und schneller auf seinem Stuhl, bis er nicht mehr konnte, der Vitja, während sie die Arme zum Himmel hob, sie ausbreitete, als hätte sie Flügel, als könnte sie fliegen, über das Land, bis zum Himmel hin …

Aus Hanfleinen nähten sie Sommerkleider, Kopftücher, Strümpfe und Fäustlinge. Und auch Wintermäntel: Zwischen Futter und Oberstoff kam trockenes Gras …
(Die Burunduks als Geissel Gottes, WOZ, 31.03.2005)

… so plötzlich gekommen wäre, wenn sie sich erst an sein schiefes Grinsen, den rauen Bart, das rote Gesicht, den ausgemergelten Körper, die Spinnenfinger gewöhnt hätte, dann, ja dann, hätte sie ihn nicht zurückgewiesen, weitergetanzt, vielleicht sogar geküsst, vielleicht sogar mehr. Aber weil der Zeitpunkt noch nicht gekommen war, hatte sie ihn weggestoßen, den Tanz beendet und ihm gesagt, er solle jetzt gehen, in seine Hütte, weg von ihr. Er hatte den Kopf geschüttelt, die Augen sprühten Feuer …

… BesucherInnen brachten aber noch etwas anderes in die abgeschiedene Hütte, ohne es selbst zu wissen: die Infektionen …
(Die Burunduks als Geissel Gottes, WOZ, 31.03.2005)

… ein paar Meter entfernt, als er vor dem Abhang ankam, etwas abseits des Pfades, wo Gras wuchs, ausgerechnet da, wo der große blaue Stein eingegraben war, darauf wartete, dass er aus der Erde befreit wird, nicht weit des Weges, aber bedeckt von Ginster, nahe am Abgrund, nahe am Pfad. Sie kam zu spät. Vitja war zu schnell unterwegs, beseelt noch vom Tanz. Der Rollstuhl stieß an den Stein und Vitja flog kopfüber nach vorne in die Tiefe, breitete noch die Arme aus, aber auch er hatte keine Flügel …

… Der 15. Juni 1978 - der Tag, an dem die Lykows zum ersten Mal Besuch von den GeologInnen erhielten - war der 2. Juni 7486 «nach Adam». Der Kalender wurde dabei ausschliesslich «im Kopf» geführt, mit regelmässigen Überprüfungen nach Gebetsbüchern und Neumondphasen …
(Die Burunduks als Geissel Gottes, WOZ, 31.03.2005)

… holte die Laterne, suchte, suchte, hörte in die Nacht, hörte das leise Wimmern und fand ihn schließlich, blutverschmiert, zerschmettert, röchelnd, verbogen. Sie war bei ihm geblieben bis zum Schluss, mehr konnte sie nicht tun, mehr war nicht möglich. Vor Sonnenaufgang entspannten sich seine Atemzüge und er glitt weg, in den ewigen Schlaf, zum Herrn …

… Weder Bären noch Wölfe haben den Lykows die grössten Sorgen bereitet, sondern ein kleines Tierchen namens Burunduk - ein niedliches sibirisches Streifenhörnchen. Doch in den Augen der Lykows war dieses Tierchen «eine Geissel Gottes, schlimmer als der Bär», denn beinahe die Hälfte der Körner aus der Ernte wurde von den Burunduks gefressen. Die Lösung des Problems wurde erst durch den Kontakt nach aussen möglich. Die GeologInnen brachten den Lykows zwei Katzen und einen Kater, die den Burunduks endlich das Handwerk legten …
(Die Burunduks als Geissel Gottes, WOZ, 31.03.2005)

… Während des ganzen Tages sieht sie das Spinnenwesen ab und zu auf dem Gelände, die Kreise immer weiter ziehend, bis hin zum Weg, der zum Fluss führt. Sie verrichtet ihr Tagwerk, isst, trinkt, schläft am Mittag ein wenig, betet. Die Buchstaben der Bibel verschwimmen. Sie legt das Buch weg, streckt sich auf ihr Bett, nachdem die Sonne untergegangen ist, und bemerkt die grünen Spinnenaugen, die sich ihr nähern …

… Entfernte Verwandte der Lykows - ebenfalls Altgläubige - meldeten sich nach den zahlreichen Zeitungsberichten und erklärten sich bereit, Agaf'ja aufzunehmen. So verliess Agaf'ja für einige Wochen ihre Klause am Abakan und reiste zu ihren Verwandten in der Siedlung Abasa sowie in ein Frauenkloster am sibirischen Fluss Jenisej. Sie kehrte jedoch in ihre Hütte zurück, denn «fortzugehen gab der Vater seinen Segen nicht». «In der Welt zu leben, ist Sünde» …
(Die Burunduks als Geissel Gottes, WOZ, 31.03.2005)

… Am nächsten Tag wacht Agafja auf und sieht das Glühen der Spinne und als sie sich die Augen reibt, erkennt sie, dass mehr von den merkwürdigen Wesen neben dem Bett warten …

… bat Agaf'ja um Heu, ein Fischnetz, eine Motorsäge, Saatgut, Schiesspulver, einen Hund sowie einen Kater und eine Katze. Die Warenverpackungen sollten dabei unbedingt ohne Strichcode sein, denn dieser enthalte dreimal die Sechs, die biblische «Zahl des Tieres» …
(Die Burunduks als Geissel Gottes, WOZ, 31.03.2005)

Die Männer setzen sie auf den Rollstuhl, binden sie fest, schieben sie über das Gelände und rufen wieder und wieder: „Wo ist der große Stein, wo ist er, der Lapislazuli?“

Agafja bekreuzigt sich, schaut zum Himmel. Für einen Moment erinnert sie sich, wo das Gewehr versteckt ist, verscheucht aber den Gedanken. Wie dumm Spinnen doch sind und wie groß Gott, denkt sie.

 

Salü @Isegrims,

erst mal:

Die Bolschewiki wollen das Gute und trotzdem dem morden sie
Ist da was doppelt?
morden sie, weil sie nicht an Gott glauben
Ja, wenn nur nicht die Gottgläubigen ebensolche Mörder wären ...
bis sie sich einbildetet
Ein 't' zu viel
weil die Seuche der Zivilisation sich durch die Luft ausbreiten
Da hinten ein 'n', muss an Seuche auch ein 'n' oder halt ein 't'
und ihm gesagt, er sollte jetzt gehen
bin mir nicht sicher, ob es ein 'solle' sein müsste

Als Ende der 80er viele Russland-Deutsche kamen und in BaWü zwei Kristallisationspunkte entstanden - die Kasernen der Kanadier in Lahr und Pforzheim - hatte ich doch einiges zu tun mit den neuen Bürgern. Ein Großteil war tief religiös, hatten ihren Glauben aus Zeiten Katharinas bewahrt und wie in einem Glas wieder mitgebracht. Einige davon waren meine Kollegen bei der Post. Das war fast schon mittelalterlich während bspw. der Nachtdienste, wenn der Wind am Bahnhofabgang etwas bewegte oder vorbeifahrende Züge Geräusche machten, wie sich manche von ihnen fürchteten und meinten, der Teufel stünde draußen. Zuerst haben wir gelacht. Nicht gut. Dann haben wir zugehört.

Das waren natürlich nicht die Altgläubigen aus deiner Geschichte. Aber für uns Locker-vom-Hocker-Wessis eine enorme Erfahrung. Mancher Einfaltspostler hat tatsächlich seinen Horizont erweitert. Nicht dass er gläubig wurde, sondern sein Blick auf die Welt und in die Tiefe von Geschichte wurde eben breiter.

Und so sehe ich auch deine Geschichte. Parallel dazu hilfreich die Erklärungen. Es ist noch nicht mal ein Blick zurück, denn in den Weiten Sibiriens gibt es sie noch, diese parallele Welt. Da ist ja nicht nur Gottglaube, sondern auch die Verbundenheit mit seinem Werk. Unserer Erde. Ob nun gläubig oder nicht, die Verbundenheit haben wir alle mehr oder weniger verloren ... und es nicht geschafft, sie sinnvoll zu ersetzen.

Eine lehrreiche und gute Geschichte. Habe ich sehr gerne gelesen.

Griasle
Morphin

 

Lieber @Isegrims,

erst einmal danke, dass ich durch deine Geschichte von der Familie Lykow erfahren habe. Ich mag das ja, wenn durch Texte ein neuer Horizont eröffnet wird, neues Wissen. Ich wusste darüber tatsächlich gar nichts und find die Geschichte der Agafja echt abgefahren. (Übrigens hat sich am Schluss ein zusätzliches "j" in ihren Namen geschlichen, schau mal im letzten Absatz).

Ich muss auch sagen, dass ich den Aufbau und auch den Inhalt erst begriffen habe, als ich Hintergrundinfos zu dieser Familie hatte. Also gut, dass du die Links eingefügt hast. Ohne diese Hintergrundinfo hätten mich die Fragmente zum Teil dann doch mehr verwirrt.

Hier verstehe ich nicht, weshalb du in die Vergangenheit wechselst:

…Eltern fallen ihr ein. Ihr Geist, alles, was sie ihr beigebracht hatten, steckte irgendwie zwischen den Buchseiten. Einige der Buchstaben waren verblichen, unmöglich zu entziffern, aber Agafja störte sich daran nicht, Worte waren ein steter Fluss, ein Flüstern zwischen den Baumwipfeln und dem Rauschen des Jerinat, Worte, einzelne Sätze, das, was die Eltern, die Geschwister vor langer Zeit gesagt haben, versteckt sich im Holz der Hütte, die sie gemeinsam gebaut hatten, Gegenstände nehmen auf, was sie zu fassen bekommen. Auf dem Rollstuhl, den sie aus Brettern und zwei Reifen, die sie bei den Leuten aus der Forschungsstation hundert Werst nach Westen geholt hatten, liegt die warme Decke ihres Bruders. … hört sie die Geister. Sie ist nicht allein.
Ich verstehe den Aufbau so, dass es die Gegenwart gibt und ihre Erinnerungen, die dann logischerweise im Präteritum aufgeschrieben sind. Aber hier verwuselt sich das irgendwie, da geht's zeitlich wild umeinander.
Überall dort, wo Plusquamperfekt steht, würde ich im Perfekt bleiben, überall wo Präteritum steht in die Gegenwart wechseln. Denn dieser Moment in der Hütte, alles was sie in dieser Hütte tut, ist danach ja auch im Präsens geschrieben.

Ist jetzt nur eine Formsache, aber auch die äußere Form der Absätze verstehe ich nicht immer. Schon klar, das soll fragmentarisch sein und das finde ich auch ganz gut, mal was anderes, aber diese drei Auslassungpunkte passen da nicht immer. Wenn du den Satz korrekt beginnst, also ohne eine Auslassung, so wie beispielsweise hier:

… Die Vorräte schmolzen, nichts war mehr da.
oder hier:
… Während des ganzen Tages sah sie das Spinnenwesen ab und zu auf dem Gelände, die Kreise immer weiter ziehend, bis hin zum Weg, der zum Fluss führte.
finde ich diese Punkte eher störend. Ich bin dafür, mal andere Formen zu probieren, die müssen aber in sich schon schlüssig sein. Ist selbstverständlich dein Text, vielleicht steckt da auch was dahinter, das ich nicht erkenne, aber zwischenzeitlich beginnen ja dann Absätze auch wieder ohne die Auslassungszeichen. Lange Rede, kurzer Sinn: Das würde ich einheitlich gestalten, damit die Form auch Sinn macht.

Soviel erstmal von mir, recht technisch, sorry. Zum Inhaltlichen muss ich noch ein bisschen nachdenken.

Viele Grüße
RinaWu

 

Guten Abend @Morphin

danke für deinen Kommentar, bestätigt, dass es sich lohnt, Texte über Themen zu schreiben, die etwas abseits unserer eigenen Wirklichkeit liegen.

Das war fast schon mittelalterlich während bspw. der Nachtdienste, wenn der Wind am Bahnhofabgang etwas bewegte oder vorbeifahrende Züge Geräusche machten, wie sich manche von ihnen fürchteten und meinten, der Teufel stünde draußen. Zuerst haben wir gelacht. Nicht gut. Dann haben wir zugehört.
Ich halte mich für einen Agnostiker, einen römisch-katholischen allerdings, und deshalb weiß ich, dass Gott so gar nichts wäre, ohne den Teufel und dass die Zeichen des Teufels überall zu finden sind und dass solchen Aberglauben zu glauben letztlich nichts schadet, man weiß ja nie.

