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Bis der Tod uns scheidet

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29.01.2010
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Bis der Tod uns scheidet

Das Gespräch mit dem Geistlichen gab Eva Maria Motivation, gegen ihr beständig quälendes Gewissen anzukämpfen. Ihm gegenüber hatte sie von einem starken Unbehagen gesprochen, einem peinigenden Gefühl, das sich nach dem Tod von Robert einnistete. Vor drei Monate hatte der Pfarrer eine behutsame Abdankungsrede gehalten. Diesmal sprach er von Trauerarbeit, die sie leisten müsse, das Vergangene sei zu befrieden, um die Zukunft unbelastet aufbauen zu können. Er war gütig in seinen Worten, Trost spendend, den Weg weisend, doch die Aufarbeitung wies er klar ihr selbst zu. Erst wenn sie den Schmerz akzeptieren und dadurch überwinden könne, welcher der Tod eines geliebten Menschen unweigerlich mit sich bringe, werde sie innere Harmonie finden. Das Gespräch hatte sie zutiefst beeindruckt, auch wenn es nicht der Verlust war, der ihr Leiden bestimmte. Doch er hat recht, ich muss Roberts Tod aufarbeiten, die Erinnerung verblassen lassen, damit die unangenehmen Gefühle verklingen.

Kerzenlicht warf einen schwachen Schein, als sie es sich auf dem Sofa bequem machte. Täglich zwei Stunden intensiver Auseinandersetzung mit dem Vergangenen nahm sie sich vor, bis dieser böse Geist sich auflöst. Sie setzte auf Selbsttherapie. Die von einem Mediziner für Laien verfasste kleine Schrift gab Anleitung dazu. Der Pfarrer hatte auf die Heilkraft der Gebete gesetzt, doch schien ihr verfehlt, Gott hierbei einzubeziehen.

*​

Sie war stolz, als die renommierte Anwaltskanzlei damals ihre Bewerbung annahm. Es war ihre zweite Anstellung. Ein Wechsel, nachdem sie Erfahrungen gesammelt hatte, war notwendig, da sie eine Karriere als Anwältin für Scheidungsrecht anstrebte. Aufgrund erster beruflicher Erfahrungen hatte sie Männern gegenüber eine Skepsis aufgebaut und beabsichtigte nicht sich zu binden. Robert Braun unterlief ihr Vorhaben. Er war einer der Arbeitskollegen, obwohl nicht viel älter, bereits erfolgreich als Wirtschaftsanwalt. Sein Charme schmeichelte ihr zunehmend, obwohl sie glaubte, dagegen immun zu sein. In Fachgesprächen klang ab und zu Zynismus in seinen Argumentationen durch, doch schrieb sie dies der Rhetorik eines Wirtschaftsanwalts zu.

Der erste Eklat zwischen ihnen war bereits auf der Hochzeitreise eingetreten. Im Restaurant des Kreuzfahrtschiffes kam es zwischen Robert und einem anderen Passagier zu einem Streit, da beide den gleichen Tisch beanspruchten. An sich eine läppische Angelegenheit, doch Robert hatte verbal unter die Gürtellinie gezielt. «Dieses Lokal ist Passagieren der Luxusklasse vorbehalten.» Der andere Gast liess die Beleidigung unterprivilegiert zu sein, nicht auf sich sitzen, sodass ihr Disput lautstarke Formen annahm. Sie schämte sich in Grund und Boden, während Robert wie ein siegesbewusster Gockel den Schauplatz verbal dominierte. Später, in der Kabine, hatte sie versucht ihn dazu zu bewegen, sich bei dem anderen Herrn zu entschuldigen.
«Wirklich sehr nett, dass Du mir in den Rücken fällst.» Seine Stimme hatte einen scharfen Ton. «Du meinst also, ich hätte diesen Kerl zu hart angefasst. Ich sollte mir also seine Frechheiten gefallen lassen?»
«Robert bleib bitte sachlich, ich möchte nur die Angelegenheit gütlich klären.»
«Du meinst also mich belehren zu müssen, was sich in der guten Gesellschaft gehört, nur weil Du aus noblem Haus stammst.»
«Nein, Robert, so meinte ich es nicht. Aber Deine Wortwahl war der Sache nicht angemessen. Ein klarer Verweis darauf, dass wir eben diesen Tisch reservierten, hätte vollauf gereicht.» Ihre Stimme war etwas lauter geworden, als sie beabsichtigte.
«Natürlich, die Dame hat ja einen Kurs über Mediation absolviert. Nur, ich eigne mich nicht als Versuchsobjekt. Was meinst Du eigentlich, warum ich Dich geheiratet habe? Deine berufliche Reputation war es nicht. Du warst scharf auf mich und Dein exquisiter Körper war mir zusätzlich eine tragbare Option zum Vermögen, dass Du einmal von Deinen Eltern erbst.»
Sie war schockiert, da sie erst nicht wahrhaben wollte, dass Robert so etwas sagte. «Du bist gemein», flüsterte sie, während Tränen sich in ihren Augen sammelten.
Ein herabwürdigendes Grinsen überzog sein Gesicht. «Ich? Du wolltest mich unbedingt ins Bett bekommen, und möglichst bald heiraten, als es geschah, da Du ja ach so katholisch bist.»
Heftig schluchzend warf sie sich auf das Bett, während Robert die Kabine verliess, die Tür hinter sich zuschlagend.

Die Versöhnung war bald wieder hergestellt, doch die vertrauende Liebe von ihr war erschüttert, hatte Risse von Zweifeln bekommen. Die Auseinandersetzung machte ihr erstmals bewusst, welch unbedarftes Idealbild von Robert sie sich aufgebaut hatte.

In den folgenden Ehejahren verstärkte sich der zynische Charakterzug bei ihm, seinen Charme relativierend. Verbal war sie ihm zunehmend gewachsen, doch durch die Zwiste stumpften ihre Gefühle für ihn ab. Nach fünfzehn Jahren trat es schlagartig auf, ein zwanghafter Überdruss. Sie hatten die Beziehung mehr und mehr einfach gelebt, das Arrangement gepflegt. Warum, fragte sie sich da, mussten jetzt derart starke Bedenken auftreten? Ehen waren, wie sie aus ihrer beruflichen Tätigkeit nur zu gut wusste, leider oft auf irrtümlichen Erwartungen basierende Bindungen.

Eine Freundin, der sie sich anvertraut hatte, gab ihr den dringenden Rat, sich scheiden zu lassen. Sie meinte gar, die Veränderung an ihr welche sie beobachtete, führe unweigerlich in eine tiefe Depression, wenn sie nicht handle. So direkt an den Kopf geworfen, wurde ihr damals bewusst, dass sie auf einem morschen, absteigenden Ast sass, ihr Privatleben einem Fiasko glich und das eingetreten war, was sie nie wollte. Robert allein hatte daran schuld, war sie überzeugt. Obwohl nicht praktizierende Katholikin, war eine Scheidung für sie keine Option. Die Sozialisierung sass zu tief, auch hätten ihre Eltern eine solche Entscheidung auf das Schärfste missbilligt. In ihrer beruflichen Tätigkeit bereitete ihr eine zivile Scheidung keinen Konflikt, aber für sich selbst war die Hemmung dazu unüberwindbar. Das Gelübde, «Bis der Tod uns scheidet», stieg wie ein Mahnfinger Gottes in ihr auf, wenn sie über den Rat ihrer Freundin nachdachte. Ein Leben allein konnte sie sich gut vorstellen, praktisch war sie dies ja schon. Gemeinsam traten sie nur noch an gesellschaftlichen Anlässen auf, bei dem die Anwesenheit des Ehepartners angezeigt war.

Sie war eben dabei, Champignons in feine Scheiben zu schneiden, als ihr ein unrühmlicher Gedanke auftrat. Was wäre, wenn ein ungeniessbarer Pilz dazwischen käme? Das Klicken der Wohnungstür liess sie aufschrecken. Sie hörte Robert kommen, die Schritte im Gang, dann die Tür seines Arbeitszimmers, das ins Schloss fiel. Sie war gewohnt, dass er sie nicht begrüssen kam. Manchmal stellte sie sich statt seiner, tagträumend einen liebenswürdigen Mann an ihrer Seite vor. Die Zutaten waren vorbereitet, das Essen musste nur noch kochen, in zwanzig Minuten wäre es fertig. Er wollte immer pünktlich um neunzehn Uhr essen. Falls er mal verspätet oder überhaupt nicht kam, gab er allerdings nicht Bescheid.

