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Das Auge fürs Detail

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01.09.2005
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Das Auge fürs Detail

Hermann wollte Lokführer werden. Oder Schaffner. Er liebte die Bahn, alles rund um die Eisenbahn, fuhr als Kind mit dem Fahrrad zu einer Brücke und sah dem Zug zu, der darunter her fuhr. Dann wartete er, bis der nächste kam. Wenn er zu lange wartete, bekam er vom Vater Ärger, weil er solange fort gewesen war. Trotzdem tat er es immer wieder, selbst wenn es was mit dem Rohrstock gab.
Einmal hatte er sich eine Zugfahrt zu Weihnachten gewünscht, aber es gab nur eine schlecht geschnitzte Holzlok. Als es Zeit war für die Lehre, wurde er Schlosser. Davon konnte man leben. Mehr hatte der Vater dazu nicht zu sagen. Dieses Luftschloss, bei der Eisenbahn zu arbeiten. Diesmal hieß es: Du bist zu alt für so einen Kinderkram. Mach was Handfestes. Verziehen hatte Hermann seinem Vater das erst, als die Erde aus seiner Hand auf den Deckel des Sarges prasselte. Und selbst da noch nicht so richtig.
Dabei hatte sein Vater Recht gehabt. Hermann wurde kein Millionär, doch es reichte für ein Haus auf Kredit und ohne Kinder auch für ein Hobby. Den ersten Zug bekam er von Anneliese zum zwanzigsten Hochzeitstag geschenkt. Sie hatte eigentlich gedacht, er würde ihn sich irgendwo im Haus aufstellen, im Wohnzimmer vermutlich, und das wäre es dann. Stattdessen hatte sie den Grundstein gelegt für seine Leidenschaft, seinen Ersatztraum, sein kleines elektrisch betriebenes Paradies. Nach Feierabend und an den Wochenenden wurde er darin wiedergeboren. Expandierte. Ein Universum der Schienen.
Vom Frühschoppen kannte er Uwe Machule von der Sparkasse. Die dreitägige Modellbahnausstellung in deren Foyer war bald ein fester Eintrag im Kalenderjahr der Stadt, in der Bedeutung auf Augenhöhe mit dem Weihnachtsmarkt, der aus vier Buden bestand und ein verlängertes Wochenende dauerte. Dem Erdbeerfest. Schützenfest. Das große Grünkohlessen der CDU im alten Rathaus. Das große Grünkohlessen der SPD.
Ein Mittwoch, ein Donnerstag und ein Freitag im September gehörten Hermann. Lehrer schleiften Schüler in die Sparkasse. Pflichtprogramm. Jedes Jahr baute Hermann ein anderes Ereignis der lokalen Geschichte mit ein. Der Brand auf der Müllkippe am Kanal. Das Hochwasser in den Westwiesen 1988.
Den Jüngsten konnte man damit eine Freude machen. Alle über zwölf sahen nur auf ihre Telefone, bis der Lehrer schimpfte. Sie warteten das Donnerwetter ab. Dann sahen sie wieder auf die Telefone.
Darum knipste der Journalist von der Lokalzeitung sein Foto immer, wenn die Grundschulklassen da waren. Einmal war das Bild sogar auf der Titelseite gewesen. Zwei Jungen sahen mit staunend offen stehenden Mündern dabei zu, wie ein Kran Container von Waggons hob und sie auf Lastwagen lud. Wegen dieser Ehrfurcht vor seiner Arbeit waren Hermann die jüngeren Kinder viel lieber.

Der neue Nachbar hatte bei der Gartenarbeit einen Blick durch das Kellerfenster erhascht. Hermann bemalte gerade mit der Spitze einer Stricknadel die Schöller-Eiskarte aus dem Bahnhofskiosk.
„Sie legen Wert auf die kleinen Besonderheiten, was?“
Hermann erschrak und rutschte mit der Nadel aus. Jetzt sah es so aus, als wäre dem Kiosk das Eis ausgegangen. Als hätte der Besitzer einfach einen langen schwarzen Strich über die Karte gezogen.
„Oh Gott, Entschuldigung“, sagte der Störenfried. „Schöner Einstand für einen neuen Nachbarn.“
Hermann warf die Eiskarte und mit ihr vier Stunden Arbeit in den Mülleimer zwischen seinen Beinen. Eigentlich hätte der Eimer nur tropfende Farbe auffangen sollen.
„Ach was, ist kein Problem“, sagte Hermann, innerlich kochend. Er sah hoch zum Kellerfenster.
„Doch, das ist es“, sagte der Nachbar. „Ich hätte Sie nicht erschrecken dürfen.“ Er ließ den Blick über Hermanns Werk schweifen.
„Es ist nur, als ich hier draußen gehört habe, wie Ihre Bahnen über die Schienen brausen, das ist Musik für mich. Das musste ich mir einfach ansehen. Und es hat sich gelohnt. Da haben Sie ordentlich was aufgebaut."
Das Interesse und die Bewunderung des Fremden klangen ehrlich. Hermann konnte nicht anders, als sich geschmeichelt zu fühlen. Vielleicht wurde er aber auch gerade veräppelt.
„Sie interessieren sich für Modellbahnen?“
Misstrauen lag in seiner Stimme. Die Augen des Fremden weiteten sich kurz. Irgendwo auf der Straße stürzte jemand mit dem Fahrrad. Kindergeschrei.
„Das kann man so sagen, denke ich.“ Er hielt seine Gartenkralle hoch. „Also, um ehrlich zu sein, ich mache alles andere nur, um mal zehn Minuten von den Zügen loszukommen. Hat meine Frau mir beigebracht. Sie hat immer gesagt, ich muss sonst irgendwann meine Gleise in der Klapsmühle aufbauen, während die Pfleger mir Beruhigungsmittel spritzen.“
Hermann schmunzelte. Er traf Gleichgesinnte bei Messen und Wettbewerben, aber hier in der Stadt war er das einzige Gemeindemitglied der Kirche von H0. So weit er wusste jedenfalls. Die ruinierte Eiskarte war fast vergessen. Fast.
„Das könnte von meiner sein“, sagte er. „Wann sind Sie denn eingezogen?“ Als hätte er die Möbelpacker nicht durchs Küchenfenster beobachtet, bis es ihm zu langweilig geworden war. „Ich habe Ihre Frau noch gar nicht gesehen.“
„Meine Frau ist tot.“
Hermann schwieg. Nicht wegen der Frau. Er hatte ein Alter erreicht, in dem manche Leute nun mal auf den Friedhof mussten, wenn sie bei ihren Partnern sein wollten. Gang der Dinge. Was ihn ein bisschen erschreckte, war die Genugtuung, die er fühlte. Der Fremde hatte ihm die Eiskarte versaut. Dafür war seine Frau tot.
Hermann gab einem Schluckreflex nach. „Das tut mir leid.“
„Ach was“, sagte der Nachbar. „Ist drei Jahre her und ich war froh, als es vorbei war. Blasenkrebs. War für sie auch besser. Nur noch Schmerzen.“
Er räusperte sich.
„So, jetzt reicht's aber. Ich hab Ihnen den Tag schon genug versaut. Krebsgeschichten kennen Sie sicher eigene.“
Hermann lachte. Der Nachbar überlegte kurz. Dabei inspizierte er seine Gartenkralle.
„Warum kommen Sie nicht rüber auf einen Kaffee und sehen sich meine Bahn mal an?“, fragte er. „Ich bin noch nicht ganz fertig mit Aufbauen, aber das ist man ja nie, das wird ja bei Ihnen nicht anders sein.“
Widerwillig akzeptierte Hermann die Einladung. Er war viel zu neugierig, um abzulehnen. Der Nachbar stellte sich als Udo vor.