Mancher Einfaltspostler hat tatsächlich seinen Horizont erweitert. Nicht dass er gläubig wurde, sondern sein Blick auf die Welt und in die Tiefe von Geschichte wurde eben breiter.
ja, das stimmt, schauen, was ist, auch an abseitigen Orten, zu verstehen versuchen, gerade deshalb habe ich den Text geschrieben und diese Form gewählt
Es ist noch nicht mal ein Blick zurück, denn in den Weiten Sibiriens gibt es sie noch, diese parallele Welt. Da ist ja nicht nur Gottglaube, sondern auch die Verbundenheit mit seinem Werk. Unserer Erde. Ob nun gläubig oder nicht, die Verbundenheit haben wir alle mehr oder weniger verloren ... und es nicht geschafft, sie sinnvoll zu ersetzen.
seit der Mensch den Respekt vor der Schöpfung verloren hat, sozusagen, seit Pandoras Büchse geöffnet wurde (hatten wir es ja kürzlich von)
Eine lehrreiche und gute Geschichte. Habe ich sehr gerne gelesen.
dankeschön :Pfeif:

viele Grüße aus der Waldnähe
Isegrims

Liebe @RinaWu

Ich mag das ja, wenn durch Texte ein neuer Horizont eröffnet wird, neues Wissen. Ich wusste darüber tatsächlich gar nichts und find die Geschichte der Agafja echt abgefahren.
ich weiß nicht mehr genau, wie ich auf Agafja gestossen bin, schätze irgendeiner in der Agonie des letzten Jahres hat sich gefragt, ob die Nachricht von der Seuche zu Agafja gelangt ist, oder eben nicht, wie damals der 2.Weltkrieg
Ich muss auch sagen, dass ich den Aufbau und auch den Inhalt erst begriffen habe, als ich Hintergrundinfos zu dieser Familie hatte. Also gut, dass du die Links eingefügt hast.
Da war dieser Stoff über den ich unbedingt schreiben wollte, aber wie? Ohne die eingefügten Infos wäre der Text evtl allzu unglaubwürdig geworden.
Ich verstehe den Aufbau so, dass es die Gegenwart gibt und ihre Erinnerungen, die dann logischerweise im Präteritum aufgeschrieben sind. Aber hier verwuselt sich das irgendwie, da geht's zeitlich wild umeinander.
habe ich geändert, danke!
Ist jetzt nur eine Formsache, aber auch die äußere Form der Absätze verstehe ich nicht immer. Schon klar, das soll fragmentarisch sein und das finde ich auch ganz gut, mal was anderes, aber diese drei Auslassungpunkte passen da nicht immer. Wenn du den Satz korrekt beginnst, also ohne eine Auslassung, so wie beispielsweise hier:
ja, die Struktur, da muss ich noch mal ran, das fragmentarische, die cut-ups schienen mir passend, auch um besser zwischen Fiktion und Wirklichkeit trennen zu können, ohne zu langweilen (na ja, ich hoffe jedenfalls, nicht zu langweilen)
Ist selbstverständlich dein Text, vielleicht steckt da auch was dahinter, das ich nicht erkenne, aber zwischenzeitlich beginnen ja dann Absätze auch wieder ohne die Auslassungszeichen. Lange Rede, kurzer Sinn: Das würde ich einheitlich gestalten, damit die Form auch Sinn macht.
stimmt, werde ich ändern, einheitlicher gestalten.

vielen Dank für die hilfreichen Hinweise zur Form und viele Grüße
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Isegrims

eine außergewöhnliche Geschichte und auch eine außergewöhnliche Form. Ähnlich wie RinaWu habe ich die Dimension der Geschichte erst nach den Hintergrundinfos - hoffe ich - verstanden. Die Dimension ist gigantisch. Die Abwendung von der "Zivilisation" im Namen einer streng orthodoxen Auslegung des Glaubens im 18. Jahrhundert, dann das Fliehen vor politischer Verfolgung in die Wildnis der Baikal-Region. Schließlich das Entdeckt-Werden und die Frage, was das mit einem Menschen macht, wie er zum "modernen, neuen Russland" steht, modern heißt hier: Glasflasche und Yoghurtbecher.

Definitiv Stoff für einen Roman. Nicht einfach, dieses Themenspektrum von tiefem Glauben, Wildnis, russischer Geschichte und Weltbild-Konflikten in eine Kurzgeschichte zu pressen. Vielleicht ist das der Grund, warum dir die Geschichte ohne die Infoeinschübe unglaubwürdig wirkt.

Soweit ich deine Geschichte korrekt verstanden habe, zieht sich ein Gegensatz von Wildnis und Zivilisation von Beginn an durch. Die Zivilisation wird mehr/minder mit dem Antichristen gleichgesetzt, die Wildnis wiederum mit Gott. Das Leben in der Wildnis heißt, Gott nahe zu sein. Egal was passiert, Ereignisse können als Ringen zwischen Teufel und Gott interpretiert werden. Daher gefallen mir Stellen wie diese sehr gut:

… Oberfläche fühlt sich weich an, kalt, gummiartig, gibt nach, wenn man leichten Druck ausübt, ganz anders als der Panzer eines Käfers. Der Körper pulsiert, vibriert, die Beine scheinen mit Metall überzogen zu sein, und die Augen glühen grünlich. Sie dreht die Spinne um, will den Bauch begutachten und entdeckt eine winzige Stelle, einen Punkt, kaum zu erkennen, der genau so aussieht, wie die Zeichen, die in den Städten an allen Produkten angebracht sind, die irgendwo verkauft werden, Yoghurtbecher, Musikabspielgeräte, Schälchen, Flaschen, Kleidungsstücke, einfach an allem, was man ihr auf ihrer Reise als die Errungenschaften der modernen Zeit präsentiert hatte.

denn hier treten die Themen gleichzeitig auf. Wie sie lebt, was sie erlebt, wie sie eine Spinne interpretiert. Das schilderst du sprachlich exzellent. Atmosphärisch. Auch hier zu Beginn:

…Eltern fallen ihr ein. Ihr Geist, alles, was sie ihr beigebracht hatten, steckt irgendwie zwischen den Buchseiten. Einige der Buchstaben waren verblichen, unmöglich zu entziffern, aber Agafja stört sich daran nicht, Worte sind ein steter Fluss, ein Flüstern zwischen den Baumwipfeln und dem Rauschen des Jerinat, Worte, einzelne Sätze, das, was die Eltern, die Geschwister vor langer Zeit gesagt haben, versteckt sich im Holz der Hütte, die sie gemeinsam gebaut hatten, Gegenstände nehmen auf, was sie zu fassen bekommen. Auf dem Rollstuhl, den sie aus Brettern und zwei Reifen, die sie bei den Leuten aus der Forschungsstation hundert Werst nach Westen geholt haben, liegt die warme Decke ihres Bruders. … hört sie die Geister. Sie ist nicht allein.

Gott, Geister, Antichrist, das kann ja überall, das ist auch überall, der ewige biblische Kampf Gut oder Böse kann sich in einer Birke am Baikal-See zeigen.

Dein Text wirkt auf mich aber etwas unschlüssig. Oder ich drücke es anders aus: Meiner Ansicht nach tragen die Infoeinschübe die Geschichte zu sehr. Sie wirken wie ein Hilfsgerüst, das noch eine statische Funktion ausübt. So zumindest mein Eindruck. Eigentlich sollte ja Agafjas Lebenswelt die Geschichte antreiben. Aber ja, jetzt nöle ich herum, ohne einen konkreten Gegenvorschlag zu haben.

Vielleicht kannst die Infos kürzen, ihnen eine eigene dramaturgische Komponente geben. Sowas wie:

Das Persische lāǧevard /‚himmelblau‘ als Ursprung des Namens für ein Mineral, das dem Himmel gleicht. Etrusker und Römer übernahmen die Bezeichnung ...

Alle deine Infoeinschübe erzählen ja von einer Entwicklung. Vielleicht geht das etwas erzählerischer, weniger sachtext-orientiert. Dadurch verliert ja die Geschichte nicht an Glaubwürdigkeit. Möglich wäre es auch, mit einem globalen "Wir" zu arbeiten. Das "Wir" als Repräsentant der Zivilisation, als Antagonist quasi. Das wäre aber eine neue, massive Komponente für deine Geschichte, die weniger die Lebenswelt deiner Erzählerin als vielmehr einen Kampf schildert.

Wir nahmen die Spaltung der Kirche ein. War das eine Spaltung? Wir wandten den Blick nach Westen und zur Ostsee, all der russische Boden konzentrierte sich jetzt auf die trockengelegte Sümpfe der Newa-Mündung. Wir sahen die anderen nicht, die winzigen Familien, die zum Osten zogen. Wir öffneten, sie nicht. Sie, die Fußnoten, Anekdoten, die sich abnutzten.

Wir errichteten Bahnlinien. Wir bauten erst das neue Russland, dann den neuen Menschen. Wir dachten, wir seien die, die nachholen, Amerika, Europa, aber wir erkannten eine versteckte, unschlüssige Kraft aus der russischen Erde, aus der und mit der wir Elektrizitätswerke, Staudämme, Umleitungen von Flüssen stampften und Umleitungen von Polarmeeren planten. Unsere Macht, dachten viele, sei die der Gewehre, dabei war sie eine der Ingenieure, Bauarbeiter und technischen Angestellten, des Baggers im sibirischen Sand. Sibirien, Baikal, Fernost. Ressourcen-Exploration. Nie Stillstand.

Aber vielleicht geht das auch weit vorbei an dem, was du mit dem Text intendierst.

Das nur so als Leseeindruck @Isegrims. Ich hoffe, du kannst damit etwas anfangen.

Lg
kiroly

 
Zuletzt bearbeitet:

“He came dancing across the water
Cortez, Cortez
What a killer“
Neil Young “Cortez The Killer“​

„Wir haben den weißen Mann nicht gebeten, hierher zu kommen. …
Ihr hattet euer Land. Wir haben uns nicht in eure Angelegenheiten
eingemischt oder euch belästigt.
Wir lehnen eure Zivilisation ab.“1
Ta Sunke Witko (“Spirit Horse“,
bekannter als “Crazy Horse)​

Na6[Al6Si6O24]SxCa (mit x>1)
(Na,Ca)8(AlSiO4)6(S,SO4,Cl)1-2. 2
(Na,Ca)8[(AlSiO4)6] 3

Es ist die mich am meisten bisher hier beeindruckende Geschichte,

bester Isegrims,

selbst wenn die Bolschewiki nur das getan haben, was schon dem Hause Romanow nicht fremd war und überhaupt in der Geschichte keine Seltenheit ist und auch am Anfang europäischer Dichtkunst mit dem brennenden Troja beginnt.

Warum aber drei Formeln für ein und dasselbe Wort – Lapuslazuli?

Ich halte Wikipedia für eine an sich gute Idee – wenn denn die Beiträge ordentlich auf ihre Korrektheit überprüft würden. Bis dahin bleibt es Glaubens- oder Vertrauenssache.

(Das erste Mal hatte ich vor langer Zeit Zweifel, als in einem Artikel die „ripuarischen“ Franken als ein fränkischer Stamm dem Leser angedient wurde und meines Wissens die Stämme der Franken am Rhein (Sugambrer u. a., selbst Chlodwig wurde bei seiner Taufe noch Sugambrer genannt) zusammengefasst wurden im Gegensatz zu den salischen (auf heute niederländischem und flämischen Gebiet), aus denen das Haus Merowech stammte, das die einzelnen Stämme fränkischer Dialekte nach und nach zu einem Reich zusammenschweißte, was keineswegs ein friedlicher Prozess war.

Kurz, Vorsicht bei Wikipedia!

aber Flusen gibts noch einige

..., aber Agafja stört sich daran nicht, Worte sind ein steter Fluss, ein Flüstern zwischen den Baumwipfeln und dem Rauschen des Jerinat, Worte, einzelne Sätze, …
Kann sein, dass es hier eine Ausnahme in der dt. Sprache gibt bei der Genitivibildung, aber im Zweifel bessr mit der Endung s, des Jerninats, beim Rhein täte ich es ohne nachzudenken -
solltestu noch mal insgesamt durchsehen

..., als der Kohl wuchs, die Pastinaken, das Poree, Blüten aus dem Boden ….
Porree

Agafja nimmt den Zuber, mit dem sie sich wäscht, den Eimer, in den sie das Trinkwasser gießtKOMMA und geht den steilen Pfad hinab zum Fluss.
(der Nebensatz („in den sie …“) ist beendet und der Hauptsatz wird mit dem „und“ fortgesetzt
Ähnlich hier
Die Buchstaben der Bibel jedoch verschwammen. Sie legte das Buch weg, legte sich auf ihr Bett, nachdem die Sonne untergegangen warKOMMA und bemerkte die grünen Spinnenaugen, die sich ihr näherten …

Als die Leute kamen, mit ihren Geländefahrzeugen, sie bestauntenKomma als wäre sie eine seltene Blume oder ein Tier, … das den Augen der Menschen bisher entgangen war, hatte sie ...
„als“ leitet einen vollständigen Satz ein

Als sie von ihrer Reise zurückkam, war ihr Vater gestorben und sie hatte das, was die Menschen Zivilisation nannten, verflucht.
Nix falsch, aber die schwache Klammer lässt sich gefahrlos auflösen und man spart zudem ein Komma! „Als sie von ihrer Reise zurückkam, war ihr Vater gestorben und sie hatte das verflucht, was die Menschen Zivilisation nannten.“

... die irgendwo verkauft werden, Yoghurtbecher, Musikabspielgeräte, …
Joghurt…, Y verm. engl. Schreibweise

... über die Gegenstände und Möbelstücke, als wolle die Spinne notieren, was sie sieht, vermessen …
als-ob-Situation, „als wollte“ – Konjunktiv irrealis, wie auch hier
..., der Vitja, während sie die Arme zum Himmel hob, sie ausbreitete, als hätte sie Flügel, als könn[t]e sie fliegen, über das Land, bis zum Himmel hin …

..., weitergetanzt, vielleicht sogar geküsst, vielleicht sogar mehr. Aber weil der Zeitpunkt noch nicht gekommen war, hatte sie ihn zurückgestossen, den Tanz beendet und ihm gesagt, er solle jetzt gehen, in seine Hütte, weg von ihr.

Der 15. Juni 1978 - der Tag, an dem die Lykows zum ersten Mal Besuch von den GeologInnen erhielten - war der 2. Juni 7486 «nach Adam». Der Kalender wurde dabei ausschliesslich «im Kopf» geführt, mit regelmässigen Überprüfungen nach Gebetsbüchern und Neumondphasen …
(Die Burunduks als Geissel Gottes, WOZ, 31.03.2005)
bei den Zitaten musstu selbst entscheiden, aber Du hast da ß auf der Tastatur, folglich wäre "...gestoßen" kein Problem und ebens wenig ausschließlich und regelmäßig ...