In einer Buchhandlung sah sie zufällig ein Buch über heimische Pilze. Es führte sämtliche Arten auf, die in den hiesigen Wäldern und Wiesen beheimatet waren. Zu den geniessbaren Pilzen waren Rezepte für die Zubereitung angeführt, bei den Ungeniessbaren war eine klare Warnung gesetzt. Es war auch beschrieben, welche Wirkung deren Giftstoffe zeigen und welche Notfallmassnahmen umgehend eingeleitet werden müssen, falls einer dieser Pilze irrtümlich konsumiert wird. Bei einem Pilz, der als hochgiftig klassiert war, glaubte sie sich zu erinnern, ihn schon mal gesehen zu haben. Es war bei einer Wanderung im frühen Herbst, das Laub hatte seine Farbe noch nicht gewechselt. Es war ein Gebiet, das nur von wenigen Wanderern begangen wurde. Sie erinnerte sich noch genau an die aufgestülpte Form des Pilzdaches, genau dem Bild entsprechend. Im Text war auch ein Hinweis, mit welchem Pilz man diesen verwechseln konnte. Die Ähnlichkeit der beiden Pilze war verblüffend. Im Beschrieb war angeführt, was ihn vom giftigen Doppelgänger unterschied, erst da bemerkte sie diese kleinen Verschiedenheiten. Ein Fingerzeig G… Diesen Gedanken wagte sie nicht, zu Ende zu denken, er erschreckte sie.

Desto mehr die Zeit verfloss, umsomehr spukte die Erinnerung an den giftigen Pilz in ihrem Kopf. Sie kannte inzwischen die Merkmale daran präzis, diese Seite im Buch hatte sie ausführlich studiert. Man war ja nie sicher, dass ein solcher nicht irrtümlich mit den ähnlichen Pilzen in den Verkauf gelangen könnte.

Roberts unangenehme Art kam damals vermehrt zum Tragen. An solchen Tagen war ihr seine Gegenwart unerträglich und Fantasien wie, er könnte einem Autounfall erliegen, da er einen forschen Fahrstil pflegte, waren ihr nicht unangenehm. Dann schämte sie sich wieder für diese Gedanken, doch zwanghaft brachen sie immer wieder durch.

Im Wetterbericht hörte sie, dass nach mehreren Regentagen für den kommenden Freitag sehr schön angesagt war. Nach Durchsicht der Agenda entschied Eva Maria sich spontan, die beruflichen Termine für Freitag auf andere Tage zu verlegen und sich freizunehmen. Im frühen Herbst mutete ihr die Landschaft besonders lieblich an und reizvoll für eine kleine Wanderung.

Eva Maria war fröhlich zumute, als sie startete, es war eine Heiterkeit, die sie lange nicht mehr verspürt hatte. Sie war erst kurz wieder zu Hause, als sie einen Anruf von Robert erhielt, der ihr mitteilte, dass er abends an das Stadtfest gehen würde. Eigenartig, seit Jahren tat er dies nicht mehr, eine Abwesenheit ankündigen. Enttäuscht erwähnte sie, dass sie bereits alles für ein Pilzragout eingekauft hatte. Zu ihrer Überraschung änderte er sein Vorhaben und kündete an, er komme zum Essen, gehe aber anschliessend dann weg. Seine auffallend gute Laune musste ein Zeichen sein, dass sein Tag äusserst erfolgreich war.

Mit dem Kochen begann sie zeitig, um alles sorgfältig vorzubereiten. Seit er angerufen hatte, änderte sich das zwanghafte Gefühl, das sie seit Entdeckung der richtigen Pilze überkam. Es war nun Gewissheit, die sie wie in Trance handeln und keinen abtrünnigen Gedanken mehr zuliess. Sie reinigte die Pilze, welche sie in einem Fachgeschäft kaufte, und setzte sie dann auf. Separat in einer Pfanne erhitzten bereits weitere Pilze. Für die Sosse gab sie sich besonders Mühe, sie sollte verführerisch schmackhaft sein.

Als Robert nach Hause kam, war alles bereit zum Essen. Die Töpfe waren abgewaschen und versorgt. Nur einen Rest der Pilze aus der einen Pfanne verwahrte sie in einem kleinen Schälchen auf. Die Abfälle hatte sie mit dem Kehricht bereits entsorgt. Am Schluss musste sie dann nur noch die Teller und das Besteck abwaschen. Sie beabsichtigte, auch wegzugehen.

Robert hatte sie eine grössere Portion geschöpft. Da es ihm ausgezeichnet mundete, verzehrte er alles. Überraschend war er an diesem Abend auch weniger wortkarg als in der letzten Zeit.
«Ich konnte heute endlich den Fall Chomsky mit einem Vergleich abschliessen.» Sein Gesicht war dabei von einer Zufriedenheit, die seinen Erfolg unterstrich. Dieser Rechtsfall hatte ihn lange beschäftigt, es ging um sehr viel Geld wie ihr bekannt war.
«Das ist eine hervorragende Leistung, nachdem die Anwälte der Gegenpartei so lange Zeit alle Tricks ausschöpften, und auch vor dreisten Lügen nicht zurückschreckten», zollte sie ihm Beifall.
«Dies dürfte wahrscheinlich auch ausschlaggebend werden, dass ich nach der Pensionierung von Blattmann die Leitung der Abteilung Wirtschaftsrecht übernehmen kann.»
«Toll», bemerkte sie, «Du hast auch hart daran gearbeitet. An Deine Leistungen reicht niemand heran.» In Gedanken durchschaute sie ihn. Das also war der Grund seiner Zufriedenheit, er plante wieder einen Karrieresprung. Seine Methoden solche Ziele zu erreichen, waren nicht immer blütenrein, doch verstand er es anderen dafür die Verantwortung zuzuschieben, wenn etwas daneben ging. Aber als Anwalt war er wirklich meisterhaft.

In aller Eile besorgte sie den Abwasch. Robert stand noch unter der Dusche, sie hörte ihn fröhlich pfeifen. Als sie ihm ins Badezimmer zurief, «ich gehe jetzt weg», rief er heiter zurück, «ist gut bis morgen».

Die Menschenmassen drängten sich in der Innenstadt. Das Fest war zwei Stunden zuvor eröffnet worden und dauerte von Freitag- bis Sonntagabend. Unterwegs war sie zu Bekannten gestossen, mit denen sie den ganzen Abend verbrachte.

Als sie nach Mitternacht wieder zu Hause eintraf, war die Wohnungstüre nicht verschlossen und in einzelnen Räumen brannte Licht. Sie rief nach Robert, doch es kam keine Antwort. Im Wohnzimmer war er nicht, auch in den Schlafräumen fand sie ihn nicht vor. Die Badezimmertür aufstossend, sah sie ihn mit weit aufgerissenen Augen am Boden liegen, das Badetuch halb über ihm. «Robert» sprach sie ihn zaghaft an, während sie langsam auf ihn zu schritt, wie bereit um wegzuspringen, falls er sie nur erschrecken wollte. Keinerlei Lebenszeichen war ihm anzumerken. Sich überwindend, legte sie zwei Finger an seinen Hals, den Puls fühlend. Nichts war zu spüren. Sie atmete tief durch, anscheinend war er tot. Auch der vor seinen Mund gehaltene Spiegel zeigte keinen Atemhauch.
Telefonisch wandte sie sich an die Notarztzentrale und teilte mit, ihr Mann sei verstorben. Wie man ihr sagte, könnte es etwas länger dauern, bis ein Arzt kommt, da infolge des Stadtfestes der Bereitschaftsdienst voll ausgelastet sei.

Es war ein netter junger Arzt. Er kondolierte ihr und nahm die Untersuchung des Leichnams vor. Alsdann stellte er ausführliche Fragen, welche Krankheiten Robert hatte und ob er in den vergangenen Monaten über körperliche Beschwerden klagte. Manchmal habe er mit dem Herzen Mühe gehabt, meinte sie. Sie äusserte dies überzeugt und bestimmt, auch wenn sie damit eigentlich nicht das physische, sondern das symbolische Herz meinte, das bei ihm flatterhaft war.
In der Sterbeurkunde führte der Arzt als Ursache Herzinfarkt an. Er erklärte ihr, morgen Vormittag müsste sie mit der Sterbeurkunde auf dem Amt vorsprechen, dort wäre für die Meldung von Todesfällen ein Schalter geöffnet. Dann fragte er nach, ob der Leichnam sofort abgeholt werden müsse, oder ob sie ihn in ein Bett legen könnten. Im Arbeitszimmer von Robert stand ein Sofa, der Arzt breitete noch ein Leintuch über ihn aus, sein Gesicht freibleibend. Er sah friedlich aus.

