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Bill 'n Joe in: Der Tsunami

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13.12.2002
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Bill 'n Joe in: Der Tsunami

„Zwei Cokes bitte, eisgekühlt“, orderte Joe an der Strandbar an. Schweißtropfen glitzerten in seinem Dreitagebart. Im Angesicht der Hitze von mehr als 28 Grad Celsius war seine Kehle bereits wieder staubtrocken, obwohl das lieblose Frühstück nur etwa eine halbe Stunde zurück lag. Die Sonne brannte gnadenlos auf den Strand von Khao Lak, einer traumhaften thailändischen Urlaubsregion nördlich von Phuket. Keine Wolke vermochte den tiefblauen Himmel und damit auch die Stimmung der Urlauber zu trüben. Als Tourist kam er in dieser Region, die wirtschaftlich stark von den kaufkräftigen ausländischen Urlaubern abhängig war, in den Genuss einer einzigartigen Gastfreundschaft. Schließlich hatte er hierfür ja auch einiges an sauer verdientem Geld auf den Tisch legen müssen. Während sich die attraktive asiatische Bedienung an der Strandbar bückte, um den Kühlschrank zu öffnen, schielte er über den Rand seiner Sonnenbrille und begutachtete ihren makellos geformten und gebräunten Körper. Lächelnd nickte er zustimmend aber auf subtile Art und Weise kurz mit dem Kopf und zupfte am Kragen seines knallbunten und auf jedem anderen Ort dieser Welt unplatziert wirkenden Hawaiihemds. Er schielte zu Bill herüber, mit dem er vor sechs Jahren auf Schatzsuche ins mexikanische Téotihuacan zog, welches sie schließlich jedoch vollständig in die Luft jagten und damit ein UNESCO – Weltkulturerbe unwiederbringlich zerstörten. Die Erfahrungen, die die beiden Männer dort bis an die Grenze des physisch Ertragbaren führte, geleiteten die beiden zu einem tiefen Band der Freundschaft und des Respekts, welches bis heute fortdauerte. Bill war zu diesem Moment damit beschäftigt, seine Sonnenliege aufzustellen.

Mit hastigen Bewegungen zog Bill am knarrenden Gestell der Liege, um sie endlich aufrichten und in aller Ruhe die wohlige Wärme der Sonne genießen zu können. „Verfluchte Scheiße, dieses Ding bekommt nicht mal das A – Team aufgestellt!“ fluchte er. Einige der Badegäste warfen ihm kritische Blicke zu, da sie sich offenbar in ihrer morgendlichen Ruhe gestört fühlten. Wutentbrannt schleuderte er die noch immer zusammengeklappte Liege in den Sand. Seine Füße schmerzten infolge des erhitzten Sandes, so dass er sich kurz in den spärlichen Schatten stellte, den der Sonnenschirm ihm bot. Mit nachlassendem Schmerz ergriff er die Liege erneut und zerrte ungeduldig an ihr, schließlich klappte das Gestell auf. Sein schwarzer, muskulöser Körper war schweißgenässt. Ein erleichtertes Lächeln huschte über sein ebenso schweißüberströmtes Gesicht. „Wenn die Affen noch mal so blöd glotzen, klemme ich ihren Schädel in diesem Ding ein und schmeiß es ins Meer“, murmelte er in einer Lautstärke, so dass seine Worte noch von dem Personenkreis vernommen werden konnte, an den sie gerichtet waren. Ihre Gesichter wurden unruhig, aber zumindest traute sich niemand mehr, ihm strenge Blicke zuzuwerfen. Er ging in Richtung des Wassers, um sich eine kleine, wohlverdiente Abkühlung zu gönnen, doch als sein Blick auf die See fiel, traute er seinen Augen kaum. Das Meer hatte sich etwa fünfzig Meter zurückgezogen, bis zu diesem Punkt bot sich ihm lediglich ein Ausblick auf den zurückgebliebenen Schlamm und Schlick. „Seit wann gibt’s denn hier draußen Ebbe?“ fragte er sich überrascht. Er trottete zurück zu seinem verbogenen Liegestuhl. Laut aufstöhnend, als hätte er gerade den Ironman auf Hawaii überstanden, ließ er sich in den Liegestuhl fallen und kramte seinen portablen CD – Player aus dem Rucksack. Entspannt lauschte er seiner „Beach Boys“ – CD.

Die asiatische Bedienung stellte die beiden Cokes auf den Tresen. Joes Blick traf den ihrigen und beide lächelten sich kurz an. „Das macht vier Dollar“, erwähnte sie mit hauchzarter Stimme, welche gerade noch so akustisch zu vernehmen war. Als Joe sein Portemonnaie öffnete, schlug die Asiatin plötzlich entsetzt die Hände vor den Mund. Joe musterte sorgsam sein Portemonnaie. Schließlich hatte er doch vor Urlaubsantritt alle peinlichen Fotoaufnahmen, vor allem die mit seiner Katze, aus seinem Portemonnaie verbannt. Als er jedoch nochmals auf die Asiatin blickte stellte er fest, dass sie nicht auf sein Portemonnaie, sondern geradewegs an ihm vorbei schaute, direkt auf die offene See. Langsam folgte er ihrem Blick, ahnend, dass irgendetwas nicht stimmte. Verwundert zog er die Augenbrauen ins Gesicht, als er feststellte, dass sich das Meer um etwa fünfzig Meter zurückgezogen hatte. Verblüfft starrte er die junge Frau wieder an. „Wir müssen sofort hier weg“, sagte sie mit zittriger, von Panik genährter Stimme. „Da kommt gleich etwas Großes auf uns zu.“ „Eine Welle?“ fragte Joe nach. „Ein Tsunami!“ antwortete sie gellend und rannte aus der mit Bambus ausgekleideten Strandbar. Auf dem Weg rief sie möglichst vielen Urlaubern zu, schnellstmöglich den Strand zu räumen. Umgehend leisteten die meisten ihrem Aufruf folge und packten schnellstmöglich ihre Sachen, um ins Landesinnere zu fliehen. Andere ließen hingegen sogar alles stehen und liegen, um sich unverzüglich in Sicherheit zu begeben.

Bill bekam von all der Hektik um ihn herum nichts mit. Während linker- und rechterhand von ihm die kreischenden Leute davoneilten, lauschte er mit geschlossenen Augen seiner CD. Zu dem Rhythmus von „Surfin’ USA“ schlug er mit den Handflächen auf seine Oberschenkel und nickte genüsslich mit dem Kopf. Die Frau, die ihm zuvor den kritischen Blick zugeworfen hatte hielt kurz inne, um ihn vor der drohenden Gefahr zu warnen, besann sich jedoch eines anderen und eilte mit ihrem übergewichtigen, mit österreichischem Akzent sprechenden Mann von dannen. Joe spurtete in Richtung Bill los, hielt kurz inne und rannte wieder zur Strandbar zurück, um sich noch einen großen Schluck der eisgekühlten Brause zu können. Er schmiss die Dose hinter sich, wischte sich über den Mund und setzte schließlich seinen Weg fort. „Bill! Bill, steh auf und renn um dein Leben!“ schrie er, aber die Tatsache, dass der CD - Player auf maximaler Lautstärke lief, führte dazu, dass Bill die warnenden Worte nicht wahrnehmen konnte.

