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Es stinkt anders als sonst

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10.09.2016
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Es stinkt anders als sonst

Das war vor zwei Wochen. Ich komm nach Hause, es ist Freitag und halb zwei nachts. Ich mach auf und sag: „Mutter.“ Die liegt auf dem Boden, pennt in ihrer eigenen Pisse. Ich schüttel sie und sag: „Mutter.“ Aber die wacht nicht auf. Also hol ich einen Lappen. Als das weg ist, zieh ich ihr die Hose aus und einen Jogger drüber. Ich kremple den Stoff und ziehe ihn über ihre weißen Schenkel. Es riecht nach Schnaps und Muschi. Wie eine Tote ist die, denk ich – und weit hergeholt ist das nicht bei dem Konsum. Unter den Armen nehm ich sie, schleife sie durch den Flur und die wacht nicht auf. Die Achseln sind warm, ihr Kinn fällt auf die Brust. Sie sieht so dumm aus, wenn sie so ist. Ich bring sie ins Bett, deck sie zu, geb ihr einen Kuss. Aber zu ihr leg ich mich nicht.
Am nächsten Morgen pack ich meine Sachen, schreib der einen Zettel. Die pennt immer noch.

Frieda ist meine Freundin. Ihre Eltern sind nette Leute. Laden mich immer ein, bin immer willkommen. Vor zwei Wochen meinten die: „Zieh mal ‘ne Zeit zu uns.“ Und das war an dem Tag, wo die sich wieder halb tot gesoffen hat. Ganz ehrlich, sie ist meine Mutter. Aber ich will das einfach nicht mehr. Die muss selbst sehen, wie sie klarkommt.
Der Vater von der Frieda hat mich mal gefragt, was eigentlich mit der ist. „Wie?“, hab ich gefragt. Ja, warum die so viel säuft. Und da ist mir der Kiefer runtergeklappt. Warum? Weil ich es nicht wusste. Weil ich es mich nie gefragt hab. „Ja, weil sie eben säuft“, hab ich gesagt, aber wusste schon, dass das eine dumme Antwort ist. Wollt aber auch nicht zugeben, dass ich es nicht wusste. Und dann wollt ich es natürlich rausfinden. Also bin ich abends zu der hin und frag: „Mutter, wieso säufst du eigentlich?“
Und da sagt die ernsthaft: „Na wegen dir.“
„Wie wegen mir?“, frag ich.
„Bin nur ‘n bisschen betrunken. Sei mir nich’ böse, okay?“, sagt die.
Jeder würde sagen: „Was bist du für ein Idiot. Lass dir sowas nicht gefallen.“ Aber es ist nicht immer so leicht.
Ich steck mir eine Zigarette an und paff ein bisschen in ihre Richtung. Da fragt die mich, ob sie attraktiv ist.
„Wie soll ich das sagen?“
„Na, du bist in dem Alter.“
„Du bist meine Mutter“, sage ich.
Sie fasst sich unter ihre Brüste. „Du musst bei Frauen immer drauf achten, nich’ zu weich zu sein. Auch bei Frieda.“
„Ach halt die Klappe“, sag ich. „Redest nur dummes Zeug.“
Dann ist sie eingeschnappt. Wie so eine Fünfjährige. Sagt, ich wär undankbar, und klammert sich an die Flasche.

Die Frieda geht noch zur Schule, will mal selbst Lehrerin werden. Wenn ich aus dem Betrieb komme, ist sie schon da. Die Eltern kochen. Wie eine perfekte Welt. Trotzdem denk ich oft an die Mutter, denk an den Abend vor zwei Wochen, frag mich, ob sie heute Abend wieder in ihrer Pisse liegt. Wenn ich wollte, konnte ich mich immer zu der hinlegen. Dann hielt die meinen Kopf wie bei einem Kind. Hab es lange nicht mehr gewollt, nicht gewusst, ob es überhaupt noch geht. Wahrscheinlich schon.
Wie ich so nachdenk, sag ich zur Frieda: „Du, ich glaub ich muss nach der Mutter sehen.“ Und die sagt: „Lass lieber.“
Und ich sag: „Nee.“
Es fühlt sich nicht richtig an, so in die Nacht zu gehen. Weg von Frieda und der perfekten Welt. Aber ich denk auch: es ist deine Mutter. Die kannst du nicht im Stich lassen. Die hat dich aufgezogen. Du bist alles, was die hat. Geht auch nicht nur um dich in der Welt. So geht das in meinem Kopf und dann bin ich zu Hause, dreh den Schlüssel. Ich mach auf und Gestank kommt mir entgegen. Es stinkt anders als sonst.

 

Hallo @Carlo Zwei,

liest sich ein bisschen, als hätte @jimmysalaryman deinen Account gehackt, sowohl vom Thema als auch sprachlich. Kinder und Eltern und dann dieses gesprochene Sprache ins Schriftbild übertragen, das macht er ja auch oft. Es ist eine Pointengeschichte und ich finde, dieser letzte Satz, das funktioniert auch, der sitzt. Tempo finde ich okay, die Story ist kurz und knapp, da zieht sich nichts, das geht schön von einem Absatz zum nächsten, da hält nichts auf. Und dann knallt’s. Gut gemacht.

Alkoholismus als Dreh- und Angelpunkt läuft natürlich Gefahr, effekthascherisch zu wirken, wie Suizid, so „guckt mal, an was für Themen ich mich traue“. Ich hatte das jetzt hier nicht, vielleicht auch, weil die Alkoholkranke nicht die Protagonistin ist. Wer das will, könnte aber sagen: So richtig klar werden die Gründe fürs Trinken nicht, das ist schließlich auch irgendwo ein Hebel im Hirn, auf den du keinen Einfluss hast. Wir können uns ab achtzehn alle täglich eine Flasche Wodka reinpfeifen, wenn wir Lust haben, aber warum macht’s der eine und der andere nicht? Oder die. Wäre natürlich in der Kürze auch schwierig, das wäre dann eher mindestens Novellenfutter.

Egal, hier geht es ja weniger um die Mutter und mehr um den Sohn und wie er damit umgeht. Was mir da aufgefallen ist: Er ist in der Ausbildung und die Frieda geht aufs Gymnasium, das wird so hervorgehoben, dass ich davon ausgehe, der Prot war da nicht. Er müsste also unter zwanzig sein. Sein Umgang mit der Mutter ist dafür sehr reif und reflektierend, „s ja immer noch meine Mutter“ - in einem Alter, in dem im Zuge der Abnabelung viele rein aus Prinzip die Eltern scheiße finden, selbst wenn „alles okay“ ist. UND nachdem sie ihm gesagt hat, dass ich diese Belastung für dich bin, das ist deine Schuld. Das vergibst du mit siebzehn noch nicht so leicht.

Meine Fresse bin ich froh, dass die schon im Bett is’, weil das geht ja nich’ klar.
Den Satz könntest du jetzt dagegenhalten, aber das ist für mich vergeben, viel zu locker-flockig, so „da hat sie ja mal einen rausgehauen“.

bei dem Konsum.
„Konsum“ klingt eher nach der Wortwahl des behandelnden Arztes. „Die zieht ganz schön was weg.“


Frohe Ostern
JC

 

Hey @Proof ,

danke für die schnelle Rückmeldung, deine Zeit und Gedanken zum Text!

liest sich ein bisschen, als hätte @jimmysalaryman deinen Account gehackt, sowohl vom Thema als auch sprachlich.

heheh das kommt bestimmt nicht von ungefähr. Alles, was ich über Rollenprosa weiß, hab ich wahrscheinlich auch von Jimmy. Ich wollte mal was anderes ausprobieren. Ich hatte diese Idee mit dem Jungen, der zu seiner alkoholkranken Mutter zurückkehrt und hatte von Anfang an so im Ohr, dass er das auf diese Weise seinen Zuhörern darbietet. Mit diesem distanzierten Vergangenheits-Prosa-Tonfall, den ich sonst gerne schreibe, hätte es irgendwie nicht gepasst, hätte zu reflektiert geklungen, dachte ich. Und du hast ja trotzdem noch was von dem 'Reflektierenden' da gespürt.

Es ist eine Pointengeschichte und ich finde, dieser letzte Satz, das funktioniert auch, der sitzt.

Danke für die Rückmeldung. Kannte den Begriff Pointengeschichte noch nicht wirklich, aber
denke, dass trifft es ganz gut. Pointen müssen ja nicht Witze sein (woher ich den Begriff eigentlich kenne).

Tempo finde ich okay, die Story ist kurz und knapp, da zieht sich nichts, das geht schön von einem Absatz zum nächsten, da hält nichts auf. Und dann knallt’s. Gut gemacht.

Freut mich. Danke.

