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Broken Shadow

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08.01.2024
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Broken Shadow

Vincenzo DiLuca saß auf der Veranda, eine dampfende Tasse Tee vor sich. Die Sonne streifte bereits den Horizont, der Lärm der Zikaden war betäubend. Gedankenverloren blies er den Dampf von der Tasse, nippte von dem Tee. Als er den Wagen kommen hörte, lehnte sich Vincenzo zurück.

Eva trat zu ihm auf die Veranda. Leise, schüchtern, wie jemand, der nach Jahren des Schweigens wieder Worte finden muss. Vincenzo wusste, dass sie kommen wird. Nicht, weil sie sich angekündigt hatte. Das brauchte sie nicht. Er hatte den Dodge auf dem Parkplatz bei der Tankstelle gesehen, die rostigen Stellen, wie Stockflecken auf einem vertrauten Bild.
Evas Finger kneteten den Rand ihrer Handtasche. Ihre braunen Haare, die früher immerzu glänzten, wirkten stumpf und strähnig. Vince sah ihr an, dass sie etwas sagen wollte, aber es kam nichts. Er blickte ins Weite, spürte die Struktur der hölzernen Lehne unter seinen Fingerspitzen. „Setz dich!“, sagte er. Keine Aufforderung, eine Einladung, die sie annehmen oder ausschlagen konnte.

Eva zögerte, ehe sie sich auf dem Stuhl neben ihm niederließ. Der Stoff ihrer Jacke knisterte, wenn sie sich bewegte. Sie war nie gut darin gewesen, still zu sitzen.
„Leo“, begann sie, kaum mehr als ein Flüstern, „er steckt in Schwierigkeiten.“
Vince sah sie an. Keine Überraschung im Blick, nur Müdigkeit, die sich in allen Linien seines Gesichts zeigte. „Was für Schwierigkeiten?“, fragte er, obwohl er die Antwort nicht brauchte. Es war immer dasselbe. Junge Männer, die sich behaupten wollten.
„Er hat sich mit diesen Leuten eingelassen. Du weißt schon, die –“, ihre Stimme brach. Eva wandte den Blick ab, ehe sie weitersprach: „Victor und seine Schläger.“

Vincenzo sah den letzten Schein am Horizont verglimmen. Leo. Der Name hallte in seinem Kopf, wie ein Echo aus vergangenen Tagen. „Was willst du von mir, Eva?“
Sie drehte sich zu ihm, ihre Augen glänzten. Aber sie weinte nicht. Eva weinte nie. Sie war stark. Stärker als die meisten Frauen, die Vince kennengelernt hatte. Vielleicht war das der Grund, warum er sich einst in sie verliebt hatte.
„Was meinst du, Vincenzo? Ist dir nicht gut?“

Vincenzo antwortete nicht. Er ließ ihren Blick auf sich ruhen, sah das Flehen in ihren Augen, das sie nicht zu verbergen versuchte. Vincenzo sah auf seine Hände, die still auf den Oberschenkeln lagen. Ruhig, das schwache Zittern der Finger kaum merklich. Die Narben an seinen Knöcheln erzählten Geschichten. „Ich bin raus, Eva“, sagte er und es klang, als wollte er sich selbst überzeugen.
Eva nickte, aber ihre Augen sagten etwas anderes. Sie rückte etwas näher, strich ihm übers Haar.

Vincenzo spürte, wie alles zurückkam. Er stand auf, trat an das Ende der Veranda und sah hinaus. Farblos hing die Welt vor ihm in den Seilen, hatte ihren Glanz verloren. „Ich werde mit ihm reden“, sagte er. Kein Versprechen, keine großen Worte. Nur das Nötigste.

„Mit wem, Vincenzo? Mit wem möchtest du sprechen?“ Eva nahm ihm die Tasse aus der Hand, legte ihm ein Kissen in den Nacken.

Das Broken Shadow, dort trieb sich der Junge herum. Vince kannte den Laden. Früher hatte er viel Zeit dort verbracht. Schäbige Hinterzimmer, in denen schlechte Entscheidungen getroffen wurden. Ein Ort, wo die Luft nach abgestandenem Rauch, verschüttetem Bier und Ärger roch. Wo jeder, der sich dort aufhielt, wusste, dass es bessere Plätze gab, nur nicht für Männer wie sie.
Vince ging ins Haus. Er hörte Eva davongehen, sie wartete nicht auf eine Verabschiedung.

Vor dem Spiegel im Flur blieb er stehen. Er sah alt aus. Er legte sich die Hände auf das Gesicht. Die Finger über den Augen ruhend atmete er tief durch. Warum hört Eva nie zu?

Sein Blick wanderte zu der kleinen Schale auf der Kommode. Darin lag der Schlüssel zu dem Schrank im Keller. Die Waffen, das Geld. Er griff nach dem Schlüssel, drehte ihn zwischen den Fingern, spürte das Metall. Dann ließ er ihn fallen. Er wird keine Waffe brauchen. Nicht heute.
„Ist dir kalt, Vincenzo? Möchtest du reingehen?“

Das Broken Shadow war genau so, wie Vince es in Erinnerung hatte. Ein heruntergekommener Laden an einer Ecke der Stadt, wo die Zeit stehen geblieben war. Die Neonreklame über dem Eingang zuckte wie ein sterbendes Tier.
Vince stieß die Tür auf, der Geruch einer längst vergangen geglaubten Zeit schlug ihm entgegen. Die Jukebox in der Ecke gab keinen Ton von sich, diente nur mehr als Beleuchtung. An den Tischen saßen die gleichen Gestalten: Männer mit geborgten Träumen und Frauen, die zu viele leere Versprechungen gehört hatten. Kein Ort für ihn, kein Ort für den Jungen.

Vincenzo bewegte sich durch den Raum, als wäre er nicht vor Ort. Ruhig und unauffällig. Er war nicht hier, um Lärm zu machen. Er wollte reden.

Er entdeckte Leo an einem der Ecktische. Umringt von jungen Männern. Laut, lachend, als wären sie unzerstörbar. Vincenzo erkannte das Leuchten in ihren Augen. Dasselbe Leuchten, das auch er gehabt hatte, das ihm jetzt Tränen in die Augen trieb.
„Warum weinst du, Vincenzo? Möchtest du–“, Eva hielt ihm die Tasse mit dem Tee an die Lippen, „hast du Durst?“

Leo war ein schlaksiger Kerl. Jung und unsicher. Die Zigarette in seiner Hand wirkte fehl am Platz. Ein Requisit, mit dem er nicht umzugehen wusste.

Vince trat an den Tisch, legte beide Hände auf die Lehne eines leeren Stuhls, und die Gespräche verstummten. Die Männer musterten ihn. Leo wirkte überrascht, aber er sagte nichts.

„Wir müssen reden“, sagte Vincenzo an den Jungen gewandt. Leo blinzelte, sah zu den Männern um ihn herum. „Ich bin beschäftigt“, meinte er mit einem Lächeln, das zu breit war, um echt zu sein. Vince ließ sich auf den Stuhl sinken. „Was ich zu sagen habe ist wichtiger.“

Ein Mann links von Leo, ein breitschultriger Kerl mit Tätowierungen, die aus dem Kragen seines Shirts den Hals hinaufkrochen, lehnte sich vor. „Wer bist du, Opa? Was willst du?“
„Ich bin niemand“, sagte Vince ruhig. „Ich bin nur hier, um mit Leo zu reden.“
Eva schluckte, als er den Namen aussprach. Sie ahnte längst, dass es um ihren Jungen ging.

Der Mann schnaubte. Ein raues, kehliges Geräusch. „Leo gehört zu uns. Wenn du ein Problem hast, klärst du es mit mir!“

Vincenzo sah ihn an, dann zurück zu Leo. „Geh vor die Tür, Leo. Ich werde mich nicht wiederholen.“

Der Junge wand sich auf seinem Stuhl. Unsicherheit flackerte in seinen Augen.

Mit einem Grinsen versuchte er es zu überspielen. „Ich bin kein Kind mehr, Vince. Du kannst nicht einfach auftauchen und mir sagen, was ich zu tun habe!“

Vincenzo lehnte sich zurück. Seine Hände ruhten nebeneinander auf dem Tisch. Die Männer starrten ihn an. Er wusste, was in ihren Köpfen vorging. Sie sahen einen alten Mann. Jemanden, der seine besten Tage lange hinter sich hatte. Aber sie sahen nur die Jahre, die sich in Vince's Gesicht gegraben hatten, nicht das, was darunter lag.

Leo rutschte auf dem Stuhl umher, seine Augen huschten von Vincenzo zu den anderen. „Hör zu, Vince, ich weiß, du meinst es gut. Aber das hier ist nicht deine Sache!“

Der tätowierte Kerl grinste: „Hör auf den Jungen, Opa! Misch dich nicht in Dinge ein, die du nicht verstehst.“

Vincenzo hob den Kopf, fixierte den Blick des Kerls. Der Tätowierte lehnte sich vor, die Augen zu Schlitzen verengt. Seine Hand wanderte zum Gürtel, wo der Griff eines Messers hervorlugte. Vince bewegte sich nicht. Er hielt den Blick des Kerls fest, als hätte er ihn in einem Schraubstock gefangen. „Junge“, sagte er, und seine Stimme war nun anders – tiefer, kalt. „Du weißt nicht, wovon du redest!“
Eine erste Träne lief über Evas Wange. „Schon gut“, sagte sie und strich ihrem Mann über den Arm.

Einen Moment schien der Raum still zu stehen. Leo erstarrte, auch die anderen Männer. Das war keine Drohung. Kein Gebrüll. Nur eine Tatsache, die Vincenzo mit jedem Wort vermittelte.

Der tätowierte Mann stand auf, das Messer halb gezogen. Er grinste, aber seine Augen verrieten ihn. Vincenzo bewegte sich so schnell, dass die meisten es nicht einmal wahrnahmen. Seine Hand schnellte über den Tisch, packte den Arm des Kerls mit Präzision und Kraft, die sein Alter Lügen straften. Er drehte das Handgelenk des Mannes, zwang ihn, das Messer fallen zu lassen. Dann riss er den Arm herum und der Kopf des Kerls knallte auf die Tischplatte. Der dumpfe Aufprall hallte durch den Raum.

Der Tätowierte wimmerte vor Schmerz, das Gesicht verzerrt, als er versuchte, sich zu befreien. Leo war aufgesprungen, die Augen weit vor Schreck. „Vince, verdammt, was machst du? Lass ihn los!“

Vincenzo deutete mit dem Kinn zur Tür, ohne den Blick von dem Kerl auf dem Tisch zu nehmen. Er lockerte den Griff ein wenig, damit der Mann sprechen konnte. „Okay, ich hab’s kapiert“, keuchte der Tätowierte. Vincenzo ließ ihn los, und der Kerl taumelte zurück. In seinen Augen stand Hass, aber auch Angst. Die anderen am Tisch rührten sich nicht, keiner sagte ein Wort.

Vincenzo wartete, bis Leo draußen war. Vor seinem geistigen Auge sah er ihn im warmen Licht vor der Veranda stehen. „Wer hat hier das Sagen?“, fragte er an unbestimmte Adresse. „Victor?“, schob er nach und mehrere Köpfe nickten. Vince stand auf und ging Richtung Ausgang. „Sagt ihm“, ließ er über die Schulter verlauten, „Vincenzo DiLuca möchte mit ihm reden.“
Eva wandte sich ab. Sie wollte nicht mehr weinen – aber es war so schwer.