Joe bremste ab, knickte kurz ein, bewegte sich auf den Knien durch den Sand weiter und schüttelte Bill an seinen wuchtigen Oberarmen. Genervt liftete dieser den Kopfhörer von seinem rechten Ohr, die Augen immer noch geschlossen. „Joe, warum machst du denn wieder so einen Stress?“ „Ein Tsunami, Bill, ein riesengroßer Tsunami!“ brüllte Joe ihm entgegen. „Joe, du weißt doch, dass ich mit diesen japanischen Autos nichts anfangen kann, weck mich wenn eine Corvette oder so was vorbeifährt.“ „Du Hornochse, da rollt eine Monsterwelle auf uns heran!“ schrie Joe erneut. Bill setzte sich aufrecht. Sein Handtuch rutschte von der Liege herunter. Langsam zog er seine Sonnenbrille herunter, in deren verdunkelten Gläsern sich die anrückende Gefahr spiegelte. Das Meer schoss brodelnd auf die beiden zu. Sich umblickend erkannte er, dass der Strand größtenteils geräumt war, obgleich einige Touristen nach wie vor gebannt auf die Wassermassen starrten. „Heilige Scheiße“, flüsterte er, dann zog Joe ihn schon aus dem Liegestuhl, welcher umkippte und sofort wieder zusammenschnellte.

„Mein Gott, wieso schießt denn das Wasser plötzlich auf uns zu?“ fragte Bill, während die beiden den Strand entlang spurteten. „Keine Ahnung, vielleicht gab es ein unterseeisches Erdbeben oder so etwas“, gab Joe kurz zu Antwort und führte das Augenmerk auf ihre prekäre aktuelle Lage: „Wir sind zu langsam Bill, nicht mal Roadrunner würde hier noch lebend herauskommen.“ Sein umhersuchender Blick fiel auf den gelb – rot gefärbten Pick – Up der thailändischen Badeaufsicht, der ihn frappierend an die Vehikel aus der Baywatch – Serie erinnerte. Sogar zwei Surfbretter befanden sich auf den Dachträgern. „Und wenn wir uns nicht beeilen, wird es uns ergehen, wie dem Coyoten. Mit einer Ausnahme: wir gehen wirklich bei drauf! Schnell, steig in den Wagen ein!“ befahl er. Joe nahm auf dem Fahrersitz platz und schlug die mit billigem Plastik verkleidete Schutzabdeckung unterhalb des Lenkrads herunter. Ein chaotisches Kabelgewirr prangte ihm entgegen. Nervös blickte Bill sich nach hinten um. Schäumende Wellen erreichten bereits die ersten Meter des Sandstrandes und rissen gnadenlos alles mit, was ihnen im Weg lag. „Würdest Du bitte einen Gang zulegen, da kommt nämlich gerade eine fünfzehn Meter hohe Welle angespült!“ schrie Bill und klammerte sich an der Kopfstütze seines Sitzes fest. Joe warf einen kurzen Blick in den Rückspiegel. „Ich kenne das nur aus dem Fernsehen, keine Ahnung, wie man die Karre hier kurzschließt.“ Die Flut riss einen der Sonnenschirme aus seiner Verankerung und schleuderte ihn mitsamt der Stange voran genau in Richtung des Pick - Up. „Runter Bill!“ brüllte Joe lauthals. Die abgebrochene Stange des Sonnenschirms schlug klirrend ins Rückfenster des Pick - Up ein und schnellte durch den Innenraum. In der Mitte der Fahrerkabine kam sie waagerecht vibrierend zum Stillstand, exakt zwischen Bill und Joe, die die Stange mit aufgerissenen Augen anstarrten und heftig schluckten.

Hektisch fummelte Joe an den Drähten herum und rieb wahllos einige von ihnen aneinander. Das dröhnende Geräusch der immer näher kommenden Fluten hallte über den Strand, als würde ein Berghang ins Rutschen geraten und ins Tal hinabrauschen. Plötzlich brummte der Motor des Wagens. „Na endlich und jetzt gib Gas!“ jammerte Bill. Aus einem der Wachtürme der Strandaufsicht kam plötzlich ein junger Bademeister gesprungen und winkte mit den Armen. „Ich glaub der hat was dagegen, dass wir sein Auto klauen“, vermutete Bill. „Leihen, Bill, wir leihen es nur!“ korrigierte ihn Joe und betätigte die Bremse. „Komm schon Kumpel, spring hinten drauf!“ schrie Bill aus dem heruntergekurbelten Seitenfenster. Der thailändische Bademeister leistete seinen Worten folge und sprang auf die Ladefläche des Pick – Up. Verwirrt betrachtete er die Stange des Sonnenschirmes, die sich bis in den Innenraum des Wagens erstreckte. Mit einer Geste ließ Bill ihn wissen, dass er die Stange herausziehen sollte, was der Thailänder sofort tat. Die ersten Ausläufer der Welle erreichten nun beinahe den Wagen. Am Riff, nur unweit des Pick - Up entfernt, brachen sie sich und schleuderten die blütenweiße Gischt empor ins tiefblaue Firmament. Die Sonneneinstrahlung ließ den Schaum wie kleine Perlen in der Morgensonne glitzern. Joe betätigte den Scheibenwischer, fuhr mit Vollgas davon und jagte den Wagen in Richtung der Hauptstraße, die an den Strand angrenzte. Erst einmal auf der Straße angelangt, wären sie praktisch in Sicherheit. Der Thailänder sprach hektische Worte in seiner Landessprache und fuchtelte wild mit seinen Händen. Bill blickte ihn stirnrunzelnd an und wandte sich wieder Joe zu: „Der Knabe will uns irgend etwas mitteilen, aber ich verstehe ihn nicht“, ließ er Joe wissen. „Super, ich hatte am College lediglich Lateinkurse, da sieht man mal, dass man mit so einer Scheiße im Leben nichts anfangen kann!“ monierte sich Joe. Die Gischt umspülte die Räder des Fahrzeugs, das immer schwieriger zu navigieren wurde. Wassermassen überspülten erstmals die Ladefläche des Pick – Up und standen dem Thailänder bereits bis zu den Knien, der sich verzweifelt versuchte, am Rand der Ladefläche festzuhalten.

Sie näherten sich nun der Promenade, doch Bill und Joe mussten feststellen, dass sie keineswegs einfach auf die Hauptstraße auffahren konnten, wie ursprünglich geplant, da diese durch eine Steinmauer vom Strand getrennt verlief. „Ich glaube, darauf wollte uns der Bademeister hinweisen“, vermutete Bill, als er sah, wie der Thailänder sich fluchend immer wieder die flache Hand vor die Stirn schlug.

