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Alexanderplatz

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29.10.2018
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Alexanderplatz

Über diverse Leichen, die wie Konfetti auf dem Boden verstreut liegen, steigen wir hinweg. Leben, die so verschieden aussahen, sich hassten, sich liebten, sich verabscheuten, verehrten oder auch alles auf einmal. Nun liegen sie hier, alle vermischt. Und letztendlich alle gleich.
Wir gehen langsam aufeinander zu. Wie in Trance, schockiert von den Dingen, die wir gerade mit angesehen haben. Zwischen uns sind nur noch die blutüberströmten Straßenbahnschienen, schon strecken wir die Arme nacheinander aus.
Was wir hier tun, ist leichtfertig. Wer weiß, wie viele Menschen mit Schusswaffen sich noch hinter den Ecken verstecken. Doch wir können nicht anders. Wenn wir jetzt sterben, ist es auch egal. Aber lieber liegen wir uns in den Armen. Ein schützender Ort auf dem Schlachtfeld.
Die Zeit steht still. Niemand weiß, was in so einem Moment zu tun ist. Wie kann es weitergehen? Nur abwarten.

Der nächste Morgen bricht an. Pendler, Touristen, Kinder, Arbeiter strömen über den Platz. Manche würgen, erbrechen, schreien. Doch Zeit, innezuhalten, gibt es nicht.
Schon jetzt ist alles vergessen. Nur wir stehen noch hier. Arm in Arm, nicht mehr, als ein unbeachtetes Denkmal. Wir werden nie vergessen.

 

Auf die Gefahr hin,
dass es einen weiteren Alex gibt, nenn ich mal den Berliner als Deinen Platz -

und damit erst einmal herzlich willkommen hierorts,

aardig Broodje!,
1953/54 wurde von Fritz Cremer die später „Aufbauhelfer“ und „Aufbauhelferin“ benannten Figuren als „Fort mit den Trümmern und was Neues hingebaut" als Zeichen für den Wiederaufbau nach dem Zwoten Weltkrieg am Alexanderplatz errichtet – man konnte ja nicht ahnen, dass am 17. Juni 1954 sowjetische Panzer die streikenden und aufbegehrenden Arbeiter überrollen werden.

Wie selbstverständlich wurde zu BeErDe des Tages „der deutschen Einheit“ gedacht, bis eben die Mauer fiel …

Man gedenkt halt nicht so gerne, dass Deutsche gelegentlich auch zu Revolten neigen … wie im März 1848, 9. November 1918, 17. Juni 1954 und nach dem Vietnamkongress Februar 1967.

Nunja, wenn dem so ist (und selbst, wenn diese Interpretation falsch ist), eine Kurzgeschichte ist diese beschreibende Skizze eher nicht. Sie schildert das Ende eines Geschehens (das Wort Geschichte“ ist selbst ein substantiviertes Partizip des Verbes „geschehen“), das die ursprüngliche Deutung der Figuren aufhebt und eine neue einsetzt, wenn auch nicht im offiziellen Sinne des Zentralkommitees der DDR. Eines Geschehens, dass eigentlich verdient, erzählt zu werden.
Schau'n wir mal, ob ich das für's Challenge als Anregung nutzen werde ...

Also schließ ich auch mit einem Dank an Dich und - wie nebenbei, „auf einmal“ wird auseinandergeschrieben.

Gleichwohl bin ich überzeugt, dass es was wird!

Tot ziens!

Het windje

 

Hoi Friedrichard,

vielen Dank, dass Du Deine Interpretation so ausführlich erklärst! Mein Ziel war es, dem Leser viel Platz für solche zu lassen, auch wenn ich nicht gedacht hätte, dass so viel Hintergrundwissen da ist.:D
Hm, mit der Textform hast Du eigentlich recht. Ich werde demnächst besser aufpassen...

Groetjes!

Auch Dir AWM vielen Dank!

Diverse finde ich hier viel zu distanziertes Beamtendeutsch.
Das sollte darstellen, wie namenlos die toten Menschen sind, es sind keine Individuen. Ich werd's mir nochmal überlegen...

Wenn jetzt schon alles vergessen ist, wieso würgen, erbrechen und schreien sie dann?
Dass jetzt schon alles vergessen ist, bezieht sich darauf, dass es keine Zeit gibt, innezuhalten oder zu verstehen, was passiert ist. Wenn selbst dafür keine Zeit ist, gibt es auch keine Zeit, zu erinnern, was für mich Vergessen bedeutet.

Die anderen Fehlerchen schaue ich mir nochmal an.

Hab einen schönen Abend!

Broodje

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Broodje,

kurz und knackig also - muss nicht verkehrt sein.