Wie dem auch wird, mir gefällt die Form einer Doku-KG, wenn man's denn so nennen kann ...

Tschüss

Friedel

1William B. Matson: Crazy Horse.Das Leben und Vermächtnis eines Lakota Kriegers, Hohenthann 2017
2Lapis lazuli - Wikipedia
3Lapislazuli

 

Guten Abend @kiroly

freut mich sehr, dass du vorbeischaust und einige wertvolle Hinweise gibst.

eine außergewöhnliche Geschichte und auch eine außergewöhnliche Form. Ähnlich wie RinaWu habe ich die Dimension der Geschichte erst nach den Hintergrundinfos - hoffe ich - verstanden. Die Dimension ist gigantisch.
Die Inspiration zu der Geschichte habe ich aus einer Kurznachricht gezogen. (Weiß Agafja Lykowa etwas über die Seuche oder nicht, wie damals, als die Familie Lykow den 2. Weltkrieg "verpasst" hat.
Dann habe ich gelesen, recherchiert, mir von älteren Russen erzählen lassen, dass die Geschichte der Lykows in den Siebzigerjahren prominent war. (Die kannten alle Agafja).
Je mehr ich gelesen habe, desto bewusster wurde ich mir darüber, was das für ein Stoff ist.
Definitiv Stoff für einen Roman. Nicht einfach, dieses Themenspektrum von tiefem Glauben, Wildnis, russischer Geschichte und Weltbild-Konflikten in eine Kurzgeschichte zu pressen. Vielleicht ist das der Grund, warum dir die Geschichte ohne die Infoeinschübe unglaubwürdig wirkt.
Ich habe das sehr kurzfristig entschieden, eigentlich erst am Sonntag, gibt ja auch andere Hybridformen zwischen Fiktion und Non-Fiktion, eine Nobelpreisträgerin, die mit dieser Technik abreitet (Svetlana Alexejewitsch) und denke mir, dass ich den Stoff auf diese Weise wenigstens zu greifen versuchen kann.
Die Zivilisation wird mehr/minder mit dem Antichristen gleichgesetzt, die Wildnis wiederum mit Gott. Das Leben in der Wildnis heißt, Gott nahe zu sein. Egal was passiert, Ereignisse können als Ringen zwischen Teufel und Gott interpretiert werden.
ja, ich glaube, das ist sehr authentisch
Wie sie lebt, was sie erlebt, wie sie eine Spinne interpretiert. Das schilderst du sprachlich exzellent. Atmosphärisch.
dankeschön
Dein Text wirkt auf mich aber etwas unschlüssig. Oder ich drücke es anders aus: Meiner Ansicht nach tragen die Infoeinschübe die Geschichte zu sehr. Sie wirken wie ein Hilfsgerüst, das noch eine statische Funktion ausübt. So zumindest mein Eindruck. Eigentlich sollte ja Agafjas Lebenswelt die Geschichte antreiben. Aber ja, jetzt nöle ich herum, ohne einen konkreten Gegenvorschlag zu haben.
na ja, du schreibst unschlüssig, ich nenne es mal eher unerfahren mit einer Gestaltung wie dieser, aber ich glaube, der Text braucht die Infos oder 400 Seiten mehr
Alle deine Infoeinschübe erzählen ja von einer Entwicklung. Vielleicht geht das etwas erzählerischer, weniger sachtext-orientiert. Dadurch verliert ja die Geschichte nicht an Glaubwürdigkeit.
mm, vielleicht verstehe ich das falsch, aber ich werde die Infos nicht bearbeiten, das war schon bewusst so gestaltet
Möglich wäre es auch, mit einem globalen "Wir" zu arbeiten. Das "Wir" als Repräsentant der Zivilisation, als Antagonist quasi. Das wäre aber eine neue, massive Komponente für deine Geschichte, die weniger die Lebenswelt deiner Erzählerin als vielmehr einen Kampf schildert.
Ja, charmante Idee, aber ich eine Wir-Perspektive unterscheidet sich nicht sehr von einer sehr subjektiven Ich-Perspektive, enthält enorm viel Wertung.
Wir errichteten Bahnlinien. Wir bauten erst das neue Russland, dann den neuen Menschen. Wir dachten, wir seien die, die nachholen, Amerika, Europa, aber wir erkannten eine versteckte, unschlüssige Kraft aus der russischen Erde, aus der und mit der wir Elektrizitätswerke, Staudämme, Umleitungen von Flüssen stampften und Umleitungen von Polarmeeren planten. Unsere Macht, dachten viele, sei die der Gewehre, dabei war sie eine der Ingenieure, Bauarbeiter und technischen Angestellten, des Baggers im sibirischen Sand. Sibirien, Baikal, Fernost. Ressourcen-Exploration. Nie Stillstand.
klingt aber gut, ich denk mal drüber nach

Vielen Dank und herzliche Grüße aus dem Taunus
Isegrims

Guten Abend @Rob F

die von dir und den anderen bisher vorgeschlagenen Änderungen habe ich vorgenommen, hat den Text verbessert, danke dir.

die langen Sätze, oft bestehend aus kurzen Satzteilen, haben mich sehr schnell durch den Text "gezogen", die Formulierungen finde ich insgesamt sehr gut gelungen!
dankeschön

aber das finde ich auch in Ordnung, der Text entwickelt einen Sog und im Detail informieren kann ich mich danach immer noch. Auch die Art der Darstellung, die Informationseinschübe, ist auf jeden Fall mal etwas anderes und gut mit der Handlung kombiniert.
zum Glück oder mit dem Text gesprochen: Gottseidank

Vielmehr kann ich auch erstmal nicht anmerken, ich muss den Text inhaltlich erstmal auf mich wirken lassen und mir die Quellenangaben anschauen.
lohnt sich, ist auch ein wünschenswerte Effekt, solch ein Thema ins Bewusstsein zu rücken.

beste Grüße
Isegrims

 

Hallo @Isegrims

ich freue mich immer, eine Geschichte von Dir zu lesen. Auch der Challenge-Text hat mir sehr gut gefallen. Ich mag diesen mysthischen Touch, den Du Deinen Geschichten verleihst. Der Einstieg ist sehr gelungen, der Text ist flüssig geschrieben, ich hab Kopfkino. Die erklärenden Teile waren mehr, um Wissen zu vermitteln, was ich gut fand. Ist immer schön, wenn man beim Lesen auch etwas lernt.

Hier ein paar Anmerkungen:

Agafja steht mit den ersten Sonnenstrahlen auf. Wie jeden Tag. Sie blinzelt und schaut zum Himmel, als sie aus der Hütte tritt. Gott ist überall und in der Natur ist man ihm am nächsten. Sie legt den blauen Stein vor sich auf den Schrein und nimmt die Bibel zur Hand, streicht über das Leder, spürt die Kratzer auf dem Einband, die Tränen und Schweißtropfen des Vaters, der Mutter, der Geschwister, die es in den Händen gehalten, an sich gedrückt haben. Sie schlägt das Buch auf, die vergilbten Seiten knistern …

Super Einstieg. Du hast einfach nen tollen Schreibstil, da macht das Lesen richtig Spaß.

Einige der Buchstaben sind verblichen, unmöglich zu entziffern, aber Agafja stört sich nicht daran, Worte sind ein steter Fluss, ein Flüstern zwischen den Baumwipfeln und dem Rauschen des Jerinat, Worte, einzelne Sätze, das, was die Eltern, die Geschwister vor langer Zeit gesagt haben, versteckt sich im Holz der Hütte, die sie gemeinsam gebaut haben, Gegenstände nehmen auf, was sie zu fassen bekommen.

Auch das finde ich sehr schön ausgedrückt.

Du hast damals geweint, warst klein wie eine Erbse und süß wie eine Himbeere, hört sie die Mutter sagen.

Herzallerliebst! Hat mir gut gefallen.

Sie gruben im Schnee, aßen Würmer, jagten Murmeltiere, kochten Suppe aus Gras, aus Baumrinde und kauten solange am Leder ihrer Schuhe, bis sie sich einbildete, satt zu sein, bis Gott zu ihnen sprach, ihnen zurief, sie müssten nur eine Weile durchhalten.

Ich konnte die Dramatik und das Leid spüren. Die Nähe zu den Protagonisten war da.

die Spinne, die neben der Tür sitzt, rennt wie ein Soldat in exakt gerader Bahn auf und ab, ohne sich ihr jedoch zu nähern …

Geil beschrieben. Auch das gefällt mir.

Ich wünsche Dir einen schönen Tag und sende liebe Grüße,
Silvita

 

Moin, lieber @Isegrims,

Gibt es dafür schon einen Namen, vllt. Infoprosa? :D Im Ernst, ich hab das ganz gerne gelesen, auch als Antichrist mit Strichcode. Die Gedankenwelt finde ich schwer nachzuvollziehen, für mich ist das ziemlich verstrahlt alles, aber okay, das ist eine große Aufgabe und Du hast das gut hinbekommen. Liest sich authentisch.

Unglaublich, diese vergessenen Menschen, hatte ich noch nie von gehört und die Achtziger sind noch nicht so lange her. Das ist schon interessant, in diese Gedankenwelt hineinzuschauen, allerdings hätte es mir manchmal auch weniger genau gereicht. Psalm 89 und die Herkunft des Wortes Lapislazuli müsste ich nicht so genau haben. Viele von den anderen Infos fand ich lesenswert, Highlight: 7486 «nach Adam», Kalender im Kopf geführt, krass, das zeigt die Distanz zu unserer Wirklichkeit. Auch die Burunduks und die Katzen, die zaubern so eine ganz eigene verwunschene Atmo, dann noch die Spinnen und die aus der Zeit gefallene Prota, das hat beinahe was von einer Fabel.
Hervorheben würde ich den Absatz, wo sich Agafja das moderne Russland anschaut, wo die Welten aufeinanderprallen und klar wird, die Rezeption von Wirklichkeit ist so verschieden, sie ist nahe an einem modernen Wolfskind.
Die Spinne ist für mich ein Symbol für ihre wachsende Paranoia. Der Vitja, der hat Spinnenfinger und er stirbt durch einen Sturz aus dem Rollstuhl, aber nicht so ganz, denn ein Teil von ihm, die grünen Augen und die Spinnenfinger bleiben und verfolgen sie, der Teufel möchten den großen Stein mitnehmen. Ungefähr richtig?
Das setzt sich gut zu einem recht komplexen Bild zusammen, das steckt Recherche und Textarbeit drin. Du hast das sehr interessant dargestellt und gut geformt zu einem überzeugenden Ganzen.

 

Lieber @Friedrichard

(der vermutlich gut gewärmt und gebiert oder geglühweint irgendwo gemütlich geburtstagsfeiert)

Schön, dass du den Text kommentiert hast, ist mir immer eine Freude, besonders weil die Flusenliste nicht gar so umfangreich ist, vielen Dank!

(Na,Ca)8(AlSiO4)6(S,SO4,Cl)1-2. 2
(Na,Ca)8[(AlSiO4)6] 3
Wären natürlich auch geeignete Quellen, da müsste der Leser etwas mehr nachdenken
Es ist die mich am meisten bisher hier beeindruckende Geschichte,
oh, freut mich sehr
Ich halte Wikipedia für eine an sich gute Idee – wenn denn die Beiträge ordentlich auf ihre Korrektheit überprüft würden. Bis dahin bleibt es Glaubens- oder Vertrauenssache.
ist tatsächlich ein Dilemma, das du da ansprichst. Meine Idee war eher die Wikipedia anstatt anderer, womöglich fragwürdigerer Quellen, als Zitate zu benutzen. Die einzelnen Artikel (besonders die zu Lapislazuli) zu überprüfen, übersteigt meine Recherchemöglichkeiten leider, also habe ich genommen, was vermutlich weitgehend korrekt ist, wenn nicht vollständig.
als in einem Artikel die „ripuarischen“ Franken als ein fränkischer Stamm dem Leser angedient wurde und meines Wissens die Stämme der Franken am Rhein (Sugambrer u. a., selbst Chlodwig wurde bei seiner Taufe noch Sugambrer genannt)
kann man bei Wikipedia nicht selbst an den Artikeln mitarbeiten?
Kurz, Vorsicht bei Wikipedia!
siehe oben, danke dir für den Hinweis
bei den Zitaten musstu selbst entscheiden, aber Du hast da ß auf der Tastatur, folglich wäre "...gestoßen" kein Problem und ebens wenig ausschließlich und regelmäßig ...
ja, das habe ich sogar gesehen, wollte die Quelle aber im Textkorpus auf keinen Fall verändern
Wie dem auch wird, mir gefällt die Form einer Doku-KG, wenn man's denn so nennen kann ...
Ich weiß nicht, wie man die gewählte Form nennt, bin keineswegs der erste, der mit hybriden Formen experimentiert.

So, und jetzt mal weiter feiern!
viele Grüße und ein perfektes Wochenende für dich
Isegrims

 

Guten Abend @Silvita

also, da kann ich kaum was sagen, außer Dankeschön.
Gerade bei diesem Text war ich mir gar nicht sicher, ob das Konzept funktioniert, da habe ich ja aus dem Korpus einiges rausgekürzt, auch einige Stellen, die ich als Darlings identifiziert habe, umso mehr freut mich dein Kommentar.

ich freue mich immer, eine Geschichte von Dir zu lesen. Auch der Challenge-Text hat mir sehr gut gefallen. Ich mag diesen mysthischen Touch, den Du Deinen Geschichten verleihst.
:Pfeif:
Die erklärenden Teile waren mehr, um Wissen zu vermitteln, was ich gut fand. Ist immer schön, wenn man beim Lesen auch etwas lernt.
Ja, die Infotexte ersetzen auf gewisse Weise lange Tell-Passagen, die ich gebraucht hätte, um Agafja und das Leben, das sie führt, überhaupt greifbar zu machen.

viele Grüße und ein inspirierendes Wochenende
Isegrims

 

Lieber @linktofink

Ich zitiere jetzt beinahe deinen ganzen Kommentar, sorry, aber nur weil ich was anmerken will. Vielen Dank für dene Anmerkungen, die sind schon sehr wertvoll, weil ich mit dem Text was ausprobiert habe.

