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April 1945

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15.06.2004
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April 1945

Ich weiß nicht genau, welchen Tag wir haben, aber es müsste der 8. April 1945 sein. Es ist ein Wunder, dass ich noch ein sauberes Stück Papier gefunden habe und noch ein größeres, dass ich die Kraft zum Schreiben fand. Vielleicht, weil gestern mein Geburtstag gewesen sein müsste, 17ter. 17 Jahre bin ich 7. April geworden, oder werde ich es erst? Meine Rechnung müsste stimmen, doch hier… hier ist das nicht genau auszumachen…. Täglich verschwinden welche von uns in dem Dunkel und kehren nie wieder zurück. Mutter ist auch schon fort; fortgeschleppt, da ihre ausgemergelten Beine sie nicht mehr tragen konnten. Doch das ist kein Wunder, hier zu mindestens. Es schmerzte mich sie so zu sehen, bis auf die Knochen abgemagert, das Gesicht eingefallen und ihre einst so strahlenden Augen stumpf, kein Schimmer der Hoffnung konnte man mehr in ihnen finden. Ob ich auch so aussehe? Ich betrachte meine Hände: dürr, die Finger sehen wie Krallen aus, dreckig und die Fingernägel sind abgebrochen und blutig verkrustet von den schweren Arbeiten, die sie verrichten mussten.
Die Leiber um mich herum schieben und stöhnen. Schmutzige Lumpen und der Gestank von Körperausdünstungen betäuben mich. Wie anders war es damals…

… Heller Sonnenschein kitzelte mich im Gesicht und ich musste niesen. Wie lästig…
Die Frauen um meiner Mutter lachen in ihren strahlend weißen Kleidern. Der Rabbi in seiner schwarzen Tracht, den langen Haaren und dem vollen Bart dirigiert die kleine Gesellschaft frohen Mutes. Vater arbeitete im Laden. Nach der Nacht von dem 8. zum 9. November vor 3 Jahren hatte uns zwar geschadet, aber noch lief alles gut. Über diesem Bild der Fröhlichkeit zeichnete sich schon dunkel der Schatten der drohenden Gefahr. Das Lachen klang zu schrill, die Fröhlichkeit zu aufgesetzt und die Themen waren nicht nur einfaches Geplänkel. Zum Glück lebten wir weit außerhalb der großen Städte, somit waren die Verbote noch nicht allzu streng durchgesetzt worden...
Drei Tage später kamen sie; mitten in der Nacht und holten meine Eltern und mich, das Dienstpersonal und verwüsteten dabei alles. 10 Minuten hätten wir zweit für das Packen unserer Habseligkeiten, aber ja nichts Wertvolles. Als ich versuchte einige meiner alten Bücher einzupacken stieß mich einer der braun gekleideten Gestalten hart in den Rücken: „So etwas braucht ihr nicht, wo ihr hinkommt, Judenpack.“ Also griff ich mir einige leere Blätter, ein, zwei Stifte und ein paar Kleidungsstücke, alles unter den strengen Augen der Braunen.

Dann war alles dunkel und still. Niemand schien den Lärm der Braunen zu hören, oder wollte es nicht hören. Alles dunkel und still.
Wir wurden auf einen verdeckten Laster gescheucht, wo sich schon andere aneinander drängten. Grob schubsten sie uns in das Innere des Wagens, schließlich schlugen die Türen zu und die endlose Reise begann.
Nach unzähligen Stunden, eingepfercht in einem stickigen Waggon, wurden wir von lauten, barschen Stimmen hinausgejagt. Endlose Reihen von Menschen, alte, junge, kleine Kinder, die vor Anstrengung und Hunger schrieen, Mütter, die nach ihren Kindern riefen, aber durch Stockschläge wieder zur Ruhe gebracht wurden, Männer, die Frauen stützten, die müde und verwirrt von der langen Nacht in den Viehwaggons strauchelten und blinzelten, Alte Weiber und Männer, die leise wimmerten… Es waren zwei Reihen, die von den Transporte abgingen, eine, in denen die Frauen mit ihren Kindern, Greise und Krüppel gingen, in der anderen erwachsenen Männer, kräftige Frauen und Jugendliche. Meine kleine Schwester, gerade erst 10 Jahre alt geworden, verschwand in der anderen Reihe mit den Alten. Eine Frau kümmerte sich um sie und lächelte meiner Mutter aufmunternd zu, die immer nach Anna schrie, ein Stockhieb brachte sie schließlich zum verstummen. Ich konnte zusehen, wie der Rücken, an der Stelle immer dunkler wurde….
Die Reihe in der Anna verschwand, ging in die Richtung eines grausamen Gestanks. Es war nur ein leichter Windhauch, trotzdem musste ich würgen… Ich hoffe nur, es geht Anna gut….