Über diverse Leichen, die wie Konfetti auf dem Boden verstreut liegen, steigen wir hinweg.
Der Vergleich hinkt meiner Meinung nach. Bei Konfetti denke ich im Bezug auf Leichen an Hautfetzen, zerfledderte Organe oder meinetwegen Knochensplitter - also an Einzelteile, die näherungsweise mit Konfetti zu tun haben. Tatsächlich aber geht es hier scheinbar um ganz gebliebene Körper. Vorallem Leichen stelle ich mir schwer und starr vor. Da prallen für mich Gegensätze aufeinander. Richtige Körper, ob tot oder lebendig, können nicht wie Konfetti herumliegen.

Was wir hier tun, ist leichtfertig.
Komma weg.

Zwei Stellen gibt es noch, an denen mein Lesefluss gestört wurde.

Wie kann es weitergehen? Nur abwarten.
Die beiden Sätze passen nicht sonderlich gut zueinander.
Doch Zeit, innezuhalten, gibt es nicht.
Da sind es die Kommata, die mich stören. Außerdem gibt es zwar das Wort innehalten, inne zu halten jedoch schreibt man auseinander, denke ich. Sehr seltsam. Lockert den Satz aber schon auf. Jetzt könntest du noch ein um vor inne zu halten machen.

Ansonsten gern gelesen, gerne mehr zum Thema.

Liebe Grüße,
N. Ostrich

 

Hallo @N. Ostrich ,
grüß Dich, Broodje -

ich misch mich ungerne ein, aber hier

Was wir hier tun, ist leichtfertig.
sollte das Komma bleiben, weil es ein verkürztes "Es ist leichtfertig, was wir hier tun" ist. Selbst Hauptsätze können als Ellipse daherkommen. Vom Komma befreit wäre etwa die Formulierung "Leichtfertig ist unser Tun", das "hier" kann an unterschiedlichen Stellen untergebracht werden, am verlockendsten ist es am Ende "Leichtfertig ist hier unser Tun hier".

Und selbst hier

Doch Zeit, innezuhalten, gibt es nicht.
"innehalten" ist nun mal von einem Substantiv abhängig und damit regelkonform mit Komma zu beglücken - aber warum sollte der Infinitiv von innehalten auseinandergeschrieben werden, wenn die Grundform aus "ein" (="innen") und "halten" zusammengesetzt wird?

Ich halte sogar den berühmten "Lesefluss" für einen Mythos der bunten Blätter, die nicht verstören wollen.

Und - auch das muss gesagt werden - jeder hat das Recht, sich zu irren. Und ich irre auch, manchmal sogar mit Vergnügen.

Tschüss ihr zwo und ein schönes Wochenende vom

Friedel

 

Hallo @Friedrichard,

ich lasse meinen ersten Beitrag unverändert, um keine Verwirrung zu stiften. Ich hörte, irren sei menschlich.

Grüße,
N. Ostrich

 

1953/54 wurde von Fritz Cremer die später „Aufbauhelfer“ und „Aufbauhelferin“ benannten Figuren als „Fort mit den Trümmern und was Neues hingebaut" als Zeichen für den Wiederaufbau nach dem Zwoten Weltkrieg am Alexanderplatz errichtet – man konnte ja nicht ahnen, dass am 17. Juni 1954 sowjetische Panzer die streikenden und aufbegehrenden Arbeiter überrollen werden.
schrieb ich arme Seele im ersten Beitrag,

lieber @Broodje (ich halt das mask. bei, Broodje), het windje trägt das neutr. verdientermaßen, lieber @N. Ostrich - denn bei Durchsicht der Unterlagen springt mich der Wurm aus dem Eingangszitat an - nicht 1954, sondern 53 wurde bis zur Wiedervereinigung als Tag derselben gefeiert, als hätten die Arbeiter fürs Adenauerregime gestanden, dass ja - wie auch der Justizapparat - noch schwer unter alten Nazis litt. Man beachte, wie viele Juristen dem Gauleiter hinterherlaufen ...

So, jetzt ist aber auch genug für heute vom

Friedel

 

Hallo Broodje,

leider war mir die Situation und der Aufstand 1953 nicht wirklich bekannt, so dass ich keine Einordnung hatte. Vielleicht kann man durch ein oder zwei Sätze den Vorfall noch andeuten / ergänzen. Nichtsdestotrotz kann man sich die gefährliche, akute Situation der Protagonisten doch gut vorstellen, auch ohne geschichtliches Wissen dazu.

Wie in Trance, schockiert von den Dingen, die wir gerade mit angesehen haben. .
Hier würde ich eher "... von den Dingen, die wir mit ansehen mussten." schreiben.

Ansonsten finde ich dieses kurze Werk recht ordentlich geschrieben. Es liest sich im Großen und Ganzen flüssig, schafft es ein Bild von einem Schauplatz zu vermitteln. Durch den Titel wird der Platz konkret, aber auch ein fiktiver Platz wäre ebenso bildlich vorstellbar.

Grüße,
Schönewald

 

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