Hermann betrat Udos Heim im festen Willen, sich nicht beeindrucken zu lassen. Vergebens. Udos Bahnen fuhren durchs ganze Haus. Nicht auf dem Boden, wo man darüber hätte stolpern können. Sie schossen an den Wänden entlang, als wären es Berge. Gleich neben dem Lichtschalter hatte Udo einen kleinen Trafo installiert, der den ersten Zug – eine italienische Schmalspurlokomotive Ferrovie dello Stato der Bauart D1' – in Gang setzte.
Hermann war mehr als beeindruckt. Er fürchtete das Meisterwerk, das sich hinter dieser genialen Eröffnung verbarg. Die Ferrovie fuhr durch den Hausflur und verschwand in dem Raum, der die Küche gewesen war, als Hermann das Haus vor fünfzehn Jahren zuletzt betreten hatte. Mit den vorangegangenen Nachbarn konnte er nicht so gut. Furchtbare Kinder.
„Den echten Modellbau habe ich natürlich auch nur im Keller“, sagte Udo. Es klang wie eine Entschuldigung. „Die Schienen durchs Haus werden wohl blank bleiben, keine Berge, keine Bäume, da werde ich ncihts drum herum bauen. Ich will mich ja noch bewegen können.“
Sein Lächeln gefror. Das Gesicht sah jetzt aus wie seine eigene Maske, fand Hermann.
„Vor fünf Jahren wäre es gar nicht gegangen“, sagte Udo. Es war mehr ein Seufzer als ein Satz. „Meine Frau hätte sie von den Wänden gerissen und mich gefragt, ob ich sie noch alle habe. Als ich die Halterungen angeschraubt habe, hat sie mir wahrscheinlich von oben runter einen Vogel gezeigt.“
Seine Augen wurden feucht. Hermann wollte die wunderschöne Lok wiedersehen, aber er hörte sie nicht mal mehr.
„Dann gehen wir doch ans Eingemachte“, schlug er vor.
Udo wischte sich mit Daumen und Zeigefinger durch die Augen. „Ja, sicher. Kommen Sie.“
Der Raum, in den der Gastgeber Hermann führte, bot nicht viel mehr Platz als sein eigener, aber die Schienenwelt darin ließ seinen Unterkiefer runterklappen. Er musste aussehen wie die Jungen auf dem Titelfoto damals.
Udos Grundplatten waren etwas kleiner als die Hermanns. So hatte er es geschafft, vier Welten zu erschaffen. Eine davon war inspiriert vom Wilden Westen. Entlang der Schienen grasten Büffel. Cowboys und Indianer schossen wahlweise aufeinander oder rauchten am Lagerfeuer die Friedenspfeife. In „Udo's Rock“ beförderte gerade der Gastwirt einen Trunkenbold mit einem Tritt in den Hintern aus dem Saloon, während zwei Revolverhelden sich duellierten unter der gleißenden Mittagssonne, einer nackten 42-Watt-Energiesparlampe.
Irgendwo entlang der Strecke galoppierten maskierte Banditen dem Zug hinterher. Udo drückte auf einen kleinen blauen Knopf und der Stourbridge Lion stieß Wasserdampf aus.
„Als Junge habe ich Western geliebt“, erklärte er. „Was sag ich, als Junge. Ich sehe den Kram bis heute gern. James Stewart. Winchester '73.“
„Ich interessiere mich nicht für Filme.“ Hermann war selbst überrascht, wie scharf das klang.
„Ja“, sagte Udo. „Ist nicht jedermanns Sache. Aber abgesehen davon, wie finden Sie's?“
Es war atemberaubend.
„Ist nicht schlecht.“
Udo zog ein enttäuschtes Gesicht. Hermann spürte Genugtuung.
„Ich merke schon, mit Cowboys und Indianern kann ich nicht punkten.“
Hermann zuckte die Schultern. Udo zeigte auf die anderen Platten.
„Aber was sagen Sie zum Rest?“
Ein Großstadtbahnhof nach Frankfurter Vorbild. Eine Brücke über eine achtspurige Autobahn. Eine eher urban anmutende Landschaft mit Diskotheken und Spielotheken und Palästen aus Glas und Stahl. Auf einem der Dächer in großen blauen Lettern der Name einer Versicherung.
Zwei den Elbbrücken nachempfundene Überwege verbanden diese Metropolis mit der nächsten Platte. Mit der Provinz. Wiesen und Weiden, Kühe und Pferde, Brunnen und Bauernhöfe und Fachwerkhäuser.
Grandiose Einzelheiten. Sicher, an der einen oder anderen Stelle waren sie kitschig. Idealisiert. Auf der Provinz-Platte hütete ein barfüßiges Mädchen Ziegen, ein Bild wie aus einem Heimatfilm. Andere Details waren dafür so brutal nah am Leben, dass Hermann nicht wusste, ob es sich um Mut zur Wahrheit oder zur Geschmacklosigkeit handelte. Er jedenfalls hätte sich das nie getraut.
In der Nähe des großen Bahnhofs gab es eine Fixerstube, vor der Huren mit Freiern durch Autofenster verhandelten. Hermann fühlte sich von der Szene ertappt, weil er sich vor zwei Jahrzehnten selbst ein paar Mal Sex gekauft hatte. Damals lag das Körperliche zwischen Anneliese und ihm im Sterben. Nach einem entsetzlichen Streit, der sich an der Frage entzündet hatte, was er in letzter Zeit immer mit seinem ganzen Geld mache, war es tot.
„Der Rest ist sehr gut“, gab Hermann zu. „Also wirklich sehr, sehr gut.“ Gott, wie schmerzhaft das über die Lippen ging. Er kaute kurz auf der Zunge herum und fügte dann hinzu: „Das kann man nicht anders sagen.“
Udo verbeugte sich wie ein Magier am Ende des Abends. Er griff sich an den Steiß und kam mit schmerzverzerrtem Gesicht wieder hoch.
„Vergessen“, sagte er. „Neunundsechzig, nicht neunundzwanzig.“
Hermann lächelte und dachte: Idiot.
Die vierte Platte war leer. Hermann zeigte darauf. „Was kommt da hin?“
Udo gab ihm mit einer Geste zu verstehen, er solle einen Moment warten. In einer der Ecken des Kellers, in denen sich genau wie bei Hermann die Verpackungen von Zügen und Zubehör stapelten, lag ein Ordner. Udo zeigte Hermann Stadtpläne. Fotos von Straßenzügen und dem Rathaus. Dem Schweinebrunnen auf dem Marktplatz. Internet-Ausdrucke von Artikeln aus dem Tageblatt.
„Darauf baue ich eine Ode an meine neue Heimat.“
Es klang wie eine Drohung.
„Das neueste Kapitel in meinem Leben.“ Udo seufzte. „Ist ja wahrscheinlich das letzte, da will ich mal realistisch sein.“
Hermann nickte.
„Oh!“ Udo schnippte mit den Fingern. Er holte etwas, das auf der Provinz-Platte stand, und gab es Hermann. Der drehte es ungläubig zwischen den Fingern.
„Wenn Sie mit einer Lupe drauf gucken, können Sie die Namen der Eissorten lesen“, protzte Udo.
„Wie ...“
„Wollen wir oben einen Kaffee trinken? Dann erkläre ich es Ihnen. Ich mache uns welchen. Oder trinken Sie Tee?“
Hermann schüttelte den Kopf. „Nein, tut mir leid.“
Tat es nicht. Wieder sah er Enttäuschung in Udos Blick. Er war einsam. Gut so.
„Ich muss wieder rüber.“ Nach kurzem Nachdenken fügte Hermann hinzu: „Meine Frau wartet auf mich.“

In den nächsten Monaten suchte Udo den Kontakt und Hermann blockte ihn ab. Zu sehr machte ihm am jeweiligen Tag das Wetter zu schaffen, zu dringend musste der Rasen gemäht werden, zu derbe hatte ihm dieses Experiment aus der Küche seiner Frau auf den Magen geschlagen. Manchmal fiel ihm die Ausrede zu spät ein. Dann kam es zu einem ihrer entsetzlichen Treffen.
All die Preise, von denen Hermann schon immer geträumt hatte, hatte Udo gewonnen. Die längste Strecke, die meisten Züge auf dem kürzesten Schienennetz – unfallfrei versteht sich, das war die Herausforderung –, der erste Platz beim Wettbewerb eines Autoherstellers zum Thema, wie privater und öffentlicher Personenverkehr in zehn bis zwanzig Jahren ineinander greifen müssten, damit alle mobil bleiben. Das war auch der Name des Wettbewerbs. Mobil sein, mobil bleiben. Udo hatte einen Zeitungsausschnitt. Das Bild zeigte ihn mit einem Vorstandsmitglied des Konzerns. Sie schüttelten Hände vor einem Banner mit dem Motto. Natürlich nur ein Mitglied, dachte Hermann. Für so einen Quatsch kommt doch nicht der Vorsitzende. Der hat Besseres zu tun.
Noch schlimmer war es, wenn Udo zum Gegenbesuch ansetzte. Er steckte voller Verbesserungsvorschläge.
„Du hast das Licht falsch, deine schönsten Loks kommen gar nicht zur Geltung.“
„Deine Brücken sind zu lang, das kracht irgendwann zusammen.“
„Du brauchst Einzelheiten an der richtigen Stelle.“
Und natürlich:
„Mach doch mal was, womit man nicht sofort rechnet. Damit es spannend bleibt.“
Die Unverschämtheit zwischen den Zeilen speziell dieses Ratschlags brachte Hermanns Blut zum Kochen.
„So wie deine Westernplatte?“, fragte er.
Udo räusperte sich.
„Naja, das hätte ich jetzt nicht gesagt, um nicht wie ein Aufschneider zu klingen, aber tatsächlich ein bisschen so, ja. Tut mir leid, das klingt furchtbar großkotzig.“
„Ach was. Ich weiß, was du meinst.“

September. Das Kribbeln in Hermanns Bauch ließ sich nur mir dem vergleichen, das er früher beim Blick in Annelieses Augen empfunden hatte. Lange vor der Frage, was er in letzter Zeit mit seinem ganzen Geld mache.
Erster Schritt des Rituals: Der Gang zur Sparkasse mit einem großen Einmachglas voller Münzen. Das hatte er schon als Junge gehabt. Heute warf er das Kleingeld nach dem Einkaufen hinein. Einmal im Jahr kam so genug für einen neuen Zug und ein Abendessen mit Anneliese im Alten Krug zusammen. Schweinemedaillons, solange es noch ging. Die gelbe Karte hatte er von Dr. Kotte schon bekommen.
Zweiter Schritt: Uwe Machule nahm lachend das Glas entgegen. Er sagte: Na Hermann, bringst du wieder deine gesammelten Werke vorbei?
Er sagte wirklich immer ganz genau diesen Satz, und Hermann erwiderte immer ganz genau: Wer den Pfennig nicht ehrt, mehr sag ich nicht, wer den Pfennig nicht ehrt.
Dann ein kurzes Gespräch über Wetter, Frau und Fußball, während Machule das Glas dem aktuellen Azubi in die Hand drückte.
Schließlich sagte Hermann: Ach, Uwe, wo ich gerade hier bin, bis zur Ausstellung sind's ja auch nur noch zwei, drei Wochen.
Darauf erwiderte Machule: Ganz genau, ich wollte dich auch schon anrufen. Selbe Tage, Aufbau und Uhrzeiten alles wie immer?
Diesmal allerdings brach Machule den perfekt einstudierten Ablauf vorzeitig ab. Auf Hermanns Feststellung, es seien ja nur noch zwei oder drei Wochen, reagierte er, indem er sich die Lippen leckte.
„Ach so“, sagte er leise. Dann senkte er den Kopf, um etwas auf einen Notizblock zu schreiben. Hermann erkannte an den gleichmäßigen Bewegungen des Armes, dass Machule nur kritzelte.
„Wann legen wir los?“
Unsicherheit ließ Hermanns Stimme beben. Machule sah von seinem Gekritzel auf.
„Hermann“, sagte er. Es klang viel zu betont freundschaftlich. „Weißt du noch, als sie 2011 mit dem Sportfest ausgesetzt haben, weil keine Sau mehr hingegangen ist? Und dann haben sie 2012 mit neuem Konzept und neuem DJ wieder angefangen und hatten auf einmal fast die Besucherzahlen aus den Achtzigern.“
Hermann schüttelte den Kopf. „Was? Was hat das mit meiner Ausstellung zu tun?“
Machule räusperte sich. „Unsere Ausstellung", sagte er. „Also du und wir, in Zusammenarbeit.“
„Du weißt, was ich meine.“
„Ja.“
Machule kritzelte ein bisschen weiter.
„Also jedenfalls", fuhr er fort. "Und was ich meine, das ist übrigens im Geschäft genauso, manchmal musst du andere Wege gehen, mal was Neues ausprobieren, sonst überlebt so eine Veranstaltung sich irgendwann.“
In Hermanns Kopf verzog sich der Nebel um den Vergleich mit dem Sportfest. „Ihr wollt diesmal keine Ausstellung?“
„Doch, das natürlich schon.“
Hermann atmete erleichtert auf. „Meine Güte, Uwe, jag mir doch nicht so einen Schrecken ein.“ Er lachte. „In meinem Alter bleibt nicht mehr viel, diese Ausstellung ist für mich ein Höhepunkt des Jahres.“
Machule hustete. Er sah an Hermann vorbei zum Eingang.
„Wir würden das diesmal einmal mit jemand anderem machen“, sagte er. „Und nächstes Jahr dann wieder mit dir. Ich könnte mir vorstellen, dass wir das dann immer im Wechsel machen, was meinst du?“
Dass ich das hier gerade nur träume. Ein Alptraum.
„Wer?“
„Weißt du, es haben immer öfter Kunden gesagt, sie finden das nett mit den Zügen, aber irgendwie ist es auch immer dasselbe, und wenn du zwischendurch mal was anderes bringst, dann kriegen deine Sachen im nächsten Jahr wieder eine ganz andere Aufmerksamkeit und-"
„WER?“ Hermann schlug mit der flachen Hand auf den Stehtisch, an dem sonst die Kunden ihre Überweisungen ausfüllten, die zu alt waren um es online zu machen. Der Azubi lugte um die Ecke. Seinem Blick zufolge hatte er erwartet, den Chef im Schwitzkasten des schrägen alten Mannes mit dem Einmachglas zu sehen. Machule zwinkerte dem Kind mit Krawatte zu, worauf es wieder verschwand.
„Dein Nachbar“, sagte er.
Kalte Finger schlossen sich um Hermanns Herz.
„Hab ihn im Wez kennengelernt“, trällerte Machule. „Ein ganz feiner Kerl. Wir haben auch darüber gesprochen, dass er dich kennt, und dann über Modellbau, und dann hat er mir erzählt, was er alles hat und mich eingeladen, es mir mal anzusehen. Diese Cowboylandschaft da, das musst du doch auch so sehen, da rasten die Kinder aus.“
Er grinste. „Und je länger sie hierbleiben wollen, desto länger kann ich mit ihren Eltern über andere Sachen sprechen.“
Hermann starrte ihn regungslos an. Machule hustete bei vorgehaltener Hand. Als er sie wegnahm, war das Grinsen verschwunden.
„Aber nicht nur das“, sagte er. „All die Kleinigkeiten. Der Mann hat ein irres Auge fürs Detail, das musst du doch als Kollege auch so sehen.“
Machule gab Hermann die Chance für eine Reaktion. Der ergriff sie nicht.
„Und er hat diesen Blick von außen, weil er zugezogen ist. Da bekommst du automatisch eine ganz andere Perspektive, wenn der lokale Ereignisse nachbaut.“
Hermann nickte. „Du hast Recht. Wir sprechen dann nächstes Jahr wieder.“
Er drehte sich um und ging. Als er beim Ausgang war, sagte Machule: „Du bist doch nicht sauer, Hermann, oder?“
„Ach was.“
Ein paar seiner kleinen Modellmännchen, Bauarbeiter mit Vorschlaghämmern, schienen seine Schläfe zu bearbeiten. Zum ersten Mal, seit sie sich kannten, war es nicht Udo, der Hermann einlud.
Hermann lud Udo ein.

