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Am Ende bleibt der Wind

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23.11.2016
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Am Ende bleibt der Wind

Albrecht führte den Rotmarder-Pinsel langsam über das Aquarellpapier und tupfte zartes Gelb auf einen grünen Hügel, während der Klapphocker ein Stück im Boden des Geestrückens versank. Eine große Wolke verdeckte das Sonnenlicht, das eben noch die Gräser glänzen ließ. Der Dackel Paul erhob den Kopf von der blau-rot-karierten Decke neben der Staffelei, biss in den Zweig eines Heidekrauts, den der aufkommende Wind gegen seine Schnauze drückte, und spitzte die Ohren, als er das Tuckern eines alten Traktors hörte. Es dauerte nicht lange, da schob sich der Claas ins Bild, dessen hellgrüne Farbe nur noch an wenigen Stellen leuchtete.
»Moin! Na, wieder am Klecksen?«, rief Walther grinsend durchs Fenster der Fahrerkabine.
»Moin, moin. Ich male für meine erste Vernissage!«, rief Albrecht gegen den Wind, die Hand mit dem Pinsel in der Luft.
»Vernissage? Wo?«
»In der Sparkasse!«
»Wen hast’n da bestochen?!«
»Es gibt eben Leute, die etwas von Kunst verstehen!«
»In der Sparkasse?«
Ein Regentropfen fiel aufs Bild, mitten in den Himmel, und das Ultramarinblau blühte aus.
»Mist!«
»Komm rauf. Ich nehm’ dich mit.«
Albrecht packte die Malutensilien ein. Mit einer Handbewegung scheuchte er Paul von der Decke, um sie zusammenzulegen. Ächzend kniete er sich hin und Paul kläffte, als er auf den Arm sprang. Walther streckte Albrecht seine Pranke entgegen, die Haut rau wie alte Eichenrinde. Der Traktor setzte sich in Bewegung. Böen fegten durchs Gras, peitschten Regentropfen gegen die Windschutzscheibe. Die Pfützen des Watts spiegelten das Grau des Himmels wider und in der Ferne trieben Schaumkronen auf den Wellen. Nach kurzer Fahrt bog der Traktor in die Hofeinfahrt zwischen Kuhstall und Wohnhaus ein. Walther lenkte das Gefährt mit Schwung in die Gerätescheune am anderen Ende des Hofes.
»Na, nimmst noch nen kleinen Küstennebel?«, fragte Walther und hielt Albrecht Ölzeug entgegen.
»Einen, vielleicht.«
Der Regen klatschte gegen das Ölzeug, als sie über den Hof liefen. Paul steckte seine Nase tief in die Decke, in die Albrecht ihn gewickelt hatte.
»Schau mal, was für ein Strandgut ich gefunden habe!«, rief Walther, kaum, dass er die Tür geöffnet hatte.
Annemarie hängte Albrechts Ölzeug auf. »Moin Albrecht! Komm rein, wie geht’s?«
»Moin«, brummte Albrecht, zog die Stiefel aus, wickelte Paul aus der Decke und setzte den Dackel behutsam auf den Boden.
»Albrecht ist sauer,«, sagte Walther, »weil der Regen sein Bild versaut hat. Er hat nämlich eine Vernissage! Hätte ich ja nie geglaubt!«
»Weil du nichts von Malerei verstehst«, sagte Annemarie.
»Für mich ist er immer noch ein Schuldirektor und kein Maler!«, sagte Walther. »Komm, Albrecht! Lass uns einen trinken!« Er legte die Hand auf Albrechts Rücken und schob ihn in Richtung Küche, die mit Zwiebelgeruch erfüllt war. Paul lief schnüffelnd voraus.
»Setz dich«, sagte Annemarie. »Hab dich ja schon ewig nicht mehr gesehen. Kommt Ihr zwei zurecht?«
»Jaja, sind ja schon groß!« Albrecht tätschelte Paul, der eingerollt auf dem Schoß lag.
»Ach, Albrecht packt das schon«, sagte Walther, der zwei Schnapsgläser hinstellte und sie mit Küstennebel füllte. Anisduft stieg auf.
»Mir wäre das zu einsam«, sagte Annemarie.
Walther leerte sein Glas in einem Zug: »Bist ja auch ein Stadtkind!«
»Und da will ich auch wieder hin«, antwortete Annemarie, drehte sich um und sagte mit steinerner Miene: »Wir werden alles verkaufen!«
Albrecht verschluckte sich und hustete: »Wie?«
»Na, alles. Und dann gehen wir in die Stadt«, sagte Annemarie.
Walther füllte die Gläser, danach starrte er auf seine Hände.
»Du willst das Haus deiner Urgroßeltern verkaufen?«, fragte Albrecht kopfschüttelnd.
»Was hilft’s«, antwortete Walther und knetete seine Finger. »Annemarie wollte schon immer in die Stadt. Aber viel schlimmer ist das mit dem Windpark.«
»Windpark? Was für ein Windpark?«, fragte Albrecht.
»Seit deine Erika weg ist, bekommst du aber auch gar nichts mehr mit«, sagte Annemarie. »Die bauen einen Windpark.«
»Wo?«
»Na hier.«
»Etwa hier?« Albrecht streckte die Hände in Richtung Fenster.
»Ja, hier. Direkt vor unserer Tür. Und damit auch vor deiner Tür.«
Albrecht kippte den Schnaps hinunter. »Spinnt der jetzt völlig, der Günther?!«
Walther schraubte die Küstennebelflasche auf und füllte nach.
»Der Scheißkerl! Erst Erika und jetzt das. Windpark. Wisst Ihr, was das bedeutet?«, sagte Albrecht. Er kniff die Augen zusammen, als der Schnaps die Kehle herunterlief.
»Das macht der Bürgermeister doch nicht, um dich zu ärgern«, sagte Annemarie in sanftem Tonfall.
»Ach, was weißt du schon!«, rief Albrecht. »Bist nicht von hier! Weißt gar nichts!«
»Albrecht, jetzt ist gut«, sagte Walther, während er die Gläser so füllte, dass der Schnaps überschwappte. Er lachte: »Albrecht hat Günthers Tochter durchs Abi rasseln lassen, vor ewigen Zeiten und ...«
»Das lass ich mir nicht gefallen!«, schrie Albrecht. Er kippte den Schnaps mit Schwung runter. Ein Tropfen lief am Kinn entlang.
Albrecht packte Paul, der zusammenzuckte. Der Stuhl knarzte, als er aufstand. Annemarie schraubte die Schnapsflasche zu.
»Ich bring dich«, sagte Walther.
»Danke. Ich lauf.«

Albrecht bog an der Kreuzung in den Feldweg nach Hause. Den alten Bauernhof bewohnte er in der vierten Generation. Der Wind trug den Duft nach Heidekraut, Moos, feuchter Erde und salzigem Meer heran. Er atmete tief ein. Auf dem Weg blieb er an der Parkbank stehen. Sein Großvater hatte sie an der Grenze zum Grundstück aufgestellt. Die braune Farbe war stellenweise abgeblättert und die Zeit hatte tiefe Furchen ins Holz gegraben, in denen graublaue Flechten wuchsen. Er setzte sich. Sein Blick schweifte in die Ferne, wanderte am Horizont entlang. Nach einiger Zeit schüttelte er den Kopf und pfiff. Pauls Kopf tauchte zwischen Heidekraut und Gräsern auf.
»Windpark. Was soll ich dann malen?«, fragte Albrecht Paul, der jetzt vor ihm saß und an Albrechts Hand leckte. »Komm!«
Vor der Tür blieb Albrecht stehen, um den Briefkasten zu öffnen. Er blätterte durch den Stapel Briefumschläge, während er die Stiefel auszog. Ein gelber Zettel lugte zwischen den Rechnungen hervor. Er begann ihn zu zerknüllen, bis er die Wörter »Windpark« und »Bürgerversammlung« erspähte.
Im Esszimmer stellte er Paul etwas zu Fressen hin. Den gelben Zettel legte er vor sich auf die eichene Tischplatte, zwischen Brotkrümeln und klebrigen Bierresten. Seine Augen wanderten zur Anrichte, auf der früher die Bilder gestanden hatten, von ihm und Erika, und wo jetzt nur noch eine Staubschicht lag. Paul schlabberte Wasser aus dem Napf. Albrecht sah aus dem Fenster, zur alten Scheune, in der noch sein Vater Heu gelagert hatte und dann zurück zur Anrichte, die vom Großvater stammte und die Erika so sehr liebte, dass sie das Möbelstück beim Auszug mitnehmen wollte. Das Geschirr mit dem Friesenmuster stand noch genau so, wie es Erika drapiert hatte. Nur die Goldrandplatte fehlte. Erika hatte ihm erzählt, dass sie zu Günther ziehen wollte, da hat er vor Wut das Porzellan gegen die Wand geworfen. Ausgerechnet das einzige Stück Erinnerung an Erikas Mutter. Am selben Abend hatte sie das Haus verlassen. Albrecht strich über den gelben Zettel. Dann holte er das Telefon und wählte Walthers Nummer.
»Wir gehen zur Bürgerversammlung und verhindern den Windpark!«
»Wie willst du das denn machen?«
»Die meisten sind doch unsere Freunde und Nachbarn. Die wollen auch keinen Windpark.«
»Also deine Freunde kannst du nicht meinen.«
»Aber deine.«
»Die sind alle auf der anderen Seite vom Dorf. Weit weg vom Windpark.«
»Willst du dir etwa das Ding kampflos vor die Nase setzen lassen?«
»Weiß nicht.«
»Walther. Das ist deine Heimat, dein Zuhause. Lass dir das nicht kaputtmachen!«
»Schon.«
»Außerdem ist dein Hof nichts mehr wert, wenn der Windpark kommt. Und dann kannst du das vergessen mit dem Verkauf. Sag das Annemarie. Dann könnt Ihr im Einzimmerappartement hocken, wenn der kommt, der Scheißpark.«
»Albrecht, deine Ausdrucksweise!« Walther lachte.
»Sehr witzig.«
»Aber du hast schon recht. Wenn der Windpark kommt, kauft den Hof kein Mensch. Wer will schon Schlagschatten, Infraschall und den ganzen Mist.«
»Also, gehen wir gemeinsam dahin!«

Der Gemeindesaal war fast voll, als Albrecht durch die Tür schritt. Er hatte einen dunkelblauen Anzug an, der am Bauch spannte. Albrecht atmete tief ein, sog den Duft von Bohnerwachs in die Lungen, streckte die Brust raus und setzte seine Schülerschreck-Miene auf, mit der er früher durch das Schulhaus marschiert war. Er nickte den Leuten zu, während er sich an den Stuhlreihen vorbei zu Walther schob, der mit Annemarie am Rand stand. Sie begrüßte ihn nur mit einem knappen Moin.
»Ah, da ist er ja der Schuldirektor«, sagte Walther. »Wo setzen wir uns hin?«
»Albrecht«, sagte Günther, der Bürgermeister, hinter ihnen, »was willst du denn hier?«
Albrecht streckte den Rücken durch, während er sich herumdrehte. Er machte einen Schritt auf Günther zu, sodass dieser den Kopf in den Nacken legen musste, um zu ihm hochzublicken. Walther stellte sich so dicht neben Günther, dass seine Schulter gegen Günthers Ohr stieß.
»Ich bin hier, um deinen Windpark zu verhindern!«, sagte Albrecht.
»Na dann, viel Spaß«, lachte Günther, wandte sich ab und stolzierte nach vorne zu der Tischreihe am Ende des Saals. Dort angekommen setzte er sich in die Mitte, an den Platz, wo ein kleines Schild mit dem Wort »Bürgermeister« stand. Nachdem er einen Schluck Wasser getrunken hatte, lächelte er in die Menschenmenge vor ihm.
Günther eröffnete die Versammlung, erzählte etwas vom Planungsstand und auch darüber, wie dringend die Gemeinde das Geld benötigte, welche Vorteile sich er und der neben ihm sitzende Gemeinderat erhofften und dass der Windpark ja weit genug weg vom Dorf sei und daher praktisch niemand dadurch beeinträchtigt werde. Das war das Stichwort und Albrecht stand auf:
»Natürlich werden wir beeinträchtigt. Wir wohnen schließlich direkt daneben.« Albrecht zog an Walther, sodass der auch aufstand.
»Ja, da sind tatsächlich zwei alte Bauernhöfe, die direkt an den Windpark angrenzen«, sagte Günther. »Diese sind nicht mehr bewirtschaftet und die einzigen, die direkt von dem Windpark betroffen sind. Natürlich gibt es eine entsprechende Entschädigung, falls ein Schaden entstehen sollte.«
»Meine Familie wohnt dort seit Generationen. Man kann mir doch nicht einfach so einen Windpark vor die Nase setzen! Ich lasse mich nicht vertreiben! Meine Heimat vernichten! Unsere Landschaft verschandeln!«
Die Menschen im Saal murmelten, einige nickten.
»Wollt ihr das? Überall die Windräder? Schlagschatten? Surren von den Generatoren? Infraschall?« Albrecht ließ seinen Blick über die Menschen wandern.
»Das mit dem Infraschall ist nicht erwiesen«, sagte Günther. »Und den Schlagschatten sieht niemand, das haben wir berechnet.«
»Aber wir wollen doch nicht die Identität unseres schönen Dorfes zerstören; jahrhundertealte Traditionen und die Aussicht. Wie sieht das denn aus? Überall diese Windräder!«
»Hier ist so viel Platz«, sagte Günther, »und gehören die Windräder nicht mittlerweile sogar zu unserer Identität? Zu unserem Landschaftsbild? Aber abgesehen davon. Wir haben sonst keine großen Einnahmen und mit dem Windpark können wir endlich die Straßen reparieren.«
»Ja«, rief einer aus der Menge, »ich hatte letztens einen Achsenbruch wegen der Schlaglöcher!«
»Außerdem braucht der Windpark einen Internetanschluss«, sagte Günther, »und ich habe dem Betreiber das Versprechen abgerungen, dass wir das Glasfaserkabel für den Windpark auch benutzen können! Das heißt schnelles Internet für alle!«
Ein aufgeregtes Raunen füllte den Raum.
Albrecht schüttelte den Kopf. Er stupste Walther in die Seite.
»Es kann doch nicht sein, dass Internet wichtiger ist als die Natur!«, rief Albrecht.
»Wir benutzen nur eine relativ kleine Fläche, um damit die Zukunft unseres Dorfes zu sichern«, sagte Günther und dann rief er: »Die Zukunft für unsere Kinder. Denn ohne Internet sind wir hier abgehängt. Und das ist die einzige Chance, es zu bekommen! Diese Gelegenheit dürfen wir uns nicht entgehen lassen!« Beim letzten Satz haute er auf den Tisch, dass die Gläser klirrten.
Die Leute klatschten.
»Also, wer für den Windpark ist«, fuhr Günter fort, »der hebe hier und jetzt die Hand!« Alle im Saal hoben die Hand, bis auf Walther, der auf die Spitzen seiner Gummistiefel starrte, und Albrecht, der sich mit hängenden Schultern auf seinen Stuhl fallen ließ. Annemarie schaute aus dem Fenster und zuckte erschrocken, als Walther gegen ihren Fuß trat.
Nach dem Ende der Versammlung ging Albrecht kopfschüttelnd nach draußen: »Internet für alle!«
»Du musst eben mit der Zeit gehen«, sagte Annemarie.
»Mit der Zeit? Quatsch. Zu einem Anwalt muss ich gehen!«, rief Albrecht, während er seinen weinroten Mercedes öffnete, in dessen Heckscheibe ein ausgeblichener Aufkleber »Atomkraft? Nein danke« prangte, der sich stellenweise gelöst hatte.

Als Albrecht vom Termin in der Kanzlei nach Hause kam, sprang Paul schwanzwedelnd an den Beinen hoch und schnappte sich den Kalbsknochen, den Albrecht auf dem Heimweg beim Metzger besorgt hatte.
»Wir bleiben hier«, sagte Albrecht und setzte sich neben den Dackel. Die Finger glitten zärtlich über seinen Kopf. Nur das Nagen am Knochen unterbrach die Totenstille.

Albrecht und Walther saßen auf der Bank vor Albrechts Haus. Die Sonne schien ins Gesicht und ließ den Küstennebel in den Gläsern glitzern. Vor ihnen, auf dem nassen Kiesboden, lag ein Brief von Herrn Dr. Müller.
»Klage abgewiesen«, sagte Albrecht, nahm einen Schluck und trat auf den Umschlag.
»War doch zu erwarten«, antwortete Walther.
»Was hilft der ganze Rechtsstaat, wenn es keine Gerechtigkeit gibt?«
Paul sprang über den Hof. Eine Möwe flog davon.
»Gerechtigkeit gibt es nur für die Reichen«, sagte Walther. Er leerte das Schnapsglas in einem Zug. »War schon immer so!«
»Und. Ziehst jetzt weg?«, fragte Albrecht.
»Hat doch keinen Sinn.«
»Aber du und in der Stadt leben? Das ist doch nichts für dich.«
Walther drehte das Schnapsglas in den Fingern und ließ einen Tropfen der klaren Flüssigkeit hin- und herrollen.
»Womöglich in einer Wohnanlage, mit lauter Menschen um dich rum. Die gehen dir doch auf den Senkel.«
»Ja. Und wie. Aber der Park wird kommen.«
Walther zeigte nach links. Ein silbergrauer Range Rover näherte sich schnell auf dem Feldweg, bog in die Hofeinfahrt und blieb mit scharfer Bremsung stehen, sodass Kiessteine durch die Luft flogen. Paul sprang auf das Auto zu. Er bellte, als die Fahrertür aufging.
»Hier!«, rief Günther, ein Stück Papier in der Hand, »Jetzt hast du es schriftlich, du sturer Bock! Ich wusste es doch. Du kannst nicht gewinnen. Nicht gegen die Zukunft und schon dreimal nicht gegen mich!«
»Ich bin schon informiert!«, sagte Albrecht. »Die Fahrt hättest dir sparen können!«
»Ich überbringe dir noch eine andere Nachricht!«, rief Günther, der immer noch hinterm Auto stand. »Deine Vernissage findet nicht statt!« Er grinste und stierte zu Albrecht herüber, der reglos auf der Bank saß.
»Hast du gehört?«, fragte Günther nach.
Albrecht drückte plötzlich Walther das Schnapsglas in die Hand, sprang auf und griff nach dem Reisigbesen neben der Bank.
»Siehst du das?«, sagte er in Richtung von Walther und zeigte auf Günther. »Da ist ein riesiger Dreckhaufen! Mitten im Hof! Da muss ich mal kehren!«
Albrecht stampfte los. Günther sprang ins Auto. Er zuckte zusammen, als der Reisigbesen auf das Autodach niedersauste. Der Motor heulte auf. Paul blieb stehen und bellte. Der Reisigbesen landete ein weiteres Mal auf dem Autodach. Der Rover machte einen Satz nach vorne und stoppte abrupt. Paul winselte jämmerlich. Albrecht ließ den Besen fallen, sank auf die Knie, hielt die Hände vors Gesicht und brachte nur ein kehliges, abgeschnürtes Nein heraus. Nach einer kleinen Ewigkeit kam Walther angelaufen und kroch unters Auto. Er zog ein Bündel aus Fell und Blut hervor. Albrecht schluchzte, während das Blut von Walthers Fingern tropfte, und krümmte sich nach vorne, den Kopf zwischen den Händen vergraben.

