Hallo @Lies21 ,
herzlich willkommen im Forum! 
Du hast ja schon - auch positive - Rückmeldungen bekommen, dann komme ich mit etwas mehr Kritik. Nichts davon ist persönlich gemeint, es soll helfen, deinen Text mit fremden Augen zu sehen.
Jeder [? Kann sie doch nicht wissen] andere hätte in diesem Moment Panik verspürt, doch Silke saß nur ganz ruhig da und beobachtete den roten Fleck, wie er langsam größer und größer wurde. War das die Lösung, überlegte sie, konnte es so einfach sein? Nie wieder Angst haben. Angst davor zu versagen, Angst ausgelacht zu werden, Angst jemanden zu kränken, Angst[Komma] etwas falsch zu machen. Angst davor[Komma] im Mittelpunkt zu stehen und Angst davor, ein Niemand zu sein. Silke wusste gar nicht, wie es sich anfühlte, keine Angst zu haben. Ihr ganzes Leben bestand aus Angst.
Wie es hier automatisch beim Rauszitieren formatiert wurde, ist auch die einzig korrekte Form. All die Zeilenschaltungen bzw. sogar Absätze gehören da nicht hin: Es ist eine Figur, eine Situation, eine Szene, alles gehört auch zusammen.
Aus dem Textkörper isolierte Sätze oder Mini-Absätze sind blöd, weil:
- es ihnen künstlich Gewicht verleiht, was sie selbst leisten müssten. Leisten sie es nicht, fällt die platte Aussage / Stillosigkeit noch mehr auf als im Fleißtext.
- Haben sie das nötige Gewicht, brauchen sie die künstliche Isolation nicht mehr.
Wirkt immer bissl unsicher und teeniemässig.
(...) doch Silke saß nur ganz ruhig da und beobachtete den roten Fleck, wie er langsam größer und größer wurde.
Besser finde ich:
- beobachtete, wie sich der rote Fleck ausbreitete
oder
- beobachtete, dass sich der rote Fleck ausbreitete.
Ich würde hier auf gar keinem Fall verklausulieren, dass es Blut ist - das ist doch eh klar. Hier wird für den Leser verschleiert, als ob Spannung hervorgerufen werden sollte - dabei denkt es doch die Prota selbst und sie hat überhaupt keinen Grund, sich selbst gegenüber so vage zu sein. Hier willst du zwei Sachen auf einmal: Als Autor einen Hook einbauen und die Figur glaubwürdige Gedanken haben lassen. Beides geht hier nicht - zumindest nicht mit diesen Mitteln.
Sitzt sie noch? Im Auto, oder ...? Falls sie bereits außerhalb des Autos ist (herausgeschleudert, sich rausgeschleppt), wäre es vllt. ernster, wenn sie liegen würde (dann geht das mit dem Ausbreiten-zugucken aber eh nicht).
Keiner ahnte etwas davon. Niemand hätte sie verstanden. Silke ging praktisch auf Zehenspitzen durch ihr Leben aus Angst, irgendwie unangenehm aufzufallen.
praktisch = lockerer Plauderton, der Situation unangemessen und auch der Stimmung, die du - nehme ich an - erzeugen willst.
Ihr Verstand sagte ihr immer wieder, dass es schließlich ihr Leben war.
Nrgh. Ihr Verstand sagt ihr ja auch, dass sie Grund hat, Angst zu haben. Angststörungen sind ja Schutzreaktionen der Psyche / des Hirns, die eben so schwierig zu brechen sind, weil sie den Personen als logisch und rational erscheinen. Das würde ich präziser ausgdrückt stärker finden.
Der Text hat ein starkes Ungleichgewicht zwischen andeutendem, teaserndem Intro und tatsächlichem Plot - also dem Punkt, an dem die Geschichte eigentlich losgeht. Jemand Schlaues hier sagte mal, dass Gedanken von Figuren für den Autoren beim Schreiben interessanter seien als für den Leser, und dem schließe ich mich vollumfänglich an. Nach --- sich danach sehnte wäre allerspätestens der Punkt, an dem die innere verstärkt der äußeren Handlung Platz machen sollte.
Ich fühle mich von sowas schnell zugelabert, vor allem, bevor ich weiß, wer das ist, dem ich da zuhöre oder in welcher Situation die Gedanken geäußert werden (denn das willst du ja aus irgendeinem Grund verschleiern).