Sie arbeitete seit neun Jahren bei der Spurensicherung. Meist hatte ihr Job mit Blut zu tun, aber hier unten war keins. Sie hatte gesucht, bis die Welt vor ihren Augen angefangen hatte zu zittern, als wäre sie betrunken. Wahrscheinlich hatte er Folie ausgelegt. Vielleicht fanden sie sie im Schuppen hinter dem Haus. Und vielleicht waren da auch die Arme und Beine.
Sie fuhr herum. Das Auge folgte ihr, genau wie bei einem Gemälde. Es faulte nicht. Er hatte es mit Paraffin überzogen.
Unter dem Auge hing an Fäden ein kleiner Korb mit zwei winzigen Menschen darin, die auf das Gebirge unter sich zeigten. Ein Heißluftballon, der in der Luft gehalten wurde von einem feinen, fast unsichtbaren Draht. Der Draht steckte im grünen Filz, der das Gras des Gebirges darstellte. Und unter dem Filz ...
Milena spürte den Drang, einen der Trafos aufzudrehen und zu sehen, was passierte. Sie lauschte nach Schritten und Stimmen oben im Haus. Als sie nichts hörte, gab sie ihrer Neugier nach und ließ einen der Züge fahren.
Der ICE kam von einer der anderen beiden Platten angeschossen, fuhr über eine der Brücken und erreichte nach der Fahrt durch einen Güterbahnhof ein Waldstück. Etwas abseits der Gleise behielt ein Jäger auf seinem Aussichtsturm die Lage mit dem Fernglas im Blick.
Nach dem Wald ging es entlang eines kleinen Baches in die Tunnelöffnung. Milena erstarrte, weil das Geräusch der Räder auf den Schienen plötzlich dumpfer klang. Damit die Tunnelöffnung auf der anderen Seite weit genug war, hatte er alle Zähne aus dem Kiefer gezogen. Milena wusste, Blut gerinnt so unheimlich schnell. Aber als der Zug aus dem zahnlosen Ende wieder herauskam, hatte ein kleiner roter Spritzer das Weiß der Waggons beschmutzt.

 

Hi Proof!

Coole Horrorstory, hat mir ziemlich gut gefallen! Ich habe mich nach dem Lesen an deine Anmerkung zu meiner Geschichte bezüglich der Schlusspointe erinnert. Daher kann ich auch hier sagen, dass mir diese wirklich und wahrhaftig gut gefallen hat!:D Zuviel zur Pointe will ich nicht schreiben, um nicht zu spoilen.

Rein handwerklich sehr schön lebendig und bildhaft beschrieben. Ich hatte die Märklin und H0-Landschaften sehr deutlich vor Augen. Das ist dir hervorragend gelungen.:thumbsup: In der Glotze gabs mal so einen Bericht von einem solchen Bahnfan, der sich auch sein halbes Haus in so ein Bahndiorama umgebaut hat. Deine Geschichte hat mich direkt daran erinnert.

Ein bisschen Manöverkritik:

Das "Intro" mit Carsten und der Forensikerin/Spurensicherungstante/weiblichem Dexter Morgen fand ich etwas zu ausgedehnt. Es geht in der Geschichte ja gar nicht um Carsten und seine Reputation in der Polizei. Ich weiß nicht, ob du damit eine falsche Spur legen wolltest, jedenfalls war das - da es im Prinzip ja kein handlungstragendes Element ist - etwas zu ausführlich, auch wenn es lebendig und gut charakterisierend beschrieben war.

Diese Infos bzgl. Hermanns Besuchen bei Prostituierten habe ich auch nicht so richtig einordnen könne. Ich hätte ihn eher für den absoluten Modellbahn-Geek und Nerd gehalten, der sich aus allen anderen Dingen im Leben nichts macht. Auch habe ich nicht verstanden, ob diese käuflichen Schäferstündchen zum Ende seine Ehe mit Annelise geführt haben, ob er noch mit ihr zusammen ist, ob Hermann sein gesamtes Geld am Monatsende nun für sein Hobby oder für die Bordsteinschwalben ausgegeben hat, oder oder oder?

Gleich zu Anfang habe ich mich gefragt, warum Hermann denn nicht zur Bahn gegangen ist, wenn er so ein Wahnsinnsfaible dafür hat. Das wäre doch das absolut Naheliegendste gewesen. Und ein Beruf bei der Bahn wäre doch mit Sicherheit selbst in den Augen der Vaters etwas durchaus "Handfestes" gewesen - zumal in der Zeit von Hermanns Jugend die Bahn ja sogar (noch) eine Bundesbehörde war und die Angestellten Beamte. Fand ich nicht so richtig nachvollziehbar. Vielleicht hätte es so sein können, dass Herman es versucht hat, aber zu schlechte Noten hatte oder irgend einen Aufnahmetest nicht bestanden hat. Oder eine Körperbehinderung vielleicht, z.B. Polio? Nur so als Vorschlag.

Besonders gut haben mir die vielen kleinen Fiesheiten, die du eingebaut hast - exemplarisch dafür z.B.:

Was ihn ein bisschen erschreckte, war die Genugtuung, die er fühlte. Der Fremde hatte ihm die Eiskarte versaut. Dafür war seine Frau tot.
Sehr cool!

Tja, Proof, mir hat dein Horrorwerk hier sehr gut gefallen. Eine nette blutige Entführung in die Welt der Modellbahner.
Von der Thematik her noch zwei Anmerkungen zum Schluß:
1) Es gibt eine Kurzgeschichte ("Kleine Stadt" / "Small Town") von Phillip K. Dick über so einen Modelleisenbahnfreak - da ist die Pointe auch nicht schlecht!
2) Was haben Modelleisenbahnen und Frauenbrüste gemeinsam? Beide sind eigentlich für die Kinder gedacht, und trotzdem spielen meistens die Väter damit!:rotfl:

Grüße, Cheers und "Sorry" an alle, die den Chauvi-Witz geschmacklos finden:Pfeif:
EISENMANN

 

Hallo Proof,

hier zunächst:

Carsten sah Milena sie schnell und zu erfreut an.

Hier ist was falsch.

Aber endlich mal wieder eine Horror-Geschichte. Von denen dürfte es hier gerne mehr geben! Hach, ich war total in der Eisenbahner-Romantik versunken. Das hat schon Spaß gemacht, das zu lesen. Kleiner Nebeneffekt: Ich hab jetzt nicht unbedingt das Bedürfnis, so eine ganze Platte hochzuziehen. Aber mal wieder ein bisschen ein paar Häuser bepinseln und ein bisschen hier und dort basteln, das hätt schon was. I mog des:D.

Aber egal, neben dieser Eisenbahner-Romantik (nennen wir es mal so), die du mit den wunderbaren(!) Details aufbaust, ist das natürlich 'ne krasse Geschichte, über die ich auch grinsen muss. Hermann und Udo...irgendwann ist da natürlich Schluss mit lustig, wenn der Nachbar so kommt. Das kann Herrmann natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Das ist schon mega lustig, wie du in der Geschichte etwas sehr Kleinbürgerliches mit einer "ganz leicht überzogenen" Reaktion von Hermann verknüpfst. Sehr stark! Und wie gesagt, lustig.

Wo ich am Überlegen bin: Nimm den ersten Teil weg und das würde aus meiner Sicht der Geschichte keinen Abbruch tun. Bei der Geschichte packst du mich das erste mal da, wo das mit der Nachbarschaft losgeht. Der erste Teil ist unbestritten gut geschrieben, aber muss aus meiner Sicht nicht zwangsweise da stehen (zumal ich da ein bisschen nachdenken musste wegen der Rückblende). VG!

 

Hej Proof,

Horror ist so absolut nicht meins. Modelleisenbahnen noch viel weniger. Deswegen wundere ich mich, dass ich die Geschichte bis zum Ende gelesen habe. Mach daraus, was Du magst.
Ich stimme meinen Vorrednern zu, den Anfang bräuchte es auch wenn es nach mir geht nicht.

Noch das:

sondern an den Wänden, entlang derer sie dahin schossen, als wären es Berge.
Umständlich. Warum nicht
sondern schossen an den Wänden entlang, als wären es Berge.

Noch schlimmer war es, wenn Udo zum Gegenbesuch ansetzte. Er steckte voller Verbesserungsvorschläge.
„Du hast das Licht falsch, deine schönsten Loks kommen gar nicht zur Geltung.“
Soviel zu Verbesserungsvorschlägen.:Pfeif:

Gruß
Ane

 

Hallo Proof,

mhh, mich hat deine Geschichte nicht so gekriegt. Ich fand sie ehrlich gesagt etwas langweilig und wenn nicht der Tag Horror drangewesen wäre, hätte ich wohl nicht zu Ende gelesen. :sealed:

Ich bin mir noch nicht mal sicher, ob der Tag Horror passt. Denn den Horror selbst beschreibst du hier ja gar nicht.