Nach einem langen, nasskalten Winter mit vielen Stürmen stand Albrecht am Zaun seines Gemüsegartens, neben dem Tor, dort, wo ein kleines Steingrab an Paul erinnerte. Er beobachtete, wie die ersten Bagger zum Grundstück des geplanten Windparks fuhren. Eine Faust ballte sich in der Tasche. Er trat gegen den Zaun, so heftig, dass sich ein Brett löste. Er marschierte los, bog auf den Feldweg zu Walthers Hof, vorbei an den Resten der Parkbank, die eine Woche zuvor ein LKW auf dem Weg zur Baustelle des Windparks umgefahren hatte, wobei er keinen Blick darauf verschwendete, sondern nur auf den braunen Kies vor sich starrte. Nach einer Weile hallten seine Schritte in Walthers Hofeinfahrt.
Annemarie öffnete die Tür: »Moin Albrecht. Na, was gibt’s so früh?«
»Wo ist Walther?«
»Der ist beim Frühstück. Komm rein.«
Albrecht schlüpfte aus den Stiefeln und steuerte in die Küche, wo Walther gerade an einer Tasse Kaffee nippte.
»Albrecht, was willst du um die Zeit hier?«
»Es geht los! Die Bagger kommen. Wir müssen was tun. Jetzt! Sofort!«
»Albrecht ...«
»Du bist mir das schuldig!« Albrecht setzte sich neben Walther und legte seine rechte Hand auf Walthers linken Arm, um ihn am Kaffeetrinken zu hindern.
»Nichts ist er dir schuldig«, sagte Annemarie.
»Was weißt du schon?«, antwortete Albrecht.
»Was soll das heißen?«, fragte Annemarie. Sie setzte sich gegenüber an den Tisch. »Wieder so ein altes Dorfgeheimnis?«
»Quatsch«, sagte Walther.
»Vielleicht will Walther es dir selbst erzählen?«, sagte Albrecht. »Hast du einen Kaffee?«
Annemarie holte eine Tasse, füllte sie mit frischem Kaffee. Beim Hinstellen schwappte Flüssigkeit heraus. Albrecht tippte mit dem Zeigefinger in die Kaffeepfütze und malte kleine Kringel.
»Was soll er erzählen?«, fragte Annemarie, die Walther tief in die Augen sah.
»Albrecht hat mir mal den Arsch gerettet«, sagte Walther.
»Kannst du mal Butter bei die Fische geben?«, sagte Annemarie so laut, dass Albrecht zusammenzuckte.
»Wir waren jung, dumm und betrunken«, fing Walther an.
»Ja, blabla«, antwortete Albrecht. »Lange Rede kurzer Sinn: Walther ist im Winter betrunken in die Scheune vom Bertram gerast. Ich war dabei, habe gesagt, dass es rutschig und neblig war und der Walther nichts dafür konnte. Deswegen hat der Bertram auch nicht die Polizei geholt. Und deswegen schuldet er mir was!«
»Was hast du vor?«, fragte Walther, während er sich mit der Hand am Kopf kratzte.
»Ihr mit euren Geschichten«, sagte Annemarie. »Ich hab es so satt, diese Geschichten.« Sie knüllte das Geschirrhandtuch zusammen, das sie geholt hatte, um den Kaffee aufzuwischen, und schmiss es ans Tischende.
»Wir blockieren die Straße«, sagte Albrecht. »Du mit deinem Traktor und ich mit meinem Auto. Und dann ketten wir uns an die Fahrzeuge. Wir machen einen Streik. Dann kommt die Zeitung und ...«
»Als ob sich die Presse für euch alte Säcke interessiert«, lachte Annemarie.
»Was soll das bringen?«, fragte Walther, die Hände hebend.
»Aufmerksamkeit. Und Zeit. Und Zeit kostet den lieben Günther Geld. Viel Geld.«
»Wie kommst du da drauf?«, fragte Walther.
»Erika hat es mir erzählt, als sie vorbeikam wegen Paul. Weißt schon, um sich für den Drecksack Günther zu entschuldigen.«
»Was hat sie erzählt?«
»Dass der Günther beteiligt ist am Windpark, als Investor, hat einen Haufen Anteilsscheine gekauft und dafür einen Kredit aufgenommen hat. Einen hohen Kredit. Und er muss Zinsen zahlen.«
»Glaubst du wirklich, die paar Zinsen stören ihn?«, fragte Walther.
»Hast du eine bessere Idee? Außerdem, du ...«
»Ja, ich schulde dir was«, vollendete Walther den Satz. Er stand auf und trug seine Tasse zur Spüle. »Na gut, ich ...«
»Das ist nicht dein Ernst!«, rief Annemarie. »Bist du jetzt von allen guten Geistern verlassen?«

Die Kiesstraße war übersät mit Schlaglöchern. Es fing an zu regnen. Der Scheibenwischer erzeugte einen dichten, braunen Schmierfilm. Auf dem Beifahrersitz lag eine rostige Kuhkette mit einem Vorhängeschloss. Sie klimperte im Takt mit den Schlangenlinien, die Albrecht teilweise recht abrupt fuhr, um den Schlaglöchern auszuweichen. Die Bremsen quietschten, als Albrecht eine Vollbremsung machte, um nicht gegen das Mähwerk zu fahren. Die Kette rutschte vom Sitz. Der Traktor scherte nach links aus und gab die Sicht auf den Bauzaun mit dem Zufahrtstor frei. Mit wenigen Zügen hatte Walther den Traktor vor dem Tor platziert. Albrecht stellte seinen Mercedes als weitere Hürde quer auf die Straße.
»Die werden Augen machen«, rief Albrecht, als er aus dem Auto stieg. Er rieb sich die Hände.
»Ganz schön ungemütliches Wetter«, sagte Walther durch die offene Fahrertür.
»Ach, das ist nur ein kurzer Schauer«, sagte Albrecht.
»Sieht nicht so aus!« Walther nickte in Richtung Meer. Eine dunkle Wolkenfront zog heran. »Deswegen fühle ich mich heute so komisch. Das ist ein Sturmtief!«
»Wir müssen uns ans Lenkrad ketten.«
»Ich weiß nicht«, sagte Walther.
»Schnell«, antwortete Albrecht und zeigte auf die Straße, »da kommt schon einer!«
Walther stieg in den Traktor und Albrecht ins Auto. Wenige Sekunden später kam ein Kiestransporter knapp vor dem Mercedes zu stehen. Regen peitschte gegen die Scheibe. Der aufziehende Sturm brachte den Wagen zum Schwanken. Der Fahrer des Kieslasters fing an zu hupen, erst kurz, dann mehrmals hintereinander, dann immer länger. Albrecht lachte. Der Fahrer zeigte ihm einen Vogel und gestikulierte wild in seiner Kabine, aber Albrecht lachte weiter. Schließlich öffnete sich die Tür und der Fahrer kam die wenigen Meter durch den Regen zu ihm gelaufen, klopfte an die Scheibe und brüllte, dass er wegfahren solle. Albrecht schüttelte den Kopf. Der Fahrer rüttelte an der Tür, ließ aber sofort wieder ab, als er merkte, dass sie verschlossen war. Er holte ein Telefon aus seiner Tasche, lief zum LKW zurück und telefonierte.
Der Sturm gewann an Kraft. Er fegte den Regen fast horizontal übers Land. Albrecht stellte das Radio an, legte seine Lieblingskassette ein, Mahlers Fünfte, und klopfte zu strahlenden Bläserklängen im Takt auf das Lederlenkrad. Aus einer Papiertüte holte er ein Pumpernickel. Der LKW-Fahrer versuchte es noch einmal mit einem Hupkonzert, das aber in den Sinfonieklängen unterging. Danach gab es nur noch die Musik und das Tosen des Sturms. Wasserschlieren liefen über die Windschutzscheibe. Der Wind drückte gegen das Auto, als ob er für die Baustellenfahrzeuge Platz machen wollte. Albrecht konnte den Traktor nur schemenhaft erkennen. Er zog die Decke unterm Beifahrersitz hervor, auf der Paul immer gelegen hatte und wickelte sich in ihr ein.
Nach einer Stunde kamen nur noch ein paar Tropfen vom Himmel. Plötzlich sah Albrecht Günther mit dem LKW-Fahrer auf ihn zulaufen. Schon von Weitem schrie er, was das solle und dass er sich das nicht gefallen lassen werde. Albrecht zog die Decke enger um sich herum, als Günther heftig gegen die Fensterscheibe schlug: »Mach auf!«
Albrecht fädelte seine linke Hand aus der Decke und kurbelte das Fenster herunter, sodass ein kleiner Spalt entstand, zu schmal, um eine Hand durchzustecken.
»Was ist?«, fragte Albrecht grinsend.
»Du fährst hier weg! Sofort!«
»Da kannst du lange drauf warten.«
Der LKW-Fahrer schüttelte den Kopf.
»Können Sie den Irren nicht mit dem Laster wegschieben?«, fragte Günther den Fahrer, der nur antwortete: »Ne, damit möcht ich nichts zu tun haben!«
»Na gut! Du willst es nicht anders!«, sagte Günther und marschierte zum Traktor, den der Regen saubergewaschen hatte und dessen Grün leuchtete wie lange nicht mehr.
Günther kletterte die erste Stufe zum Führerhaus hoch und brüllte, dass ihm das noch leidtun werde. Er sprang vom Traktor und landete mit seinen Lackschuhen in einer tiefen Pfütze. Ockerfarbener Schlamm überzog die Schuhe und das erste Drittel der Anzugshose. Er telefonierte.
Nach kurzer Zeit sammelte sich ein Trupp Bauarbeiter, auf die Günther einredete und dann brüllte: »Wer das hier schnell beendet, bekommt Anteilsscheine! Viele Anteilsscheine!« Aus dem Tor kam ein weiterer Arbeiter und stapfte auf die Gruppe zu. Er hielt einen Bolzenschneider hoch, worauf die Gruppe mit Applaus reagierte.
Ein Typ, Oberarme wie ein Baumstamm, schnappte sich den Bolzenschneider und stampfte auf den Traktor zu, die Arme leicht angewinkelt, sodass sich die Muskeln durch den gelben Regenmantel abzeichneten. Albrecht kurbelte das Fenster herunter.
»So!«, schrie der Typ, als er auf die erste Stufe stieg, »Du alter Sack kommst jetzt hier raus!«
Die Gruppe johlte.
»Lass mich in Ruhe!«, schrie Walther.
Der Typ riss an der Fahrertür, die nicht verschlossen war. Albrecht sah, wie Walther dunkelrot im Gesicht wurde vor Anstrengung, die Tür zuzuhalten.
»Halt durch!«, rief Albrecht. »Gib nicht auf!«
Da schrie einer aus der Gruppe »Dich krieg ich!« und lief auf Albrecht zu, der schnell die Fensterkurbel greifen wollte, dabei aber die Hand in der Decke verhedderte. Albrecht schaute auf die Decke, dann auf den Mann, der auf ihn zueilte, riss an der Decke, ruderte mit den Armen, bekam die Kurbel zu greifen, drehte mit beiden Händen, sah, wie sich der Spalt ein wenig verkleinerte, dann Finger, die durch den Spalt kamen, und drehte nochmals ruckartig an der Kurbel.
»Ahh!«, schrie der Mann, trat gegen die Fahrertür, sodass das Auto wackelte, zog die Finger aus dem Spalt, hob einen Stein auf und schleuderte ihn gegen die Windschutzscheibe, auf der sich spinnennetzartig Risse von der Aufschlagstelle ausbreiteten.
»Lass mich!«, rief Walther.
Albrecht sah, wie der Mann mit den dicken Oberarmen einen Fuß gegen das Führerhaus stemmte und am Türgriff zog, das Gesicht schweißnass. Unter ihm stand ein anderer Arbeiter. Er hielt den Bolzenschneider, den er aber fallen ließ, um dann ebenfalls auf die erste Stufe zu klettern. Mit seinen Händen um den Türgriff herum rief er: »Auf Drei!«
»Haut drauf«, rief Günther, »den alten Schrottkarren kann ich locker ersetzen!«
In dem Moment krachte ein Stein auf die Heckscheibe von Albrechts Auto.
Zwei weitere Arbeiter holten Betonsteine vom Bauzaun und schleppten sie zum Mercedes.
Walther schrie: »Du kommst nicht rein!« Seine Faust schlug auf die Nase des Mannes mit den dicken Oberarmen. Blut tropfte auf den gelben Mantel. Der Mann schrie, sodass Albrecht zusammenzuckte, holte aus und traf Walther mit voller Wucht im Gesicht.
In dem Moment krachte einer der Betonsteine durch die Heckscheibe und landete auf der Rücksitzbank. Splitter flogen umher und Albrecht riss die Hände hoch, um die Decke schützend über sich zu halten, wobei seine Hände so sehr zitterten, dass Glassplitter von der Decke rieselten.
Plötzlich tönte aus einem Megaphon »Stopp! Polizei!« Albrecht ließ langsam die Hände sinken. Für einen Moment war nur das entfernte Rauschen des Meeres zu hören.
»Da stimmt was nicht«, rief der Mann mit den dicken Oberarmen. »Holt einen Krankenwagen!«

Albrecht stieg aus dem Taxi, das direkt vorm Haupteingang des Krankenhauses hielt, drückte dem Fahrer zwanzig Euro in die Hand, schlug die Tür hinter sich zu und starrte auf die automatische Eingangstür. Nach einem Seufzer zupfte er an der blauen Schleife, die er um den Hals einer Flasche Küstennebel gebunden hatte. Er atmete tief ein und aus. Dann stieg er die Stufen nach oben zum Eingang.
An der Information fragte er nach der Zimmernummer von Walther. Nachdem er sie bekam, schlich er langsam davon, wie jemand auf dem Weg zum Schafott.
Im Fahrstuhl deutete eine alte Frau auf seine linke Hand: »Alkohol ist hier nicht erlaubt!«
Albrecht umklammerte die Flasche, sodass die Knöchel weiß wurden, und fixierte die Tür, bis sie sich öffnete. Er hastete nach draußen, ohne sich umzudrehen. In einem Bett, das auf dem Gang stand, lag ein Patient. Er stöhnte, während die Infusion in den linken Arm floss. Die Augen waren geschlossen, der Atem flach.
Albrecht schluckte, schlich den Gang entlang bis zum Ende und blieb vor Walthers Tür stehen. Er drehte die Flasche in der Hand, sah sie lange an, zupfte an der Schleife, die aber wieder in ihre schiefe Stellung zurückkehrte. Sein rechter Mittelfinger formte ein Dreieck, doch die Hand stoppte einen Zentimeter vor der Türfläche. Eine Träne rann die linke Wange herunter, die er sofort wegwischte, um dann einmal kräftig zu klopfen. Kein Laut drang zu ihm. Langsam drückte er die Klinke nach unten.
Walther lag im hinteren Bett, das vordere war leer. Annemarie saß auf einem Stuhl und streichelte die freie Stelle auf Walthers Stirn, neben dem Verband. Das linke Auge war zugeschwollen, die linke Wange war dick. Verkrustetes Blut klebte an der Augenbraue, in der Nase und an der Unterlippe. Ein Schlauch steckte im Mund, die Brust hob sich regelmäßig. Monitore zeigten die Vitalfunktionen an. Walther lag nur da, ohne sich zu rühren.
»Wie geht es ihm?«, fragte Albrecht, wobei das ihm in einem kratzig-gurgelndem Geräusch unterging.
»Herzinfarkt«, sagte Annemarie, ohne den Kopf zu heben.
Albrecht hob die Flasche in seiner Hand ein Stück, ließ sie dann aber wieder sinken. »Wird er wieder?«
»Weiß man noch nicht«, sagte Annemarie. Sie hob den Kopf und starrte ihn an, die Augen verengt. Dann sagte sie: »Das ist deine Schuld! Deine!«
Albrecht ließ den Kopf sinken. Er nestelte an der Schleife herum. Sein Räuspern unterbrach das Piepsen des Herzmonitors: »Das sollte nicht passieren. Das war ganz anders ...«
»Aber«, sagte Annemarie gefolgt von einem Schluchzen: »Es ist passiert! Ich wollte doch nur einen schönen Lebensabend mit meinem Walther. Ohne Plackerei. Ohne diesen verdammten Hof, diese verdammte Einsamkeit!«
»Es tut ...«, sagte Albrecht so leise, dass es kaum zu hören war.
Annemarie ließ den Kopf sinken: »Ohne dich säßen wir schon längst in der Wohnung. In der Stadt! So, wie wir es immer wollten!«
»Wie du es immer wolltest!«
»Nein, nein. So wie wir es immer wollten! Walther hat das nur wegen dir gemacht. Nur für dich. Der alten Zeiten wegen.« Annemarie hob den Kopf und schaute Albrecht in die Augen: »Aber jetzt ist Schluss! Schluss, verstehst du?«
Albrecht nahm die Flasche in die rechte Hand: »Hier, kannst ...?«
»Lass! Geh! Bitte geh. Und komm nicht wieder.«

»Sieh doch nur«, sagte Walther, als er auf der Düne stand, von der aus man den Windpark sehen konnte.
Annemarie stellte sich neben ihn, der Wind zerzauste ihre grauen Haare. Walther hielt seine Schirmmütze fest. Wolken jagten über den Himmel. Das Surren der Windräder war überall. Die Schlagschatten der Rotorblätter zogen zusammen mit den Schatten der Wolken über das Heidekraut.
»Dort drüben«, sagte Walther. Sein Finger zeigte auf das Ende des Parks, auf eine Lücke zwischen zwei Windrädern: »Dort stand unser Haus.«
Annemarie lächelte: »Ja, da stand es. Ich fass es immer noch nicht, wie viel die für die alte Hütte bezahlt haben!«
»Schöne Zeiten waren das!«
»Aber auch Schwere!«
»Wie es wohl Albrecht geht?«, fragte Walther. Er nickte in Richtung des alten Bauernhauses, das am Rande des Windparks stand.
»Vermisst du ihn?«, fragte Annemarie und nahm Walthers Hand.
»Schau mal! Da drüben!«
Walther lief die Düne herunter. Er nahm einen Weg zwischen Gräsern und Hagebuttensträuchern, der sich einen kleinen Hügel herauf schlängelte, auf dessen Spitze eine Staffelei stand. Annemarie lief hinterher.
»Das ist Albrechts Staffelei«, sagte Walther zu Annemarie, die schnaufend neben ihm hinterherkam.
»Woher weißt du das?«, fragte Annemarie.
»Ganz einfach. Siehst du, da unten am Fuß, da hat der Paul immer drauf rumgebissen.«
»Komisches Bild«, sagte Annemarie, die auf das eingespannte Papier zeigte.
»Ja, nur ein paar bunte Kleckse«.
»Weißt du, was das ist?«
Walther zuckte mit den Schultern.
»Mach mal einen Schritt zurück!«
Walther stolperte rückwärts und studierte das Aquarellbild.
Annemarie stand neben ihm, ein Lächeln auf den Lippen: »Siehst du die Windräder?«
»Ja, jetzt sehe ich sie! Er hat ihnen keine Farbe gegeben!«
»Sondern nur die Landschaft drum herum gemalt.«
Walther schmunzelte: »Na, viel musste er da nicht malen! Aber, wo ist er?«
Annemarie drehte sich langsam um die eigene Achse: »Da sind Spuren!«
Walther rief nach Albrecht, doch er bekam keine Antwort. Auf der letzten Düne am Meer sah er, dass die Fußabdrücke am Strand entlang führten. Ein Schlagschatten tauchte sie für kurze Zeit ins Dunkel, bevor eine Welle der ankommenden Flut sie fortspülte.

 

Hallo Geschichtenwerker,

ich stürze mich zum Beginn meines Zwischen-den-Jahren-Kommentiermarathons erst mal auf die Geschichte, die noch nicht mehrere Seiten Kommentarthread hat, da ist es einfacher, noch ein halbwegs originelles Feedback zu geben. :)

Deine Geschichte hat mich von der Idee her sehr an den Roman "Unterleuten" von Juli Zeh erinnert. Da ist es auch so, dass ein neuer Windpark quasi als Katalysator wirkt, der in einem kleinen Dorf lauter alte Feindschaften wieder hoch kochen lässt.

Du hast dich auf eine viel kleinere Zahl von Figuren beschränkt, was zu einer Kurzgeschichte auch viel besser passt. Und ich finde die auch gut gelungen, ich konnte mir alle Figuren gut vorstellen und ihre Beweggründe nachvollziehen.

