Biotope
Hefner beginnt seinen Tag wie immer: eine kalte Dusche, danach eine Tasse Kaffee. Bevor er sein Haus verlässt, setzt er sich wie gewohnt auf die Couch, um sein Aquarium zu betrachten. Dieser Handlungsablauf gehört seit Jahren zu Henfers morgendlichem Ritual. Er beobachtet die Fische, die in dem hundert Liter Becken umher schwimmen und ihrem Alltag nachgehen. Ihre Welt ist gewissermassen verletzlich, nur ein Stoss mit dem Ellenbogen und die Glaswand des Beckens könnte einen Riss erleiden. Vergisst Hefner nur einmal, das Aquarium zu reinigen, könnten die Wasserwerte umschlagen, was für die kleinen Tiere tödlich enden könnte. Aber natürlich kümmert sich Hefner als erfahrener Aquarianer gut um seine Schützlinge.
Seine Aktentasche ist gepackt, Hefner verlässt das Haus. Bewölkt ist es heute, hoffentlich fängt es nicht an zu regnen, denkt er sich. Er steigt auf sein Fahrrad, doch als seine Beine den Boden verlassen, durchdringt ein gewaltiges Beben die Erde. Hefner stürzt zu Boden. Was um alles in der Welt war das? Ein Erdbeben? Ein greller Blitz folgt unmittelbar auf die Erschütterung. Der Himmel färbt sich dunkelgrau. Hefner, der noch immer entsetzt am Boden liegt, richtet seinen Blick auf das Meer, das sich über den gesamten Horizont erstreckt. Das Wasser zieht sich zurück. Wie kann das möglich sein? Mein Meer kennt keine Gezeiten, denkt sich Hefner. Es kann unmöglich eine Ebbe eintreten! Plötzlich beginnt Henfer über den Boden zu rutschen. Er kann sich unmöglich dieser gewaltigen Macht widersetzen. Es scheint, als geriete die Gravitation aus dem Gleichgewicht. Horizontale Geraden werden zu vertikalen, Hefner fällt gen Himmel. Doch so urplötzlich wie alles begann, scheint allmählich wieder Normalität einzukehren: Der Himmel nimmt erneut seine horizontale Position ein, die Erde unterliegt ihm als Parallele. Hefner hatte Glück. Sein freier Fall endete im Meer. Was ist gerade geschehen? Ist das ein Traum? Doch Hefner hat keine Zeit nachzudenken. Ehe er seine Gedanken ordnen möchte, fängt das Meer unter ihm an zu schäumen. Gigantische Wellen türmen sich auf, das Wasser blubbert wie in einem Whirlpool. Donner und Blitz färben den Himmel, ein Sturm aus Wasser und Gewitterwolken durchdringt die Welt. Hefner hat keine Chance. Die Wassermassen treiben ihn nach oben, das Schwarz des Universums rückt schnell und unaufhaltsam näher.
„Scheisse, wieso schäumt das Bier immer so, wenn man es zu schnell absetzt?!“. Hans lacht. „Komm, ich gib dir die nächste Runde aus, du Pechvogel“, sagt er. Die beiden Freunde kennen die Situation langsam. Das hauseigene Bier ihrer Stammbar ist mit viel Kohlensäure versetzt, was es spritzig macht, dem Konsumenten jedoch eine gewisse Vorsicht beim Genuss abverlangt.