In Roberts Schreibtisch, den sie am Samstag auf allenfalls wichtige Termine und Akten sichtete, entdeckte sie einen vorbereiteten Scheidungsantrag an das Gericht. Es betraf Robert Braun und Eva Maria Brand Braun. Datiert hatte Robert ihn auf den folgenden Montag, als ob er sich selbst noch eine Bedenkzeit gegeben hätte. Ihr hatte der Atem gestockt und das Herz klopfte stark, als sie es las. Ihr gegenüber hatte er kein Wort verlauten lassen, dass er beabsichtige, sie zu verlassen.

Die Beerdigung war auf Dienstagnachmittag festgesetzt. Sie hatte sich für eine Kremation entschieden, welche am Montagvormittag vorgenommen wurde, da sie keine Aufbahrung wünschte.
Erst montags informierte sie alle notwendigen Personen, dass Robert unerwartet an einem Herzinfarkt verstorben war. Seine Schwester war ungehalten, dass bereits eine Kremation vollzogen war.

Die Urnenbeisetzung war auf vierzehn Uhr angesetzt. Am vergangenen Tag war sie noch zur Beichte in einer entfernter gelegenen Kirche gewesen, erstmals seit vielen Jahren. In Worten bekundete sie ihre Sünden und sprach auch über den Scheidungsantrag von ihrem Mann. Der Geistliche sprach leise, kaum hörbar, der Glaube kenne nur eine Form der Scheidung und erteilte ihr die Absolution.

Als Roberts Schwester eintraf, äusserte diese nochmals ihren Unmut darüber, dass sie ihren Bruder nicht mehr sehen konnte. Doch Eva Maria bemerkte, es sei so im Sinne von Robert gewesen.
Während der Abdankung fiel Eva Maria eine junge Frau auf, die ein wenig abseits von der Trauergemeinde stand, in ihrem schwarzen Kostüm wirkte sie äusserst attraktiv. Sie kannte sie vom Sehen, sie arbeitete seit etwa sechs Monaten in der gleichen Abteilung wie Robert. Die langen blonden Haare umrahmten engelgleich ihr Gesicht, das teilweise durch eine Sonnenbrille verdeckt war, unter der Tränen hervorrollten. Plötzlich wurde Eva Maria klar, sie musste seine Geliebte gewesen sein, deshalb wollte er sich scheiden lassen. Ihre Gefühle kamen in einen Konflikt, Verletztes mischte sich mit einer Spur von Mitleid. Die junge Frau war in ihrem Wesen zweifellos noch arglos und konnte nicht ahnen, was ihr mit Robert erspart blieb.

Der Blick von Eva Maria streifte nach rechts, da war ein weiteres Grab vorbereitet. Wenn es schief gelaufen, der Arzt eine Obduktion angeordnet hätte, wäre dies wohl meine letzte Ruhestätte. Sie hatte für diesen Fall eingeplant, die restlichen Pilze zu essen. Schreckliche Vorstellung, ich wäre mit Robert im Tod noch Grab an Grab vereint. Ein leichter Schauer überzog ihren Rücken.

*​

Jetzt habe ich alle Widrigkeiten, die zwischen mir und Robert standen, während zweier Monate ausführlich durchgearbeitet, mich auch an schöne Zeiten erinnert, aber das schlechte Gewissen hat sich nur noch verstärkt. «Mein Gott, was mache ich falsch?», stöhnte sie laut.

Der Arzt war überzeugt, dass Robert klar die Merkmale eines Herzinfarktes zeigte! Wirkte das Gift einzig indirekt beschleunigend und wäre er ohnehin gestorben, demnächst? Ja, das ist es, diese nagende Ungewissheit lässt mir keine Ruhe! Doch wie soll ich Klarheit gewinnen, dass nicht ich schuld bin an seinem Tod? Bei seiner Lebensweise musste das Herz ja irgendwann kapitulieren, nach Ruhe verlangen.

Konnte der Geistliche mit Gottes Gnaden ausgestattet die nahende Sterblichkeit von Robert voraussehen und diese mit dem Glauben verbinden? Er sagte unmissverständlich, der Glaube kennt nur eine Form der Scheidung und erteilte mir Absolution. Erlöst bist du von deinen Sünden, das waren seine Worte.
Das ist es, ich muss nur daran glauben, dass es der Wille des Herrn war.

Sie atmete mehrmals tief durch, nun der Überzeugung die erlösende Wahrheit gefunden zu haben. So stand der Versöhnung, der Akzeptanz des Geschehens, wie es der Geistliche meinte, für sie nichts mehr im Wege.
Es gab ihr Anlass, sich nun dennoch in ein Gebet zu vertiefen, zu danken, für die ihr gnadenvoll zugekommene Einsicht.

 

Hallo Anakreon!

"Eva Maria arbeitete damals in der gleichen Anwaltskanzlei wie Robert Braun" => Und wenn sie dann heiraten, heißt sie Eva Braun. Ich vermute mal, du hast bei deinem ersten Satz genau diesen Hintergedanken. Hallo, Leser, hier kommt ein "anspruchsvoller" Text. Reine Unterhaltungsleser sollten lieber sofort aussteigen.
Dein hochgestochener Tonfall im Rest des Textes tut dazu das Übrige.

Tja, ich bin ein Unterhaltungsleser. Und als dieser muss ich dir sagen, dass ich deinen Text unheimlich langweilig finde. Zweitausend Worte "tell", nirgends "show", nicht mal eine einzige Zeile Dialog. Du behauptest immer nur. "Charme", "Banalität", "Vorfall" u.s.w. Du zeigst nicht die Situationen, gibst deinen Lesern nicht die geringste Chance, sich selbst ein Bild zu machen, sich von deinen Vorgaben, Vorurteilen, Vorverurteilungen zu lösen.

Tja, sorry, aber ich kann mit deinem Text rein gar nichts anfangen.

Grüße
Chris

 

Hallo Chris Stone und Tayla

Eigentlich beabsichtigte ich nicht, auf Eure Meinungsäusserungen einzutreten. Zu dergleichen Kommentierungen hatte ich bereits hinlänglich und nachlesbar Stellung genommen. Da Euch anscheinend aber ein emotionaler Druck bewegt, analysierte ich dies. Ich denke, der Stein des Anstosses ist Euch, wenn auch nicht offen formuliert, der Satz über die Absolution.
Die Erzählung schrieb ich bereits vor einiger Zeit. Während Wochen oder Monaten nehme ich zuweilen noch Änderungen an Texten vor, bis Inhalte mir stimmig sind. Der entsprechende Satz stand schon, bevor ein anderes Thema die breite Öffentlichkeit aufscheuchte, und dass in diesem Kontext assoziierend wirken könnte.
Für mich ist es schlicht eine Erzählung zur „Anatomie“ eines Tötungsdelikts, ohne Vorurteile und ohne Aversionen, aber nicht menschliche Seiten kaschierend.

Gruss
Anakreon

 

Hallo Anakreon,

nach dem Lesen der Geschichte hab ich mir so meine eigenen Gedanken gemacht, ohne dass ich mich vom Feedback der anderen Leser beeinflussen lassen wollte; jetzt, wo ist die anderen Antworten gelesen habe, stelle ich jedoch fest, wie sehr sich meine Kommentare mit denen der anderen Kritiker gleichen.

Auch ich bin beim Lesen bereits über den ersten Satz gestolpert:

Eva Maria arbeitete damals in der gleichen Anwaltskanzlei wie Robert Braun, als sie zueinanderfanden.
Es irritierte mich, dass du Eva Maria mit dem Vornamen benennst, Robert hingegen mit Vor- und Nachnamen.