Die Hauptfigur Albrecht hast du besonders eindrücklich gezeichnet. Der ist mir ... ich will nicht sagen unsympathisch, denn auf der einen Seite tut er mir schon leid - ich meine, Leute, denen ein Hund tot gefahren wird, da kann ich gar nicht anders. Auf der anderen Seite zeigst du deutlich, dass er ein schwieriger Mensch ist. Der macht sich seinen "Gegenwind" zum großen Teil selbst, habe ich den Eindruck.

Was aus meiner Sicht vielleicht noch nicht ganz rund ist an der Geschichte, ist das Aufschaukeln des Konflikts. Tut mir leid, dass ich so drauf rumreite, aber da muss ich noch mal einen Vergleich mit "Unterleuten" anbringen - da hat das Ganze einfach mehr Raum, um sich zu entfalten. Da passieren zwar auch sehr dramatische Sachen, aber man verfolgt halt mit, wie die sich langsam entwickeln, und man kriegt einen sehr genauen Einblick in die Köpfe der Beteiligten, weil die Perspektive in jedem Kapitel wechselt.

Hier kommen mir die Reaktionen - wie schnell es z.B. zu Gewalttätigkeiten durch die Bauarbeiter kommt - teilweise überzogen vor. Dass Günther und Albrecht sich schnell an die Gurgel gehen, weil es zwischen den beiden eine konfliktträchtige Vorgeschichte gibt, das kann ich gut nachvollziehen. Aber die Arbeiter - für die ist es zwar doof, wenn sie da erst mal nicht weitermachen können, aber ich bin ziemlich sicher, dass sie in solchen Fällen trotzdem bezahlt werden, auch wenn's erst mal nicht weiter geht. Also dass die da gleich körperliche Gewalt einsetzen und bereit sind, sich strafbar zu machen - in Anwesenheit der Polizei, wohlgemerkt - das kauf ich dir nicht so ohne weiteres ab. Sicher hat jemand wie der Günther Einfluss auf die Leute, denen er mit dem Windpark vielleicht die Arbeitsplätze gesichert hat - andererseits ist die Frage, sind das tatsächlich Leute aus dem Dorf und nicht eher Mitarbeiter von irgendeiner großen Firma, die den Windpark dahin setzt, die ihn dann vielleicht gar nicht näher kennen dürften. Und selbst wenn das Leute aus dem Ort sind - der Günther ist ja nur ein Dorfbürgermeister und kein Chef einer Miliz oder so. Ich weiß, es kann leider recht schnell gehen, dass sich scheinbar anständige Menschen zu einem Mob formen - aber so schnell nun auch wieder nicht.

Wenn die Blockade tagelang andauern würde und sich auf beiden Seiten die Agressionen hochschaukeln, dann würde es mir vielleicht eher plausibel erscheinen. Aber jemanden krankenhausreif prügeln, weil man an einem Tag nicht auf die Baustelle fahren kann, das ist schon sehr heftig (das was die da treiben, die Steinewerferei und so weiter, das wäre ja auch ohne den Herzinfarkt übel ausgegangen).

Auch der Schluss kommt mir ein bisschen arg melodramatisch vor. Einerseits kommt natürlich viel für Albrecht zusammen. Frau weg, bester (einziger?) Freund weg, Hund tot, keine Vernissage und die Landschaft, die er so gerne malt, ist in einer Art und Weise verändert, die ihm sehr gegen den Strich geht und ihn bestimmt an seine vielen Niederlagen erinnert. Andererseits habe ich von ihm den Eindruck, das ist keiner, der deswegen einfach aufgeben würde. Noch mehr verbittern, das ja. Aber bei solchen Leuten ist es dann glaube ich auch so, dass sie gerade wegen dieser Verbitterung am Leben festhalten. Vielleicht in der Hoffnung, den Günthers dieser Welt doch irgendwann noch eins auswischen zu können.

Zum Schluss noch ein bisschen gesammeltes Strandgut:

Eine große Wolke ließ das Sonnenlicht verschwinden, das eben noch Gräser zum Glänzen brachte.

Ich hege zwar so langsam die Befürchtung, dass ich mich mit dem Tod des Plusquamperfekts irgendwann einfach abfinden muss, weil es kaum noch jemand im Gefühl hat und freiwillig benutzt. Und die Sprache entwickelt sich nun mal und man muss das Neue akzeptieren, so wie halt auch Windparks gebaut werden müssen, aber ... :)

eigentlich müsste es halt heißen "das eben noch Gräser zum Glänzen gebracht hatte"

Seine Augen wanderten zur Anrichte, auf der früher die Bilder standen, von ihm und Erika, und wo jetzt nur noch eine Staubschicht lag.
dito: gestanden hatten

Erika hatte ihm erzählt, dass sie zu Günther ziehen wollte, da hat er vor Wut das Porzellan gegen die Wand geworfen. Ausgerechnet das einzige Stück Erinnerung, das Erika von ihrer Mutter hatte. Am selben Abend verließ sie das Haus.
hatte; Am selben Abend hatte sie das Haus verlassen

Albrecht atmete tief ein, sog den Duft von Bohnerwachs in die Lungen, streckte die Brust raus und setzte seine Schülerschreck-Miene auf, mit der er früher durch das Schulhaus marschierte.
marschiert war

»Natürlich werden wir beeinträchtig.
beeinträchtigt

Damals bei der Scheidung rief er Erika zu, dass er immer mit ihr verheiratet sein wird, egal was das Gericht sagte, egal wie oft sie mit Günther schlief.
... hatte er Erika zugerufen, dass er immer mit ihr verheiratet sein werde, ...

»Gib ihn einen im Schweinestall, da gehört er hin«, lallte Albrecht, »und die Drecksfotze erst recht«.
ihm

»Jetzt reichts!«, sagte Günther.
reicht's

Annemarie holte eine Tasse, füllte sie mit frischem Kaffee. Beim Hinstellen schwappte Flüssigkeit heraus.
Hier ausnahmsweise kein Gemäkel. :) Ich wollte nur sagen, dass ich das gut finde, wie die Art des Hinstellens der Kaffeetasse schon etwas darüber aussagt, was Annemarie von Albrecht hält. Das machst du in der Geschichte insgesamt sehr gut, so kleine Sachen, die Figuren charakterisieren.

»Als ob sich die Presse für euch alten Säcke interessiert«, lachte Annemarie.
alte

Grüße von Perdita

 

Gude Geschichtenwerker,

du hast eine verdammt gute Geschichte geschrieben. Eine verdammt schreckliche.
Mich hast du voll gekriegt. Die Länge deiner Geschichte (für eine Kurgeschichte) lohnt sich, denn dadurch entfalten sich die Charaktere und ich freunde mich mit ihnen an. Dann der Unfall mit dem Hund, auch noch nach dem gestorbenen Kind benannt, dann der Angriff auf den Freund. Das trifft und bei mir hat sich beim Lesen einiges zusammengezogen.

Das Ende (also ab "Sieh doch nur") hat mich stutzig gemacht und hat für mich etwas Traumartiges. Die perfekte Konstellation der Gegenstände, das Bild, die Spuren im Meer. Ich lese das nicht als Ereignis, sondern als letzten Traum, wie sich vielleicht Albrecht ein "Happy End" wünschen würde. Die "Realität" (meiner Lesart nach) ist ja im großen Fiasko zugrunde gegangen und eine Quittung hat Günther wahrscheinlich auch nicht bekommen (Anstiftung zu schwerer Körperverletzung ...? Naja, wenn ich das so grob nachlese, stehen da die Chancen in der Situation hier schlecht :( ). Grässlich und ich bin zugegebenermaßen froh, als es vorbei ist. Also offensichtlich hat deine Geschichte richtig gut funktioniert. (Günther ist ein ... ).
Es bleibt die Frage, ob meine Lesart dem entspricht, was du kreieren wolltest.

Hinsichtlich deines Texts habe ich nur zwei Kritikpunkte:
1.

»Erzähl mir nichts. Ich habe dich dreimal so trinken sehen. Das erste Mal, als ihr das Kind verloren habt. Wie hieß das Ungeborene doch gleich?«
»Paul«, antwortete Albrecht.
»Richtig. Paul. Das zweite Mal war, als die Erika bei dir ausgezogen ist.«
»Lass die ollen Kamellen.«
-> Das ist mir ein wenig zu stumpf. Ich kann mir kaum die Situation vorstellen: Ach, wie hieß dein totes Kind noch gleich? Gibt natürlich auch stumpfe Menschen, aber das würde ich etwas vorsichtiger bzw. indirekter formulieren.

2. Die Eskalation an der Blockade erscheint mir wenig verständlich. Warum engagieren sich die Bauarbeiter so sehr, dass sie sogar handgreiflich werden? Warum greifen die Polizisten erst so spät ein?
Das sind Dinge, die ich vor dem Hintergrund, dass es eine Geschichte ist, auch gerne mal ausblende. Aber ich wollte dir trotzdem etwas da lassen, was du vielleicht noch verbessern könntest.

Ansonsten: eine überragende Geschichte. Richtig (un)gern gelesen!


Liebe Grüße,
Vulkangestein

 

Lieber Geschichtenwerker

das ist eine sehr lange Geschichte, in die du sehr viel hineinpackst. Das betrifft die Beziehungen der einzelnen Personen zueinander und auch die unterschiedlichen Konflikt-Konstellationen.
Mein Verständnis der Handlung ist ungefähr so: Albrecht freut sich auf seine Vernissage, die Welt ist in Ordnung. Dann die Nachricht vom Bau des Windparks. Albrecht ist dagegen, lehnt sich auf, versucht den Bau rechtlich zu stoppen, verliert, setzt sich mit dem Bürgermeister auseinander, erlebt den Beginn der Bauarbeiten, geht zum aktiven Protest über, scheitert damit, erleidet einen Herzinfarkt, verliert seine Freunde und wählt am Ende den Gang ins Wasser.
Nebenaspekte, die die Handlung berühren: Walther, Albrechts Freund, den A. in der Vergangenheit aus einer misslichen Lage befreit hat, schließt sich seinem Protest gegen den Willen seiner Frau, die wegziehen möchte, an; Albrechts Beziehung zum Bürgermeister ist von vorneherein dadurch belastet, dass dieser ihm seine Frau Erika weggenommen hat, außerdem macht A. ihn für den Verlust des geliebten Dackels verantwortlich. Später wird deutlich dass der Bürgermeister auch als Investor am Bau des Windparks beteiligt ist.

Das alles ist eine ganze Menge und für mein Gefühl sehr viel für eine Kurzgeschichte. Ich empfinde besonders die ganze Erika-Situation als eine recht starke Nebenhandlung deiner Geschichte. Mir bringt sie nicht viel und sie verwässert mMn eine klare Motivationslage. In einem Roman ist so etwas möglich, weil man da jedem Konflikt viel mehr Raum geben und ihn auserzählen kann. In einer Kurzgeschichte ist normalerweise nur Platz für ein oder zwei Konflikte, seien es nun innere oder äußere.

So werden in deiner Geschichte die Rand-Konflikte leider nur angerissen. Was sich da z.B. auf einer psychologischen Ebene zwischen Günter und Albrecht abspielen muss, spiegelt sich allenfalls in der für mein Gefühl arg konstruierten Situation in der Kneipe wider:

»Na, spülst deine Niederlage runter«, hörte er plötzlich hinter sich.
Da stand Günther mit Erika, die an seiner Hand zog.
»Herr Bürgermeister. Welchen Tisch möchten sie?«, fragte Heinrich.
»Gib ihn einen im Schweinestall, da gehört er hin«, lallte Albrecht, »und die Drecksfotze erst recht«.
Derselbe Albrecht, der am Anfang zu Walther etwas von Vernissage (und nicht von Ausstellung) sagt, greift plötzlich auf einen solchen Wortschatz zurück. Sicher, er ist betrunken, aber irgendwie scheint mir das nicht zu der sonstigen Personenzeichnung von Albrecht zu passen. Wie auch dies:

»Was soll er lassen?«, sagte Albrecht, »als ob der mir gefährlich werden könnte. Der Blödian. Selbst die Tochter war ja zu blöd ...«
»Lass Heike aus dem Spiel!«, schrie Günther. Er zog Erika mit in Albrechts Richtung: »Die hat nur wegen dir das Abitur nicht geschafft.«

Noch ein paar andere sprachliche Anmerkungen:

Die Haare zogen sanft das Siena gebrannt in das strahlende Ultramarinblau, um graue Wolken nachzubilden, die über die Geestlandschaft vor ihm flogen. Die Staffelei wackelte durch den Pinselstrich, während der Klapphocker, ein Stück im Gras versunken, unter den Malbewegungen knarzte.

Du packst eine ganze Menge in diese Beschreibung. Aber für mich holpert es an der einen oder anderen Stelle:
'Sienna gebrannt' scheint eine Farbe zu sein. Das ist dir (vermutlich weil du selber malst) wichtig, aber wen interessiert das sonst?
‚um graue Wolken’ Hier würde ich es konkreter machen: ‚um die grauen Wolken, die …’
Die Staffelei wackelt durch den Pinselstrich, während …, unter
Würde ich noch mal drüber nachdenken.

Vorschlag:
Der Pinselstrich ließ die Staffelei wackeln und der Klapphocker knarzte unter den Malbwegungen.

als das Tuckern eines alten Traktors heranrollte
Was rollt da heran?

»Moin, moin. Ich male für meine erste Vernissage
Das ruft er seinem Freund, der mit dem Traktor angefahren kommt, zu.
Warum nicht einfach: Ich male für meine erste Ausstellung. Sie findet ja auch, wie auf dem Land üblich, in der Sparkasse statt. ‚Vernissage’ kann so mMn nur ironisch gemeint sein.

Walther streckte Albrecht seine Pranke entgegen, die Haut knorrig wie eine alte Eiche.
Haut, wie knorrige Eiche? Da würde ich noch mal über den Vergleich nachdenken.

Walther legte die Hand auf Albrechts Rücken und schob ihn in Richtung Küche, die mit Zwiebelgeruch gefüllt war.

»Mir wäre das zu einsam«, sagte Annemarie, die Zwiebeln schälte.
Ich dachte zuerst, dass da Mengen von Zwiebeln verarbeitet worden sein müssten.

»Ja, hier. Direkt vor unserer Tür. Und damit auch vor Deiner (deiner) Tür.«

sagte Walther, während er die Gläser so vollmachte, dass der Schnaps überschwappte.
füllte

Auf dem Weg blieb er an der Parkbank stehen, die sein Großvater an der Grenze zum Grundstück aufgebaut hatte.
aufgestellt

Im Esszimmer stellte er Paul etwas zu(m) Fressen hin.

. Seine Augen wanderten zur Anrichte, auf der früher die Bilder standen, von ihm und Erika,
auf der früher die Bilder von Erika und ihm gestanden hatten

Erika hatte ihm erzählt, dass sie zu Günther ziehen wollte, da hat (hatte) er vor Wut das Porzellan gegen die Wand geworfen.

»Ja, da sind tatsächlich zwei alte Bauernhöfe, die direkt an den Windpark angrenzen«, sagte Günther. »Allerdings sind diese nicht mehr bewirtschaftet und für unser Dorf nicht wichtig. Es gibt bei einem solchen Großprojekt natürlich immer Einzelne, die sich für das große Ganze opfern müssen

Sagt der Bürgermeister so was wirklich?

Auch die übrigen Aussagen der Gemeinversammlung halte ich für arg konstruiert und nicht besonders lebensnah.

Und dann wird dieser Bürgermeister plötzlich poetisch:

»Wir zerstören nicht die Natur«, sagte Günther. »Wir benutzen nur eine relativ kleine Fläche dieser unendlich weiten Landschaft, um damit die Zukunft unseres Dorfes zu sichern.«

»Erzähl mir nichts. Ich habe dich dreimal so trinken sehen. Das erste Mal, als ihr das Kind verloren habt. Wie hieß das Ungeborene doch gleich?«

So was erwähnt doch niemand. Übrigens braucht deine Geschichte eigentlich nicht noch einen tragischen Aspekt.

Damals bei der Scheidung rief er Erika zu, dass er immer mit ihr verheiratet sein wird (werde), egal was das Gericht sagte
Die Sonne schien (ihnen) ins Gesicht und ließ den Küstennebel in den Gläsern glitzern.

»Siehst du das?«, sagte er in Richtung von Walther und auf Günther zeigend.
Über diese Formulierung würde ich noch mal nachdenken.

Mittem im Hof!

Strahlende Bläserklänge trugen ihn hinauf zu den regenschwangeren Wolken, näher zum Himmel, näher an die Sonne, näher an den Sieg, näher an die Erlösung. Er packte ein Pumpernickelbrot aus einer Papiertüte, das mit Rohmilchkäse und Kochschinken belegt war.

Kannst du nachvollziehen, dass ich bei dieser Zusammenstellung ‚näher an die Erlösung’ und ‚Pumpernickelbrot mit Rohmilchkäse’ schmunzeln musste. Auf der einen Seite schwebt er im Äther, auf der anderen Seite isst er ganz geerdet Pumpernickelbrot.

Ein Schuss ließ Albrecht zusammenzucken. Möwen kreischten. Für einen Moment war nur das entfernte Rauschen des Meeres zu hören. Albrechts Hände zitterten so sehr, dass Glassplitter von der Decke rieselten.
»Jetzt beruhigen sich alle mal wieder«, sagt[e] der größere Polizist in einem ruhigen, sehr bestimmten Ton.
»Da stimmt was nicht«, rief jemand. »Holt einen Krankenwagen!«

Den Einschub mit dem Polizisten würde ich rausnehmen, der klingt merkwürdig in dieser Situation.

Fazit:
Ich finde, du hast dir ein sehr interessantes Thema gewählt und es über weite Strecken auch spannend dargestellt. Für mich zerfasert deine Geschichte ein wenig, weil du sie für mein Empfinden mit zu vielen Randaspekten ausstattest. Aber unterm Strich ist es dann doch ein gut geschriebener Text, der den Weg Albrechts anschaulich und nachvollziehbar beschreibt.
Dein Text enthält viele sprachlich und inhaltlich gut überlegte Szenen, die du mit passenden Details ausgestattet hast. Mal abgesehen von ihrer Theatralik gefällt mir dabei die Schlussszene am besten. Sie rundet für mich den Text sehr schön ab

Auch dir, lieber Geschichtenwerker einen guten Rutsch
und

liebe Grüße von
barnhelm

 

Hallo Perdita,

toll, dass Du meinen langen Text gelesen und auch noch kommentiert hast.

Deine Geschichte hat mich von der Idee her sehr an den Roman "Unterleuten" von Juli Zeh erinnert. Da ist es auch so, dass ein neuer Windpark quasi als Katalysator wirkt, der in einem kleinen Dorf lauter alte Feindschaften wieder hoch kochen lässt.

Tja, den Roman kenne ich nicht, weswegen mir natürlich die anderen Vergleiche, die Du ziehst, nicht viel sage. Ich habe ein wenig nach dem Roman recherchiert und mir scheint, dass die Hauptgemeinsamkeit der Windpark als Konfliktauslöser ist, wobei eigentlich Albrecht eher mit sich selbst im Konflikt steht, z. B. mit seiner Sturheit und der Windpark in meiner Geschichte vielleicht eher die Projektionsfläche darstellt.

Das freut ich sehr:

Du hast dich auf eine viel kleinere Zahl von Figuren beschränkt, was zu einer Kurzgeschichte auch viel besser passt. Und ich finde die auch gut gelungen, ich konnte mir alle Figuren gut vorstellen und ihre Beweggründe nachvollziehen.

Und auch hierüber habe ich mich gefreut:

Die Hauptfigur Albrecht hast du besonders eindrücklich gezeichnet. Der ist mir ... ich will nicht sagen unsympathisch, denn auf der einen Seite tut er mir schon leid - ich meine, Leute, denen ein Hund tot gefahren wird, da kann ich gar nicht anders. Auf der anderen Seite zeigst du deutlich, dass er ein schwieriger Mensch ist. Der macht sich seinen "Gegenwind" zum großen Teil selbst, habe ich den Eindruck.

Denn genau so sollte er wirken.

