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Darauf kommt es nicht an

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12.02.2020
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Darauf kommt es nicht an

In den frühen Morgenstunden beginnt Georg unter seiner dünnen Bettdecke zu frieren. Er sucht Elmas wärmenden Körper neben sich, doch ihr Bett ist leer und kalt, und Georg erinnert sich, wie sein Ältester sie gestern in einer Urne zu Grabe getragen hat. Georg war ihm gefolgt von der Kapelle zum Friedwald. Seine Tochter ging links von ihm, der Jüngste rechts, beide ihn stützend, aus Angst, er könnte zusammenbrechen wie eine alte Scheune. Der Nieselregen, der seit Tagen fiel, hatte die Erde des Friedhofwegs aufgeweicht. Matsch quoll unter den Schuhen seines Sohnes hervor und blieb haften. Die Schuhe traten auf eine Wiese und blieben stehen. Kurz nur hat Georg das kleine Loch im Rasen gesehen, umlegt mit Tannengrün. Dann war da nur noch Nieselregen, bis seine Tochter ihn mit sich zog durch den Matsch und die Pfützen, vorbei an der Kapelle, durch das Friedhofstor, über die Straße zum Parkplatz ins Auto.

Nach dem Leichenschmaus im Drei Möwen hat ihn sein Jüngster nach Hause gefahren, ihn ins Haus gebracht und gefragt, ob er bleiben solle.
“Fahr zu deiner Familie!”, hat Georg gesagt, sich an den Esstisch im Wohnzimmer gesetzt und aus dem Fenster geschaut.
“Komm doch mit. Bitte komm mit!”
“Fahr nach Hause!”
Gegenüber bei Edeka parkten Menschen ihre Autos und huschten durch den Regen zu den Einkaufswagen. Mit den Fingerkuppen fuhr Georg über die Kerben im Holztisch. Wie oft hatten sie hier Karten gespielt? Zuerst MauMau und Uno, später dann Skat und Doppelkopf. Die Kinder hatten ihre Hausaufgaben mit Vorliebe an diesem Tisch gemacht, auch noch als Elma und er längst keine Hilfe mehr waren. Abends hatten sie hier gemeinsam gegessen, weil die Küche für fünf Leute zu klein war. Georg legte seine Hand auf die Häkeldecke in der Mitte des Tisches. Die Hand war alt geworden, wie der Rest seines Körpers. Die Haut schlug Falten und war fleckig, die Adern darunter traten hervor. Eine weiße Porzellankanne mit blauen Punkten hätte auf der Häkeldecke stehen müssen, mit einem Bund frischer Blumen darin. Georg zog die Hand weg und stand auf.

Im Schlafzimmer nahm er die Sporttasche aus dem Schrank, warf ein T-Shirt und einen Pullover, ein paar Unterhosen und Socken hinein, dann den Bademantel, der die Tasche fast vollständig füllte. Aus der Küche holte er die Dose mit dem gemahlenen Kaffee, im Vorratsschrank fand er eine große Packung Haferkekse. Er legte sein Handy auf den Küchentisch, daneben einen Zettel: Brauche eine Auszeit. Bin im Harz. G.
Kurz vor Mitternacht erreichte er den kleinen Bungalow, parkte das Auto an der Straße und stapfte den Pfad zum Haus durch wattigen, knöchelhohen Schnee.

Nun allein im Dunkeln leuchtet die Erinnerung so hell, dass er nicht wegsehen kann: das kleine, dunkle Loch im Rasen, nicht viel größer als der Kopf eines Erwachsenen und eine Urne, die herabgelassen wird. Georg friert und weint zum ersten Mal seit Elmas Tod. Dann nimmt er doch ihr dickes Federbett und deckt sich zu.
Es ist hell, als er erneut erwacht. Vom Bett aus kann er Eisblumen auf den Fensterscheiben sehen und hinter den Scheiben fällt Schnee in großen, dichten Flocken. Sein Atem bildet flüchtige Nebelwolken, aber unter Elmas dickem Federbett ist ihm warm. Seit ihrem Tod war mindestens einmal am Tag eines der Kinder vorbeigekommen, um nach ihm zu sehen, wie nach einem Dreijährigen, der allein im Garten spielte.
“Geht es dir gut?”
“Brauchst du irgendwas?”
“Du wirst doch keine Dummheiten machen?!”
Er schließt die Augen, atmet Elma ein, und hält sie in den Lungen. Eine warme Hand legt sich sanft auf seine Wange und Georg atmet aus, sagt leise: “Guten Morgen, meine Schöne!” Dann steht er auf, holt seinen Bademantel aus der Tasche. Im kleinen Wohnraum neben dem Schlafzimmer gewährt das schmale bodentiefe Fenster einen Ausblick Richtung Wald. Eine dicke, weiße Schicht liegt über der Welt und Stille umgibt das kleine Haus, eine Stille so tief, als wäre alle Zeit hineingefallen. Georg nimmt ein paar Scheite Kleinholz aus dem Korb, legt sie kreuzweise in den Ofen, der im Wohnraum steht, entzündet drei Röllchen Holzwolle und legt sie dazu. Als das Kleinholz brennt, fügt er drei Scheite Brennholz hinzu und bald ist es so warm, dass er seinen Bademantel auf das Sofa legt. In der Küche kocht er einen Kaffee und steckt zwei Haferkekse in die Tasche seines Schlafanzugs. Er setzt sich vor das Fenster in den Schaukelstuhl aus Rattangeflecht, in dem Elma so gern gelesen hat. Das Schaffell darin ist grau und verfilzt, aber weich. Er trinkt den Kaffee, isst die Kekse und schaut dem Schnee zu, wie er Zeit und Welt unter sich begräbt. Er hatte Stille gewollt, und er hat Stille bekommen.

Den ganzen Tag sitzt er schweigend da und wenn sie fragt, was ihm fehle, dann antwortet er nur: “Du! Du fehlst!” Hin und wieder legt er zwei Scheite Brennholz nach oder kocht einen Kaffee, zu dem er zwei Haferkekse isst. Als es dunkel wird, lässt er das Feuer herunterbrennen. Erst zieht er seinen Bademantel wieder über, dann holt er die Wolldecke vom Sofa und schließlich legt er sich ins Bett unter Elmas dicke Daunendecke, liegt lange wach und kann auch wieder weinen irgendwann. “Es geht nicht ohne dich!”, sagt er. “Nach 57 Jahren, wie soll das gehen ohne dich?”

Am nächsten Morgen schneit es noch immer. Er heizt den Ofen ein und isst im Schaukelstuhl zwei Haferkekse zum Kaffee. Das Brennholz in der Hütte wird bis zum Abend reichen, dann wird er das Feuer ausgehen lassen. Es wird kalt werden im Haus und wenn er friert, wird er rausgehen, sich unter den Apfelbaum in den Schnee legen, die Arme vor der Brust gefaltet, und warten. Vielleicht wird es aufhören zu schneien, vielleicht wird die Wolkendecke aufbrechen, vielleicht wird das letzte, was er sieht, der Sternenhimmel sein.
“Weißt du noch”, fragt sie, “als wir das erste Mal zusammen hier waren?”
“Du mochtest den Wald!”
Sie lacht. “Ich fand witzig, dass ihr immer Datsche sagtet.”
“Du warst die erste Frau, die ich mit hierher genommen habe. Da wussten meine Eltern, dass es was Ernstes ist!”
Es ist noch hell und im Haus ist es warm. Er legt zwei Scheite Brennholz nach, geht in die Küche, kocht einen Kaffee und steckt zwei Haferkekse in die Tasche seines Schlafanzugs, setzt sich wieder in den Schaukelstuhl und schaut der Schneedecke hinterm Fenster beim Wachsen zu.
“Wir hatten es gut!”, sagt er. “Wir hatten uns!”
“Ein paar Mal war es aber ganz schön knapp!”
“Das stimmt”, sagt er. “Besonders nach Andreas’ Geburt. Ich brauchte eine Weile, um zu akzeptieren, dass du die Kinder mehr liebst als mich.”
“So war es nicht!”
“Du hättest mich gegessen, um die Kinder zu retten.”
“Ich will nicht, dass du dich in den Schnee legst.”
Als es dämmert, wird sie still. Die letzten Scheite brennen herunter. Die Glut erhellt die Hütte, bis sie erlischt. Georg beginnt zu frieren, steht schließlich auf, öffnet die Tür und tritt in seinem Schlafanzug auf die kleine, überdachte Terrasse.
“Scheiße”, sagt er, zieht zischend Luft durch die Lippen und geht wieder rein.
Im Bett zieht er die Decke über den Kopf, weint und hält die Augen geschlossen. Er spürt Elma sich von hinten an ihn schmiegen, wagt nicht zu atmen und schläft ein.

Am nächsten Morgen fallen noch immer dicke Flocken. Die Schneedecke hinter dem bodentiefen Fenster reicht bis über Georgs Knie. Über den Bademantel hat er den Parka gezogen. So kocht er einen Kaffee, isst auf dem Sofa zwei Haferkekse dazu, die Wolldecke über die Beine gelegt.
“Das Brennholz ist alle”, sagt er. “Ich muss gar nicht rausgehen, um zu erfrieren. Mit meiner Hüfte schaffe ich es sowieso nicht durch den Schnee bis zum Schuppen. Und erst recht nicht zurück.”
“Es ist genug Holz im Haus”, sagt sie.
“Das Haus bleibt, wie es ist!”
Im Schlafanzug legt er sich aufs Bett, Bademantel und Parka hat er auf dem Sofa gelassen, Elmas Decke hat er sorgsam auf ihrer Bettseite hergerichtet. Er verschränkt die Hände hinterm Kopf und stellt sich vor, er läge draußen im Schnee und schaute in den asphaltgrauen Himmel. Am ganzen Körper hat er Gänsehaut, die Muskeln zittern, um sich selbst zu wärmen.
“Der Schrank ist aus Buchenholz”, hört er sie sagen.
“Selbst wenn”, sagt er, “den krieg ich doch nicht in den Ofen und die Säge ist im Schuppen.”
“Die Schubladen?”
Draußen fallen Schneeflocken vom Himmel. Was, wenn sie fallen, bis nichts anderes mehr sein wird als Weiß? Es gibt keinen anderen Ort, an dem er sein will, wenn die Zeit aus der Welt fällt.
“Du hast Recht”, sagt er, steht auf und nimmt zwei Schubladen mit in den Wohnraum. Das Kleinholz zündet er mit Holzwolle an, stellt zwei Bretter Buchenholz in die Flammen und lächelt, als sie zu lodern beginnen. Er ist hier mit Elma, während draußen die Welt versinkt.