Zur Geschichte an sich: "Show, don't tell" kam auch mir in den Sinn. Zwar war ich während des Lesens durchaus neugierig, ob deine Protagonistin es wirklich schafft, ihren Mann zu vergiften, aber Spannung kam nicht so recht auf. Die Story las sich für mich eher wie ein Bericht, sehr passiv, ich hatte Mühe, mich in deine Protagonistin einzufinden, kam mir vielmehr wie ein Beobachter vor.

Generell lese ich gerne Geschichten, die wie ein Film vor dem geistigen Auge des Lesers ablaufen, also mit Dialog, etc. Das fehlte mir hier. Das mag zwar subjektiv sein, aber welches Feedback ist nicht mehr oder weniger subjektiv? ;)

Schade. In der jetzigen Version ist die Geschichte recht langweilig. Obwohl man aus dem Thema durchaus einen spannende, klassische Erzählung hätte schreiben können.

Sicherheitshalber wartete sie noch eine halbe Stunde, dann rief sie nach dem Notarzt. Wie man ihr sagte, könnte es länger dauern, bis er kommt.
Das erscheint mir sehr unglaubwürdig. In der Regel ist ein Notarzt sehr schnell vor Ort. Ich nehme doch an, deine Protagonistin hat bei der Rettungsleitstelle angerufen, und nicht beim Bereitschaftsdienst, oder?

Viele Grüße
Michael

 

Hallo Michael

Ach, diese sündhaft inszenierte Leiche in meinem Keller findet keine Ruhe. Jetzt hast Du mich auf dem linken Fuss erwischt, es war nicht klug, Eva Maria nur mit Vornamen anzuführen. Vielleicht war es mein moralisches Handicap, da ich für diese Geschichte die Erinnerung an eine Jugendfreundin missbrauchte, deren Name war wirklich Eva Braun. Nicht jene deren Biografie, ohne dass ich es ahnte, auch just im Frühjahr erschien. Den Vornamen Maria hatte ich angehängt, um eben einen solchen Bezug zu vermeiden, wobei ich zu unrecht meinte, deren Name sei Vergangenheit und längst vergessen.

Der Inhalt der Geschichte ist zwar frei erfunden. Sie hat auch keinerlei Zusammenhang mit der Person, die mich zur Namensgebung inspirierte, diese war von Gutmütigkeit und wohl kaum einer solchen Handlung fähig. Doch in meinem Gedächtnis verwahrte ich den wahren Fall einer Frau, die vor einem Jahrzehnt eine solche Tat beging, wobei die Umstände und das Motiv ganz anders waren. Ich versuchte es in dieser Perspektive, vielleicht etwas inspiriert von Truman Capote, zu erzählen.

Aus zeitlicher Distanz gesehen, würde ich es heute wohl nicht mehr schreiben, zumindest nicht als Kurzgeschichte oder nur auf einen Ausschnitt fokussiert. Es trifft schon zu, ich habe es erstmals wieder gelesen, es ist voraussehbar und den Lesern bleibt einzig die Erwägung gelingt es oder nicht. Insofern ist die Kritik berechtigt, auch die der vorgehenden Rezensenten. Ich werde es neu überdenken, Abstriche vornehmen und erneut füllen. Mal sehen, inwiefern es sich in dieser Form retten lässt. Doch wird es ein längerer Prozess sein, es neu einzupassen, sodass es mehr Spannung und Überraschung zulässt.

Beim Notarzt stützte ich mich auf die Erfahrung, dass ein regulärer Todesfall, wenn er zugleich mit Überlastung von Hilferufen zusammenfällt, nicht erste Priorität erhält. Dies ist aber wahrscheinlich örtlich unterschiedlich und hängt mit der Organisation zusammen.

Danke für Deine Auseinandersetzung mit der Geschichte und die Kommentierung.

Gruss

Anakreon

 

Hallo noch mal,

gern geschehen. Freut mich, dass du mit meinem Feedback etwas anfangen konntest. :)

Kleine Ergänzung:

Beim Notarzt stützte ich mich auf die Erfahrung, dass ein regulärer Todesfall, wenn er zugleich mit Überlastung von Hilferufen zusammenfällt, nicht erste Priorität erhält. Dies ist aber wahrscheinlich örtlich unterschiedlich und hängt mit der Organisation zusammen.
Ich bin davon ausgegangen, dass deine Protagonistin den Notarzt ruft und am Telefon noch behauptet, ihr Mann befände sich noch in Lebensgefahr. Denn obwohl sie bereits wusste, dass er schon tot ist, und sie ja extra lange gewartet hat, ehe sie nach dem Hörer gegriffen hat, wird sie das dem Notarzt gegenüber ja kaum zugeben. Daher erschien es mir unglaubwürdig, dass der Notarzt erst so spät kam.

Wenn sie am Telefon aber bereits sicher gesagt hat, dass ihr Mann tot ist, kann ich mir durchaus vorstellen, dass es in solchen Fällen länger dauern kann, bis ein Notarzt kommt, da solche "Fälle" ja wirklich nicht mehr die höchste Priorität haben, dann würde das inhaltlich passen. Das weiß ich aber nicht.

Meine Interpretation, dass deine Protagonistin schauspielert, und so tut, als würde sie den Notarzt um Hilfe rufen, um ihren Mann (angeblich) zu retten, kam auch dadurch zustande, dass sie sonst evtl. unangenehme Fragen hätte beantworten müssen, wenn herauskommt, dass sie den Arzt erst so spät angerufen hat, und ihr Mann bei einem früheren Anruf evtl noch zu retten gewesen wäre. Oder sie hat eine gute Ausrede. ;)

Viele Grüße
Michael

 

Hallo Michael

Danke für Deine Ergänzung. Die Überlegung und Handlung der Protagonistin ist in diesem Aspekt vielleicht zu wenig nachvollziehbar. Ich werde den Abschnitt in das Überdenken einbeziehen.

Gruss

Anakreon

 

Hallo Carola

Da hast du ja tief in meiner Vergangenheit gerührt, die Eva Braun die ich kannte, mir in Erinnerung rufend. :D

Du hättest ruhig sein Alter nennen können.

Ich hielt dies nicht für so bedeutsam, der Meinung es gehe aus der Atmosphäre des Geschehens in etwa hervor. Anderseits wird die Karriereleiter heute natürlich immer früher erklommen und auch die Bindung in Partnerschaften ist flüchtiger geworden.

Außerdem - Doppelvornamen werden mit Bindestrich geschrieben.

Wohl eher, sowohl als auch. So auf Anhieb kommen mir zwar nur gerade Männer in den Sinn, etwa Johann Sebastian Bach, Wolfgang Amadeus Mozart. Doch heute werden Kinder kaum noch mit mehreren Vornamen ausgestattet und wenn doch, haben sie einen Rufnamen, unter dem sie bekannt sind. Daneben sind natürlich seit jeher auch die Doppel-Vornamen mit Bindestrich. Bei Eva Maria dachte ich auch an eine französische Schauspielerin, doch komme ich im Moment nicht auf ihren Nachnamen.

Und: Dialoge sind doch! vorhanden. Eben nicht gerade als Rede-Gegenrede.

Ich denke auch. Ein stark dialogisches Stück zu verfassen, stellt an den Autor eine hohe Herausforderung, die nur wenige wirklich gut erfüllen können. So umschiffe ich dies eben eher.

Und so schlecht ist der Text nicht. Im Gegensatz zu Texten in anderen Foren, habe ich diesen flott gelesen.

Ah, das freut mich. Ich muss den Text selbst auch wieder mal lesen. Vielleicht drängt sich mir dann die eine oder andere Änderung auf. Nur im Moment bin ich mit der Arbeit an einem längeren Stück arg ausgelastet, doch die geweckte Erinnerung lockt.

Nur ein klassischer Krimi ist es nicht.

Das stimmt schon. Aber ich finde, die Literaturgenres sollten da allgemein offener sein und nicht nur in festgefahrenen Klischees spielen.

Die Mörderin hätte erwischt gehört. Und wieso die Eva-Maria immer noch daran zweifelt, dass sie ihren Mann umgebracht hat, verstehe ich nicht.

Ich habe eine „Schwäche“ für Aussenseiter, auch wenn ich ihre Motive und Handlungen nicht befürworte, bleiben mir ihre Gründe doch von ihrer Persönlichkeit her oft nachvollziehbar. Es sind die menschlichen Irrungen und Wirrungen, welche eben auch Stoff für Geschichten liefern.
Die Zweifel, die Eva Maria hegt, zeigen, dass sie eben nicht Gewissenlos ist, sondern unbewusst einen Schutzmantel braucht.