Was aus meiner Sicht vielleicht noch nicht ganz rund ist an der Geschichte, ist das Aufschaukeln des Konflikts. Tut mir leid, dass ich so drauf rumreite, aber da muss ich noch mal einen Vergleich mit "Unterleuten" anbringen - da hat das Ganze einfach mehr Raum, um sich zu entfalten. Da passieren zwar auch sehr dramatische Sachen, aber man verfolgt halt mit, wie die sich langsam entwickeln, und man kriegt einen sehr genauen Einblick in die Köpfe der Beteiligten, weil die Perspektive in jedem Kapitel wechselt.

Du führst das dann noch weiter aus, dass besonders der Konflikt mit den Bauarbeitern zu schnell geht. Das ist in der Tat eine Schwäche, über die ich auch schon nachdenke. Ich werde diese Streikszene sicherlich noch überarbeiten, sammle aber erst einmal noch ein paar Reaktionen, bevor ich mich entscheide, in welche Richtung ich die Szene umschreibe.

Auch der Schluss kommt mir ein bisschen arg melodramatisch vor.

Das finde ich einen ganz wichtigen Punkt. Letztlich stört Dich ja, dass Du Albrecht eigentlich nicht für den Typ Mensch hältst, der aufgibt.

Der Schluss ist ja auch offen. Es steht nirgends, dass Albrecht wirklich Selbstmord begeht. Vielleicht macht er auch nur einen Spaziergang, holte neue Farbe, liegt hinter der nächsten Düne in der Sonne oder bastelt gerade eine Voodoo-Puppe mit Namen Günther (das wohl eher weniger).

Insofern finde ich es sehr spannend zu sehen, wie die Leser das Ende interpretieren.

Zu den Flusen:

Die Tippfehler habe ich zwischenzeitlich verbessert. Vielen Dank dafür.

Bei dem PQP schwanke ich noch. Klar hast Du recht und ich finde es auch gut, dass Du die PQP-Fahne hochhältst. Andererseits glaube ich, dass an keiner der von Dir genannten Stellen der Leser Schwierigkeiten mit der zeitlichen Einordnung hat. Deswegen hatte ich das PQP an den Stellen der Lesbarkeit zu Liebe geopfert.

Ich wollte nur sagen, dass ich das gut finde, wie die Art des Hinstellens der Kaffeetasse schon etwas darüber aussagt, was Annemarie von Albrecht hält. Das machst du in der Geschichte insgesamt sehr gut, so kleine Sachen, die Figuren charakterisieren.

Da geht natürlich mein kleines Autorenherz auf. Ehrlich gesagt war das ein Experiment, alle Figuren praktisch nur durch "Show" und Dialoge zu charakterisieren. Wenn mir das gelungen ist, dann habe ich ein großes Ziel erreicht.

Grüße vom Geschichtenwerker und vorsorgliche schon mal einen guten Rutsch!

***

Liebes Vulkangestein,

damit

du hast eine verdammt gute Geschichte geschrieben. Eine verdammt schreckliche.
Mich hast du voll gekriegt. Die Länge deiner Geschichte (für eine Kurgeschichte) lohnt sich, denn dadurch entfalten sich die Charaktere und ich freunde mich mit ihnen an. Dann der Unfall mit dem Hund, auch noch nach dem gestorbenen Kind benannt, dann der Angriff auf den Freund. Das trifft und bei mir hat sich beim Lesen einiges zusammengezogen.

hast Du mir den Tag versüßt. Danke für die Lorbeeren, die ich gerne nehme. Weiter unten schreibst Du sogar "überragende Geschichte"! Wow, da bin ich sprachlos.

Das Ende (also ab "Sieh doch nur") hat mich stutzig gemacht und hat für mich etwas Traumartiges. Die perfekte Konstellation der Gegenstände, das Bild, die Spuren im Meer. Ich lese das nicht als Ereignis, sondern als letzten Traum, wie sich vielleicht Albrecht ein "Happy End" wünschen würde. Die "Realität" (meiner Lesart nach) ist ja im großen Fiasko zugrunde gegangen und eine Quittung hat Günther wahrscheinlich auch nicht bekommen (Anstiftung zu schwerer Körperverletzung ...? Naja, wenn ich das so grob nachlese, stehen da die Chancen in der Situation hier schlecht ). Grässlich und ich bin zugegebenermaßen froh, als es vorbei ist. Also offensichtlich hat deine Geschichte richtig gut funktioniert. (Günther ist ein ... ).
Es bleibt die Frage, ob meine Lesart dem entspricht, was du kreieren wolltest.

Das Ende sollte jedenfalls absolut offen bleiben, sodass jeder für sich interpretieren kann, was Albrecht gemacht hat, ob er wirklich den Freitod gewählt hat oder nicht doch irgendwo an einem Windrad "sägt", um wieder freie Sicht auf die Landschaft zu bekommen. Deine Traumdeutung finde ich sehr schön und sie gefällt mir sehr gut.

Zu Deinen zwei Kritikpunkten:

Ach, wie hieß dein totes Kind noch gleich? Gibt natürlich auch stumpfe Menschen, aber das würde ich etwas vorsichtiger bzw. indirekter formulieren.

Finde ich gut und ich denke drüber nach. Wenn ich etwas gelernt habe, seitdem ich hier bin, nicht zu schnell ändern. Man bekommt nämlich oftmals sehr viel Feedback und das auch in unterschiedlichen Richtungen. Ich habe schon in einem anderen Kommentar gesehen, dass die ganze Szene als zu dominant empfunden wird.

Also, ich werde sie irgendwann überarbeiten, wenn ich mir ein Gesamtbild gemach habe, was auch für den zweiten Kritikpunkt gilt:

Die Eskalation an der Blockade erscheint mir wenig verständlich. Warum engagieren sich die Bauarbeiter so sehr, dass sie sogar handgreiflich werden? Warum greifen die Polizisten erst so spät ein?
Das sind Dinge, die ich vor dem Hintergrund, dass es eine Geschichte ist, auch gerne mal ausblende. Aber ich wollte dir trotzdem etwas da lassen, was du vielleicht noch verbessern könntest.

Auch hier gebe ich Dir recht, da kann man stutzen und das ist vielleicht etwas überzogen. Perdita hatte das auch bemängelt. Ich gehe da sicherlich noch einmal dran, wenn ich mir ein Gesamtbild von den Kommentaren gemacht habe.

Herzlichen Danke für Deinen schönen Kommentar und das Lob. Auch Dir einen guten Rutsch!

Viele Grüße
Geschichtenwerker

***

Liebe barnhelm,

über Deinen Kommentar habe ich mich sehr gefreut und natürlich auch sehr über Deine Eindrücke.

Das alles ist eine ganze Menge und für mein Gefühl sehr viel für eine Kurzgeschichte. Ich empfinde besonders die ganze Erika-Situation als eine recht starke Nebenhandlung deiner Geschichte. Mir bringt sie nicht viel und sie verwässert mMn eine klare Motivationslage. In einem Roman ist so etwas möglich, weil man da jedem Konflikt viel mehr Raum geben und ihn auserzählen kann. In einer Kurzgeschichte ist normalerweise nur Platz für ein oder zwei Konflikte, seien es nun innere oder äußere.

Ja, ich habe viel reingepackt. Ich wollte mal sehen, wieviel man einem Leser einer Kurzgeschichte zumuten kann. Auch wie viel Länge. Und ich wollte Raum für Entfaltung haben.

Bei Dir war ich wohl gerade an der Grenze oder ein wenig über der Grenze, dann am Ende ziehst Du als Fazit:

Für mich zerfasert deine Geschichte ein wenig, weil du sie für mein Empfinden mit zu vielen Randaspekten ausstattest. Aber unterm Strich ist es dann doch ein gut geschriebener Text, der den Weg Albrechts anschaulich und nachvollziehbar beschreibt.

Auf dem Weg hast Du mir noch einige Textstelle rausgezogen, die vielleicht nicht ganz stimmi
»Na, spülst deine Niederlage runter«, hörte er plötzlich hinter sich.
Da stand Günther mit Erika, die an seiner Hand zog.
»Herr Bürgermeister. Welchen Tisch möchten sie?«, fragte Heinrich.
»Gib ihn einen im Schweinestall, da gehört er hin«, lallte Albrecht, »und die Drecksfotze erst recht«.
Derselbe Albrecht, der am Anfang zu Walther etwas von Vernissage (und nicht von Ausstellung) sagt, greift plötzlich auf einen solchen Wortschatz zurück. Sicher, er ist betrunken, aber irgendwie scheint mir das nicht zu der sonstigen Personenzeichnung von Albrecht zu passen.

Ja, da rutscht dem Albrecht ein Schimpfwort raus. Damit wollte ich auch seine Entwicklung zeigen. Du hast völlig recht. Der Albrecht am Anfang der Geschichte würde so ein Wort nicht in den Mund nehmen, aber hier ist er weiter, seine Zurückhaltung bröckelt, seine gute Erziehung auch. Er verliert die Hemmungen, weswegen er auch die Tochter beschimpft:

»Was soll er lassen?«, sagte Albrecht, »als ob der mir gefährlich werden könnte. Der Blödian. Selbst die Tochter war ja zu blöd ...«
»Lass Heike aus dem Spiel!«, schrie Günther. Er zog Erika mit in Albrechts Richtung: »Die hat nur wegen dir das Abitur nicht geschafft.«

Vielleicht ist hier die Entwicklung Albrechts zu plötzlich. Darüber sinniere ich ein wenig.

Zum Sprachlichen:

Du packst eine ganze Menge in diese Beschreibung. Aber für mich holpert es an der einen oder anderen Stelle:
'Sienna gebrannt' scheint eine Farbe zu sein. Das ist dir (vermutlich weil du selber malst) wichtig, aber wen interessiert das sonst?
‚um graue Wolken’ Hier würde ich es konkreter machen: ‚um die grauen Wolken, die …’
Die Staffelei wackelt durch den Pinselstrich, während …, unter …
Würde ich noch mal drüber nachdenken.

Mir ist das Sienna gebrannt nicht wichtig, könnte auch lichter Ocker sein. Nein, Spaß beiseite. Ich selbst lese gerne solche Details. Aber vielleicht ist das etwas, was eher in einen Roman gehört. Ich weiß schon, in einer Kurzgeschichte haben solche Details vielleicht nichts verloren.

als das Tuckern eines alten Traktors heranrollte
Was rollt da heran?

Hm, kann ein Geräusch, nämlich das "Tuckern", heranrollen. Für Dich funktioniert das Bild wohl nicht. Ich sehe mal, ob sich noch mehr Leser daran stören.

»Moin, moin. Ich male für meine erste Vernissage!«
Das ruft er seinem Freund, der mit dem Traktor angefahren kommt, zu.
Warum nicht einfach: Ich male für meine erste Ausstellung. Sie findet ja auch, wie auf dem Land üblich, in der Sparkasse statt. ‚Vernissage’ kann so mMn nur ironisch gemeint sein.

Lach, das hat mir jüngster Sohn vor nicht allzu langer zeit auch zugerufen. Vernissage in der Grundschule.

Vielleicht ist das auch eine regionale Sache.

Haut, wie knorrige Eiche? Da würde ich noch mal über den Vergleich nachdenken.

Ja, vielleicht ist der Vergleich schräg. Auch das war ein Experiment. Ich habe das beim Überarbeiten auch gesehen und wollte einfach mal testen, wer und wie viele Leser sich daran stören.

Bei den anderen Formulierungen sehe ich auch noch einmal drüber.

Strahlende Bläserklänge trugen ihn hinauf zu den regenschwangeren Wolken, näher zum Himmel, näher an die Sonne, näher an den Sieg, näher an die Erlösung. Er packte ein Pumpernickelbrot aus einer Papiertüte, das mit Rohmilchkäse und Kochschinken belegt war.
Kannst du nachvollziehen, dass ich bei dieser Zusammenstellung ‚näher an die Erlösung’ und ‚Pumpernickelbrot mit Rohmilchkäse’ schmunzeln musste. Auf der einen Seite schwebt er im Äther, auf der anderen Seite isst er ganz geerdet Pumpernickelbrot.

Kann ich nachvollziehen, dass Du schmunzelst. Vielleicht ist das auch etwas überzogen. Aber andererseits passt es auch ein wenig zu dem Albrecht, den ich vor Augen habe.

Den Einschub mit dem Polizisten würde ich rausnehmen, der klingt merkwürdig in dieser Situation.

Die Szene haben bisher alle irgendwie kritisiert. Da muss ich noch einmal ran, lasse aber erst einmal alles auf mich wirken.

Dein Text enthält viele sprachlich und inhaltlich gut überlegte Szenen, die du mit passenden Details ausgestattet hast. Mal abgesehen von ihrer Theatralik gefällt mir dabei die Schlussszene am besten. Sie rundet für mich den Text sehr schön ab

Da freue ich mich schon sehr drüber, dass Du trotz der Länge und für Dich zu vielen Nebenkriegsschauplätze offensichtlich auch viel Schönes im Text gesehen hast.

Vielen Dank für diesen hilfreichen Kommentar.

Liebe Grüße und rutsche gut und unfallfrei ins nächste Jahr!

Geschichtenwerker

 

Hallo Geschichtenwerker,

Der ist schon 'ne Hausnummer, dein Albrecht. Ich muss sagen, ich mag ihn nicht besonders, das hat mich aber nicht davon abgehalten, ihm durch die Geschichte zu folgen. Der Windpark steht hier für so vieles, glaube ich. Er bedroht das letzte Bisschen, das Albrecht noch hat: Seine Heimat, pur und ohne Technik. Sein Kind ist gestorben, seine Frau hat ihn für den Bürgermeister verlassen, er lebt alleine mit seinem Hund, hat aber zumindest die Malerei. Die wiederum auch gefährdet wird durch den Park. Man könnte nun sagen: "Mal die Windräder doch einfach mit." Aber das wäre nicht das gleiche. Und dann stirbt auch noch sein Hund und er hat gar nichts mehr zu verlieren.

Schön ist auch, wie du die zwischenmenschlichen Verschachtelungen zeigst. Wie seine Erika mit dem Günther rummacht und der Albrecht Lehrer war von eben Günthers Tochter, die wiederum das Abi nicht schaffte, was Günther unterschwellig dem Albrecht vorwirft ... und so weiter. Puh, das ist etwas, das ich an Dörfern ja erdrückend finde. Jeder kennt jeden. Oder meint es zumindest.

Ich empfinde deine Geschichte eher wie eine Erzählung, nicht wie eine Kurzgeschichte. Das ist keinesfalls wertend gemeint, fiel mir nur beim Lesen auf. Erstens aufgrund ihrer Länge und zweitens, weil da inhaltlich so viel passiert. Deine Figuren, die Landschaft und das Geschehen bekommen viel Raum, es bleiben keine Fragen zurück, jedes Verhalten, jede Figur erschließt sich dem Leser. Einerseits finde ich das gut, also dass du allem so viel Raum gibst, andererseits muss ich zugeben, dass ich an manchen Stellen ein wenig schneller gelesen habe, weil es mir ein bisschen zu viel, zu langgezogen war. Ich kann das nicht genau begründen, denn sprachlich ist das ja fehlerfrei, aber es hat mich einfach nicht richtig eingefangen, dein Text.

Nichtsdestotrotz ist dein Albrecht eine tragische Figur, die du gut gezeichnet hast. Wie er sich immer mehr hineinsteigert, wie er unfähig ist, aus dieser Veränderung für sich vielleicht auch etwas Gutes zu ziehen. Klar, teilweise wirklich nachvollziehbar, aber ich hatte so meine Probleme mit ihm. Einfach, weil er sich selbst so krass im Weg steht und dann auch noch andere mit reinzieht. Man muss natürlich sagen, dass Walther selbst entschieden hat, bei der Verbarrikadierung, beim "Streik" auf der Baustelle mitzumachen. Dies geschah wohl aus Mitleid, alter Freundschaft und Loyalität. Umso schlimmer, was dadurch passiert ist.

Annemarie ist die Person in der Geschichte, die für mich am schemenhaftesten bleibt, aber genau deshalb finde ich sie sehr interessant. Sie spricht sehr wenig, auf die Gesamtlänge des Textes bezogen, aber es scheint da einiges durch. Ihre Entbehrungen auf dem Land ihrem Mann zuliebe, wie sehr für sie dieses Dorf eigentlich Enge bedeutet und gar nicht so sehr Heimat wie für die beiden Männer. Da macht es auch gar nichts, dass sie nicht so viel Raum bekommt, da kann man viel erahnen.

Einen guten Start ins neue Jahr wünsche ich dir!
RinaWu

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo RinaWu,

herzlichen Dank für Deinen Kommentar und dafür, dass Du Dich durch die Länge nicht hast abschrecken lassen.

Der ist schon 'ne Hausnummer, dein Albrecht. Ich muss sagen, ich mag ihn nicht besonders, das hat mich aber nicht davon abgehalten, ihm durch die Geschichte zu folgen.

Ja, das wollte ich, einen eigenen Charakter schaffen, nicht so einen "ach, ist der aber nett Typ" und, dass Du trotz der Antipathie bis zum Ende gelesen hast, freut mich.

Danke auch für diese Einschätzung:

Schön ist auch, wie du die zwischenmenschlichen Verschachtelungen zeigst. Wie seine Erika mit dem Günther rummacht und der Albrecht Lehrer war von eben Günthers Tochter, die wiederum das Abi nicht schaffte, was Günther unterschwellig dem Albrecht vorwirft ... und so weiter. Puh, das ist etwas, das ich an Dörfern ja erdrückend finde. Jeder kennt jeden. Oder meint es zumindest.

Ja, so ist das. Nähe kann auch erdrückend sein.

Ich empfinde deine Geschichte eher wie eine Erzählung, nicht wie eine Kurzgeschichte.

Ja, ist lang geworden, hätte nach meinem Empfinden aber auch doppelt oder dreimal so lange sein können. Wahrscheinlich wegen der vielen Aspekte, die der Geschichte zugrunde liegen.

Deine Figuren, die Landschaft und das Geschehen bekommen viel Raum, es bleiben keine Fragen zurück, jedes Verhalten, jede Figur erschließt sich dem Leser. Einerseits finde ich das gut, also dass du allem so viel Raum gibst, andererseits muss ich zugeben, dass ich an manchen Stellen ein wenig schneller gelesen habe, weil es mir ein bisschen zu viel, zu langgezogen war. Ich kann das nicht genau begründen, denn sprachlich ist das ja fehlerfrei, aber es hat mich einfach nicht richtig eingefangen, dein Text.

Das mit dem Einfangen ist auch echt schwierig, finde ich, da es auch sehr individuell ist. Jeder findet andere Dinge spannend, lässt sich durch andere Aspekte in eine Geschichte ziehen.

Klar ist der Text lang, aber ich sehe auch nicht, dass man einzelne Szene weglassen kann oder stark kürzen kann, um die Geschwindigkeit zu erhöhen. Irgendwie würde eine höhere Geschwindigkeit nach meinem Empfinden auch nicht zum Text passen. Dann müsste man eine Reihe der Nebenkonflikte rausnehmen, was aus meiner Sicht die Geschichte langweiliger machen würde. Ich wollte auch viel mitschwingen lassen.

Dass Du den Text als "sprachlich fehlerfrei" empfindest, freut mich sehr. Schließlich ist das auch eine gewisse Herausforderung, einen solchen Text in kurzer Zeit mehr oder weniger fehlerfrei zu produzieren.

Nichtsdestotrotz ist dein Albrecht eine tragische Figur, die du gut gezeichnet hast.

Das freut mich sehr, denn das war mein Hauptziel, diese Figur gut zu zeichnen.

Annemarie ist die Person in der Geschichte, die für mich am schemenhaftesten bleibt, aber genau deshalb finde ich sie sehr interessant.

Auch das freut mich und auch Deine weiteren Erläuterungen, denn auch hier was Absicht dahinter.

Deinem Kommentar entnehme ich auch, dass Du die Figuren so wahrgenommen hast, wie ich es beabsichtigt habe. Das ist für mich ein echter Erfolg, auch wenn ich dafür recht viel Raum benötigt habe.

Herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Ich habe mich sehr gefreut.