“Weißt du noch …”, sagt sie. Er hat einen Kaffee gekocht, zwei Haferkekse in die Tasche seines Schlafanzugs gesteckt und sich wieder auf den Schaukelstuhl gesetzt.
“… wir waren hier schon einmal eingeschneit!”
“Jeden Tag habe ich Schnee geschippt wie ein Bekloppter.”
Sie lacht. “Es war toll mit uns; das, was wir hatten …”
“Ich habe Angst, dass es aufhört zu schneien.”
“Es wird wieder Sommer sein und du wirst mit Lorenz und Aike Fußball spielen und mit Lotta Hoppe-hoppe-Reiter. Sie wird auf deinem Schoß sitzen und sagen: “Mal Opa, mal Opa!”, und am Ende des Tages wirst du erschöpft sein. Und glücklich.”
“Das glaube ich nicht.”
“Darauf kommt es nicht an. Leg einfach noch ein bisschen Schublade nach!”
Er geht früh zu Bett, nimmt zwei Haferkekse mit, die er auf den Nachttisch legt. Am nächsten Morgen ist der Himmel blau, die Luft ganz klar bis hin zum Wald. Er atmet tief ein, hält die Luft in seinen Lungen und Elma in seinen Armen.
“Es ist okay. Du heizt den Ofen ein, der Rest wird sich finden.”

Er verfeuert die letzten Schubladen der Kommode, die Türen und Einlegeböden des Schranks sind zu groß, aber die Gartenstühle auf der Terrasse werden geeignetes Feuerholz sein. Er sitzt in Elmas Schaukelstuhl, tauscht Erinnerungen mit ihr aus und immer wieder atmet er tief ein, hält die Luft in den Lungen mit geschlossenen Augen. Manchmal hört er sie in der kleinen Küche werkeln, sie summt vor sich hin und wenn er einen Witz macht, dann lacht sie. Wenn ihn jemand fragte, was für ihn das schönste Geräusch auf der Welt sei, dann würde er sagen: “Elmas Lachen. Es ist vollmundig wie ein im Holzfass gereifter Wein mit einem leichten Keckern darin.”
Am Abend hört er ein Schneeräumfahrzeug bis ins Haus hinein wummern. Am nächsten Morgen ist der Himmel noch immer wolkenlos und die Sonne scheint ins kleine Haus. Am frühen Nachmittag dringen Stimmen von draußen bis zum Schaukelstuhl.
“Ist doch egal,” hört er seine Tochter sagen. “Schaufel einfach weiter! Wir sind doch fast da."
“Na, du hast gut reden." Das ist sein Ältester.
“Gib die blöde Schaufel einfach her!"
“Ob es ihm gut geht?”, hört er seinen Jüngsten fragen.

Georg geht ins Schlafzimmer, zieht den Schlafanzug aus, den er seit der ersten Nacht hier trägt, macht das Bett und packt die Tasche. Er stellt drei Tassen zu seiner auf die Küchenplatte, füllt alle mit gemahlenem Kaffee und setzt Wasser auf. Als das Wasser kocht, hört er die Kinder auf der Terrasse den Schnee von ihren Schuhen trampeln, gießt den Kaffee auf und öffnet die Tür.

 

Hallo @Katta,

Eine sehr wehmütige, traurige Geschichte um den Tod der geliebten Frau. Georg kann die Lücke, die der Tod in das gemeinsame Leben gerissen hat, nicht füllen. Er nimmt sich eine Auszeit, erweckt die Frau in seiner Erinnerung, sagt ihr Du fehlst und Wie soll das gehen ohne dich? Er ergibt sich seiner Gleichgültigkeit, ja wird gar lebensmüde, will ihr folgen. Doch Elma redet ihm ins Gewissen, spricht zu ihm: “Ich will nicht, dass du dich in den Schnee legst.” Und er lässt zu, dass sie bei ihm bleibt und imaginiert, was sie zu ihm sagen würde. Sie will, dass er weiterlebt, dass er mit den Enkeln den Sommer erlebt. Das ist der Wendepunkt, ab da ist er über den Berg, verfeuert Möbel, um nicht zu erfrieren und wird final von den Kindern freigebuddelt. Auch das schön symbolisch.
Mit der positiven Auflösung erfüllt die Geschichte das Challengethema, dennoch ist es kein Wohlfühltext, zumindest für mich persönlich nicht. Es geht vorrangig um die Verarbeitung des Verlustes. Die Art, wie diese stattfindet, ist tröstlich und letztlich auch versöhnlich und doch musste ich zwischendurch schlucken, weil mich das Thema streng berührt.
Finde den Text gut zu lesen, gut komponiert, er strahlt Bedächtigkeit und Ruhe aus.

hatte die Erde des Friedhofswegs aufgeweicht
Friedhofwegs.
Kurz nur sah Georg das kleine Loch im Rasen gesehen,
Da stimmt was nicht.
auch noch als Elma und er ihnen längst nicht mehr helfen konnten
zu voll, der Satz. Würde als Elma und er durch wir ersetzen.
Kurz vor Mitternacht erreichte er den kleinen Bungalow, parkte das Auto an der Straße und stapfte den schmalen Pfad zum Haus durch wattigen, knöchelhohen Schnee. Nun allein im Dunkeln leuchtet die Erinnerung so hell, dass er nicht wegsehen kann
Die Verschiebung vom Perfekt zum Präsens mitten im Satz liest sich wie ein Fehler. Ich würde vor dem Satz einen bewussten Absatz machen und danach direkt ins Präsens gehen.
Er setzt er sich vor das Fenster
liegt lange wach und kann auch wieder weinen irgendwann: “Es geht nicht ohne dich!”, sagt er.
Da stimmt was mit dem Satzbau nicht.
Er heizt den Ofen ein und isst im Schaukelstuhl zwei Haferkekse zum Kaffee.
Bewusste Wiederholung?
Sie lacht: “Ich fand witzig, dass ihr immer Datsche sagtet.”
Sie kann den Satz ja nicht lachen, deshalb Punkt statt Doppelpunkt.
Er legt zwei Scheite Brennholz nach, geht in die Küche, kocht sich einen Kaffee und steckt zwei Haferkekse in die Tasche seines Schlafanzugs
Oh, zum dritten Mal, bin mal gespannt warum.
“Du hättest mich gegessen und die Kinder gerettet.”
Verstehe ich nicht.
und sie wird sagen: “mal Opa, mal Opa”
Mal
hört er die Kinder auf der Terrasse den Schnee von den Schuhe abtrampeln
Schuhen.

Peace, l2f

 

Hallo @Katta

was für eine wunderschöne Geschichte. Ich habe sie gerade gelesen und hab Tränen in den Augen. Die Geschichte hat mich sehr berührt. Du schreibst sehr glaubhaft über das Thema Verlust und Familie, ich bin Deinem Protagonisten die ganze Zeit über sehr nah und fühle aus vollstem Herzen mit ihm. Der Text geht in die Tiefe, was ich sehr mag.

Hier meine Leseeindrücke:

Kurz nur hat Georg das kleine Loch im Rasen gesehen, umlegt mit Tannengrün. Dann war da nur noch Nieselregen auf Tannengrün, bis seine Tochter ihn mit sich zog durch den Matsch und die Pfützen, vorbei an der Kapelle, durch das Friedhofstor, über die Straße zum Parkplatz ins Auto.

Das 2. Tannengrün könntest Du weglassen.

Mit den Fingerkuppen fuhr Georg über die Kerben im Holztisch. Wie oft hatten sie hier Karten gespielt? Zuerst MauMau und Uno, später dann Skat und Doppelkopf. Die Kinder hatten ihre Hausaufgaben mit Vorliebe an diesem Tisch gemacht, auch noch als Elma und er ihnen längst nicht mehr helfen konnten. Abends hatten sie hier gemeinsam gegessen, weil die Küche für fünf Leute zu klein war. Georg legte seine Hand auf die Häckeldecke in der Mitte des Tisches. Die Hand war alt geworden, wie der Rest seines Körpers. Die Haut schlug Falten und war fleckig, die Adern darunter traten hervor. Eine weiße Porzellankanne mit blauen Punkten hätte auf der Häkeldecke stehen müssen, mit einem Bund frischer Blumen darin. Georg zog die Hand weg und stand auf. Das orange Licht der Straßenlaternen erhellte das Zimmer.

Dieser Absatz hat mir sehr gut gefallen. Eine schöne Erinnerungsszene, sehr bildhaft beschrieben, ich kanns mir sehr gut vorstellen. Auch wie Du zeigst, dass er alt geworden ist, ist sehr glaubhaft.

Er legte sein Handy auf den Küchentisch, daneben einen Zettel: Brauche eine Auszeit. Bin im Harz. G.
Kurz vor Mitternacht erreichte er den kleinen Bungalow, parkte das Auto an der Straße und stapfte den schmalen Pfad zum Haus durch wattigen, knöchelhohen Schnee. Nun allein im Dunkeln leuchtet die Erinnerung so hell, dass er nicht wegsehen kann: das kleine, dunkle Loch im Rasen, nicht viel größer als der Kopf eines Erwachsenen und eine Urne, die herabgelassen wird. Georg friert und weint zum ersten Mal seit Elmas Tod. Dann nimmt er doch ihr dickes Federbett und deckt sich zu.

Auch hier bin ich sehr nahe bei ihm, kann verstehen, dass er eine Auszeit braucht.

Seit ihrem Tod war mindestens einmal am Tag eines der Kinder vorbei gekommen, um nach ihm zu sehen, wie nach einem Dreijährigen, der allein im Garten spielte.
“Geht es dir gut?”
“Brauchst du irgendwas?”
“Du wirst doch keine Dummheiten machen?!”
Er war ihre Fürsorge leid gewesen, darum war er hierher gefahren.

Ich finde es sehr schön, dass die Kinder so fürsorglich sind. Auch wenn er die Fürsorge hier an dieser Stelle noch nicht annehmen kann.

Eine dicke, weiße Schicht liegt über der Welt und Stille umgibt das kleine Haus, eine Stille so tief, als ob alle Zeit hineingefallen wäre. Georg nimmt ein paar Scheite Kleinholz aus dem Korb, legt sie kreuzweise in den Ofen, der im Wohnraum steht, entzündet drei Röllchen Holzwolle und legt sie dazu. Als das Kleinholz brennt, fügt er drei Scheite Brennholz hinzu und bald ist es so warm, dass er seinen Bademantel auf das Sofa legt. In der Küche kocht er einen Kaffee und steckt zwei Haferkekse in die Tasche seines Schlafanzugs. Er setzt er sich vor das Fenster in den Schaukelstuhl aus Ratangeflecht, in dem Elma so gern gelesen hat. Das Schaffell darin ist grau und verfilzt, aber weich. Er trinkt den Kaffee, isst die zwei Haferkekse und schaut dem Schnee zu, wie er Zeit und Welt unter sich begräbt. Er hatte Stille gewollt, und er hat Stille bekommen.

Sehr atmosphärisch. Trotz der Melancholie schwingt auch Behaglichkeit mit. Ich finde es sehr schön, dass er so nah bei sich ist, die Trauer zulässt, die Erinnerungen.

Es wird kalt werden im Haus und wenn er friert, wird er rausgehen, sich unter den Apfelbaum in den Schnee legen, die Arme vor der Brust gefaltet, und warten. Vielleicht wird es aufhören zu schneien, vielleicht wird die Wolkendecke aufbrechen, vielleicht wird das letzte, was er sieht, der Sternenhimmel sein.

Ein trauriger Moment. An dieser Stelle habe ich natürlich gehofft, dass er das nicht tun wird.