Genaue Textanalyse ergäbe wahrscheinlich, dass einige Textstellen gestrichen gehörten, die den Text auch ohne sie verstehen ließen und schneller zu Pointe führten.

Dies ist durchaus denkbar, oder vielmehr noch wahrscheinlich. Wie gesagt, ich werde sie mir baldmöglichst wieder mal vorknöpfen und dann wehe, ich stolpere über Floskeln und Ballast. Es wird dann eliminiert.

Danke dir herzlich für das ausgraben und kommentieren der Geschichte.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Anakreon!

Eines deiner ersten Werke hier. Daher ist es fast müßig, sich damit zu befassen, zumal du dich inzwischen eindeutig weiterentwickelt hast. Aber falls du nochmals rangehen möchtest, hier ein paar Eindrücke von mir:

Eva Maria Brand arbeitete in derselben renommierten Anwaltskanzlei wie Robert Braun, als sie zueinanderfanden. Obwohl er nur drei Jahre älter war als sie, galt er bereits als erfolgreicher Wirtschaftsanwalt und ausserdem besass er Charme. Bisher hatte sie sich ganz auf ihren Beruf als Anwältin für Scheidungsrecht konzentriert, die Männer vor allem in zwei Kategorien klassierend: Klienten und Arbeitskollegen. Roberts Wesensart unterlief ihre Reserviertheit, es schmeichelte ihr, dass sie seine Aufmerksamkeit fand. Sein Zynismus, der auch ein Teil von ihm war, übersah sie geflissentlich.

Diese Einleitung deutet auf eine Erzählung hin.
Dieser Absatz macht den Eindruck, der Erzähler kenne bereits die ganze Geschichte. Er vermittelt das Geschehen verdichtet und selektiv aus der Außenperspektive und gibt sich dabei den Figuren gegenüber neutral.

, als es wegen einer Kleinigkeit zwischen Robert und einem anderen Passagier zu einer Meinungsverschiedenheit kam. Robert zielte verbal unter die Gürtellinie. Andere Passagiere bekamen den Vorfall mit, da der Wortwechsel zunehmend lauter verlaufen war. Sie schämte sich in Grund und Boden, während Robert wie ein siegesbewusster Gockel den Schauplatz verliess. In der Kabine versuchte sie ihn dazu zu bewegen, sich bei dem anderen Herrn zu entschuldigen.
Mir will sich keine eigene Erkenntnis einstellen, dazu fehlt ein vorurteilsloses Bild dieser „Kleinigkeit“. So entsteht der Eindruck, das der Erzähler plötzlich parteiisch wird und sich auf Evas Seite schlägt. Er teilt anscheinend ihre Meinung, das es sich um eine „Kleinigkeit“ handele.

«Wirklich sehr nett, dass Du mir in den Rücken fällst.» Seine Stimme hatte einen scharfen Ton. «Du meinst also, ich hätte diesen Kerl zu hart angefasst. Ich sollte mir also seine Frechheiten gefallen lassen?»
Ab da nimmt sich der Erzähler zurück und wird zum Berichter.

Der Schock lähmte Eva Maria einen Moment, da sie erst nicht wahrhaben wollte, dass Robert so etwas sagte.
Hier dagegen schaut der Erzähler kurz in Evas Kopf. Dieses Zooming-in kommt überraschend. Es macht den Eindruck, der Erzähler vertraue plötzlich nicht mehr auf die Aussagekraft der Außenperspektive.

Eva Maria warf sich heftig schluchzend auf das Bett, während Robert die Kabine verliess, die Tür hinter sich zuschlagend.
Die Heldin ist in schlimmster seelischer Verfassung, und der Erzähler befindet sich wieder auf seinem „Außenposten“. Nach dem Zooming-in eine Überraschung. Evas Innenwelt scheint in diesem Moment nicht relevant oder interessant zu sein, obwohl sie heftigst schluchzt. Der Erzähler reduziert die erwachsene Anwältin auf eine hormongesteuerte Teenagerin.

Noch am gleichen Tag versöhnten sie sich wieder, doch die vertrauende Liebe von Eva Maria war erschüttert und hatte Risse von Zweifeln bekommen. Die Auseinandersetzung machte ihr bewusst, welch unbedarftes Idealbild von Robert sie sich aufgebaut hatte.

In den folgenden Ehejahren bekam der zynische Charakterzug bei ihm mehr Oberhand und durchsetzte seinen Charme. Verbal war sie ihm zwar zunehmend gewachsen, doch ihre Gefühle für ihn stumpften ab. In letzter Zeit kreisten ihre Gedanken vermehrt um ihre Ehe. Fünfzehn Jahre hatte sie die Beziehung einfach gelebt, nicht mehr hinterfragt, sondern schicksalsergeben hingenommen.
Wieder eine neue Variante des Erzählers. Er schlüpft in die Rolle eines Psychoanalytikers (oder wie diese Fachleute auch immer heißen).

In ihrer berufliche Tätigkeit bereitete ihr eine zivile Scheidung keinen Konflikt, aber für sich selbst war ihr dies ein Widerspruch zum Gelübde, «Bis der Tod uns scheidet», dass sie bei der kirchlichen Trauung ablegte.
Vor Evas verworrenen Gedankengang scheint der analytische Erzähler zu kapitulieren. Er gibt ihn nur vage wieder, obwohl dieser mit das Wichtigste an der Story ist.

Ein unrühmlicher Gedanke trat ihr auf, als sie dabei war Champignons in feine Scheiben zu schneiden. Was wäre, wenn ein ungeniessbarer Pilz dazwischen käme? Das Klicken der Wohnungstür liess sie aufschrecken. Sie hörte Robert kommen, die Schritte im Gang, dann die Tür seines Arbeitszimmers, das ins Schloss fiel.
Es etabliert sich nun ein personaler Erzähler. Er erzählt vorwiegend szenisch und aus dem Blickwinkel der Hauptfigur.
Manch Leser wird denken: So, nun kommt Bewegung in die Geschichte und auch ein wenig Spannung. Ich finds schade. Irgendwie hatte ich auf den analytischen Erzähler gehofft. Ihm zu lauschen wäre vielleicht weniger spannend, dafür aber interessanter – wobei ich grad überlege, worin da der Unterschied bestehen könnte, nicht in der Wortbedeutung, sondern in den physischen und psychischen Abläufen im Gehirn.

Genug zum Erzähler und das Pilzgericht ins Visier genommen.
Giftmord ist heutzutage problematisch. Man hat allerlei Gifte zur Verfügung, mehr als in jeder anderen Epoche, aber es gibt Telefon und ein gut funktionierendes Rettungssystem. Kaum ein Ort, an dem nicht innerhalb von fünfzehn Minuten ein Krankenwagen vor die Tür kommen könnte.
Gifte haben den Nachteil, das sie zu langsam wirken und somit dem Opfer vor dessen Tod eine Leidenszeit (und damit auch Rettungszeit) von Stunden bis zu mehreren Tagen bereiten.
Der hier geschilderte Mordfall per Giftpilz ist zudem noch problematisch, weil sich entsprechende Pilze in hiesigen Breiten kaum finden lassen. Ich vermute, der Erzähler weiß das, denn nicht ohne Grund hat er Ross und Reiter verschwiegen und sich stattdessen mit weitschweifigen Beschreibungen abgemüht. Am Ende wird sogar noch der „Erfolg“ des Pilzgiftes in Frage gestellt und ein Herzinfarkt in Betracht gezogen.

Fazit:
Der Erzähler erscheint mir nicht stabil. Es gibt Wechsel zwischen Erzähler Erzählung, berichtender Erzählung, personaler Erzählung und, wenn man so will, analytischer Erzählung.

Mordversuch per Pilzgericht ist einer Scheidungsanwältin nicht würdig. Sie ist es von Berufswegen gewohnt zu recherchieren, den Dingen auf den Grund zu gehen und allen Eventualitäten vorzubeugen. Ich meine, die Hauptfigur handelt unter ihren Möglichkeiten.

Das Mordmotiv. Die Protagonistin hat gewiss Grund, ihren Gatten zu hassen und sich von ihm zu trennen. Warum sie sich für Mord entscheidet, wird zu wenig ausgeleuchtet.