Gruß

Geschichtenwerker

***

Hallo maria.meerhaba,

ein frohes Neues Jahr wünsche ich Dir und toll, dass Du meinen Text gelesen, obwohl:

Hin und wieder habe ich weggeklickt, um mir irgendetwas lustiges anzusehen, und dann war ich wieder da und es fühlte sich wie eine Folter an.

Da frage ich mich natürlich, ob Du Dir das aus Pflichtgefühl angetan hast, weil ich Deine Geschichte kommentiert habe oder weil Du doch sehen wolltest, wie das Ganze endet?

Foltern wollte ich Dich natürlich nicht, aber es ist interessant, dass ich es geschafft habe (mal sehen, ob ich einen passenden Smiley finde: :baddevil:)

Was ist Siena? Eine Stadt? Ich habe halt nur eine Stadt auf Google gefunden. Ich finde den Satz total verschachtelt und schwer zu folgen.

"Siena gebrannt" ist eine Farbe (https://de.wikipedia.org/wiki/Siena_(Farbe)).

Barnhelm ist da auch schon gestolpert und meinte, das brauche kein Mensch. Mal sehen, was ich damit anstelle.

Die Verhandlung war ja irgendwie … na ja … ziemlich enttäuschend. Ich hätte irgendwie mehr von Albrecht erwartet. So einen richtigen Wutausbruch oder so. Schlussendlich geht es hier um seine Zukunft.

Zu dem Zeitpunkt war aus meiner Sicht Albrecht noch nicht so weit. Schließlich war er Schuldirektor, alle Bekannte waren auf der Versammlung, da wollte er sich zu dem Zeitpunkt noch nicht blamieren. Aber Du hast recht, seine Gegenwehr ist recht schwach. Andererseits, was soll er auf einer Versammlung tun, bei der alle gegen ihn sind? Mit den Füßen aufstampfen? Dafür ist er zu alt.

Gibt es wirklich Taxis in einem Dorf?

Ja, die bekommt man sogar im hintersten Winkel. Notfalls muss man etwas warten und es wird teuer.

Ein „er“ zu viel.

Danke, erledigt.

Ich weiß nicht, es entfaltet sich für mich irgendwie nicht. Ich weiß, er liebt den Hund, hat ihn nach seinem toten Sohn benannt, aber doch hat es mir überhaupt nicht leid getan, dass der Köder abgemurkst wurde. Nicht, weil ich ein eiskaltes Arschloch bin, sondern weil ich in ihm nur eine unbedeutende Randfigur sah. Irgendwie hättest du den Hund stärker ins Bild holen müssen, er hätte der Kontrast zu Albrechts Hass sein müssen, damit mir das alles wirklich leid tut. Ich habe gesehen, was da passiert, wie sein Zorn das letzte Glück aus seinem Leben nimmt, aber ich blieb dennoch nur eine unbedeutende Zuseher, die das mit einem Kopfnicken quittiert hat. Für mich fehlt einfach die richtige Vorarbeit, dass mir der Hund leid tut.

DAs ist ein interessanter Punkt, die Beziehung zu Paul noch stärker zu betonen. Ich habe das versucht, mit kleinen Gesten zu zeichnen, was bei Dir offensichtlich nicht stark genug war. Andererseits lese ich aus Deinem Kommentar auch, dass Du den Albrecht nicht sonderlich in Dein Herz geschlossen hast. Vielleicht freust Du Dich auch einfach zu sehr, dass es seinen Köter erwischt hat? ;-)

Du vertiefst ihn so sehr in seinen Hass, dass mir jedes andere Gefühl von ihm nicht glaubwürdig vorkam. Als er tiefen Schmerz empfunden hat, habe ich dem einfach nicht geglaubt, weil für mich Albrecht nur ein Bündel Zorn ist.

Ich weiß nicht, ob wirklich so viel Hass in ihm steckt. Aber das ist ein interessanter Punkt und lasse den Text noch einmal auf mich wirken.

Siehst, das wiederum funktioniert sehr gut. Walter bekommt hier mehr Farbe als Paul, bekommt ein Gesicht, ein Leben, eine Persönlichkeit, eine Seele, und als der Fettsack ihm eines verpasst, da stockte mir der Atem und ich war mir sicher, Walter wäre gestorben. Im Krankenhaus habe ich mir erneut Sorgen gemacht und wie dann die Wahrheit ans Licht kam

Freut mich, dass das so funktioniert und dann noch:

hat mich das doch sehr berührt. Was man doch alles für die Freundschaft opfert. Man geht bis zu den Grenzen, zerbricht an ihnen und irgendwann kann man es einfach nicht mehr. Walter verkauft den Hof für eine Menge Schotter, was mich echt gefreut hat und Albrecht muss ganz allein gegen die Windräder kämpfen, bis er den Kampf aufgibt und weg ist. Die Botschaft der Geschichte ist eine schöne, funktioniert in meinen Augen auch. Endlich wurde der Hass von Albrecht bestraft und das ziemlich grausam.

Ich wollte genau das, positive und negative Emotionen erzeugen und sehen, was es bei Lesern auslöst. Bei Dir ist die Reaktion, dass Du Dich für Walther freust und Albrecht den Untergang gönnst. Andere haben auch Mitleid für Albrecht, obwohl er so ist, wie er ist.

Doch der Text ist echt langatmig. Da braucht man wirklich viel Geduld, um auf dieses Ende zu gelangen und das ist vielleicht etwas, was viele Leser erschrecken wird. Der Anfang ist echt viel blablabla, die Schlüsselszenen total knapp, Albrechts Wut zu dominant, und damit erdrückst du die Leser. Es fiel mir echt schwer, deinen Text geduldig zu folgen.

Toll, dass Du die Geduld hattest.

Und am Ende hat es sich wohl doch noch gelohnt:

Erst als sie sich ins Auto fesseln, erst da kam die gesamte Vorarbeit zum Erblühen und der Schluss hat mich echt geschockt. Der Schluss funktioniert.

Und weil es so schön war, gleich noch einmal:

Doch am Anfang hätte ich mir doch gewünscht, dass Albrecht mehr als nur Wut ist und dass natürlich die langweiligen Szenen nicht in die Länge gezogen wurden. Das war echt zum Kotzen. Aber der Schluss gefällt mir echt gut und das gemeine Schicksal gegenüber Albrecht auch. Das hat mir echt gut gefallen. Aber der Anfang ist echt grauenhaft. Der Anfang ist echt abschreckend. Das muss ich echt wiederholen, weil ich mich da wirklich durchkämpfen musste.

Die Botschaft ist angekommen. Vielleicht finde ich einen besseren Einstieg, was nicht so einfach ist. Ein wenig Atmosphäre brauche ich schon am Anfang und die Szenerie soll sich auch erst einmal entfalten. Aber wahrscheinlich ist der Einstieg für eine Kurzgeschichte, zu langatmig, was aber wiederum Geschmackssache ist.

Es freut mich aber sehr, dass Du durchgehalten hast und die Geschichte und auch der Schluss so viele Emotionen bei Dir erzeugen konnte.

Herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Es ist einfach sehr hilfreich zu sehen, wie der Text wirkt.

Gruß
Geschichtenwerker

 

Hallo Geschichtenwerker,

eine weitere Geschichte aus dem hohen Norden, da kann ich ja nicht dran vorbei. Allerdings hat es gedauert, bis ich die Zeit dafür aufgebracht habe, denn das Teil ist ja doch umfangreich, also nichts für Ungeduldige. Ich finde aber, die Zeit ist gut angelegt, du entwickelst die Charaktere gemächlich, so, wie es ihrem eigenen Naturell entspricht, vor allem natürlich den Albrecht.

Und dann tut sich nach dem heimeligen Beginn ein Konflikt nach dem anderen auf, alte Wunden werden vorgezeigt und wieder aufgerissen, neue werden geschlagen. Albrecht steht nun wirklich im Gegenwind, aber er sucht ihn ja auch geradezu. Und die Eskalation ist gut dargestellt, für mich auch ziemlich plausibel, keiner will nachgeben oder mal einen Gang zurückschalten. Sturköppe allesamt. Ich kenne auch solche Leute, allerdings inzwischen nur noch aus der Ferne, weil sie echt ein Talent haben, Freunde und Familie zu vergraulen. Insofern kann ich sogar verstehen, dass Erika den Albrecht verlassen hat, vermutlich war der schon vorher so, starrsinnig und rechthaberisch. Nur was sie stattdessen an dem schnöseligen Günther findet, ist mir schleierhaft. Dafür kriegt Erika (und auch Günther) zu wenig Farbe, um das erschließen zu können, aber das ist okay, Erika ist ja auch eher eine Nebenfigur und bei Günther liegt der Fokus auf seinem Verhältnis zu Albrecht.

Und obwohl ich das prinzipiell so weit schlüssig finde, muss ich mich an einer Stelle meinen Vorkommentatoren anschließen: Die Sache mit dem verlorenen Kind wird nicht nur von Heinrich zu unsensibel angesprochen, sondern ist auch ein Konfliktpunkt zu viel. Die näheren Erläuterungen dazu brauche ich nicht zu wiederholen. Ursprünglich hatte ich hier in gleicher Weise auch das aggressive Verhalten der Bauarbeiter erwähnt, aber beim zweiten Durchlesen kommt mir das doch plausibler vor. Vor allem, weil Albrecht dem einen die Finger im Fenster klemmt, das ist sicher derselbe, der dann auch den zweiten Stein schmeißt. Passt schon.

Und der Schluss: Ja, ein bisschen out of character wäre es schon, wenn Albrecht ins Wasser ginge - zumal offenbar ziemlich viel später -, aber du hast ja im letzten Komm darauf hingewiesen, dass er vielleicht auch einfach nur eine kleine Runde durchs Watt dreht - auch wenn das bei auflaufendem Wasser keine so gute Idee ist. Wer weiß.

Bisschen Treibgut:

Albrecht führte den Rotmarder-Pinsel langsam über das feuchte, kaltgepresste Aquarellpapier. Die Haare zogen sanft das Siena gebrannt in das strahlende Ultramarinblau, um graue Wolken nachzubilden, die über die Geestlandschaft vor ihm flogen.
Da dachte ich: Hui, sehr ausführliche Beschreibungen, viele Adjektive und zusammengesetzte Nomen. Das lässt im Folgenden deutlich nach, und das finde ich auch besser so, weil ein lakonischerer Stil eigentlich viel besser zu Land und Leuten passt. Trotzdem blitzt hier und da noch mal dieses Ausschweifende auf. Vielleicht magst du da noch mal drübergehen und das etwas glätten.

Die Staffelei quietsch[t]e beim Zusammenklappen. Mit einer Handbewegung scheuchte er Paul von der Decke, um sie zusammen zu legen [zusammenzulegen].
Der Regen klatschte gegen das Ölzeug.
Zieht Albrecht wirklich Ölzeug an, wenn er malen geht? Ich meine, er stellt sich ja nicht wirklich auf Regen ein, bei Regen kann er ja gerade nicht malen. Ich hätte erwartet, dass ihn der Regen überrascht und er deshalb auch kein Ölzeug trägt.

setzte den Dackel behutsam auf den Boden, der schnüffelnd in die Küche lief.
Der Boden läuft also schnüffelnd in die Küche ... ;)

»Hast die Kühe verkauft?«, fragte Albrecht.
»Alle weg«, antwortete Walther.
Was mich erinnert: Warum kurvt Walther eigentlich mit dem Trecker rum? Hat der noch Acker?

Er schlüpfte ins Ölzeug, das Annemarie ihm hinhielt, wobei er den Ärmel verfehlte, wodurch er gegen die Wand schlug.
"wobei ... wodurch" - das liest sich holprig. Vielleicht einfach: "... und gegen die Wand schlug."

Albrecht bog an der Kreuzung nach links auf den Feldweg, der zu seinem Heim führte, das er in der vierten Generation bewohnte. Der Wind trug den Duft nach Heidekraut, Moos, feuchter Erde und salzigem Meer heran. Er atmete tief ein. Auf dem Weg blieb er an der Parkbank stehen, die sein Großvater an der Grenze zum Grundstück aufgebaut hatte. Die braune Farbe war stellenweise abgeblättert. Die Zeit hatte tiefe Furchen ins Holz gegraben, in denen graublaue Flechten wuchsen.
So arbeitest sehr viel mit solchen Relativsätzen, das ist stellenweise ein bisschen monoton, selbst wenn die Sätze verschieden lang sind und mal was anderes dazwischen steht. Da würde ich mehr zu variieren versuchen.

Sie begrüßte ihn nur mit einem kalten Moin.
Annemarie ist ja auch ein bisschen nachtragend. Ja, er hat sie beim letzten Mal ziemlich angeraunzt, aber da hatte er ja nun auch gerade eine ziemliche Hiobsbotschaft bekommen mit dem Windpark.

»Allerdings sind diese nicht mehr bewirtschaftet und für unser Dorf nicht wichtig. Es gibt bei einem solchen Großprojekt natürlich immer Einzelne, die sich für das große Ganze opfern müssen.«
Nee, so spricht ein Politiker nicht, auch wenn er vom Dorfe ist. Der findet eine viel diplomatischere Formulierung, die am Ende natürlich dasselbe bedeutet.

Spontaner Applaus und »Bravo«-Rufe füllten den Raum.
Und so reagiert auch keine norddeutsche Dorfgemeinschaft. Da ist eher zustimmendes Gemurmel, und irgendwer ruft "Jou!"

Er rief: »Die Zukunft für unsere Kinder. Denn ohne Internet sind wir hier abgehängt. Und das ist die einzige Chance, es zu bekommen! Und das habt ihr mir zu verdanken!«
Und das ist ebenfalls zu direkt, die Message muss er mehr hintenrum bringen. Jedenfalls würde er für so einen platten Spruch nicht den nachfolgenden Applaus kriegen.

Annemarie hatte ihren Arm halb hochgestreckt
Nee, der ist der Windpark doch schlicht egal. Eher müsste sie tendenziell dagegen sein wegen des Verkaufswerts ihres Hofs, auch wenn sie sich nicht offen auf Albrechts Seite stellen wird. Also: Enthaltung.

Albrecht streckte den linken Daumen und den rechten Zeige- und Mittelfinger hoch, das interne Zeichen für einen weiteren Langen und zwei Kurze.
Komische Formulierung. Ich würde mindestens das "interne" weglassen, das klingt so bürokratisch.

»Herr Bürgermeister. Welchen Tisch möchten sie?«, fragte Heinrich.
Ich hätte erwartet, dass der Dorfbürgermeister mit dem Wirt per du ist. Katzbuckeln kann man trotzdem.

in dessen Heckscheibe ein ausgeblichener Aufkleber »Atomkraft? Nein danke« prangte
Tja, die Schizophrenie der Energiewende. Keiner will mehr Kohlestrom, Atomkraft war schon immer unbeliebt. Aber die Windräder will auch keiner vor der Haustür haben. Das NIMBY-Syndrom.

Ein schwarzer Porsche näherte sich schnell auf dem Feldweg, bog in die Hofeinfahrt und blieb mit scharfer Bremsung stehen, sodass Kiessteine durch die Luft flogen.
Muss es ausgerechnet ein schwarzer Porsche sein? Bisschen klischeemäßig ... Und wenn, dann fährt er damit nicht wie ein Besengter. Da hat er viel zu viel Angst vor den Schlaglöchern oder davor, dass ihm ein hochfliegendes Steinchen eine Schramme in den Lack macht.

Annemarie öffnete die Tür: »Moin Albrecht. Na, was gibt’s so früh?«
Na, dann hat sie sich ja doch vorläufig eingekriegt. Vielleicht wegen des Dramas um Paul?

»Was? Ohne dich säßen wir schon längst in der Wohnung. In der Stadt! So, wie wir es immer wollten!«
»Wie du es immer wolltest!«
»Nein, nein. So wie wir es immer wollten! Walther hat das nur wegen dir gemacht. Nur für dich. Der alten Zeiten wegen. Aber jetzt ist Schluss! Schluss, verstehst du?«
Einer der Kommentatoren (ich weiß gerade nicht, wer) hat das hier für bare Münze genommen, quasi als Auflösung, dass Walther tatsächlich mit Annemarie wegziehen wollte und gar nichts für Albrechts Anliegen übrighatte. Aber ich glaube das nicht ganz. Ich denke, Walther hat nicht so richtig Bock auf die Stadt, das kam für mich in früheren (und späteren) Passagen ziemlich deutlich raus. Die Aktion vor dem Baustellentor hat er allerdings trotzdem nicht ganz freiwillig und nur für Albrecht gemacht.

Alles in allem eine schöne, melancholische Geschichte. Hat mir gut gefallen!

Grüße vom Holg ...

 

Hallo The Incredible Holg,

frohes Neues Jahr wünsche ich Dir und willkommen beim Strandgutsammeln.

Deinem Kommentar

eine weitere Geschichte aus dem hohen Norden, da kann ich ja nicht dran vorbei.

entnehme ich, dass Du einen gewissen persönlichen Bezug zum hohen Norden hast. Ich kenne die Gegend nur aus dem einen oder anderen Urlaub. Daher freue ich mich, dass Du den Lokalkolorit wohl im Großen und Ganzen (bis auf Ausnahmen) als stimmig empfindest.

Allerdings hat es gedauert, bis ich die Zeit dafür aufgebracht habe, denn das Teil ist ja doch umfangreich, also nichts für Ungeduldige. Ich finde aber, die Zeit ist gut angelegt, du entwickelst die Charaktere gemächlich, so, wie es ihrem eigenen Naturell entspricht, vor allem natürlich den Albrecht.

Danke für Deine Geduld mit meinem Text. Ich weiß, er ist lang und umso schöner ist es, dass Du die investierte Zeit am Ende als lohnend empfindest.

Und die Eskalation ist gut dargestellt, für mich auch ziemlich plausibel, keiner will nachgeben oder mal einen Gang zurückschalten. Sturköppe allesamt.

Ja, genau das war mein Ziel, die Eskalation nachvollziehbar darzustellen. Solche Dinge passieren, wenn keiner nachgibt und ich kenne auch so Sturköppe oder Sturschädel, wie man in Bayern sagt.

Insofern kann ich sogar verstehen, dass Erika den Albrecht verlassen hat, vermutlich war der schon vorher so, starrsinnig und rechthaberisch. Nur was sie stattdessen an dem schnöseligen Günther findet, ist mir schleierhaft. Dafür kriegt Erika (und auch Günther) zu wenig Farbe, um das erschließen zu können, aber das ist okay, Erika ist ja auch eher eine Nebenfigur und bei Günther liegt der Fokus auf seinem Verhältnis zu Albrecht.

Ich hatte auch dafür noch Ideen, aber habe bewusst keine Szenen entwickelt, die das nachvollziehbar machen. Ich denke, das hätte den Rahmen (endgültig) gesprengt. Von daher bin ich froh, dass Du das ähnlich siehst.

Die Sache mit dem verlorenen Kind wird nicht nur von Heinrich zu unsensibel angesprochen, sondern ist auch ein Konfliktpunkt zu viel. Die näheren Erläuterungen dazu brauche ich nicht zu wiederholen. Ursprünglich hatte ich hier in gleicher Weise auch das aggressive Verhalten der Bauarbeiter erwähnt, aber beim zweiten Durchlesen kommt mir das doch plausibler vor. Vor allem, weil Albrecht dem einen die Finger im Fenster klemmt, das ist sicher derselbe, der dann auch den zweiten Stein schmeißt. Passt schon.

Das finde ich sehr interessant. Ich werde das bei der nächsten Überarbeitung mit aufnehmen und evtl. diesen Hinweis auf Paul streichen. Eigentlich steckt in dem verlorenen Kind der Grund für die Trennung zwischen Erika und Albrecht, weil er nicht in der Lage war, darüber zu sprechen. Günther hingegen ist ein phantastischer Zuhörer. Aber mal ehrlich, wie soll ich das noch unterbringen? Da geht dann die Geschichte doch schon bald in Richtung eines Romans. Also evtl. lieber streichen. Darüber muss ich aber noch ein wenig nachdenken.