Alkoholismus als Dreh- und Angelpunkt läuft natürlich Gefahr, effekthascherisch zu wirken, wie Suizid, so „guckt mal, an was für Themen ich mich traue“. Ich hatte das jetzt hier nicht, vielleicht auch, weil die Alkoholkranke nicht die Protagonistin ist.

Ich weiß, was du meinst. Und es freut mich, dass das bei dir zumindest nicht der Fall war. Es war auch nicht aus so einer Intention, sondern schon aus eigenen emotionalen Erfahrungen (was nicht heißt, dass das hier eine Privatgeschichte ist :Pfeif:)

Wer das will, könnte aber sagen: So richtig klar werden die Gründe fürs Trinken nicht, das ist schließlich auch irgendwo ein Hebel im Hirn, auf den du keinen Einfluss hast. Wir können uns ab achtzehn alle täglich eine Flasche Wodka reinpfeifen, wenn wir Lust haben, aber warum macht’s der eine und der andere nicht?

Das stimmt natürlich. Es ist auch wichtig für die Story, welche Gründe für den Alkoholismus angeführt werden. Ich habe das im Hintergrund, aber hier es hier eher durch das Unwissen des Protagonisten offen gelassen. Eine Frage des Fokus, denke ich. Wie du schon meintest, geht es dann eher um das Verhältnis der beiden und was es mit dem Sohn macht.

Was mir da aufgefallen ist: Er ist in der Ausbildung und die Frieda geht aufs Gymnasium, das wird so hervorgehoben, dass ich davon ausgehe, der Prot war da nicht. Er müsste also unter zwanzig sein. Sein Umgang mit der Mutter ist dafür sehr reif und reflektierend, „s ja immer noch meine Mutter“ - in einem Alter, in dem im Zuge der Abnabelung viele rein aus Prinzip die Eltern scheiße finden, selbst wenn „alles okay“ ist.

Da ist was dran. Er soll auch unter zwanzig sein. An der Stelle hätte ich diesen Hinweis aber weniger vermutet als bei der anderen Anmerkungen (s. u.), aber du hast nicht unrecht. Vielleicht könnte man da noch was drehen bzw. ihn das noch ein bisschen anders erleben lassen. Andererseits macht es ihn auch sympathisch, dass er so reagiert, finde ich.

UND nachdem sie ihm gesagt hat, dass ich diese Belastung für dich bin, das ist deine Schuld. Das vergibst du mit siebzehn noch nicht so leicht.
Den Satz könntest du jetzt dagegenhalten, aber das ist für mich vergeben, viel zu locker-flockig, so „da hat sie ja mal einen rausgehauen“.

An den Satz klemm ich mich nochmal ran.

„Konsum“ klingt eher nach der Wortwahl des behandelnden Arztes. „Die zieht ganz schön was weg.“

Ja, so ein Streichkandidat, was vielleicht falsch rüberkommt. Auch 'Konsum' kann ja Slang-mäßig benutzt werden – so ein einzeln herausgegriffenes elaboriert klingendes Wort.

Danke für deine Rückmeldung JC und frohe Ostern!
Carlo

 

Hey Carlo

Eine Mini-Rückmeldung von mir: Der Text ist für mich aufgrund der vielen Apostrophe etwas anstrengend zu lesen. Gemäss Duden kann der Apostroph, der das abschliessende "e" von Verben ersetzt (geh, mach, lass, zieh etc.) weggelassen werden. Das würde ich bei diesem Text empfehlen. Nur eine Anregung, Apostroph ist natürlich auch korrekt.

s’ stinkt anders als sonst.
Aber der hier ist falsch gesetzt.

n dir.“ 
„Wie weg
Und hier noch ein sonderbares Zeichen, das sich in den Text geschmuggelt hat. Kommt dreimal vor.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Lieber @Peeperkorn ,

danke für die Rückmeldung und schön, dich zu lesen :) hab(') ich gleich mal geändert. Das sonderbare Zeichen ist das Leerzeichen oder? Werd mal schauen, ob ich das durch Absätze ersetze. Und gut, dass du das wichtige letzte Apostroph aufgespürt hast, dass ich, warum auch immer, falsch gesetzt habe :Pfeif:

Viele Grüße!

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Carlo

Finde ich optisch jetzt ansprechender!

Das sonderbare Zeichen ist das Leerzeichen oder?
Hab schon befürchtet, dass du das gar nicht siehst. Offenbar auch nicht, wenn ich die Stelle zitiere. Hab das noch mal gecheckt und es erscheint dreimal ein seltsames Steuerungszeichen, aber nur in Chrome und in Dolphin (Android). Wenn ich einen anderen Browser verwende, ist alles okay. Also bei folgenden Stellen wird mir das Symbol statt eines Leerzeichens angezeigt, jeweils vor dem Anführungszeichen:
dir.“ 
„Wie
zeigen. 
„Ach
mich. 
„Du

Doch noch etwas mehr zum Text:
Frieda is’ meine Freundin. Ihre Eltern sind toll. Die sind richtig nett.
Das Alter des Prota ist nicht so recht einzuschätzen, aber insgesamt erschien er mir doch älter als diese Stelle hier vermuten lässt. Also so eine gewisse Reflektiertheit, die ja auch proof angemerkt hat. Kauf ich. Aber dann ist diese Stelle hier ein Bruch, weil er da wie ein Zehnjähriger klingt.
Manchmal denk ich, wenn das mit Frieda irgendwann mal vorbeigeht, weiß ich nich’, wen ich mehr vermissen werde. Die oder ihre Eltern.
Hier hatte ich noch immer Frieda im Kopf, weil du sie zuletzt namentlich erwähnst, und dachte für einen Augenblick, er frage sich, ob er Frieda oder deren Eltern mehr vermissen werde. "Die" für "Mutter" war zu diesem Zeitpunkt in meinem Kopf noch nicht so richtig etabliert. Vielleicht kannst du da etwas an der Wahrnehmungssteuerung basteln.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

„Redest nur dummes Zeug.“

Kann mich nicht erinnern, meine Mutter jemals in ihrer Rolle als „Mutter“ angesprochen zu haben – und wenn, dann ironisch als „Fräulein Mutter“ - was aber wie das einleitende Zitat „Überlegenheit“, wenn nicht gar „Überheblichkeit“ signalisiert, indem der Mutter Pronomen verweigert wird. Aber das kann ja in jeder Beziehung anders sein,

lieber (oder doch böser?) Carlo.

Was aber neben der Apostrophierung auffällt – nicht ein Ausrufezeichen!, als käme selbst das einleitende Zitat als (mehr oder weniger) coole Aussage daher.

Ich mach auf und sag: „Mutter.“

Und warum die Inflation der Apostrophe?!
Hier
Weil die liegt dort auf ’m Boden, pennt vielleicht und … []
wirkt es angebracht, aber notwendig sind sie vor allem, wenn etwa beim Konjunktiv II das Endungs-e weggelassen wird1 und die Verwechselung mit dem Prät. wächst. Karl Kraus hat mal von geschwärmt, dass man das fehlende „e“ dann immer noch mitschwingen höre (was natürlich im Vortrag wichtig wär’). Und in der Tat, funktioniert es hier zunächst aus Notwendigkeit heraus „auf [de]m Boden“

aber beim zweiten Mal ist der Effekt weg

da drum ’ne Pfütze wie Apfelsaft.
wobei es graphisch m. E. falsch dargestellt wird, denn das "drum" hat nix mit dem attributiefen, verkürzten "eine" zu tun und


Aber hier ist es entbehrlich – da schwingt nix mit im Soziolekt

Aber die wacht nich’ auf.
weil nix nachklingt oder schwingt, den Apostroph weglassen. Dialekt, Soziolekt aber auch Jargon entwickeln ihre eig’- oder eignen Lautfolgen. Hier ist es dann wieder wegen des verschluckten Vokals
s sieht so blöd aus, wenn sie so is’.
eher notwendig.

Hier nun

„Was bist du für ’n Idiot. Lass dir sowas nich’ gefallen.“
ist "so was" auseinander, weil eigentlich ein verkürztes „so [et]was“ (da sieht man am deutlichsten, dass es kein so 'was geben sollte ...

„Wie soll ich das sagen?“ „Na, du bist doch in dem Alter.“ „Du bist meine Mutter, Alter“, sage ich.

In Trauer ums Ausrufezeichen und das - hoffentlich nur - literarische Schicksal der Mutter

Friedel

1Beispiel: Nicht notwendig bei kommen („käm“), aber bei „laufen“ („lief’“)

 

Lieber @Peeperkorn ,

Finde ich optisch jetzt ansprechender!

sehr gut. Ja, ich muss das erstmal ein Gefühl für diese Fülle an Apostrophen im Schriftbild bekommen, schätze ich. Dass sich das schräg anfühlen würde, hab ich gekauft, als ich mich für die Form 'Rollenprosa' oder was ich darunter (miss-)verstehe, entschieden hab. Finde es cool, das mit euch (Friedl hat ja auch nochmal differenziert) zu lernen.