Die einzigen Hinweise sind der Tag und

Sie hatte tatsächlich geschrien, nach acht Jahren bei der Spurensicherung.

Und dann bekommen wir eine gut erzählte Episode zwischen zwei kleinbürgerlichen Modellbahnfreaks geboten. Irgendwann kann man sich denken, was passiert. Das was mich dann noch bei der Stange hält ist das wie. Das ist ja grade das prickelige bei Horrorgeschichten – das Grauen, das man sich selber gar nicht vorstellen kann, so schlimm, dass man kaum weiterlesen mag und/ oder so spannend, dass man weiterlesen muss.

Und das Grauen, das dann noch auftaucht, gestaltest du sehr spärlich.

Das Auge folgte ihr, genau wie bei einem Gemälde. Es faulte nicht. Er hatte es mit Paraffin überzogen.
Unter dem Auge hing an Fäden ein kleiner Korb mit zwei winzigen Menschen darin, die auf das Gebirge unter sich zeigten.
Aber als der Zug aus dem zahnlosen Ende wieder herauskam, hatte ein kleiner roter Spritzer das Weiß der Waggons beschmutzt.

Vielleicht hätte hier ein Wechsel zwischen den Szenen wie Hermann Udos Leiche präpariert und Szenen wie die beiden aufeinandertreffen eher bei mir gezündet. Wenn man erst nach und nach begreift, dass die Höhle eine Körper ist.

Aber vielleicht bin ich auch einfach nicht die passende Leserin für deine Geschichte. Positive Reaktionen hast du ja bereits bekommen. :)

Viel Spaß weiterhin mit deiner Geschichte und liebe Grüße vom Nichtgeburtstagskind

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin,

ich hatte schon seit Jahren das Bild einer Modelleisenbahn im Kopf, die einem Torso ins Hinterteil fährt und aus dem Mund wieder rauskommt. Anfang Dezember saß ich am Flughafen, las Kurzgeschichten von Brian Keene auf dem Tablet und rumms, erfuhr ich, dass meine Anreise sich wegen Scheißwetters einen Tag länger hinziehen würde als gedacht. Inspiriert von Keenes schnörkellosen, teils sehr shorten Short-Schockern und der Zeit, die ich hatte, hab ich mit dieser Geschichte angefangen und sie während des Trips zu Ende geschrieben.


Eisen:

hat mir ziemlich gut gefallen!

Cheers.


Das "Intro" mit Carsten und der Forensikerin/Spurensicherungstante/weiblichem Dexter Morgen fand ich etwas zu ausgedehnt. Es geht in der Geschichte ja gar nicht um Carsten und seine Reputation in der Polizei.

Das hat sich so entwickelt. Beide Figuren waren ursprünglich gar nicht eingeplant. Ich wollte mit was Horrormäßigem einsteigen, da es ja danach erstmal ein bisschen ruhiger wird. Oder sagen wir alltäglicher. Als ich die beiden dann auf dem Papier hatte, haben sie sich selbstständig gemacht. Vielleicht kürze ich ihren Part in einer späteren Fassung zusammen, die nächsten beiden Leser bringen diesen Punkt ja auch. Aber eigentlich mag ich sie so.


Diese Infos bzgl. Hermanns Besuchen bei Prostituierten habe ich auch nicht so richtig einordnen könne.

Da wollte ich einfach hart am Leben sein, aber an der Stelle, ja, vielleicht ist das ein bisschen viel des Guten.


Auch habe ich nicht verstanden, ob diese käuflichen Schäferstündchen zum Ende seine Ehe mit Annelise geführt haben,

Woraus liest du denn, dass die beiden sich getrennt haben?


Gleich zu Anfang habe ich mich gefragt, warum Hermann denn nicht zur Bahn gegangen ist, wenn er so ein Wahnsinnsfaible dafür hat.

Das ist ein bisschen geraten und ein bisschen aus Papas/Opas Erzählungen, aber ich glaube, in den Fünfzigern war das einfach üblich, eine Ausbildung in deinem Dorf anzufangen. Schlachter, Tischler, Bäcker usw., das gab's ja da noch überall. Was nicht selbstverständlich war, war ein Auto. Und sich eine Wohnung in einer anderen Stadt nehmen? Zum einen Geld, zum anderen war man nach der Volksschule ja erst fünfzehn oder so. Das könnte ich in einem Satz noch einbauen.


Besonders gut haben mir die vielen kleinen Fiesheiten, die du eingebaut hast

Danke. Die sollen rüberbringen, dass Hermann ein Soziopath ist, damit seine Tat zumindest ein bisschen nachvollziehbarer wird. Ich bin mir des Risikos durchaus bewusst, dass jetzt ein Psychologe oder Psychologiestudent schreiben könnte, ob ich überhaupt wüsste, was ein Soziopath ist.

Zum Tittenwitz möchte ich derzeit keine Stellung beziehen.

Danke für deine Kritik!

Kayoschi:

Bei deinem Namen habe ich irgendwie das Gefühl, von einem Pixel-Dinosaurier gelesen zu werden.


Aber endlich mal wieder eine Horror-Geschichte. Von denen dürfte es hier gerne mehr geben!

Hier ist weniger los als früher. Ich würde gern dabei helfen, das zu ändern. Hoffentlich klappt's.


Aber mal wieder ein bisschen ein paar Häuser bepinseln und ein bisschen hier und dort basteln, das hätt schon was.

Ich hab mal eine H0-Bahn zu Weihnachten bekommen. War nicht schlecht, blieb aber dabei. Nix nachgekauft, hat mich nicht gepackt. Ich brauchte Monster, Roboter und Außerirdische. Ist heute noch so.


ist das natürlich 'ne krasse Geschichte, über die ich auch grinsen muss.

Das hoffe ich doch, schwarzhumorig soll sie sein.


mit einer "ganz leicht überzogenen" Reaktion von Hermann verknüpfst.

Ja, das meine ich.


Nimm den ersten Teil weg und das würde aus meiner Sicht der Geschichte keinen Abbruch tun.

Das Ding ist: Carsten und Milena klammern das so ein bisschen. Der Schock am Schluss, der soll ja auch funktionieren, weil der Leser diese Figur zuvor gut kennengelernt hat und deshalb drin ist. Wenn ich jetzt zum Beispiel Carsten ganz weglasse und aus Milena eine namenlose Polizistin mache, die erst im letzten Absatz auftaucht, ich weiß nicht, ob das dann nicht vielleicht nur noch der halbe Effekt wäre. Man könnt's mal probieren.

Danke fürs Lesen und die Verbesserungen!


Ane:

Horror ist so absolut nicht meins. Modelleisenbahnen noch viel weniger. Deswegen wundere ich mich, dass ich die Geschichte bis zum Ende gelesen habe. Mach daraus, was Du magst.

Nett ums Kompliment herumformuliert, danke!


Umständlich.

Stimmt, ändere ich.


Soviel zu Verbesserungsvorschlägen.

Mir ist erst beim Schreiben aufgefallen, dass die Geschichte als dicke Analogie zu dem gelesen werden kann, was wir in diesem Forum machen. Sehe ich wohl nicht als Einziger so.

Danke!


Nichtgeburtstagskind:


Ich bin mir noch nicht mal sicher, ob der Tag Horror passt

Naja. Für einen Krimi ist die Bluttat wohl etwas zu abgefahren. Aber mit Schubladen ist das halt immer so ein Ding. Es ist jedenfalls nicht Alltag. Zumindest hoffe ich das.


Denn den Horror selbst beschreibst du hier ja gar nicht.

Das kommt ein bisschen auf die Definition von Horror an. Auf die Spielart von Horror. Klar, ich könnte gross-out-artig im Detail durchgehen, wie Hermann die Leiche bearbeitet. Oder besser sogar den Udo präparieren, während er noch lebt. Das eine Auge rausschneiden und ihn mit dem anderen zusehen lassen, wie es zum wunderbaren Detail wird. Aber ich wollte das schon sehr bewusst so, dass sich das ganze Bild wirklich erst in den letzten Zeilen zusammensetzt.

Das was mich dann noch bei der Stange hält ist das wie.

Das ist tatsächlich genau die Frage, mit der ich hier Spannung erzeugen wollte. Sorry, wenn dir das zu wenig war. In meiner nächsten Geschichte werfe ich wieder die Kreissäge an und lasse ein paar Säuglinge darauf reiten. ;)

Danke auch dir fürs Lesen und deine Kritik!


Grüße und guten Rutsch
JC (Tut-tut)

 

Hi Proof,

in meinen Augen eine hervorragende Geschichte. Äußerst souverän geschrieben und für mich in einem Metier angesiedelt, das ich für recht unverbraucht halte. Schön, wie du den Herrmann charakterisierst, diese Kleinlichkeiten, die sich aufstauen. Überhaupt die Zuspitzung, das habe ich sehr genossen. Also der Mittelteil, der ist natürlich am stärksten, als die beiden aufeinanderprallen. Genial ein deich aber, dass du die eigentliche Tat nicht zeigst. Das kommt viel heftiger durch die Szene am Ende. Da nimmst du dir ja auch sehr viel Zeit für, bis du den Leser endlich die Auflösung präsentierst. Echt gekonnt.
Am Anfang haben ja einige rumgemosert. Tja, ein bisschen was Streichen könnte man schon, aber für mich war der Einstieg durchaus lockend. Er hat das gemacht, was er soll: Neugierde geweckt. In meinen Augen dürfte Carsten etwas dezenter gezeichnet sein. Das will so sehr in den Vordergrund.
Eigentlich bin ich nur an einer einzigen Stelle hängen geblieben, die ich frisieren würde. Und dadrüber kann man sich sicherlich streiten

Acht Jahre Blut, Blut und nochmals Blut. Altes Blut, frisches Blut, schwarz verkrustetes Blut. Es klebte an Messern, an Hämmern, an Haut. Einmal an einem Tennispokal,
Das finde ich eine etwas behäbige Aufzählung, die es schlichtweg nicht braucht.
Dann ab, bin ich in einem Rutsch durch.

Was ich auch noch positiv hervorheben möchte: Das Dosieren des Modelleisen-Jargons. Die Nennungen sind gut, aber du übertreibst es keinesfalls damit. Gelungene Balance, finde ich nicht einfach, das bei sowas nerdigem hinzubekommen

Danke für die Geschichte, äußerst gern gelesen

grüßlichst
weltenläufer

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Proof,

ist eine sehr starke Geschichte, wobei ich einen Kritikpunkt habe, der für mich die Story ein wenig umständlicher macht, als sie hätte sein können. Aber zuerst das Positive: Ich mag den Sound, das szenische Erzählen und die Charakterisierung von Hermann und später auch Uwe. Das ist wirklich sehr gut, auch die vielen Details über den Modellbau, das schafft natürlich ein authentisches Gefühl. Hat mich wirklich sehr an Clemens Meyer erinnert, das Feeling, auch die Prots. Auch die Dramatik fand ich äußerst gelungen, wie die Sparkasse-Ausstellung die beiden dann übereinanderwirft. Also der ganze Text, ab dem Zeitpunkt, wo Hermann auftaucht, da habe ich überhaupt nichts auszusetzen, den finde ich wirklich großartig.