Die Bauarbeiterszene gehe ich vielleicht auch noch einmal an, auch wenn Du sie nach zweimaligen Lesen als halbwegs glaubwürdig anerkennst. Für diese Szene habe ich viele Ideen, bin aber noch nicht sicher, welche ich umsetze.

Und der Schluss: Ja, ein bisschen out of character wäre es schon, wenn Albrecht ins Wasser ginge - zumal offenbar ziemlich viel später -, aber du hast ja im letzten Komm darauf hingewiesen, dass er vielleicht auch einfach nur eine kleine Runde durchs Watt dreht - auch wenn das bei auflaufendem Wasser keine so gute Idee ist. Wer weiß.

Ich finde es immer spannend, wie ein offenes Ende dann doch eigentlich sehr eindeutig verstanden wird. Bisher sind eigentlich alle bei der Selbstmordinterpretation, obwohl es gleichzeitig out of character ist. Da habe ich wohl irgendwie das offene Ende doch eindeutiger gestaltet, als es vielleicht auf den ersten Blick aussieht. Vielleicht liegt es an der melancholischen Stimmung, die ich in der letzten Szene erzeuge. Mal sehen, ob und wie ich es ändere.

Da dachte ich: Hui, sehr ausführliche Beschreibungen, viele Adjektive und zusammengesetzte Nomen. Das lässt im Folgenden deutlich nach, und das finde ich auch besser so, weil ein lakonischerer Stil eigentlich viel besser zu Land und Leuten passt. Trotzdem blitzt hier und da noch mal dieses Ausschweifende auf. Vielleicht magst du da noch mal drübergehen und das etwas glätten.

Ich achte bei der nächsten Überarbeitung drauf. Meine Intention war es, passend zum Landschaftsmaler, im ersten Absatz eine malerische Beschreibung zu geben. So richtig gut kam das nicht an, aber so richtig schlecht auch nicht. Vielleicht schwäche ich es ein wenig ab, das wäre sozusagen der Kompromiss. Aber Albrecht mag keine Kompromisse! ;-)

Zieht Albrecht wirklich Ölzeug an, wenn er malen geht? Ich meine, er stellt sich ja nicht wirklich auf Regen ein, bei Regen kann er ja gerade nicht malen. Ich hätte erwartet, dass ihn der Regen überrascht und er deshalb auch kein Ölzeug trägt.

Gute Frage. Einerseits waren natürlich die grauen Wolken schon vorher da und man konnte es ahnen. Andererseits malt es sich in Ölzeug nicht gut. Vielleicht hat in der nächsten Version Walther noch eines für Albrecht dabei (Notfallausrüstung).

setzte den Dackel behutsam auf den Boden, der schnüffelnd in die Küche lief.
Der Boden läuft also schnüffelnd in die Küche ...

Wie, Dein Boden läuft nicht schnüffelnd durch die Gegend?

Du hast natürlich recht, dass man das so lesen kann. Grammatikalisch falsch ist es aber mMn nicht, denn der Relativsatz bezieht sich nicht zwangsläufig auf das letzte Substantiv vorm Komma. Meinst Du wirklich, dass hier der unachtsame Leser denkt, der Boden liefe schnüffelnd in die Küche?

Was mich erinnert: Warum kurvt Walther eigentlich mit dem Trecker rum? Hat der noch Acker?

Naja, selbst eine Wiese möchte gemäht werden, egal, ob da Kühe sind, die was fressen oder nicht. Vielleicht hat er auch an einem Zaun gearbeitet oder Holz gemacht, weggefahren, was auch immer. Auf einem Bauernhof gibt es eigentlich ständig einen Grund, mit einem Traktor durch die Gegend zu fahren.

Er schlüpfte ins Ölzeug, das Annemarie ihm hinhielt, wobei er den Ärmel verfehlte, wodurch er gegen die Wand schlug.
"wobei ... wodurch" - das liest sich holprig. Vielleicht einfach: "... und gegen die Wand schlug."

Klassischer Fall von Überarbeitungsproblem, wie auch:

So arbeitest sehr viel mit solchen Relativsätzen, das ist stellenweise ein bisschen monoton, selbst wenn die Sätze verschieden lang sind und mal was anderes dazwischen steht. Da würde ich mehr zu variieren versuchen.

Ich hatte in der ersten Variante sehr viele Sätze nach dem Muster A+B, gemäß Deinem Vorschlag:
Er schlüpfte ins Ölzeug, das Annemarie ihm hinhielt, wobei er den Ärmel verfehlte und gegen die Wand schlug.

Genau so stand es in der ersten Variante. Nachdem ich dieses "Und-Muster" erkannte hatte, bin ich halb wahnsinnig geworden und nach der Überarbeitung habe jetzt zu viele Relativsätze und die obige Stelle, die Du zurecht kritisierst.

Aber ich hatte auch keine Zeit, den Text liegen zu lassen. Das werde ich jetzt und ihn dann mit Abstand noch einmal überarbeiten. Dann finde ich hoffentlich die richtige Balance.

Nee, so spricht ein Politiker nicht, auch wenn er vom Dorfe ist. Der findet eine viel diplomatischere Formulierung, die am Ende natürlich dasselbe bedeutet.

Da muss ich ein wenig drauf rumkauen. Immerhin ist er "nur" ein Dorfpolitiker, der seinen kleinen Hass gegen Albrecht pflegt. Ob der so gerissen ist, dass er in der Stresssituation selbst noch eine sehr diplomatische Formulierung findet? Hm, weiß nicht.

Und so reagiert auch keine norddeutsche Dorfgemeinschaft. Da ist eher zustimmendes Gemurmel, und irgendwer ruft "Jou!"

Ok, gekauft.

Er rief: »Die Zukunft für unsere Kinder. Denn ohne Internet sind wir hier abgehängt. Und das ist die einzige Chance, es zu bekommen! Und das habt ihr mir zu verdanken
Und das ist ebenfalls zu direkt, die Message muss er mehr hintenrum bringen. Jedenfalls würde er für so einen platten Spruch nicht den nachfolgenden Applaus kriegen.

Vielleicht streiche ich das einfach. Vorher steht ja schon, dass er verhandelt hat.

Annemarie hatte ihren Arm halb hochgestreckt
Nee, der ist der Windpark doch schlicht egal. Eher müsste sie tendenziell dagegen sein wegen des Verkaufswerts ihres Hofs, auch wenn sie sich nicht offen auf Albrechts Seite stellen wird. Also: Enthaltung.

Ja, andererseits will sie auch unbedingt weg und ohne den Windpark würde der Walther womöglich noch bleiben. Ist aber definitiv ein Änderungskandidat.

Albrecht streckte den linken Daumen und den rechten Zeige- und Mittelfinger hoch, das interne Zeichen für einen weiteren Langen und zwei Kurze.

Komische Formulierung. Ich würde mindestens das "interne" weglassen, das klingt so bürokratisch.


Ja, manchmal ist man echt betriebslind. Wird geändert.

»Herr Bürgermeister. Welchen Tisch möchten sie?«, fragte Heinrich.

Ich hätte erwartet, dass der Dorfbürgermeister mit dem Wirt per du ist. Katzbuckeln kann man trotzdem.


Guter Punkt!

in dessen Heckscheibe ein ausgeblichener Aufkleber »Atomkraft? Nein danke« prangte

Tja, die Schizophrenie der Energiewende. Keiner will mehr Kohlestrom, Atomkraft war schon immer unbeliebt. Aber die Windräder will auch keiner vor der Haustür haben. Das NIMBY-Syndrom.


:-) Ich konnte mir den kleinen Hieb nicht verkneifen. Kam bisher auch bei keinem negativ an.

Ein schwarzer Porsche näherte sich schnell auf dem Feldweg, bog in die Hofeinfahrt und blieb mit scharfer Bremsung stehen, sodass Kiessteine durch die Luft flogen.

Muss es ausgerechnet ein schwarzer Porsche sein? Bisschen klischeemäßig ... Und wenn, dann fährt er damit nicht wie ein Besengter. Da hat er viel zu viel Angst vor den Schlaglöchern oder davor, dass ihm ein hochfliegendes Steinchen eine Schramme in den Lack macht.


Erwischt. Vielleicht ein silbergrauer Range Rover, das könnte passen, ist auch teuer und für die Landschaft eh besser geeignet.

Annemarie öffnete die Tür: »Moin Albrecht. Na, was gibt’s so früh?«

Na, dann hat sie sich ja doch vorläufig eingekriegt. Vielleicht wegen des Dramas um Paul?


Ja, das tat ihr echt leid.

»Was? Ohne dich säßen wir schon längst in der Wohnung. In der Stadt! So, wie wir es immer wollten!«
»Wie du es immer wolltest!«
»Nein, nein. So wie wir es immer wollten! Walther hat das nur wegen dir gemacht. Nur für dich. Der alten Zeiten wegen. Aber jetzt ist Schluss! Schluss, verstehst du?«
Einer der Kommentatoren (ich weiß gerade nicht, wer) hat das hier für bare Münze genommen, quasi als Auflösung, dass Walther tatsächlich mit Annemarie wegziehen wollte und gar nichts für Albrechts Anliegen übrighatte. Aber ich glaube das nicht ganz. Ich denke, Walther hat nicht so richtig Bock auf die Stadt, das kam für mich in früheren (und späteren) Passagen ziemlich deutlich raus. Die Aktion vor dem Baustellentor hat er allerdings trotzdem nicht ganz freiwillig und nur für Albrecht gemacht.

Das hast Du genau richtig erkannt. So war es gemeint und Annemarie redet sich das hier schön und nutzt sogar ein wenig egoistisch die Möglichkeit, Albrecht kaltzustellen.

Walther hat sich nicht richtig für etwas entschieden und hat auch nicht richtig Bock auf die Stadt, aber auf einen Windpark eben auch nicht. Unterm Strich scheut der die Konfrontation und versucht es jedem rechtzumachen.

Alles in allem eine schöne, melancholische Geschichte. Hat mir gut gefallen!

Das ist aber schön und freut mich sehr.

Herzlichen Dank für diesen ausführlichen und feinfühligen Kommentar, der mir hilft, den Text weiter zu verbessern.

Gruß
Geschichtenwerker

 

Hallo nochmal, Geschichtenwerker!

Um deine Rückfrage direkt zu beantworten:

Du hast natürlich recht, dass man das so lesen kann. Grammatikalisch falsch ist es aber mMn nicht, denn der Relativsatz bezieht sich nicht zwangsläufig auf das letzte Substantiv vorm Komma. Meinst Du wirklich, dass hier der unachtsame Leser denkt, der Boden liefe schnüffelnd in die Küche?

Na ja, das wird natürlich keiner wirklich denken. Aber die normale Erwartung beim Lesen ist m.E., dass sich der Relativsatz auf das letzte Substantiv (mit passendem Genus) bezieht. Eine Abweichung davon ist wohl nicht falsch, aber eben unerwartet. Mancher bleibt da beim Lesen kurz hängen, das hemmt den Flow. Deshalb würde ich das an deiner Stelle lieber vermeiden.

Grüße vom Holg ...

 

Hallo lieber The Incredible Holg,

vielen Dank, dass Du das geklärt hast:

Eine Abweichung davon ist wohl nicht falsch, aber eben unerwartet. Mancher bleibt da beim Lesen kurz hängen, das hemmt den Flow. Deshalb würde ich das an deiner Stelle lieber vermeiden.

Damit hast Du natürlich recht, wobei auch jeder seine individuellen Stolpersteine hat. Deswegen finde ich es wahnsinnig schwierig zu sagen, was "den Leser" am Ende wirklich stört (mich stören z. B. falsche Dative viel mehr als ungewohnte Rückbezüge).

Aber bei der nächsten Überarbeitung entferne ich auch den schnüffelnden Boden. Schließlich ist eines klar: Je weniger (unbeabsichtigte) Stolpersteine, desto besser!

Nochmals vielen Dank für Deine erneute Rückmeldung.

Gruß
Geschichtenwerker

Gruß

Geschichtenwerker

 

Hallo Geschichtenwerker,

so, ich versuche mal, etwas Konstruktives zu deinem Text beizutragen. :)

Sympathisches Thema, keine Frage. Und du schreibst sehr anschaulich, mit allen Sinnen. Dadurch kann ich mir die Szenerie sehr gut vorstellen, die Farben, die Gerüche, die Geräusche. Der Nachteil dieser Detailverliebtheit besteht für mich darin, dass die Geschichte teilweise keinen Zug hat. Ich war versucht, zwischendrin aufzuhören. Ich denke, du könntest an der einen oder anderen Stelle behutsam straffen.

Im Esszimmer stellte er Paul etwas zu Fressen hin.

Dieser Satz hier hat keine Funktion. Der nimmt nur Tempo.

»Ja. Frische Luft hat gut getan. Hast du den Zettel?«
»Warte. Da war was ...« Albrecht hörte schwere Schritte, die sich entfernten und dann zurückkehrten. »Hab ihn. Was ist damit?«

»Wir gehen dahin.«
»Zur Versammlung?«
»Und dann zeigen wir es denen!«
»Was willst du denn machen?«
»Den Windpark verhindern. Den braucht hier kein Mensch.«
»Was? Wie?«
»Die meisten sind doch unsere Freunde und Nachbarn. Die wollen auch keinen Windpark.«
»Also deine Freunde kannst du nicht meinen.«
»Aber deine.«
»Die sind alle auf der anderen Seite vom Dorf. Weit weg vom Windpark.«

»Dann müssen eben wir zwei kämpfen. Willst du dir kampflos das Ding vor die Nase setzen lassen?«
»Weiß nicht.«
»Walther. Das ist deine Heimat, dein Zuhause. Lass dir das nicht kaputtmachen!«
»Schon.«
»Außerdem ist Dein Hof nichts mehr wert, wenn der Windpark kommt. Und dann kannst Du das vergessen mit dem Verkauf. Sag das Annemarie. Dann könnt Ihr im Einzimmerappartement hocken, wenn der kommt, der Scheißpark.«
»Albrecht, deine Ausdrucksweise!« Walther lachte.
»Sehr witzig.«

»Aber du hast schon recht. Wenn der Windpark kommt, kauft den Hof kein Mensch. Wer will schon Schlagschatten, Infraschall und den ganzen Mist.«
»Also, gehen wir gemeinsam dahin?«
»Bin dabei!«.

Den Dialog würde ich schneller machen, indem du dieses Nachgefrage, dieses ewige Ping-Pong Ping-Pong (fettmarkiert) rausnimmst. Natürlich hört es sich in echt so an, wie du schreibst. Aber zum Lesen ist das echt zäh.

Er setzte sich an den Tresen, bestellte einen Langen und zwei Kurze, die er in wenigen Zügen herunter kippte. Er klopfte sich das Brustbein, während er aufstieß. Mit einem Wink der rechten Hand besorgte er Nachschub.

Satz Nummer drei kann auf jeden Fall weg. Satz Nummer zwei höchstwahrscheinlich auch.

und der Fahrer kam die wenigen Meter durch den Regen zu ihm gelaufen

Die wenigen Meter können raus. Das ist total egal. In so einer Actionszene brauchst du Tempo.

Er packte ein Pumpernickelbrot aus einer Papiertüte, das mit Rohmilchkäse und Kochschinken belegt war.

Würde da nicht ein Schinkenbrot reichen?!

»Hast die Kühe verkauft?«, fragte Albrecht.

Fehlt da nicht ein Wort, oder wolltest du das so?

Er schlüpfte ins Ölzeug, das Annemarie ihm hinhielt, wobei er den Ärmel verfehlte, wodurch er gegen die Wand schlug.

Wobei, wodurch - find ich stilistisch nicht so schön.

die Identität unseres schönen Dorfes zerstören; Jahrhundertealte Traditionen

Guck mal, nach dem Semikolon müsste es klein weitergehen.

»und ich habe dem Betreiber das Versprechen abgerungen, dass wir das Glasfaserkabel für den Windpark auch benutzen können! Das heißt schnelles Internet für alle!«
Spontaner Applaus und »Bravo«-Rufe füllten den Raum.

Sehr stark! Das kann ich mir gut vorstellen. Schnelles Internet und alles ist gut.

Damals bei der Scheidung rief er Erika zu, dass er immer mit ihr verheiratet sein wird, egal was das Gericht sagte, egal wie oft sie mit Günther schlief.

Hier bei der indirekten Rede wäre ich für den Konjunktiv, also ‚verheiratet sein würde‘.

mit Aussicht über die Alster, welche die Wolken und die Stadtsilhouette widerspiegelte

Die Relativpronomen welche/r/s sollte man möglichst vermeiden, die klingen unschön.

20 Euro

Zwanzig in Buchstaben

Strahlende Bläserklänge trugen ihn hinauf zu den regenschwangeren Wolken, näher zum Himmel, näher an die Sonne, näher an den Sieg, näher an die Erlösung.

Herrlich! Aber das ist eine Ironie, die eher in deinen Bommerlunder-Text gehört (der mir mit seinem überkandidelten schrägen Humor übrigens um Lääängen besser gefällt)! Hier wirkt das deplaziert, wie Satire.

»Aber«, sagte Annemarie gefolgt von einem Schluchzen: »Es ist passiert! Ich wollte doch nur einen schönen Lebensabend mit ihm. Ohne Arbeit. Ohne Plackerei. Ohne diesen verdammten Hof, diese verdammte Einsamkeit!«

Auweia. Also, diese Annemarie, das ist ja eine Granate! Erstmal denkt sie an die Arbeit, dann an ihren Göttergatten ...
Na ja, was hat sie bisher in deinem Text gemacht: Erst schält sie Zwiebeln, dann Kartoffeln und bei der Abstimmung genügt ein Fußtritt ihres Mannes, dass sie die Hand sinken lässt. Strange woman.

Beste Grüße
Anne

 

Hallo Anne49,

so, ich versuche mal, etwas Konstruktives zu deinem Text beizutragen.

Nach unserer kleinen "Hakelei" habe ich hier erst einmal geschluckt. Nein, Spaß. Ich halte einiges aus und freue mich einfach riesig, dass Du meine Geschichte nicht nur gelesen hast, sondern auch kommentiert hast.

Sympathisches Thema, keine Frage. Und du schreibst sehr anschaulich, mit allen Sinnen. Dadurch kann ich mir die Szenerie sehr gut vorstellen, die Farben, die Gerüche, die Geräusche. Der Nachteil dieser Detailverliebtheit besteht für mich darin, dass die Geschichte teilweise keinen Zug hat. Ich war versucht, zwischendrin aufzuhören. Ich denke, du könntest an der einen oder anderen Stelle behutsam straffen.

Danke. Das war mein Ziel (neben einigen anderen) in diesem Text. Ehrlich gesagt, wollte ich keinen Zug in der Geschichte. Weihnachten war für mich das Auge eines Wirbelsturms (das Auge musste ich leider zwischenzeitlich verlassen ...).

Ich wollte eine gewisse Gemächlichkeit, Langsamkeit, da dies für mich auch zu der Landschaft, zum Landleben und auch zu den Figuren der Geschichte passt.

Damit habe ich natürlich die Gefahr der Langatmigkeit und ich bin mir sicher, dass viele meine Geschichte nicht lesen, weil es ihnen zu langatmig ist. Die Fertigstellung der Geschichte ist noch zu frisch, als dass ich in der Lage bin, dort mehr Zug reinzubekommen.

Meine letzte Challenge-Geschichte war am Ende übrigens so glattgebügelt, dass sie einem wie nasse Kernseife durch die Finger flutscht (natürlich gibt es dort auch viele andere Probleme).

Im Esszimmer stellte er Paul etwas zu Fressen hin.
Dieser Satz hier hat keine Funktion. Der nimmt nur Tempo.

Das ist ein interessanter Punkt, denn ich sehe das mit dem Tempo, aber ich sehe nicht die Überflüssigkeit des Satzes.

Ich stelle hier die Bindung zwischen Albrecht und Paul dar und charakterisiere Albrecht auch bis zu einem gewissen Grad, denn bevor Albrecht sich dem Zettel widmet, auf dem die Reizwörter stehen, stellt er Paul etwas zu Fressen hin. Damit zeige ich die Priorität, die auch Paul in seinem Leben hat. Das nimmt man als Leser nicht unbedingt bewusst wahr, aber wenigstens unbewusst. Ich glaube aber auch, dass man das nur wahrnimmt, wenn man sich auf den Text einlässt.