Joe hielt den Wagen an, blickte sich aufgeregt um und befeuchtete mit der Zungenspitze seine Oberlippe. „In Ordnung, wir nehmen die romantische Route!“ sagte er entschlossen während er den ersten Gang einlegte. Ängstlich blickte Bill zu ihm herüber und zog die rechte Augenbraue hoch: „Die romantische Route?“ Joe ließ seinerseits den Motor aufheulen: „Ja, wir fahren direkt durchs…HOTEL!“ gab er zur Antwort und noch bevor Bill etwas entgegnen konnte hatte sich der Pick - Up auch schon in Bewegung gesetzt. Holprig nahmen sie die treppenförmige Auffahrt zum Hotelpool, an dem sich immer noch einige Urlauber befanden, um gebannt das Naturschauspiel zu beobachten, sich anscheinend nicht der unmittelbaren Todesgefahr bewusst, die sie so offensichtlich bedrohte. Joe betätigte mehrmals die Hupe und gestikulierte, damit die Leute sich in Sicherheit bringen würden, doch nur eine geringe Anzahl von Leuten reagierte überhaupt darauf. Die linken Räder des Gefährtes tangierten bereits den Beckenrand des Pools. Rechterhand erfasste der Kühlergrill des Pick - Up die unbesetzten weißen Plastikliegen und schleuderte sie mitsamt den von den britischen Gästen sorgsam zwecks Platzreservierung darauf angebrachten Handtüchern hinfort. Bei jedem Aufprall zuckte Bill kurz zusammen. Eine der Liegen schlug einem der britischen Gäste frontal ins Kreuz, worauf dieser schreiend zu Boden ging. Das in den Farben der britischen Nationalflagge gehaltene Handtuch, das dieser zuvor bereits bei Sonnenaufgang sorgsam auf der Liege platziert hatte, segelte herunter und bedeckte das Gesicht des bewusstlosen Mannes. Der Thailänder auf der Ladefläche des Pick – Up hatte Mühe, sich festzuhalten. „Pass auf!“ kreischte Bill plötzlich auf und deutete mit dem Zeigefinger in Richtung eines kleinen, mit roten Schwimmflügelchen ausgestatten Mädchens, welches mit großen neugierigen Augen direkt in die Fahrbahn des Pick - Up lief. Joe schnaufte kurz auf und riss das Lenkrad scharf nach links, womit sie direkt in Richtung des Restaurants zusteuerten. Die Flutwelle hatte den Pool erreicht und zog mit ihren gierigen Händen die umherstehenden Touristen hinunter, die sich verzweifelt versuchten, an den angrenzenden Palmen festzuhalten. Schmerzlich dachte Joe an das kleine Mädchen und all die anderen unschuldigen Menschen, die just in diesem Moment ihr Leben lassen mussten, doch für Trauer war jetzt keine Zeit. Er musste sich wieder auf das eigene Überleben konzentrieren.

Joe und Bill brüllten auf, als der Wagen eine kleine Anhöhe überfuhr, um nach einigen Metern des freien Fluges ungebremst durch das riesige Fenster des hoteleigenen Restaurants zu schmettern. Der thailändische Bademeister stürzte von der Ladefläche herab und blieb regungslos liegen. Die Glasfragmente der zersplitterten Scheibe schossen wie kleine Kristalle durch den Raum. Einige der Kellner, die noch nicht geflüchtet waren, sprangen zur Seite. „Joe, wärst Du so nett, noch einmal kurz bei meinem Hotelzimmer vorbeizufahren, da liegt nämlich noch mein iPod drinnen“, merkte Bill flapsig an, während er im Sitz hin- und hergeschleudert wurde, doch Joe überlegte bereits, welchen Weg er von hier aus am Besten einzuschlagen hatte. Der Wagen donnerte durch die Tisch- und Stuhlreihen, woraufhin das hölzerne Mobiliar in seine Einzelteile zerfetzt wurde und wuchtig umher splitterte. Glücklicherweise war das Restaurant weitestgehend geräumt, weshalb Joe hier keine Rücksicht auf glotzende Touristen nehmen musste. „Anschnallen Bill, sonst zahlt die Versicherung nichts“, merkte er mit einem Blick nach rechts an. „Sehr witzig“, entgegnete Bill, schnallte sich jedoch dessen ungeachtet umgehend an. Die Flutwellen preschten nun ebenso durch das Restaurant und rissen sämtliches Mobiliar und Geschirr sowie die wenigen Bediensteten mit. Der Gäste - Ausgang war zu schmal für den Pick – Up, hier gab es keine Chance auf ein Durchkommen. Der Weg durch die Küche war ebenfalls viel zu schmal für den bulligen Wagen. Die letzte Möglichkeit, die ausreichend Platz für den Pick – Up bat, war der Weg durch das benachbarte Fitnessstudio. Joe kniff die Augen zusammen, als das Gefährt auch diese Gläserfront zum Zersplittern brachte.

Die Windschutzscheibe wies bereits tiefe Risse auf. Ohnehin war es verwunderlich, dass der Wagen trotz aller Strapazen immer noch fahrtüchtig war. Joe riss das Lenkrad stark nach rechts, um dem schweren Trainingsgerät auszuweichen. Versehentlich streifte er eine der Hantelbänke, was einen immens lautstarken Ton erzeugte und eine große Delle in dem Kühlergrill formte. Die Flutwelle trat ins Fitnessstudio herein und spülte die schweren Geräte scheinbar mühelos hinfort. Ein Ausläufer der Welle überspülte nun den Pick – Up, woraufhin metallisch klopfende Geräusche erklangen. Wasser träufelte ins Innere des Wagens und nässte Bills und Joes Bermudashorts ein. Nachdem die Welle sich wieder zurückgezogen hatte, blickte Bill nach hinten auf die Ladefläche des Wagens, auf der sich nun klappernd eine der Trainingsbänke hin und her wog, die die Welle dort abgelegt hatte. Beinahe kam es Bill so vor, als würde die Welle ihnen das Trainingsgerät hinterherwerfen.