Gibt es dafür schon einen Namen, vllt. Infoprosa?
keine Ahnung, wie sich diese Art der Prosa nennt, braucht auch keine Bezeichnung. Zuerst gab's den Text über Agafja, den habe ich gecuttet und anstatt tell innerhalb des Textes zu verwenden, um die Figur einzuordnen, sie auch verständlich zu machen, Fremdzitate eingefügt, für mich die folgerichtige Lösung.
Im Ernst, ich hab das ganz gerne gelesen, auch als Antichrist mit Strichcode.
Autokennzeichen 666?
Die Gedankenwelt finde ich schwer nachzuvollziehen, für mich ist das ziemlich verstrahlt alles, aber okay, das ist eine große Aufgabe und Du hast das gut hinbekommen. Liest sich authentisch.
na ja, verstrahlt sind auch moderne Zeitgenossen, Profifussballer oder die halbe Politikerzunft, wäre kaum was anderes rausgekommen, wenn ich über gewesene Präsidenten geschrieben hätte oder über Karl-Hein Rumenigge
Psalm 89 und die Herkunft des Wortes Lapislazuli müsste ich nicht so genau haben. Viele von den anderen Infos fand ich lesenswert,
okay, der Psalm war Spielerei, den habe ich extrem gekürzt und wollte ein wenig das Aggressive herausstellen, die Etymologie hat keinen Mehrwert stimmt, aber andererseits reicht es auch, den einen oder anderen Infotext quer zu lesen
Hervorheben würde ich den Absatz, wo sich Agafja das moderne Russland anschaut, wo die Welten aufeinanderprallen und klar wird, die Rezeption von Wirklichkeit ist so verschieden, sie ist nahe an einem modernen Wolfskind.
würde uns ja genauso gehen, wenn wir in Agafjas Hütte leben müssten
Die Spinne ist für mich ein Symbol für ihre wachsende Paranoia.
könnte auch eine Drohne sein
Der Vitja, der hat Spinnenfinger und er stirbt durch einen Sturz aus dem Rollstuhl, aber nicht so ganz, denn ein Teil von ihm, die grünen Augen und die Spinnenfinger bleiben und verfolgen sie, der Teufel möchten den großen Stein mitnehmen. Ungefähr richtig?
bisschen getüftelt habe ich schon, klar, aber entscheidend ist, was der Leser liest
Du hast das sehr interessant dargestellt und gut geformt zu einem überzeugenden Ganzen.
gut zu hören

viele Grüße aus der Taigaabgeschiedenheit eines ferngeheizten, WLAN-gesteuerten Welt
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Isegrims ,

das ist eine sehr interessante Idee und ein tolles, verrücktes Thema. Auf jeden Fall ein echt ungewöhnliches, exotisches Thema wie auch Setting - selbst für mich in Helsinki, mit einer größeren orthodoxen Gemeinde und der größten orthodoxen Kathedrale außerhalb der Ex-Sowjetunion.

Agafja steht mit den ersten Sonnenstrahlen auf. Wie jeden Tag.
Echt witzig, das triggerte korrekt in meinem löcherigen Gedächtnis - ich hatte vor über 10 Jahren exzessiv zu den Ostkirchen recherchiert (sicher wesentlich leichter hier als für dich in Mitteldeutschland), und war eben auch auf diese Familie gestoßen. Der Name triggerte sofort Altgläubige.

Zum Fetten: Okay, Chakassien liegt auf 53° 24' N, also deutlich unter dem Polarkreis auf der Höhe Hamburgs. Dennoch finde ich "die ersten Sonnenstrahlen" etwas schräg, da würde ich eher zu "vor dem Morgengrauen" setzen, weil das alles Mögliche sein kann. Selbst deutsche Bauern fangen wohl um 0500 Uhr früh mit der Arbeit an. Und wenn sie kein fließend Wasser im Haus etc. hat, verlängert das alles ja ihre Handgriffe / Arbeiten, die Zeit bei "Sonnenschein" (selbst "bei Tageslicht") reicht da nicht aus.

Sie blinzelt und schaut zum Himmel, als sie aus der Hütte tritt. Gott ist überall und in der Natur ist man ihm am nächsten. Sie legt den blauen Stein vor sich auf den Schrein und nimmt die Bibel zur Hand,
Es ist sicher passend, dass sie in jedem Moment und in jedem Aspekt der Natur ihren Gott sieht. Dennoch finde ich das hier recht brutal reingegrätscht. Es ist ja immerhin ein auktorialer Erzähler mit recht wenigen personalen Ausflügen. Zumal gleich im näxten Satz dieser Stein kommt, was - soweit ich weiß - für das Setting auch recht ungewöhnlich ist. Magst du dem Intro nicht 2-3 Sätze mehr gönnen, und dann Gott im dritten und den Stein im 5. Satz oder so?
nimmt die Bibel zur Hand, streicht über das Leder, spürt die Kratzer auf dem Einband, die Tränen und Schweißtropfen des Vaters, der Mutter, der Geschwister, die es in den Händen gehalten, an sich gedrückt haben.
Kleinscheiß: Das ist sicher ein Problem des auktorialen Erzählens: Wann eine Empfindung / Haptik dezidiert nennen? Denn alles, was erzählt wird, spürt / sieht / denkt sie ja. Hier bin ich etwas gestolpert, weil sie ja schon das Leder spürt. Bzw. hatte ich das als Leser bereits gespürt (also Lob an dich), als du mir dann das Spüren quasi wieder wegnimmst und es neu, explizit setzt. Hat mich rausgekickt und dann fange ich an, den ganzen Satz zu untersuchen und "sehe / spüre" das Erzählte nicht mehr.
... der verlässliche Zeuge über den Wolken … verworfen und mit Zorn überschüttet … Krone … Eingerissen … in Trümmer gelegt … plündern … hast all seine Feinde erfreut … die Spitze seines Schwertes umgekehrt … Kampf … Sieg verweigert … Ende gemacht seinem Glanz … Jugend verkürzt … bedeckt mit Schande … Wie lange noch, Herr? … Zorn wie Feuer brennen? … Was ist unser Leben … wie vergänglich hast du alle Menschen erschaffen! Wo ist der … ewig lebt … der sich retten kann … Herr, wo sind die Taten deiner Huld geblieben … Im Herzen brennt … der Hohn der Völker …
(Psalm 89, Einheitsübersetzung)
Herrje, Isegrims, was machen denn all die ... da? Steht das so in der Bibel? Sind das alles Einzelzitate, als Collage? Das finde ich unlesbar, da bin ich nur noch durchgeskippt. Was hieran wohl noch extrem ungünstig ist: das sind alles so wahnsinnig generische christliche Allgemeinplätze: Feuer, Schande, Herr, Herzen etc. Also nix Überraschendes, selbst für mich Ungetaufte ohne mehr als ein paar Wochen Religionsunterricht.

Die Ostkirchen (wie auch die Altgläubigen) beziehen sich ja durchaus auf dieselben Grundlagen wie die Westkirchen. Aber ich finde schon, dass sich da andere, sehr typische Details finden lassen, auch im Wording, das sehr dramatisch und fantasylastig klingt.

Da rate ich: Eine Stelle raussuchen, ohne all die Pünktchen. Und zwar eine Stelle, die das orthodoxe Feeling mehr rüberbringt als das hier. Die Ostkirchen trauen sich ja auch Dinge, die sehr extrem sind: Waterboarding an Neugeborenen als Aufnahmeritual (vor zwei Wochen starb eines dabei an Herzstillstand / Schock) und dann eine andere Folter: viele Gottesdienste verlangen 6+ Stunden ununterbrochenes Stehen. Dann gibt es die Ikonen (die fehlen mir hier, dabei haben die eine ganz eigene, völlig verrückte Ikonographie), die vielen heidnischen Aspekte, die stärker als in Westkirchen fast direkt übernommen wurden. Findest du da was?

Bei Lapislazuli = Blau hätte ich übrigens eine ikonografische Verbindung zu Maria erwartet. Zumindest bei der Farbe bietet dir dein Setting eigentlich eine tolle Verbindung an. Momentan erscheint mir der Stein wie ein Fremdkörper, wie auch der Rollstuhl (in dem Terrain da nutzt der ihr nicht so arg viel).

Amen, ja amen.
Zweites Komma fehlt. Könntest du auch so setzen, ergibt mAn auch einen besseren Rhythmus, mit einem Seufzer dazwischen: Amen. Ja, amen.
Sie schlägt das Buch auf, die vergilbten Seiten knistern …

... der verlässliche Zeuge über den Wolken … verworfen und mit Zorn überschüttet … Krone … Eingerissen … in Trümmer gelegt … plündern … hast all seine Feinde erfreut … die Spitze seines Schwertes umgekehrt … Kampf … Sieg verweigert … Ende gemacht seinem Glanz … Jugend verkürzt … bedeckt mit Schande … Wie lange noch, Herr? … Zorn wie Feuer brennen? … Was ist unser Leben … wie vergänglich hast du alle Menschen erschaffen! Wo ist der … ewig lebt … der sich retten kann … Herr, wo sind die Taten deiner Huld geblieben … Im Herzen brennt … der Hohn der Völker …
(Psalm 89, Einheitsübersetzung)

Amen, ja amen.

… Eltern fallen ihr ein.

Abgsehen von dem Pünktchen-Overkill, bin ich hier - wie auch später - ratlos, was die ... vor Eltern signalisieren. Das setzt nicht an den Fließtext, die Geschichte von vor dem Zitat an. Da hätte ich eine Kurzgeschichte mit Einschüben erwartet, keine Collage. Ich werde daraus nicht schlau, und ich finde nicht, dass es dem Text insgesamt nutzt.
Ihr Geist, alles, was sie ihr beigebracht haben, steckt irgendwie zwischen den Buchseiten.
Irgendwie? Echt jetzt?

Das sind zwei Bilder: Der Geist der Eltern / Ahnen steckt zwischen den Buchseiten / Alles, was sie ihr beibrachten, steckt dazwischen. Gönn den Konzepten lieber zwei Sätze. Ich krieg langsam den Eindruck, eine erste Skizze für eine Geschichte zu lesen, nicht eine echte Erzählung.

Geht es nicht auch etwas um sprachliche Eleganz, ein Konzept zu vermitteln? Nicht nur um die reine Info, Aufzählung? Ich bleibe eher bei der Stange, wenn ich bei sowas Exotischem mehr Ruhe habe, das nachzufühlen, nicht so bam bam.

Einige der Buchstaben sind verblichen, unmöglich zu entziffern, aber Agafja stört sich nicht daran, Worte sind ein steter Fluss, ein Flüstern zwischen den Baumwipfeln und dem Rauschen des Jerinat, Worte, einzelne Sätze, das, was die Eltern, die Geschwister vor langer Zeit gesagt haben, versteckt sich im Holz der Hütte, die sie gemeinsam gebaut haben, Gegenstände nehmen auf, was sie zu fassen bekommen.
Hier dasselbe.
liegt die warme Decke ihres Bruders.
… hört sie die Geister. Sie ist nicht allein …
Was machen die ... da? Wo kommt die zweite Zeile da her?
… weg von den Menschen, die sich gegenseitig umbringen, weg von den Lastern, der Gier der Städte. Die Bolschewiki wollten das Gute und trotzdem mordeten sie, weil sie nicht an Gott glauben, weil sie an gar nichts glauben, hörte sie ihren Vater sagen.
Woran soll das anschließen?

Ich finde - aus dem Glashaus mit Steinen werfend kritisiert es sich am allerbesten :P - dass du viel zu viele Fakten / Ideen auf zu kleinem Raum unterbringen willst. Jetzt noch der Krieg. Dann die Doppelproblematik Deutscher Überfall und Stalins Verhaftungen Gläubiger. An sich okay, aber vllt. nicht alles in 10 Zeilen.

Du hast damals geweint, warst klein wie eine Erbse und süß wie eine Himbeere, hört sie die Mutter sagen.
Ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen, dass das recherchiert ist. Sowas fehlt mir im ganzen Text: ein Ruhepunkt, etwas Persönliches, das sich zwar als Recherche zeigt, aber richtig in die Geschichte eingebettet ist.
das Reich des Antichristen …

… Die Vorräte schmolzen, nichts war mehr da.

Besteht da irgendein Zusammenhang, irgendein Anschluss?

Das ganze Ding mit auch noch dem Antichristen wird mir echt zu viel jetzt.

Blüten aus dem Boden …
Blüten sind nicht unter der Erde. Wenn du das ganz am Ende willst, vielleicht "Erdfrüchte" oder sowas?
Dort gab es Wasserhähne, Duschköpfe, warmes, kaltes, laues Wasser, das auf der Haut angelangt, grausamen Widerstand hervorrief und nach Jauche schmeckte.
Nicht nach Chlor / Chemie? Und würde Jauche als etwas Natürliches sie so stören? Hier wäre ein Gegensatz ganz schön.
Als sie von ihrer Reise zurückkam, war ihr Vater gestorben und sie hatte verflucht, was die Menschen Zivilisation nannten.
Der Frühling wird bald kommen. Auf den Birken, Weiden und Espen singen die Regenpfeifer, Gänsesäger und Kolkraben …
Das ist nicht schön übergeleitet. Ich finde, du bist zu brutal zu deinen Lesern. Vater tot, Zivilisation, Frühling, Bäume, Vögel bam bam bam! Gerade diese verrückte Religion schreit doch nach Ästhetik, Haptik, dem Sublimen. Nicht nach kalten, recherchierten Aufzählungen.