Andere Kommentatoren (z. B. Maria) hätten sich sogar noch mehr Fokus auf Paul gewünscht. Ich muss mal sehen, wie ich damit umgehe.

Den Dialog würde ich schneller machen, indem du dieses Nachgefrage, dieses ewige Ping-Pong Ping-Pong (fettmarkiert) rausnimmst. Natürlich hört es sich in echt so an, wie du schreibst. Aber zum Lesen ist das echt zäh.

Ja, und nein. Schade, dass Du das zu zähl findest. Die von Dir fettgedruckten Sätze enthalten zum Großteil Informationen, die wichtig für das Verständnis sind, die Figuren und die Beziehungen untereinander charakterisieren.

Zum Beispiel hier:

Die meisten sind doch unsere Freunde und Nachbarn. Die wollen auch keinen Windpark.«
»Also deine Freunde kannst du nicht meinen.«
»Aber deine.«
»Die sind alle auf der anderen Seite vom Dorf. Weit weg vom Windpark.«

Hier erfährt der Leser eine ganze Menge, nämlich dass Albrecht keine Freunde hat und letztlich nur er und Walther von dem Windpark betroffen sind und sie daher mit nicht mit viel Unterstützung rechnen dürfen.

Oder hier:

»Albrecht, deine Ausdrucksweise!« Walther lachte.
»Sehr witzig.«

Da zeige ich, dass Albrecht eben normalerweise nicht so spricht.

Satz Nummer drei kann auf jeden Fall weg. Satz Nummer zwei höchstwahrscheinlich auch.
Kann vielleicht weg, aber dann muss ich einen Erzähleinschub machen, in dem ich dann direkt sage, dass Albrecht zu viel getrunken hat. Wenn man das ganz rausnimmt versteht man nicht mehr, wieso Albrecht plötzlich betrunken ist.

und der Fahrer kam die wenigen Meter durch den Regen zu ihm gelaufen
Die wenigen Meter können raus. Das ist total egal. In so einer Actionszene brauchst du Tempo.

Die Information ist wahrscheinlich wirklich überflüssig.

Er packte ein Pumpernickelbrot aus einer Papiertüte, das mit Rohmilchkäse und Kochschinken belegt war.
Würde da nicht ein Schinkenbrot reichen?!

Ja, würde reichen, oder auch nicht. Natürlich spiegelt sich da der komplizierte Charakter von Albrecht, der eben nicht einfach ein Schinkenbrot mitnimmt.

»Hast die Kühe verkauft?«, fragte Albrecht.
Fehlt da nicht ein Wort, oder wolltest du das so?

Wollte ich so verknappt, umgangssprachlich, um zu zeigen, dass Albrecht Schwierigkeiten mit dem Thema hat.

Er schlüpfte ins Ölzeug, das Annemarie ihm hinhielt, wobei er den Ärmel verfehlte, wodurch er gegen die Wand schlug.
Wobei, wodurch - find ich stilistisch nicht so schön.

Ja, das ist entstanden, wie ich in der Antwort zu Holgs Kommentar geschrieben habe, weil ich eine bestimmte Satzkonstruktion vermeiden wollte. Das wird sicherlich noch geglättet, aber da muss ich erst drüber nachdenken, denn in dem Absatz gibt es schon einige "A+B" Sätze.

die Identität unseres schönen Dorfes zerstören; Jahrhundertealte Traditionen
Guck mal, nach dem Semikolon müsste es klein weitergehen.

Danke für die Fluse, das muss ich natürlich ausbessern.

»und ich habe dem Betreiber das Versprechen abgerungen, dass wir das Glasfaserkabel für den Windpark auch benutzen können! Das heißt schnelles Internet für alle!«
Spontaner Applaus und »Bravo«-Rufe füllten den Raum.
Sehr stark! Das kann ich mir gut vorstellen. Schnelles Internet und alles ist gut.

Danke! Anderen war genau das wieder zu einfach. So unterschiedlich sind die Lesarten und was man als überzeugend ansieht und was nicht.

Damals bei der Scheidung rief er Erika zu, dass er immer mit ihr verheiratet sein wird, egal was das Gericht sagte, egal wie oft sie mit Günther schlief.
Hier bei der indirekten Rede wäre ich für den Konjunktiv, also ‚verheiratet sein würde‘.

Das ist eine Knobelaufgabe, denn zwischen den Kommata steht ja, was er zugerufen hat. Ist das noch indirekte Rede? Mein Gefühl sagt, dass ich durch den Eingangssatz die indirekte Rede aufgehoben habe. Ferner tendiere ich, falls ich den Konjunktiv verwende, zu "verheiratet sein werde", weil aus seiner Sicht das ja nicht irreal ist und ich daher zu Konjunktiv I tendiere (auch wenn man den Konjunktiv I durch II bei "werden" ersetzen kann).

Du siehst, nichts ist einfach. :confused:

mit Aussicht über die Alster, welche die Wolken und die Stadtsilhouette widerspiegelte
Die Relativpronomen welche/r/s sollte man möglichst vermeiden, die klingen unschön.

Ja, die nimmt man immer dann, wenn man das doppelte "die" vermeiden möchte. :Pfeif:

20 Euro
Zwanzig in Buchstaben

Ändere ich (vielleicht) noch, ich weiß in Romanen tendiert man dazu, eher alle Zahlen auszuschreiben. Ich weiß nicht, bei Geldscheinen tendiere ich aber immer dazu die Ziffern zu schreiben.

Aber Danke für den Hinweis.

Strahlende Bläserklänge trugen ihn hinauf zu den regenschwangeren Wolken, näher zum Himmel, näher an die Sonne, näher an den Sieg, näher an die Erlösung.
Herrlich! Aber das ist eine Ironie, die eher in deinen Bommerlunder-Text gehört (der mir mit seinem überkandidelten schrägen Humor übrigens um Lääängen besser gefällt)! Hier wirkt das deplaziert, wie Satire.

Das ist wohl ein Darling, den ich killen werde.

Schön, dass Dir der Bommerlunder besser gefällt. Der Vergleich mit dieser Geschichte hinkt natürlich, weil das ein völlig andere Thema und auch völlig anderer Schreibstil ist.

»Aber«, sagte Annemarie gefolgt von einem Schluchzen: »Es ist passiert! Ich wollte doch nur einen schönen Lebensabend mit ihm. Ohne Arbeit. Ohne Plackerei. Ohne diesen verdammten Hof, diese verdammte Einsamkeit!«

Auweia. Also, diese Annemarie, das ist ja eine Granate! Erstmal denkt sie an die Arbeit, dann an ihren Göttergatten ...
Na ja, was hat sie bisher in deinem Text gemacht: Erst schält sie Zwiebeln, dann Kartoffeln und bei der Abstimmung genügt ein Fußtritt ihres Mannes, dass sie die Hand sinken lässt. Strange woman.


Den Einwand verstehe ich nicht so ganz, denn Annemarie wünscht sich ja den Lebensabend mit ihm und dann kommen die weiteren Sätze. Also steht er schon an erster Stelle.

Auch hier wieder interessant, wie unterschiedlich die Lesarten zu Annemarie sind. Die anderen hatten wenig Problem sie zu greifen, Rinawu fand sie sogar mit am interessantesten.

Was ich aus der ersten Challenge wirklich gelernt habe, ist erst einmal zu sammeln und dann zu überarbeiten, denn man muss die vielen Leseeindrücke und Kommentare erst einmal verarbeiten und sacken lassen.

Herzlichen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar und Deine Zeit und Dein Durchhaltevermögen!

Gruß
Geschichtenwerker

 

Hallo Geschichtenwerker,

Nach unserer kleinen "Hakelei" habe ich hier erst einmal geschluckt.

Hehe, als erstes wollte ich meinen Komm beginnen mit 'Mein ist die Rache ...', oder so ... :D

Ist das noch indirekte Rede? Mein Gefühl sagt, dass ich durch den Eingangssatz die indirekte Rede aufgehoben habe. Ferner tendiere ich, falls ich den Konjunktiv verwende, zu "verheiratet sein werde", weil aus seiner Sicht das ja nicht irreal ist und ich daher zu Konjunktiv I tendiere (auch wenn man den Konjunktiv I durch II bei "werden" ersetzen kann).

Das ist ganz klar noch indirekte Rede! Nimm gerne Konjunktiv I, aber keinen Indikativ, wäre mein Tipp. (Oder frag Friedrichard)

LG, Anne

P.S. Wie gesagt, der Bommerlunder, der zeigt dein wahres Talent, denk an meine Worte ...

 
Zuletzt bearbeitet:

Manno man,

working class hero of storyteller, Geschichtenwerker,

schon am Anfang zu dürsten is' nix für mich und schon hab ich den Küstennebel in Kopf und Nase, spür ihn auf der Zunge und träum van het Nobeltje auf Ameland (Lieblingsinsel), weil dort Herbst 1989 von Het windje & Freunden im friesisch-niederländischen Fernsehen die DDR wackelte und draußen Wibke oder Co. tobten, bis der Nordstrand einfach weggeblasen war und wahrscheinlich Langeoog als kleineres Abbild von Ameland neu formte und den Sand ablud am Nordstrand. Aber hier reiht sich ein Drama ans andere, sammelt sich zur Tragödie, vom privatesten zum gesellschaflichen.

Ja den Fortschritt kann nur ein ordentliches Gericht stoppen, man sieht's ja auch am Hambacher Forst, und gewaltfreier Widerstand hilft nur, wenn die Gewaltlosigkeit Massen hinter sich weiß, dass Gewaltfreiheit quantitativ wächst, sich ausweitet und eine andere Qualität von Gewalt erzeugt, selber Gewalt durch die große Zahl an Verweigerung wird. Die BRD weiß schon, warum der politische Streik ausgeschlossen ist. Und im gewaltfreien Widerstand zählt kein einzelner Gandhi oder Luther-King allein, schon gar nicht kleine, vereinzelte Leute, wenn das vielgelobte Eigentum des kleinen Mannes auf einmal unter die grundgesetzliche Verpflichtung fällt ... Man könnte ja mal auf der Höhe zu Bredeney, Essen, eine Windkraftanlage bauen wollen ... Auch auf Ausläufern des Rheinischen Schiefergebirges weht genügend Wind ...

Es ist schon so viel gesagt, dass ich in dem existierenden Corpus ein bisschen mit der Nagelfeile rumwirk ... und im Augenblick,

liebe Anne49

und

lieber Geschichtenwerker

parat hab, wozu ihr doch wahrlich alles andere als unwissend-armen Seelen mich anruft. Ich hatte mir heut morgen den Text runtergezogen und zum Überfliegen raugt er nix. Er erfordert neben Sitzfleisch, nicht abgelenkt zu werden durch eine ...ela oder ...ele und wem sonst noch. Aber ich bin durch, beschränk mich auf Flusen, die noch aufgefallen, außer eben dieser einen, die von euch beiden angesprochen wird. Und auf geht's, schon mit der

Geestlandschaft
, denn ist die Geest nich wie die Marsch und das Watt per se "Landschaft"? Ähnlich weiter unten, wenn es heißt
Er packte ein Pumpernickelbrot aus einer Papiertüte, ....
Pumpernickel reicht, ist immer ein Brot und schlimmstenfalls Chris Howland ... Selbst der Rheinländer im Pott weiß, was nicht nur dem Westfalen/Altsachsen - das was der Osten sächsisch nennt, ist sprachlich eher Terwingisch/Thüringisch, die eingewanderten Fürstenhäuser fälschen den Namen der Sprache ... als Sächsisch, das allein der Niedersachse, West- und Ostfale wie der Sauerländer (eigentlich: "Südland") für sich reklamieren kann.

Hier

Eine große Wolke ließ das Sonnenlicht verschwinden, das eben noch Gräser zum Glänzen brachte.
ließe sich am Endedie Substantivierung vermeiden etwa der Art "..., das eben noch Gräser glänzen ließ."

Wenn eine Frage als Behauptung/Unterstellung daherkommt, wie hier

»Wen hast’n da bestochen!«
können durchaus beide Satzzeichen (?!) verwendet werden, um dn Zwitter darzustellen. ...

... die Haut knorrig wie eine alte Eiche.
Das geht eigentlich nicht.

"Knorrig" meint im übertragenen Sinn bei einem Alten, dass er spröde und wenig um- und zugänglich, kurz verschlossen sei, fast so wie ich schüchternes Rehlein, nicht aber seine oder meine schuppige Haut (bin halt Fisch, kein Vogel. Sonst hätt ich ja Federn - oder?). Selbst bei der Eiche bezieht sich "knorrig" nicht nur auf die Rind allein, sondern zudem aufs krumme Wachstum als auch auf viele Verdickungen und Äste eben.

Die Haut ist eher spröde, d. h. trocken und brüchig.

Zum Problem, das schon Holg angesprochen hat

... zog die Stiefel aus, wickelte Paul aus der Decke und setzte den Dackel behutsam auf den Boden, der schnüffelnd in die Küche lief.
Der Relativsatz lässt tatsächlich stolpern - allein schon wegen der grammatischen Gleichgeschlechtlichkeit von Boden und Dackel - da könnte einfaches Möbelrücken der Art "wickelte Paul aus der Decke, setzte den Dackel behutsam auf den Boden und der lief schnüffelnd in die Küche" hilfreich sein.

Aber kann der Dackel nicht eh erst in die Küche laufen, wenn er wieder auf dem Boden ist?

Aber Du willst wahrscheinlich die Behutsamkeit im Umgang mit dem Tier hervorheben, was ein Liebhaber des Wolfes und seiner Derivate sofort versteht ... Und zeigt nicht die Namensgebung, wie verwirrt Albrecht nebst Frau sein muss, wenn der Dackel nach dem Sohne benannt wird. Da schimmert Aberglaube durch, der an Seelenwanderungs-Glaube grenzt, als lebte jemand im Tiere fort. Fehlte noch, dass das Spielzeug zum Kultobjekt würde ...

Die übertriebende Höflichkeit zwischen einander vertrauten/befreundeten Leuten kommt mir hier

Kommt Ihr Zwei zurecht?«
überraschend. Wie "ihr beide" würd ich auch das Zahlwort klein schreiben ...

Walther stieß sein Glas gegen Albrechts und leerte es mit einem Zug
üblich eigentlich "in" einem Zug das Glas zu leeren, weil "in" mehr Bedeutungen hat als das "mit", bei dem immer ein anderes etwas mit-schwingt, etwa der Strohhalm ... (da willstu Doppelungen vermeiden ... trinkend lässt dieser falsche Ehrgeiz eh nach)

Hier zwickt die Fälle-Falle

..., sagte Annemarie in sanften Tonfall.
"in sanftem", weil eigentlich ein "in einem sanften ..."

»Ich bring dich«, sagte Walther.
»Danke. Ich laufe.«
»Aber der Regen.«
»Bin nicht aus Zucker.«
Wird Albrecht nicht schon im ersten Satz dieses kleinen Dialoges die weiche Endung verlassen, wie ihm das Pronomen im zwoten entfällt? "Danke. Ich lauf!", klingt da viel entschlossener

»Aber wir wollen doch nicht die Identität unseres schönen Dorfes zerstören; Jahrhundertealte Traditionen und die schöne Aussicht.
"jahrhundertealte", das Semikolon erzwingt keine Majuskel, oder "Jahrhunderte alt"

Alle im Saal hoben die Hand, bis auf Walther, der auf die Spitzen seiner Gummistiefel starrte[,] und Albrecht, der sich mit hängenden Schultern auf seinen Stuhl fallen ließ.
(Komma, weil der erste Relativsatz zu Ende ist und die Aufzählung fortgesetzt wird)

..., die vielen verschiedenen Grüns, ...
Plural ist zwar korrekt, aber klingt merkwürdig bis bekloppt, um es ehrlich zu sgen- wieder Vermeidung einer mehrfachen Tönung (rot)?

Jetzt kommt ne kleine Krise

als der Reisigbesen auf dem Autodach niedersauste.
"auf das Autodach niedersauste", LA Bewegung, hernach ist es auf "dem" Autodach niedergesaust

sondern nur auf den braunen Kies vor ihn starrte.
besser Reflexivpronomen "auf den ...Kies vor sich starrte"
... und legte seine rechte Hand auf Walthers linken Arm, um ih[n] am Kaffeetrinken zu hindern.
»Glaubst du wirklich[,] die paar Zinsen stören ihn?«, fragte Walther.
Albrecht schloss das Fenster und beobachtete[,] wie Günther wildgestikulierend auf die Polizisten einredete, bis ...

So long 4 1st bye

Het windje

 

Hallo Geschichtenwerker,

zuerst möchte ich dir sagen, dass ich in meinen Komms meistens die Handlung ins Visier nehme. Zur sprachlichen Seite hast du ja ohnehin reichlich Anmerkungen bekommen.

Das ist eine sehr lange Geschichte mit vielen schönen Beschreibungen der Nordseeküste und der Menschen, die dort leben. Ich verstehe, dass du da ungern kürzen möchtest. Die Beschreibung des Esszimmers könnte für meinen Geschmack knapper ausfallen. Ich kapiere auch so, dass Erikas Auszug zu einer gewissen Verwahrlosigkeit geführt hat.

Albrechts Heimatverbundenheit, verbunden mit einer gewissen Sturheit zeigt mir einen interessanten Protagonisten, von dem allerhand Konfliktspotential ausgehen kann. Nicht ganz eindeutig ist für mich, ob der geplante Windpark nur ein Katalysator ist für dahinterliegende Kränkungen und offene Rechnungen. Zwei "Honoratioren" im Dorf, der Lehrer (und Künstler) und der Bürgermeister, liegen im Clinch miteinander. Da geht es auch um Potenzgehabe im weitesten Sinn. Und der zivilisatorische Lack kriegt Risse.

Wie andere finde ich, dass die Nebenstränge mit Paul, dem Hund, und mit Annemarie/Walther in einer KG so ausführlich nicht notwendig wäre. Eine Zuspitzung mit einem Showdown hätte mir auch gefallen. Aber vielleicht passt das offene Ende besser zur Landschaft, wo manches im Sand verläuft ... In Bayern mag das anders sein.;)

Noch etwas zu den Dialogen. Hier finde ich manche zu lang. Reden die Menschen wirklich so ausführlich?
Gerade auch bei der Dorfversammlung. Da kommt mir Günter so vor, als lauere eine Reportermeute an der Theke. Will er in den Landtag gewählt werden:lol:

Hat mir gut gefallen, und du kannst ruhig darüber nachdenken, ob da nicht ein Roman dahintersteckt.

Freundliche Grüße

wieselmaus

 

Hallo lieber Friedrichard und liebe wieselmaus,

herzlichen Dank für Eure Kommentare, auf die ich noch im Detail eingehen werde. Leider ist es bei mir zeitlich etwas knapp, sodass ich Euch noch ein wenig vertrösten muss.

Aber ich freue mich wirklich sehr, dass Euch die Länge der Geschichte nicht abgeschreckt hat!

Gruß

Geschichtenwerker

 

Moin Geschichtenwerker,

sorry, wenn ich Dir bei kleinem Zeitfenster noch einen Kommentar dazugebe (bei mir nährt sich auch die arbeitsintensive Zeit und es sind noch so viele Geschichten ...)

Ich hatte Deine Geschichte ziemlich direkt nach dem Einstellen gelesen. Ich liebe lange Geschichten, also war wirklich über Deine Fleißarbeit erfreut. Die Grundidee hat mir gefallen, das Personal ist interessant und Deine Liebe zu Details führt oft zu schönen Bildern im Kopf.

Beim heutigen Lesen sind mir noch keine Veränderungen aufgefallen. Ich hoffe, es doppelt sich nicht zu viel, denn alle Kommentare habe ich nicht geschafft.
Ich hab ein paar Dinge notiert, die mir aufgefallen sind.