Aber: Der erste Absatz und der letzte. Ich weiß, das hat schon mal jemand angemerkt, und ich weiß auch, wie schwierig das ist, sich von solchen Lieblingen zu trennen - aber für mich machen die die Story wirklich ein gutes Stück runter. Hätte ich weltenläufers Kommentar nicht gelesen, in dem er die Story sehr lobte (und ich halte weltenläufer für einen guten Kommentator), hätte ich wohl nach den ersten Sätzen des ersten Absatzes abgebrochen. Der erste Absatz kam mir irgendwie ziehend und auch nicht so griffig vor, wie der Rest des Textes. Und: Der eigentliche Bruch, das, was deinen Prot aus dem "natürlichen" Leben wirft, das erste Treffen mit Uwe, das wäre für mich der perfekte Anfang gewesen. So einen Subplot vor dem eigentlichen auslösenden Ereignis, das baut man ja oft ein, damit man als Leser checken kann, wieso das auslösende Ereignis so und so auf den Prot wirkt - aber hier hätte ich die Zusammenkunft mit Uwe auch ohne das Polizei-Intro verstanden. Ich fand die beiden Polizisten, nimms mir nicht übel, aber ich fand sie einfach uninteressant, das ist wie bei Tatort im Ersten, ein Toter, ein neuer Fall, irgendwie hat mich das überhaupt nicht interessiert, weil schon tausend mal gesehen. Aber Hermann, wie du seine Leidenschaft zum Modellbau erzählst und zeigst, das ist große Klasse. Und, wie weltenläufer auch sagte, natürlich ein unausgeschlachtetes Thema.
Wäre das mein Text, hätte ich den ersten Absatz gekillt und direkt mit dem zweiten begonnen, und nach der letzten Sparkassen-Szene noch weitererzählt, noch gezeigt, wie Hermann und Uwe aufeinander treffen, wie es sich zum Mord aufspielt - den eigentlichen Mord nicht zu zeigen, das passt schon, finde ich, aber den Weg dahin hätte ich noch gezeigt. Meinetwegen danach noch ein Ende mit den Ermittlern, die sagen, so was haben sie noch nie gesehen, nirgends Blut etc.

Super!

Nur meine 5 ct

zigga

 
Zuletzt bearbeitet:

So Freunde,

ich habe mich mal dem Diktat des Testpublikums gebeugt und den kompletten ursprünglichen Anfang rausgeschmissen. Dem ist Carsten zum Opfer gefallen, das arme Schwein.


weltenläufer:

in meinen Augen eine hervorragende Geschichte.

Danke!


Überhaupt die Zuspitzung, das habe ich sehr genossen.

Ja, die war wichtig. Da wird der Hermann einfach zu 'ner Figur aus'm Thomas-Harris-Roman, da muss ja schon auch was vorgefallen sein.


Am Anfang haben ja einige rumgemosert. Tja, ein bisschen was Streichen könnte man schon, aber für mich war der Einstieg durchaus lockend. Er hat das gemacht, was er soll: Neugierde geweckt.

Ich mag die Version mit auch lieber. Mal schauen, ob es noch Reaktionen zu dieser Fassung hier gibt.


In meinen Augen dürfte Carsten etwas dezenter gezeichnet sein.

Jetzt isser weg, dezenter geht's nicht.


Was ich auch noch positiv hervorheben möchte: Das Dosieren des Modelleisen-Jargons.

Da leben wir als Autoren heute echt in goldenen Zeiten. Kurz Wikipedia auf, fertig.


Vielen Dank für deine Kritik!


Manilo:

sehr gut geschrieben und tief recherchiert. Ich nehme dem Erzähler die Kompetenz für Modellbau umstandslos ab.

*hust* Danke. *räusper*


Der Anfang ist leicht verwirrend, den konnte ich zum Rest der Geschichte lange Zeit nicht zuordnen und habe ihn einfach wieder verdrängt. Interessant, ungewöhnlicher Aufbau.

Wie findest du's jetzt?


Womit ich mehr Probleme hatte, war Hermanns Motivation zu dem Mord. Ausgehend von dem, was ich erfahre, glaube ich nicht, dass Hermann einen so radikalen Schritt tun muss. Hierbei konstruierst du die Geschichte allerdings sehr clever, indem du die eigentliche Tat aussparst. Es muss noch einiges vorgefallen sein zwischen Hermann und Udo, von dem wir nichts erfahren.

Es gibt da drei Wege: Entweder man pfeift drauf und sagt, in einer Horrorgeschichte machen Leute so was eben. Oder, wie du schon sagst, da fällt etwas vor, das so krass ist, dass man den Täter sogar glaubt ein bisschen zu verstehen. Problem mit diesem Ansatz ist meiner Meinung nach, dass du dann eher so eine The Punisher-Rachegeschichte bekommst, in der der Leser mit dem Täter sympathisiert. Aber Horror sollte man ja für die entsprechende Wirkung entweder durch die Augen des Opfers erleben (der Psychologe Hans Baumann hat mal gesagt, Horror verhält sich zu Action wie Masochismus zu Sadismus) oder – wir kommen zu Weg drei, den ich hier verseucht habe zu gehen – durch die Augen eines Montresor, also eines Menschen, der so wie der Hobbymaurer in Poes Amontillado eindeutig einen an der Mermel hat, dass er die derbsten Grausamkeiten vollbringt und sich dabei auch noch im Recht fühlt (in Poes Geschichte ist es ein bisschen komplizierter, weil man nicht erfährt, was genau das Opfer eigentlich gemacht hat, um aus Montresors Sicht DAS zu verdienen). So wollte ich den Hermann eigentlich zeichnen. Darum gönnt er Udo zum Beispiel die tote Frau, weil der Nachbar ihn so frech bei der Arbeit gestört hat.

Danke für deine Kritik!


zigga:

ist eine sehr starke Geschichte,

Danke!


wobei ich einen Kritikpunkt habe,

Get outta hia!


Hat mich wirklich sehr an Clemens Meyer erinnert,

Oh. Danke. Mein letzter Meyer ist glaube ich fünf Jahre her. War da nie so Fanboy, eher respektvolle Anerkennung. Aber ist ein Lob, denke ich. Der eigene Stil ist halt alles, was man bis dahin gelesen hat und dann ein bisschen was.


die Sparkasse-Ausstellung die beiden dann übereinanderwirft.

Die Szene in der Sparkasse hat mega Laune gemacht, definitiv meine Lieblingsstelle beim Schreiben.


Aber: Der erste Absatz und der letzte.

Der erste ist ja des Experimentes halber mal raus. Der letzte … kann ja nicht raus. Also, man könnte es so machen, wenn man die Pointe behalten will: Wie du vorgeschlagen hast Weg zum Mord und dann Udo, der im Keller sitzt und mit seligem Lächeln seine Bahnen fahren lässt. Dann aber auf jeden Fall noch Anneliese, die die Treppe runterkommt, auf halbem Wege stehen bleibt und schreit. Klischee, aber sehr klassisch und irgendwie cool. Ich hab die Stimme des Gruftwächters im Ohr: Aaarmer Udo ... Er hat wohl nicht gewusst, wie viel Hermann seine MORDdellbahn wirklich bedeutet, hehehe.

Danke fürs Lesen und deine Hinweise!


Grüße
Proof (fährt heute von Gleis drei)

 

ich habe mich mal dem Diktat des Testpublikums gebeugt und den kompletten ursprünglichen Anfang rausgeschmissen.
So ein Kack ... und ich wollte gestern noch geschrieben haben, dass mir gerade diese zwei Handlungsstränge am Besten an der Geschichte gefallen haben :(

Moin Proof.

Also, beim Mittelteil (damals) gibt es nichts hinzuzufügen. Da schaffst du es wirklich, dem Leser das Modelleisenbahn-Feeling rüber zu bringen. Tolle Charakterdarstellungen!
Der Anfang mit den Polizisten gefiel mir richtig gut als Einstieg; ich hätte mir sogar noch mehr kleine Andeutungen gewünscht, die dann am Ende noch in einer ausführlichen Darstellung des Grauens hätten enden können. Den letzten Abschnitt fand ich dann richtig hammergeil (sogar noch ein klein wenig zu kurz für meinen Geschmack ;)).
Und weil du im ursprünglichen Anfang eben diese Spannung auf das Ende angesetzt hast, kann ich mir nicht vorstellen, dass die Geschichte ohne ihn auch so gut wirkt. Aber es scheint ja auch, dass ich damit allein auf weiter Flur stehe ...
Fazit: Hat mir prima gefallen. Und jetzt möchte ich in den Zug steigen, der mit Volldampf in den Arsch fährt :D

Grüße aus dem Hohen Norden! Salem

 
Zuletzt bearbeitet:

Oh Mann!!!!
Warum hast du den Anfang rausgeschmissen??????????

Also klar, der Text funktioniert natürlich trotzdem. Ist halt eine Frage dessen, was man genau will mit dem Text.

So, wie es jetzt ist, wirkt der Anfang einerseits sehr betulich, was ich gar nicht so negativ meine, wie es klingt, es muss bei diesem Charakter ja auch betulich sein, aber er hat schon auch was Zähes. Man liest sich gerne rein, wenn und weil man dich kennt und deine Geschichten auch kennt, denn man weiß ja genau, irgendwann zunderts und sabberts so richtig. Aber wenn man dich nicht kennt? Was ist dann? Ich weiß nicht, ob ich dann die Ausdauer aufgebracht hätte. Bermutlich scjon, aber sicher bin ich mir nicht. Und klar, wenn man sie aufbringt, knallts am Ende um so mehr. Der biedeer Herr mit dem Faible für Bahn und Modellbau hat mächtig einen an der Klatsche. Aber man muss halt erst mal dahin kommen, dass man diese Entwicklung so liest.

Mit dem Ermittleranfang, also dem versauten Tatort, und der Reaktion und den Gedanken von Milena wird man sehr direkt reingezogen. Mir gefiel das wirklich gut, gibt zwar da auch einen Kritikpunkt von mir, aber zur Spannungserzeugung hat das mir persönlich sehr sehr gut gedient. Wenn selbst eine abgebrühte Ermittlerin schlucken muss, wie wird das dann dort aussehen? Also damit triggerst du einen schon sehr. Man ist dann zwar andererseits gewappnet und weiß schon, irgendwas Blutrünstiges lauert im Hintergrund, aber was das ist und wie das mit Hermännchen zusammenhängt, das weiß man eben nicht. Hermann könnte ganz zu Beginn sogar noch selbst Opfer einer Bluttat sein. Und Hermanns Biographie, das Betuliche daran, ist dann jedenfalls schon ganz anders eingeordnet durch den spannungserzeugenden Beginn. Man folgt seinem Leben, nimmt die eingestreuten Hinweise auf seine Wut wahr, auf seine Obsession. Aber der Anfang der usprüngliche, der trägt einen da so richtig drüber weg - wie eine wunderbare Welle. Erst wird man mal kurz richtig durchgeschüttelt als Leser, dann tritt eine Ruhephase ein, in der die beiden Hauptfiguren entwickelt werden. Und dann, wenn der neue Nachbar kommt, gehts richtig zur Sache. Da weiß man, einer der beiden muss bluten. Man goutiert die eingestreuten nachbarschaftlichen Beziehungheucheleien dann immer mehr und mehr. Klar, das würde man auch mit dem unmittelbaren hermann-Beginn goutieren. Aber deine Leser hast du jedenfalls mit dem Blutbeginn direkter am Wickel.

Natürlich ist das wie so oft eine Frage des Geschmacks und der Abwechslung und einfach der Autorenentscheidung. Da musst du jetzt selbst durch. Ich muss es zum Glück nicht entscheiden.
Aber so eindeutig jedenfalls, dass der alte Beginn nicht funktioniert, seh ich das überhaupt nicht.
Was an deinem ursprünglichen Einstieg allenfalls irritierend wirkte, das war, dass Carsten plötzlich so viel Leben erhalten hat, dass ich mir gleich vorgestellt habe, zwischen Carsten und Milena gibts jetzt was, oder Carsten wird der nächste Psycho. Also wenn du da nicht einen Romanthriller draus entwickeln willst, wo der eigentliche Psycho mit im Ermittlerteam hockt (oder man denkts jedenfalls immer nur), würde ich nicht ganz so viele lose Fäden legen, und zwar vor allem bei Carsten nicht. Das ist aber auch schon alles.

Ansonsten habe ich die Geschichte wahnsinnig gerne gelesen. So ein ungewöhnliches Setting. So spannend gemacht, so dezent, aber eben auch atmosphärisch diese ganze Modellbauerszenerie eingearbeitet. Und wirklich toll, dieses Psychogramm eines braven Rentners mit schwerem Hau. Sehr gut fand ich da auch, dass du seinen Hau langsam gesteigert hast, am Anfang ist der stinknormal, bieder und beige. Bestimmt tragen seine Frau und er Partnerlook beim Wandern. Das ist schon geschickt gemacht, wie sich im Erstgespräch Gier nach Bewunderung und Misstrauen mischen und wie sich immer mal ein externes atmosphärisches Element einspielt: Kindergeschrei, die Gartenkralle des Nachbarn.

Hermann schwieg. Nicht wegen der Frau. Er hatte ein Alter erreicht, in dem manche Leute nun mal auf den Friedhof mussten, wenn sie bei ihren Partnern sein wollten. Gang der Dinge. Was ihn ein bisschen erschreckte, war die Genugtuung, die er fühlte. Der Fremde hatte ihm die Eiskarte versaut. Dafür war seine Frau tot. Karma nannten die Araber das. Oder wer glaubte da nochmal dran?
Hier könntest du mal probieren, wie es klingt, wenn du das Schwarze weglässt. Für mein Gefühl kriegt der Gedanke mit der toten Frau dadurch noch mehr Wucht.

Wunderbare Geschichte, echt hintergründig und fies. Ich hab ja schon immer gewusst, vor Rentnern muss man sich in Acht nehmen. :)

Viele Grüße von Novak

 

Hallo Proof,

auch mir hat deine Geschichte richtig gut gefallen, und ich kenne dich nicht, bin also ohne Erwartungen an die Sache rangegangen. Es ist toll geschrieben, die Charaktere glaubhaft. Besonders gut gemacht fand ich die Szenen, in denen Herman innerlich der Kragen platzt, während er äußerlich den Großzügigen spielt. Da wundert es mich nicht, dass er irgendwann Amok läuft. Seine Frau hat ihn offenbar jahrzehntelang klein gehalten, der Nachbar tanzt ihm auf der Nase rum und ist nicht nur besser als er, sondern muss es ihn auch noch ständig wissen lassen. Wer da nichts sagt, der muss ja irgendwann durchdrehen. Und selbst Uwe, der Verräter. Nee, is alles gut.

Du hast es hier geschafft, mir diese Kleinbürgerwelt nahe zu bringen. Ich kann Hermann nachvollziehen. Was mich allerdings gewundert hat, ist, dass Hermann&Udo den Fahrradunfall einfach so hinnehmen. Das wirkt fast ein wenig slapstickartig.

Das Ende fand ich etwas verwirrend, weil ich die erste Fassung nicht gelesen hab und es unpassend fand, dass da plötzlich die Polizistin auftaucht. Aber als ich dann kapiert habe, was los war, hat es das wieder wettgemacht.
Sehr gerne gelesen.

Liebe Grüße von Chai

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Proof,

ich kenne dich zwar noch nicht so richtig, aber ich freue mich, das hiermit zu ändern.

Hermann wollte Zugführer werden. Oder Schaffner. Er liebte die Bahn, alles rund um die Eisenbahn, fuhr als Kind mit dem Fahrrad zu einer Brücke und sah dem Zug zu, der darunter hindurch fuhr. Dann wartete er, bis der nächste kam. Wenn er zu lange wartete, bekam er vom Vater Ärger, weil er solange fort gewesen war.

finde ich einen tollen Einstieg. Du könntest ihn eventuell noch zuspitzen finde ich. Du hast am Anfang dieses elliptische »Oder Schaffner«; »Er liebte die Bahn« »alles rund um die Eisenbahn« Brichst dann aber spätestens mit dem »Dann wartete er« damit, indem du einen syntaktisch komplexeren Satz anfängst. Ich würde, zumindest für diesen Absatz aber den kurzen Präsentations-Stil beibehalten (so bündig wie möglich schreiben). Das gibt Tempo. So etwa:

Hermann wollte Zugführer werden. Oder Schaffner. Er liebte die Bahn, alles rund um die Eisenbahn, fuhr als Kind mit dem Fahrrad zur Brücke und sah dem vorbeifahrenden Zug zu, und dem Nächsten, so lange, dass er später, wenn er nach Hause fuhr, Ärger vom Vater bekam.

Einmal hatte er sich eine Zugfahrt zu Weihnachten gewünscht, aber es gab nur eine schlecht geschnitzte Holzlok.

gefällt mir (der Satz und), wie du den Charakter aufbaust. Das weckt Interesse.

Diesmal hieß es: Du bist zu alt für so einen Kinderkram.

schön

Verziehen hatte Hermann seinem Vater das erst, als die Erde aus seiner Hand auf den Deckel des Sarges prasselte.

super. Habe wegen der Gedehntheit der Pointe auch an Folgendes gedacht: Verziehen hatte Hermann seinem Vater das erst, als er Erde auf dessen Sargdeckel fallen ließ.

Hier habe ich auch gedacht, dass das vom Tempus her schwierig ist. Du hast Präteritum mit dieser hatte-Konstruktion (PQP?) - obwohl das doch mehr oder weniger im selben Moment geschieht (oder?)

sein kleines elektrisch betriebenes Paradies. Nach Feierabend und an den Wochenenden wurde er darin wiedergeboren. Expandierte. Ein Universum der Schienen.

wunderbar

Vom Frühschoppen kannte er Uwe Machule von der Sparkasse.

schön

Das große Grünkohlessen der CDU im alten Rathaus. Das große Grünkohlessen der SPD.

haha, sehr gut

sagte der Störenfried.

wunderbar. bis hier hin lese ich und genieße

„Das kann man so sagen, denke ich.“ Er hielt seine Gartenkralle hoch. „Also, um ehrlich zu sein, ich mache alles andere nur, um mal zehn Minuten von den Zügen loszukommen. Hat meine Frau mir beigebracht. Sie hat immer gesagt, ich muss sonst irgendwann meine Gleise in der Klapsmühle aufbauen, während die Pfleger mir Beruhigungsmittel spritzen.“

wunderbarer Dialog. Und das mit dem Fahrrad :O

Karma nannten die Araber das. Oder wer glaubte da nochmal dran?

Würde lieber schreiben: Oder wer auch immer. // so ist es mir so augenfällig platziert.

Hermann

Namen, finde ich, gut gewählt (habe ich zumindest zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt)

eine italienische Schmalspurlokomotive Ferrovie dello Stato der Bauart D1'

Recherche fühlt sich für den Laien (mich) authentisch an :)

Udos Grundplatten waren etwas kleiner als die Hermanns. So hatte er es geschafft, vier Welten zu erschaffen. Eine davon war inspiriert vom Wilden Westen. Entlang der Schienen grasten Büffel. Cowboys und Indianer schossen wahlweise aufeinander oder rauchten am Lagerfeuer die Friedenspfeife. In „Udo's Rock“ beförderte gerade der Gastwirt einen Trunkenbold mit einem Tritt in den Hintern aus dem Saloon, während zwei Revolverhelden sich duellierten unter der gleißenden Mittagssonne, einer nackten 42-Watt-Energiesparlampe.

toll, was für spannungsreiche Bilder du aus so Nebensächlichkeiten zauberst. Groß!

„Ist nicht schlecht.“
Udo zog ein enttäuschtes Gesicht. Hermann spürte Genugtuung.
„Ich merke schon, mit Cowboys und Indianern kann ich nicht punkten.“

böse

Ein Großstadtbahnhof nach Frankfurter Vorbild. Eine Brücke über eine achtspurige Autobahn. Eine eher urban anmutende Landschaft mit Diskotheken und Spielotheken und Palästen aus Glas und Stahl. Auf einem der Dächer in großen blauen Lettern der Name einer Versicherung.
Zwei den Elbbrücken nachempfundene Überwege verbanden diese Metropolis mit der nächsten Platte. Mit der Provinz. Wiesen und Weiden, Kühe und Pferde, Brunnen und Bauernhöfe und Fachwerkhäuser.
Grandiose Einzelheiten. Sicher, an der einen oder anderen Stelle waren sie kitschig. Idealisiert. Auf der Provinz-Platte hütete ein barfüßiges Mädchen Ziegen, ein Bild wie aus einem Heimatfilm. Andere Details waren dafür so brutal nah am Leben, dass Hermann nicht wusste, ob es sich um Mut zur Wahrheit oder zur Geschmacklosigkeit handelte. Er jedenfalls hätte sich das nie getraut.

das schreibst du so gut, dass ich mich trotz dieser ellenlangen Beschreibung kein Stück langweile

In der Nähe des großen Bahnhofs gab es eine Fixerstube, vor der Huren mit Freiern durch Autofenster verhandelten. Hermann fühlte sich von der Szene ertappt, weil er sich vor zwei Jahrzehnten selbst ein paar Mal Sex gekauft hatte.

so, letztes Mal geschwärmt! (Super, möchte auch darin anderen Kommentatoren wiedersprechen, finde das ein wunderbar feines Detail, es stört mich kein bisschen, das fügt sich wunderbar)

Sie arbeitete seit neun Jahren bei der Spurensicherung. Meist hatte ihr Job mit Blut zu tun

ich muss sagen, egal was jetzt kommt, ich finde es ein bisschen schade, dass du das nicht noch weiter erzählt hast. Ich wäre deiner Geschichte noch locker (und gerne) zehn Seiten lang gefolgt. Es hätte noch vieles passieren können auf dem Weg. Du hast eine Abkürzung genommen :(

So, zum Schluss: Die Geschichte ist wirklich der Wahnsinn. Ich bin komplett angetan von deiner Schreibe, das hast du wirklich toll hingekriegt. Wenn ich das könnte, würde ich die Story empfehlen. :)

Klitzekleine Anmerkung: bevor du das nächste Mal so eine tolle Geschichte zum Ende hin so super schnell abkürzt, lass sie lieber nochmal eine Nacht liegen und gib ihr den Umfang, den sie verdient.

LG
Carlo

 

Moin,

für alle Fans von Carsten und Milena: Ich habe sie ja nicht weggeschmissen, sondern nur hier im Forum mal rausgenommen, um zu sehen, wie die Geschichte ohne funzt. Mit gefällt die Original-Version auch besser, ich wollte es nur ausprobieren, nachdem mehr als einer es angemerkt hatte. Ist manchmal ein schmaler Grat zwischen Kritikresistenz und aufs eigene Erzählerherz hören.


Salem:

So ein Kack

Contenance.


ich hätte mir sogar noch mehr kleine Andeutungen gewünscht, die dann am Ende noch in einer ausführlichen Darstellung des Grauens hätten enden können.

Wie gesagt, ist bewusst knapp gehalten, damit sich das ganze Ding nach Möglichkeit wirklich erst mit dem letzten Satz erschließt. Ich habe ja auch ein Faible fürs Saftige, aber hier schien mir Zurückhaltung angesagt. Also, soweit man sich zurückhalten kann, wenn man jemanden ausnimmt wie eine Gans, um eine Modellbahn in den Hintern rein und zum Mund wieder raus fahren zu lassen.


Aber es scheint ja auch, dass ich damit allein auf weiter Flur stehe ...

Nope. Wir sind mindestens zwo. Und wenn ich weiter unten gucke …


Grüße aus dem Hohen Norden!

Petri Heil da auf deinem Krabbenkutter! Danke fürs Lesen!


Novak:

Oh Mann!!!!

Contenance.


So, wie es jetzt ist, wirkt der Anfang einerseits sehr betulich

Das stimmt, allerdings mag ich genauso wie den Einstiegsschocker auch (Horror-)Geschichten, die so harmlos wie nur was beginnen, um sich dann langsam aber stetig zum ganz großen Knall zuzuspitzen. Bone Tomahawk gesehen? Ich fand den klasse, aber auch wirklich erst ab Abspann. Die finalen zwanzig Minuten hauen einen nicht zuletzt deshalb so aus den Socken, weil der Film bis dahin geradezu meditativ vor sich hin schnarcht.


aber er hat schon auch was Zähes

Das ist die Gefahr bei dieser Variante.


Bermutlich scjon

Katze auf der Tastatur?


der Reaktion und den Gedanken von Milena wird man sehr direkt reingezogen

Sehr gut, so wollte ich's haben.


Man ist dann zwar andererseits gewappnet und weiß schon,

Das musste ich riskieren, ja.


Hermann könnte ganz zu Beginn sogar noch selbst Opfer einer Bluttat sein.

Interessante falsche Fährte, aber unabsichtlich. Da wäre ich gar nicht drauf gekommen, dass man das so lesen kann.


Was an deinem ursprünglichen Einstieg allenfalls irritierend wirkte, das war, dass Carsten plötzlich so viel Leben erhalten hat

Das war auch so nicht geplant, aber ich charakterisiere gern, und dann gehen mir schon mal die Pferde durch. Bei einer Nicht-Genre-Geschichte würde das wahrscheinlich keiner anmeckern, aber in Spannungsliteratur wie Horror/Krimi/Thriller hast du unter Umständen diesen „Oh, da wird so drauf rumgeritten, jetzt aufpassen, das hat bestimmt am Ende was zu bedeuten“-Effekt.


Hier könntest du mal probieren, wie es klingt, wenn du das Schwarze weglässt.

Ich probier's mal.


Wunderbare Geschichte

Danke, auch für deine ausführliche Kritik!


Chai:

auch mir hat deine Geschichte richtig gut gefallen

Danke!


Was mich allerdings gewundert hat, ist, dass Hermann&Udo den Fahrradunfall einfach so hinnehmen. Das wirkt fast ein wenig slapstickartig.

Ich meinte da gar nicht so sehr einen richtigen Unfall, sondern diese Sommersamstagnachmittagsgeräuschkulisse (Für Worte wie dieses liebe ich meine Muttersprache) in der Provinz: Rasenmäher, Kindergeschrei, Eiswagen-Gebimmel, Fahrrad-Gebimmel, und dann eben auch ab und zu mal ein Fahrradcrash, gefolgt von noch mehr Kindergeschrei. Aufgeschlagene Knie, kein Bein ab. Hermann ist so Marke hat den großen Krieg knapp verpasst, tut aber so, als hätte er Stalingrad überlebt, indem er sich mit den noch warm dampfenden Eingeweiden seiner gefallenen Kameraden zugedeckt hat. Der geht höchstens zu dem Blag hin, klatscht ihm eine und sagt, es solle sich nicht so anstellen.


Sehr gerne gelesen.

Vielen Dank!


Manilo:

wenn du nicht tief recherchiert hast, ist das ja auch egal

Ich denke, in der heutigen Zeit geht das als Recherche durch. Es ist halt einfach alles viel schneller. Früher hätte ich in die Stadtbibliothek gemusst, heute gebe ich bei Wikipedia „Zug“ ein und mache ein paar Klicks. Ein Jahr lang jedes Wochenende inkognito auf eine Modellbaubörse schien mir jetzt für eine Kurzgeschichte übertrieben.


Ich weiß nicht, das finde ich too much.

Ach, jetzt tut's dir leid!


so ein bisschen wie Tatort

Der Vergleich war ja noch irgendwo, was interessant ist, weil ich in meinem ganzen Leben nur einen einzigen Tatort gesehen habe, und das war erzwungen, habe eine Rezension geschrieben für eine Zeitschrift. Mich reizt das gar nicht. Zu wenig Blut.

Danke, dass du dich nochmal gemeldet hast!


Carlo Zwei:

Danke für das ganze Lob.


bevor du das nächste Mal so eine tolle Geschichte zum Ende hin so super schnell abkürzt, lass sie lieber nochmal eine Nacht liegen und gib ihr den Umfang, den sie verdient.

Auch wenn mich dein Verlangen nach mehr ehrt - für mich ist die Geschichte vollständig so, wie sie ist.


Wenn ich das könnte, würde ich die Story empfehlen.

Vielen Dank!


Euch allen!

J„I“C„E“

 

Der Absatz mit der Leerzeile soll eigentlich anzeigen, dass da gerade ein gedanklicher Sprung passiert. Ich wollte jetzt nicht schreiben "Und Carsten begann zu erzählen", das klingt so nach Weihnachtsgeschichte. Außerdem wollte ich niemanden mit der Nase auf diese erzählerische Ungereimtheit stoßen, dass da viele Dinge passieren, die die Frau gar nicht wissen kann, speziell Hermanns Innenleben betreffend. Deshalb ist es so offen, als könnte es auch ein auktorialer Einschub sein. Und das ist dann wohl der harte Sprung, den du meinst. Sei's drum. Ich hab die ursprüngliche Version ja noch.

Greetz

 
Zuletzt bearbeitet:

Der neue Nachbar hatte bei der Gartenarbeit einen Blick durch das Kellerfenster erhascht. Hermann bemalte gerade mit der Spitze einer Stricknadel die Schöller-Eiskarte aus dem Bahnhofskiosk.
„Sie legen Wert auf die kleinen Besonderheiten, was?“

kann nicht für diese Geschichte gelten,

Proof,

denn schon der erste Satz hat es in sich:

Hermann wollte Zugführer werden.
Horror pur! Ein unbedachter, zumindest riskanter Start, zumindest für einen, der Spaß an Trix-Express-Modelleisenbahnen hatte (man konnte dem kleinen Friedel damit bessere Unglücke simulieren als mit Märklinmodellen), 1950 geboren wurde und sich für Politik, Historik und Sozialwissenschaften interessiert und darin genug Horror findet und sich seit 67 Jahren weigert, einen "Führerschein" zu machen, weil Deutschland mehr als genug Führer hat und hatte.

Selbst Lokführer hätt ich nicht werden wollen, und das zwote Missgeschick folgt sogleich

..., fuhr als Kind mit dem Fahrrad zu einer Brücke und sah dem Zug zu, der darunter hindurch fuhr.
Man kann durch einen Tunnel, durch eine Stadt fahren, eine Brücke ist in aller Regel zu schmal, als dass man mehr als "darunter (her)" fahren kann.

Hier ist ein Komma zu setzen

..., seinen Ersatztraum, sein kleines[,] elektrisch betriebenes Paradies.
oder ein "und"! Ähnlich hier
Als hätte der Besitzer einfach einen langen[,] schwarzen Strich über die Karte gezogen.
Nicht ausgeschlossen, dass noch welche nachgetragen werden sollten ...

Und hier schnappt m. E. die Fälle-Falle zu

Die dreitägige Ausstellung in deren Foyer war bald ein fester Eintrag ins Kalenderjahr der Stadt.
Die Ausstellung wird eingetragen "ins"Kalenderjahr, ist aber hernach "im" Kalenderjahr der Stadt ein Eintrag.

Hier ruft's "eigentlich" nach Konj. II

Eigentlich hatte der Eimer nur tropfende Farbe auffangen sollen.
Der Nachbar Udo kennt ihn immerhin - den Konj.

Etwas ab der Gleise behielt ein Jäger auf seinem Aussichtsturm die Lage mit dem Fernglas im Blick.
Aber ein schöner Schluss wäre nicht so sehr der Satz zuvor - wahrscheinlich ist "ab" eher die Vorsilbe von "seits" - dann doch hier

Er drehte sich um und ging. Als er beim Ausgang war, sagte Machule: „Du bist doch nicht sauer, Hermann, oder?“
„Ach was.“

Selbst wenn es eine Parodie gegen den Wind wäre, eine Satire kann's nicht sein. Sagt doch schon der Volksmund, der Unterschied zwischen Comedian und Kabarettist sei, der eine täte es wegen dem Geld, der andere wegen des Geldes.