“Ich will nicht, dass du dich in den Schnee legst.”
Als es dämmert, wird sie still. Die letzten Scheite brennen herunter. Die Glut erhellt die Hütte, bis sie erlischt. Georg beginnt zu frieren, steht schließlich auf, öffnet die Tür und tritt in seinem Schlafanzug auf die kleine, überdachte Terrasse.
“Scheiße”, sagt er, zieht zischend Luft durch die Lippen und geht wieder rein.
Im Bett zieht er die Decke über den Kopf, weint und hält die Augen geschlossen. Er spürt Elma wärmend hinter sich, wagt nicht zu atmen und schläft ein.

Ich finde es schön, dass er immer wieder ihre Stimme hört. Sie ihm gut zuredet. Wie er sie spürt, trotz des Verlust, immer noch mit ihr tief verbunden ist.

“Du hast Recht”, sagt er, steht auf und nimmt zwei Schubladen mit in den Wohnraum. Das Kleinholz zündet er mit Holzwolle an, stellt zwei Bretter Buchenholz in die Flammen und lächelt, als sie zu lodern beginnen. Er ist hier mit Elma, während draußen die Welt versinkt.

Auch eine wunderbare Stelle.

“Es wird wieder Sommer sein und du wirst mit Lorenz und Aike Fußball spielen, du wirst Lotta auf dem Schoß haben und Hoppe-hoppe-Reiter spielen und sie wird sagen: “mal Opa, mal Opa” und am Ende des Tages wirst du erschöpft sein. Und glücklich.”

Sehr schön! Sie macht ihm Hoffnung.

Er verfeuert die letzten Schubladen der Kommode, die Türen und Einlegeböden des Schranks sind zu groß, aber die Gartenstühle auf der Terrasse werden geeignetes Feuerholz sein. Er sitzt in Elmas Schaukelstuhl, trinkt Kaffee, isst Haferkekse, tauscht Erinnerungen mit ihr aus und immer wieder atmet er ihre Präsenz tief ein, hält sie in den Lungen mit geschlossenen Augen. Manchmal hört er sie in der kleinen Küche werkeln, sie summt vor sich hin und wenn er einen Witz macht, dann lacht sie. Wenn ihn jemand fragte, was für ihn das schönste Geräusch auf der Welt sei, dann würde er sagen: “Elmas Lachen. Es ist vollmundig wie ein im Holzfass gereifter Wein mit einem leichten Keckern darin.”

Auch hier bin ich ihm sehr nahe.

Ist doch egal,” hört er seine Tochter sagen. “Schaufel einfach weiter! Wir sind doch fast da."
“Na, du hast gut reden." Das ist sein Ältester.
“Gib die blöde Schaufel einfach her!"
“Ob es ihm gut geht?” hört er seinen Jüngsten fragen.

Es hat mich sehr berührt, dass die Kinder kommen!

Georg geht ins Schlafzimmer, zieht den Schlafanzug aus, den er seit der ersten Nacht hier trägt, macht das Bett und packt die Tasche. Er stellt drei Tassen zu seiner auf die Küchenplatte, füllt alle mit gemahlenem Kaffee und setzt Wasser auf. Als das Wasser kocht, hört er die Kinder auf der Terrasse den Schnee von den Schuhe abtrampeln. Er gießt den Kaffee nicht auf und öffnet stattdessen die Tür.
“Papa!”, sagt sein Jüngster. “Geht es dir gut?”
Georg lächelt: “Kommt rein. Ich habe Kaffee gemacht!”

Ein wundervolles Ende.

Auch wenn Du über ein trauriges Thema schreibst, so fühle ich mich mit dieser Geschichte sehr wohl. Ich mag melancholische Geschichten, die in die Tiefe gehen. Das Ende geht ans Herz und ist sehr positiv.

Ganz liebe Grüße und einen wundervollen Wochenstart,
Silvi

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @linktofink,
hab vielen Dank für deinen Kommentar. Der erste ist ja immer der Aufregendste.

Mit der positiven Auflösung erfüllt die Geschichte das Challengethema, dennoch ist es kein Wohlfühltext, zumindest für mich persönlich nicht. Es geht vorrangig um die Verarbeitung des Verlustes. Die Art, wie diese stattfindet, ist tröstlich und letztlich auch versöhnlich und doch musste ich zwischendurch schlucken, weil mich das Thema streng berührt.
Finde den Text gut zu lesen, gut komponiert, er strahlt Bedächtigkeit und Ruhe aus.
Bedächtigkeit und Ruhe. Ja! Check! Der Umgang mit dem Verlust ist tröstlich und versöhnlich! Ja, auch Check! Mit der Anmerkung, dass es kein Wohlfühltext ist, habe ich tatsächlich gerechnet, weil es sicher so ist, dass es nicht für jeden ein Wohlfühltext ist. Für mich ist es das, weil ich Trauer nicht unangenehm finde, sondern tatsächlich etwas sehr schönes. Ok, kein Gefühl in dem ich immer verweilen möchte, aber für mich heißt, traurig sein, bei sich selbst sein, mit sich selbst sein können, deswegen finde ich es schön, wenn ich es bei anderen sehe. Keine Verzweiflung, keine Wut, keine Ohnmacht. Das sind Gefühle, die ich auch oft schwierig finde. Ich finde es tatsächlich tröstlich und irgendwie heimelig und geborgen, wenn jemand so bei sich sein kann, so in der Akzeptanz irgendwie. Aber ja, natürlich ist Verlust an sich kein Wohlfühlthema, aber es ist Winter und ich bin melancholisch, anders ging für mich nicht ;-)

Die Fehler werde ich zeitnah verbessern, danke dafür! Jetzt muss ich erstmal wieder ranklotzen und Kohle verdienen. Nur eine Frage noch:

Oh, zum dritten Mal, bin mal gespannt warum.
Das bezieht sich auf den Kaffee und die Haferkekse. Ist das eine Frage, die du dir während des Lesens gestellt hast und eine Antwort oder auch keine hast? Oder fragst du mich jetzt quasi nach dem Lesen?
EDIT: Ich frage das, weil ich beim Schreiben unsicher war, ob es zu oft vorkommt. Andererseits ist es halt alles was er tut. Kaffee kochen, Kekse essen, Brennholz nachlegen, ansonsten sitzt er ja nur rum und ich war besorgt, dass es zu wenig Aktionen gibt.

Vielen Dank noch mal und
viele Grüße Katta

 

Hallo @Silvita ,
auch dir vielen Dank für deinen Kommentar. Es freut mich sehr, dass du dich mit der Geschichte wohlgefühlt hast. Das Tannengrün werde ich rausnehmen, da hast du Recht. Es ist zwar eine Geschichte über Verlust, aber ich hatte gehofft, dass die ganzen Wohlfühl-Aspekte, die ja auch drin sind, den Text auch zu einer Wohlfühlgeschichte machen.

Dir auch eine schöne Woche und
viele Grüße
Katta

 

Hallo @Katta,

ich habe deine melancholische Geschichte sehr gern gelesen. Mir hat gefallen, wie du die Trauer beschreibst und die Gedanken und Dinge, die deinem Protagonisten durch den Kopf laufen. Das wirkt alles sehr harmonisch und gut durchdacht, er kommt authentisch rüber und dieser Kaffee und die Haferkekse sind quasi so eine Art Gerüst in seinem derzeitigen Leben. Gut gemachte Geschichte.
Was das Challengethema anbelangt, so habe ich meine Kopfschmerzen, denn es ist eine wirklich traurige Geschichte, beim ersten Lesen standen mir die Tränen in den Augen, was einerseits absolut dafür spricht, wie gut du mich mitgenommen hast in das Leben des Witwers, aber andererseits eben nicht in die Kategorie Wohlfühlgeschichte gehört.

Challenge hin oder her, es ist eine gelungene Geschichte, um das heikelste Thema.

Matsch quoll unter den Schuhen seines Sohnes hervor und blieb haften.
Ich würde "seines Sohnes" streichen, denn es ist ja bei jedem der Trauergäste so.
Er war ihre Fürsorge leid gewesen, darum war er hierher gefahren.
Hier erklärst du resümierend, was du aber schon vorher gut nachvollziehbar beschrieben hast. Daher würde ich diesen Satz streichen.
, eine Stille so tief, als ob alle Zeit hineingefallen wäre.
Sehr schöne Formulierung.
Er hatte Stille gewollt, und er hat Stille bekommen.
Das gefällt mir nicht mit dieser Wiederholung sprachlich. Wie wäre es mit: Er hatte diese Stille gewollt.

“Mal Opa, mal Opa!”, und am Ende des Tages wirst du erschöpft sein. Und glücklich.”
Schöne wörtliche Rede! Ja, wir sprechen oft nicht die Worte komplett aus und Kleinkinder sind darin völlig nachvollziehbar noch intensiver.
Er sitzt in Elmas Schaukelstuhl, trinkt Kaffee, isst Haferkekse, tauscht Erinnerungen mit ihr aus und immer wieder atmet er ihre Präsenz tief ein, hält sie in den Lungen mit geschlossenen Augen.
Du hast bisher schon so oft darüber geschrieben, was er im Schaukelstuhl macht, dass ich denke, du kannst mutig den Kaffee und die Haferkekse weglassen und schlanker formulieren: "Er sitzt in Elmas Schaukelstuhl, tauscht Erinnerungen mit ihr aus, atmet ihre Präsenz tief ein, hält sie in den Lungen mit geschlossenen Augen."
Er stellt drei Tassen zu seiner auf die Küchenplatte, füllt alle mit gemahlenem Kaffee und setzt Wasser auf
Echt jetzt? Gemahlener Kaffee und dann gießt er darauf das heiße Wasser später? Kein Kaffeefilter? Hm...es ist nicht grandios störend, aber für mich irritierend, wie er seinen Kaffee zubereitet.
Er gießt den Kaffee nicht auf und öffnet stattdessen die Tür.
Der Satz klingt so unrund. Wie wär es mit: "Er gießt den Kaffee auf, dann öffnet er die Tür."


Lieben Gruß

lakita

 

Hallo Katta

Ein traurig melancholischer Text mit versöhnlichem Ende. Ich empfinde ähnlich wie
@linktofink, es ist nicht unbedingt ein Wohlfühltext. Allerdings ist er sehr einfühlsam geschrieben, so dass ich mit Georgs Verlust-Schmerz mitfühlen konnte. Wenn die gut gemeinten Ratschläge, die zahlreichen Hilfsangebote und die noch zahlreicheren Beileidsbekundungen einem einfach zuviel werden. Wie Georg sich eine Auszeit nimmt, in seinem Rückzugsort und dann dort auch nur wieder die geballte Ladung Einsamkeit zu spüren bekommt, das hast du fein beschrieben und ich habe die Geschichte von vorne bis hinten genossen. Somit gehört der Text unbeding in die Kissenburg. Jawoll.

Nach dem Leichenschmaus im Drei Möwen hat ihn sein Jüngster nach Hause gefahren und gefragt, ob er bleiben soll.
“Fahr zu deiner Familie”, hat Georg gesagt und sich an den Esstisch im Wohnzimmer gesetzt.
“Komm doch mit. Bitte komm mit!”
“Fahr nach Hause!”
Hier dachte ich erst, sie sitzen noch im Auto, und das "soll ich bleiben" las ich da mehr so wie "soll ich noch mit reinkommen". Aber vielleicht wirklich nur meine Lesart.