Lieben Gruß

Asterix

 

Lieber Asterix

Dass die „alte“ Geschichte noch Wellengang erzeugt, freut mich sehr. Ich dachte, sie sei im Archiv symbolisch mit einer Staubschicht bedeckt und setze bereits Schimmelflecken an. Doch vergessen habe ich sie nicht, der Reiz damals, dieses Thema anzugehen, ist mir noch gegenwärtig.
Momentan ist meine Kreativität mit der Erarbeitung einer Geschichte, deren Unerbittlichkeit mir weniger liegt, die ich Kritikern jedoch zusagte, voll ausgelastet. Doch anschliessend, es wird wohl Herbst werden, nehme ich mir den Lebensabschnitt der Eva Maria Braun nochmals vor und werde deine Meinung zu den Erzählperspektiven dann einbeziehen.

Im besprochenen Text war der Wechsel der Perspektiven wohl etwas arg zügellos, wie du aufzeigst. Dessen war ich mir damals anscheinend nicht bewusst, lebte einzig szenisch die Momente mit und liess es fliessen. Aus literarischer Sicht zweifellos ein herber Fauxpas. Ich werde es dann voraussichtlich in die personale Erzählstimme trimmen, die mir für diesen Inhalt geeignet erscheint, aber einige Änderungen in der Darstellung mit sich bringen dürfte.

Der hier geschilderte Mordfall per Giftpilz ist zudem noch problematisch, weil sich entsprechende Pilze in hiesigen Breiten kaum finden lassen. Ich vermute, der Erzähler weiß das, denn nicht ohne Grund hat er Ross und Reiter verschwiegen und sich stattdessen mit weitschweifigen Beschreibungen abgemüht.

Stimmt, die Wahl des Exekutionsmittels war hier nicht unproblematisch, wie sich zeigte, als ich mich damals damit befasste, aber nicht unmöglich. Es wäre denkbar gewesen, einen Giftstoff einzusetzen, der sich schnell abbaut und in den äusseren Wirkungsmerkmalen unauffällig ist. Doch ich gab dieser Methode den Vorzug, da Giftpilze in den Köpfen der Menschen noch ein schwelender Begriff ist und vor wenigen Jahrzehnten im Raum Zürich wirklich zu einem Mordfall führte. Eine Frau verabreichte ihrem Gatten den Saft giftiger Pilze, damit sie Haus und Bett ungestört mit ihrem Liebhaber teilen könnte. Dass es schief ging, liegt auf der Hand, in der Pathologie kam man der Sache schnell auf die Spur.

Am Ende wird sogar noch der „Erfolg“ des Pilzgiftes in Frage gestellt und ein Herzinfarkt in Betracht gezogen.

:D Dieser zweifellos etwas scherzhafte Einschub weist auf die Funktionalität des Gewissens hin, welches keineswegs immer eine Verfehlung unterbindet, bei derart belastenden Gegebenheiten aber bewusst oder unbewusst nach Ausflüchten sucht.

Mordversuch per Pilzgericht ist einer Scheidungsanwältin nicht würdig. Sie ist es von Berufswegen gewohnt zu recherchieren, den Dingen auf den Grund zu gehen und allen Eventualitäten vorzubeugen. Ich meine, die Hauptfigur handelt unter ihren Möglichkeiten.

Unter ihren Möglichkeiten gewiss, auch bei der Entscheidungsfindung liess sie dem Schicksal ja bereits Spielraum. Wären die Pilze zu dem Zeitpunkt nicht erwartungsgemäss aufgeschossen, wer weiss, welchen Kompromiss zu ihrer Situation sie dann gewählt hätte?

Das Mordmotiv. Die Protagonistin hat gewiss Grund, ihren Gatten zu hassen und sich von ihm zu trennen. Warum sie sich für Mord entscheidet, wird zu wenig ausgeleuchtet.

Stimmt, die „Scheidung auf Italienisch“ steht etwas auf schwachen Füssen. Da werde ich noch nachdoppeln müssen.

Danke dir herzlich für deine Auseinandersetzung mit der Geschichte, die mir die erhebliche Schwachstelle daran transparent machte. Ich bin nun selbst gespannt, wie sie sich dann nach der kommenden Überarbeitung anbieten wird.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Da muss ich aber in den letzten Tagen geglaubt haben, ein neues, und hernach ein übersehenes Stück von Dir,

lieber Anakreon,

entdeckt zu haben dank der Ausgrabungsarbeiten Carolas. So kann's gehn, wenn man nicht auf Daten achtet. Aber, da hat Asterix in seiner Fleißarbeit Recht, dass ein Beschäftigung eher müßig und bei Dir eine Entwicklung im Schreiben festzustellen ist.

Aber warum meld ich mich dennoch?

Zum einen ist es konsequent, zu seinen Anfängen zu stehen, selbst wenn man sie im Abstand mit wohlwollender Ironie bedenkt. So find ich es durch einen geschickten Schachzug die Protagonistin nicht in der früheren Familie Frahm einzugliedern und durch schlichtes Weglassen eines abschließenden t im Nachnamen sie auch nicht in einer heutigen Künstlerfamilie einzugliedern (Literatur, Film und Theater).
Zum andern aber hat mich der Ausdruck „klassierend“ statt des üblichen „klassifizieren“ verblüfft - für einen Ruhr(s)pöttler der Beweis, wie weit die Fachsprache der Bergleute heute noch reicht. Die trachteten mit dem Begriff, die Ausbeute/das Gut in mehrere Klassen mit bestimmten Korndurchmessern zu unterteilen (wer im Goldrausch ist nehme ein Sieb und Schlämme). Über- und Unterkorn überschreiten dann die Grenzen. Und noch erstaunlicher finde ich, den Begriff bei Rechtsverdrehern zu finden …

Zum Abschluss gebe ich zum Dank Carola eine eher bescheidene Binsenwahrheit mit auf den Weg, dass das Kriminelle in Literatur, Theater und Film Verbrechen fälschlich dargestellt wird - als wollte es entdeckt werden.

Ein Verbrechen, das entdeckt werden will, ist wie der missglückende Selbstmordversuch schlimmstenfalls ein Hilfeschrei. Das wahre Verbrechen will nicht entdeckt werden. Insofern ist die Geschichte geradezu authentisch zu nennen. Wer wollte in heutiger Zeit ernsthaft behaupten, dass Brecht Unrecht hätte mit der geflügelten Frage, was denn der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank sei? Im pig biz sitzen nicht die little criminals on the top!

Mit großem Amusement gelesen vom

Friedel

 

Lieber Friedel

Archive sind ein Fundus wie Grabstätten, sie bergen Verflossenes, manchmal längst Vergessenes oder Ungeahntes, doch darf man sich nicht fürchten, wenn man sie betritt, denn sie sind anwesend, die Geister die man ruft. So hat Carola den Geist dieser Geschichte auch in meiner Erinnerung wieder belebt und dir einen früheren Mosaikstein meiner Dichtung beschert.

Zum einen ist es konsequent, zu seinen Anfängen zu stehen, selbst wenn man sie im Abstand mit wohlwollender Ironie bedenkt.

So denk ich auch, wenn mir manchmal mein erster Text fragmentarisch in der Erinnerung auftaucht, den ich vor 49 Jahren einem Verlag einreichte. Die griechische Tragödie ging nicht nur aus dem Titel hervor, die textliche Abfassung war eine, entstanden damals mit jugendlichem Elan. Den Vorliegenden muss ich wohl eher zu den Alterssünden – die von Natur aus eher abnehmend sind – zählen. Doch auch zu diesen mag ich stehen, wie zu allen Taten meines Lebens.

So find ich es durch einen geschickten Schachzug die Protagonistin nicht in der früheren Familie Frahm einzugliedern und durch schlichtes Weglassen eines abschließenden t im Nachnamen sie auch nicht in einer heutigen Künstlerfamilie einzugliedern (Literatur, Film und Theater).

Ob der Olle Willy, geborener Herbert, damals bei der Namensfindung irgendwie herumgeisterte, könnte ich heute nicht mehr sagen. Eine solch historisch geschichtliche Verkuppelung mittels einem einfachen T zu inszenieren und es nicht als satirische Streitschrift kundzutun, hätte aber nahezu an Rufmord gegrenzt.