Also bei folgenden Stellen wird mir das Symbol statt eines Leerzeichens angezeigt, jeweils vor dem Anführungszeichen:

gut, dass du nochmal nachgehakt hast, ich glaube, es müsste jetzt raus sein. An den entsprechenden Stellen war auch irgendetwas. Jedenfalls ließ sich mit der entfernen-Taste ein unsichtbares Zeichen löschen.

Doch noch etwas mehr zum Text:
Frieda is’ meine Freundin. Ihre Eltern sind toll. Die sind richtig nett.
Das Alter des Prota ist nicht so recht einzuschätzen, aber insgesamt erschien er mir doch älter als diese Stelle hier vermuten lässt. Also so eine gewisse Reflektiertheit, die ja auch proof angemerkt hat. Kauf ich. Aber dann ist diese Stelle hier ein Bruch, weil er da wie ein Zehnjähriger klingt.

Alles klar. Kümmer ich mich drum. Da fällt es auf jeden Fall auch aus dem Duktus raus (was ja nicht schlecht sein muss), das wäre vielleicht ein unterstützendes Argument. Ich wollte es so formulieren, dass es heraussticht als etwas, das man von ihm nicht erwarten würde. Ein Zugeständnis, weil er dort ja implizit auch eine Schwäche mitausdrückt und das vielleicht selbst gar nicht merkt. Eben weil es für ihn hier um eine Ersatzfamilie geht. Insofern passt Zehnjähriger ja irgendwie auch. Aber vielleicht darf es auch ein bisschen subtiler sein, ein bisschen mehr so, dass es kongruent mit dieser Reife der Rolle bleibt, wie du ja auch in Bezug auf Proofs Anmerkungen geschrieben hast.

Du hast nicht zufällig nen Vorschlag?? :D

Manchmal denk ich, wenn das mit Frieda irgendwann mal vorbeigeht, weiß ich nich’, wen ich mehr vermissen werde. Die oder ihre Eltern.
Hier hatte ich noch immer Frieda im Kopf, weil du sie zuletzt namentlich erwähnst, und dachte für einen Augenblick, er frage sich, ob er Frieda oder deren Eltern mehr vermissen werde. "Die" für "Mutter" war zu diesem Zeitpunkt in meinem Kopf noch nicht so richtig etabliert. Vielleicht kannst du da etwas an der Wahrnehmungssteuerung basteln.

Nee, das war schon so gedacht, dass Frieda damit gemeint ist. Die Mutter da in den Vergleich zu ziehen, hätte für mein Gefühl nicht dazu gepasst, wie klar der Protagonist irgendwo auch in seiner Verachtung und gleichzeitig Liebe gegenüber seiner Mutter ist. Zugespitzt formuliert.
Andererseits würde die Variante, dass er abwägt, "die Mutter" oder Friedas Eltern, nochmal den Fokus auf den Hauptkonflikt verlagern. Hier wird ja eher mit dem Haushalt von Frieda etwas parallel erzählt.

Danke dir für deine Anmerkungen. Hoffe, du bist schön fleißig und es gibt bald was Neues von dir :)

LG
Carlo


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Lieber Freedle,

danke für deinen nachmittaglichen Besuch (zum Kaffee, zumindest bei mir gab es den). War mir wie immer eine große Freude und Lernung

Kann mich nicht erinnern, meine Mutter jemals in ihrer Rolle als „Mutter“ angesprochen zu haben – und wenn, dann ironisch als „Fräulein Mutter“ - was aber wie das einleitende Zitat „Überlegenheit“, wenn nicht gar „Überheblichkeit“ signalisiert, indem der Mutter Pronomen verweigert wird.

ich auch nicht. "Mama", bisweilen auch spanische, französische und russische Versionen zum Zweck der Verniedlichung waren state of the art. Finde es aber sehr lustig, wenn Verwandte und Bekannte ihre Mutter mit "Mutter" ansprechen. Das ist so herrlich Augenhöhe (vielleicht ja nur in manchen, mir bekannten Varianten).

lieber (oder doch böser?) Carlo.

jenseits natürlich :D

nicht ein Ausrufezeichen!, als käme selbst das einleitende Zitat als (mehr oder weniger) coole Aussage daher.

Ja. Überdenkenstwert. Aber diese Coolness gehört schon auch dazu. Du klingst selbst auch zögerlich.

Und warum die Inflation der Apostrophe?!

Gehört dazu, dachte ich. Bevor Peeperkorn und du mir die Hütte eingerannt habt. Ich schaue mal, ob ich bereit bin, da jetzt noch freiwillig weitere Apostrophe zu entbeeren will/möchte (bei Peeperkorn war es ja mehr Gebot von Duden oder anderen Instanzen – andererseits bist du bist ja auch eine, heheh. Also sollte ich es wahrscheinlich tun.) Ich bin da unsicher, was die ästhetische Wirkung der Apostrophe betrifft und hätte gern noch eine zweite kompetente Meinung, bevor sie (die Apostrophe) dann einfach weg sind.
Die vorgebrachten Argumente ...

da drum ’ne Pfütze wie Apfelsaft.
wobei es graphisch m. E. falsch dargestellt wird, denn das "drum" hat nix mit dem attributiefen, verkürzten "eine" zu tun und
Aber die wacht nich’ auf.
weil nix nachklingt oder schwingt, den Apostroph weglassen. Dialekt, Soziolekt aber auch Jargon entwickeln ihre eig’- oder eignen Lautfolgen

... überzeugen schon. Dagegen steht aber eine beobachtete Praxis, an der ich bzw. der Text sich (vielleicht in falscher Erinnerung – das ist nachzuprüfen) orientiert.

ist "so was" auseinander

ahhhhhhhh, wie oft noch? :Pfeif:
gab sogar noch ne zweite Stelle

In Trauer ums Ausrufezeichen und das - hoffentlich nur - literarische Schicksal der Mutter

Ist es Trauer (ums Ausrufezeichen)?
Und ja, irgendwo werden sich literarisches und reales Schicksal schon treffen müssen bei so einem Archetyp (wehe jemand sagt Stereotyp!).

Viele gute Grüße
Carlo

 

Moin @Carlo Zwei,

schön mal wieder was von dir zu lesen. Finde ich einen interessanten Text. Du erzählst die Geschichte deines Protas, dessen Mutter Alkoholikerin ist und einen toxischen Einfluss auf ihn hat. Das kontrastierst du mit seiner Freundin Frieda und ihrer Familie: Dort bekommt er sogar ein Buch geschenkt mit dem Thema psychologische Unabhängigkeit. Und trotzdem wird deutlich, wie sehr er seine Mutter braucht und trotz all des Schmerzes auch auf seine Weise liebt.

Ich bekomme ein gutes Bild von dem Prota, was ich vor allem an den Unterschieden zu den anderen Figuren festmache. Du zeichnest den Charakter, indem du den Prota mit ihnen vergleichst. Das ist zumindest mein Eindruck und so wirkt er für mich dreidimensional. Ab und an hatte ich allerdings ein Fragezeichen, was seine Persönlichkeit angeht:

Wie ’ne Tote is’ die, denk ich – und ’s is’ ja nich’ ma’ weit hergeholt bei dem Konsum.
Die Haut is’ warm, ’s Kinn fällt auf die Brust. ‘s sieht so blöd aus, wenn sie so is’.
Ich konnte seine Emotion nicht so richtig greifen. Ist er distanziert, sieht alles nur noch nüchtern und außerhalb seiner selbst? Oder ist er doch wütend und noch emotional involviert? Dafür ist es mir aber irgendwie etwas zu berichtend. Kannst du nachvollziehen, was ich meine?

Also bin ich abends zu der hin und frag: „Mutter, wieso säufst du eigentlich?“ Und da sagt die ernsthaft: „Wegen dir.“
Ich frage mich, ob du diesen Schmerz noch weiter ausbauen könntest. Es hat mich als Leser schon mitgenommen, gerade, wenn sie "Wegen dir" sagt, aber irgendwie war es mir noch etwas zu nüchtern. Ich glaube, dass mir die Konsequenzen auf seine eigene Psyche etwas gefehlt haben. Er sagt ja, dass er nicht trinkt und gleichzeitig ist er auch ziemlich zynisch, was das Bestehen der Beziehung zu Frieda angeht. Daher würde mich interessieren, wie er denn mit all dieser Negativität umgeht? Selbst wenn er es verdrängt, müsste es sich ja irgendwie unterschwellig zeigen. Vielleicht zeigt sich das in dem Zigarrettenkonsum, also hier:

Ich steck mir ’ne Zise an, paff ’n bisschen in ihre Richtung.
An ‘nem anderen Tag bei ’ner Zise fragt Friedas Vater, was eigentlich mit meinem Vater is’.
Ist das seine Bewältigungsstrategie? Das konnte ich noch nicht so richtig nachvollziehen.