Georg legte seine Hand auf die Häckeldecke
Häkeldecke

Georg friert und weint zum ersten Mal seit Elmas Tod. Dann nimmt er doch ihr dickes Federbett und deckt sich zu.
[...]
Sein Atem bildet flüchtige Nebelwolken, aber unter Elmas dickem Federbett ist ihm warm.
Hier ist er ganz bei sich. Die Anspannung löst sich, er lässt die Trauer zu. Aber er tröstet sich bereits mit ihrem Federbett. Das ist schön.

Er hatte Stille gewollt, und er hat Stille bekommen.
Sehr schön.

Den ganzen Tag sitzt er schweigend da und wenn sie fragt, was ihm fehle, dann antwortet er nur: “Du! Du fehlst!”
Ab hier beginnt die Trauerarbeit, schön, wie du ihn mit Elma reden lässt, die Achterbahn der Gefühle, hinauf zu den schönen Erinnerungen ...
“Du mochtest den Wald!”
Sie lacht. “Ich fand witzig, dass ihr immer Datsche sagtet.”
... und wieder hinunter in das dunkle Loch
“Es geht nicht ohne dich!”, sagt er. “Nach 57 Jahren, wie soll das gehen ohne dich?”

“Das stimmt”, sagt er. “Besonders nach Andreas’ Geburt. Ich brauchte eine Weile, um zu akzeptieren, dass du die Kinder mehr liebst als mich.”
“So war es nicht!”
“Du hättest mich gegessen und die Kinder gerettet.”
“Ich hätte niemanden gegessen.”
“Ich hätte immer dich gerettet.”

“Ich will nicht, dass du dich in den Schnee legst.”
Spannender Dialog, aber für mein Empfinden sind mir die zwei gestrichenen Sätze zu viel.
Ich finde die Metapher “Du hättest mich gegessen und die Kinder gerettet.” stark, wird aber durch die beiden folgenden Sätze mit insgesamt dreimal "hätte" abgeschwächt.

Als es dämmert, wird sie still.
Mit der Dämmerung kommt die Einsamkeit, die Erkenntnis der fehlenden physischen Anwesenheit.

“Scheiße”, sagt er, zieht zischend Luft durch die Lippen und geht wieder rein.
Absolut authentisch. Es ist einfach zu kalt zum Sterben. Leiser Humor trotz Wehmut, das ist schön.

Er spürt Elma wärmend hinter sich, wagt nicht zu atmen und schläft ein.
Sonst geht das Gefühl vielleicht weg, sehr schön.

“Ich habe Angst, dass es aufhört zu schneien.”
Und die Welt sich weiterdreht, seufz.

Am Abend hört er ein Schneeräumfahrzeug bis ins Haus hinein wummern. Am nächsten Morgen ist der Himmel noch immer wolkenlos und die Sonne scheint ins kleine Haus. Am frühen Nachmittag dringen Stimmen von draußen bis zum Schaukelstuhl.
“Ist doch egal,” hört er seine Tochter sagen. “Schaufel einfach weiter! Wir sind doch fast da."
“Na, du hast gut reden." Das ist sein Ältester.
“Gib die blöde Schaufel einfach her!"
“Ob es ihm gut geht?” hört er seinen Jüngsten fragen.
Die Welt taucht wieder in sein Leben, das gröbste ist geschafft. Ich sehe förmlich das Lächeln auf seinen Lippen, wie er seine besorgten Kinder schuften hört, um zu ihm durchzudringen.

Georg lächelt: “Kommt rein. Ich habe Kaffee gemacht!”
Nase geschnäuzt, mitgelächelt, sehr gerne gelesen.

Liebe Grüsse, dot

 

Moin @Katta ,
und vielen Dank für Deine Geschichte.

Auch mir lag zuerst der Kommentar auf den Tasten, dass das Ende der Story zwar zur Challenge passt, die Geschichte jedoch nicht genügend Leichtigkeit mitbringt, um gezählt zu werden. Das möchte ich an dieser Stelle revidieren:
Auch wenn Du mit der Trauerbewältigung ein ernstes Thema wählst, und Dein Text gerade zu Beginn eine gewisse Schwere oder auch Melancholie aufwirft, so schaffst Du es mMn im Laufe der Entwicklung eine Atmosphäre zu erzeugen, die mich glücklich zurücklässt und nicht traurig oder schwermütig.
Das liegt vor allem am passend gewählten Tempo, verbunden mit der Fokussierung auf die schönen Erinnerungen der beiden und die prägenden, gemeinsam erlebten Momente mit dem Bungalow im Harz.
An zwei Stellen musste ich tatsächlich lachen:

Georg beginnt zu frieren, steht schließlich auf, öffnet die Tür und tritt in seinem Schlafanzug auf die kleine, überdachte Terrasse.
“Scheiße”, sagt er, zieht zischend Luft durch die Lippen und geht wieder rein.
Der Moment, wenn er erkennt, dass sein Plan nicht so leicht umzusetzen ist, wie er es sich gewünscht hätte. Durch dieses kurze Fluchen hast Du ihm iMA eine Menge Menschlichkeit gegeben.

“Darauf kommt es nicht an. Leg einfach noch ein bisschen Schublade nach!”
Und an dieser Stelle ihr einen großartigen Sinn für Humor.


Dann glaube ich noch, einen klitzekleinen Tippfehler entdeckt zu haben:

Georg legte seine Hand auf die Häckeldecke in der Mitte des Tisches.
Wenige Worte später schreibst Du die Häkeldecke ohne das "c".

Sehr gerne gelesen,
beste Grüße
Seth

 

Hallo @Katta,

da ist sie, die Melancholie, in der ich mich selbst auch oft sehr wohl fühle. Eine leise berührende Geschichte ist das, tatsächlich wie dicke Schneeflocken, die sachte zu Boden fallen und nach und nach alles still machen.

Mein einziges Stutzen nehme ich mal gleich vorweg: Okay, er nimmt eine große Packung Haferkekse mit. Aber von mehr ernährt er sich nicht? So wie ich das lese, ist er ja schon ordentlich in die Jahre gekommen. Und okay, er will ja ursprünglich aus der Datsche auch nicht mehr zurückkehren. Aber die paar Haferkekse am Tag und er klappt nicht zusammen? Hat nicht mal kurz ein Schwindelgefühl oder sowas? Das kam mir ein wenig seltsam vor ...

Den ganzen Tag sitzt er schweigend da und wenn sie fragt, was ihm fehle, dann antwortet er nur: “Du! Du fehlst!”
Das fasst auf kleinstem Raum so viel zusammen. Eine schmerzhafte, aber dennoch in ihrer Klarheit sehr schöne Szene.

Georg beginnt zu frieren, steht schließlich auf, öffnet die Tür und tritt in seinem Schlafanzug auf die kleine, überdachte Terrasse.
“Scheiße”, sagt er, zieht zischend Luft durch die Lippen und geht wieder rein.
Im Bett zieht er die Decke über den Kopf, weint und hält die Augen geschlossen. Er spürt Elma wärmend hinter sich, wagt nicht zu atmen und schläft ein.
Auch hier, gut gemacht, wie ich finde. Seine Trauer, die Verzweiflung, sein Hadern damit, das Leben zu beenden. Zu entdecken, dass er womöglich eben doch noch am Leben hängt, auch wenn das bedeutet, dass damit immer der Schmerz über ihren Tod verbunden sein wird.

“Das glaube ich nicht.”
“Darauf kommt es nicht an. Leg einfach noch ein bisschen Schublade nach!”
Auch sehr stark! Denn genau so ist es doch. Man kann sich nicht vorstellen, dass Schmerz und Trauer verblassen, aber darauf kommt es nicht an. Man muss Schritt für Schritt gehen. Eine Schublade nach der anderen verbrennen. Und irgendwann wird es ein kleines bisschen leichter. Daher auch sehr passend, dass du diesen Satz als Titel deiner Story gewählt hast.

Das Ende gefällt mir auch. Wie sich seine Kinder zu ihm durchschaufeln, weil sie sich Sorgen machen und ihn genau im richtigen Moment freibuddeln - in dem Moment, in dem er dazu in der Lage ist, ihnen allen Kaffee zu machen, sich ihnen und dem Leben wieder zu stellen.

Sie hat eine Schwere, deine Geschichte, sie hätte auch anders ausgehen können, das schwingt da irgendwie für mich mit. Aber dennoch hab ich mich in ihr wohlgefühlt. So dunkel wohl.

Viele Grüße
RinaWu

 

Hallo @lakita,
vielen Dank für deinen Kommentar. Es freut mich natürlich, dass du die Geschichte gerne gelesen hast. Besonders gefreut habe ich mich auch über

dieser Kaffee und die Haferkekse sind quasi so eine Art Gerüst in seinem derzeitigen Leben.
weil ich mir nicht sicher war, ob es nicht total nervt, ob eben klar ist, dass das auch als Ankerpunkt wirken soll, weil viele gibt es da ja nicht. Gerüst ist ein gutes Wort dafür.

Was das Challengethema anbelangt, so habe ich meine Kopfschmerzen, denn es ist eine wirklich traurige Geschichte, beim ersten Lesen standen mir die Tränen in den Augen, was einerseits absolut dafür spricht, wie gut du mich mitgenommen hast in das Leben des Witwers, aber andererseits eben nicht in die Kategorie Wohlfühlgeschichte gehört.
Ja, verstehe ich total. In der Challenge steht auch "leicht und bekömmlich" und das Kriterium ist sicher nicht erfüllt. Was das Wohlfühlen angeht, so ist es schon so, dass ich mich in Trauer und Melancholie schon wohlfühlen kann und auch gerne mal einen Film gucke, wo ich weinen kann. Finde das irgendwie entlastend. Ich habe mich statt auf "leicht und bekömmlich" auf Kissenburg (=Versinken) und Kitsch konzentriert. Und die beiden Kriterien sind für mich erfüllt. Ich wollte einen emotionalen Text schreiben, klar einen traurigen, keinen fröhlich-ausgelassenen, aber halt einen zum drinversinken irgendwie, also wo es ums emotionale Mitschwingen geht. Keine Ahnung, klingt alles irgendwie blöde. Naja und dann durfte es ja kitschig sein. Den Text hätte ich so niemals im KG-Forum gepostet. Ich hatte schon vor der Challenge das Setting, also Witwer in eingeschneiter Hütte und auch Trauer, aber ohne die Erlaubnis Kitsch zu produzieren, hätte ich die so nicht geschrieben. Hatte schon über einige Sachen gegrübelt, wie ich es machen könnte usw., und dann kam die Challenge und dann dachte ich: Ok, dann geh ich den Kitsch-Weg. Ich war mir nicht so sicher, ob es nun guter oder schlechter Kitsch ist, aber bisher sind die Reaktionen ja positiv, darum denke ich, es ist guter Kitsch, aber ja, klar, auch dunkler Kitsch.

Ich würde "seines Sohnes" streichen, denn es ist ja bei jedem der Trauergäste so.
Mnee, da ging es mir darum, aber das ist vielleicht nicht so rübergekommen, dass er hinter seinem Sohn geht und er halt sich so an den Schuhen seines Sohnes quasi festhält. Den Matsch bei den anderen Trauergästen sieht er nicht.