(Woher haben Altgläubige die ornithologischen Begriffe? Das soll doch personale Innensicht sein, SoC, oder?)

Ich bin ja ein absoluter Fan des Bauhaus-Mottos Form Follows Function. Und fast in jedem meiner eigenen Geschichten nehme ich Zitate rein, oder setze - teils seitenlange - historische / wissenschaftliche Anmerkungen drunter. Das alles finde ich an sich wirklich gut, ich lese das eigentlich auch selbst gern.
Ich will auch gar nicht sagen, ich kann alles besser. In diesem Text ist es aber momentan noch so, dass die Funktion der Form folgt. Das ist sehr offensichtlich und tut dem Text nicht gut. Hier fehlen ein paar Editingschritte: auf der einen Seite hast du die Infos, auf der anderen die Geschichte und dann eigentlich zusätzlich noch das Metaphysische, Paranormale dieses Glaubens. Es wäre schön, wenn daraus nun noch Prosa würde. Eine Geschichte mit Fakten-Einschub und zwei Ebenen, aber eine Erzählung. Anstatt einer Aufzählung.

Zweites Problem: Wikipedia gehört auf das Niveau von TikTok, nicht in Prosa. Man kann das nutzen, um mal schnell nachzuschlagen, auf welchem Breitengrad was liegt, wie Gravitation nochmal genau funktioniert, was weiß ich. Aber auf Wiki steht viel hahnebüchener, ahistorischer und ideologiegefärbter Quatsch, v.a. was Religionen und Historie angeht. Mit Quatsch meine ich: faktisch Falsches, keine Ansichtssachen.
Dort stand auch mal (es hat mich lange Diskussionen mit den Mods dort gekostet, bis das gelöscht wurde), dass es in Finnland keine Kaninchen gäbe. Nun haben wir eine Kanickelplage, die heißen hier in Helsinki sogar Citykani. Nur 50 m von meinem Haus ist ein Park, aus dem ich sommers die Schüsse höre, wenn sich die Polizei dessen annimmt.

Wiki war besser, als das JeKaMi war, heute ist es sehr schwer, an den Mods vorbei etwas zu ändern, man braucht da irgendwelche Referenzen und - was ja gut ist - Quellen. Aber gerade bei Historik gibt es neue und alte Quellen. Bei Religion ist es komplett unmöglich, da rational zu belegen. Eine Historikerin mit Fachrichtung Lithauen / Prußen sagte mir, dass sie über ein Dutzend Mal versuchte, faktisch falsche Einträge beim Deutschen Ritterorden zu korrigieren, und das jeweils ein paar Tage später "gegenkorrigiert" war und falsch verblieb. Inzw. hat sie das aufgegeben. Das ist also nix, was man zitieren sollte. Wiki ist gut, um über die dort angegebenen Zitatquellen in Richtung Fachbücher zu gehen, und sich daraus was zusammenrecherchiert. Klar, das ist eine irre Arbeit, aber wenn man das nicht will, sollte man meiner bescheidenen Ansicht nach keine Geschichten schreiben, die das erfordern.

Wenn du Prosa / Literatur schreiben willst, solltest du ganz dringend aus einem Medium zitieren, das auf dem gleichen Level ist. Gegegebenenfalls also ein Buch / Fachmagazin. Wiki lässt deinen Text billig und faul aussehen, das kannst du nicht wollen.

Gänsesäger und Kolkraben …

… öffnet die Strickjacke, streift das Leibchen ab,

Auch hier wieder: Was machen die Punkte da, wo ist der Übergang? Wills du mir nicht etwas erzählen, oder soll ich mir selbst die Geschichte nach deiner Recherche zusammenklamüsern?
Agafja streckt sich, wirft den Kopf zurück und blickt zum Himmel …

… bestand die Familie aus dem Vater,

Dito. So, hier war ich endgültig draußen, obwohl ich mich echt konzentriert habe und alles versucht hab, um im Setting und bei der Figur zu bleiben. Die Form macht es mir echt unmöglich, der Funktion nachzukommen.
nicht so, als schwebte sie und glitte schwerelos über den Boden, nein, die Spinne, die neben der Tür sitzt, rennt wie ein Soldat in exakt gerader Bahn auf und ab, ohne sich ihr jedoch zu nähern …
Das mit der Spinne geht für mich nicht auf. Du sagst ja, Agafja sei gereist, sogar im Flugzeug. Jetzt plötzlich ist ihr Wissensstand auf dem eines uncontacted tribe. Dann hat das Ding in diesen Hütten nie im Leben genug Platz zu fliegen. Drohnen machen einen irren Krach, das sagt ihr nicht, um was es sich handelt? Das, sorry, kann ich nicht schlucken.

Zumal mir die Funktion der doch sehr prominenten "Spinne" hier nicht aufgeht. Spinnen sind bestimmt Teufelstiere, rate ich mal aufs Geradewohl. Und falls ich das aus dem Malleus maleficarum richtig erinnere. Aber in dieser Funktion scheint mir die Spinne nicht verwendet zu sein.

Sie zittert, lässt die Spinne beinahe fallen, denn sie weiß, was das Zeichen, die Ziffernfolge bedeutet, der Teufel, der Antichrist, Beelzebub …
Aha, ja. Ich finde - wie eingangs das mit Gott + Natur - viel zu reingeknallt, forciert. So richtig kommen auch keine Emotionen rüber: im Grunde besucht doch der Antichrist sie da in der Wildnis - und sie nimmt das so hin? Ohne Angst, Hass, Selbstzweifel, Gebete?
Die Spinne verharrt einen Moment, als müsste sie sich sammeln und fängt dann wieder an, ihre Bahnen zu ziehen.
Trotz der Beine finde ich die - klar, das ist Ansichtssache - nicht sehr spinnig. Die fliegt ja mehr als dass sie krabbelt. Und wie gesagt: Die Naivität ist bei der Figurenkonzeption für mich unglaubwürdig.
… eine merkwürdige Erregung, fast so wie an den Abenden, wenn es kribbelt und zwickt und sie sich zwischen den Beinen streichelt, sich süßen Gedanken hingibt, an Männer denkt und den Stab aus Glas benutzt, den sie in Sankt Petersburg gekauft hat …
Wolltest du unbedingt etwas "Gewagtes", muss hier auch noch Sex reinkommen? Das ist noch mehr ein Fremdkörper als jede einzelne Wikipedia-Stelle. Weil das so verklausuliert gesagt ist, aber sowohl der Erzähler wie auch die Prota wissen doch genau, um was es geht.
… holte die Laterne, suchte, suchte, hörte in die Nacht, hörte das leise Wimmern und fand ihn schließlich, blutverschmiert, zerschmettert, röchelnd, verbogen.
Ich hab keine Ahnung mehr, wann und wo wir hier sind. Das löst rein gar nix mehr in mir aus. Viel zu viele Adverben, Verben. Und viel zu viele Korrekturen des Bildes, zu viele einzelne Facetten. Entscheide dich lieber für je ein, max. zwei, Begriffe. Hier hab ich den Eindruck, der Autor suche nach Synonymen und habe sich nicht mehr die Mühe gemacht, sich eines auszusuchen. Woher weiß ich, was davon ich mir jetzt vorstellen soll?
Die Lösung des Problems wurde erst durch den Kontakt nach aussen möglich. Die GeologInnen brachten den Lykows zwei Katzen und einen Kater, die den Burunduks endlich das Handwerk legten …
Ja, "Lösung" ist gut gesagt. Invasive species in action, wäre die korrekte Bezeichnung, liebes Wiki. Die armen kleinen Hörnchen haben ja eine Funktion im Habitat, der Mensch dringt da ein mit seinen eingeschleppten Pflanzen.
… Am nächsten Tag wacht Agafja auf und sieht das Glühen der Spinne und als sie sich die Augen reibt, erkennt sie, dass mehr von den merkwürdigen Wesen neben dem Bett warten …
s.o. Pünktchenoverkill, Bezugslosigkeit. macht auf mich den Eindruck von hingeworfenen Brocken.
Die Männer setzen sie auf den Rollstuhl, binden sie fest, schieben sie über das Gelände und rufen wieder und wieder: „Wo ist der große Stein, wo ist er, der Lapislazuli?“
Wiechen? :(:confused: Was geht da ab?

Agafja bekreuzigt sich, schaut zum Himmel. Für einen Moment erinnert sie sich, wo das Gewehr versteckt ist, verscheucht aber den Gedanken. Wie dumm Spinnen doch sind und wie groß Gott, denkt sie.
Also, trotz ihres Glaubens ist es schon okay, wenn der Leibhaftige da in ihrer Hütte und im Garten rumsaust? Der letzte Satz kloppt mir schon wieder - wie im Intro - so eine Kombi rein, für die ich echt ein paar Sätze mehr gebraucht hätte.

So, sorry, Isegrims, du hast sicher schon gemerkt, dass der Text zumindest in dieser Form für mich überhaupt nicht funktioniert. Mir fehlt ein Schritt, der das alles in einen Fluss bringt. Auch thematisch, von der Stimmung her. Das Sujet, das Setting, die Idee der Figur finde ich alles grandios. Sehr viel Potenzial, eben über diese Exotik, das Extreme, Anachronistische. Aber momentan ist das noch zu unausgereift, im Entwurfsstadium. Das gilt sowohl für den Aufbau wie auch für die Sprache.

Es ist auch ein echt interessanter Text, ich hab mal was thematisch Ähnliches geschrieben, aus Ostkarelien, das ebenso eine lange Zeit beschreibt (zwei Kriege, zwei Fluchten, zwei Völkermorde/Vertreibungen, Faschisten vs Kommunisten) und auch orthodoxen Glauben bissl drin hat. Damit - vor allem eben dem historischen Abriss - bin ich ebenfalls etwas unzufrieden. Das ist eine große Herausforderung, weil es eine sehr komplexe Zeit war / ist, in die viel mit reinspielt, das sich eigentlich nicht ausklammern lässt. Ich finde aber durchaus gut, sowas in Kurzgeschichten zu probieren, nicht das alles in Novellen/Romanlänge deutlich auszuerzählen. Aber klar führt das schnell dazu (ich bin da genauso 'schuldig'), das zu stark zu raffen, gerade, wenn es nicht das Hauptthema der Erzählung ist, sondern eben Setting / Hintergrund bzw. backstory.

Ich hab die anderen Komms und deine Antworten nicht gelesen, bis auf deine beim Scrollen aufgeschnappte Erklärung für die Spinne, die ich nie als Drohne erkannt hätte. Das hole ich jetzt nach und bin schon gespannt, wie andere das alles sehen.

Ich würde mich auch sehr freuen, wenn sich der Text noch entwickeln würde. Tag mich gerne, falls du da was machen solltest.

Herzliche Grüße,
Katla

 

Dankeschön, @Katla

in deinen Anmerkungen stecken ein paar bedenkenswerte Aspekte, die ich für eine Überarbeitung verwenden werde, allerdings glaube ich, dass du dem Konzept keine Chance gegeben hast, teilweise auch nicht genau genug hingeschaut hast.

Im Grunde handelt es sich ja um einen gecutteten Erzähltest, unter den ich aus rein funktionalen Gründen Zitate gemischt habe, die helfen sollen, die Dimension des Settings zu verstehen.

das ist eine sehr interessante Idee und ein tolles, verrücktes Thema. Auf jeden Fall ein echt ungewöhnliches, exotisches Thema wie auch Setting
ich habe das schon mal gesagt: es geht mir überhaupt nicht um Exotik, eher um Ungeheuerlichkeit
Dennoch finde ich "die ersten Sonnenstrahlen" etwas schräg, da würde ich eher zu "vor dem Morgengrauen" setzen, weil das alles Mögliche sein kann. Selbst deutsche Bauern fangen wohl um 0500 Uhr früh mit der Arbeit an.
guter Einwand, werde ich ändern
Es ist ja immerhin ein auktorialer Erzähler mit recht wenigen personalen Ausflügen. Zumal gleich im näxten Satz dieser Stein kommt, was - soweit ich weiß - für das Setting auch recht ungewöhnlich ist. Magst du dem Intro nicht 2-3 Sätze mehr gönnen, und dann Gott im dritten und den Stein im 5. Satz oder so?
Ich weiß ja nicht, was für dich ein auktorialer Erzähler ist, die Erzählstimme in diesem Text ist aber personal, der Erzähler nimmt nur wahr, was die Figur auch wahrnimmt.
Das Mit der Intro, da denke ich drüber nach, könnte funktionieren, allerdings wollte ich keine Langatmigkeit
Kleinscheiß: Das ist sicher ein Problem des auktorialen Erzählens: Wann eine Empfindung / Haptik dezidiert nennen? Denn alles, was erzählt wird, spürt / sieht / denkt sie ja. Hier bin ich etwas gestolpert, weil sie ja schon das Leder spürt. Bzw. hatte ich das als Leser bereits gespürt (also Lob an dich), als du mir dann das Spüren quasi wieder wegnimmst und es neu, explizit setzt.
siehe oben: abgesehen vom Rhythmus, der mit dem "Spürt" usw. wellenförmig wirkt bzw. wirken soll, eben kein auktoriales Erzählen
Steht das so in der Bibel? Sind das alles Einzelzitate, als Collage? Das finde ich unlesbar, da bin ich nur noch durchgeskippt. Was hieran wohl noch extrem ungünstig ist: das sind alles so wahnsinnig generische christliche Allgemeinplätze:
das stammt komplett aus Psalm 89. Zugegeben extrem gecuttet, in diesem Fall bewusst, weil ich bewusst gestrichen habe, aber auch da werde ich drüber nachdenken, vielleicht ändere ich da was
Dann gibt es die Ikonen (die fehlen mir hier, dabei haben die eine ganz eigene, völlig verrückte Ikonographie), die vielen heidnischen Aspekte, die stärker als in Westkirchen fast direkt übernommen wurden. Findest du da was?
ja, stimmt, nur vergisst du, dass es sich um Altgläubige handelt
Bei Lapislazuli = Blau hätte ich übrigens eine ikonografische Verbindung zu Maria erwartet. Zumindest bei der Farbe bietet dir dein Setting eigentlich eine tolle Verbindung an.
auch dieser Hinweis ist gut, mag sein, dass ich den nutze.
Im Übrigen vergisst du, bzw hast die Wiki-Stelle übersehen, die Fördergebiete von Lapislazuli nennt; die Beikal-Region.
Momentan erscheint mir der Stein wie ein Fremdkörper, wie auch der Rollstuhl (in dem Terrain da nutzt der ihr nicht so arg viel).
der Stein wurde von Agafja gefunden, im Rollstuhl saß schon der an Hunger verstorbene Bruder, sowohl Stein als auch Rollstuhl tragen den Text also
Gönn den Konzepten lieber zwei Sätze. Ich krieg langsam den Eindruck, eine erste Skizze für eine Geschichte zu lesen, nicht eine echte Erzählung.