Vince ließ die Tür des Broken Shadow hinter sich ins Schloss fallen, sog die frische Nachtluft in seine Lungen. Das dumpfe Summen der Neonlichter über ihm vermischte sich mit dem Lärm der Zikaden und den Geräuschen der Stadt. Leo stand an der Wand gegenüber, die Hände in den Taschen seiner Lederjacke.

„Hast du eine Ahnung, was du da tust?“, fragte Vince den Jungen, als er sich neben ihn gestellt hatte. Leo antwortete nicht, trat von einem Fuß auf den anderen. Der Schein der Straßenlaterne offenbarte die Verletzlichkeit auf dem jugendlichen Gesicht. „Ich“, begann er, „ich kann das händeln, Vince. Wirklich! Victor respektiert mich. Er hat mir sein Wort gegeben!“

„Sein Wort?“ Vincenzo schnaubte, schüttelte den Kopf. „Junge, das ist nicht mehr wert als der Dreck unter meinen Schuhen!“

Leo sah Vincenzo an, die Unsicherheit wich einem Hauch von Trotz. „Du verstehst das nicht. Die Zeiten haben sich geändert! Victor ist anders, Vince. Die Regeln haben sich geändert!“

Vincenzo kam einen Schritt näher. „Die Regeln ändern sich nicht! Du stirbst für deine Fehler oder zahlst dafür! Was glaubst du, was Victor von dir will? Respekt?“

Leo wich zurück, das kurze Aufbegehren in seinem Gesicht zerfiel. „Aber du hast dich doch auch durchgeschlagen, Vince. Und bist da rausgekommen!“

„Bin ich das?“ Vincenzo kam noch näher, seine Stimme ein Flüstern im Kopf. „Schau mich an.“

Der Junge wich ihm aus, wandte den Blick ab.

„Schau mich an!“, befahl Vince. „Sehe ich aus, als wäre ich da gut rausgekommen?“

Die Frage blieb unbeantwortet, als ein nachtschwarzer Cadillac um die Ecke bog und vor dem Broken Shadow zum Stehen kam. Leo machte einen Schritt zurück, Schweiß perlte auf seiner Stirn, während sich die Tür des Wagens öffnete.

Victor stieg aus, groß, gut gekleidet, mit der Arroganz eines Mannes, der weiß, dass er die Macht in Händen hält. Sein Gesicht war makellos, das perfekte Lächeln ohne Wärme.
„Vincenzo DiLuca!“ Victor breitete die Arme aus, als ob er einen alten Freund begrüßen wollte.
Vince rührte sich nicht von der Stelle, erwiderte ruhig den Blick.

Victor trat näher, legte eine Hand auf Leos Schulter, als wäre der Junge eine Trophäe, die er für sich beanspruchte. „Dieser Junge hier –, er hat großes Potenzial. Er ist klug, hat gute Instinkte. Genau das, was diese Stadt braucht.“

Vincenzo warf Leo einen Blick zu, spürte eine Mischung aus Stolz und Angst aufkeimen. „Er ist nur ein Junge“, sagte er. „Und Jungs wie er haben in diesem Spiel keine Zukunft.“

Victor lächelte, ließ die Hand von Leos Schulter gleiten und steckte sie lässig in die Tasche seiner Jacke. „Vielleicht, vielleicht auch nicht. Aber das liegt nicht an uns, oder? Jeder trifft seine eigenen Entscheidungen.“

Es entstand eine Stille, die durch das Brummen der Straßenlaterne verstärkt wurde.
Victor testete ihn aus, wollte wissen, ob er bereit war, nachzugeben, sich dem neuen Gefüge unterzuordnen? „Leo kommt mit mir“, sagte er. Kein Bitten, keine Frage, eine Feststellung. „Du wirst ihn in Ruhe lassen!“
Victor lachte, schüttelte den Kopf. „Vince, so läuft das nicht.“ Er machte eine Pause, ließ die Worte in der Luft hängen. „Wir können einen Deal aushandeln, sicher. Aber den Jungen einfach so gehen lassen? Das wäre schlecht fürs Geschäft.“ Victor kam näher, seine Stimme ein eindringliches Rauschen: „Ich respektiere dich, Vince. Jeder hier weiß, wer du bist. Aber Respekt ist keine Währung, mit der man in diesem Geschäft bezahlt.“ Er hielt inne, sah Vincenzo in die Augen, und in diesem Moment war der Respekt nur Fassade. „Ich werde den Jungen nicht einfach so aufgeben!“

Vincenzo hatte gewusst, dass dieser Moment kommen wird. Er dachte, er wäre vorbereitet, aber der erste Schlag traf ihn im Nacken, ehe er agieren konnte. Hart, präzise, von einem der Männer Victors. Er ging zu Boden, steckte weiter Schläge ein. Dumpfer Schmerz brandete durch seinen Körper, als er nach Atem rang. Victor kniete sich neben ihn, die kühle Ruhe noch immer im Blick. „Das ist jetzt ein anderes Spiel, Vince“, flüsterte er. „Du bist nicht länger der, der die Zügel in Händen hält.“

Vince schmeckte Blut im Mund, kämpfte gegen die Schwärze, gegen die Nacht, die an ihn heranrückte. Leo stand starr daneben.
„Schafft ihn ins Krankenhaus oder lasst ihn liegen“, meinte Victor beiläufig, als er sich die Tür zu seinem Wagen öffnen ließ und einstieg.

Vince presste die Zähne aufeinander, kämpfte gegen den dichten Schleier, der sich über seinen Verstand legen wollte. Er hatte Schlimmeres durchgemacht. Härtere Schläge kassiert, sich aus tieferen Löchern gezogen.
„Du hattest deine Chance, Vince!“, rief Victor aus dem Auto. Für den Neuen hatte er eine Show abgezogen. Schau hin und lerne. So wird das gemacht!


Vince hustete, spuckte Blut. Ein roter Fleck zeichnete sich scharf von dem dunklen Grau der Straße ab. „Victor!“, krächzte er.

Victor hielt inne, sah ihn an, als würde er abwägen, ob es sich lohnte zuzuhören. Dann kam er zurück, sein Schatten fiel auf Vincenzo. „Was ist, alter Mann? Möchtest du doch noch einen Deal aushandeln?“

Vince lachte. Es klang hohl, brüchig. „Du hast nicht zugehört“, brachte er hervor. „Ich mache keine Deals!“ Er spuckte Victor Blut ins Gesicht.
Victors Blick veränderte sich. Nur ein Zucken, fast nicht zu bemerken. Aber Vincenzo sah es. Dann der Knall. Vincenzo roch das Schießpulver, wartete auf den Schmerz.
Victor hatte genug. Er drehte sich um, strich seine Jacke glatt und steckte den Revolver weg. Die Autotür fiel ins Schloss und der Wagen rollte davon.
„Leo“, sagte Vincenzo. Er mühte sich hoch zu kommen und sah sich um. „Leo!“, schrie er und den Rest der Welt fraß die Nacht.

 

Hallo @Sammis,

deine Geschichte hat mir gefallen, obwohl das so gar nicht mein Thema ist. Aber dein Schreibstil gefällt mir, und die Vergleiche lassen interessante Bilder in meinem Kopf entstehen.
Einiges ist mir noch aufgefallen:

grabschten
Grabschten hört sich für mich nach Kleinkind an; vielleicht tasteten?

Vincenzo wusste, dass sie kommen wird, natürlich.
Müsste m.E. heißen: dass sie kommen würde

spürte die Struktur des Holzes unter seinen Fingerspitzen.
Hier habe ich gestutzt, mir hat der Bezug zum Holz gefehlt. Ich denke mal, er sitzt in einem Holz-/Schaukelstuhl? Vielleicht gleich im ersten Satz ergänzen: saß auf der Veranda in seinem Schaukelstuhl
immer etwas, dass sie erreichen wollte.
immer etwas, das sie erreichen wollte
Eva war gezeichnet(,) von der Zeit,
Ich glaube, das Komma gehört raus
Entscheidungen, die sie heute und immerzu mit herbrachte,
mitbrachte
Weil er dort gewesen war, in denselben Schwierigkeiten gesteckt hat.
gesteckt hatte
Zigfach hat er sie gesehen,
hatte
Die Mutter, die ihr Kind schützen möchte. Immerzu kam sie hierher. Aber das lag lange zurück.
Hier stimmen m.E. die Zeiten nicht; Immerzu ist sie hierhergekommen. Aber das liegt lange zurück.
weil er es geschworen hat.
hatte
Verzweiflung wohnte ihrer Stimme bei.
Finde ich ein bisschen zu schnörkelig, vielleicht: Verzweiflung färbte ihre Stimme dunkel
Vincenzo stand auf, trat ans Ende der Veranda
trat an das Ende der Veranda, oder einfach: ging zum Ende
wo er den Jungen finden kann.
wo er den Jungen finden konnte.
der zu viele Schlacht geschlagen hatte, die keine Sieger zuließen.
Schlachten
der zu viele Schlacht geschlagen hatte, die keine Sieger zuließen.
die keine Sieger zugelassen hatten
Er legte die Hände auf das Gesicht.
Klingt holprig, vielleicht: er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht
oder: er schlug die Hände vor das Gesicht
Eva wird wiederkommen. Warum kommt sie immer wieder?
So, wie es dasteht, passen die Zeiten nicht, dann müsste es heißen: Eva würde wiederkommen. Warum kam sie immer wieder?
Außer du lässt Vince es denken, dann könntest du es als Zeichen seiner Gedanken ins Kursiv setzen.
Vince stieß die Tür auf(,)und der Geruch einer längst vergangen geglaubten Zeit schlug ihm entgegen
Komma
An den Tischen saßen die gleichen Gestalten
... die gleichen Gestalten, wie ...? Hier fehlt der Vergleich, vielleicht: wie seit jeher, oder: wie zu Vincenz´ Zeiten
als wäre er nicht vor Ort.
vor Ort klingt holprig, vielleicht: als wäre er nicht hier, oder nicht anwesend
Die Zigarette in seiner Hand wirkten fehl am Platz.
wirkte
Ein Requisit, mit dem er nicht umzugehen wusste.
Das ist ein toller Satz, absolut passende Beschreibung:)
nur die Jahre, die sich in Vince´ Gesicht
Vince´s
sie sahen nur die Jahre, die sich in Vince´ Gesicht geschnitten hatten,
Hier bin ich über das ´geschnitten´ gestolpert. Mein erster Gedanke war, dass ein Schnitt plötzlich kommt, das passt dann nicht zu den Jahren (hier wäre eingegraben besser gewesen). Erst zum Ende der Geschichte dachte ich mir, dass du es vielleicht auch wörtlich gemeint hattest, dass er eben Verletzungen durch Schnitte hat, dann passt es.
Nur eine Tatsache, die Vincenzo mit jedem Wort vermittelte.
Würde ich streichen, wirkt stärker
Hundertfach hatte Vince das gesehen,
diesen Blick
Er lockerte den Griff ein wenig, dass der Mann sprechen konnte.
sodass oder damit
Vincenzo ließ ihn los(,) und der Kerl taumelte zurück.
Komma
In seinen Augen stand Hass(,) aber auch Angst.
Komma
Wer hat hier das sagen?“
das Sagen
Vince stand auf und ging Richtung Ausgang.
und ging in Richtung Ausgang
ich kann das handeln
händeln
seine Stimme ein Flüstern im Kopf
In wessen Kopf?
Es entstand eine Stille, die durch das Brummen der Straßenlaterne verstärkt wurde.
Finde ich etwas unglücklich gewählt. Ich weiß, was du sagen willst, aber so finde ich es widersprüchlich.
Vielleicht: Es entstand eine Stille, die vom Brummen der Straßenlaterne ablenkte,
oder: die nur vom Brummen der Straßenlaterne aufgesogen wurde
Kein Bitten, keine Frage,
Keine Bitte
Aber das bedeutete nicht, dass er es nicht erneut versuchen wird.
würde
Seine Stimme ein eindringliches Rauschen im Kopf.
Hier auch wieder: in wessen Kopf?
Hart, präzise, von einem der Männer Marcos
Wer ist jetzt dieser Marco?
Victor kniete sich neben ihn, die kühle Ruhe noch immer auf dem Gesicht.
in seinem Blick
kämpfte gegen die Schwärze, gegen die Nacht, die an ihn heranrückte.
Hört sich recht kuschelig an:) : die ihn erdrückte, oder: die ihn zu erdrücken drohte
Victor hielt inne, sah ihn an, als würde er abwägen, ob es sich lohnte, zuzuhören. Dann kam er zurück, sein Schatten mischte sich mit Vincenzos.
Victor sitzt doch schon im Auto. Steigt er tatsächlich nochmal aus und geht zurück? Würde nicht zu seinem Charakter passen, das wäre ihm zu umständlich.
„Ich mache keinen Deals.
keine
„Suchst du noch immer?“, fragte sie und hob den Blick.
Vor diesem Satz würde ich einen Absatz machen, damit der Perspektivenwechsel in deinem Ende klarer wird. Sonst ist man erst mal verwirrt, weil es so nebensächlich im Fließtext passiert. Erst dachte ich, du hättest die Namen verwechselt:). Gutes Ende!

Victor. Der Name sagte ihm nichts aber den Mann dazu kannte er gut.
Ein letztes: ist für mich widersprüchlich; wenn ich jemanden kenne, sagt mir auch sein Name was.

Mir gefällt, wie du die einzelnen Charaktere ausarbeitest, man hat immer ein passendes Bild vor Augen. Der Absatz, in dem Vince überlegt, ob er die Waffe mitnehmen soll, gefällt mir besonders. Man merkt seine Resignation.

Gerne gelesen!

Gruß,
Kerzenschein

 

Hallo @Kerzenschein!

Schön, dass du reingeschaut hast! Herzlichen Dank fürs Flusenlesen!
Es freut mich, dass dir der Text gefallen hat.

grabschten
Grabschten hört sich für mich nach Kleinkind an; vielleicht tasteten?
Kommt für mich auf den Kontext an. Tasten wäre mir zu wenig. Schatten, die nach jemandem grabschen, finde ich wenig kindlich.

spürte die Struktur des Holzes unter seinen Fingerspitzen.
Hier habe ich gestutzt, mir hat der Bezug zum Holz gefehlt. Ich denke mal, er sitzt in einem Holz-/Schaukelstuhl? Vielleicht gleich im ersten Satz ergänzen: saß auf der Veranda in seinem Schaukelstuhl
Bin ich ebenfalls hängengeblieben. Wollte aber nichts erklärendes hnzufügen. Hoffte, das ruscht so durch. Tut es natürlich nicht. :p

sie sahen nur die Jahre, die sich in Vince´ Gesicht geschnitten hatten,
Hier bin ich über das ´geschnitten´ gestolpert. Mein erster Gedanke war, dass ein Schnitt plötzlich kommt, das passt dann nicht zu den Jahren (hier wäre eingegraben besser gewesen). Erst zum Ende der Geschichte dachte ich mir, dass du es vielleicht auch wörtlich gemeint hattest, dass er eben Verletzungen durch Schnitte hat, dann passt es.
Ja, stimmt. Hatte zunächst gemeisselt. Erschien mir jedoch (genau wie eingegraben) zu verbraucht. Nu wird aber doch gegraben, manchmal trifft es bewährtes doch am besten.

seine Stimme ein Flüstern im Kopf
In wessen Kopf?

Seine Stimme ein eindringliches Rauschen im Kopf.
Hier auch wieder: in wessen Kopf?
Dazu möchte ich noch nichts sagen. Ich warte noch ab, ob sich andere dazu äußern.

„Suchst du noch immer?“, fragte sie und hob den Blick.
Vor diesem Satz würde ich einen Absatz machen, damit der Perspektivenwechsel in deinem Ende klarer wird. Sonst ist man erst mal verwirrt, weil es so nebensächlich im Fließtext passiert. Erst dachte ich, du hättest die Namen verwechselt:). Gutes Ende!
Verzeih, wenn ich dich hier korrigiere: Aber das passt schon so. :rolleyes:

Victor. Der Name sagte ihm nichts aber den Mann dazu kannte er gut.
Ein letztes: ist für mich widersprüchlich; wenn ich jemanden kenne, sagt mir auch sein Name was.
Widersprüchlich ja, und dennoch stimmig.:confused:

Entschuldig bitte, wenn ich hierauf nicht näher eingehe. Wie bereits erwähnt, möchte ich noch abwarten.

Nochmals danke für deine Zeit und die hilfreichen Hinweise!

Gruß,
Sammis

 

Hallo zusammen!

Bevor der Text in der Versenkung verschwindet, liefere ich die Erklärung nach, die ich dir @Kerzenschein bislang vorenthalten habe.

Die Idee dahinter:

Ein schwer an Demenz erkrankter Mann sitzt apathisch im Rollstuhl auf der Veranda. Seine Mutter ist bei ihm, betreut ihn. Der Mann hat ein bewegtes Leben hinter sich. Als Teenager geriet er auf die schiefe Bahn, lebte lange Zeit das Leben eines Kriminellen, bis er auszusteigen versuchte, was ihm nie wirklich gelang. Erst die Krankheit beendet seine Ganovenkariere.
Dazu eine unerfüllte Liebe: Eva.
Vincenzo DiLuca. Leo – Victor – Vince, ein und die selbe Person. Und nicht Eva (Urmutter) ist bei ihm auf der Terrasse, kommt immer wieder, sorgt sich um ihn, sondern seine Mutter.

Im Text gibt es etliche Hinweise: Das Geräusch der Zikaden in der Stadt, er bewegt sich, als wäre er nicht vor Ort, physikalisch unmögliche Nähe, Stimmen im Kopf, er liegt auf der Straße auf Holzdielen, und manches mehr …


Nun würde mich doch interessieren, ob das im Ansatz funktioniert oder ich vollends danebengegriffen habe?

Gruß,
Sammis

 

Hallo @Sammis,

nur kurz:

Nun würde mich doch interessieren, ob das im Ansatz funktioniert oder ich vollends danebengegriffen habe?

ich habe hier heute schon mal unter Beweis gestellt, dass ich möglicherweise nicht der aufmerksamste Leser bin, deshalb weiß nicht, wie viel mein Urteil wert ist ... Aber nein, ich habe das nicht rausgelesen. Mir waren die Hinweise da zu schwach und dementsprechend hat mich dann auch das Ende verwirrt.

Ich kann mir gut vorstellen, dass die Sache jetzt, mit dem neuen Wissen, beim zweiten Durchgang sehr viel deutlicher wäre, aber da ist dann halt die Frage, ob das dein Anspruch an den Text ist, das er erst im zweiten Durchgang verstanden wird.

Bei Fight Club ... ich weiß nicht, Fight Club ist so sehr Popkultur, dass man Bescheid weiß, oder? ... Na ... Also, jedenfalls, wenn eine Geschichte, (oder ein Film wie Fight Club, das Buch hab ich nicht gelesen), so einen doppelten Boden hat, der im ersten Durchgang von quasi keinem durschaut wird und dann in einem großen Mindfuck-Finale gipfelt, dann empfinde ich es als wichtig, dass die eingestreuten Hinweise, die "Risse", sehr deutlich und konsequent durchgezogen werden. Auch, wenn das im ersten Moment dann erst mal komplett verwirren mag. Muss der Rezipient dann halt mit klarkommen. Aber wenn dann aufgelöst wird, denkt er sich: Na klar, war doch offensichtlich! Direkt noch mal gucken!

Hier hatte ich aber das Gefühl, dass alles seinen Gang geht. Ich bin nicht gestolpert und ich glaube, selbst, wenn ich nicht der unaufmerksame Leser wäre, der ich möglicherweise bin, wären mir die Hinweise durch die Lappen gegangen.

Meine Theorie steht noch auf wackligen Beinen, weil sie entsteht, während ich das hier abtippe, aber ja, ich glaube, du könntest dich wagen, deutlichere Hinweise zu streuen. Vielleicht geraten die Namen stellenweise durcheinander, vielleicht wird aus Victor zwischenzeitlich Vigor, keine Ahnung, vielleicht bricht eine Szene einfach mal weg, bröckelt, Gesichter im Hintergrund sind plötzlich keine Gesichter mehr, sondern nur graue Tapete ... Keine Ahnung.

Ich glaube, dass das vor allem deshalb funktionieren könnte, weil du so versiert erzählst. Wenn da jetzt in jedem dritten Satz ein Formulierungsfehler wäre, würde man denken, na gut, da hat der Autor wohl geschludert, aber durch die grundsätzliche Klarheit des Textes sollte das Vertrauen in den Autor eigentlich groß genug sein.

Ich halte auf alle Fälle weiter die Augen offen und die Ohren gespitzt und würde den Text gerne noch mal lesen, wenn du irgendwelche Änderungen vornimmst. Auch, wenn die in eine andere Richtung als die von mir vorgeschlagene gehen sollten.

Und ich kriege jetzt keinen geschmeidigen Übergang hin, aber ich will nicht unerwähnt lassen, dass ich auf eine andere Art ein wenig mit dem Text gehadert habe. Ich empfand ihn nämlich immer wieder sehr ... hm, also die Sprache erschien mir oftmals sehr bedeutungsschwer, falls das das richtige Wort ist, aber auf eine schon überspitzte Art. Besonders in Kombination mit diesem Mafia(?)-Setting mit seinen harten Schlägertypen und verrauchten Spelunken bekommen Sätze wie "Der Junge glaubt, er könnte die Regeln brechen, doch am Ende brechen sie dich" schnell so einen Touch von ... drüber.

Wie auch immer - danke fürs Teilen, bin gespannt, ob und wie es weitergeht!

Bas

 

Hallo @Sammis ,

hier lese ich ein altes Rezept. Ein Protagonist, seine besten bzw. schlechtesten Jahre hinter sich, wird noch einmal einberufen, sich seiner Vergangenheit zu stellen. Solche Geschichte gefallen mir!
Die Stimmung wird früh vermittelt, was es mir leicht gemacht hat, in die Geschichte reinzugleiten. Für mich immer ein wichtiger Punkt, dass der Anfang Substanz hat und Orientierung bietet.
Generell hatte ich nie Probleme mich bei den Orten oder Charakteren zurecht zu finden. Trotz der Teils poetischen Sätze, war immer klar, was gerade passiert. Eine gelungener Balanceakt.

Den Protagonisten konnte ich mir wunderbar ausmalen, obwohl du ihn nicht detailliert beschrieben hast. Es waren eher die inneren Monologe, Gedanken und Reaktionen, die das Bild von ihm gemalt haben. Das fand ich gelungen.
Es wurde gleichzeitig nicht zu früh verraten, was ihn aus der Vergangenheit verfolgt. Das hat dem Spannungsbogen geholfen.

Leider muss ich sagen, dass mir der Plot, ganz am Ende, gefallen hat, aber er mir etwas zu plötzlich kam. Ich glaube eine etwas ausgeprägtere Überleitung, hätte mir geholfen. Vor allem, da auch in der Geschichte keine Hinweise sind. Zumindest habe ich sie nicht rausgelesen.
Kurz gesagt, der Plot ist gut, benötigt meiner Meinung nach aber etwas Ausführung bzw. Aufbau, im letzten Absatz.
Ich habe mir in einem Kommentar unter deiner Geschichte die Erklärung durchgelesen und deine Hinweise auch. Das kann klappen, aber es ist für mich dennoch in einen Schleier gehüllt. Vielleicht fiel es mir aber auch etwas schwer um die Ecke zu denken und die Hinweise so zu lesen.

Ein paar Dinge möchte ich noch genauer kommentieren ...

Die Sonne streifte den Horizont, warf lange Schatten über den Boden, die nach ihm grabschten. Versonnen blies er den Dampf von der Tasse, nippte von dem Tee, schmeckte die vertraute Bitterkeit.
Auch wenn es nicht die gleiche Bedeutung hat, ist mir die Wortlaut-Dopplung aufgefallen.

Wo jeder, der sich dort aufhielt, wusste, dass es bessere Plätze gab, nur nicht für Männer wie sie.
Die Neonreklame über dem Eingang zuckte wie ein sterbendes Tier.
Diese beiden Sätze haben für mich das Broken Shadow's toll inszeniert. Die Bedrohung und das Elend von besagtem Ort wurde mir deutlich gemacht, was mehr und mehr Bilder in meinem Kopf gezeichnet hat. Toll!

Vince stieß die Tür auf, der Geruch einer längst vergangen geglaubten Zeit schlug ihm entgegen.
Ich ahne, wie du das meinst. Zu Vince generellen Gedanken und seiner Stimmung passt es auch irgendwie. Aber ich bekomme das Bild nicht ausradiert bei dem Satz, dass er als Schatzsucher eine alte Gruft öffnet. Weißt du was ich meine? :p


„Du bist nicht länger der, der die Zügel in Händen hält.“
Da fehlt ein Artikel, vor "Händen".


Zusammengefasst hatte ich Spaß deine Geschichte zu lesen. Das alte Rezept hast du auf deine Art und Weise serviert. Komponenten wie die Figuren, Szenerien, Spannung, geplagte Vergangenheit und ähnliches, ergeben ein ausgewogenes Gericht :)

Bleib dran

Bis dann

 

Der Wind trug den Klang der Zikaden mit sich, dumpf und fern, wie beiseitegelegte Erinnerungen. Die Sonne streifte den Horizont, warf lange Schatten über den Boden, die nach ihm grabschten.
Zikadenzirpen und "dumpf" kriege ich nicht überein.
Im zweiten Satz geht mir ein wenig der Bezug verloren. Eigentlich grabschen die Schatten nach Vincenzo, nehme ich an, hier aber eher nach dem Horizont.
Zigfach hatte er sie gesehen, als er selbst ein Teil davon war.
Das "sie", das sich auf den Folgesatz bezieht, finde ich in der Reihenfolge ein wenig missverständlich und mühsam zu lesen.
Eva hatte recht. Leo ist dumm. Und genau deshalb würde er nicht auf ihn hören.
"war dumm"?
Die Waffen, das Geld, alte Rechnungen, die längst beglichen waren, aber nie wirklich verschwanden.
Da denke ich an Rechnungen im Sinne von Papier und Tinte. Mit dem "die nie wirklich verschwanden" ergibt das eine seltsame Kombi. Auf materiell vorhandene Rechnungen komme ich durch den Kontext der Gegenstände, die mit den Rechnungen weggeschlossen sind.
Er griff nach dem Schlüssel, drehte ihn zwischen den Fingern, spürte das Metall sich an seine Haut schmiegen.
"schmiegen" meint, dass sich Material an die Konturen seiner Finger anpasst, das kann Metall nicht.
Durchs Fenster konnte er Umrisse von Menschen erkennen, die in ihren Drinks ertranken, in Gesprächen, die nichts bedeuteten.
In einer so dramatischen Umgebung?
Ein Mann links von Leo, ein breitschultriger Kerl mit Tätowierungen, die aus dem Kragen seines Shirts den Hals hinaufkrochen, lehnte sich vor. „Wer bist du denn, Opa? Was willst du?“
Jeder, wirklich jeder kennt ihn und einer der scheinbaren Obermacker nicht?
Aber sie sahen nur die Jahre, die sich in Vince´s Gesicht gegraben hatten, nicht das, was darunter lag.
Vince's
Seine Hand blitzte über den Tisch,
Der Ausdruck liest sich seltsam, den kenne ich so nicht. Sowas wie "schnellte"?
Vincenzo wusste, dass dieser Moment kommen würde.
hatte gewusst
Leo stand tatenlos daneben, war weg, verloren, von Anfang an!
Das klingt wie ein merkwürdiger Einwurf und Wertung der Autorin.
als er sich die Tür zu seinem Wagen öffnen lies und einstieg.
ließ
Vince lag auf dem kalten Asphalt, auf den Holzdielen,
:confused: Wie geht das?
Er wollte nicht aufgeben, es nicht zulassen, dass der Junge denselben Weg geht, den er gegangen war.
ging, den er gegangen war
Er wollte nicht aufgeben, es nicht zulassen, dass der Junge denselben Weg geht, den er gegangen war. Nicht noch einmal.
Das liest sich, als wäre der Junge den Weg "noch einmal", also zweimal, gegangen.

Eigentlich wollte ich sagen, dass ich "es" auch nicht verstanden habe. Beim ersten Mal Lesen wusste ich nichts davon und habe es einfach als Geschichte mit unverständlichem Ende gelesen. Beim zweiten Mal, bis hierher zum Kommentar, wusste ich, dass es etwas zu entdecken gibt, das den Schluss erklärt, ohne es aber gefunden zu haben. Was ich bis hierher dachte, nach dem zweiten Lesen: Vince ist längst tot?
Gleich werde ich mal deinen Spoiler lesen.
-------------------------------------------------------------
So. Nein, darauf wäre ich nie gekommen.

Viele Grüße,
Helen

 

Hallo @Bas!

Schön, dass du reingeschaut und deine Gedanken zum Text dagelassen hast.
Dankeschön!

Ich kann mir gut vorstellen, dass die Sache jetzt, mit dem neuen Wissen, beim zweiten Durchgang sehr viel deutlicher wäre, aber da ist dann halt die Frage, ob das dein Anspruch an den Text ist, das er erst im zweiten Durchgang verstanden wird.
Dass ein Text erst bei wiederholtem Lesen verstanden wird, finde ich okay. Dass es hierfür jedoch Erklärungen braucht, geht gar nicht. Dann ist das zu wenig meinerseits.

Bei Fight Club ... ich weiß nicht, Fight Club ist so sehr Popkultur, dass man Bescheid weiß, oder? ... Na ... Also, jedenfalls, wenn eine Geschichte, (oder ein Film wie Fight Club, das Buch hab ich nicht gelesen), so einen doppelten Boden hat, der im ersten Durchgang von quasi keinem durschaut wird und dann in einem großen Mindfuck-Finale gipfelt, dann empfinde ich es als wichtig, dass die eingestreuten Hinweise, die "Risse", sehr deutlich und konsequent durchgezogen werden. Auch, wenn das im ersten Moment dann erst mal komplett verwirren mag. Muss der Rezipient dann halt mit klarkommen. Aber wenn dann aufgelöst wird, denkt er sich: Na klar, war doch offensichtlich! Direkt noch mal gucken!
Ein Meisterwerk! Die Hinweise sind so offensichtlich, in your face, und dennoch funktioniert der Twist am Ende hervorragend. Beim Schreiben hatte ich den Film nicht im Kopf – hätte vielleicht geholfen.

Hier hatte ich aber das Gefühl, dass alles seinen Gang geht. Ich bin nicht gestolpert und ich glaube, selbst, wenn ich nicht der unaufmerksame Leser wäre, der ich möglicherweise bin, wären mir die Hinweise durch die Lappen gegangen.
Dazu komme ich gleich ...

Und ich kriege jetzt keinen geschmeidigen Übergang hin, aber ich will nicht unerwähnt lassen, dass ich auf eine andere Art ein wenig mit dem Text gehadert habe. Ich empfand ihn nämlich immer wieder sehr ... hm, also die Sprache erschien mir oftmals sehr bedeutungsschwer, falls das das richtige Wort ist, aber auf eine schon überspitzte Art. Besonders in Kombination mit diesem Mafia(?)-Setting mit seinen harten Schlägertypen und verrauchten Spelunken bekommen Sätze wie "Der Junge glaubt, er könnte die Regeln brechen, doch am Ende brechen sie dich" schnell so einen Touch von ... drüber.
Hier liegt der Hund begraben. Die Geschichte bedarf einen ganz anderen Anstrich. Ein, zwei dieser bedeutungsschweren Sätze wären okay, gefühlt jagt jedoch einer den nächsten. Und nicht allein, dass das nicht zum Setting passt (kann man ja machen, muss ja nicht immer genrekonform sein), die schwülstige Sprache schluckt die Hinweise. Bilder, die physikalischer oder sprachlicher Mumpitz sind, finde ich okay. Nur untergraben sie im vorliegenden Text die Ungereimtheiten, da sich der Leser (unterbewusst) denkt, na ja, da stimmt was nicht, aber is halt n weiteres schräges Bild. Keine Ahnung, ob du mir folgen kannst, besser kriege ichs gerade nicht formuliert.

Wie auch immer - danke fürs Teilen, bin gespannt, ob und wie es weitergeht!
Sollte ich die Energie dazu aufbringen (was ich hoffe), das Ding komplett neu aufzurollen, lasse ich es dich wissen. Aber du kennst das sicher: Einen Text grundlegend über den Haufen zu schmeißen ist nicht leicht. Denn mit ein paar Ergänzungen und Anpassungen ist dem Text nicht geholfen.

Danke dir nochmal fürs Lesen und Kommentieren!

Gruß,
Sammis

 

Hallo @Hirschkäfer!

Es freut mich, dass dir der Text gefallen hat. Ein klein wenig ist die Freude jedoch getrübt, da mir der Text nicht mehr zusagt. Wenn du möchtest, kannst du @Bas Kommentar und meine Antwort darauf lesen.

Die Sonne streifte den Horizont, warf lange Schatten über den Boden, die nach ihm grabschten. Versonnen blies er den Dampf von der Tasse, nippte von dem Tee, schmeckte die vertraute Bitterkeit.
Auch wenn es nicht die gleiche Bedeutung hat, ist mir die Wortlaut-Dopplung aufgefallen.
Ja, bin auch kein Freund von Wiederholungen. gedankenverloren

Vince stieß die Tür auf, der Geruch einer längst vergangen geglaubten Zeit schlug ihm entgegen.
Ich ahne, wie du das meinst. Zu Vince generellen Gedanken und seiner Stimmung passt es auch irgendwie. Aber ich bekomme das Bild nicht ausradiert bei dem Satz, dass er als Schatzsucher eine alte Gruft öffnet. Weißt du was ich meine? :p
Absolut. Wie in der Antwort auf @Bas geschrieben, muss da ordentlich ausgemistet werden!

:p
„Du bist nicht länger der, der die Zügel in Händen hält.“
Da fehlt ein Artikel, vor "Händen".
Das geht auch ohne. Etwas in Händen halten ist gar nicht so außergewöhnlich.

Ich danke dir für die wohlwollenden Worte! Ist doch schön zu hören, dass man das Ding gut lesen kann. Auch wenn ich der beabsichigten Wirkung wegen danebengegriffen habe.

Gruß,
Sammis

 

Hallo @Helenesthe!

Vielen Dank, dass du dich mit dem Text beschäftigt hast! Da ist viel hilfreiches dabei, habe manches davon sogleich eingearbeitet, die Fehler ohnehin korregiert.

Eigentlich wollte ich sagen, dass ich "es" auch nicht verstanden habe. Beim ersten Mal Lesen wusste ich nichts davon und habe es einfach als Geschichte mit unverständlichem Ende gelesen. Beim zweiten Mal, bis hierher zum Kommentar, wusste ich, dass es etwas zu entdecken gibt, das den Schluss erklärt, ohne es aber gefunden zu haben. Was ich bis hierher dachte, nach dem zweiten Lesen: Vince ist längst tot?
Gleich werde ich mal deinen Spoiler lesen.
-------------------------------------------------------------
So. Nein, darauf wäre ich nie gekommen.
Wie oben bereits erwähnt, möchte ich dem Text einen gänzlich neuen Anstrich geben, mit der Hoffnung, dass der Twist dann besser (überhaupt) funktioniert. Dein Kommentar unterstreicht klar, dass die beabsichtigte Wirkung nicht zum Tragen kommt. Dennoch verbuche ich es als kleinen Erfolg, da dir zumindest aufgefallen ist, dass hier etwas nicht stimmt, es etwas zu entdecken gibt.

Nochmals danke für deine Zeit!

Gruß,
Sammis

 

Hallo @Sammis ,

Bevor der Text in der Versenkung verschwindet, liefere ich die Erklärung nach, die ich dir @Kerzenschein bislang vorenthalten habe.

Nun würde mich doch interessieren, ob das im Ansatz funktioniert oder ich vollends danebengegriffen habe?
Ich wollte dir nochmal kurz der Vollständigkeit halber antworten; deine Intention ist tatsächlich komplett an mir vorbeigegangen. Aber du hast ja inzwischen auch schon viele Rückmeldungen bekommen. Habe deinen Text trotzdem gerne gelesen und bin gespannt, wie sich deine Überarbeitung liest, falls du deinen Text nochmal ´durchwurschtelst´:).

Viele Grüße,
Kerzenschein

 

Die Sonne streifte den Horizont, warf lange Schatten über den Boden.

Wer von uns beiden hat denn nun „Glück gehabt“, dass der Text nicht in den unendlichen Weiten des Nichts, oder genauer des Nicht mehr untergegangen ist,

liebe Sammis,

selbst wenn der

… Klang der Zikaden …
entliehen sein könnte - aber warum dürften nicht Anregungen angenommen werden?

Aber sag mal, war ich nicht schon mal Gast bei Dear in einer maffiösen Geschichte? Muss ich mir Sorgen machen, wo Du dich rumtreibst? -

Und das in unserem Alter!

Aber Spaß beiseite, schließlich ist Ernst mein dritter Vorname, und gleich hier geht’s los

Der Wind trug den Klang der Zikaden mit sich, dumpf und fern, wie beiseitegelegte Erinnerungen.
Warum das Komma?
Weg mit ihm! Im Deutschen haben wir genug Striche vom Gedankenstrich bis zum halbgeviert Strich und seinen Brüdern … dass es schon fast ein Greuel ist, auch für einen, der lieber Grafiker geworden wäre ...

Vincenzo wusste, dass sie kommen würde.
Warum Konjunktiv II, wenn a) ein „kommen wird“ ausreicht (entweder kommt wer oder eben nicht) ...

„Setz dich“, sagte er. Keine Aufforderung, eine Einladung, die sie annehmen oder ausschlagen konnte
und doch mehr als eine bloße Aussage ist. Rette das „!“!

Nun aber schien sie angekommen [zu sein].
Mein Deutschlehrer auf der Realschule behauptete immer, nur die Sonne scheine und selbst der Mond habe sich „sein“ Licht nur geliehen –
und er sollte Recht behalten, wie ich während der Lehre zum Chemielaboranten erfahren durfte.
Weiter unten klappts doch
Einen Moment schien der Raum still zu stehen.

„Er hat sich mit diesen Leuten eingelassen. Du weißt schon, die –“ Ihre Stimme brach.
Hm, „ihre“ schlag ich vor – denn ich erkenn keinen Satzanfang, geschweige denn einen möglichen Einbruch der Höflichkeitsform …

„Ich bin raus, Eva“, sagte er und es klang, als wolle er sich selbst überzeugen.
Nee, Konj. II wird nicht mittels der Gegenwart, sondern der Vergangenheit erzeugt
„als wollte“ er sich selbst überzeugen

Und genau deshalb würde er nicht auf ihn hören.
Warum in dieser Aussage im Konjunkt. II „würde“ Zweifel äußern, wenn der mutmaßende Inidikativ „wird“ den gleichen Effekt bewirken ...

Aber das änderte nichts daran, dass er in denselben Abgrund schaut, in den Vince gestürzt war.
schaute

Er würde keine Waffe brauchen. Nicht heute.
Besser Indikativ

Du stirbst für deine Fehler, oder zahlst dafür!
Komma weg!, nutze die reichen Zeichentabellen im Deutschen

„Schau mich an.“
Klingt das nicht nach mehr als einer bloßen Aussage!, muss ja nicht immer gleich wie hier
„Schau mich an!“, befahl Vince.
ausgesprochen werden ...

Es gab keinen einfachen Ausweg, das wusste er. Aber das bedeutete nicht, dass er es nicht erneut versuchen würde.
...
Vincenzo hatte gewusst, dass dieser Moment kommen würde.
Warum das angloamerikanische would reproduzieren. Oder meinstu, in der britischen Hymne „God save the King“ würde die engl. Grammar (… saves …) ausgehebelt?

Hier

Er würde nicht betteln.
Victor hielt inne, sah ihn an, als würde er abwägen, ob es sich lohnte, zuzuhören.
3 x „würde“ wäre Dear dann doch zu viel „würde“ – aber das letzte Komma muss weg. Es zerstört das komplexe Prädikat“ob es sich zuzuhören lohnt...“,

findet der

Friedel

 

Hallo @Friedrichard !

Zu Sammis Verteidigung muss ich gestehen, viele der von dir angemerkten ´würde´ waren vorher drin (siehe mein Kommentar oben). Ich war bisher der Meinung, dass beim Imperfekt der Konjunktiv grammatikalisch richtig ist:confused:. Bisher ist das bei meinen Texten auch immer durchgegangen.

Vincenzo wusste, dass sie kommen würde.
Warum Konjunktiv II, wenn a) ein „kommen wird“ ausreicht (entweder kommt wer oder eben nicht) ...
Wenn ich hier falsch liege, sorry, Sammi, dann musst du zurückkorrigieren:sad:.

Viele Grüße,
Kerzenschein

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo zusammen! @Bas @Hirschkäfer @Helenesthe

Ich habe den Text nun überarbeitet. Er ist rund 750 (teils schwülstige) Worte geschrumpft und die zugrundeliegende Idee hat sich gewandelt, auch wenn sie nun nicht gänzlich anders daherkommt. An dieser Stelle möchte ich euch allen noch einmal für die vielen hilfreichen Kommentare danken! Es würde mich freuen, wenn der ein oder andere nochmals Zeit fände, den Text zu lesen. Bin neugierig, ob es so funktioniert?

würde / wird Ich dachte, ich hätte es gefressen. Dann kamst du, liebe @Kerzenschein, und schon schwankte ich, alle Mühe von Dear @Friedrichard scheint vergebens. Vielleicht (ich hoffe es) sitzt es jetzt.

Mach dir keine Gedanken: Wir kehren doch alle, egal in welchem Alter, immer wieder gern zu unseren Lieblingen zurück, oder? Und auch wenn manchem Autor nachgesagt wird, dass er autobiographisch schreibt, darf ich hier doch passen.

Habe alles, was du angemerkt hast eingearbeitet. Soweit etwas davon übrig blieb.

Herzlichen Dank für deinen Komm @Friedrichard und deine Rückmeldung @Kerzenschein!

Gruß,
Sammis

 

Hallo @Friedrichard !
Zu Sammis Verteidigung muss ich gestehen, viele der von dir angemerkten ´würde´ waren vorher drin (siehe mein Kommentar oben). Ich war bisher der Meinung, dass beim Imperfekt der Konjunktiv grammatikalisch richtig ist:confused:. Bisher ist das bei meinen Texten auch immer durchgegangen.
Vincenzo wusste, dass sie kommen würde.
Warum Konjunktiv II, wenn a) ein „kommen wird“ ausreicht (entweder kommt wer oder eben nicht) ...
Wenn ich hier falsch liege, sorry, Sammi, dann musst du zurückkorrigieren:sad:.

Viele Grüße,
Kerzenschein


@Kerzenschein & @Sammis

Nee, nicht erschrecken, niemand muss auf würde-Konstruktionen verzichten und wer Probleme hat bei der Umlautung und statt zB "käme" lieber "würde kommen" schreibt, soll und kann es tun.
Wir sind doch hier nicht unter der Aufsicht von Mandarinen zu Peking ... selbst wenn die Umlautung eleganter ist als eine würde-Flut ...

würd, nee, will ich mal sagen.

Tschüss und auf den Schreck gibt's gleich 'n Einbecker ...

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Sammis ,


ich habe die Geschichte jetzt nochmal gelesen und in meinen Augen hat sie durch die Überarbeitung sehr gewonnen. Zwar wusste ich ja jetzt, worum es dir ging, bin vielleicht ein wenig befangen, aber habe versucht, es möglichst neuleserisch anzugehen.

Junge Männer, die sich behaupten wollen.
wollten
Seine Stimme war ruhig, ohne Vorwurf.
Sie drehte sich zu ihm, ihre Augen glänzten. Aber sie weinte nicht. Eva weinte nie. Sie war stark. Stärker als die meisten Frauen, die Vince kennengelernt hatte.
Das ist in der neuen Version mein liebstes Detail, glaube ich, weil es sehr subtil unterstreicht, dass etwas seltsam ist. In der jetzigen Version weint sie ja ganz konkret, bei ihm auf der Veranda auch.
„Was willst du von mir, Eva?“ Seine Stimme war ruhig, ohne Vorwurf.
Sie drehte sich zu ihm, ihre Augen glänzten. Aber sie weinte nicht. Eva weinte nie. Sie war stark. Stärker als die meisten Frauen, die Vince kennengelernt hatte. Vielleicht war das der Grund, warum er sich einst in sie verliebt hatte.
„Was meinst du, Vincenzo? Ist dir nicht gut?“
Ich überlege, ob ich es bei "Was meinst du, Vincenzo?" belassen würde. Der Leser weiß ja noch nicht, dass sich die Anzeichen häufen werden, was aber dazu geführt hat, dass ich das "Ist dir nicht gut?" vielleicht rauslassen oder ersetzen würde: "Seine Stimme ist ruhig, ohne Vorwurf." Das ergibt für mich nicht die Situation, in der sie fragen würde, ob ihm nicht gut ist.
Eva nickte, aber ihre Augen sagten etwas anderes. Sie rückte etwas näher, strich ihm übers Haar.
Das finde ich als Hinweis schon tauglich, zwar nicht explizit auf eine Demenz, aber die Geste unterstreicht doch sehr die fürsorgliche Haltung, die sie hat.
Er stand auf, trat an das Ende der Veranda und sah hinaus. Farblos hing die Welt vor ihm in den Seilen, hatte ihren Glanz verloren. „Ich werde mit ihm reden“, sagte er. Kein Versprechen, keine großen Worte. Nur das Nötigste.

„Mit wem, Vincenzo? Mit wem möchtest du sprechen?“ Eva nahm ihm die Tasse aus der Hand, legte ihm ein Kissen in den Nacken.
Er steht noch, oder?
Der neue Hinweis funktioniert für mein Dafürhalten auch recht gut, immerhin erzeugt er
ein Rauschen und Knistern und Knacken mitten im Bilderstrom, wie eine Störung. Das passt m.E. ganz gut.
Dasselbe Leuchten, das auch er gehabt hatte, dass ihm jetzt Tränen in die Augen trieb.
das
„Warum weinst du, Vincenzo? Möchtest du–“(,) Eva hielt ihm die Tasse mit dem Tee an die Lippen. (")Hast du Durst?“
Das ganz Unvermittelte mittendrin kann man mal versuchen, ich finde den Effekt wie oben beschrieben ganz interessant.
Vincenzo hob den Kopf, fixierte die Augen des Kerls. Der Tätowierte lehnte sich vor, die Augen zu Schlitzen verengt.
Würde wegen der Augen-Dopplung etwa "(...) fixierte den Kerl" schreiben.
Eine erste Träne lief über Evas Wange. „Schon gut“, sagte sie und strich ihrem Mann über den Arm.
Den Satz würde ich mit "'Schon gut', sagte sie" beenden, ist in meinen Augen stärker.
Das dumpfe Summen der Neonlichter über ihm vermischte sich mit dem Gebrüll der Zikaden und den Geräuschen der Stadt.
"Gebrüll der Zikaden" geht immer noch schwer runter, ich würde einfach "Lärm" schreiben.
„Ich mache keine Deals!“ Er spuckte Victor Blut ins Gesicht.
Das funktioniert nicht. Victor sitzt schon im Auto und Vincenzo liegt immer noch am Boden!
Victors Blick veränderte sich. Nur ein Zucken, fast nicht zu bemerken. Aber Vincenzo sah es. Dann der Knall. Vincenzo roch das Schießpulver, wartete auf den Schmerz.
Victor hatte genug. Er drehte sich um, strich seine Jacke glatt und steckte den Revolver weg. Die Autotür fiel ins Schloss und der Wagen rollte davon.
„Leo“, sagte Vincenzo. Er mühte sich hoch zu kommen und sah sich um. „Leo!“, schrie er und den Rest der Welt fraß die Nacht.
Das Ende finde ich besser gelöst als das vorherige. Man muss die Hinweise im Text aber schon zu nehmen wissen, hier ist ja einer der Wenigen, die nicht mit Eva in Verbindung stehen. Manche, die schon vorher im Text waren, bringe ich nicht mit Demenz in Verbindung. Auch nach der Überarbeitung: dass es um Demenz geht, wird wenigstens mir nicht einwandfrei klar, aber die Traum- und Bildsequenzen, die einen wahrscheinlich darauf bringen können, kommen besser zur Geltung als in der Vorversion. Die Straffung hat ihr in meinen Augen auch gutgetan.

Viele Grüße,
Helen

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Helenesthe!

Vielen Dank, dass du nochmal vorbeigeschaut hast!
Es freut mich zu hören, dass die Anpassungen den Text nun besser funktionieren lassen.

Junge Männer, die sich behaupten wollen.
wollten
Ich glaube mich zu erinnern, dass du das schon einmal angemerkt hast. Aber ist das so? Der Satz beschreibt nichts Vergangenes, er zeigt seine Meinung, die für ihn eine immer geltende Tatsache ist, also auch Zukünftiges miteinschließt.

„Was willst du von mir, Eva?“ Seine Stimme war ruhig, ohne Vorwurf.
Sie drehte sich zu ihm, ihre Augen glänzten. Aber sie weinte nicht. Eva weinte nie. Sie war stark. Stärker als die meisten Frauen, die Vince kennengelernt hatte. Vielleicht war das der Grund, warum er sich einst in sie verliebt hatte.
„Was meinst du, Vincenzo? Ist dir nicht gut?“
Ich überlege, ob ich es bei "Was meinst du, Vincenzo?" belassen würde. Der Leser weiß ja noch nicht, dass sich die Anzeichen häufen werden, was aber dazu geführt hat, dass ich das "Ist dir nicht gut?" vielleicht rauslassen oder ersetzen würde: "Seine Stimme ist ruhig, ohne Vorwurf." Das ergibt für mich nicht die Situation, in der sie fragen würde, ob ihm nicht gut ist.
Ich stelle mir ihr Frage Ist dir nicht gut? als ein etwas hilflose Reaktion auf seine vor. Ich meine, sie sitzt neben ihm und sorgt für ihn und er fragt unvermittelt: Was willst du von mir?
Aber ich stimme dir zu, Seine Stimme war ruhig, ohne Vorwurf. ist hierbei nicht hilfreich.

Vincenzo hob den Kopf, fixierte die Augen des Kerls. Der Tätowierte lehnte sich vor, die Augen zu Schlitzen verengt.
Würde wegen der Augen-Dopplung etwa "(...) fixierte den Kerl" schreiben.
Ja! Und das war auch schon draußen: Blick anstatt Augen. Nur das Schreiben und Überarbeiten in unterschiedlichen Versionen (Textdateien) hat seine Tücken.

Eine erste Träne lief über Evas Wange. „Schon gut“, sagte sie und strich ihrem Mann über den Arm.
Den Satz würde ich mit "'Schon gut', sagte sie" beenden, ist in meinen Augen stärker.
Stimme dir zu und hadere dennoch, weil hier erstmals erwähnt wird, dass er ihr Mann ist.

Das dumpfe Summen der Neonlichter über ihm vermischte sich mit dem Gebrüll der Zikaden und den Geräuschen der Stadt.
"Gebrüll der Zikaden" geht immer noch schwer runter, ich würde einfach "Lärm" schreiben.
Ja. Ich rudere zurück. Wollte den Lärm noch steigern. Aber nein, Lärm genügt.

„Ich mache keine Deals!“ Er spuckte Victor Blut ins Gesicht.
Das funktioniert nicht. Victor sitzt schon im Auto und Vincenzo liegt immer noch am Boden!
Da ist dir ein Satz abhanden gekommen: Dann kam er zurück, sein Schatten fiel auf Vincenzo.

Das Ende finde ich besser gelöst als das vorherige. Man muss die Hinweise im Text aber schon zu nehmen wissen, hier ist ja einer der Wenigen, die nicht mit Eva in Verbindung stehen. Manche, die schon vorher im Text waren, bringe ich nicht mit Demenz in Verbindung. Auch nach der Überarbeitung: dass es um Demenz geht, wird wenigstens mir nicht einwandfrei klar, aber die Traum- und Bildsequenzen, die einen wahrscheinlich darauf bringen können, kommen besser zur Geltung als in der Vorversion. Die Straffung hat ihr in meinen Augen auch gutgetan.
Zumindest wird nun deutlicher, dass mit Vincenzo etwas nicht stimmt. Ich glaube, nun lässt sich herauslesen oder zumindest erahnen, dass er ein gebrochener, verwirrter Mann ist, der eher in Erinnerungen schwelgt (gefangen ist), als dass er die beschriebenen Geschehnisse tatsächlich erlebt. Der Leser muss dabei nicht zwangsläufig an Demenz denken. Obgleich das schon naheliegt.

Ich freue mich jedenfalls, dass meine Idee nun eher zum Tragen kommt.
Danke nochmal für deine Zeit und die erneut hilfreichen Gedanken!

Gruß,
Sammis

 

Hallo @Sammis ,

Ich glaube mich zu erinnern, dass du das schon einmal angemerkt hast. Aber ist das so? Der Satz beschreibt nichts Vergangenes, er zeigt seine Meinung, die für ihn eine immer geltende Tatsache ist, also auch Zukünftiges miteinschließt.
Ich glaube, ich habe es nicht so gelesen, dass es eine "immerwährende Tatsache" stellt, sondern nur im Bezug auf den Kotext. Grammatisch ist es meines Wissens nicht falsch zumindest.
Ich stelle mir ihr Frage Ist dir nicht gut? als ein etwas hilflose Reaktion auf seine vor. Ich meine, sie sitzt neben ihm und sorgt für ihn und er fragt unvermittelt: Was willst du von mir?
Als etwas hilflose Reaktion kann ich es mir vorstellen. Vielleicht denke ich mir Eva/seine Mutter als zu routiniert, als dass sie so ein Moment aus der Fassung bringen könnte, er ist bestimmt schon eine ganze Weile dement.
Ja! Und das war auch schon draußen: Blick anstatt Augen. Nur das Schreiben und Überarbeiten in unterschiedlichen Versionen (Textdateien) hat seine Tücken.
Ich habe sowas heute auch in meinem eigenen Text angemerkt bekommen! :)
Stimme dir zu und hadere dennoch, weil hier erstmals erwähnt wird, dass er ihr Mann ist.
Er ist ihr Mann in seiner Wunschvorstellung? Es wird als Realität dargestellt, aber pflegt ihn nicht seine Mutter und die Liebe zu Eva war unerfüllt? Ist vielleicht in der neuen Version anders geworden, ich habe das auch aus der Erinnerung an die Vorversion gespeist.
Da ist dir ein Satz abhanden gekommen: Dann kam er zurück, sein Schatten fiel auf Vincenzo.
Ja, er ist mir zwischenzeitlich abhanden gekommen! Mea culpa.
Zumindest wird nun deutlicher, dass mit Vincenzo etwas nicht stimmt. Ich glaube, nun lässt sich herauslesen oder zumindest erahnen, dass er ein gebrochener, verwirrter Mann ist, der eher in Erinnerungen schwelgt (gefangen ist)
"verwirrt" würde in meiner Vorstellung auch reichen, ohne dass es eine lupenreine Demenz sein muss. :cool: Aber vielleicht kommt gleich der nächste Leser und schreibt, "Na klar, ist doch eine Demenz!"

Viele Grüße,
Helen

 

Hallo zusammen!

Da der Text ein Update erhalten hat, folgt hier das des Spoilers:

In der jetzigen Fassung ist Vince Vince und niemand sonst. Er ist ein verwirrter Mann, sitzt auf seiner Terrasse und durchlebt Erinnerungen. Seine Frau Eva ist bei ihm, sorgt für ihn. Vor langer Zeit (noch nicht verheiratet) bat sie Vince, sich um ihren Sohn Leo zu kümmern, der auf die schiefe Bahn geraten war. Vince kümmerte sich darum, aber die Sache ging nicht gut, Leo wurde getötet.
Jetzt, da Vince ein alter Mann ist, der nicht mehr klar denken kann, lässt ihn dieser Vorfall nicht in Ruhe. Er durchlebt die Szene immer wieder, versteht nicht, dass das lange zurück liegt, Eva ihm deswegen keine Vorwürfe macht und längst seine Frau geworden ist.