Hier erklärst du resümierend, was du aber schon vorher gut nachvollziehbar beschrieben hast. Daher würde ich diesen Satz streichen.
Das ist gut, dass du das schreibst. Den Satz hatte ich drin, dann draußen, dann drinnen, weil ich sichergehen wollte, dass alle verstehen, dass er die Fürsorge am Anfang nicht will, dann am Ende aber doch wieder offen dafür ist.

Das gefällt mir nicht mit dieser Wiederholung sprachlich. Wie wäre es mit: Er hatte diese Stille gewollt.
Ich denke, das liegt am individuellen Sprech- oder Leserhythmus. Für mich passt es tatsächlich.

Du hast bisher schon so oft darüber geschrieben, was er im Schaukelstuhl macht, dass ich denke, du kannst mutig den Kaffee und die Haferkekse weglassen und schlanker formulieren: "Er sitzt in Elmas Schaukelstuhl, tauscht Erinnerungen mit ihr aus, atmet ihre Präsenz tief ein, hält sie in den Lungen mit geschlossenen Augen."
Yep. Stimme dir zu. Fliegt raus.

Echt jetzt? Gemahlener Kaffee und dann gießt er darauf das heiße Wasser später? Kein Kaffeefilter? Hm...es ist nicht grandios störend, aber für mich irritierend, wie er seinen Kaffee zubereitet.
Hahaha... ja, das ist die normale Reaktion fast aller westdeutsch-sozialisierten Menschen, die ich kenne. Ich selbst trinke gar keinen Kaffee, aber meine Familie, meine Schwiegerfamilie und mein Mann trinken alle den Kaffee so. Wenn Freunde zu Besuch kommen (wohne in Westdeutschland seit über 20 Jahren, bin aber halt in der DDR augewachsen), dann wollen die aber ihren Kaffee immer schön aus der Bodum Kanne.

Der Satz klingt so unrund. Wie wär es mit: "Er gießt den Kaffee auf, dann öffnet er die Tür."
Ja, da war ich auch unzufrieden mit. Ja, er kann den Kaffee auch eben aufgießen und dann die Tür aufmachen.

Liebe lakita, danke nochmal und bis bald unter deiner Geschichte. Bin schon gespannt. Der Titel klingt vielversprechend.

Viele Grüße
Katta

 

Was gerade oben steht, kommentiere ich, so habe ich mir das gedacht.

Komisch: hätte ich nicht geschrieben, was ich eben geschrieben habe, dann wär's was Ähnliches wie deine Geschichte gewesen, was Wehmütiges mit einem versöhnlichen Schluß.

Eine zarte Geschichte lese ich, der Tod einer geliebten Frau, die Erinnerungen, die bleiben, das lange gemeinsame Leben, die Vertrautheit, die auch über den Tod hinaus bestehen bleibt. Denn Erinnerungen leben, schenken auch Leben.

Was mir fehlt in dem Text sind konkrete Erinnerungen. Was ich lese bleibt doch einigermaßen allgemein gehalten. Wie fühlt sich der wärmende Körper Elmas an zum Beispiel oder was verbindet Elma mit den Haferkeksen, die so prominent (und auch kunstvoll als Metapher eingesetzt werden?

Aber ja: ich mag die Geschichte, die Melancholie darin. Das sind so Texte, die hat man (also ich) schon in der einen oder anderen Variante gelesen, aber sie transportieren eben etwas, rühren, das ist gut.

Paar Stellen:

Er sucht Elmas wärmenden Körper neben sich, doch ihr Bett ist leer und kalt, und Georg erinnert sich, wie sein Ältester sie gestern in einer Urne zu Grabe getragen hat. Georg war ihm gefolgt von der Kapelle zum Friedwald.
Wahrscheinlich ist es Absicht, aber die Verbindung der beiden so unterschiedlichen Satzteile finde ich unglücklich.
Im Schlafzimmer nahm er die Sporttasche aus dem Schrank, warf ein T-Shirt und einen Pullover, ein paar Unterhosen und Socken hinein, dann den Bademantel, der die Tasche fast vollständig füllte.
wozu muss ich wissen, dass er einen Pullover einpackt, ein paar Unterhosen usw.?
Er trinkt den Kaffee, isst die Kekse und schaut dem Schnee zu, wie er Zeit und Welt unter sich begräbt. Er hatte Stille gewollt, und er hat Stille bekommen.
im Grunde redundant
Er heizt den Ofen ein und isst im Schaukelstuhl zwei Haferkekse zum Kaffee.
okay, ich kapiere jetzt, warum er genau zwei isst, trotzdem: siehe oben.
“Jeden Tag habe ich Schnee geschippt wie ein Bekloppter.”
Sie lacht. “Es war toll mit uns; das, was wir hatten …”
War toll, gut, aber das ist doch sehr allgemein gehalten, was war das Besondere?
“Papa!”, sagt sein Jüngster. “Geht es dir gut?”
Georg lächelt: “Kommt rein. Ich habe Kaffee gemacht!”
Mit dem Schluß schließt sich der Kreis, gefällt mir.

Viele Grüße
Isegrims

Und die Idee, die Möbel zu verheizen, die mag ich auch.

 

Hallo @dotslash,
hab vielen lieben Dank für deinen Kommentar.

Ein traurig melancholischer Text mit versöhnlichem Ende. Ich empfinde ähnlich wie
@linktofink, es ist nicht unbedingt ein Wohlfühltext. Allerdings ist er sehr einfühlsam geschrieben, so dass ich mit Georgs Verlust-Schmerz mitfühlen konnte.
Einfühlsam geschrieben, das freut mich zu lesen. Mit dem Wohlfühltext ... ja, das ist wohl so.

das hast du fein beschrieben und ich habe die Geschichte von vorne bis hinten genossen. Somit gehört der Text unbeding in die Kissenburg. Jawoll.
Puh! Schön, dass du das so siehst und nicht komplett am Thema vorbei. :bounce:

Hier dachte ich erst, sie sitzen noch im Auto, und das "soll ich bleiben" las ich da mehr so wie "soll ich noch mit reinkommen". Aber vielleicht wirklich nur meine Lesart.
Bisher hat noch niemand was gesagt, aber ich verstehe dein Problem. Ich hab da jetzt noch nicht so richtig eine gute Lösung, aber arbeite dran, dass klar wird, dass er ihn auch ins Haus bringt.

Spannender Dialog, aber für mein Empfinden sind mir die zwei gestrichenen Sätze zu viel.
Ich finde die Metapher “Du hättest mich gegessen und die Kinder gerettet.” stark, wird aber durch die beiden folgenden Sätze mit insgesamt dreimal "hätte" abgeschwächt.
Da hab ich jetzt auch eine Weile drüber nachgedacht und dann beschlossen, du hast Recht. Ich habe den Satz noch ein bisschen umgeschrieben "Du hättest mich gegessen, um die Kinder zu retten!" in der Hoffnung, dass noch klarer wird, was gemeint ist. Linktofink fand das ja unklar.

Absolut authentisch. Es ist einfach zu kalt zum Sterben. Leiser Humor trotz Wehmut, das ist schön.
Ja genau. Es ist einfach zu kalt zum Sterben.

Nase geschnäuzt, mitgelächelt, sehr gerne gelesen.
Hach, das liest sich doch schön. Vielen Dank. Die Häkeldecke habe ich auch verbessert.
Viele Grüße
Katta


Hallo @Seth Gecko,
ich weiß gar nicht so genau, was ich zuerst machen soll. Selber Kommentieren oder auf die Kommentare unter meinem Text zu antworten. Aber hier bin ich und danke dir für deinen Kommentar.

Auch wenn Du mit der Trauerbewältigung ein ernstes Thema wählst, und Dein Text gerade zu Beginn eine gewisse Schwere oder auch Melancholie aufwirft, so schaffst Du es mMn im Laufe der Entwicklung eine Atmosphäre zu erzeugen, die mich glücklich zurücklässt und nicht traurig oder schwermütig.
Das liegt vor allem am passend gewählten Tempo, verbunden mit der Fokussierung auf die schönen Erinnerungen der beiden und die prägenden, gemeinsam erlebten Momente mit dem Bungalow im Harz.
Das freut mich sehr, dass der Text dich nicht traurig zurücklässt. Denn es ist doch besser, eine Person zu verlieren am Ende ihres und des eigenen Lebens mit der man sich so eng verbunden gefühlt hat, als nie so etwas gefühlt zu haben. Und die Verbundenheit die bleibt ja, auch wenn die Person tot ist. Ich denke er hat viele gute Gründe dankbar zu sein und ich denke, dass er das am Ende auch erkennt. Ist ja schließlich ein Happy End! :)
Danke auch für den Rechtschreibfehler. Ist korrigiert.
Viele Grüße
Katta

 

Liebe Katta,
ein Text über Trauer und den allerersten Schritt, einem Leben als Witwer eine Chance zu geben. Das Thema "frisch verwitwet" ist in einer Wohlfühlchallenge natürlich ziemlich sportlich, aber es ist dennoch ein Text der gut tut. Für mich passt das.
Ich sehe deinen Georg in einer Zwischenwelt. Ein Leben ohne Elma kann er sich nicht vorstellen, aber sein Körper ist ganz und gar nicht willens abzutreten. Was er tut und was ihm widerfährt, das ist wie eine Brücke, es braucht Zeit, Haferkekse, Elmas Stimme, Schubladen und vielleicht ein Stück Pragmatismus, um seine Familie willkommen heißen zu können.
Eigentlich ist vieles gut in der Geschichte. Die Ehe war glücklich, die Kinder kümmern sich, Georg bekommt die Zeit, die er braucht und hat eine Datsche im Harz. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass es noch länger dauern könnte, seine Zeit dort, mit mehr Rückschlägen und dass dieser Schwebezustand länger hält. Aber du hast das alles sehr fein komponiert, eins führt zum Nächsten und so hangele ich mich als Leserin mit ihm von Haferkeks zu Haferkeks.

In den frühen Morgenstunden beginnt Georg unter seiner dünnen Bettdecke zu frieren. Er sucht Elmas wärmenden Körper neben sich, doch ihr Bett ist leer und kalt, und Georg erinnert sich, wie sein Ältester sie gestern in einer Urne zu Grabe getragen hat.
Es gefällt mir, wie du mit wenigen Worten das Wichtigste sagst, um die Situation zu zeigen.
Der Nieselregen, der seit Tagen fiel, hatte die Erde des Friedhofwegs aufgeweicht. Matsch quoll unter den Schuhen seines Sohnes hervor und blieb haften. Die Schuhe traten auf eine Wiese und blieben stehen. Kurz nur hat Georg das kleine Loch im Rasen gesehen, umlegt mit Tannengrün.
Und hier finde ich es großartig, wie ich mit Georg den Blick senke.
Eine weiße Porzellankanne mit blauen Punkten hätte auf der Häkeldecke stehen müssen, mit einem Bund frischer Blumen darin.
Und hier auch in wenigen Strichen das gezeigt, was Elma ausgemacht hat, was jetzt fehlt.
r legte sein Handy auf den Küchentisch, daneben einen Zettel: Brauche eine Auszeit. Bin im Harz. G.
Kurz vor Mitternacht erreichte er den kleinen Bungalow, parkte das Auto an der Straße und stapfte den schmalen Pfad zum Haus durch wattigen, knöchelhohen Schnee.
Ich widerhole mich, aber auch hier hast du einen guten Rythmus, das sind nicht zu viele Worte, die Handlung geht eigentlich zügig voran. Seine Entschiedenheit zeigt schon, das das kein Mann ist, der zusammenbrechen wird, auch wenn er jetzt noch keine Idee hat, wie er weiterleben soll.