Zum andern aber hat mich der Ausdruck „klassierend“ statt des üblichen „klassifizieren“ verblüfft - für einen Ruhr(s)pöttler der Beweis, wie weit die Fachsprache der Bergleute heute noch reicht. Die trachteten mit dem Begriff, die Ausbeute/das Gut in mehrere Klassen mit bestimmten Korndurchmessern zu ... Und noch erstaunlicher finde ich, den Begriff bei Rechtsverdrehern zu finden …

Es zählt zwar nicht nachweislich zu den Helvetismen, ist mir aus dem mündlichen Sprachgebrauch aber sinngemäss zur Klassifizierung geläufig. Duden (25. Auflage) bezeichnet klassieren in ein System einordnen und erst danach, erwähnt er die Bergmannsprache, nach der Grösse trennen. Wahrig (9. Auflage) ist da konsequenter, er lehnt sich deinem Entsetzen an. Also ein Grund mehr, dem Erzähler seine Stimme mal etwas zu zerzausen.
Aber erstaunlich ist dies mir nicht, auch wenn Akribie im Rucksack der Rechtsgelehrten seinen festen Platz hat, das Menschliche ist ihnen nicht fremd. Die derbsten Männerwitze hörte ich von einem solchen, jedes Mal wenn ich ihm begegnete, tischte er mir einen neuen auf, ohne dass er dabei auf eine Verdrehung von alten zurückgreifen musste.

Mit großem Amusement gelesen vom

Das freut mich sehr. Doppeldeutigkeit und Ironie sollen in der Neufassung beibehalten bleiben, die Form jedoch an Plausibilität und Eleganz gewinnen. – zumindest versuche ich, diesen Anspruch anzustreben.

Danke dir herzlich für deinen Kommentar, den ich ebenfalls mit Vergnügen aufnahm.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

hallo anakreon,

die geschichte lies sich flüssig. die grundkonstellation ist altbekannt, aber immer wieder nett zu lesen. die idee, dass wegen temporärer überlastung der arzt nicht so gründlich, wie es eigentlich angebracht wäre, untersucht, finde ich sehr gut!! darauf würde ich einen kleinen fokus legen. anderes mit dem giftmord (ausgerechnet pilze) finde ich in dieser form zu "wieder aufgewärmt". das kann man machen. aber dann würde ich es kurz halten und anders gewichten.

grundsätzlich finde ich diese art von krimi unterhaltsam.

schöne grüße petdays

 

Hallo petdays

Es freut mich, dass der Text dich trotz altbekannter Grundkonstellation ansprach.

anderes mit dem giftmord (ausgerechnet pilze) finde ich in dieser form zu "wieder aufgewärmt". das kann man machen. aber dann würde ich es kurz halten und anders gewichten.

Dich stört das aufgewärmte an diesem Gericht. Also als Rohkost kann ich mir dies nun gar nicht schmackhaft vorstellen. :D
Doch Spass beiseite. Kurz meine Argumentation, warum ich diese „Tatwaffe“ für diesen Fall als das treffende Mittel der Wahl finde:
Krimis bedienen sich heute meist der Pistolen, Revolver und ähnlichen Waffen. Giftmorde hingegen sind Klassiker, sie zeichnen sich als das infamste Mittel bei Intrigen aus und ereigneten sich schon in der Antike. Natürlich du bekrittelst nicht den Giftmord an sich, sondern dass die Wahl auf Pilze fiel, wie es auch Asterix nicht so recht passend fand. Natürlich würden sich andere Mittel anbieten, doch ausgeklügelte Giftmorde ereignen sich heute eher auf einer Ebene, die sich dem gewöhnlich Sterblichen kaum Erschliessen. Nachrichtendienste etwa verwenden todsichere Mittel unter Mithilfe von Pharmakologen. Aber schon Mediziner hingegen wissen in der Regel nicht, welche Kombinationen an Medikamente mit Sicherheit tödlich wirken. Hier geht es gar um eine gewöhnliche Frau, die weder über Zugang noch Kenntnisse von letalen chemischen Stoffen verfügt. Barbiturate etwa sind inzwischen schon seit Jahrzehnten nicht mehr in frei zugänglichen Schlafmitteln enthalten, also fällt dies aus. Da ist ein tödlich wirkender Giftpilz, der ihr greifbar wird, schon ein denkbar naheliegendes Mittel. Falls etwas schiefgeht, lässt es sich als tragische Verwechslung erklären. Der juristische Grundsatz, in dubio pro reo, im Zweifel für den Angeklagten, zwänge sich da auf.
Vor zwölf Jahren hatte ich einmal in einer Geschichte einen Mord mittels Digitalis verarbeitet. Doch dort ging es um eine herzkranke Frau, deren Sohn sie meuchelte. Bei einer solchen Wahl des Mittels muss aber der ganze Fall auf diese Möglichkeit hin konstruiert sein – was hier eben mit den Pilzen erfolgte.

die idee, dass wegen temporärer überlastung der arzt nicht so gründlich, wie es eigentlich angebracht wäre, untersucht, finde ich sehr gut!! darauf würde ich einen kleinen fokus legen.

Ich habe dies gewollt nicht weiter ausgereizt, da an solch pikanten Äusserungen in anderer Form schon Anstoss genommen wurde. So steht es knapp und aus dem Leben gegriffen.

Wieweit die geplante Überarbeitung in den bestehenden Stoff eingreifen wird, kann ich heute noch nicht exakt abschätzen. Die Umsetzung eines personalen Erzählers wird aber Folgen auf die Darstellung haben, einiges werde ich streichen müssen, anderes wird hinzukommen.

grundsätzlich finde ich diese art von krimi unterhaltsam.

Das freut mich, denn zu Unterhalten ist mir ein prioritärer Ansatz bei der Abfassung von Geschichten, und wenn immer möglich, mit einem Augenzwinkern.

Danke dir für die Auseinandersetzung mit dem Stoff und deinen Kommentar, den ich zu meiner Überlegung gerne in Erwägung zog.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

hallo anakreon,

Aber schon Mediziner hingegen wissen in der Regel nicht, welche Kombinationen an Medikamente mit Sicherheit tödlich wirken.
>>>> das kann ich mir - bei einigen medizinern - zwar vorstellen, sagt aber eher etwas über die zeitliche überlastung von - manchen - medizinern aus, die sich für weiterbildung oft keine zeit mehr nehmen.....manchmal weiss man als medizinisch stärker interessierter und vorgebildeter "laie" in manchen bereichen deutlich mehr und findet eher die diagnose, so konnte ich letztes jahr schon zweimal einem freund das leben retten. ich find es erschreckend, wie wenig manche ärzte sich mit patienten beschäftigen; der tod wird zum kollateralschaden....

zum glück kenne ich auch gute mediziner. :) und ich denke, der großteil der mediziner wüßte schon, was "funktioniert", aber mit der schattenseite der medizin möchte man nicht so viel zu tun haben. sie würde mich auch nur in krimikontexten interessieren.

auch mir würden aus dem stegreif dinge einfallen, die ziemlich "sicher" wirken.... das eigentlichere problem ist bei manchen lösungen für die täter wohl eher, die beschaffung und "es wirklich tun wollen". es gibt andererseits auch so naheliegende dinge, da frage ich mich, warum sie nicht häufiger in krimis verwendet werden ....

deine argumentation mit den pilzen kann ich nachvollziehen. stimmt, das wäre die naheliegendste lösung für jemand, der sich nicht übermäßig für medizin interessiert. und man hat immer noch ein "sicherheitsnetz" falls etwas schief geht, auch das ist ein gutes argument für deine prot. trotzdem bevorzuge ich krimis, wo es etwas neues gibt. nichtsdestotrotz gefällt mir auch ein altbekanntes gericht manchmal gut!

schöne grüße petdays

 

Hallo petdays

Du bist ja richtiggehend nachtaktiv. :D

manchmal weiss man als medizinisch stärker interessierter und vorgebildeter "laie" in manchen bereichen deutlich mehr und findet eher die diagnose,

Da kann ich deine Meinung aber nicht teilen, denn die medizinische Diagnostik ist ein sehr, sehr komplexes Gebilde, mit vielen Hintertüren. Der menschliche Körper reagiert auch unterschiedlich auf Medikationen. Hinzu kommt, dass sich Krankheitserreger verändern können.
Wenn ich erwähnte, dass viele Mediziner nicht mit Sicherheit einschätzen können, welche Kombinationen an Medikationen mit Sicherheit tödlich [aber nicht qualvoll] wirken, so bezog sich dies aus den Erfahrungen der Suizidforschung über misslungene Suizidversuche von Ärzten. Es stellt keine Disqualifikation der Mediziner dar, denn Pharmakologie ist nicht ihr Hauptfach und wenn, müssen sie vor allem die heilenden Wirkungen und Nebenwirkungen kennen.
Natürlich gibt es wie bei allen Berufsgattungen unterschiedliche Qualifikationen oder eine innere Berufung für dieses Fach. Mancher Student wählte schon dieses Fach, da es die kürzeste Dissertation erfordert. ;) Aber wenn ich mich ab und zu über medizinische Fehlentwicklungen mokierte (etwa bei „Satyrspiel oder Albtraum des Hippokrates“), laste ich dies nicht dem einzelnen Mediziner an, sondern den menschlich begründeten, überspannten Entwicklungen, die es auch in andern Fachbereichen gibt. Dies zur Differenzierung, damit nicht eine Lawine an Protesten ausgelöst wird.