Der Wagen schmetterte durch die breite Tür und raste durch den langen Gang, der geradewegs in die riesige, kreisrunde Empfangshalle führte und seitlich gesäumt wurde von riesigen, luxuriös ausgestatteten Konferenzräumen. Röhrend keuchte der Motor seine Höchstleistung heraus. Der Gang war gerade breit und hoch genug, um den Pick – Up nicht an irgendeiner Stelle anecken zu lassen. Der obere Teil des Wagens erfasste die in regelmäßigen Abständen angebrachte Deckenbeleuchtung, welche klirrend davon wirbelte und den Gang schrittweise verdunkelte, sobald der Wagen die betreffenden Stellen passiert hatte. Trotz der Dunkelheit konnte Joe im Innenspiegel die voranpreschende Gischt erkennen, die den Wagen förmlich zu jagen schien. „Freiheit wir kommen!“ jubelte Joe, als er auf die verschlossene Tür zusteuerte, die den Gang von der Empfangshalle noch trennte. Plötzlich ertönte abermals ein lautes Geräusch, dieses Mal jedoch direkt am Wagen, fernab jeglichen Einflusses der brausenden Welle. Der Wagen sackte kurz rechts herab. Verwundert starrte Joe zu Bill herüber, dem das Lächeln im Gesicht gefroren war. Nach einem weiteren lärmenden Knall sackte der Wagen auch linkerhand herab. Bill lehnte sich aus dem Seitenfenster, und musste mit ansehen, wie einer der Reifen, der sich soeben gelöst hatte, geradewegs an ihm vorbei flog, bevor ihn die dunkle Welle unbeherrscht erfasste und verschlang. Der Gang war derart schmal, dass Bills Haare bereits an der Zimmertapete entlang streiften. Als er seinen Blick wieder geradeaus in Fahrtrichtung wandte, erkannte er, dass eine große Lampe, die an der Wand angebracht war, auf ihn zuraste. In letzter Sekunde zog er den Kopf zurück ins Auto. Die Lampe schmetterte an der rechten Wagenseite entlang und zerkratzte unter Begleitung quietschender Geräusche das Metall. Scherben flogen auf Bills Schoß. Die vordere Radaufhängung bohrte sich durch den roten Teppich hindurch direkt in den Parkettboden hinein und riss ihn allmählich auseinander. Der Wagen verlangsamte. „Verdammter Mist!“ fluchte Joe und schlug auf das Lenkrad. Die Radaufhängung hinterließ eine tiefe Furche in dem Samtteppich, der Wagen steuerte jedoch weiterhin mit rapide abnehmender Geschwindigkeit auf die Tür zu. Schließlich stupste die Front des Wagens sanft die Tür an, bevor er vollends zum Stillstand kam. „Nichts wie raus hier“, keuchte Bill und zog sich aus dem Seitenfenster heraus. Er stützte sich mit dem Rücken an der Wand ab und lugte auf das Dach des Pick – Up. Trotz der irrsinnigen Fahrt befanden sich auf dem Dach immer noch die beiden Surfbretter. Instinktiv riss er sie herunter und quetschte sich am Wagen vorbei. Joe folgte ihm. Rasch stießen sie die Tür auf. Die Welle dröhnte zornig durch den engen Gang.

Schockiert mussten sie mit ansehen, wie sich die Leute in der Eingangshalle regelrecht über den Haufen rannten. Alle, egal ob Touristen, Pagen, Köche oder Verwaltungskräfte, rannten in schierer Panik um ihr Leben. Die Eingangshalle war bereits mit Wasser gefüllt, wodurch sich das Vorankommen der angsterfüllten Menschen erschwerte. Hastig stapften sie durch das Wasser, nicht ahnend, dass der nächste Wellenschub sogleich von oben auf sie herabstürzen sollte. Bill umklammerte das Geländer und schaute hinab. Von hier aus hatte man kompletten Einblick auf die kreisrunde Eingangshalle, allerdings befand man sich immer noch im ersten Stockwerk. Instinktiv zuckte er zurück, als irgendetwas an ihm vorbeirauschte und in die Tiefe fiel. Hinterher blickend erkannte er, dass es ein Mensch war, der sich in seiner Verzweiflung aus einem der oberen Stockwerke hinabgestürzt hatte. Sein Körper zerschmetterte rücklings auf einem beladenen Kofferwagen. Entsetzt blickte Bill sich in der kreisrunden Eingangshalle um und sah, wie sich noch weitere Personen aus den oberen Stockwerken scharenweise herabstürzten in der vergeblichen Hoffnung, das etwa einen Meter hohe Wasser würde ihren Aufprall mindern können.

„Scheiße, hier ist ja die Hölle los“, brüllte Bill, um die lauten Hintergrundgeräusche, die eine Mischung aus schallenden Fluten und panischen, ohrenbetäubenden Todesschreien darstellten, zu übertönen. „Los Bill, wir müssen springen!“ keuchte Joe. „Bist du wahnsinnig, das sind bestimmt zehn Meter im freien Fall!“ entgegnete Bill entsetzt. Joes Blick fiel auf die beiden Surfbretter, die Bill immer noch in der Hand trug. Auch Bill blickte auf die Bretter herab. „Es ist zwar kein guter Plan“, räumte Joe ein, „aber es ist der letzte, den ich noch habe.“ Bill schmiss ihm eines der Surfbretter zu. Joe schaute sich das Brett kurz an und presste die Lippen zusammen. Zum einen war es in rosa Farbe gekleidet, zum anderen trug es ein lächerliches gelbes Pokemon – Prägemotiv. „Ich nehme lieber das andere!“ klagte Joe und streckte die Hand heraus. Bill drückte sein schwarzes Surfbrett jedoch an seinen breiten Brustkorb, umklammerte es und schüttelte beinahe trotzig den Kopf. Erst als das schäumende Wasser bereits ihre Füße umspielte, verzichteten beide auf eine Fortsetzung der sinnlosen Diskussion. Joe warf seinem Surfbrett noch einen genervten Blick zu, dann kletterte er auf die schmale Brüstung. Bill tat es ihm gleich und hielt sich an einer der massigen Steinsäulen fest, die sich durch die gesamte Halle erstreckten. Auf der zierlichen Balustrade wankend blickten beide nach hinten. Die Flutwelle schoss wie eine Fontäne aus dem engen Gang. Adrenalinschübe durchfuhren ihre Körper in Erwartung des baldigen Eintreffens der Welle. In dem Moment, in dem die Wassermassen die Balustrade unterspülten, klemmten sich Bill und Joe ihre Bretter unter die Füße und sprangen schreiend herunter. Mitsamt der tosenden Flutwelle stürzten sie den ersten Stock herab in die Lobby. Die Bretter vermochten sie tatsächlich auf den Wassermassen zu tragen. Joe bemerkte seinerseits, dass er direkt auf den gigantischen Kronleuchter zusteuerte, der an der Decke prangte. Es war unmöglich, ihm auszuweichen.