Geht es nicht auch etwas um sprachliche Eleganz, ein Konzept zu vermitteln? Nicht nur um die reine Info, Aufzählung?

die Geschichte ist an sich komplett, nur gecuttet, darin besteht das (innovative?) Konzept
Was machen die ... da? Wo kommt die zweite Zeile da her?
auch hier: cut
Ich finde - aus dem Glashaus mit Steinen werfend kritisiert es sich am allerbesten :P - dass du viel zu viele Fakten / Ideen auf zu kleinem Raum unterbringen willst. Jetzt noch der Krieg.
na ja, warum denn nicht, darin besteht doch der aktuelle Bezug: Agafja hat den Zweiten Weltkrieg nicht mitbekommen und wird wohl auch nichts von der Pandemie wissen
Ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen, dass das recherchiert ist. Sowas fehlt mir im ganzen Text: ein Ruhepunkt, etwas Persönliches, das sich zwar als Recherche zeigt, aber richtig in die Geschichte eingebettet ist.
oh nein, die Stelle ist ganz meins, kann sein, dass sie dir nicht gefällt, aber klein wie eine Erbse, süß wie eine Himbeere, der Satz ist originär isegrims
Nicht nach Chlor / Chemie? Und würde Jauche als etwas Natürliches sie so stören? Hier wäre ein Gegensatz ganz schön.
gehe ich noch mal drüber
Das ist nicht schön übergeleitet. Ich finde, du bist zu brutal zu deinen Lesern. Vater tot, Zivilisation, Frühling, Bäume, Vögel bam bam bam! Gerade diese verrückte Religion schreit doch nach Ästhetik, Haptik, dem Sublimen. Nicht nach kalten, recherchierten Aufzählungen.
na klar, stimmt, aber das ist gewollt, sonst müsste ich einen Roman schreiben
Ich will auch gar nicht sagen, ich kann alles besser. In diesem Text ist es aber momentan noch so, dass die Funktion der Form folgt. Das ist sehr offensichtlich und tut dem Text nicht gut. Hier fehlen ein paar Editingschritte: auf der einen Seite hast du die Infos, auf der anderen die Geschichte und dann eigentlich zusätzlich noch das Metaphysische, Paranormale dieses Glaubens. Es wäre schön, wenn daraus nun noch Prosa würde. Eine Geschichte mit Fakten-Einschub und zwei Ebenen, aber eine Erzählung. Anstatt einer Aufzählung.
sehe ich nicht so, auch wenn das meine erste Erfahrung mit einem hybriden Text ist, da ist noch nicht alles perfekt, aber die Form transportiert den Inhalt recht gut
Zweites Problem: Wikipedia gehört auf das Niveau von TikTok, nicht in Prosa.
ich sehe das, Friedel hat das schon angemerkt, aber für meine Zwecke brauche ich keine wissenschaftlichen Abhandlungen, es geht mehr darum, dem Leser eine grundsätzliche Information zu geben
Wiki ist gut, um über die dort angegebenen Zitatquellen in Richtung Fachbücher zu gehen, und sich daraus was zusammenrecherchiert. Klar, das ist eine irre Arbeit, aber wenn man das nicht will, sollte man meiner bescheidenen Ansicht nach keine Geschichten schreiben, die das erfordern.
stimmt, und trotzdem wage ich es, wer sagt dir überhaupt, dass ich keine Fachbücher gelesen habe?
Wenn du Prosa / Literatur schreiben willst, solltest du ganz dringend aus einem Medium zitieren, das auf dem gleichen Level ist. Gegegebenenfalls also ein Buch / Fachmagazin. Wiki lässt deinen Text billig und faul aussehen, das kannst du nicht wollen.
ja, wiederholt sich jetzt, was du sagst, hilft aber nichts. Zitiere ich komplexe Fachliteratur verabschieden sich einige Leser. Und letztlich erfüllen die Infotexte nur eine Funktion
im Grunde besucht doch der Antichrist sie da in der Wildnis - und sie nimmt das so hin? Ohne Angst, Hass, Selbstzweifel, Gebete?
ich habe beschrieben, dass sie vorsichtig ist, dem Teufel keine Angrissfläche geben will
Wolltest du unbedingt etwas "Gewagtes", muss hier auch noch Sex reinkommen? Das ist noch mehr ein Fremdkörper als jede einzelne Wikipedia-Stelle.
darum ging es nicht, eher darum, dass sie eben auch Bedürfnisse hat, nicht komplett sündenfrei
So, sorry, Isegrims, du hast sicher schon gemerkt, dass der Text zumindest in dieser Form für mich überhaupt nicht funktioniert. Mir fehlt ein Schritt, der das alles in einen Fluss bringt. Auch thematisch, von der Stimmung her. Das Sujet, das Setting, die Idee der Figur finde ich alles grandios. Sehr viel Potenzial, eben über diese Exotik, das Extreme, Anachronistische.
vielleicht gibst du dem Text eine weitere Chance, wenn ich ein paar Stellen verändert habe. Weil ich glaube, dass dich der Kontext durchaus interessiert
Aber momentan ist das noch zu unausgereift, im Entwurfsstadium. Das gilt sowohl für den Aufbau wie auch für die Sprache.
sehe ich nicht, auch wenn ich dir deine Meinung lassen muss
Es ist auch ein echt interessanter Text, ich hab mal was thematisch Ähnliches geschrieben, aus Ostkarelien, das ebenso eine lange Zeit beschreibt (zwei Kriege, zwei Fluchten, zwei Völkermorde/Vertreibungen, Faschisten vs Kommunisten) und auch orthodoxen Glauben bissl drin hat.
habe ich gelesen, sogar kommentiert
Ich finde aber durchaus gut, sowas in Kurzgeschichten zu probieren, nicht das alles in Novellen/Romanlänge deutlich auszuerzählen. Aber klar führt das schnell dazu (ich bin da genauso 'schuldig'), das zu stark zu raffen, gerade, wenn es nicht das Hauptthema der Erzählung ist, sondern eben Setting / Hintergrund bzw. backstory.
na immerhin, schließlich magst du es ja an sich (zumindest stellst du das bei anderen Texten heraus), wenn mit ungewöhnlicheren Textkonzepten experimentiert wird.

Wirklich ein hilfreicher Kommentar, konnte ich was mit anfangen, und wenn es nur war, um mir über meine eigene Position klar zu werden. Ein paar Änderungen werden auch noch kommen.

Viele Grüße vom Wald zur See
Isegrims

 

Hallo @Isegrims ,

was für eine spannende, mich in eine andere Welt entführende Geschichte. Ich mag es, in andere Welten zu tauchen und mich dort umzusehen. Und genau das gelingt dir, dass ich mich weit weit weg von meinem geliebten Hamburg fühle, irgendwo im Niemandsland, wo alles noch natürlich ist und ursprünglich und es Menschen gibt, wenigstens noch eine Person, die auch so ursprünglich lebt. Ihre Gedanken und Gefühle, die du mir zeigst, faszinieren mich, weil da so eine stoische gesunde Haltung in dieser Frau steckt, dass man sie einfach sympathisch finden muss. Die Figur deiner Protagonistin ist dir somit gut gelungen, das will ich damit sagen.

Aber nun zu etwas vorneweg, was auch diese Geschichte ausmacht. Dieser Wechsel zwischen deiner Erzählung und dem Input von Fakten macht für mich auch nochmals einen besonderen Reiz der Geschichte aus, auch wenn ich an mancher Stelle es persönlich etwas anders gestaltet hätte, aber dazu gleich.
Vielleicht ist dir noch in Erinnerung, wie beim Challenge Ende 2019 mir bei meiner Geschichte aus dem 2. Weltkrieg um die Ohren geflogen ist, dass ich solche erklärenden Geschichtsspassagen eingeschoben hatte.
Aus der Sicht der Kritiker, die mich aufforderten, all diese Einschübe in die Erzählung geschickt einzuweben, war dies völlig verständlich ein kritischer Punkt und eine absolut berechtigte Forderung. Nur und somit komme ich zu deinem Text, es hätte bei mir und auch bei dir dazu geführt, dass der Längenrahmen einer Kurzgeschichte, selbst einer Novelle bei weitem gesprengt worden wäre.

Was du hier nämlich darstellst, ist Stoff für einen Roman. Und wenn du, was du sicherlich problemlos bewerkstelligen könntest, all das in die Erzählung integrierst, was du in sachlicher Form dazwischen gepackt hast, dann vervierfacht sich die Textlänge.

Ich empfinde diese Einschübe als durchaus geeignet, die Geschichte damit inhaltlich zu vervollkommnen, dies also vorweg und ich finde sogar, dadurch, dass ich erfahre, dass es diese Familie wirklich gegeben hat, dass sie sogar noch ein Quentchen spannender für mich wird.

Danke für diesen ungewöhnlichen Input durch diese Geschichte!

der verlässliche Zeuge über den Wolken … verworfen und mit Zorn
Es gibt natürlich, wären wie sonst bei den Wortkriegern, auch noch ein paar Stellen, an denen ich mich etwas gestoßen habe und es es mir anders wünschte. Aber das weißt du ja, es sind nur Vorschläge, Anregungen und manchmal Ideen, keine Forderungen.
An dieser Stelle, ich habe sie nur zerfetzt rauszitiert, bin ich etwas raus, weil mich spezielle Bibelzitate eher nicht interessieren, ich ahne, dass du hier eine Mischung aus tiefer verwurzelter Gläubigkeit darstellen möchtest und gleichsam schon ein wenig Familienchronik hervor holst, damit man schon etwas hingeleitet wird, auf die exotische Lebensweise dieser Menschen. Mir ist deine Intention klar, aber trotzdem, verzeih meine Direktheit, langweilt es mich an dieser Stelle.
amen.

… Eltern fallen ihr ein. Ihr Geist

Was mich auch gestört hat, sind diese Anfangspünktchen ... sie sollen, so denke ich mir, dem Leser deutlich machen, dass die kursiv gedruckten Passagen eben nicht reine Infos sein sollen, sollen sie sollen sich quasi mit dem Leben der Prota vermischen. Es stört mich jedoch, mir wäre ein vollständiger Satz lieber.
Das Wort Lapis entstammt der lateinischen Sprache
Diesen gesamten Einschub halte ich für vollkommen überflüssig, weil er über den Geschichteninhalt nichts aussagt und auch nicht die Handlung untermalt. Ich würde den komplett weglassen und mich nur auf die Berichte konzentrieren, die es über diese Familie gibt, das hast du ja auch im Weiteren so gemacht. Auch frage ich mich, ob es nicht eine Idee wäre, den Stein, den die Prota ja gleich zu Beginn zusammen mit der Bibel in die Hand nimmt, an der dortigen Stelle deutlicher in die Handlung zu nehmen, indem du beschreibst, woher er stammt. Oder habe ich es missverstanden und es gibt dort in der Gegend, wo diese Familie lebte, diese Steine? Ich meine, noch zu entsinnen, dass die woanders zu finden sind. Kann mich aber auch täuschen.

Spaltung innerhalb der Russisch-Orthodoxen

Ab hier war ich mittendrin in deiner Geschichte und kam auch damit klar, dass es diese Einschübe gibt. Ab hier nimmt die Geschichte auf Fahrt auf, man möchte erfahren, was deine Prota so alles noch erlebt in dieser Einsamkeit.