Die Frieda geht noch zum Gymnasium, studiert dann was. Wenn ich aus ‘m Betrieb nach Hause komme, is’ die schon da. Die Eltern kochen. ’s is’ wie ’n Traum. Wie ’ne perfekte Welt. Trotzdem denk ich oft an die Mutter, denk an den Abend vor zwei Wochen, frag mich, ob sie heute Abend wieder in ihrer Pisse liegt.
Hier ist der Kontrast zwischen den beiden Welten und das finde ich gelungen, weil sich so das Bild von deinem Prota schärft und es auch seine Wünsche offenbart. Er spricht von einer perfekten Welt, hat ein Idealbild, aber das wird dann wieder gegen die harte Realität kontrastiert. Das verstärkt sich dann an dieser Stelle:

Dass meine Mutter mir ma’ ’n Buch schenkt, einfach so. Die hätt mich an der Schnapsflasche nuckeln lassen, das vielleicht.
Während Friedas Mutter ihm ein Buch zu psychologischen Unabhängigkeit schenkt, würde seine Mutter ihm eher die Schnapsflasche geben. Das ist schon stark gemacht. Mir gefällt die Charakterzeichnung durch die Unterschiede.

Insgesamt habe ich den Text gerne gelesen, hab allerdings ein kleines Fragezeichen, was seinen emotionalen Zustand und seinen Schmerz angeht. Einerseits ist es distanziert berichtend, aber dann wird es doch wieder nah und persönlich; konnte ich für mich noch nicht zu 100% in Einklang bringen. So viel erst einmal zu meinem Leseeindruck.

Beste Grüße
MRG

 

Lieber @MRG

tausend Dank für deinen differenzierten Leseeindruck. Der gibt wie immer gut Stoff auf.
Ich gehe mal insbesondere auf deine Fragezeichen-Anmerkungen ein.

Wie ’ne Tote is’ die, denk ich – und ’s is’ ja nich’ ma’ weit hergeholt bei dem Konsum.
Die Haut is’ warm, ’s Kinn fällt auf die Brust. ‘s sieht so blöd aus, wenn sie so is’.
Ich konnte seine Emotion nicht so richtig greifen. Ist er distanziert, sieht alles nur noch nüchtern und außerhalb seiner selbst? Oder ist er doch wütend und noch emotional involviert? Dafür ist es mir aber irgendwie etwas zu berichtend. Kannst du nachvollziehen, was ich meine?

Ja, check ich. Wie ich ihn gegenüber seiner Mutter haben wollte: desillusioniert/abgeklärt, zwischen Verachtung und kindlicher Liebe/Zugeneigtheit. Er muss sich um sie kümmern, er zieht sie aus, er bringt sie ins Bett. Die Rollen sind vertauscht (auch wenn er natürlich schon aus dem Ins-Bett-bring-Alter raus ist, müsste spürbar sein, dass er sich eine andere Zuwendung wünscht). Fällt dir eine Stellschraube ein, an der du eine Überarbeitung festmachen könntest bzw. wo du dir da mehr wünscht?

Also bin ich abends zu der hin und frag: „Mutter, wieso säufst du eigentlich?“ Und da sagt die ernsthaft: „Wegen dir.“
Ich frage mich, ob du diesen Schmerz noch weiter ausbauen könntest. Es hat mich als Leser schon mitgenommen, gerade, wenn sie "Wegen dir" sagt, aber irgendwie war es mir noch etwas zu nüchtern. Ich glaube, dass mir die Konsequenzen auf seine eigene Psyche etwas gefehlt haben. Er sagt ja, dass er nicht trinkt und gleichzeitig ist er auch ziemlich zynisch, was das Bestehen der Beziehung zu Frieda angeht. Daher würde mich interessieren, wie er denn mit all dieser Negativität umgeht? Selbst wenn er es verdrängt, müsste es sich ja irgendwie unterschwellig zeigen. Vielleicht zeigt sich das in dem Zigarrettenkonsum, also hier:

Schön konkret wie du das schreibst. Das mit den Zigaretten könnte ein Schlüssel sein. Die Story sollte das so erzählen: Er geht weg, weils ihm zu viel wird. Aber da ist auch eine Art Fürsorgebewusstsein, das ihn dann bewegt, zu seiner Mutter zurückzukehren. (Vielleicht zu spät, deswegen der Erzählton: Rollenprosa, fast eine implizite, unbewusste Beichte ("ich wars nicht, ich habe die immer geliebt, ich hab sie nicht allein gelassen"; so von der Anlage).

Ich feile definitiv nochmal an der Reaktion auf die Anklage seiner Mutter als er nach dem 'Vadder' fragt. Da hol ich noch was raus.
Bräuchte es für dich denn so einen richtigen Absatz, wo er so ganz innerlich wird und von seinen Umgang mit der Mutter erzählt bzw. hast du da Ideen bzw. Vorschläge, wie du dir das wünschen würdest?

Ich finde das unterschwellige Zeigen steckt ja eigentlich drin. Das ist der (negativ gesprochen) herablassende Umgang mit seiner Mutter, das (An-)Erkennnen der vermeintlichen eigenen Fürsorgepflicht, der Rückzug in ein Leben, dass ihm zusteht.

Danke dir für deine ausführliche Rückmeldung!
Viele Grüße
Carlo

 

Ich bin da unsicher, was die ästhetische Wirkung der Apostrophe betrifft und hätte gern noch eine zweite kompetente Meinung, bevor sie (die Apostrophe) dann einfach weg sind.
Ich zitiere jetzt einfach mal aus https://www.belleslettres.eu/content/zeichensetzung/apostroph.php

Apostroph in Dialekt und Umgangssprache

Vorsicht ist geboten, wenn sich Apostrophe in einem Text häufen. Dazu verleiten vor allen Texte in Dialekt oder Umgangssprache.
[…]
Dialekt ist keine verkümmerte Hochsprache! Wo im Dialekt Laute fehlen, die es in der Hochsprache gibt, bedeutet das nicht, dass der Laut apostrophiert wurde. Es hat ihn im Dialekt nie gegeben.
Ein Beispiel: Bairisch redn ist keine Verkürzung aus standarddeutsch reden. Der Dialekt lässt hier kein e aus, deswegen wäre auch die Schreibung red’n falsch. Für Dialekt gibt es keine geregelte Orthografie, aber meist ein oder mehrere Schreibsysteme. Sie sollen darauf gründen, wie der Dialekt wirklich klingt und sich nicht an der Orthografie des Standarddeutschen orientieren. Deshalb gibt es bei guter Niederschrift von Dialekt eigentlich keine Apostrophe.

(Hervorhebung von mir)


Zur Story an sich will ich dir nix sagen, Carlo, weil sie mich sprachlich nicht erreicht hat. Ich bin ja einer derjenigen, die Sätze gerne fünfmal lesen, sofern sie stilistisch brillant/ außergewöhnlich/nie gehört usw. sind, und solche finde ich hier einfach nicht. Als Schreibübung bzw. –experiment lass ich den Text aber allemal gelten.

Gruß aus Wien, Carlo (wo si so eignoatig redn.)

 

Moin @Carlo Zwei,

danke für deine Rückmeldung, ich gehe auf deine Fragen ein:

Ja, check ich. Wie ich ihn gegenüber seiner Mutter haben wollte: desillusioniert/abgeklärt, zwischen Verachtung und kindlicher Liebe/Zugeneigtheit. Er muss sich um sie kümmern, er zieht sie aus, er bringt sie ins Bett. Die Rollen sind vertauscht (auch wenn er natürlich schon aus dem Ins-Bett-bring-Alter raus ist, müsste spürbar sein, dass er sich eine andere Zuwendung wünscht). Fällt dir eine Stellschraube ein, an der du eine Überarbeitung festmachen könntest bzw. wo du dir da mehr wünscht?
Die vertauschten Rollen sind spürbar. Als Stellschraube würde mir dieses Hin- und Hergerissene einfallen. Wenn ich es richtig lese, ist er mit sich selbst im Zwiespalt, hat einiges an psychologischem Unbehagen und muss das irgendwie in seine Wirklichkeitskonstruktion einbauen. Vielleicht kannst du diese kognitive Dissonanz betonen, diesen schmerzhaften Widerspruch. Könnte mir vorstellen, dass die Zigaretten ein Ansatzpunkt sein können, wie du meintest:

Schön konkret wie du das schreibst. Das mit den Zigaretten könnte ein Schlüssel sein. Die Story sollte das so erzählen: Er geht weg, weils ihm zu viel wird. Aber da ist auch eine Art Fürsorgebewusstsein, das ihn dann bewegt, zu seiner Mutter zurückzukehren. (Vielleicht zu spät, deswegen der Erzählton: Rollenprosa, fast eine implizite, unbewusste Beichte ("ich wars nicht, ich habe die immer geliebt, ich hab sie nicht allein gelassen"; so von der Anlage).
Ah, interessant mit der impliziten, unbewussten Beichte. Das ist es glaube ich, was ich mit dem nüchternen, berichtenden Ton meinte. Die Anlage kann ich nachvollziehen, das ist auch angekommen.