Er setzt sich vor das Fenster in den Schaukelstuhl aus Ratangeflecht, in dem Elma so gern gelesen hat.
Ich glaube, es heißt Rattangeflecht.
“Es geht nicht ohne dich!”, sagt er. “Nach 57 Jahren, wie soll das gehen ohne dich?”
Ich wundere mich auch immer, wie viele es dann doch schaffen weiterzumachen, wenn der Partner stirbt.
Er legt zwei Scheite Brennholz nach, geht in die Küche, kocht sich einen Kaffee und steckt zwei Haferkekse in die Tasche seines Schlafanzugs, setzt sich wieder in den Schaukelstuhl und schaut der Schneedecke hinterm Fenster beim Wachsen zu.
einfach erstmal überleben.
“Ein paar Mal war es aber ganz schön knapp!”
“Das stimmt”, sagt er. “Besonders nach Andreas’ Geburt. Ich brauchte eine Weile, um zu akzeptieren, dass du die Kinder mehr liebst als mich.”
“So war es nicht!”
“Du hättest mich gegessen, um die Kinder zu retten.”
“Ich will nicht, dass du dich in den Schnee legst.”
Und hier gelingt es dir, der Kitschfalle zu entgehen. Auch diese Ehe hatte ihre Themen, Kränkungen. Schön, wie sie auf den Vorwurf reagiert. Subtext: "Ich war dir nicht wichtig genug" "Du bist mir wichtig"
“Scheiße”, sagt er, zieht zischend Luft durch die Lippen und geht wieder rein.
Eine Prise Humor. Tut auch gut.
“Ich habe Angst, dass es aufhört zu schneien.”
“Es wird wieder Sommer sein und du wirst mit Lorenz und Aike Fußball spielen und mit Lotta Hoppe-hoppe-Reiter. Sie wird auf deinem Schoß sitzen und sagen: “Mal Opa, mal Opa!”, und am Ende des Tages wirst du erschöpft sein. Und glücklich.”
“Das glaube ich nicht.”
“Darauf kommt es nicht an. Leg einfach noch ein bisschen Schublade nach!”
Mein Lieblingssatz.
Er sitzt in Elmas Schaukelstuhl, trinkt Kaffee, isst Haferkekse, tauscht Erinnerungen mit ihr aus und immer wieder atmet er ihre Präsenz tief ein, hält sie in den Lungen mit geschlossenen Augen.
"Präsenz" finde ich ja nicht so schön. Vielleicht sogar "Duft"?
“Elmas Lachen. Es ist vollmundig wie ein im Holzfass gereifter Wein mit einem leichten Keckern darin.”
Einen sinnlichen lebensfrohen Menschen zeichnest du da.
“Papa!”, sagt sein Jüngster. “Geht es dir gut?”
Georg lächelt: “Kommt rein. Ich habe Kaffee gemacht!”
Und da habe ich jetzt doch ein Tränchen verdrückt, obwohl ich es schon zum zweiten Mal lese.

Ich mag die Klarheit in dem Text, die Figuren, die sich wiederholen, das Bodenständige. Und wie du siehst habe ich kaum Veränderungsvorschläge. Schöne Geschichte.

Liebe Grüße von Chutney

 

Hallo,
ich habe gerade deinen Text gelesen und jetzt sind die Tränen langsam versiegt. Ich war auch zunächst sehr verblüfft, diesen Text in dieser Challenge zu lesen, da er auf den ersten Blick kein Wohlfühl-Text ist. Für mich passt er aber dennoch wunderbar in diese Kategorie, da er sicherlich ein Fühl-Text ist und zumindest mich gerade in dieser Zeit meinen Gefühlen näher bringt und dafür sorgt, dass ich nach Innen schaue und das ganze Gewusel im Außen ein wenig vergessen kann.
In mir ist eine Sehnsucht nach Familienleben entstanden und ich habe mich gefragt, wer mich in dieser Situation freibuddeln würde. Mit diesen Fragen kann ich schon sehr gut in Kissen einsinken.

Ein paar kleinere Kommentare:
ich fand den Anfang etwas holprig, wenn ich nach 10 bis 15 Zeilen nur Fragezeichen habe, bin ich oft gewillt, den Text liegen zu lassen und habe mich gefreut, mich darüber hinweg zu setzen, ein etwas klarerer Einstieg hätte mir gut getan.
Klarheit hätte mir auch gut getan: er scheint eine Gaststätte gehabt zu haben? Eine Ferienwohnung im Harz? Wozu dienen die Haferkekse? Selbstzerstörerisches Verhalten und einzige Nahrung für ein Wochenende?
Wenn ich einen Text im Gefühl lese, stören mich dann solche ungeklärten Logik- und Sachfragen

Großartiger Text,
Danke,
bruegge

 

Wir kennen uns noch nicht, @Katta , daher erst einmal ein Hallo an dich von meiner Seite.
Du bist die zweite außer @Chutney, bei der ich mir gewünscht hätte, du hättest deinen Text außerhalb der Challenge gepostet. Das liegt daran, dass ich ihn total schön und berührend finde, mich aber nicht wirklich wohlfühle, wenn ich ihn lese. Zu sehr schnürt es mir den Hals zu, wenn ich von dem Verlust Georgs lese. Und eigentlich spricht das für deine Erzählkunst und deinen Stil, ganz ohne "eigentlich", sondern es spricht total für deine Erzählkunst. Aber es ist mir dennoch zu nah, zu bedrückend, auch wenn Georg ins Leben zurückfindet. Das hat möglicherweise viel mehr mit mir selbst zu tun, und meiner Situation als mit deinem Text und dem Challengethema. Davon abgesehen aber ist dein Text sehr stark, sehr beeindruckend, wie sensibel du die inneren Monologe des Mannes schreibst. Wie du dich eingefühlt hast in seine Trauer und in seine sehr persönliche Art, wieder ins Leben zurückzufinden.
Dankeschön
Viele Grüße von Novak

 

Hey @Katta ,

also ich habe mich sehr wohl in deinem Text gefühlt, trotz des Themas. Das hat aber sehr private Gründe und es liegt daran + das ich den Text einfach richtig gern mag.
1. Irgendwie hätte das auch gut ein Text von mir sein können. Oder sagen wir, wenn ich mich dieses Themas angenommen hätte, wünschte ich, ein ähnlicher Text wäre dabei rumgekommen. Vielleicht ist da eher der Wunsch Vater des Gedankens. Aber ich fühl mich dem halt irgendwie total nah.
2. Dieser Bungalow im Harz - ohne Scheiß jetzt - ich war in genau dem auch schon. Im Winterurlaub. Ich schwöre. Jedes Detail hat 1:1 gepasst. Dachte echt schon, ich spinne.
3. In einem anderen Winterurlaub, am Arsch der Welt, da sind wir angekommen und wo wir den Schlüssel abgeholt haben, sagte man uns gleich, fahrt mal einkaufen, wir schneien ein. Und hier kommt keiner zu räumen. War dann auch so. Und als ich schon auf Arbeit anrufen wollt: Sorry, komm hier nicht weg, hat der Bauer vom Ort mit seinem Traktor ... Hätte er mal gut auch noch zwei Tage warten können mit :D Die drei Häuser die es da gibt, die Leute haben alle noch nen Herd mit Feuer oder nen Propangas-Campingdings stehen, weil denen auch gern mal der Strom für länger ausfällt. Wohnste am Arsch, biste am Arsch :D
Da hast Du bei mir natürlich an Punkte angedogt, die für mich ausschließlich positiv besetzt sind und das traurige des Textes konnte sich bei mir gar nicht recht entfalten. Und trotzdem finde ich das so liebevoll, dass wirkt auf mich so echt und nachvollziehbar alles, dass ich da nichts in Frage stelle. So gar nichts. Ich habe nicht mal Lust nach irgendeinem Komma zu suchen. Deshalb kriegste von mir auch nichts an Kritik. Ich habe den Text genossen und will mir dieses Gefühl jetzt auch nicht kaputt machen, indem ich die Scharfbrille aufsetzen.
Einzig die Kekse gingen mir irgendwann auf den Zeiger. Ich versteh schon, dass sich darin die Monotonie spiegeln soll, aber ehrlich, hätte sie auch getan, wenns nicht ganz so oft daher käme. Irgendwann dachte ich: habe ich doch schon begriffen. Will sagen, für mich hatten die sich recht bald totgelaufen.
Aber sonst, ach, sehr, sehr schön. Ich suche noch Lieblingsstellen raus, damit Du noch bisschen mehr von meiner Begeisterung hast ;).

Mit der fange ich an:

Eine weiße Porzellankanne mit blauen Punkten hätte auf der Häkeldecke stehen müssen, mit einem Bund frischer Blumen darin. Georg zog die Hand weg und stand auf.

Es ist hell, als er erneut erwacht.
Okay, hier haste doch was von mir ...

Seit ihrem Tod war mindestens einmal am Tag eines der Kinder vorbei gekommen, um nach ihm zu sehen, wie nach einem Dreijährigen, der allein im Garten spielte.
Ja, auch Führsorge hat seine Grenzen. Und wenn noch so viel Liebe drinsteckt.

Eine dicke, weiße Schicht liegt über der Welt und Stille umgibt das kleine Haus, eine Stille so tief, als ob alle Zeit hineingefallen wäre.
...
Er trinkt den Kaffee, isst die Kekse und schaut dem Schnee zu, wie er Zeit und Welt unter sich begräbt. Er hatte Stille gewollt, und er hat Stille bekommen.
nice

Den ganzen Tag sitzt er schweigend da und wenn sie fragt, was ihm fehle, dann antwortet er nur: “Du! Du fehlst!”
...
“Es geht nicht ohne dich!”, sagt er. “Nach 57 Jahren, wie soll das gehen ohne dich?”
Das geht mich richtig an.

“Du hättest mich gegessen, um die Kinder zu retten.”
“Ich will nicht, dass du dich in den Schnee legst.”
Mega! Die zwei Sätze, da steckt echt eine ganze Ehe drin. Wahnsinn.

Er verschränkt die Hände hinterm Kopf und stellt sich vor, er läge draußen im Schnee und schaute in den asphaltgrauen Himmel. Am ganzen Körper hat er Gänsehaut, die Muskeln zittern, um sich selbst zu wärmen.
Das ist auch irgendwie so krass, dieses: Ich übe hier mal sterben. Boah. Aber ich kauf ihm das ab. Sofort.