Dann, nachdem sie uns kahl geschoren, uns alle Kleider vom Leib gerissen und unsere letzten Habseligkeiten genommen hatten, begann das Arbeiten und das Kämpfen ums Überleben….
Hier schließt sich also nun der Kreis.
Der Gestank von damals umweht nun auch die Baracken, die uns weniger Schutz bieten, als der Sternenhimmel es könnte. Meine Finger zittern und das Blatt ist fast zu ende…. Gleich geht wieder die Tür auf und es werden wieder welche von uns fortgenommen. Nun ja, einen Vorteil hat es; seit gestern hat jetzt jeder ein Bett… Vater dreht sich leise stöhnend um, eine Wolke von seinem ungewaschenen Körpergeruch schlägt mir dumpf entgegen und kann doch nicht den Gestank aus den großen Steinhäusern vertreiben.
Ob sie sich so beeilen, weil die Alliierten näher rücken? Es heißt zu mindestens so, die letzten Häftlinge, die hierher kamen erzählten, das Hitler Fehler gemacht habe, die die Niederlage für ihn bedeuten könnten. Dann auch noch die unaufhaltsamen Truppenbewegungen aus Ost und West…. Vielleicht müssen wir nur noch wenige Tage durchhalten und wir sind frei! Freiheit…. Ein Wort, das ich kaum noch zu gebrauchen wage…. Die Tür geht auf, sie kommen….

 

@Jo_oder_so (danke für die blumen ;) )
schon klar... war einfach nur mal ein versuch in richtung historik, eben, weil ich mich mit speziell diesem thema intensiv beschäftigt habe (will künftig mal geschichte, besser kulturanthropologie studieren). dass das thema bereits übermäßig strapaziert ist, ist mir klar, aber das hängt wohl auch damit zusammen, dass dieser komplex ein nicht unwichtiger und noch recht junger bestandtteil unserer geschichte ist. nunja, sei´s drum...
das nächste von mir, das in dieser rubrik veröffentlicht wird, dürfte sich um etwas gänzlich anderes drehen...
bis dahin..
j.

(( himmel, so viele das/s... hoffe, die sind alle richtig gesetzt *g*)

 

Friedvolle Grüße

Du machst in der Geschichte den selben Fehler, den schon hunderte anderer Autoren in ähnlichen Geschichten gemacht haben - Du verdeutlichst das Grauen an Hand der Handlung und Geschenisse. Wir erfahren, was Dein Ich-Erzähler wahrnimmt, aber nicht, was er/sie fühlt. Gefühle sind aber gerade für diese Art Geschichte sehr wichtig, denn sie erreichen den Leser besser als irgendeine Handlung. Zudem fehlen Charaktere, um die man trauen oder für die man hoffen kann, denn die Geschichte ist zu kurz.

Im Gegensatz zu Jo_oder_so fällt mir zuerst "Das Tagebuch der Anne Frank" ein. Ist zwar nicht im KZ geschrieben, aber in seiner Intensität unübertroffen. Oder Klemperers Tagebücher, die einen sehr guten Einblick geben in das (Gefühls)leben der Juden in Deutschland während der Nazi-Zeit.

Kane

 

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