Bräuchte es für dich denn so einen richtigen Absatz, wo er so ganz innerlich wird und von seinen Umgang mit der Mutter erzählt bzw. hast du da Ideen bzw. Vorschläge, wie du dir das wünschen würdest?
Gute Frage. Ich würde mir die Konsequenzen stärker wünschen. Glaube nicht, dass so eine Situation einfach spurlos an einem vorbeigeht. Vielleicht geht seine Haut auf? Er muss mit einem gesundheitlichen Problem kämpfen oder möglicherweise gelingt es ihm auch, den Schmerz konstruktiv zu nutzen? Ich würde mir jedenfalls noch stärker wünschen, was für eine Wirkung es auf ihn hat.

Beste Grüße
MRG

 

Hey @Carlo Zwei,

ich finde, dass du die Figur des Protagonisten gut zeichnest. Beim Lesen habe ich den Eindruck, dass er sich in einem Spannungsfeld zwischen dem Erwachsen-sein-müssen und dem Kind-sein befindet. Das machst du sprachlich gut, weil auch seine Sprache zwischen kindlich und erwachsen oszilliert:

Ich schüttel sie und sag: „Mutter.“
Frieda is’ meine Freundin. Ihre Eltern sind toll. Die sind richtig nett.

Auch die Pointe am Ende funktioniert für mich gut. Irgendwie kann ich trotzdem nicht sagen, dass es ein Text ist, den ich nochmal lesen würde. Zum einen gefällt mir die verwendete Sprache nicht. Ob das jetzt an den Apostrophen liegt oder an der Sprache selbst, kann ich so genau nicht sagen. Wahrscheinlich spielt beides rein. Glaube, ich mag diese Art der Umgangssprache in Geschichten generell nicht. Das ist natürlich Geschmackssache, also kein wirklicher Kritikpunkt. Zum anderen fehlt mir bei der Geschichte aber irgendwas. Ist natürlich schwierig interessante Beobachtungen oÄ in so einen Text zu integrieren, weil sowas dann schnell zu reflektiert und out of character wirkt. Aber etwas mehr Handlung, die mich als Leser mehr involviert, hätte dem Text gut getan, denke ich. Du hast natürlich schon einige Handlung drin, aber die wird mir eher berichtend präsentiert. Vielleicht könntest du direkt vor der Pointe noch einen Abschnitt einfügen, wo er sich an gute Momente mit seiner Mutter erinnert? Könnte möglicherweise auch die Bedeutung des Endes stärker machen? Nur so eine Idee.

Grüße
Leo

 

Guter @ernst offshore

ich freu mich immer, wenn ich dich irgendwie hinterm Ofen vorlocke, und wenn 's (!) auch nicht wegen der Story ist. Die Ratlosigkeit wegen der Apostrophs ist weniger eine technische als einfach die Frage, was macht das mit dem Textbild en gros? Ich denke an Texte von Jimmy, die vor Apostrophen überquellen und wo ich das akzeptiere als so eine bestimmte Art von Handwerklichkeit, die sich eben im grafischen Bild des Textes zeigt. So wie ein Stepptanz nicht ohne das Klangfeld metallischen Klapperns auskommt(?). Schade, dass es dir nichts gibt und du hier vergeblich gute Sätze suchst :p
Beim nächsten vielleicht/hoffentlich/bestimmt wieder.

Griase nach Wien (war das jetzt richtig?) :D
Carlo

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Lieber @MRG ,

danke, dass du dich nochmal zurückgemeldet hast :-)
Jetzt ist mir das klarer.

Vielleicht kannst du diese kognitive Dissonanz betonen, diesen schmerzhaften Widerspruch. Könnte mir vorstellen, dass die Zigaretten ein Ansatzpunkt sein können, wie du meintest:

Ja, also vielleicht wirklich über die Zigaretten. Obwohl es mir hier direkter lieber wäre. Also dass er es ausspricht. Andererseits würde die Betonung der Zisen-Sucht das schon auch subtil andeuten und einfach auch zur Figur passen.

Ah, interessant mit der impliziten, unbewussten Beichte. Das ist es glaube ich, was ich mit dem nüchternen, berichtenden Ton meinte. Die Anlage kann ich nachvollziehen, das ist auch angekommen.

Okay. Denkwürdig. Vor allem nachdem jetzt auch Klamm das Berichtende moniert hat.

Gute Frage. Ich würde mir die Konsequenzen stärker wünschen. Glaube nicht, dass so eine Situation einfach spurlos an einem vorbeigeht.

Okay. In die Richtung geht auch Klamms Kommentar. Ich sehe schon, da muss wirklich was rein. Ich bin gespannt, wie es wird und schreibe dir ggf.


Danke, dass du nochmal vorbeigeschaut hast.
Lieben Gruß
Carlo


----- -----


Hey Leo,
@Klamm

danke für deine Rückmeldung :) Freut mich, dass das mit dem Spannungsfeld für dich aufgeht. Ja, die liebe Sprache. Für mich hier Neuland, klar. Dann hoffe ich mal, dass es sich da nur nicht mit deiner Vorliebe schneidet und das Problem nicht bei mir bzw. beim Text und eben seiner Sprache liegt. Die Idee so einer reflektierenden Passage nehme ich auf. Geht ja vielleicht auch in die Richtung von MRGs Kritik. Da es für mich ein Übungstext ist, kann ich da wahrscheinlich auch nochmal gut reinarbeiten.

Nochmal danke und viele Grüße!
Carlo

 

Hey @Carlo Zwei,

schnell weggelesen, was gut ist. Hat mich sprachlich angesteckt, sozusagen, will jetzt auch so schreiben, hier, in meinem Kommentar, so lässig, knapp. Kann ich gar nix gegen machen. Lass es aber lieber bleiben, auch wenn's schwer fällt :schiel:

Ja, hätte mich gewundert, wenn mir ein Text von dir in seinen Grundzügen nicht zusagt, trotzdem stoße ich mich doch sehr an der Apostrophflut - zwischendurch hab ich mich dabei erwischt, die abgehackten Wörter einfach "auszulesen", also in unabgehackt, und ich meine, es hat trotzdem funktioniert. Für mich entsteht das schludrig schlappmäulige, was den Text so trägt, nämlich vor allem durch den tollen Rhythmus, nicht durch die abgehackten Wörter oder, wo wir bei Wörtern sind, das Wort "Zise". Sagt man das irgendwo unironisch? Falls ja, okay, auf mich hat es jedenfalls gewirkt wie: Hm, was kann ich jetzt statt Zigarette sagen, was besser zum Milieu passt? Hier würde man Kippe sagen, aber gut möglich, dass das einfach was Regionales ist.

Auch inhaltlich sagts mir zu, die Handvoll Personen, die hier vorkommen, sind allesamt glaubwürdig in ihren Kurzauftritten, das lässt die Welt, in der der Protagonist sich bewegt, sehr real erscheinen. Der Protagonist selbst gefällt mir auch, der macht sich halt so seine Gedanken, findet sich nicht ganz zurecht, hat mit Problemen zu kämpfen, ist aber genauso wenig Held wie Bösewicht, so ein guter Durchschnittstyp eben, den man aber erst mal "erschaffen" muss - manchmal erscheint es mir einfacher, einen extremen Charakter zu erschaffen als einen "Normalo" mitsamt all der ganz normalen Ambivalenz.

Wie gesagt, gerne gelesen, hat mich dazu veranlasst, mich mal wieder in Schriftform mit Geschichten auseinanderzusetzen, schon dafür danke ich dir.

Bas

 

Hey @Bas ,

wollte mich gerade an deine Story setzen (ein neuer Gustaf?????) und was finde ich? "..." – Auslassungszeichen!
Dann beantworte ich stattdessen erst mal deinen Kommentar :-) vielen Dank für den!