Er war froh, dass das Surfbrett ihn wenigstens noch trug, aber mit ihm zu navigieren war eine schlichtweg utopische Absicht. Zwischen dem Kronleuchter und der Decke befand sich ein Zwischenraum von etwa einem Meter. Joe sprang vom Surfbrett ab und hechtete über den Kronleuchter hinweg. Haarscharf passierte er die fest gespannten Trageseile, die den Kronleuchter hielten, genau in der Mitte. Währenddessen trug die Flut das Surfbrett unter dem Kronleuchter hinfort. Bäuchlings landete Joe wieder auf dem Pokemon - Surfbrett und klammerte sich an ihm fest. Wasser schäumte ihm ins Gesicht und erschwerte ihm das Atmen und die Sicht. Joe drehte den Kopf weg und spuckte das Wasser wieder aus, das ihm in den Mundraum spritze. Die Welle hatte sogar den Pick – Up aus dem Gang heraus gerissen und ließ ihn nun ebenfalls in die Lobby herabstürzen. Der Wagen krachte direkt neben einer niederländischen Familie auf den Boden und ließ das Wasser meterhoch heraufspritzen. Die schwere Hantelbank hatte sich während des Falls von der Ladefläche des Pick – Up gelöst und schmetterte der holländischen Familie direkt ins Gesicht. Auch aus den anderen Hotelgängen des ersten Stockwerkes schossen die Wasserfontänen heraus und strömten mitsamt den aus den Angeln gerissenen Türen und sämtlichem anderen Gerümpel in die Lobby hernieder. Einige umherirrende Personen wurden von den Fontänen fortgerissen und stürzten schreiend in die Tiefe. Andere klammerten sich verzweifelt am Geländer fest und versuchten sich der Gewalt des Wassers zu widersetzen, ließen jedoch entkräftet los oder wurden vom herumspülenden Müll getroffen.

Bill und Joe, die immer noch von der Welle getragen wurden, hatten Mühe, das Gleichgewicht zu halten. Die Welle schleuderte sie auf den Ausgang zu, dessen etwa sechs Meter hohe Scheibenfront immer noch nicht zerborsten war und so verhinderte, dass das aufgestaute Wasser zügiger aus der Lobby abfließen konnte. So strömte das Wasser lediglich aus den kleineren Eingangstüren, die zwar geöffnet waren, jedoch aufgrund der Überspülung nicht mehr zu erreichen waren, ohne nach ihnen zu tauchen. Die nachpreschenden Flutwellen füllten die Lobby zudem schneller mit Wasser, als es durch die kleinen Ausgangstüren wieder entweichen konnte. Der Pegel stieg unaufhörlich weiter. Wuchtig prallten Bill und Joe gegen die knirschende Verglasung und fielen von ihren Surfbrettern direkt in die braune, tosende Flut. Große Möbelstücke schnellten an ihnen vorbei und stießen immer wieder dumpf an die Glasfront. Der zunehmende Wasserdruck führte dazu, dass das Glas an bestimmten Stellen bereits die ersten Risse aufwies. Bill schlug mehrmals mit seinem Ellenbogen gegen das demolierte Glas. Kurze Zeit später zerbarst das Glas und das unbändig herausströmende Wasser spülte allmählich die Lobby leer. Die Wassermassen umschlossen Bill und Joe vollends und wirbelten sie unter Wasser umher. Schützend hielten sie sich ihre Arme um den Kopf, um nicht von einem der zahlreichen Trümmerstücke oder gar einer Leiche getroffen zu werden. Bill verlor vollends die Orientierung. Er wusste weder wo oben, noch wo unten war. Er merkte lediglich, wie ihm allmählich die Luft ausging.

Schließlich entließ die Welle die beiden und ließ sie erst in der Nähe des etwa achtzig Meter entfernten Parkplatzes wieder los. Beide lagen bäuchlings im Schlamm und hoben simultan langsam ihre Köpfe aus dem Schlick. Sie waren umgeben von zerbrochenen Trümmerstücken, die man nur schwer ihrem Ursprung zuordnen konnte. Größtenteils handelte es sich einfach um Holzfragmente unterschiedlicher Größe. Joe hustete angewidert und entließ somit noch ein wenig überschüssigen Wassers aus seinem Körper. Direkt vor ihm lag das rosafarbene Pokemon – Surfbrett. Joe hob es auf, lächelte kurz und tätschelte müde das lächerliche Pokemon Motiv. „Danke, Pikachu!“ hustete er leise, dann ließ er seinen Kopf entkräftet zurück in den Schlick plumpsen. Bill rappelte sich als erster wieder auf. „Meine Güte, wir haben es tatsächlich überlebt!“ Zu seiner großen Verwunderung, gleichsam aber auch Begeisterung, stellte er fest, dass auch die anderen aus der Lobby gespülten Touristen allmählich auf die Beine kamen. Auf den ersten Blick sah es sogar so aus, als hätten sie alle überlebt. Bill griff Joe unter die Arme. Beide standen fassungslos in der immer noch gnadenlos herunter scheinenden Sonne und kniffen die Augen zusammen. Der Anblick der Verwüstung war entsetzlich. So weit das Auge blicken konnte befanden sich Trümmer und wimmernde Touristen. Das ehemals prunkvolle Hotel glich selbst aus dieser Entfernung einem Schlachtfeld.

Plötzlich fasste den beiden jemand von hinten um die Schultern. Es war der thailändische Bademeister. Auch er hatte es irgendwie geschafft, nahezu unverletzt aus diesem Desaster zu entkommen. Bill und Joe freuten sich und klopften ihm begeistert auf den Rücken. Joe drückte dem Bademeister das rosafarbene Surfbrett in die Hand und nickte lächelnd mit dem Kopf. „Das ist glaube ich dir, Kumpel!“ Plötzlich verdunkelte sich seine Miene wieder. Er machte einige zaghafte Schritte nach vorne. Ein rotes Seeflügelchen trieb in einer schlammigen Pfütze vor sich hin. Traurig ging er in die Knie und ergriff die kleine Schwimmhilfe, die zuvor noch das Mädchen am Swimmingpool getragen hatte. Der Moment der Trauer um das Mädchen dauerte aber nicht allzu lange an, denn schon kurz darauf erkannte er das Mädchen in der Ferne wieder, wie es weinend in die Arme einer Person fiel, die ihr Vater zu sein schien. Trotz des Überlebens dieser Personen war ihm und auch Bill bewusst, dass auch ein Großteil der Touristen dieses Drama nicht überlebt hatte oder vielleicht sogar noch in diesem Moment mit dem Überleben kämpfte. In den darauf folgenden Tagen verlängerten sie ihren Urlaub für die Dauer einer Woche, um sich an den Aufräumarbeiten zu beteiligen.

Auf dem Rückflug blickte Joe aus dem Fenster und betrachtete die Oberfläche der Wolken, die von der untergehenden Sonne angestrahlt wurden und in intensivem Orange schimmerten. Seiner Philosophie zufolge hatte sich die Erde auf eine besonders grausame Art und Weise gerächt. Sie hatte der Menschheit aufgezeigt, dass sie nur Gast auf der Erde ist und unseren wundervollen Planeten auch dementsprechend zu behandeln hatte, nämlich mit Würde und Respekt. Nicht umsonst sprachen schon die Indianer von der „Mutter Erde“. Scheinbar hatte die einst so geduldige Mutter ihre Besonnenheit mit ihren Zöglingen verloren. Und sicherlich würde dies auch nicht der letzte Zeitpunkt gewesen sein, an dem sie ihren Menschenkindern die Grenzen ihrer Existenz aufzeigte. Bill schien mit seinen Gedanken bereits nicht mehr bei der Flutkatastrophe zu sein. Seine Augen fixierten den wohlgeformten Hintern der blonden Stewardess. Genüsslich schlürfte er aus seiner 7 Up – Dose. Joe nahm es ihm nicht übel. Bill hatte nun einmal ein einfaches Gemüt. Wahrscheinlich war dies auch der Grund, weshalb es Bill stets gelang, das Leben von seiner einfachen Seite zu nehmen. Kritisch beäugte Joe seinen Sitznachbarn. „Weißt du, Bill, ich möchte es nicht ewig durchkauen, aber den nächsten Urlaub werde ICH planen.“ Bills Gesicht nahm entnervte Züge an. „Joe, wenn DU den Urlaub planst, landen wir immer in irgendeinem landeshistorischen Museum und müssen uns irgendwelche verstaubten Bauernklamotten aus dem 17. Jahrhundert ansehen. Das macht einfach keinen Spaß!“ klagte er. „Lass mich mal eine kurze Erfolgsbilanz DEINER Urlaubsplanung ziehen…“ begann Joe, doch Bill fiel ihm ins Wort: „Ja, ich weiß, dass der Urlaub in Manhattan im Spätsommer 2001 auch nicht gerade zu den schönsten gehörte, aber…“ Nun unterbrach Joe wiederum Bill: „In Ordnung, jeder von uns schreibt einfach zwei Vorschläge auf und wir ziehen dann einen heraus“, schlug er vor. Bill nickte mit dem Kopf und holte seinen Kugelschreiber aus der Brusttasche seines Hawaiihemdes. Nachdem beide ihre Vorschläge aufgeschrieben und zu Papierkügelchen geformt hatten, sammelte Joe diese in seinen gefalteten Händen. „Zieh, Cowboy!“ wies Joe ihn an und Bill ergriff eins der Kügelchen, um es zu entfalten. Ein Stirnrunzeln huschte ihm übers Gesicht. „Alles klar, dieser Vorschlag kommt definitiv von dir!“ sagte er konsterniert. Joe lächelte vorfreudig: „Und, was ist es, Nordkorea oder Miami Beach?“ „Miami Beach? Dein zweiter Vorschlag war Miami Beach? Oh verdammt!“ jammerte Bill und schmiss den Papierfetzen fort. Joe hob seine Coke – Dose triumphierend in die Höhe und blickte lächelnd aus dem Fenster. „Pjöngjang, wir kommen, bereite dich schon mal drauf vor!“ kam über seine Lippen, während das Flugzeug in den tieforange glühenden Sonnenuntergang zusteuerte und Bill immer noch meckernde Flüche ausstieß.

THE END…?

 

Anmerkung des Autors:

Lieber Leser,

mit dieser kleinen Geschichte, die ich im Januar 2005 verfasste, wurde einmal mehr ein Tabu meinerseits gebrochen, indem ich die seinerzeit recht aktuellen Ereignisse der Flutkatastrophe im südasiatischen Raum in eine meiner Geschichten einfließen ließ. Hierbei wird jedoch nicht das in der Tat tragische Ausmaß der Katastrophe geschildert, über Ursachen und mögliche Präventionsstrategien diskutiert und auch keine moralphilosophischen Aspekte aufgegriffen. Die Tatsache dass Joe und Bill die Hauptrollen in der Geschichte spielen weist Sie, sofern Ihnen diese Charaktere aus meinen vorherigen Geschichten bereits vertraut sind, auf einen gewohnt lässigen Schreibstil hin, der sich durch eine Geschichte voll unglaublicher Action, flapsigen Sprüchen und schwarzem Humor zieht. All diese drei Elemente erscheinen im Hinblick auf die katastrophalen Opferzahlen und verheerenden Einzelschicksale dieses Desasters fehl am Platz. Auch mir erschien dies im ersten Moment so. Diesen kreativen Spielraum gestehe ich mir als Hobbyautor jedoch zu.

Ich möchte hiermit reinen Gewissens versichern, dass diese Geschichte nicht in Respektlosigkeit vor den Opfern der Flutkatastrophe verfasst wurde oder das Ausmaß dieses Dramas schmälern oder gar ins Lächerliche ziehen will. Allen, die dies befürchten rate ich davon ab, sich nun dem Lesen der Geschichte zu widmen.

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Anmerkungen bitte immer separat!
Asterix

 

Hallo MarkMan

Ich gehe immer zuerst auf die Details ein und schreibe am Ende meine Meinung zum Text.

Zu den „ß“ kann ich leider nichts sagen, da ich aus der Schweiz komme und hier ihre Anwendung nicht gelehrt wird. Ausserdem habe ich das Zeichen gar nicht auf der Tastatur, ich muss es also immer umständlich von irgendwo herkopieren. Auf alles übrige werde ich achten.

Eckige Klammern, [], in Zitaten stellen Vorschläge dar, die ich an gegebener Stelle einfügen würde. Doppelte eckige Klammern , [[]], stellen Fragen oder Kommentare meinerseits dar, auf die ich nicht mehr näher eingehe.
Der Rest sollte selbsterklärend sein.

Also. Dann los …

MarkMan schrieb:
„Zwei Cokes bitte, eisgekühlt“, orderte Joe an der Strandbar an.
Das zweite „an“ ist nicht nötig.

MarkMan schrieb:
Im Angesicht der Hitze von mehr als 28 Grad Celsius war seine Kehle bereits wieder staubtrocken, obwohl das lieblose Frühstück nur etwa eine halbe Stunde zurück lag.
„Celsius“ kannst du meines Erachtens auch weglassen. Sollte klar sein mit der Temperaturangabe.

MarkMan schrieb:
Als Tourist kam er in dieser Region, die wirtschaftlich stark von den kaufkräftigen ausländischen Urlaubern abhängig war, in den Genuss einer einzigartigen Gastfreundschaft.
Ich bin kein Fan von solchen erklärenden Nebensätzen, die nichts mit dem Hauptsatz zu tun haben. An diesem Satz drängt sich mir die Frage auf, ist die Gastfreundschaft dann nur gespielt, wenn die Einheimischen davon abhängig sind?
Am besten gleich weglassen oder höchstens ein „erweitertes Adjektiv“ vor Region setzen, also im Sinne von: „… kam er in dieser von Urlaubern abhängigen Region in den Genuss …“

MarkMan schrieb:
Während sich die attraktive asiatische Bedienung an der Strandbar bückte, um den Kühlschrank zu öffnen, schielte er über den Rand seiner Sonnenbrille und begutachtete ihren makellos geformten und gebräunten Körper.
:) Wieso schaut er auf ihren Körper, wenn sie ihm den Hintern hinstreckt?

MarkMan schrieb:
Er schielte zu Bill herüber, mit dem er vor sechs Jahren auf Schatzsuche ins mexikanische Téotihuacan zog, welches sie schließlich jedoch vollständig in die Luft jagten und damit ein UNESCO – Weltkulturerbe unwiederbringlich zerstörten.
Puh, schon wieder eine Erklärung im Nebensatz. Ich lese daraus, dass die beiden – ob gewollt oder nicht – ziemlich Scheisse gebaut haben. Wieso das in einen Nebensatz drücken? Ich finde das relativ wichtig, u.a. auch deshalb, weil es Bill (und dessen Beziehung zu Joe) für den Leser zum ersten Mal charakterisiert (ich kenne ja – im Gegensatz zu dir – Bill und Joe noch gar nicht).
Wieso nicht etwas in die Richtung: „Er schielte zu Bill herüber, der eben seine Sonnenliege aufstellte. Bill … der alte Kämpfer … Um ein Haar hätten sie sich in Téotihuacan mit dem Tempel [[oder was auch immer das für eine Form von Kulturerbe ist]] in die Luft gesprengt. Joe lachte. Die UNESCO war nicht sehr erfreut darüber gewesen, dass sie auf ihrer Liste mit den Stätten des Weltkulturerbes einen Ort streichen mussten. Dafür waren er und Bill seither die besten Kumpel. Gemeinsame Erfahrungen, die an die Grenze des physisch Ertragbaren gehen, machen Feinde zu Freunden.“
Einfach so auf die Schnelle. Wahrscheinlich stimmt das mit den „Feinden“ nicht, da ich die Figuren nicht kenne, aber ich möchte dir ja nicht die Arbeit abnehmen, sondern nur einen Anstoss geben ;)
Du hast übrigens in kurzer Folge zweimal „schielen“ benutzt (das erste beim Satz mit der Bedienung). Wenn Joe nicht wirklich schielt, würde ich eines der beiden (oder beide) Verben durch „schauen“, „gucken“ oder dergleichen ersetzen.

MarkMan schrieb:
Mit hastigen Bewegungen zog Bill am knarrenden Gestell der Liege, um sie endlich aufrichten und in aller Ruhe die wohlige Wärme der Sonne genießen zu können.
Natürlich tut er das, wieso sollte er sonst an der Liege herumwerkeln?
Ich würd das Unterstrichene weglassen, vielleicht mit einem Zusatz „ …, konnte sie aber nicht aufrichten.“

MarkMan schrieb:
Einige der Badegäste warfen ihm kritische Blicke zu, da sie sich offenbar in ihrer morgendlichen Ruhe gestört fühlten.
Ja logisch fühlen sie sich gestört, wenn sie ihm kritische Blicke zuwerfen, das musst du nicht extra sagen. Dasselbe wie vorhin.
Wenn du das Unterstrichene nicht mit einer scharfzüngigen Bemerkung versiehst (wie z.B. „… kritische Blicke zu, wie alte Jungfern in der Sonntagsmesse“), ist es unnötig.


Puh … Irgendwie komm ich hier zu nichts. Du packst den Leser mit allen möglichen Adjektiven und Erklärungen voll, die den Lesefluss enorm stören. Meistens sind sie völlig unnötig und tragen nichts zur Geschichte bei. Ich erlaube mir deshalb in den folgender Passage alle Wörter und Wortgefüge anzustreichen, die ich als unnötig erachte. Lies den Text mal ohne die und schau, wie er wirkt:

MarkMan schrieb:
Wutentbrannt schleuderte er die noch immer zusammengeklappte Liege in den [heissen] Sand. Seine Füße schmerzten [Fusssohlen brannten] infolge des erhitzten Sandes, so dass [sodass] er sich kurz in den spärlichen Schatten stellte, den der Sonnenschirm ihm bot. Mit nachlassendem Schmerz [Dann] ergriff er die Liege erneut und zerrte ungeduldig an ihr, schließlich klappte das Gestell [klappte endlich] auf.
Und weil man das nicht mehr lesen kann, nochmals mit angepasstem Schriftbild:
MarkMan schrieb:
Wutentbrannt schleuderte er die Liege in den heissen Sand. Seine Fusssohlen brannten, sodass er sich kurz in den Schatten stellte, den der Sonnenschirm ihm bot. Dann ergriff er die Liege erneut und das Gestell klappte endlich auf.
Na, was meinst du? Vermisst du irgendwas im Vergleich zur ursprünglichen Fassung?

Ich möchte das jetzt nicht für den Rest des Textes auch noch machen, sonst wäre ich morgen Morgen noch dabei ;) Denn offenbar ist es eine Angewohnheit von dir.
Ich beschränke mich des Weiteren auf offensichtliche „Fehler“.

MarkMan schrieb:
Sein schwarzer, muskulöser Körper war schweißgenässt [schweissgebadet]. Ein erleichtertes Lächeln huschte über sein ebenso schweißüberströmtes Gesicht. „Wenn die Affen noch mal so blöd glotzen, klemme ich ihren Schädel in diesem Ding ein und schmeiß es [sie mit ihm] ins Meer“, murmelte er in einer Lautstärke, so dass seine Worte noch von dem Personenkreis vernommen werden konnte, an den sie gerichtet waren. Ihre Gesichter wurden unruhig, aber zumindest traute sich niemand mehr, ihm strenge Blicke zuzuwerfen. Er ging in Richtung des Wassers, um sich eine kleine, wohlverdiente Abkühlung zu gönnen, doch als sein Blick auf die See fiel, traute er seinen Augen kaum. Das Meer hatte sich etwa fünfzig Meter zurückgezogen, bis zu diesem Punkt bot sich ihm lediglich ein Ausblick auf den zurückgebliebenen Schlamm und Schlick. „Seit wann gibt’s denn hier draußen Ebbe?“ fragte er sich überrascht. Er trottete zurück zu seinem verbogenen [[verborgen wovon?]] Liegestuhl. Laut aufstöhnend, als hätte er gerade den Ironman auf Hawaii überstanden, ließ er sich in den Liegestuhl fallen und kramte seinen portablen CD – Player aus dem Rucksack. Entspannt lauschte er seiner „Beach Boys“ – CD.
Beach Boys? Ich hätte bei Bill jetzt eher etwas in Richtung Techno oder Metal erwartet. Hauptsache laut. Aber gut, das ist letztlich Geschmacksache.


Nun…
Ich hab jetzt noch etwas weiter gelesen, aber ich schaffe es nicht bis zum Ende. Es ist zu anstrengend …
Die beiden sehen die Welle heranrollen, springen in einen Pick-Up und haben noch die Geduld ihn kurz zu schliessen, obwohl sie das noch nie gemacht haben. Sorry, aber da hat sie die Welle schon zweimal eingeholt. Und dann haben sie auch noch Zeit auf den Bademeister (wenn schon „Strandmeister“) zu warten und fahren der Welle mit dem Auto davon.

Und die Plauderei der beiden mag witzig sein, ich finde die Anspielung auf Roadrunner und Willie Coyote eine gute Idee, aber sicher nicht, wenn man sich in Lebensgefahr befindet und sich eigentlich eher vor Angst in die Hosen machen sollte, als sich gescheite Vergleiche ausdenken. Auch der Einwurf mit dem Latein ist völlig unangebracht und passt überhaupt nicht zum Bild der beiden Figuren, das du mir vermittelst.