“Es wird wieder Sommer sein und du wirst mit Lorenz und Aike Fußball spielen und mit Lotta Hoppe-hoppe-Reiter. Sie wird auf deinem Schoß sitzen und sagen: “Mal Opa, mal Opa!”, und am Ende des Tages wirst du erschöpft sein. Und glücklich.”
“Das glaube ich nicht.”
“Darauf kommt es nicht an. Leg einfach noch ein bisschen Schublade nach!”
:herz:

Georg geht ins Schlafzimmer, zieht den Schlafanzug aus, den er seit der ersten Nacht hier trägt, macht das Bett und packt die Tasche. Er stellt drei Tassen zu seiner auf die Küchenplatte, füllt alle mit gemahlenem Kaffee und setzt Wasser auf. Als das Wasser kocht, hört er die Kinder auf der Terrasse den Schnee von den Schuhen trampeln. Er gießt den Kaffee auf und öffnet die Tür.
Den letzten Dialog brauche ich nicht. Tut aber auch keinem weh. Ich mag das Ende sehr und hätte mir für diesen Text auch kein anderes gewünscht.

Schönes Wochenende!
Beste grüße, Fliege

 

Hallo @Katta,

finde deinen Text außergewöhnlich und er ging mir richtig unter die Haut; allerdings hat er mich stark bedrückt und bei mir kam kein Wohlfühlgefühl auf. Ich habe etwas darüber nachgedacht und ich glaube, dass der Konflikt, die Thematik des Verlustes einfach an sich schon ein K.O. Kriterium für mich bei dieser Challenge ist. Bin einer der Verfechter, dass ich eine Wohlfühlgeschichte von Anfang bis Ende genießen will und in diesem Bereich habe ich wenig Lust, mich auf existentielle Konflikte einzustellen, auch wenn Georg am Ende eine Lösung für sich findet. Verstehe mich bitte nicht falsch, deine Fähigkeit bei mir diese bedrückte Stimmung hervorzurufen finde ich sehr beeindruckend, allerdings habe ich hierbei meine Wohlfühl-Kissenburg-Brille auf.

Hier ein paar Beispiele:

Er sucht Elmas wärmenden Körper neben sich, doch ihr Bett ist leer und kalt, und Georg erinnert sich, wie sein Ältester sie gestern in einer Urne zu Grabe getragen hat.
Uff, harter Tobak. Nichts ahnend hinein gestartet und ich werde mit dem Tod konfrontiert, wo ich doch eigentlich der Realität für einen kurzen Moment entfliehen will, die Augen vor all dem Negativen, der Pandemie und den Problemen des Alltags verschließen will. Daher ist mir das zu schwer, der Konflikt zu gravierend. Denke, dass das vor allem an meinem eigenen Geschmack liegt und wie ich die Challenge interpretiere.

Eine weiße Porzellankanne mit blauen Punkten hätte auf der Häkeldecke stehen müssen, mit einem Bund frischer Blumen darin. Georg zog die Hand weg und stand auf. Das orange Licht der Straßenlaternen erhellte das Zimmer.
Autsch, das wird immer bedrückender und spricht für deine schriftstellerischen Fähigkeiten.

Seit ihrem Tod war mindestens einmal am Tag eines der Kinder vorbei gekommen, um nach ihm zu sehen, wie nach einem Dreijährigen, der allein im Garten spielte.
Ich habe richtig Mitleid mit ihm, aber ich merke auch, wie es mir den Hals zuschnürt, ich an meinen Opa denken muss und erst einmal eine Pause von dem Text brauchte.

“Es geht nicht ohne dich!”, sagt er. “Nach 57 Jahren, wie soll das gehen ohne dich?”
“Papa!”, sagt sein Jüngster. “Geht es dir gut?”
Georg lächelt: “Kommt rein. Ich habe Kaffee gemacht!”

Ich verstehe schon das Konzept dahinter, allerdings konnte ich es nicht richtig nehmen, für mich war das etwas zu viel, was diese Challenge angeht.

Insgesamt finde ich das sehr gut geschrieben und gerade weil es so unter die Haut geht, hat es für mich die Kissenburg gesprengt.

Beste Grüße
MRG

 

Hallo @RinaWu,
hab vielen Dank für deinen Kommentar. Habe mich sehr gefreut.

Eine leise berührende Geschichte ist das, tatsächlich wie dicke Schneeflocken, die sachte zu Boden fallen und nach und nach alles still machen.
Das klingt schön.
Mein einziges Stutzen nehme ich mal gleich vorweg: Okay, er nimmt eine große Packung Haferkekse mit. Aber von mehr ernährt er sich nicht? So wie ich das lese, ist er ja schon ordentlich in die Jahre gekommen. Und okay, er will ja ursprünglich aus der Datsche auch nicht mehr zurückkehren. Aber die paar Haferkekse am Tag und er klappt nicht zusammen? Hat nicht mal kurz ein Schwindelgefühl oder sowas? Das kam mir ein wenig seltsam vor ...
Also das hatte ich mich wegen des Kaffees gefragt, wenn der nix anderes trinkt als Kaffee. Ich glaube wirklich, dass die Haferkekse reichen, der futtert ja schon ein paar davon am Tag. Und im Grunde sind es nicht so viele Tage, ich hatte mich eher gesorgt, dass die Kekse nicht bis zum Ende reichen. Dass du liest, dass er aus der Datsche nicht mehr zurückkehren will, ist interessant. So lese ich es nämlich nicht. Für mich entwickelt sich das so im Verlauf des Tags, aber dann ...
Zu entdecken, dass er womöglich eben doch noch am Leben hängt, auch wenn das bedeutet, dass damit immer der Schmerz über ihren Tod verbunden sein wird.
erkennt er eben, dass Freitod auch keine Lösung ist. Ich denke, das wird ihm so nach und nach klar.

Denn genau so ist es doch. Man kann sich nicht vorstellen, dass Schmerz und Trauer verblassen, aber darauf kommt es nicht an. Man muss Schritt für Schritt gehen.
Schön, dass es genauso funktioniert, wie es gedacht war.

Sie hat eine Schwere, deine Geschichte, sie hätte auch anders ausgehen können, das schwingt da irgendwie für mich mit. Aber dennoch hab ich mich in ihr wohlgefühlt. So dunkel wohl.
Dunkelwohl. Find ich gut. Anders ausgehen hätte sie für mich nicht können, denn er ist ingesamt zu gut aufgestellt irgendwie, sowohl kognitiv als auch emotional als auch sozial.
Viele Grüße
Katta

Hallo @Isegrims,
auch dir danke für deinen Kommentar.

Eine zarte Geschichte lese ich, der Tod einer geliebten Frau, die Erinnerungen, die bleiben, das lange gemeinsame Leben, die Vertrautheit, die auch über den Tod hinaus bestehen bleibt. Denn Erinnerungen leben, schenken auch Leben.
Ich freue mich echt, dass das eigentlich bei den allermeisten doch genauso ankommt. Das sind alles Worte, mit denen ich etwas anfangen kann in Bezug auf den Text.
Was mir fehlt in dem Text sind konkrete Erinnerungen. Was ich lese bleibt doch einigermaßen allgemein gehalten. Wie fühlt sich der wärmende Körper Elmas an zum Beispiel oder was verbindet Elma mit den Haferkeksen, die so prominent (und auch kunstvoll als Metapher eingesetzt werden?
Ja, da habe ich überlegt und gehadert und überlegt. Ich wollte aus der Geschichte keine abendfüllende Beschäftigung machen und dann war da so die Überlegung in eine konkrete Erinnerung wirklich reinzugehen, das hätte aber echt Raum benötigt und mir schien das nicht so richtig zielführend. Darum hab ich quasi einen konkrete Konflikt thematisiert (Ich war dir nie so wichtig wie du mir) und die Erinnerung mit dem Einschneien. Aber ich führe die nicht weiter aus, auch um da irgendwie ein Gleichgewicht zu halten. Was Elma mit den Haferkeksen verbindet? Keine Ahnung, das darfst du dir selbst überlegen und ich finde schön, wenn du sie als Metapher liest. In meiner Kopfversion hat sie die gekauft, klar, sie hat die Einkäufe erledigt. Tatsächlich habe ich die nicht als Metapher eingesetzt, die waren lediglich dazu da, ihn mit Nahrung zu versorgen und dem Text ein bisschen Aktion/Handlung zu verleihen, damit er auch mal aus seinem Schaukelstuhl aufsteht. Mehr nicht tatsächlich :Pfeif:
Aber ja: ich mag die Geschichte, die Melancholie darin. Das sind so Texte, die hat man (also ich) schon in der einen oder anderen Variante gelesen, aber sie transportieren eben etwas, rühren, das ist gut.
Ja, sicher, ich habe da das Rad nicht neu erfunden. Ich sehe mich selbst aber auch als Anfängerin und da versuche ich erstmal mich in bekannten und vertrauten Strukturen zu bewegen und die irgendwie zu "meistern" und dann, wenn ich das Gefühl hab, halbwegs zu wissen, was ich tue, schauen wir mal, was noch so kommt ;-)
Wahrscheinlich ist es Absicht, aber die Verbindung der beiden so unterschiedlichen Satzteile finde ich unglücklich.
Ja, weder die eine, noch die andere Version ist für mich wirklich zufriedenstellend.

wozu muss ich wissen, dass er einen Pullover einpackt, ein paar Unterhosen usw.?
Musst du nicht, aber ich brauchte einen Übergang. Er sitzt am Tisch und steht auf. Wäre halt auch komisch, wenn er dann einfach handy und Zettel auf den Tisch legt. Vielleicht hätte es nur Tasche packen auch getan, aber dann hätten die Haferkekse und der Kaffee gefehlt.
im Grunde redundant
Ja klar, aber ich mag's bisher noch :)

okay, ich kapiere jetzt, warum er genau zwei isst, trotzdem: siehe oben.
Trotzdem siehe oben? Was meinst du damit? Und warum isst er denn genau zwei?

War toll, gut, aber das ist doch sehr allgemein gehalten, was war das Besondere?
Ja, stimmt. Vielleicht fällt mir da noch etwas ein, was aussagekräftiger ist und auch nicht viel länger. Da überlege ich noch mal ...
Viele Grüße
Katta

Hallo @Chutney,
auch dir vielen Dank für deinen so schönen Kommentar.

Das Thema "frisch verwitwet" ist in einer Wohlfühlchallenge natürlich ziemlich sportlich, aber es ist dennoch ein Text der gut tut. Für mich passt das.
Ja, ich weiß und ich bin wirklich über jede:n froh, der sagt, dass es für ihn/sie trotzallem passt.

Ich sehe deinen Georg in einer Zwischenwelt. Ein Leben ohne Elma kann er sich nicht vorstellen, aber sein Körper ist ganz und gar nicht willens abzutreten. Was er tut und was ihm widerfährt, das ist wie eine Brücke, es braucht Zeit, Haferkekse, Elmas Stimme, Schubladen und vielleicht ein Stück Pragmatismus, um seine Familie willkommen heißen zu können.
Und ich finde so schön zu lesen, wie der Text so in den Kommentaren zusammengefasst wird. Auch dies hier, das liest sich einfach schön, da kann ich nur sagen: Ja, genau so war es gemeint.

Eigentlich ist vieles gut in der Geschichte. Die Ehe war glücklich, die Kinder kümmern sich, Georg bekommt die Zeit, die er braucht und hat eine Datsche im Harz. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass es noch länger dauern könnte, seine Zeit dort, mit mehr Rückschlägen und dass dieser Schwebezustand länger hält. Aber du hast das alles sehr fein komponiert, eins führt zum Nächsten und so hangele ich mich als Leserin mit ihm von Haferkeks zu Haferkeks.
Ja, deswegen dachte ich, dass es in die Challenge passt, weil doch sooooo viel gut ist. Ich habe keine Datsche im Harz. Und ich hätte gerne auch eine mit bodentiefem Fenster und Ausblick zum Wald. Naja, dafür bin ich wirklich glücklich mit meiner Familie :-) Ich hatte auch gedacht, das alles länger andauern zu lassen, hatte aber Angst zu langweilen und der Text sollte nicht zu lang werden.