Ich freu mich einfach, dass du da drauf einsteigst und dass das für dich so hinhaut. So eine größere Überarbeitung steht noch aus und vielleicht müssen die Apostrophe dann wirklich weg. Am besten gleich mehrere Überarbeitungsversionen, mal sehen :D
Ja, Zise ist so ein Wort, was ich immer ziemlich merkwürdig fand, aber einige Leute kenne, die das verwenden. Irgendwie fand ich es hier so schön sperrig, dass ich es haben wollte. Vielleicht fällt es deshalb raus. Ich mag auch, dass du den Protagonisten nicht als 'extrem', sondern als ambivalenten Durchschnittstypen wahrnimmst. Vielleicht weil ich bei dem Thema die in diesem speziellen Fall vielleicht unbegründete Angst hatte zu sehr zu stereotypisieren. Es ist ja ein Archetyp von Story, dünnes Eis also.
Tut jedenfalls gut, dich unter der Story zu lesen und diese Rückmeldung zu bekommen. Gibt mir das Gefühl, auch mal mit so einem 'Experiment' (zu viel gesagt) richtig zu sein :-)

Freue mich auf deinen Text!
Viele Grüße
Carlo

 

Hallo @Carlo Zwei =)

Immer sind die anderen so schnell in der Kommentierung, ich brauche da immer ein bisschen Zeit, vielleicht bin ich einfach eine Fähre, die gemählich pendelt. Egal, es ist viel zu deinem kleinen, schönen Text gesagt worden.

Deinen Erzähler würde ich auf 16, 17, 18 schätzen, er ist in Lehre und möchte sie bald beenden. Auf mich macht seine Sprechweise einen entschlossenen und praktischen Eindruck. Das ist ein Mensch, der eben Dinge macht, weil er die macht, keiner, der sich bei großen seelischen Konflikten in einen dunklen Wald mit sich und sich zurückzieht. Eher einer, der eben handelt. Und der macht. Und der aber nicht weiß, wie er es richtig macht. Aber trotzdem was macht. Wie soll das auch mit einer alkoholkranken Mutter gehen? Mit ihrer Substanzabhängigkeit reihen sich gebrochene Versprechungen, Beschönigungen und Phasen des Nicht-Erkennen-Wollens und Nicht-Erkennen-Könnens aneinander, das führt ihn in den Frust und vielleicht auch in den Sarkasmus. Aber er hat ja noch seine Freundin, die Frieda, und die Eltern seiner Frieda und die zeigen ihm ein ganz anderes Bild, eine Familie, wie sie so sein sollte, wie man sie sich eben vom Grund der familiären Zerrüttung so vorstellt. Ihn überrascht diese Realität. Trotzdem bleibt da die Bindung zur Mutter, es ist ja die Mutter, die ihn durchgefüttert hat und für die er ein Verantwortungsgefühl empfindet. Sind also viele Konflikte, Ambivalenzen und Umkehrungen, vielleicht - jetzt textpsychologisiere ich aber etwas krass - erklärt das ja den Eindruck eines "machenden" und nicht "reflexiv-stehenden" Menschen.

Ich finde, die Darstellung dieser Ambivalenzen in einem Menschen gelingt dir sehr gut, und da bin ich bei @Bas , man liest deinen Text gut 'runter und gewinnt eben den Eindruck, den ich dir ja geschildert habe. Besonders passend finde ich das halb-offene Ende. Man weiß, hier ist was schlimmes passiert, was auch immer, aber weniger wichtig ist, was passiert ist, sondern dass etwas mit der Wucht einer akuten Lebensumgestaltung eingetreten ist. Eine neue Phase. Ein Teil des Lebens wird jetzt abgeschlossen. Passt ja auch für jemanden, dessen Pubertät zu Ende geht, die Lehre auch. Phase II kann starten.

Sprachliches, was mir auffällt:

Die Frieda geht noch zum Gymnasium, studiert dann was.
Geht sie nicht aufs Gymmi? Ich fände es irgendwie passender,wenn Frieda schon weiß, was sie studiert. Oder was sie werden möchte, Lehrerin zum Beispiel.
Trotzdem denk ich oft an die Mutter, denk an den Abend vor zwei Wochen, frag mich, ob sie heute Abend wieder in ihrer Pisse liegt.
Vielleicht den Satz in zwei Teile teilen?
Da geben dir welche Schutz, da hast du ’s gut und dann gehst du trotzdem in ’n Regen.
Hm, Schutz ... Schutz vor was?

Subjektive Kritik:

Klar, deine Themenwahl ist nicht neu. Muss ja auch nicht. Ist es wahrscheinlich nie. Aber klar läuft ein Text zum Thema Sucht in der Familie immer in die Gefahr, Bilder zu bestätigen statt neue zu schaffen. Ich weiß, sehr altes Streitthema, ich weiß, kann man so oder so sehen. Für den einen beginnt das Klischee bei einer weißer Wolke und für den anderen ist jede GZSZ-Folge hochgradig innovativ. Dein Text wirkt wie eine kleine Schreibübung auf mich. Ist auch ja voll in Ordnung.

Am kritischsten sehe ich den Titel. Der Titel erzählt im Grunde die Geschichte. Und er klingt für mich wie eine ruhige Reflexion deines Protagonisten, wie eine Erkenntnis nach langem Denken, die manchmal überragend simpel sind: Meine Mutter trinkt zu viel. Das passt, finde ich, zu dem ambivalent, entschlossenen und praktischen, energiereichen Typen nicht. Aber vor allem nicht zum Sprachstil. Ich bin mal mutig und schlage den letzten Satz als Titel vor: ’s stinkt anders als sonst. Oder ein einzelnes Wort: Zweitfamilie (drückt mehr die Verbindung zu Friedas Eltern aus)
s' stinkt. bin auch da.
Lerne nur vom Augenblick
(zu vage, zu introspektiv)

Frieda. Vielleicht kannst du ihr ein paar Sätze in den Mund legen und sie aussprechen lassen. Für eine Freundin, die er vermissen wird, redet sie recht wenig. Dadurch drängen sich die Eltern Friedas in Vordergrund, was ich wiederum viel interessanter finde. Trotzdem würde das eine oder andere Wort ihr gut tun. Wie sieht sie denn die Alkoholsucht der Mutter? Achselzucken? Oder interessiert sie die Beziehung nicht? Ist das mehr ein großes Ausprobieren zwischen den beiden? Irgendwie kann ich mir folgendes vorstellen: Die Eltern wollen einfach nett sein. Und Frieda, Frieda ist ganz gut mit ihm befreundet, aber eine tiefe Beziehung mit einem "Ineinander-abhängig-machen" ist das für beide nicht.

Apostrophe. Okay. Ich finde die Apostrophinflation nicht dramatisch. Vielleicht bin ich auch Interpunktionszeichen durch Internetsprache gewohnt, ich weiß es nicht. Bei einer Überarbeitung wird es aber auf die Milieuschilderung ankommen. Und diese Milieusprache, es ist ja ein bestimmtes Milieu, das du hier schilderst, zeigst du vor allem durch Apostrophe. Das ist nichts neues, dass in der Literatur Ärzte und Richter apostrophlos und Bauarbeiter und Arbeitslose apostrophreich sprechen. Vielleicht kannst du ja noch einige Details über das Milieu einfließen lassen. Das Schwierige ist, dass solche Milieudetails bei kurzen Texten oft wie gewollte Symbole wirken, die ganz typisch für ein Milieu stehen sollen. Energy-Drinks zum Beispiel. Oder Golfclub-Mitgliedschaft. Portugiesisches Olivenöl.

Du könntest über die Dialoge arbeiten ("Was macht eigentlich der, wie hieß der, so ein kleiner mit schwarzen Haaren" "Can?" "Ja, Can, was macht der eigentlich?" "Lehre, bei PC-Technik. Wollte ja Sanitäter machen, aber die nehmen nur Leute, die in der Feurwehr war'n.")

"Deine Mutter, was hat die eigentlich gelernt?" "Die hat studiert." "Studiert?" "Studiert." Ich mach 'ne Pause. "Pädagogik. Aber abgebrochen."

Das war es!
Lg aus Leipzig
kiroly

 

Hallo @Carlo Zwei,

vielen Dank für deine Geschichte. Ich hab sie gern und in einem Rutsch durchgelesen, trotz der schon erwähnten Apostrophe, die die Lesbarkeit auch für mich einschränken.

Folgend meine wahrscheinlich sehr subjektive Kritik:

Mir persönlich ist das Klischee "Alkoholismus = Arbeiterschicht = eher ungebildet" zu vordergründig, wodurch der Prota, zumindest für mich, zu einem Figurenklischee (Figurenklischee = eine Art Sprachschablone, etwas Vorgefertigtes, oft verwendetes) wird.
Was es dann aber fast schon wieder für mich ausgleicht, ist die Ambivalenz, die er im Verhältnis zu seiner Mutter zeigt. Das macht die Figur dann durchaus wieder lebendig. Trotzdem fände ich es zum Beispiel viel interessanter, wenn es Friedas Mutter wäre, die an Alkoholismus leidet und würde gern erfahren, wie sie damit umgehen würde, wie ihr Verhältnis zur Mutter wäre. Zumindest wäre das für mich das spannendere Bild, weil es eben nicht so "abgedroschen" ist. Das ist aber vielleicht einfach Geschmackssache.