Generell passt mir das ganze Szenario nicht. OK, du hast zwar in deiner Anmerkung geschrieben, dass du deine Figuren aus vergangenen Geschichten überträgst und es sich mit der Situation, in der sie sich befinden, beissen wird. Aber sorry, so wie sich diese beiden Typen geben …
Zwei unflätige, proletenhafte Rucksacktouristen geraten in eine lebensbedrohliche Lage, wissen nicht, ob sie witzeln oder Schiss haben sollen, kommen mit einem unwahrscheinlichen, nein, unmöglichen Glück mit heiler Haut davon und werden am Ende zu den Helden der Geschichte.
Korrigier mich, wenn ich es falsch sehe (ich hab die Geschichte ab der Hälfte nur noch überflogen und das Ende kurz angeschaut), aber ich finde das respektlos. Auch wenn du in der Anmerkung schreibst, dass du es nicht so meinst und die Story nicht aus Respektlosigkeit entstanden ist, so wirkt sie so auf mich.
Wie soll jemand diesen Text lesen, der selber schon einmal in einen Tsunami geraten ist oder Angehörige/Freunde dadurch verloren hat? Du schreibst in der Anmerkung, man soll ihn dann eben nicht lesen? naja …

Hör zu, ich versteh dein Anliegen, diese Katastrophe zu verarbeiten, und du hast dir offenbar auch Mühe gegeben, das merkt man ja nur schon an der Länge des Textes. Aber sie weist solche Mängel auf, dass es eine Qual ist, die Geschichte zu Ende zu lesen. Du hast richtig erkannt, dass es ein heikles Thema ist, und gerade deshalb hättest du sehr viel vorsichtiger daran herangehen müssen, statt einfach deine beiden Figuren hineinzusetzen.

So wie ich es verstehe, wolltest du Tod/Ohnmacht (oder dergleichen) und Humor miteinander verflechten, um daraus eine Story zu machen. Ich will nicht sagen, dass man das generell nicht kann oder dass es zu schwierig wäre, aber es dann auch noch mit einen heiklen Thema wie einem Tsunami zu verbinden, macht es nicht einfacher.
Dein Humor wirkt bei dir nicht schwarz, er wirkt irgendwie deplatziert.
Lies doch mal Douglas Adams‘ „Per Anhalter durch die Galaxis“ oder Terry Pratchetts Scheibenweltromane. Das sind die Meister des Schwarzen Humors. Du könntest sicher etwas von ihnen lernen.

Ich hätte dir gerne eine positivere Kritik abgegeben, aber ich möchte nicht etwas schönreden, das nicht schön ist.

Aber um jetzt doch noch etwas Positives zu sagen: Kommafehler habe ich keinen einzigen gefunden. Das ist selten. Dickes Lob von mir! Auch Rechtschreibefehler gab es nur wenige.

Oh, und bei einem Satz bin ich schmunzelnd hängen geblieben:

MarkMan schrieb:
„Heilige Scheiße“, flüsterte er, dann zog Joe ihn schon aus dem Liegestuhl, welcher umkippte und sofort wieder zusammenschnellte.
Unter den vielen unnötigen Adjektiven, Einschüben und Nebensätzen, finde ich diesen super!
DAS ist für mich eine Form von Schwarzem Humor. Ganz beiläufig, während die beiden in Panik vor der Welle flüchten, machst du eine Anspielung auf Bills Mühsal mit dem Aufstellen der Liege.
Von diesen sollte es mehr geben.
Offenbar kannst du es ja. Also nichts wie ran an die Texte!

Gruss Vega

 

Hallo MArk MAn,
War ganz schön schwierig, sich durch deine Geschichte zu kämpfen. Es mangelt ihr voa allem an Glaubwürdigkeit. Hier nur ein paar Beispiele:

Die Flutwelle trat ins Fitnessstudio herein und spülte die schweren Geräte scheinbar mühelos hinfort.
Hektisch fummelte Joe an den Drähten herum und rieb wahllos einige von ihnen aneinander. Das dröhnende Geräusch der immer näher kommenden Fluten hallte über den Strand, als würde ein
Joe schnaufte kurz auf und riss das Lenkrad scharf nach links, womit sie direkt in Richtung des Restaurants zusteuerten. Die Flutwelle hatte den Pool erreicht und zog mit ihren gierigen Händen die umherstehenden Touristen hinunter, die sich verzweifelt versuchten, an den angrenzenden Palmen festzuhalten.
Hinterher blickend erkannte er, dass es ein Mensch war, der sich in seiner Verzweiflung aus einem der oberen Stockwerke hinabgestürzt hatte. Sein Körper zerschmetterte rücklings auf einem beladenen Kofferwagen.
Auch wenn ich keine Tsunamiwelle erlebt habe, so glaube ich viele Dinge nicht, die du beschreibst. Dazu kommen viele reflexionen, die in so einem Tumult deplaziert wirken:
Die Geschichte könnte als Slapstik gelten, aber dafür gibt es zu viele ernste Szenen und ich glaube auch nicht, dass es so gewollt war.
Was positives gibt es auch: Titel und Anfang, da kam schon Spaß auf ...

„Mein Gott, wieso schießt denn das Wasser plötzlich auf uns zu?“ fragte Bill, während die beiden den Strand entlang spurteten. „Keine Ahnung, vielleicht gab es ein unterseeisches Erdbeben oder so etwas“,
eigenltich witzig, wie sie mit höchstgeschwindigkeit dahinrennen und über den URsprung der Welle philosofieren, aber tortzdem unpassend für den Text :(

Der Wagen schmetterte durch die breite Tür und raste durch den langen Gang, der geradewegs in die riesige, kreisrunde Empfangshalle führte und seitlich gesäumt wurde von riesigen, luxuriös ausgestatteten Konferenzräumen.
wie kann er wissen, dass die Konferenzräume luxoriös eingerichtet sind???
Schockiert mussten sie mit ansehen, wie sich die Leute in der Eingangshalle regelrecht über den Haufen rannten. Alle, egal ob Touristen, Pagen, Köche oder Verwaltungskräfte, rannten in schierer Panik um ihr Leben.
hier wird zweimal das Gleiche erzählt
einer niederländischen Familie auf den Boden und ließ das Wasser meterhoch heraufspritzen. Die schwere Hantelbank hatte sich während des Falls von der Ladefläche des Pick – Up gelöst und schmetterte der holländischen Familie direkt ins Gesicht
verkorkster Satz: - warum weiß er, das es eine niederländische FAmilie ist? haben sich das Die Leute ins Gesicht tätowiert? - wie kann die Hantel einer ganzen Familie ins Gesicht fliegen. Da müssen sie sich schön der Reihe nach aufstellen ...

Lg
Bernhard

 

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