Dort gab es Wasserhähne, Duschköpfe, warmes, kaltes
Spannend zu erfahren, wie sie mit all dem klar gekommen ist. Was sie gedacht hat.
bestand die Familie aus dem Vater, Karp
Hier finde ich den Einschub super gut gewählt, er hilft dir, weite Teile der Geschichte eben nicht nicht erzählerisch darstellen zu müssen, sondern kürzt damit ab. Dazu hab ich ja oben schon geschrieben.
groß. Sie gehört nicht hierher, das weiß Agafja sofort, hat zwar acht Beine, das schon, bewegt sich aber etwas ungelenker, nicht so wie eine sibirische Spinne, nicht so, als schwebte sie und glitte schwerelos über den Boden, nein, die Spinne
Oh je, ich bin so gar kein Spinnenfan und ich habe mich gefragt, was die jetzt hier soll. Das frage ich mich tatsächlich immer noch. Ist sie ein Phantasiegebilde der Prota? Sozusagen ihre Antagonistin? Die Vertreterin einer anderen Welt, die bedrohlich sein kann, aber auch eben ignoriert werden kann? Ich verstehe hier nicht so richtig deine Intention. Habe aber aus Zeitgründen mir jetzt auch nicht die Mühe gemacht, die andren Kritiken und deine Antworten darauf zu lesen, in der Hoffnung selbst Antworten zu finden.
Stab aus Glas benutzt, den sie in Sankt Petersburg gekauft hat …
Skurril, dass du ihr zutraust, sich eines solchen Sextoys zu bedienen, es einerseits zu kaufen und es auch zu nutzen, auf der anderen Seite halte ich deine Prota für so skurril überhaupt, dass es mich schon gar nicht wundert würde, wenn sie da über ihren Schatten der alten Traditionen springt und sich genau das rausnimmt, was ihr Freude bereitet. Ich bin da gespalten, ob ich es ein kleinen Schnörkel ihrer Persönlichkeit so reingenommen hätte oder nicht.
Weder Bären noch Wölfe haben den Lykows die grössten Sorgen bereitet, sondern ein kleines Tierchen namens Burunduk - ein niedliches sibirisches Streifenhörnchen
Ja und genau an dieser Stelle hätte es mich ja als Autor sowas von unter den Fingern gejuckt, es zu erzählen. Ich liebe Tiere und könnte mir wunderbar vorstellen, wie sich immer einer der Familienmitglieder auf die Lauer legen musste, um die Streifenhörnchen, die sich ja noch hektischer bewegen als die Eichhörnchen zu verscheuchen. Oder die Szene, wenn eine der Katzen morgens die sog. Jagdstrecke der gemordeten Streifenhörnchen vor die Tür legt und wie deine Prota da reagiert. Ich bedaure sehr, dass du das schöne Szenen links liegen lässt und sie in den Sachtext packst. Aber es funktioniert, wie du siehst, ja trotzdem bei mir. Ich habe da schon ein paar lustige Szenen vor meinen Augen wegen dieser Streifenhörnchen, obwohl du sie gar nicht geschrieben hast.

Weitere Zitate habe ich nicht rausgesucht, weil ich keine Textarbeit machen wollte, ich habe deine Geschichte einfach so als quasi Abenteuergeschichte mit historischem Hintergrund gelesen und fand auch nichts mehr, was mich jetzt gestört hätte im nachfolgenden Text.

Ich würde gar nicht mal diese Art der Darstellung als Experiment bezeichnen, könnte man aber wohl. Ich finde die Idee einfach gut, weil ich finde, sie passt in unsere heutige Zeit. Hätte es ein Buch über diese Familie gegeben, hätte ich es nicht angerührt, weil ein Buch braucht richtig Zeit und genau die hat man heutzutage gar nicht mehr so sehr. Aber als Geschichte ist es genau die richtige Dosis an Bereicherung.
Sehr gern gelesen!

Lieben Gruß
lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Isegrims ,

auf jeden Fall mag ich dem Text gerne eine Chance geben, falls sich das nicht so anhörte.

Den auktorialen Erzähler sehe ich hier:

Eltern fallen ihr ein.
Personal wäre, wenn sie (in 3. Person) die Erinnerung direkt erzählte.
aber Agafja stört sich nicht daran,
Dito hier, das wäre dann direkt ihr Gedanke, der mir das zeigt.
Du hast damals geweint, warst klein wie eine Erbse und süß wie eine Himbeere, hört sie die Mutter sagen.
Personal wäre: hatte Mutter gesagt.
Agafja nimmt den Zuber, mit dem sie sich wäscht, den Eimer, in den sie das Trinkwasser gießt,
Das erklärt der übergeordnete Erzähler. Denn sie weiß ja, wie und wofür sie die Gegenstände immer verwendet. Wenn sie das personal so sagte, würde sie vllt. nur eine Ausnahme beschreiben: Sie wäscht heute einen gehäuteten Hasen in dem Zuber, in dem sie sich sonst selbst wäscht (weil der Küchenzuber Leck ist).
Die Buchstaben der Bibel verschwimmen.
Das ist personal. Auktorial wäre: Sie sieht (, wie) die Buchstaben verschwimmen.
Im Grunde handelt es sich ja um einen gecutteten Erzähltest, unter den ich aus rein funktionalen Gründen Zitate gemischt habe, die helfen sollen, die Dimension des Settings zu verstehen.
Ja, das hab ich auch so verstanden.
ich habe das schon mal gesagt: es geht mir überhaupt nicht um Exotik, eher um Ungeheuerlichkeit
Alles klar. Bei Ungeheuerlichkeit gehe ich übrigens auch mit.
oh nein, die Stelle ist ganz meins, kann sein, dass sie dir nicht gefällt, aber klein wie eine Erbse, süß wie eine Himbeere, der Satz ist originär isegrims
Doch, den Satz mag ich sehr gerne. Nimm es einfach als Doppel-Lob (dann auch eines für die Authenzität).
wer sagt dir überhaupt, dass ich keine Fachbücher gelesen habe?
Niemand, und das wollte ich auch nicht unterstellen. Und genau deshalb meinte ich, dass Wiki einen falschen Eindruck vermittelt. Das Gleiche aus einem Buch zitiert ergäbe einen anderen Eindruck.
vielleicht gibst du dem Text eine weitere Chance, wenn ich ein paar Stellen verändert habe. Weil ich glaube, dass dich der Kontext durchaus interessiert
Beides ja, auf jeden Fall.
habe ich gelesen, sogar kommentiert
Mensch, das dachte ich doch auch, und ich hab vor'm Komm nochmal schnell da über die Antworten gescrollt. Sogar mit Lesebrille auf. :bonk: Sorry, danke, das war nämlich ein sehr schöner Komm.
der Stein wurde von Agafja gefunden, im Rollstuhl saß schon der an Hunger verstorbene Bruder, sowohl Stein als auch Rollstuhl tragen den Text also
Ah, dass das der Bruder ist, hatte ich durch das Clipping wirklich nicht gesehen. Ich sah nur sie im Rollstuhl und mit der Gegend da vor Augen fand ich das zu schwierig, um dort zu fahren.
nur vergisst du, dass es sich um Altgläubige handelt
In diesem Fall nicht: Die Ikonen der Altgläubigen weichen teils von denen der Orthodoxen ab (sagt der verlinkte Artikel und meint wohl u.a. den Heiligen mit dem Hundskopf).

Wenn du sagst, der gesplittete Psalm sei der einzig Passende, dann wäre es doch okay, den in Fließtext zu setzen und in den Quellen anzugeben, dass er editiert zitiert sei. Dann läse sich das sicher wie SoC, das wär doch klasse.

Ich argumentiere manchmal bissl mit heißem Blut, ist nicht negativ oder unfreundlich gemeint.

Herzliche Grüße,
Katla

 

Guten Abend @lakita

und herzlichen Dank für den Kommentar. Zeigt mir, dass der Text funktioniert. Ich bin noch nicht so weit von dem Text weg, dass ich eine größere Überarbeitung in Angriff nehmen könnte, aber ein paar Stellen werde ich sicher ändern und versuchen, mehr Prägnanz reinzubringen.

was für eine spannende, mich in eine andere Welt entführende Geschichte.
genau das, was ich selbst empfunden habe, als ich von Agafja gehört habe
Die Figur deiner Protagonistin ist dir somit gut gelungen, das will ich damit sagen.
wenn ich sie nur angedeutet, ein Ticken verstehbar gemacht habe, dann ist das schon was
Dieser Wechsel zwischen deiner Erzählung und dem Input von Fakten macht für mich auch nochmals einen besonderen Reiz der Geschichte aus, auch wenn ich an mancher Stelle es persönlich etwas anders gestaltet hätte, aber dazu gleich.
muss man sich natürlich drauf einlassen, aber gut, dass es diesen Effekt hat
Vielleicht ist dir noch in Erinnerung, wie beim Challenge Ende 2019 mir bei meiner Geschichte aus dem 2. Weltkrieg um die Ohren geflogen ist, dass ich solche erklärenden Geschichtsspassagen eingeschoben hatte.
Ich weiß, habe ich wahrscheinlich selbst kritisiert. Du hast die Infos direkt in den Text eingebunden.
Nur und somit komme ich zu deinem Text, es hätte bei mir und auch bei dir dazu geführt, dass der Längenrahmen einer Kurzgeschichte, selbst einer Novelle bei weitem gesprengt worden wäre.
Und wenn du, was du sicherlich problemlos bewerkstelligen könntest, all das in die Erzählung integrierst, was du in sachlicher Form dazwischen gepackt hast, dann vervierfacht sich die Textlänge.
Ehrlich gesagt ist der Stoff so gigantisch, dass auch das Vierfache noch eine Reduktion wäre
dadurch, dass ich erfahre, dass es diese Familie wirklich gegeben hat, dass sie sogar noch ein Quentchen spannender für mich wird.
finde ich auch enorm wichtig: eine rein fiktive Figur hat nicht dieselbe Wucht an Wahrhaftigkeit
An dieser Stelle, ich habe sie nur zerfetzt rauszitiert, bin ich etwas raus, weil mich spezielle Bibelzitate eher nicht interessieren, ich ahne, dass du hier eine Mischung aus tiefer verwurzelter Gläubigkeit darstellen möchtest und gleichsam schon ein wenig Familienchronik hervor holst,
die Stelle bearbeite ich noch, unbedingt, ist aber aus Psalm 89 zusammengestückelt
Was mich auch gestört hat, sind diese Anfangspünktchen ... sie sollen, so denke ich mir, dem Leser deutlich machen, dass die kursiv gedruckten Passagen eben nicht reine Infos sein sollen, sollen sie sollen sich quasi mit dem Leben der Prota vermischen. Es stört mich jedoch, mir wäre ein vollständiger Satz lieber.
haben jetzt mehrere Leute gesagt, muss ich drüber nachdenken. Ich habe aus meinem Quelltext Passagen rausgeschnitten, deshalb die Pünktchen
Diesen gesamten Einschub halte ich für vollkommen überflüssig, weil er über den Geschichteninhalt nichts aussagt und auch nicht die Handlung untermalt. Ich würde den komplett weglassen und mich nur auf die Berichte konzentrieren, die es über diese Familie gibt, das hast du ja auch im Weiteren so gemacht.
denke, das werde ich wirklich streichen
den Stein, den die Prota ja gleich zu Beginn zusammen mit der Bibel in die Hand nimmt, an der dortigen Stelle deutlicher in die Handlung zu nehmen, indem du beschreibst, woher er stammt.
na ja, indirekt habe ich es beschrieben, Lapislazuli wird ja in der Beikam-Region gefunden, aber ja, da ließe sich was ändern
Oder habe ich es missverstanden und es gibt dort in der Gegend, wo diese Familie lebte, diese Steine? Ich meine, noch zu entsinnen, dass die woanders zu finden sind. Kann mich aber auch täuschen.
nicht genau dort, aber in der Nähe gibt es Lapislazulifundstätten
Ist sie ein Phantasiegebilde der Prota? Sozusagen ihre Antagonistin? Die Vertreterin einer anderen Welt, die bedrohlich sein kann, aber auch eben ignoriert werden kann? Ich verstehe hier nicht so richtig deine Intention.
die Spinne, die ist aus meiner Sicht ein Fantasieprodukt oder eben eine Drohne, die die Gegend erkundet, ganz wie man es lesen will
Skurril, dass du ihr zutraust, sich eines solchen Sextoys zu bedienen, es einerseits zu kaufen und es auch zu nutzen, auf der anderen Seite halte ich deine Prota für so skurril überhaupt, dass es mich schon gar nicht wundert würde, wenn sie da über ihren Schatten der alten Traditionen springt und sich genau das rausnimmt, was ihr Freude bereitet.
ich wollte die Figur ein wenig brechen, sie von der Klischeevorstellung entfernen, außerdem glaube ich, dass auch sie, nicht ganz so rein handelt, ihre kleinen Sünden begeht
Ja und genau an dieser Stelle hätte es mich ja als Autor sowas von unter den Fingern gejuckt, es zu erzählen. Ich liebe Tiere und könnte mir wunderbar vorstellen, wie sich immer einer der Familienmitglieder auf die Lauer legen musste, um die Streifenhörnchen, die sich ja noch hektischer bewegen als die Eichhörnchen zu verscheuchen.
auch was, ein ganzes Kapitel eines Romans
Ich würde gar nicht mal diese Art der Darstellung als Experiment bezeichnen, könnte man aber wohl. Ich finde die Idee einfach gut, weil ich finde, sie passt in unsere heutige Zeit.
sehr gut, ist ja ein Wagnis, eine solche Struktur zu wählen

viele Grüße nach Hamburg und einen guten Start in die Woche
Isegrims

 

Liebe @Katla

Ist halt eine Schwachstelle schriftlicher Kommunikation: erlaubt im Rahmen von Statements nicht gar so viele Zwischentöne, insofern habe ich deinen Komm etwas missverstanden.
Dass er mir aber eine Menge wertvollster Wege zeigt, an dem Text zu arbeiten, steht außer Frage und dafür bin ich dir sehr dankbar.
Eine gründliche Überarbeitung habe ich mir vorgenommen, sobald ich die restlichen Challenge-Texte gelesen habe, wird also noch bisschen dauern.