Bei einem Beziehungsdelikt, wie ich es in der Geschichte aufarbeitete, stehen für mich die Persönlichkeitsstrukturen und die zerstörerischen Erfahrungen dahinter, welche sich entladen. In einer Kurzgeschichte lässt sich dies nur komprimiert darstellen. Wenn dies mir glaubhaft gelingt und den Unterhaltungswert einbindet, dann scheint es mir gelungen. Aber die Kürze fordert da schon Kompromisse, für den Autor wie auch für den Leser.

Ich danke dir für deinen nochmaligen Kommentar, und dass du meinen Argumenten für das schmackhafte Gericht etwas abgewinnen kannst.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Neufassung

Den jüngsten Kritiken folgend, habe ich mich nochmals an eine Überarbeitung dieser älteren Geschichte gewagt, doch bemüht meine damalige Intention zu wahren. Zu den wesentlichen Kritikpunkten gehörte eine nicht durchgehende Einheitlichkeit der Erzählstimme. Ich setzte nun auf eine personale Stimme, ohne dass mir klar war, welche Zwänge dies wiederum auslöst.
Weitere Kritikpunkte war die Art der „Mordwaffe“, der Einsatz des Notfallarztes sowie das Motiv der Täterin. Zur Wahl von Pilzen stehe ich nach wie vor und hatte dies zu vorgehenden Kommentaren hinlänglich begründet. Die Situation mit dem Notfallarzt habe ich leicht präzisiert. Es bleibt der Umstand bestehen, dass er klar zu einem Todesfall gerufen wurde. Dies ist ein übliches Vorgehen – zumindest in der Schweiz -, da es ein ärztliches Attest braucht. Kommt der Arzt zur Meinung, dass kein ungewöhnlicher Todesfall vorliegt, ist dies eher Formsache, ansonsten erfolgt eine Obduktion durch die Rechtsmedizin. Verstirbt jemand bspw. in einer Universitätsklinik, so ist hingegen eine Obduktion ohne jede Ausnahme angesagt.
Die Motive der Prota. fliessen etwas verstärkter punktuell ein. Sie mit dieser Erzählstimme offenzulegen erwies sich als subtile Aufgabe, da es mir verfehlt erschien, mit der Türe ins Haus zu fallen. Die Erzählstimme veranlasste mich auch zu einer Erweiterung zu Beginn und am Ende, den Kerninhalt reflektiert die Prota. nun rückblickend, da ihr Gewissen ihr keine Ruhe lässt.

Wer nun meint, dieses schwere Vergehen einer untypischen Krimi-Darstellung, in der nicht das Gute siegt, dürfe nicht ungesühnt bleiben, falle folglich über mich als ihr Schöpfer her.

 

«Erfahrung sammelt man wie Pilze:
Einzeln und mit dem Gefühl,
dass die Sache nicht ganz geheuer ist.»
Erskine Caldwell​

Um Gottes willen,
zu den üblichen Requisiten vergangener Taten - Untaten wäre grammatikalisch betrachtet kein korrektes Wort - gesellt sich nun zum Personal der Geistliche zur Reinwaschung (ohne dass er es wisse)! Die Welt ist schlecht,

lieber Anakreon,

aber Scherz und Ironie zur Seite:

nach einer ersten Durchsicht denke ich, dass die Rahmenhandlung ein Gewinn für die Geschichte sei, wenn sie auch mit einem Stolperstein beginne aufgrund der Konstruktion des ersten Satzes. Da muss die Infinitivgruppe ja versauern!

Das Gespräch mit dem Geistlichen gab Eva Maria Motivation[,] gegen ihr beständig quälendes Gewissen anzukämpfen.

Einmal kommt mir dann doch das Partizip allzu heftig:
In Fachgesprächen war Zynismus in seinen Argumentationen ab und zu durchklingend, doch schrieb sie dies der Rhetorik eines Wirtschaftsanwalts zu.
„durchklingend“, wirkt wie eine unbeständige Eigenschaft durch Verschwägerung hier mit dem „ab und zu“. Besser und genauer wäre hier m. E. mal der Verzicht aufs Partizip, etwa
In Fachgesprächen [klang] Zynismus in seinen Argumentationen ab und zu durch[…], doch …

Der andere Gast liess die Beleidigung[,] nicht privilegiert zu sein, nicht auf sich sitzen, …
Statt der gedoppelten Negation vielleicht besser
Der andere Gast liess die Beleidigung[, unter]privilegiert zu sein, nicht auf sich sitzen, …

«Ich? Du wolltest mich unbedingt ins Bett bekommen, und[,] als es geschah[,] möglichst bald heiraten, da Du ja ach so katholisch bist.»
Wird vielleicht durch verrücken der Möbel deutlicher:
«Ich? Du wolltest mich unbedingt ins Bett bekommen, und […] möglichst bald heiraten[, als es geschah], da Du ja ach so katholisch bist.»

Warum eine Frage nur als Aussagesatz daherkommen lassen?, vor allem aber eine indirekte Rede im Indikativ?
Warum, fragte sie sich, mussten die Bedenken jetzt derart stark auftreten.

In ihrer berufliche[n] Tätigkeit …

Sie war eben dabei[,] Champignons in feine Scheiben zu schneiden, als ihr ein unrühmlicher Gedanke auftrat.

Zu den Geniessbaren …
(und seine Negation) ist m. E. besser als Adjektiv anzusehen denn als Substantiv: genießbaren [Pilzen]

Desto mehr der Sommer zu Ende ging, umsomehr spukte die Erinnerung an den giftigen Pilz in ihrem Kopf.
In jedem Fall umso mehr auseinander, aber der Satz (oder ist es der Sommer?) quält sich so dahin … ohne dass mir im Augenblick was einfiele ...

Der Text wäre also noch einmal abzuklopfen, wobei ja erst einmal die indirekte Rede „indirekt“ angesprochen wurde. Aber nicht nur beim Pilzebuch wäre sie angebracht …

Für heute sei’s aber genug vom

Friedel

 

Lieber Friedel

Ich war im Wahn der Meinung, die fehlende Zeit sei momentan mein ärgster Gegenspieler, doch weit gefehlt, zum „Schöpfer“ aufgespielt, war ich es mir selbst. Einmal mehr meinen leichtfertigen Versprechungen nachkommend, diese Alte neu aufzurüsten, welch Verhängnis. Dabei erkannte ich bald, sie neu zu schreiben und in einen ganz anderen Kontext zu setzen, wäre mir wohl leichter gefallen.

nach einer ersten Durchsicht denke ich, dass die Rahmenhandlung ein Gewinn für die Geschichte sei,

Ein Lichtblick, der sich am finsteren Gestirn des Nachthimmels auftut.

Nur minime Lücken, die meinen Widerspruchsgeist wecken könnten, liessest du als Hüter der korrekten Sprachform mir offen. So habe ich sie denn alle, nur die eine leicht verändert, übernommen, sogar dem Sommer den Garaus gemacht, und nochmals den Vorsatz gefasst, die Seiten wieder und wieder zu lesen, die ich vor Tagen erst ächzend zur Seite legte.

Für deine kritischen und wie immer treffenden Hinweise, untermalt mit Caldwells weiser Erfahrung, danke ich dir herzlich.

Ein auch ohne Pilze Schlaftrunkenes gute Nacht und

schöne Grüsse

Anakreon

 

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