Ich hatte mich außerdem einige Male gefragt, wer in Deutschland, unabhängig vom Bildungsgrad, tatsächlich so spricht? Soll heißen, dass ich es an der ein oder anderen Stelle doch etwas überzeichnet fand. Ich selbst komme ursprünglich aus der "Arbeiterschicht" und ich kenne wirklich niemanden der so einen Satzbau an den Tag legt.

Weil die liegt dort auf ’m Boden, pennt vielleicht und da drum ’ne Pfütze wie Apfelsaft

Wie ’ne Tote is’ die, denk ich – und ’s is’ ja nich’ ma’ weit hergeholt bei dem Konsum.

Die oder ihre Eltern. Laden mich immer ein, bin immer willkommen.

Zudem habe ich mich gefragt, was Frieda (vom Gymnasium, später Studium) wohl an jemanden findet, der so spricht, und auch sonst nicht in ihrem "Dunstkreis" verkehren dürfte. Genauso, warum ihre Eltern in gut finden, sogar so gut, dass sie ihn quasi als Familienmitglied behandeln. Gut, völlig unmöglich ist das nicht, vielleicht kennen sie sich noch aus dem Kindergarten/Grundschule. Ich hätte die Kluft zwischen den beiden Gesellschaftsschichten dennoch nicht so breit gemacht, um das glaubwürdiger zu gestalten.

Irgendwas von Psychologische Unabhängigkeit.
Was mich auch stutzig macht, war das Buch, dass da genannt wurde. Ich glaube nicht, dass es sowas wie "psychologische Unabhängigkeit" überhaupt gibt. Was ist denn damit gemeint, ein Selbsthilfebuch, das helfen soll sich von anderen unabhängig(er) zu machen?

Das war es von mir!

Viele Grüße,
Sarah

 

Um die Spielräume jenseits von Karl Kraus & Dante FRiedchen einzugrenzen mal die Regeln des Instituts der deutschen Sprache (Mutterhaus der Dudenredaktion) zur Apostrophierung

4.1 Apostroph

Mit dem Apostroph zeigt man an, dass man in einem Wort einen Buchstaben oder mehrere ausgelassen hat.
Zu unterscheiden sind:
a) Gruppen, bei denen man den Apostroph setzen muss (siehe § 96),
b) Gruppen, bei denen der Gebrauch des Apostrophs dem Schreibenden freigestellt ist (siehe § 97).

§ 96
Man setzt den Apostroph in drei Gruppen von Fällen.
Dies betrifft
(1) Eigennamen, deren Grundform (Nominativform) auf einen s-Laut (geschrieben: -s, -ss, -ß, -tz, -z, -x, -ce) endet. Sie bekommen im Genitiv den Apostroph, wenn sie nicht einen Artikel, ein Possessivpronomen oder dergleichen bei sich haben:
Aristoteles’ Schriften, Carlos’ Schwester, Ines’ gute Ideen, Felix’ Vorschlag, Heinz’ Geburtstag, Alice’ neue Wohnung
E1: Aber ohne Apostroph: die Schriften des Aristoteles, die Schwester des Carlos, der Geburtstag unseres kleinen Heinz
E2: Der Apostroph steht auch, wenn -s, -z, -x usw. in der Grundform stumm sind: Cannes’ Filmfestspiele, Boulez’ bedeutender Beitrag, Giraudoux’ Werke
(2) Wörter mit Auslassungen, die ohne Kennzeichnung schwer lesbar oder missverständlich sind:
In wen’gen Augenblicken ... ’s ist schade um ihn. Das Wasser rauscht’, das Wasser schwoll.
(3) Wörter mit Auslassungen im Wortinneren wie:
D’dorf (= Düsseldorf), M’gladbach (= Mönchengladbach), Ku’damm (= Kurfürstendamm)

§ 97
Man kann den Apostroph setzen, wenn Wörter gesprochener Sprache mit Auslassungen bei schriftlicher Wiedergabe undurchsichtig sind.
der Käpt’n, mit’m Fahrrad
Bitte, nehmen S’ (= Sie) doch Platz! Das war ’n (= ein) Bombenerfolg!

E: Von dem Apostroph als Auslassungszeichen zu unterscheiden ist der gelegentliche Gebrauch dieses Zeichens zur Verdeutlichung der Grundform eines Personennamens vor der Genitivendung -s oder vor dem Adjektivsuffix -sch: Carlo’s Taverne, Einstein’sche Relativitätstheorie

https://grammis.ids-mannheim.de/rechtschreibung/6208

 
Zuletzt bearbeitet:

Servus Carlo!

Meine Mutter trinkt zu viel
Ich habe mich in @kiroly s Kommentar gut wiedergefunden, auch wenn das ein wenig billig ist, einfach eine andere Einschätzung zu unterschreiben. :D Aber als Feedback hilft es dir vllt. weiter.

Zum Titel: Ich finde auch, du verrätst hier zu viel, gleich zu Beginn. Würde ich unbedingt ändern, wenn es nach mir ginge! Das ist so ein wenig, als wenn der Titel der Story „Alkoholismus“ wäre.

Weil die liegt dort auf ’m Boden, pennt vielleicht und da drum ’ne Pfütze wie Apfelsaft.
Nee, würde ich kicken! Apfelsaft klingt ein bisschen nach Autor, finde ich, und bringt eine unnötige Komik in die Szene

Als das weg is’, zieh ich ihr die Hose aus und ’nen frischen Jogger drüber.
Da bin ich drüber gestolpert. So einfach geht das nicht - gerade bei einem Erwachsenen. Allein die Hose auszubekommen ist ein Act, gerade, wenn die Person dicht ist und vielleicht auch nicht mitmacht oder sich sogar ein wenig dagegen wehrt. Ich hätte das als Leser ein bisschen mehr beschrieben gehabt gerne, wie macht er das, wie zieht er ihr die Hose aus, wie bringt er die Jogginghose wieder an? Es ist ja auch eine sau seltsame Situation, auch, wenn dein Prot das oft gemacht hat: Man zieht seiner ohnmächtigen, besoffenen Mutter die Hose aus. Sie liegt im Schlüpfer vor einem, voller Pisse, man zieht sie wieder an.

’s riecht nach Schnaps und ungewaschen.
Ich würde das ausschreiben: Es stinkt nach Geschlecht, nach Fotze, oder genauer: nach Fisch. Ich würde da nichts beschönigen, man muss ja keinen Voyeurismus daraus machen, machst du auch nicht natürlich, aber das ist eine harte Situation, selbst wenn dein Prot abgebrüht ist und für ihn das normal ist - OBERFLÄCHLICH! - :D ist das absolut unnormal, und er wird das auch spüren, an sowas gewöhnt man sich nie zu 100%, sage ich als Behauptung, das macht einen immer irgendwo fertig, selbst, wenn man es oberflächlich nicht mehr in der akuten Situation spürt.

Wie ’ne Tote is’ die, denk ich – und ’s is’ ja nich’ ma’ weit hergeholt bei dem Konsum
Würde ich direkter sagen lassen, dass er das denkt, weiß man als Leser

Ich bring sie ins Bett und deck sie zu, geb ihr ’nen Kuss sogar.
sogar würde ich streichen - warum sogar? Das ist eine Rechtfertigung, eine Haltung, die der Prot äußert, weil er weiß, dass er es an eine Leserschaft oder einen anderen kommuniziert. Aber er gibt ihr einen Kuss, weil er ihr einen Kuss geben will - er braucht das für mich nicht zu rechtfertigen, es ist ja das ganze Dilemma, in dem er sich befindet, er liebt sie, sie ist eine Mum, aber sie macht ihn auch kaputt. Ich würde ihn einfach den Kuss geben lassen, der Leser kann seine Schlussfolgerungen selbst ziehen

Sie is’ immer noch meine Mutter.
"immer noch" würde ich kicken - wieder die Haltung ist hier drin, die Rechtfertigung. Natürlich ist sie immer noch seine Mutter! Liest man das autistisch, ergibt der Satz wenig Sinn, sie wird immer seine Mutter sein; aber natürlich verstehe ich und man, was dein Prot damit sagen will: Ich verzeihe ihr. Ich halte zu meiner Mutter.
Aber das sieht der Leser sowieso. Das ist das Interessante, dass man als Leser das aus dem Text mitnehmen, v.a. selbst herausfinden kann. Deswegen: streichen! Ansonsten verrätst du zu früh zu plakativ zu viel, my opinion :)

s’ reicht, denk ich, ich geh zu Frieda.
Du könntest hier auf der Mikrospannungsebene der Szene noch mehr Spannung reinbringen für den Leser, indem du den markierten Teil streichst. Es reicht ihm! Als Leser denkt man: Okay, haut er komplett ab? Bringt er sie um? Was passiert? Wenn du das im nächsten Halbsatz bereits auflöst, ah, er geht wohl zu seiner Freundin, sitzt man nicht mehr so auf heißen Kohlen. Wäre das gestrichen - man würde noch gebannter weiterlesen

Frieda is’ meine Freundin. Ihre Eltern sind toll. Die sind richtig nett. Manchmal denk ich, wenn das mit Frieda irgendwann mal vorbeigeht, weiß ich nich’, wen ich mehr vermissen werde. Die oder ihre Eltern. [Ihr Eltern l]aden mich immer ein, bin immer willkommen.
Würde ich etwas kürzen - wäre es mein Text! :D Aber your choice!