auf jeden Fall mag ich dem Text gerne eine Chance geben, falls sich das nicht so anhörte.
gut zu hören
Das erklärt der übergeordnete Erzähler. Denn sie weiß ja, wie und wofür sie die Gegenstände immer verwendet. Wenn sie das personal so sagte, würde sie vllt. nur eine Ausnahme beschreiben: Sie wäscht heute einen gehäuteten Hasen in dem Zuber, in dem sie sich sonst selbst wäscht (weil der Küchenzuber Leck ist)
da muss ich ran, hast du recht, obwohl der Text auch mit dieser Erzählperspektive funktioniert, danke für den Hinweis
Doch, den Satz mag ich sehr gerne. Nimm es einfach als Doppel-Lob (dann auch eines für die Authenzität).
dankeschön
Niemand, und das wollte ich auch nicht unterstellen. Und genau deshalb meinte ich, dass Wiki einen falschen Eindruck vermittelt. Das Gleiche aus einem Buch zitiert ergäbe einen anderen Eindruck.
Ich sehe den Einwand, bin mir aber wirklich nicht ganz sicher, ob Wiki - zumindest für diesen Text - nicht die bessere Lösung ist. Zu Agafja Lykowa (und auch den Altgläubigen) gibt es eine Menge Material, vor allem aus russischen Quellen, so gut ist mein Russisch jedoch nicht, dass ich die Texte angemessen übersetzen könnte, ansonsten gibt es einige Artikel, bisschen was auf YouTube (auch keine bessere Quelle).
Ah, dass das der Bruder ist, hatte ich durch das Clipping wirklich nicht gesehen. Ich sah nur sie im Rollstuhl und mit der Gegend da vor Augen fand ich das zu schwierig, um dort zu fahren.
da fehlt ein ganzes Stück aus meinem Ursprungstext, wollte allerdings keine weitere Nebenhandlung unterbringen und den Text dadurch aufblähen
In diesem Fall nicht: Die Ikonen der Altgläubigen weichen teils von denen der Orthodoxen ab (sagt der verlinkte Artikel und meint wohl u.a. den Heiligen mit dem Hundskopf).
das stimm, komischerweise haben viele Altgläubige Familienikonen. Ich habe allerdings bisher keinen Hinweis auf eine solche bei den Lykows gefunden
Wenn du sagst, der gesplittete Psalm sei der einzig Passende, dann wäre es doch okay, den in Fließtext zu setzen und in den Quellen anzugeben, dass er editiert zitiert sei. Dann läse sich das sicher wie SoC, das wär doch klasse.
die Quellenangabe gibt es, habe ich angefügt, aber ja, ich werde an dem Psalm was machen
Ich argumentiere manchmal bissl mit heißem Blut, ist nicht negativ oder unfreundlich gemeint.
geht mir ja genauso, wenn es sich um einen Text handelt, an dem mir was liegt, deshalb auch meine Reaktion.

viele Ich-war-gerade-beim-Friseur-und-sehe-wieder-wie-ein-zivilisierter-Mensch-aus-Grüße (was der Agafja bestimmt zu denken gäbe)
Isegrims

 

Hey @Isegrims,

da hast Du ja wirklich eine Perle gefunden, definitiv eine Geschichte, die es lohnt zu erzählen, eine Leben das uns so fremd ist und daher auch mega spannend, darüber zu lesen. Jetzt ist dieses Perlentauchen aber auch so, dass Dir diese Perle in ihrer wahren Begebenheit bisschen das Wasser abgräbt. Irgendwann haben mich die kursiven Teile mehr abgeholt, als deine dazwischengeschobenen kleinen Prosateilchen. Ist natürlich auch ein ganz großes Paket, was Du da versucht in ein paar Zeilen zusammenzufassen, das ist schon eine Aufgabe von der ich gar nicht so sicher bin, ob man die überhaupt bewältigen kann. Auf jeden Fall aber hat mich das Leben der Agafja unglaublich interessiert und mich beeindruckt. Allein dafür, dass Du mir ihrer Geschichte gezeigt hast, lohnt sich das Lesen allemal.

… weg von den Menschen, die sich gegenseitig umbringen, weg von den Lastern, der Gier der Städte. Die Bolschewiki wollten das Gute und trotzdem mordeten sie, weil sie nicht an Gott glauben, weil sie an gar nichts glauben, hörte sie ihren Vater sagen. Wir mussten weg, Agafja, wir mussten.
Das ist so eine Stelle, wo ich denke, unmöglich es je so verknappt darzustellen. Das ist ja ein dunkles Kapitel der Geschichte, ein schreckliches, und das eben in so paar Zeilen abzuhandeln ... schwierig. Klar, Dir geht es nicht darum, was da damals und so, Du willst das nur verorten, dafür reichen sicher paar Worte, aber diese paar Worte öffnen halt eine Tür zu einer weiteren Geschichte und als Leser würde ich sie gern öffnen, um zu erfahren, was sich hinter der Tür befindet. Hoffe, Du weißt, was ich meine.

Lange waren sie gewandert, hatten gehungert und die Schuhe abgelaufen, erinnert sie sich.
Dieser Satz allein könnte einen Roman füllen. Du hast keine andere Wahl hier, als diese extreme Verknappung - aber ja, nächste Tür. Einmal durchs Schlüsselloch blinzeln und weiter.

Als die Leute kamen, mit ihren Geländefahrzeugen, sie bestaunten, als wäre sie eine seltene Blume oder ein Tier, das den Augen der Menschen bisher entgangen war, ...
Und noch eins ... Jeden Satz hier, ich möchte den in ganzer Länge und Breite und ach ... es ist so unfair deinem Text gegenüber, aber wenn man doch so gern mehr und mehr und mehr und alles scheint es wert auserzählt zu werden ... Ich weiß, Du hast gerade ein ganz anderes Romanprojekt am Wickel, aber den hier!, der wäre es auch wert. Aber so was von. Falls es den nicht schon gibt. Wahrscheinlich gibt es den schon, ...

Dort gab es Wasserhähne, Duschköpfe, warmes, kaltes, laues Wasser, das auf der Haut angelangt, grausamen Widerstand hervorrief und nach Jauche schmeckte. Kein Wasser war vergleichbar mit dem des Jerinat, keins.
Kaufe ich sofort. Ist so. Es gibt Wasser und es gibt Wasser.

… öffnet die Strickjacke, streift das Leibchen ab, das Kleid, nimmt mit der hohlen Hand erst einen Schluck Wasser, um den Fluss zu grüßen, bekreuzigt sich, nimmt die Seife, reibt sich ein, rubbelt. Die Haut muss gerötet sein nach dem Waschen, du musst fest schrubben, dann spürst du deinen Körper und deine Seele, hört sie ihre Mutter.
Hier hatte ich das Gefühl, zum ersten Mal einen echten, wirklichen Blick auf die Prot. werfen zu können, auf ihr Leben abseits dem, was wir Zivilisation nennen. Vielleicht, weil Du hier mal ein Detail aufgegriffen hast.

... bemerkt sie die Spinne, ein großes Tier mit kräftigem Körper, das ihre Hand ausfüllen würde, so groß. Sie gehört nicht hierher, das weiß Agafja sofort, ...
Dann der Schwenk zu der Spinne. Weiß noch nicht, wie ich den finden soll. Er stört mich nicht, aber da gibt es doch so viel echtes, so viel in der Hütte und der Familie was ich wissen will und statt dessen - Spinne. Wie gesagt, ich bin unentschlossen.

... entdeckt eine winzige Stelle, einen Punkt, kaum zu erkennen, der genau so aussieht, wie die Zeichen, die in den Städten an allen Produkten angebracht sind, die irgendwo verkauft werden, ...
Okay, nice turn. Aber eine Geschichte in der Geschichte und das Setting läuft dieser Geschichte eindeutig den Rang ab. Was als Hintergrund dienen soll, ist so stark und mächtig, da ist schwierig für die Spinne, denselben Zog zu erzeugen.

… eine merkwürdige Erregung, fast so wie an den Abenden, wenn es kribbelt und zwickt und sie sich zwischen den Beinen streichelt, sich süßen Gedanken hingibt, an Männer denkt und den Stab aus Glas benutzt, den sie in Sankt Petersburg gekauft hat …
Fand ich jetzt merkwürdig in Zusammenhang mit der Spinne und ihrer Funktion als Strichcode, als Zeichen für alles, was sie ablehnt, ihr zuwider ist. Das ausgerechnet das jetzt Erregung hervorruft?

… half er ihr, hackte Holz, grub die Erde um, zeigte ihr, wie man den Saft der Beeren gären lassen konnte, etwas Alkohol daraus zu gewinnen. Sie saßen abends zusammen, ...
Und wieder drei Zeilen für ein ganzes Kapitel. Schwierige Kiste, die Du da versucht. Echt schwierig.

... das hat er probiert, aber sie lachte ihn aus, sie lachte einfach, drehte ihn schneller und schneller auf seinem Stuhl, bis er nicht mehr konnte, der Vitja, während sie die Arme zum Himmel hob, sie ausbreitete, als hätte sie Flügel, als könnte sie fliegen, über das Land, bis zum Himmel hin …
Weiß nicht, vielleicht wäre das die Geschichte gewesen, die Du zwischen den Wiki-Auszügen hättest in Gänze erzählen können. Weißt was ich meine, eine ganze Geschichte, von mir aus einen einzigen Tag in ihrem Leben und den Rahmen des ganzen Lebens drumrum. Aber auch deine Einschübe sind Versatzstücke, und ich denke, vielleicht wäre das eine Möglichkeit gewesen, eine einzige Geschichte aus dem ganzen Zyklus, im Rahmen, statt dieser vielen Lichtpunkte, die da so losgelöst voneinander nur Schlüssellöcher bleiben.

Sie kam zu spät. Vitja war zu schnell unterwegs, beseelt noch vom Tanz. Der Rollstuhl stieß an den Stein und Vitja flog kopfüber nach vorne in die Tiefe, breitete noch die Arme aus, aber auch er hatte keine Flügel …
Ja gut, jetzt haste Dich doch festgelegt. Aber das kommt so in Stichpunkten, in kurzen Schlaglichtern, und irgendwie hatte ich mich jetzt schon daran gewöhnt, dass da immer was anderes kommt. Nun nicht mehr. Noch mal umstellen im Kopf. Und ja, in ihrer Kürze haben sie es nicht geschafft, mich für sich einzunehmen. Ich habe sie lediglich zur Kenntnis genommen.

Auch, wenn meine Zeilen bisher nicht so klingen mögen, aber ich finde das mutig von Dir, das auszuprobieren, sehr sogar, zumal im Rahmen einer Challenge. Und ich finde das auch erfrischend, solche Experimente hier zu lesen. Und auf jeden Fall Danke für die Backgroundstory. Und ja, Geschichten über einen langen Zeitraum zu schreiben ist mega schwer. Und wenn man sich dann selbst noch auf so paar Zeilen beschränkt, ist kaum lösbar, den Leser emotional abzuholen. Ist wie ein Buffet dann, auf das man aber nur einen Blick werfen darf - oder so :D

Beste Grüße, Fliege

 
Zuletzt bearbeitet:

Guten Abend @Isegrims,

definitiv eine spannende Idee, mal etwas ganz anderes. Hatte die Geschichte schon einmal angefangen, als du sie eingestellt hast und jetzt habe ich mich gefragt, weshalb es noch nicht so richtig für mich funktioniert. Was ich ein bisschen schade fand war, dass ich nicht so richtig in einen Lesefluss gekommen bin. Die Einschübe haben mich immer wieder rausgerissen, also es war eher so ein hin- und her springen in meinem Kopf, weiß nicht, ob du damit etwas anfangen kannst. Ich frage mich, wie ich dir weiterhelfen kann, dir einen Verbesserungsvorschlag machen kann? Ich glaube, was ich mir gewünscht hätte wäre eine Erzählung, die auf den Informationen beruht, aber die Einschübe nicht beinhaltet. Ja, natürlich die Geschichte ist viel zu groß dafür, aber ich habe an die "Sternstunden der Menschheit" von Stefan Zweig denken müssen (ich liebe das Buch). Denn da ist es ja ähnlich, dass er sich extrem interessantem Material bedient und daraus dann aber doch seine persönliche Erzählung formt. Ich denke, dass ich mir das hier gewünscht hätte, um mehr in den Lesefluss zu kommen, noch mehr in die unglaublich interessante Geschichte, die du da gefunden hast, eintauchen zu können. In der jetzigen Fassung kommt es mir etwas so vor, dass du einen Rohdiamanten hast, der noch nicht geschliffen ist. So viel zu meinem Leseeindruck, falls dir das nicht weiterhilft, dann einfach ignorieren.

Mir ist noch etwas eingefallen, wie es für mich auch besser funktionieren könnten, ohne, dass die Struktur komplett geändert wird. Vielleicht kannst du die Einschübe so wie bei dem Psalm stärker mit der Geschichte an sich verbinden. Nehme mal diese Stelle hier raus:

… bestand die Familie aus dem Vater, Karp Ossipowitsch Lykow, den Söhnen Sawwin (45) und Dimitri (36) und den Töchtern Natalja (42) und Agafja (34). Die Mutter, Akulina Karpowna geb. Daibowa, war 1961 vermutlich an Hunger gestorben …
(Wikipedia, Lykow)

… stellt den Honig ihrer Bienen bereit, um den Brei zu süßen. Gerade als sie sich umdreht und auf den Stuhl setzen will, auf dem die Mutter immer saß


Du sprichst ja hier die Mutter an und vielleicht könntest du die Mutter dann noch stärker in Szene setzen. Erwähnen tust du sie ja hier kurz. Ich weiß nicht, ob mein Kommentar Sinn ergibt für dich. Jedenfalls passen die Teile für mich noch nicht so richtig zusammen, das ist es eigentlich, was ich sagen will und woraus mein Leseeindruck bestand.


Beste Grüße
MRG

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom