chilliger Montag #1
Eine dichte Wolke grünen Nebels umhüllte sie. Man sah die Finger Gottes gerade noch durch den Dunst greifen, doch konnten sie sie nicht erreichen. Währenddessen verließ das Herz des Himmels seine Bahn; tauchte unter. Tauchte unter die scharfe Linie des verschwommen zu sehenden Horizonts. Vögel trällerten ihre Arien, doch wusste man nicht ob sie Geschöpfe der Natur oder des eigenen Verstandes waren.
Sie spürten wie die zarten Fingerkuppen des Himmels über ihre Schultern streiften, als ob die Weltenkuppel zu ihnen sprechen würde; als ob sie etwas wüsste, was sie nicht greifen konnten - und auch nie werden. Ein zauberhafter Wind strich durch ihr Haar und kitzelte sie in ihren empfindsamen Nacken. Es war, als wären sie nicht allein, sondern umgeben von einer Vielzahl an Gesellen und Boten der Natur.
Er gab ihn weiter. Der nächste, der auf eine Reise geschickt wird. Eine Reise voller Glückseligkeit. Er füllte seine Brust mit diesem magischem Nebel. Blies es aus. Wiederholte. Gab ihn weiter. Nun springt der Nächste auf den Zug der tanzenden Erdbeeren auf.
Die Reise ging weiter, einer nach dem anderen stieg dazu.
Die Sonne war mittlerweile ganz abgetaucht. Versunken in einem Meer voller funkelnder Sterne. Es war Nacht. Eine klare Nacht - soweit sie sie durch den magischen Neben haben erfahren können.
Im Hintergrund erhört man die Klänge eines aufsteigenden Basses, der mit einer Posaune um den ersten Platz kämpft; doch Harmonie. Trommeln klopfen im Takt, während die Orgel ihre Pfeifen bläst. Einer von ihnen fängt an zu diesen Tönen zu singen.
All dies war durchdrungen von einer allumfassenden ätherhaften Energie. Einer Energie die das Zentrum eines Jeden tangierte; Liebe. Man spürte die Freiheit ihrer Gedanken, die Klarheit ihrer Gedanken, die bindende Freundschaft.
So saßen sie zusammen. Teilten ihre Gedanken, klar wie strahlendes Quellwasser. Sie tauschten sich aus über Freiheit. Sinn des Lebens. Liebe. Freundschaft. Musik. Sie sprachen aus, was ihre Köpfe produzierten. Vergaßen sich selbst im Fluss der Worte. Genießen die Gemeinschaft.
“Ist der Mensch wahrlich ein freies gottgegebenes Wesen? Ein Juwel der Schöpfung? Was, wenn der Mensch beginnt vollkommen frei zu handeln, ungebunden von jeder Eisenkette der Gesellschaft. Einer Gesellschaft, die Druck und Regeln auferlegt. Doch ist dieser freie Mensch dann nicht alleine in seinem Handeln und Tun? Ohne Unterstützung?”
“Sind es nicht Regeln und Bräuche die Menschen zusammenbringen und für Gemeinschaft, Geborgenheit, Glückseligkeit sorgen? Doch das Unterwerfen des eigenen Ichs gegenüber solche positivistischen Gesetzen und Pflichten beschneidet die Freiheit des eigenen Denkens; die Freiheit die als Tor zu höheren Welten dienen soll, durch die man Dinge über die Beschaffenheit unserer Welt erfahren soll. Ein Tor - den Horizont des eigenen Geistes zu überschreiten. So ist man selbst verantwortlich, ob man lieber vollkommen frei und unabhängig in kreativen Denkprozessen, oder in Gesellschaft und Freundschaft leben will.”
So konzentrierten sie sich auf ein Thema. Ein Thema, das sie den Rest der Welt vergessen lies. Sie vergaßen ganz, dass sich die Welt weiterdrehte.
Auf einmal kommt ein Vorschlag aus den eigenen Reihen. Ein Vorschlag, der den Lauf des weiteren Beisammenseins beeinflussen wird. Sie rollten aus das Papier. Falteten es in gekonnten Bewegungen und Techniken. Befüllten es mit der getrockneten gewachsenen Form der Liebe, die die Natur an die Menschheit hat übergeben wollen. Sie entfachten ein Feuer. Stiegen am Bahnhof in den nächsten Zug, einen Zug der tanzenden Erdbeeren, ein.
Langsam wurden ihre noch jungen Körper von der abenteuerlichen Reise erschöpft. Begannen zu ermüden. Doch ihre Geister waren noch aktiv wie zuvor, wenn nicht sogar aktiver, kreativer. Die Unterhaltungen nahmen an Tiefsinnigkeit nicht zu, denn das Reden fiel schwer. So war man gefangen in seinem eigenem Animus. Man kann dieser Welt nicht entrinnen, doch ist das überhaupt das, was man will?
Es stiegen gar harmonische Klänge von der hinteren Mitte auf. Die Musik spielte Lieder. Lieder, die den Geist befreien und zum Denken anregen. Gedanken, die so tiefgründig - tiefgründiger als der Rücken unserer Welt - waren, dass sie sich verloren.
Man konnte den Schimmer einer Scheibe erkennen, schwimmend durch das Meer der funkelnden Sterne. Die Scheibe machte sich auf ihren Weg über die Kuppel. Zieht an ihnen vorbei, blickt auf sie herab. Sie wirkte ihnen so nahe - zum greifen nahe, doch ist sie fern. So fern, dass man sie nicht wird erreichen. Sie mussten mit anblicken, wie sie an ihnen vorbeizog.
Sie setzten sich als Ziel die Scheibe zu erreichen! So verließen sie ihre sicheren Plätze in der harmonievollen Stimmung, um den Mond zu jagen. Ein großes Ziel, das wenn sie erreichen, ihnen viel Freude und Stolz wird bringen. Doch sie werden es nicht erreichen.
“Man verlässt oft einen gesicherten Platz in einer Gruppe, um eignen oder sogar gemeinsamen Zielen hinterher zu jagen, die gänzlichst aus den Sternen gegriffen sind. Man begibt sich in Unsicherheit, die von der Hoffnung über den möglichen Erfolg geschlagen wird.”
Langsam lichtet sich der Nebel. Ihre Augen öffneten sich wieder ganz vor der Welt. Doch vermissten sie den Zustand der Einigkeit mit der sie umgebenden Welt. Sie trennten sich von einander. Jeder ging seinen eigenen Weg. Doch in einer Woche, am selben Tag, zur selben Stunde trafen sie sich erneut und tauchten ab in die Geheimnisse des grünlichen Nebels.