Gruß,
Sammis

 

Hallo @Sammis

Ich les das Teil jetzt zum dritten Mal. Nicht falsch verstehen, habe die ersten beiden Male nicht abgebrochen, sondern schon auch ganz gelesen. Wollte jetzt einfach mal sehen, was Du draus gemacht hast. Denn aus deiner Erklärung bin ich nicht schlau geworden. Ich habe da keine Demenz herausgelesen, höchstens eine multiple Persönlichkeitsstörung. Auch sonst habe ich vieles nicht so verstanden, wie Du es intendiert hattest. Vincenzo DiLuca: Ist das ein Künstlername, Kosename o.ä.? Ansonsten wäre die Schreibweise doch: Vincenzo di Luca. Ich habe in einem angefangenen, aber nie zu Ende formulierten Kommentar geschrieben, der Name liest sich sehr klischeehaft. Klar, ich denke sofort an Mafia. Der Name ist wohlklingend. Eigentlich gefällt er mir sogar sehr gut. Ist halt so eine Gratwanderung. Im Text ist Dir diese Gratwanderung für mein Empfinden nicht immer gelungen, unten mehr dazu. Auch bezüglich der Charaktere, ich wollte schreiben: Das sind alles Abziehbilder aus irgendwelchen Mafiafilmen, die haben zu wenig Eigenständigkeit. Aber wer weiss, vielleicht hast Du ja auch da das ein oder andere geschliffen? Ich glaube es zumindest. Noch kurz was zum Titel: Das ist ja der Name dieses Lokals. Ein Wunder, trägt es keinen italienischen Namen :D Beziehe ich den auf Vincenzo, gefällt er mit gut, Vince ist gebrochen, nur noch ein Schatten seiner Selbst.

Aber genug davon, auf zur neuen Version. Wie immer schreibe ich mit, was mir ein- bzw. auffällt. Nimm Dir mit, was Dir gebräuchlich erscheint, sind alles nur Vorschläge. Und ja, es ist ein wenig kleinteilig geworden. Sag, wenn das nervt. Vielleicht lege ich manches Wort oder manchen Satz zu sehr auf die Goldwaage.

[EDIT]: Mein Beitrag ist jetzt etwas kritischer geworden, als eingangs beabsichtigt, aber trotz allem habe ich deinen Text gerne gelesen, mich gerne mit ihm befasst, sonst hätte ich ja den Kommentar nicht (doch noch) geschrieben und schon gar nicht dreimal gelesen (Mist, jetzt klingt das wie eine Warnung :D).

Gedankenverloren blies er den Dampf von der Tasse, nippte von dem Tee.
'von dem' würde ich verkürzen zu 'vom', liest sich für mich dann einfach geschmeidiger.

Leise, schüchtern, wie jemand, der nach Jahren des Schweigens wieder Worte finden muss.
Sie betritt die Veranda. Leise, okay, ja. 'schüchtern' ist beschreibend, wieso nicht zeigen? Wie kann man eine Veranda schüchtern betreten, habe ich mich gefragt. Und wie jemand, der nach Jahren des Schweigens wieder Worte finden muss: Sagt sie denn irgendwas bzw. wie wird denn erkennbar, dass sie um Worte ringt? Kurz gesagt: Ich finde, das ginge anschaulicher. Auch hier:
Vince sah ihr an, dass sie etwas sagen wollte, aber es kam nichts.
Das ist ausserdem gedoppelt ('wie jemand, der nach Jahren des Schweigens wieder Worte finden muss'), finde ich.

Er hatte den Dodge auf dem Parkplatz bei der Tankstelle gesehen, die rostigen Stellen, wie vertraute Flecken auf einem alten Bild.
Hier würde sich für mich anbieten, das etwas konkreter zu machen. Mir gefällt die Stelle gut, die rostigen Stellen verglichen mit den Flecken auf einem alten Bild. Gerade bei diesen Flecken würde ich aber etwas tiefer in die Wörterwunderkiste greifen: Stockflecken, Altersflecken, Patina. Alles Synonyme für Flecken auf einem alten Bild. Wenn Du bspw. Altersflecken nehmen würdest, könntest Du auch gleich weglassen, dass das Bild alt ist, weil das Wort dies impliziert. Natürlich nur ein Vorschlag. Für mich würde die Geschichte dadurch an solchen Stellen lebendiger, fantasievoller, abwechslungsreicher.

Vincenzo spürte, wie alles zurückkam, schwer wie Beton.
Einerseits finde ich das ganz cool, schwer wie Beton, wegen der Mafiathematik. Andererseits liest es sich auch ein wenig ausgelutscht (nicht unbedingt wegen des Betons, aber halt der Vergleich an sich mit etwas Schwerem auf Gedanken oder die Vergangenheit bezogen), diese schweren Erinnerungen muss ja der Text aus sich heraus liefern (tut er bis hierhin auch gut, ich bemerke sofort Vincenzos getrübtes und geplagtes Gemüt), dass ich mir das selber denke. Ich glaube, ich würde es streichen.

Farblos hing die Welt vor ihm in den Seilen, hatte ihren Glanz verloren.
Hier: Farblos / ihren Glanz verloren. Ist dasselbe. Ich würde den Satz allgemein umformulieren, denn auch 'die Welt hing vor ihm in den Seilen' finde ich nicht wirklich zutreffend bzw. schwer vorstellbar ('in den Seilen hängen' kenne ich nur auf Menschen bezogen, aber vielleicht bin das nur ich).

„Ich werde mit ihm reden“, sagte er. Kein Versprechen, keine großen Worte. Nur das Nötigste.
Dasselbe: Keine grossen Worte / Nur das Nötigste. Ich würde mich für eines entscheiden und das andere killen. Dass es keine grossen Worte sind, wird aus dem was er sagt, klar. Also bspw: Kein Versprechen, nur das Nötigste.

Früher hatte er viel Zeit dort zugebracht.
'zugebracht' liest sich für mich zu gehoben im Kontext der Geschichte. Auch wenn hier der Erzähler 'spricht', ich würde das trotzdem den Charakteren angleichen, die sind doch ziemlich einfach gestrickt (das meine ich jetzt nicht negativ, diese Mafiaschläger oder -killer schätze ich jedenfalls so ein). Also vielleicht: Früher hatte er viel Zeit dort verbracht.

Die Art Ort, wo die Luft nach abgestandenem Rauch, verschüttetem Bier und Ärger roch.
Ein Ort, wo die Luft [...] würde ausreichen, eine Art Ort liest sich verquer, finde ich.

Drinnen blieb er vor dem Spiegel im Flur stehen.
Vor dem Spiegel im Flur blieb er stehen. Es wird zuvor bereits erwähnt, dass er ins Haus geht, also ist 'drinnen' redundant.

Eva, warum hört sie nie zu?
Warum hört mir Eva nie zu? fände ich treffender als Gedankengang.

„Ist dir kalt, Vincenzo? Möchtest du reingehen?“
Jetzt machst Du es aber zu offensichtlich, wie es um Vince steht, sorry. Er ist gerade eben erst rein und jetzt fragt ihn Eva, ob er ins Haus will. Ich würde das hier vielleicht streichen.

Ein heruntergekommener Laden an einer Ecke der Stadt, wo die Zeit stehen geblieben war. Die Neonreklame über dem Eingang zuckte wie ein sterbendes Tier.
'Heruntergekommen', 'die Zeit stehen geblieben', auch das, zeige es doch, der zweite Satz ist dagegen super, da kriege ich direkt ein Bild und dass der Laden heruntergekommen ist, schwingt da direkt mit. Das vorher will dieses Bild irgendwie vorbereiten, nimmt ihm aber dadurch Stärke und Aussagekraft.

Vince stieß die Tür auf, der Geruch einer längst vergangen geglaubten Zeit schlug ihm entgegen.
Konkretisieren: Nach was riecht es dort genau? Nach Alter? Nach Schweiss, nach verschüttetem Bier, schalem Zigarettenrauch? Solche Dinge lesen sich für mich wie Platzhalter, man soll sich da selbst was vorstellen, aber auf mich wirkt es einfach, als wäre dem Autoren etwas die Fantasie verlorengegangen. Versteht Du, was ich meine? Vielleicht sehe ich das auch zu eng. Bei den folgenden Stellen wir dies noch offensichtlicher:
Es war immer dasselbe. Junge Männer, die sich behaupten wollten.
Wo jeder, der sich dort aufhielt, wusste, dass es bessere Plätze gab, nur nicht für Männer wie sie.
An den Tischen saßen die gleichen Gestalten: Männer mit geborgten Träumen und Frauen, die zu viele leere Versprechungen gehört hatten. Kein Ort für ihn, kein Ort für den Jungen.
Laut, lachend, als wären sie unzerstörbar. Vincenzo erkannte das Leuchten in ihren Augen. Dasselbe Leuchten, das auch er gehabt hatte
Alles Platzhalter, um irgendwie diese Stimmung zu etablieren, aber es wirkt nicht richtig echt, dieses Gefühl wird nur umschrieben und nicht wirklich greifbar. Würde ich mir überlegen: Rausnehmen oder vertiefen. Ich glaube, Du hast da schon was dran gemacht oder zumindest umgestellt, in vorherigen Versionen des Textes ist mir das noch stärker aufgefallen.

Vincenzo bewegte sich durch den Raum, als wäre er nicht vor Ort. Ruhig und unauffällig. Er war nicht hier, um Lärm zu machen. Er wollte reden. Zumindest jetzt noch.
Letzten Satz würde ich killen. Zerstört für mich den Rhythmus, ausserdem nimmt er vorneweg, was später geschieht oder geschehen könnte. Würde ich mehr in der Schwebe halten. Den ersten Satz braucht es nicht, lass ihn doch einfach ruhig und unauffällig durch das Lokal gehen, denn zuvor sitzt er ja noch auf der Veranda und gleich danach ist es sowieso völlig obvious:
„Warum weinst du, Vincenzo? Möchtest du–“, Eva hielt ihm die Tasse mit dem Tee an die Lippen, „hast du Durst?“
Ich verstehe, Du willst es dem Leser einfacher machen, Vince' Zustand zu verstehen, die Geschehnisse innerhalb des Textes besser nachvollziehen zu können, aber für mich bist Du da übers Ziel hinausgeschossen, es ist nun viel zu klar, dass sich alles nur in seinem Kopf abspielt ... Finde ich wirklich blöd, Dir so ein Feedback geben zu müssen, weil es bestimmt einiges an Arbeit gekostet hat, den Text dahingehend umzubügeln. Aber eben ... ich finde es irgendwie schade, ist jetzt alles so offensichtlich. Da ist Dir jetzt leider 'das Geheimnis des Textes' flöten gegangen (später im Text wird es ja noch viel offensichtlicher).

Leo war ein schlaksiger Kerl. Jung und unsicher. Die Zigarette in seiner Hand wirkte fehl am Platz. Ein Requisit, mit dem er nicht umzugehen wusste.
Leo war ein schlaksiger, junger Kerl. Seine Unsicherheit zeigst Du danach schön in und zwischen den Dialogen, es könnte hier also gestrichen werden (nichts vorwegnehmen!). Das mit dem Requisit: Das ist doch irgendwie Theater- oder Filmsprache? Passt das zum Erzähler und zum Erzählten? Bin ich mir unsicher. Ausserdem: Wenn Leo nicht weiss, wie mit der Zigarette umgehen, was macht der dann damit? Dilettantisch dran ziehen, nicht auf Lunge? Hält er sie einfach rauchend in der Hand? Ich weiss nicht, wirkt deplatziert, drüber auf mich.

Leo wirkte überrascht, aber er sagte nichts.
„Wir müssen reden“, sagte Vincenzo an den Jungen gewandt.
Leerschlag nach dem Punkt.

„Ich bin beschäftigt“, meinte er mit einem Lächeln, das zu breit war, um echt zu sein.
Wäre für mich auch ohne die Erklärung naheliegend.

Aber sie sahen nur die Jahre, die sich in Vince's Gesicht gegraben hatten, nicht das, was darunter lag.
Gefällt mir sehr!

Der tätowierte Mann stand auf, das Messer halb gezogen.
Ein halb gezogenes Messer? Bestenfalls unpräzise. Wo ist das Messer? Steckt es noch und er hat die Hand auf den Griff gelegt oder sowas? Ich würde das etwas genauer machen.

Er grinste, aber seine Augen verrieten ihn.
Hundertfach hatte Vince diesen Blick gesehen, bei Männern, die sich für unantastbar hielten.
Ich finde, der Text spielt natürlich mit solchen Klischees, wegen des Mafiasettings ist das vielleicht naheliegend und es stört mich auch nicht sehr, aber solche Stellen schiessen dann doch den Vogel etwas ab.

Seine Hand blitzte über den Tisch, packte den Arm des Kerls mit Präzision und Kraft, die sein Alter Lügen straften.
Die Hand blitzte über den Tisch. Nein, oder? Eine Messerklinge blitzt. Aber keine Hand. Sie schnellte über den Tisch o.ä.?

Er drehte das Handgelenk des Mannes, zwang ihn, das Messer fallen zu lassen.
Er hat das Messer also doch gezogen, nicht nur halb? ;-)

Der dumpfe Aufprall hallte durch den Raum.
Kann ich mir nicht recht vorstellen, dass dieser Aufprall auf die Tischplatte in einem relativ gut besuchten Lokal hallt. Da stehen ja auch noch Möbel, Tische etc. Je leerer ein Raum, desto hallender, klar. Für mich passt das Hallen hier nicht. Würde den Aufprall irgendwie anders bringen, den mit was Anderem verknüpfen.

In seinen Augen stand Hass, aber auch Angst.
Du machst sehr viel über die Augen, ja, sind das Fenster zur Seele, wie man so schön sagt, aber ich finde das langsam ein wenig übertrieben und es nutzt sich ab.

„Wer hat hier das Sagen?“, fragte er an unbestimmte Adresse. „Victor?“, schob er nach und mehrere Köpfe nickten.
Könnte man löschen. Es wird klar, dass er die Frage in den Raum stellt, weil danach mehrere Köpfe nicken. Hier fällt mir etwas auf, was ich schon vorher anmerken wollte: Manchmal ist der Text so formuliert, als hätten gewissen Gliedmassen ein Eigenleben entwickelt. Die Hand, die über den Tisch schnellt, hier die Köpfe, die nicken. Klar, ich verstehe durchaus, wie's gemeint ist und vielleicht ist das auch etwas dieser Mafiasprache (die über weite Stellen gut passt) geschuldet? Hat mich jetzt nicht irritiert oder so, ist mir nur aufgefallen.

Gierig sog er die frische Nachtluft in seine Lungen.
Das Adjektiv 'gierig' verleiht der Stelle einen klamaukigen, überspitzten Touch. Vielleicht könntest Du ihn einfach die frische Nachtluft einatmen lassen? Geschmackssache, wie eigentlich alles, was ich aufschreibe, schon klar :-)

Leo stand an der Wand gegenüber, die Hände in den Taschen seiner Lederjacke vergraben.
Etwas kürzer ... (?)

Der Schein der Straßenlaterne offenbarte die Verletzlichkeit auf dem jugendlichen Gesicht.
Mmmh, scheint mir wieder etwas der Klischeealarm zu klingeln. Wie zeigt sich denn Verletzlichkeit auf einem jugendlichen Gesicht? Kann mir das schon vorstellen, aber es ist so ein beliebiges Bild, wie genau zeigt sich das auf Leos Gesicht, das wäre spannender.

„Ich“, begann er, „ich kann das händeln, Vince.
'händeln' habe ich in dieser Form jetzt tatsächlich zum ersten Mal gelesen. Ist es das eingedeutschte to handle something? Finde, passt gut.

„Junge, das ist so viel wert wie der Dreck unter meinen Schuhen!“
Das ist ja nicht gerade viel :D Hätte deshalb geschrieben: Junge, das ist so wenig wert wie der Dreck unter meinen Schuhen! (das 'viel' könnte auch implizieren, dass Vince zu Victor trotzdem irgendwie aufsieht oder aufgesehen hat, weiss aber nicht, ob das gewollt ist)

Leo sah Vincenzo an, die Unsicherheit wich einem Hauch von Trotz.
Auch hier: Viel kann ich mir nicht vorstellen, das ist vage. Okay, der Erzähler kennt Leo, ich als Leser weiss aber noch nicht viel über ihn. Es könnte folglich (fast) alles bedeuten.

„Die Regeln ändern sich nicht! Bleiben immer die selben. Du stirbst für deine Fehler oder zahlst dafür! Was glaubst du, was Victor von dir will? Respekt? Du bist Mittel zum Zweck, weiter nichts!
Vince ist zu übererklärend hier. Würde bisschen aussieben. Klingt sonst zu stark an den Leser gerichtet. Leo ist neu im Game, aber bisschen was wird er bestimmt verstanden haben, dass Vince nicht so altväterlich mit ihm umgehen muss.

Leo wich zurück, das kurze Aufbegehren in seinem Gesicht zerfiel.
Ja, Du versuchst sehr viel über die Mimik zu machen. Aber wie schon weiter oben geschrieben, für mich funzt das nicht recht, weil die Beschreibungen nicht aussagekräftig genug sind. Ich würde das reduzieren, solche Sachen direkter anhand der Reaktionen aufeinander zeigen, der Dialoge bspw.

„Schau mich an!“, befahl Vince. „Sehe ich aus, als wäre ich da gut rausgekommen?“
Sowas hier finde ich super, weil es die Fantasie anregt, es wirkt natürlich in den Dialog eingebettet und ich kann mir Vince gezeichnetes Äusseres selbst vorstellen. Ich brauche hier keine genaue Beschreibung, vom Erzähler selbst erwarte ich aber stellenweise etwas mehr Präzision, wie schon oben geschrieben.

Leo machte einen Schritt zurück, Schweiß perlte auf seiner Stirn, während sich die Tür des Wagens öffnete.
Leo stand an der Wand, Vince ist ihm auf die Pelle gerückt. Für mich stand Leo gegen die Wand gedrängt, wie kann er da einen Schritt zurück machen? Habe ich was verpasst?

Victor stieg aus, groß, gut gekleidet, mit der Arroganz eines Mannes, der weiß, dass er die Macht in Händen hält.
Gut gekleidet, ja, was sonst. Da müssen keine Markenklamotten beschrieben werden, aber etwas konrekter fänd ich's schöner, dass ich mir selbst denke 'Ok, der Typ lebt nach dem Motto: Kleider machen Leute'.

Sein Gesicht war makellos, das perfekte Lächeln ohne Wärme.
„Vincenzo DiLuca!“
Leerschlag nach dem Punkt.

„Dieser Junge hier –, er hat großes Potenzial, verstehst du? Er ist klug, hat gute Instinkte. Genau das, was diese Stadt braucht.“
Dieses 'verstehst du' würde ich streichen, es fällt mir manchmal auch in anderen Texten auf, aber auf mich wirkt das dann so, als spräche da einer mit einem Grenzdebilen.

„Er ist nur ein Junge“, sagte er. „Und Jungs wie er haben in diesem Spiel keine Zukunft.“
Darauf wurde reichlich herumgetreten, diesen Umstand hat mir der Text bereits regelrecht eingehämmert. Würde es streichen. Victor weiss eh Bescheid, der braucht da keine Erklärung. Dass Leo nur ein Junge ist, sagt doch alles. Der Dialog danach geht dann nicht mehr ganz auf, aber gibt bestimmt eine Lösung dafür :-)

Es entstand eine Stille, die durch das Brummen der Straßenlaterne verstärkt wurde.
Gefällt mir. An solchen Stellen hast Du's drauf, finde ich. Das ist sehr atmosphärisch.

Vincenzo wusste, dass sich die Unterhaltung ihrem Kern näherte. Victor testete ihn aus, wollte wissen, ob er bereit war, nachzugeben, sich dem neuen Gefüge unterzuordnen?
Nein, das soll ich als Leser doch bitte selbst bemerken.

Kein Bitten, keine Frage, eine Feststellung.
So oder so ähnlich wird das bereits im Broken Shadow beschrieben, als Vince Leo anspricht und auf den Putz haut. Das ist eine Behauptung, der Text will damit Vince' Charakter untermalen, aber ich erachte es in der Form als ein wenig plump. Oder ist es deshalb so geschrieben, weil Vince sich das alles nur vorstellt und es entsprechend überhöht?

„Wir können einen Deal aushandeln, sicher. Aber den Jungen einfach so gehen lassen? Das wäre schlecht fürs Geschäft.“
Vielleicht verkürzen: Wir können einen Deal aushandeln, sicher. Der Dialog im Zitat ist viel zu erklärend. Allgemein klingen die Charaktere etwas wie Abziehbilder, nicht recht glaubhaft bei ihrem Background. Ein Beispiel an dieser Stelle: Alte Hasen müssen sich doch nicht gegenseitig das Geschäft erklären. Was sie wirklich denken, das sollten sie irgendwo zwischen den Zeilen mitteilen.

„Ich respektiere dich, Vince. Jeder hier weiß, wer du bist. Aber Respekt ist keine Währung, mit der man in diesem Geschäft bezahlt.“
Vielleicht verstehe ich zu wenig von Mafiadingen, aber ich dachte, genau das -- Respekt -- wäre sozusagen der Kernpunkt des Geschäfts, genau darum ginge es den Herren Mafiosi?!

Er hielt inne, sah Vincenzo in die Augen, und in diesem Moment war der Respekt nur Fassade.
Wieder das mit den Augen ...

Er dachte, er wäre vorbereitet, aber der erste Schlag traf ihn im Nacken, ehe er agieren konnte.
Reagieren? 'Agieren' ist mir wiederum etwas zu gehoben für den Erzähler.

„Das ist jetzt ein anderes Spiel, Vince“, flüsterte er. „Du bist nicht länger der, der die Zügel in Händen hält.“
Seine erste Aussage macht doch alles klar!

Leo stand starr vor Schock daneben.
Könnte man eventuell kürzen, weil eigentlich logo.

„Du hattest deine Chance, Vince!“, rief Victor aus dem Auto. Für den Neuen hatte er eine Show abgezogen. Schau hin und lerne. So wird das gemacht!
Für den neuen? Ist damit Leo gemeint? Oder der Schlägertyp, den Victor 'mitgebracht' hat? Ich habe es nicht sofort verstanden.

Ein roter Fleck zeichnete sich scharf von dem dunklen Grau der Straße ab.
Wie weiter oben schon: von dem = vom. Fände ich runder.

Er spuckte Victor Blut ins Gesicht.
Ist Vince nicht zusammengebrochen unter den heftigen Schlägen? Für mich war Vince hier immer noch am Boden, vielleicht auf allen Vieren oder so, jedenfalls hatte er sich noch nicht aufgerappelt. So hoch kann er das Blut nicht spucken, denke ich. Lass ihn sich vorher vielleicht sammeln und aufstehen oder ihn auf die Anzughosen Victors speien oder sowas. Ah, hier macht er das erst:
Er mühte sich hoch zu kommen und sah sich um.

Insgesamt hat mir die erste Version deines Textes etwas besser gefallen, die war irgendwie roher, nicht nur unterhaltsam, sondern man konnte auch rätseln (auch wenn schlussendlich niemand alles genau gerafft hat, fand ich's bisschen besser als jetzt). Vielleicht liesse sich was aus einer Kombi aus der ersten und dieser Version hier machen? Das es nicht ganz klar ist, aber auch nicht so offensichtlich wie jetzt. Fände, da könnte auf allen Ebenen ein guter Text draus werden. Charaktere etwas vertiefen, Beschreibungen präzisieren, weniger erklären. Verstehe aber auch, wenn Du das Broken Shadow erstmal ad acta legst, man kann's nicht allen recht machen.

Beste Grüsse,
d-m

 

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