Alliterationen - Ominöse Operationen
Anfangs outete ich mich nie.
Die berliner Busfahrerszene bot die besten Bedingungen für ein unauffälliges
kleines Chamäleon wie mich. Es fiel mir leicht mich versteckt zu halten. Eine zeitlang...
Es war ein düsterer Dienstagmorgen, da durchkämmte ich die
eher elenden Ecken des Städtchens Berlin, als eine offenbar
fromme Frau in
grauem Gewand mir emsig entgegenschritt.
Ihre Haare hielt sie unter der für Nonnen üblichen Bedeckung verborgen, sodass sie sogleich als solche zu erkennen war.
Sie hörte mein Hüsteln und hob den Blick. Sie sah mir in die Augen, und ich kann nicht sagen warum,
aber irgendwie interessierte mich dieses irdische Individuum.
Sie hatte jedenfalls eine jugendliche Jungfräulichkeit an sich und dennoch, oder gerade deswegen jauchzte mein jungenhafter Jagdinstinkt jäh auf. Vielleicht lag es aber auch an ihren atemberaubenden Augen, die ein undefinierbares Leuchten von sich gaben,
irgendwo zwischen karamel- und kastanienfarben. Jedenfalls war mein Entschluss gefallen. Kurzum: kein kauendes Kamel konnte mich davon abhalten sie anzusprechen.
Lüstern lächelnd lud ich die liebreizende Lady zu einer heißen Tasse Tee im Cafe um die Ecke ein, mit einem "göttlichen" Gesprächsthema und gespielter Begeisterung als Vorwand und schließlich sagte sie zu.
Es steht nicht gerade meisterhaft gut um meine bedauernswerten Bibelkenntnisse, doch ich wusste wie ich meinen mausgrau gekleideten Gegenüber geschickt umwerben konnte.
Noch nie zuvor hatte ich einer noch dazu so netten Nonne gegenübergesessen.
Die Zeit verging und als sie sich wieder auf den Weg machen wollte und eine ohrenbetäubende Organisation von offenbar ohnehin öden Odltimern gerade am Cafe vorbeidröhnte, überkam mich der Drang eine ominöse Operation durchzuführen...
Drei Tage später saß sie bei mir zuhaus auf einem Stuhl und ich bemühte mich redlich sie abzufüllen. Paradisisch prickelnder Pernod und
keineswegs kolumbianischer, sondern köstlicher kenianischer Quastenwein taten ihr Bestes. Sie kannte wohl kaum den alkoholischen Akzent eines Gesöffs,
denn warum sonst sollte eine dem Herrn so treu ergebene - man bemerke: chronische - Radfahrerin ihre ritterliche Reinheit ruinieren?
So kam es, dass sie soff und soff, während ich sarkastisch über den soliden Satzbau des Satzes "du sollst nicht saufen" sinnierte. Selbst solch eine Situation vermochte die Reinheit meines Gewissens nicht zu beflecken.
Tagein tagaus hatte ich die tugendhafte Gottestreue der teuren Nonnen geschätzt und toleriert. Und dort saß sie nun: saß trunkenen Taumels am tragbaren Tisch und ich konnte meinem tierischen Trieb nicht länger trotzen.
Unverwandt umging ich die überdimensionale Urne aus unlakiertem Urbaumholz und begab mich unter übermäßigem Alkoholeinfluss hinüber ins Schlafzimmer.
Dort verließ mich alle Vorsicht und ich kam in einer verführerischen Verkleidung zurück zur frohlockenden Frau...
Was weiter geschah will ich wohl widerstrebend weglassen, denn meine Geschichte soll auch den jungen Lesern nicht verborgen bleiben.
Doch eines ist sicher: nichts ist seitdem wie es war.
Zur zusätzlichen Belustigung meiner zahlenden Busgäste trage ich seither ein zweifellos ernst gemeintes T-Shirt mit der Aufschrift: "Zutritt zur Zeit nur für zügellos züngelnde Nonnen!" auf meiner weiblichen Brust.