Ich widerhole mich, aber auch hier hast du einen guten Rythmus, das sind nicht zu viele Worte, die Handlung geht eigentlich zügig voran. Seine Entschiedenheit zeigt schon, das das kein Mann ist, der zusammenbrechen wird, auch wenn er jetzt noch keine Idee hat, wie er weiterleben soll.
Freue mich sehr das zu lesen. Hatte versucht zügig voranzukommen mit der Handlung und trotzdem einen Rhythmus zu haben und Stimmung aufzubauen. Und ja, genauso ist er in meinem Kopf auch. Bei aller Trauer dann doch zu stabil, um sich irgendetwas anzutun ...

Ich glaube, es heißt Rattangeflecht.
Danke, ändere ich.

Und hier gelingt es dir, der Kitschfalle zu entgehen. Auch diese Ehe hatte ihre Themen, Kränkungen. Schön, wie sie auf den Vorwurf reagiert. Subtext: "Ich war dir nicht wichtig genug" "Du bist mir wichtig"
Hehe, da bin ich ja nicht so sicher, dass ich der Kitschfalle entgangen bin. Aber wenn es "guter Kitsch" ist, dann bin ich schon zufrieden. Das war im Grunde mein Ziel.

"Präsenz" finde ich ja nicht so schön. Vielleicht sogar "Duft"?
Ja, das Wort hat mich auch gestört. Ich werde es einfach löschen und "sie" einsetzen.
Vielen Dank liebe Chutney und
viele Grüße
Katta

Lieber @Bruegge,
auch dir vielen Dank für deinen Kommentar.

Für mich passt er aber dennoch wunderbar in diese Kategorie, da er sicherlich ein Fühl-Text ist und zumindest mich gerade in dieser Zeit meinen Gefühlen näher bringt und dafür sorgt, dass ich nach Innen schaue und das ganze Gewusel im Außen ein wenig vergessen kann.
Ich freue mich wirklich über jeden Kommentar, der den Text nicht vollkommen neben der Challenge findet.

ich fand den Anfang etwas holprig, wenn ich nach 10 bis 15 Zeilen nur Fragezeichen habe, bin ich oft gewillt, den Text liegen zu lassen und habe mich gefreut, mich darüber hinweg zu setzen, ein etwas klarerer Einstieg hätte mir gut getan.
Hier bräuchte ich noch mal deine Hilfe, weil ich keine Ahnung habe, was dir unklar ist. Also Georg beginnt im Bett zu frieren, sucht Elma neben sich und als er sie nicht findet, erinnert er sich, dass sie beerdigt worden ist. Er erinnert sich an die Beerdigung und wie er zur Hütte im Harz gefahren ist. Bis wohin warst du denn nicht orientiert? Und was hätte es gebraucht?

Klarheit hätte mir auch gut getan: er scheint eine Gaststätte gehabt zu haben? Eine Ferienwohnung im Harz? Wozu dienen die Haferkekse? Selbstzerstörerisches Verhalten und einzige Nahrung für ein Wochenende?
Wenn ich einen Text im Gefühl lese, stören mich dann solche ungeklärten Logik- und Sachfragen
Ähm ... ich habe wirklich keine Ahnung, wie du darauf kommst, dass er eine Gaststätte hat? :confused: Wegen des Leichenschmaus im "Drei Möwen"? Ich kenne das so, dass die Trauergesellschaft sich in ein Restaurant zum Leichenschmaus trifft. Ja, er hat einen Bugalow im Harz. Wird das nicht klar? "Bin im Harz" schreibt er und fährt dann zielstrebig zu einem Bungalow. Die Haferkekse packt er ein, weil er sie eben im Vorratsschrank findet und irgendwas muss er ja essen und es ist ja eher ein spontaner Entschluss. Du bist jetzt tatsächlich der Erste, der schreibt, dass der Einstieg unklar ist und der so viele offene Fragen hat ... Darum schreib gerne noch mal, was genau du gebraucht hättest, dann schaue ich noch mal ...
Viele Grüße
Katta

 

Hallo Katta,

ich hatte, unabhängig von der Geschichte, Probleme, mir ein richtiges Bild von Georg zu machen. Der erste Eindruck war ein alter Mann, der von den Kindern gestützt werden muss: unsicher auf den Beinen, hilflos und auf den ersten Blick desorientiert (beim Aufwachen und der Suche nach Elma). Dann die faltige, fleckige Haut. Da hatte ich fast ein Greis vor Augen.
Dann aber kommt ein ganz anderer Eindruck. Er benutzt eine Sporttasche, trägt T-Shirts und hat auch noch ein Handy. Zu alledem fährt er ein paar Stunden nachts im Auto in den Harz, trotz Winterwetter.
Ich wusste nun wirklich nicht, wie ich ihn mir in Statur, Elan und Beweglichkeit vorstellen sollte. :confused:

Für mich war die Geschichte nicht traurig, so komisch sich das anhört, sondern ein folgerichtiger Ablauf. Eigentlich habe ich erwartet, dass er sich in den Schnee legt und stirbt, um seiner Elma wieder nahe zu sein. Ich habe das bei meinen Schwiegereltern erlebt: Beide 93, sie stirbt und er ohne direkte Erkrankung 6 Wochen später. Wenn man 60 Jahre zusammen war, gibt es vielleicht kein "Danach", es ist nicht vorstellbar und will auch nicht gelebt werden.
Ich bin der Meinung, dass das Thema Tod und der Umgang damit viel zu sehr im Abseits ist und nicht immer als schlecht und schlimm und traurig angesehen werden muss.
Wer trauert, sind die Zurückgebliebenen und die Trauer ist - so hart wie das klingt - reiner Egoismus. Der Schmerz haben nur die Zurückgebliebenen, nicht derjenige, der gehen will. Wenn es Georg mit sich und seiner Situation besser gegangen wäre, zu sterben, wäre das für mich genauso ein gutes Ende gewesen wie die in der Geschichte erzählte.

Ich finde, du hast die Trauerbewältigung der ersten Tage von Georgs Verlust sehr gut erzählt. Die einzige Nahrung mit den Haferkeksen habe ich nicht hinterfragt, wenn man richtig trauert, hat man auch keinen Hunger und alten Menschen essen sowieso nicht mehr soviel.
Seine Kinder haben es sicher gut gemeint - und ihn trotzdem genervt mit ihrer Überfürsorge, so dass er einfach ausbrechen musste.

Ich finde, du hast ein wichtiges Thema aufgegriffen und da es stimmig insofern war, dass Elma eine alte Frau und es kein dramatischer Tod war (kein junger Mensch, Unfall, Krebs ...), sondern vorauszusehen, sollte man ein ein liebevolles Annehmen der Situation gutheißen. Das kann dann auch zu einer Art Wohlfühlen werden.
Vielen Dank für diesen Textbeitrag.

Katta schrieb:
Gegenüber auf dem Parkplatz von Edeka parkten Menschen ihre Autos und huschten durch den Regen zu den Einkaufswagen.
Parkplatz parkten - das ist nicht schön. ...stellten Menschen ihre Autos ab ... vielleicht?

Brauche eine Auszeit. Bin im Harz. G.
Die Kinder nennen ihn Papa - und trotzdem nimmt er G. als Abkürzung?

das kleine, dunkle Loch im Rasen, nicht viel größer als der Kopf eines Erwachsenen und eine Urne, die herabgelassen wird.
In dem Zusammenhang finde ich den Vergleich mit einem Kopf sehr komisch, das erzeugt ein sehr skurilles Bild in mir. Mir würde etwas Neutraleres wie Fussball besser gefallen.

Vom Bett aus kann er Eisblumen auf den Fensterscheiben sehen und hinter den Scheiben fällt Schnee in großen, dichten Flocken.
Zweimal die Scheiben, das geht auch geschmeidiger:
Vom Bett aus kann er Eisblumen auf den Fensterscheiben sehen und dahinter fällt Schnee in großen, dichten Flocken.


Er setzt sich vor das Fenster in den Schaukelstuhl aus Ratangeflecht, in dem Elma so gern gelesen hat.
Rattan

Erst zieht er seinen Bademantel wieder über, dann holt er sich die Wolldecke vom Sofa und schließlich legt er sich ins Bett unter Elmas dicke Daunendecke, liegt lange wach und kann auch wieder weinen irgendwann.
Das irgendwann am Ende passt für mich da nicht rein.

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo liebe @Novak,
hab vielen Dank für deinen Kommentar.

Du bist die zweite außer @Chutney, bei der ich mir gewünscht hätte, du hättest deinen Text außerhalb der Challenge gepostet. Das liegt daran, dass ich ihn total schön und berührend finde, mich aber nicht wirklich wohlfühle, wenn ich ihn lese. Zu sehr schnürt es mir den Hals zu, wenn ich von dem Verlust Georgs lese.
Oje, warum denn gewünscht, dass ich ihn außerhalb der Challenge gepostet hätte? Ich hoffe nicht, dass dich der Text irgendwie blöde überrascht hat und ganz unerwartet runtergezogen hat, weil so anders als vielleicht von dir erwartet ...

Aber es ist mir dennoch zu nah, zu bedrückend, auch wenn Georg ins Leben zurückfindet. Das hat möglicherweise viel mehr mit mir selbst zu tun, und meiner Situation als mit deinem Text und dem Challengethema. Davon abgesehen aber ist dein Text sehr stark, sehr beeindruckend, wie sensibel du die inneren Monologe des Mannes schreibst. Wie du dich eingefühlt hast in seine Trauer und in seine sehr persönliche Art, wieder ins Leben zurückzufinden.
Ja, das kann ich wohl verstehen. Vielleicht habe ich die Challenge ja auch falsch verstanden. Mir war natürlich bewusst, dass ich das Risiko eingehe, dass Menschen sich mit meinem Text nicht wohlfühlen (wobei ich natürlich niemandem zu nahe treten wollte), aber ich dachte, ich schreibe einen Text mit dem und in dem ich mich wohlfühlen würde, wenn ich ihn lesen würde. Und es war Januar und ich melancholisch und sowas mit Rückzug und Ruhe und Bedacht und innerer Einkehr und dabei aber auch zu einer Zugenwandtheit dem Leben gegenüber zu finden, zu einer friedvollen Akzeptanz auch Gefühlen gegenüber, das war am ehesten was ich brauchte, um mich wohlzufühlen. Für mich ist Tod sicher anders konnotiert als für dich, was auch daran liegen mag, dass in deinem Leben gerade andere Dinge eine Rolle spielen als in meinem oder auch daran, dass wir einfach zwei verschiedene Menschen sind.
Es freut mich aber, dass du abgesehen vom Verfehlen des Challenge-Themas (was ich gut annehmen kann) den Text so beschreibst, wie du ihn eben beschreibst.
Danke fürs Lesen und Teilhabenlassen an deinen Gedanken dazu.
Viele Grüße
Katta

 

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