Und das war genau an dem Tag, wo die sich wieder halb tot gesoffen hat.
Könnte man auch etwas von Füllwörtern befreien. Fände ich nicht weniger authentisch.

Ganz ehrlich, ’s is’ nich’, dass ich sie nich’ liebe. Sie is’ meine Mutter.
Ich würde das mit der Liebe außen vor lassen. Man versteht es im Subtext, wenn du es streichen würdest, und es käme stärker. Ganz ehrlich. Sie is meine Mutter. ABER ... Liebt er sie wirklich? Das ist wieder die eigene Deutung und Einordnung des Prots, die er für den Leser anfertigt, und dem Leser wird etwas die eigene Deutungsmöglichkeit genommen: Liebt er seine Mutter oder liebt er sie nicht? Ich denke, dein Prot weiß das selbst nicht mal. Das ist verdammt schwierig, in seiner Situation. Was ist eigentlich Liebe? Er wird sie genauso gut hassen. Ob er sie liebt, ich weiß nicht. Lass das den Leser selbst rausfinden. Meine Meinung.

Nee, aber ich will ’s einfach nich’ mehr. Die muss sehen, wie sie zurechtkommt. Wenn ich wegen der die Ausbildung nich’ schaff, dann komm ich da nie weg und weg muss ich.
Das "nee" kam mir ein wenig lapidar rüber - so als ob man denkt: Will ich ein Eis oder nicht? Nee, ich muss auf die Figur achten. Ohne fände ich den Teil stärker

"und weg muss ich" könnte ich mir als eigenständigen Satz vorstellen: Und weg muss ich.
Oder: Satz kicken. Im Endeffekt auch eine Redundanz, weil die Sätze zuvor genau das aussagen: Er muss weg!

Weil ich ’s nich’ wusste. Weil ich ’s mich nie gefragt hab.
Würde den ersten Satz streichen. Im Endeffekt eine Redundanz: Er weiß es natürlich nicht, wenn er es sich nie gefragt hat! Fände auf den letzten Satz beschränkt die Szene stärker

„Ja, weil sie eben säuft“, hab ich gesagt, aber wusste schon, dass das ’ne dumme Antwort is’.
Ich würde die eigene Einschätzung hier wieder kicken - lass das den Leser selbst herausfinden bzw. denken! Man denkt sich das natürlich selbst beim Lesen, wenn der Prot das sagt: Das ist aber eine dumme Antwort!

Und da sagt die ernsthaft: „Wegen dir.“
Ernsthaft würde ich raushauen, wieder eine eigene Einordnung des Prot - entrüstet ist man als Leser sowieso, auch ohne dem ernsthaft, bei dieser Aussage

Dann is’ sie eingeschnappt. Immer dasselbe. Fühlt sich ungerecht behandelt. Wie so ’ne Fünfjährige.
Das fände ich noch geshowed gut - wie sieht das aus? So ist es die Einschätzung des Prots

An ‘nem anderen Tag bei ’ner Zise fragt Friedas Vater, was eigentlich mit meinem Vater is’. „Is’ weg“, sag ich. „Warum?“, fragt der. „Weil er eben ’n Arschloch is’. Fertig.“ Und dann sag ich auch nix weiter. Die war aber nich’ ohne, die Frage. Hab ich dann später gemerkt, als ich meine Mutter ins Bett bring. „Sag ma’“, sag ich und die pennt schon halb. „Warum is’ der Vadder weggegangen?“ Und da sagt die ernsthaft: „Na wegen dir.“
Den Teil mit dem Vater würde ich rauskürzen. Würde mich komplett auf die Mutter beschränken

Trotzdem denk ich oft an die Mutter, denk an den Abend vor zwei Wochen, frag mich, ob sie heute Abend wieder in ihrer Pisse liegt.
Hier würde ich was anfügen: Es geht ja nicht nur darum, dass sie in ihrer Pisse liegt. Es geht darum, dass das Beängstigende für den Prot ist, dass sie an ihrer Kotze erstickt. Oder ihr was Schlimmeres passiert. Sie völlig abfuckt. Nur in der Pisse liegen - ja ist scheiße, aber dass sie sich wo den Kopf aufschlägt oder so fände ich einen plausiblen, beängstigenden Gedanken bei deinem Prot. Er hat sich ja ihr Leben lang wohl um sie gekümmert, war immer in dieser Rolle. Wenn sie eine Alkoholikerin ist, wovon ich äusserst stark ausgehe, hat sie sich in ihrem Leben im Suff schon desöfteren verletzt. Ist ja ein Symptom von Alkoholismus, dass du dich im Suff verletzt. Dann aus der Rolle auszubrechen, sich einfach nicht mehr zu kümmern, ist unglaublich schwer. Die meisten schaffen das nie, v.a. nicht beim ersten Anlauf und einfach so, ohne Therapeut und krassem eigenem Lebenswandel. Dein Prot kehrt ja auch zurück. Da ist die Misere schön gezeigt. Die eigene Mutter in der Pisse da sitzen sehen im inneren Auge, während man in der heilen Welt sitzt. Das führt zu krassen Gewissensbissen. Man gibt sich selbst die Schuld: Was gibt mir das Recht, hier zu sitzen, während meine Mutter sich in die Hose pisst und auf der Couch einschläft? Dann ist da noch die Hoffnung, die nie stirbt, dass es noch anders wird, dass sie einen Entzug macht, nüchtern wird und alles gut wird. Vielleicht hat sie früher mal weniger getrunken und das schürt zusätzlich die Hoffnung bei deinem Prot. Also ich finde die Stelle sehr gut und sehr zentral, und man kann ruhig etwas tiefer und schmerzhafter bohren in dem Augenblick, man muss da ja jetzt nicht mega tief gehen und das überaus lang ausbauen, aber dass man als Leser diese Komponenten mitbekommt und sieht fände ich gut. Aber: Dein Text! Das hier soll nur als Inspiration und Feedback dienen.

Und trotzdem brauch ich sie auch. Wenn ich will, kann ich mich zu der legen.
Ich brauch sie auch - das ist mir zu holzhammermäßig, zu klar gesagt. Der zweite Satz zeigt das viel schöner: Wenn es ihm dreckig geht, kann er sich zu ihr legen. So würde ich das schreiben. "Trotzdem ist nicht alles scheiße mit ihr. Wenn es mir dreckig geht, kann ich mich zu ihr legen."

Theortisch kannst du hier auch noch mal richtig viel aus dem Text rausholen. Fertige die guten Seiten der Mutter nicht in drei nacherzählten Sätzen deines Prots ab, sondern zeige das: Der Prot streitet sich mit seiner Freundin, vllt, weil er zu seiner Mutter zurück gehen will, er ist fertig vom Streit und zuhause ist die Mutter, nicht besoffen oder nur mässig, und sie kümmert sich um ihn, tröstet ihn und er darf sich zu ihr ins Bett legen. Das würde die Misere und (Co-)Abhängigkeit des Prots schön „zeigen“.

Ja, Carlo, ich finde den Text gut, das Thema spannend, aber mir sind noch zu viele Redundanzen drin gerade. Dass du die Apostrophe gekickt hast, hat dem Text visuell gut getan. Ich vermisse sie nicht. Ich würde die "Selbsteinschätzungen" der Aussagen und Beobachtungen des Prots zurückfahren und streichen (siehe oben die zitierten Anmerkungen), und dem Leser die Freiheit gewähren, selbst zu entscheiden und einzuordnen, was er sieht und hört. (Im Endeffekt ist das die Zusammenfassung meiner Streichvorschläge.) Das würde den Text noch stärker machen. Schön, wieder etwas von dir gelesen zu haben. Macht immer Bock.

Beste Grüße
zigga

 

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