Sie lehnte sich zurück, schloss ruhig die Augen und fühlte, wie ihr Blut warm an ihrer Hüfte entlang in den Sitz lief. Bald hatte sie ihren Frieden, endlich.
Ja, das denkt man so, oder?

Es gibt aber einen Überlebenstrieb und selbst, wenn man Grund hat, den Tod herbeizusehnen - wie bei akuten, schweren Depressionen oder starken Schmerzen, was hier aber nicht zutrifft, denn sie steht offenbar unter Schock und spürt nix -, ist das nicht so klar und eindeutig. Das ist die schlechteste Stelle im Text, denn sie verkitscht und simplifiziert etwas extrem Komplexes, Widersprüchliches.
Hier ist eigentlich dein literarischer Konflikt vergraben, aber mit dem, sorry, romantischen Sülz um "Freiheit / Frieden" torpedierst du alles. Damit steht und - in diesem Fall - fällt dein Text.
Übrigens ist dieses
Tod = Freiheit ein typisches Anfängersujet, das du immerhin in vollem Umfang vermieden hast: Jemand steht auf einem Dach oder einer Brücke und denkt ebendas.
Plötzlich nahm sie Stimmen war.
war = Vergangenheit von
ist. -> wahr
Eine Frau sprach sie an: „Ganz ruhig, wir helfen Ihnen. Die Rettung ist verständigt.“ Jemand drückte Verbandsmaterial auf die klaffende Wunde. [Zeilenschaltung] Eine zweite Stimme „Wieso hat sie sich denn nicht den Schal auf die Wunde gepresst, ihre Arme und Hände sind doch ok, oder?“ [dito] „Mensch, die steht unter Schock, das siehst du doch.“ [dito] Da liefen Tränen über ihr [Besser Silkes, sonst sind zu viele sies mit anderem Bezug davor] Gesicht. Vorbei die Chance auf Frieden. [Zeilenschaltung]„Alles wird gut, sie brauchen nicht zu weinen. Da kommt schon der Rettungswagen. Sie werden wieder gesund.“
Was oben zu viel ist, ist hier zu wenig: Zeilenumbruch, sobald Sprecherwechsel / Fokuswechsel.
Man wird bei Krankheiten
gesund, nicht bei Verletzungen.
Ich fände realistischer, wenn die Sanitäter flapsiger sprächen: "Das wird schon wieder." Oder so.
Und damit bissl Spannung und kritische Distanz zur Prota entsteht, nämlich zwischen ihrem persönlichem Drama und dem Alltag der Rettungskräfte.
„Danke“, bedankte sie sich artig bei den Menschen, die sich so vorbildlich um sie gekümmert hatten. Sie hatten ihr das Leben gerettet und ahnten nicht, dass sie sie damit zu weiteren Jahren in Angst verurteilt hatten.
Hatten-Overkill.
1. Falsch, denn sie sind ja noch alle in der Situation (das verwirrt, weil ich dachte, hier ist ein Zeitsprung ins Krankenhaus, aber sie ist noch vor Ort, Sekunden, keine Tage später.)
2. dito, denn die sind ja noch beim Kümmern.
3. verurteilten, denn nix davon ist abgeschlossen. Generell würde ich zu Präsens raten, du bist einerseits zwar sehr in Reflektion, aber andererseits ist nichts tatsächlicher Rückblick, das wäre abgeklärter, nicht so akut. Die Gedanken klingen wie eben genau in der Situation, nur eben zu geordnet.
artig: Viel zu reflektiert, hier passt das eine nicht zum anderen. Du willst einmal die Analyse des Erzählers, der vorgegeben unbeteiligt über allem schweben soll; dann willst du, dass auch die Figur sich analysiert und dann willst du eigentlich akutes Drama und chaotische Ängste / Gefühle. Hier sich als Schreibende weniger in den Figuren spiegeln lassen, sondern mit kühlerem Kopf, überlegter strukturieren: Wer sagt was in welchem Moment und passt das alles organisch zusammen, oder will ich nur als Autorin was platt vermitteln?
Als man sie auf der Trage in den Rettungswagen schob erhaschte Silke noch einen Blick auf den Hirsch, welcher ihr ins Auto gesprungen war und der nun mit verrenkten Gliedern im Graben lag.
Da die Sanitäter schon geredet haben, ist 'man' hier zu anonym, das suggeriert, als wäre sie so neben sich, dass sie nicht wahrnimmt, wer da handelt - das kann ich mir bei ihrer relativen Klarheit hier aber nicht vorstellen.
Präzision: Der Hirsch ist ihr nicht ins Auto gesprungen (ich denke nicht, dass
der Suizid begehen wollte), sondern sie in den kreuzenden Hirsch gefahren.
Und lieber
der anstatt
welcher, klingt immer so bürokratisch-altmodisch, das schafft Distanz zum Erzählten.
Wie leid ihr das Tier tat, das nun völlig umsonst gestorben war.
Das verstehe ich nicht. Das Tier ist so oder so 'umsonst' gestorben, denn verunfalltes Wild kann wohl nicht mehr - zumindest von Menschen - verzehrt werden und wird mMn weggeräumt, kann also auch keine anderen Tiere ernähren. Der Hirsch wär auch umsonst gestorben, wenn sie ihre "Freiheit" erlangt hätte, denn ihre Ängste haben ja für das Tier bzw. die Welt außerhalb ihrer eigenen Person überhaupt keine Bedeutung.
Für einen Gedanken der Figur imA sehr unangenehm naiv, fast dümmlich egozentriert.
Ich würde raten, die Geschichte stringent in einer Perspektive zu erzählen: am besten personal, oder in der 1. Person (es klingt eh bissl Mary Sue). So hast du einen übergeordneten, auktorialen Erzähler, der in ihren Kopf schauen kann (z. B. im ersten Satz) und auch personale Stellen, die klingen, als gäbe es nur ihre Perspektive, nur eben in 3. Person (z. B. letzter Satz). Das Schwanken kickt mich raus und ich muss immer wieder neu einen Zugang finden.
Für meinen Geschmack ist der Text viel zu innenfixiert. Körperreaktionen werden ausgeblendet, z.B. wäre es imA mitreissender, glaubwürdiger, wenn ihr kalt würde und sie zitterte (das wäre gutes show, don't tell für starken Blutverlust, sowas würde auch den Schock durchdringen). Und - wenn du konsequent ins Personale gehen würdest - ihre Gedanken sollten sich nicht lesen, als säße sie zu Hause gemütlich im Sessel. Das wäre schöner fragmentierter, unterbrochener, elliptischer. Mehr Körperempfindungen, weniger Überlegungen. So soll ich glauben, dass sie einerseits dem Tod nah ist und sich da andererseits locker selbst mit all diesen Reminiszenzen durchananlysiert, das nehme ich dem Erzähler und der Figur - letztlich dir als Autorin - so nicht ab.
Also, da hast du generell ein extrem interessantes Thema. Angststörungen haben mit Vermeidungen zu tun, mit Situationen, die unangemessen bedrohlich erscheinen. Eben dieses Merkmal umgehst du aber damit, dass die Figur in einer tatsächlich bedrohlichen Situation ist - jetzt spiegelst du das aber negativ wider: Jetzt, da sie Angst haben sollte, wünscht sie sich den Tod (als zufällige Erlösung - hier läge Suizid nahe, kein Unfall, bei dem der Überlebenstrieb einsetzen würde).
Das verhindert, dass du dich mit deinem Thema eigentlich wirklich auseinandersetzt, und das finde ich extrem schade. Es ist nämlich sehr interessant, und anders als Todessehnsucht / Suizidgedanken / Ennui selten bearbeitet.
Ich rate, hier bei der filmischen Dramatik (Unfall! Hirsch tot! Blut! Sanitäter!) massiv runterzuschrauben und den Leser mehr mit auf die Reise durch die Ängste zu nehmen - nicht in Retrospektive, sondern akut. Mit Körperreaktionen und allem - in einer an sich gar nicht gefährlichen Situation. Klar, das wäre eine andere Geschichte, und du sollst ja schreiben, was du willst, nicht, was ich lesen möchte. 
Aber einfach als Anregung. So, sorry, funktioniert der Text bei mir absolut nicht.
Ich wünsche dir noch viel Spaß hier, auch beim Selbst--Kommentieren unter Fremdtexten, liebe Grüße,
Katla
EDIT: Ah, hat sich überschnitten, ich gehe mit @Morphin , der das alles mit Innensicht bei Schock oder Verletzung aus Sicht einer Figur versus in kitschiger, an den Leser gerichteten Retrospektive aus Autorenhand viel ausführlicher belegt als ich.