Albrecht führte den Rotmarder-Pinsel langsam über das feuchte, kaltgepresste Aquarellpapier. Die Haare zogen sanft das Siena gebrannt in das strahlende Ultramarinblau, um graue Wolken nachzubilden, die über die Geestlandschaft vor ihm flogen.
Details sind super, aber bei Deiner Häufung im Anfangskapitel muss man schon sehr neugierig sein. Wenn dann noch ungewöhnliche Fachbegriffe (gebrannt) dazukommen, hakt es. Schade, so am Anfang ...

»Na, nimmst noch nen kleinen Küstennebel?
Meinst Du wirklich, die sagen Küstennebel? Ich kenne mich da nicht aus, weiß aber, das vor Ort meist ein Kurzwort verwendet wird (Kurzer, Linie, Kräuter,...). Das wirkt so ... auserzählt?

Annemarie packte Albrechts Ölzeug
packt? Ist das regional, ich hab vor Augen, sie packt ihn am Ausschnitt?

Tja, und dann wird es echt anstrengend. Du weißt, ich bin total blutige Anfängerin, Du kannst das alles also schon viel besser, aber so detailiert redet kein Mensch (oder wirklich nur Ausnahmen). Die Dialoge stoppen meinen Lesefluss total, aber ich bin doch neugierig ...

»Erzähl mir nichts. Ich habe dich dreimal so trinken sehen. Das erste Mal, als ihr das Kind verloren habt. Wie hieß das Ungeborene doch gleich?«
Boh, sein Ernst? Ich weiß nicht, worüber ich entsetzter bin, die plumpe Frage des Wirts oder die Benennung eines Hundes nach einem verstorbenen Kind. Aber Geschmäcker sind verschieden ...

Zwei weitere Arbeiter holten Betonsteine vom Bauzaun und schlichen langsam zum Mercedes. Die Polizisten stellten sich ihnen entgegen, aber vier weitere Arbeiter umringten sie.
Walther schrie: »Du kommst nicht rein!« Walthers Faust schlug auf die Nase des Mannes mit den dicken Oberarmen. Der gelbe Mantel war vorne voller Blut. Der Mann holte wieder aus und traf Walther mit voller Wucht an der Schläfe.
In dem Moment krachte einer der Betonsteine durch die Windschutzscheibe und landete auf dem Beifahrersitz. Splitter flogen umher, trafen Albrechts Gesicht, der die Hände hochriss, um die Decke schützend vor sich zu halten.
Ein Schuss ließ Albrecht zusammenzucken. Möwen kreischten. Für einen Moment war nur das entfernte Rauschen des Meeres zu hören. Albrechts Hände zitterten so sehr, dass Glassplitter von der Decke rieselten.
Holla, Geschichtenwerker, jetzt schau ich mal schnell nach den Tags, aber Fantasie hast Du nicht gewählt. Sorry, die Szene erscheint mir absolut unrealistisch, das kriegst Du bestimmt glaubwürdiger hin

Während ich bei der Krankenhausszene noch am Grübeln bin, was dort für mich nicht stimmt (Du hast Annemaries Verhalten gut vorbereitet, aber irgendwas kann ich nicht greifen).

Annemarie drehte sich langsam um die eigene Achse: »Da sind Spuren!«
Walther folgte den Spuren, auf die Annemarie zeigte. Er rief nach Albrecht, doch er bekam keine Antwort. Auf der letzten Düne am Meer sah er, dass die Fußabdrücke ins Meer führten. Ein Schlagschatten tauchte sie für kurze Zeit ins Dunkel, bevor eine Welle der ankommenden Flut sie fortspülte.
Und dann werde ich fürs Durchhalten beim Lesen belohnt. Den Schluss finde ich persönlich stimmig. Kürzungspotential in den Dialogen auch hier, aber alle Fäden werden augesammelt, das Gehen irgendwie logisch ...

Ich bin sehr neugierig, was Du aus dieser schönen Basis noch machst, gerne schaue ich noch mal in die fertige Geschichte.
Beste Wünsche
witch

 

Allgemein:

Eine überarbeitete Variante ist online:

- Einleitung gestrafft
- "Wirtshausszene" (und damit auch der Hinweis auf das verlorene Kind) entfernt
- "Streikszene" überarbeitet
- Dialoge gestrafft
- Flusen beseitigt (und hoffentlich keine neuen eingefügt)
- Einige sprachliche Überarbeitungen.

***

Lieber Friedrichard,

herzlichen Dank für den feinen Kamm, mit dem Du durch meine Geschichte gegangen bist. Ich habe alle gefundenen Fehler beseitigt (und hoffentlich keine neuen eingefügt).

Manno man,

working class hero of storyteller, Geschichtenwerker,


Ich bin mir nicht sicher, wie ich diesen Titel verstehen soll. Vielleicht sollte ich auch erst einmal einen Küstennebel trinken.

Ja, der Text lang:

Er erfordert neben Sitzfleisch, nicht abgelenkt zu werden durch eine ...ela oder ...ele und wem sonst noch.

Davon kann ich nur ein Lied singen, bei mir hüpfen drei Kleine durch die Gegend, währende ich im Küstennebel versuche, die Dünen zu beschreiben, natürlich nur so lange, bis ... na, lassen, wir das.

Ich hoffe nur, Du bist nicht vom Sitze gefallen, nachdem Du mit dem Küstennebel, äh Text, fertig warst.

Diese Idee

Man könnte ja mal auf der Höhe zu Bredeney, Essen, eine Windkraftanlage bauen wollen ... Auch auf Ausläufern des Rheinischen Schiefergebirges weht genügend Wind ...

finde ich interessant, wobei das eine ganz andere Geschichte wäre, die sicherlich auch ein anderes Ende hätte.

"Knorrig" meint im übertragenen Sinn bei einem Alten, dass er spröde und wenig um- und zugänglich, kurz verschlossen sei, fast so wie ich schüchternes Rehlein, nicht aber seine oder meine schuppige Haut (bin halt Fisch, kein Vogel. Sonst hätt ich ja Federn - oder?). Selbst bei der Eiche bezieht sich "knorrig" nicht nur auf die Rind allein, sondern zudem aufs krumme Wachstum als auch auf viele Verdickungen und Äste eben.

Das "knorrig" ist Geschichte, auch wenn ich es schade finde, weil es so schön vieldeutig ist. Aber was hilft es, wenn der Leser nicht meinen Gedanken folgen kann, sondern sich daran stört?

Deinen anderen Vorschlägen bin ich ebenfalls gefolgt, sofern die Textstellen nicht rausgeflogen sind und von der Flut weggespült werden.

Nochmals herzlichen Dank. Es ist immer wieder faszinierend, wie viele der kleinen Fehlerchen Du findest.

Bester Gruß

Geschichtenwerker

***

Liebe wieselmaus,

auch Dir herzlichen Dank für Deinen Besuch und Deinen schönen Kommentar.

Das ist eine sehr lange Geschichte mit vielen schönen Beschreibungen der Nordseeküste und der Menschen, die dort leben. Ich verstehe, dass du da ungern kürzen möchtest. Die Beschreibung des Esszimmers könnte für meinen Geschmack knapper ausfallen. Ich kapiere auch so, dass Erikas Auszug zu einer gewissen Verwahrlosigkeit geführt hat.

Da geht mir ja das Herz auf, dass doch ein wenig des Textes funktioniert. Mittlerweile habe ich sogar gekürzt. Ein wenig Abstand zum Text tut einfach gut und man hat einen neuen Blick.

Tja, wahrscheinlich müsste man für eine Frau gar keine Andeutungen machen, dass ein Männerhaushalt, bei dem die Frau abhanden gekommen ist, typischerweise eher einem Saustall gleicht.

Albrechts Heimatverbundenheit, verbunden mit einer gewissen Sturheit zeigt mir einen interessanten Protagonisten, von dem allerhand Konfliktspotential ausgehen kann. Nicht ganz eindeutig ist für mich, ob der geplante Windpark nur ein Katalysator ist für dahinterliegende Kränkungen und offene Rechnungen. Zwei "Honoratioren" im Dorf, der Lehrer (und Künstler) und der Bürgermeister, liegen im Clinch miteinander. Da geht es auch um Potenzgehabe im weitesten Sinn. Und der zivilisatorische Lack kriegt Risse.

Toll, dass Du Albrecht interessant findest. Mein Ziel war es, einen interessanten Protagonisten zu entwerfen und entsprechende Konflikte zu schaffen. Naja, Albrecht stört schon der Windpark auch als solches, da er Änderungen nicht so gerne mag. Dies wird in der aktuellen Variante des Textes vielleicht auch deutlicher.

Wie andere finde ich, dass die Nebenstränge mit Paul, dem Hund, und mit Annemarie/Walther in einer KG so ausführlich nicht notwendig wäre. Eine Zuspitzung mit einem Showdown hätte mir auch gefallen. Aber vielleicht passt das offene Ende besser zur Landschaft, wo manches im Sand verläuft ... In Bayern mag das anders sein.

Dieser Nebenstrang mit Paul und auch Erika ist entschlackt. Tja, und das Verlaufen im Sande wollte ich einfach mal ausprobieren. Ich bin übrigens Bayer (Münchner).

Noch etwas zu den Dialogen. Hier finde ich manche zu lang. Reden die Menschen wirklich so ausführlich?
Gerade auch bei der Dorfversammlung. Da kommt mir Günter so vor, als lauere eine Reportermeute an der Theke. Will er in den Landtag gewählt werden

Die Dialoge habe ich ein wenig gekürzt. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass in meiner Familie eigentlich dauernd gesprochen wird. Wenn ich das als Maßstab nehme, sind meine Dialoge extrem kurz.

Günther ist sicher engagiert und will vielleicht auch in den Landtag, aber auch hier habe ich ein wenig gekürzt.

Hat mir gut gefallen, und du kannst ruhig darüber nachdenken, ob da nicht ein Roman dahintersteckt.

Darüber freue ich mich sehr. Ich weiß nicht, ob ich einen ganzen Roman mit dieser Geschichte füllen möchte, aber die Geschichte hatte womöglich das Potential, wenn man die ganzen Nebenhandlungen ausbaut.

Nochmals vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich habe mich sehr darüber gefreut!

Gruß

Geschichtenwerker

***

Moin greenwitch,

da freue ich mich aber sehr, dass Du Dich durch meinen Text gekämpft hast. Bei so langen Texten hat man einfach deutlich weniger Leser und wenn dann noch der Anfang zäh ist, dann schreckt man noch mehr ab.

sorry, wenn ich Dir bei kleinem Zeitfenster noch einen Kommentar dazugebe (bei mir nährt sich auch die arbeitsintensive Zeit und es sind noch so viele Geschichten ...)

So lange man mir verzeiht, wenn ich nicht sofort antworte, kann ich gar nicht genug Kommentare bekommen. Also keine Hemmungen!

Ich hatte Deine Geschichte ziemlich direkt nach dem Einstellen gelesen. Ich liebe lange Geschichten, also war wirklich über Deine Fleißarbeit erfreut. Die Grundidee hat mir gefallen, das Personal ist interessant und Deine Liebe zu Details führt oft zu schönen Bildern im Kopf.

Die Sonne geht

Details sind super, aber bei Deiner Häufung im Anfangskapitel muss man schon sehr neugierig sein. Wenn dann noch ungewöhnliche Fachbegriffe (gebrannt) dazukommen, hakt es. Schade, so am Anfang ...

und eine graue Wolke schiebt sich davor.

Also der Anfang ist gekürzt, vielleicht läuft es jetzt besser.

Meinst Du wirklich, die sagen Küstennebel? Ich kenne mich da nicht aus, weiß aber, das vor Ort meist ein Kurzwort verwendet wird (Kurzer, Linie, Kräuter,...). Das wirkt so ... auserzählt?

Ich kenne Küstennebel auch nur vom Namen her und nachdem ich gebürtig aus Bayern bin und dort leben, kenne ich leider keine echt friesischen Kurzwörter. Bisher hat sich daran auch noch niemand gestört (und ich glaube, dass auch schon Kommentatoren aus dem hohen Norden dabei waren).

packt? Ist das regional, ich hab vor Augen, sie packt ihn am Ausschnitt?

Na, der Albrecht ist kein Grapscher (da musst Du bei Wolfstage vorbeisehen! Kleiner Spaß). Aber das ist geändert.

Tja, und dann wird es echt anstrengend. Du weißt, ich bin total blutige Anfängerin, Du kannst das alles also schon viel besser, aber so detailiert redet kein Mensch (oder wirklich nur Ausnahmen). Die Dialoge stoppen meinen Lesefluss total, aber ich bin doch neugierig ...

So hart hat sich noch keiner zu den Dialogen geäußert. Naja, jedenfalls habe ich sanft gekürzt. Bei Dialogen scheiden sich hier übrigens auch immer die Geister, den einen gefällt's die anderen finden's furchtbar.

Aber wie kommst Du drauf, dass ich alles viel besser kann? Du bist viel länger hier als ich ...

Boh, sein Ernst? Ich weiß nicht, worüber ich entsetzter bin, die plumpe Frage des Wirts oder die Benennung eines Hundes nach einem verstorbenen Kind. Aber Geschmäcker sind verschieden ...

Die ganze Szene ist raus. War schmerzhaft, bin übersäht mit Pflastern (lach), aber sie ist raus.

Holla, Geschichtenwerker, jetzt schau ich mal schnell nach den Tags, aber Fantasie hast Du nicht gewählt. Sorry, die Szene erscheint mir absolut unrealistisch, das kriegst Du bestimmt glaubwürdiger hin

Ja, die "Streikszene" ist überarbeitet. Wobei ich das gar nicht so unrealistisch finde, wenn man sich die Berichte zu Silvester ansieht ...

Während ich bei der Krankenhausszene noch am Grübeln bin, was dort für mich nicht stimmt (Du hast Annemaries Verhalten gut vorbereitet, aber irgendwas kann ich nicht greifen).

Auch hier gibt es kleine Überarbeitungen. Aber wie soll ich etwas greifen, was Du nicht greifen kannst? Vielleicht ist es ja jetzt zu greifen.

Und dann werde ich fürs Durchhalten beim Lesen belohnt. Den Schluss finde ich persönlich stimmig. Kürzungspotential in den Dialogen auch hier, aber alle Fäden werden augesammelt, das Gehen irgendwie logisch ...

Auch das wird unterschiedlich aufgenommen, aber es freut mich sehr, dass sich für Dich das Durchhalten gelohnt hat.

Ich bin sehr neugierig, was Du aus dieser schönen Basis noch machst, gerne schaue ich noch mal in die fertige Geschichte.

Das ist aber schön! Ich weiß nicht, ob die Geschichte jetzt fertig ist, aber zumindest ist sie überarbeitet.

Vielen Dank für Deinen tollen Kommentar!

Bester Gruß

Geschichtenwerker

 

Hallo Geschichtenwerker,

ich lese also die überarbeitete Version.

Kommentare zu deiner Geschichte hab ich nicht gelesen, da noch so viele Texte zu lesen sind, fehlt mir dafür die Zeit. Bitte entschuldige, wenn ich was anmerke, das vielleicht schon geschrieben wurde.

Also:
Der erste Absatz hat mich schon mal neugierig gemacht. Ein Maler, wie schön. Ich male auch gerne aber Aquarell kann ich einfach nicht. "Geestrückens" hatte ich noch nie gehört und musste ich gleich googeln. Alles klar, ist also geomorphologische Landform in Norddeutschland, Flandern, den Niederlanden und Dänemark, die durch Sandablagerungen während der Eiszeiten entstand. Mensch, ist mir direkt peinlich, dass ich das nicht wusste. Da hab ich ihn Geo wahrscheinlich gerade geschlafen...

Süß...der Dackel der ins Heidekraut beißt.

Ist so schön, die Landschaft, die du beschreibst. Da möchte ich gerne mal hinreisen. Vielleicht geht sich das für mich ja mal aus...und irgendwie hätte ich jetzt gerne einen Schnaps...(bitte verrate mir, was Küstennebel ist :D)

»Sind die Kühe weg?«, fragte Albrecht.
»Alle weg«, antwortete Walther. Der Schnaps plätscherte ins Glas.
»Ja, endlich«, sagte Annemarie, die jetzt Kartoffeln schälte.
»Schade ist es schon«, sagte Walther. Er stieß sein Glas an das von Albrecht. Beide leerten den Küstennebel in einem Zug.
»Dann kannst jetzt endlich mal renovieren«, sagte Albrecht.
»Wozu?«, sagte Annemarie. Sie drehte sich um, mit steinerner Miene: »Wir werden alles verkaufen!«

Ja, ist irgendwie schon traurig. Das ist auch bei uns so. Viele kleine Bauern geben ihr Vieh auf. Zahlt sich für sie einfach nicht aus...na, und die Annemarie will sowieso in die Stadt...

Also, ich hätte so einen Windpark auch nicht gerne direkt vor meinem Haus...

Siehst du das?«, sagte er in Richtung von Walther und zeigte auf Günther. »Da ist ein riesiger Dreckhaufen! Mitten im Hof! Da muss ich mal kehren!«

Genau! Zeig es dem Drecksack! Zieh im eins über!

Oh, mein Gott! Geschichtenwerker, wie konntest du nur?! Der Dackel? Echt jetzt?

Deswegen hat der Bertram auch nicht die Polizei geholt, obwohl ihm klar war, dass der liebe Walther sternhagelvoll war. Und deswegen schuldet er mir was!«

Na dann schuldet der Walther ja eher dem alten Bertram was...

»Wir blockieren die Straße«, sagte Albrecht. »Du mit deinem Traktor und ich mit meinem Auto. Und dann ketten wir uns an die Fahrzeuge. Wir machen einen Streik. Dann kommt die Zeitung und ...«
Ja ich mag den Albrecht. So ein richtiger, kleiner Revoluzzer!

Und Zeit kostet den lieben Günther Geld. Viel Geld.«
Ja, Zeit ist Geld...kommt auch in Jose's Windgeschichte vor, gelesen?

Der Sturm gewann an Kraft. Er fegte den Regen fast horizontal übers Land. Albrecht stellte das Radio an, legte seine Lieblingskassette ein, Mahlers Fünfte, und klopfte zu strahlenden Bläserklängen im Takt auf das Lederlenkrad.
Das Gesicht von Walther würde ich jetzt gerne sehen...

Ach, die sitzen ja gar nicht im selben Fahrzeug, sorry. Mein Fehler, hab ich vorher überlesen.

In dem Moment krachte ein Stein auf die Heckscheibe von Albrechts Auto.
»Haut drauf«, rief Günther, »den alten Schrottkarren kann ich locker ersetzen!«
Zwei weitere Arbeiter holten Betonsteine vom Bauzaun und schleppten sie zum Mercedes.
Walther schrie: »Du kommst nicht rein!« Seine Faust schlug auf die Nase des Mannes mit den dicken Oberarmen. Blut tropfte auf den gelben Mantel. Der Mann schrie, sodass Albrecht zusammenzuckte, holte aus und traf Walther mit voller Wucht im Gesicht.

Na, die geben aber ganz schön Gas. Warum holen die den nicht die Polizei? Oder Behördenvertreter.

»Jetzt beruhigen sich alle mal wieder«, sagte ein Polizist, der neben dem LKW-Fahrer stand.

Ah, auch schon da? :lol:

»Herzinfarkt«, sagte Annemarie, ohne den Kopf zu heben.
Na, das jetzt auch noch? Sag was ist los mit dir?

Er rief nach Albrecht, doch er bekam keine Antwort. Auf der letzten Düne am Meer sah er, dass die Fußabdrücke ins Meer führten. Ein Schlagschatten tauchte sie für kurze Zeit ins Dunkel, bevor eine Welle der ankommenden Flut sie fortspülte

Ach nein, jetzt bin ich wirklich sauer auf dich! Eine so schöne, wenn auch ziemlich lange, Geschichte und mit subtilen Humor.

Dann stirbt der Dackel, der Freund bekommt einen Herzinfarkt und der Albrecht packt das Leben nicht.
Das verzeih ich dir nie! (außer du verrätst mir jetzt endlich, was Küstennebel ist).:Pfeif:

Liebe Grüße Sabine

 

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