Gut Nacht!

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Jo Fred,

da habe ich aus meiner eigenen Geschichte noch was gelernt. Warum gibt's auch nicht einfach ein Wort wie "Pilot"? "Der Triebfahrzeugführer mit dem Auge fürs Detail" ist auf jeden Fall ein Mördertitel. Pornös.

Die Brückenstelle kam mir tatsächlich schon beim Schreiben schräg vor, aber Gott sei's getrommelt ich hatte keine Ahnung, warum. Jetzt also.

Zur Kommasetzung bei mehreren Adjektiven checkst du hier.

Dem Volksmund fällt auch selten was Neues ein.

Danke für die Korrekturen!


Greetz
Proof (für alle Fälle)

 

Moin!

Ich kenne die erste Version der Geschichte nicht. Wie mir scheint, wurde bereits viel verändert. So wie sie jetzt ist, hat sie mir ziemlich gut gefallen. Der Hermann ist so wunderbar überzeichnet krank, den muss man einfach gern haben. Den Anfang finde ich perfekt, das Ende ausbaufähig, aber der Sprung zum Tatort mag schonmal ein gutes Fundament sein.

Eine Sache ist mir negativ aufgefallen. Diese hier:

"Schließlich sagte Hermann: „Ach, Uwe, wo ich gerade hier bin, bis zur Ausstellung sind's ja auch nur noch zwei, drei Wochen.“
Darauf erwiderte Machule: „Ganz genau, ich wollte dich auch schon anrufen. Selbe Tage, Aufbau und Uhrzeiten alles wie immer?“
Diesmal allerdings brach Machule den perfekt einstudierten Ablauf vorzeitig ab. Auf Hermanns Feststellung reagierte er, indem er sich die Lippen leckte.
„Ach so“, sagte er leise. Dann senkte er den Kopf, um etwas auf einen Notizblock zu schreiben. Hermann erkannte an den gleichmäßigen Bewegungen des Armes, dass Machule nur kritzelte.
„Wann legen wir los?“
Unsicherheit ließ Hermanns Stimme beben. Machule sah von seinem Gekritzel auf."

Hat mich verwirrt und komplett aus dem vorherigen Sog herausgerissen.

Der Machule sagt:

"Ganz genau, ich wollte dich auch schon anrufen. Selbe Tage, Aufbau und Uhrzeiten alles wie immer?"

Das klingt für mich wie eine Reaktion auf Hermanns Feststellung. Und zudem wie eine Zusage.

Aber im nächsten Moment dichtet der Erzähler dem Machule eine erneute und gegensätzliche Reaktion, auf Hermanns inzwischen zwei Zeilen zurückliegende Feststellung, an:

"Auf Hermanns Feststellung reagierte er, indem er sich die Lippen leckte".

Aber wieso? Machule hat doch bereits auf Hermanns Feststellung geantwortet (und ihm zugesagt?). Wieso reagiert er jetzt ein weiteres Mal, und das auch noch gegensätzlich? Hier:

Hermann: "bis zur Ausstellung sind's ja auch nur noch zwei, drei Wochen."

Machule: "Ganz genau, ich wollte dich auch schon anrufen. Selbe Tage, Aufbau und Uhrzeiten alles wie immer?"

Erzähler: "Auf Hermanns Feststellung reagierte er, indem er sich die Lippen leckte."

Hat Machule im ersten Moment nicht daran gedacht, dass er die Ausstellung schon Hermanns Nachbar versprochen hat? („Ach so“, sagte er leise.)

Verstehst du, was ich meine?

--

So in etwa verstehe ich die Stelle:

"Schließlich sagte Hermann: „Ach, Uwe, wo ich gerade hier bin, bis zur Ausstellung sind's ja auch nur noch zwei, drei Wochen.“
„Ach ja, das ...“, brach Machule den perfekt einstudierten Ablauf vorzeitig ab und leckte sich über die Lippen, „ich wollte dich deswegen auch schon anrufen.“
Er senkte den Kopf, um etwas auf einen Notizblock zu schreiben. Hermann erkannte an den gleichmäßigen Bewegungen des Armes, dass Machule nur kritzelte.
„Wann legen wir los?“, Unsicherheit ließ Hermanns Stimme beben.
Machule sah von seinem Gekritzel auf.
„Hermann“, sagte er."

Ist das korrekt oder meinst du was anderes?

Gruß Analog

 

Hallo Proof,

Horror mag ich, und endlich komme ich dazu, deine Geschichte zu lesen.

Vom Frühschoppen kannte er Uwe Machule von der Sparkasse.
Dieses vom/von gefällt mir nicht so recht.
Würde es so machen:
Vom Frühschoppen kannte er Uwe Machule, der bei der Sparkasse arbeitete.

Jedes Jahr baute Hermann ein anderes Ereignis der lokalen Geschichte mit ein. Der Brand auf der Müllkippe am Kanal. Das Hochwasser in den Westwiesen 1988.
Da habe ich erst kapiert, dass er bei den Ausstellungen in der Sparkasse Eisenbahnlandschaft aufbaut ...
Was hat das denn mit Weihnachtsmarkt, Erdbeerfest etc. zu tun?

Die dreitägige Ausstellung in deren Foyer war bald ein fester Eintrag im Kalenderjahr der Stadt. Der Weihnachtsmarkt, der aus vier Buden bestand und ein verlängertes Wochenende dauerte. Erdbeerfest. Schützenfest. Das große Grünkohlessen der CDU im alten Rathaus. Das große Grünkohlessen der SPD.
Die ganze Aufzählung mit dern Festen und dem Essen irritiert mich, da ich eine Verbindung zur Eisenbahn suche.

Hermann bemalte gerade mit der Spitze einer Stricknadel die Schöller-Eiskarte aus dem Bahnhofskiosk.
Wieso nimmt er keinen speziellen Pinsel dafür?

Hermann warf die Eiskarte und mit ihr vier Stunden Arbeit in den Mülleimer
Die noch feuchte Farbe hätte er doch sicher abwaschen können.

das einzige Gemeindemitglied der Kirche von H0
Ach, H Null ist gemeint, die Baugröße der Eisenbahn, Hatte erst an einen Ort gedacht, also die Kirche in HO (Abk. für einen Ort).

Was ihn ein bisschen erschreckte, war die Genugtuung, die er fühlte. Der Fremde hatte ihm die Eiskarte versaut. Dafür war seine Frau tot.
Huch. Das ist ja ein merkwürdiger, kranker Kauz.

Nur noch Schmerzen.“
Er räusperte sich.
„So, jetzt reicht's aber.
Wer räuspert sich? Wegen des Zeilenumbruches müsste es Hermann sein, du meinst aber sicher den Nachbarn. oder? Dann sollte es m.E. keine neue Zeile geben, da kein Sprecher-, Perspektiv- oder Szenenwechsel.
Hast du öfter, hier z.B. auch:
„Ich interessiere mich nicht für Filme.“
Hermann war selbst überrascht, wie scharf das klang.

Und hier habe ich den Überblick ganz verloren:
Hermann schüttelte den Kopf. „Was? Was hat das mit meiner Ausstellung zu tun?“
Machule räusperte sich.
„Unsere Ausstellung. Also du und wir, in Zusammenarbeit.“
„Du weißt, was ich meine.“
„Ja.“
Machule kritzelte ein bisschen weiter.
Wer sagt "„Du weißt, was ich meine.“?

Der Ferrovie fuhr durch den Hausflur
Die Ferrovie, da du voher "die Lokomotive" sagst.

„Den echten Modellbau habe ich natürlich auch nur im Keller“, sagte Udo. Es klang wie eine Entschuldigung. „Die Schienen durchs Haus werden wohl blank bleiben, ich will mich ja noch bewegen können.“
Was meint er mit "blank bleiben"? Ich verstehe es genau anders herum, dass sie blank bleiben im Sinne von immer sauber und glämzend, weil die Lok andauernd drüberfährt.

Zu sehr machte ihm am jeweiligen Tag das Wetter zu schaffen, zu dringend musste der Rasen gemäht werden, zu derbe hatte ihm dieses Experiment aus der Küche seiner Frau auf den Magen geschlagen.
Von welchem Experiment ist hier die Rede?

In den nächsten Monaten suchte Udo den Kontakt und Hermann blockte ihn ab.
...
Noch schlimmer war es, wenn Udo zum Gegenbesuch ansetzte.
Gegenbesuche? Ich dachte, er hat ihn abgeblockt. Warum lässt er ihn denn rein?

Im letzten Absatz dann (erst) der Horror. Der ICE fährt also durch Udo hindurch ... Abgefahren!

Ich finde, du hast das mit der langsamenn Steigerung Hermanns Neides, seines Hasses, echt gut hinbekommen. man ahnt, dass da etwas Schlimmes passieren muss .
Das Horrorende musste einfach sein. Ich sehe auch keine Möglichkeit für ein anderes Ende. :lol:

Hat mir gefallen.

Liebe Grüße,
GoMusic

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin,


Analog:

Hat mich verwirrt und komplett aus dem vorherigen Sog herausgerissen.

Der Machule sagt:

"Ganz genau, ich wollte dich auch schon anrufen. Selbe Tage, Aufbau und Uhrzeiten alles wie immer?"

Die Lösung liegt hier:

Diesmal allerdings brach Machule den perfekt einstudierten Ablauf vorzeitig ab.

Davor wird erzählt, wie das Gespräch normalerweise verläuft, ein Ritual eben. Den Satz „Ganz genau ...“ sagt Machule jedes Jahr, aber diesmal nicht, er bricht vorher ab. Vielleicht mache ich es zur Verdeutlichung auch optisch erkennbar, indem ich diese Zeile nicht in Anführungszeichen sondern kursiv setze, wobei sich ja bisher niemand beschwert hat. Ich füge mal was ein.

Danke fürs Lesen und deine Anmerkungen!


GoMusic:

Vom Frühschoppen kannte er Uwe Machule, der bei der Sparkasse arbeitete.

Der Satz ist eleganter, aber die jetzige Version ist näher daran, wie die Leute eben so reden. „Das ist der von der Sparkasse ...“ Mal schauen.


Da habe ich erst kapiert, dass er bei den Ausstellungen in der Sparkasse Eisenbahnlandschaft aufbaut

Vielleicht mache ich „gehörten Hermann und seiner Eisenbahn“, dann wird’s schneller eindeutig. Wobei es ja auch immer um den Grat zwischen kryptischen Beschreibungen und solchen geht, die nichts mehr dem Leser überlassen, was wiederum zu Langeweile führt.


Die ganze Aufzählung mit den Festen und dem Essen irritiert mich, da ich eine Verbindung zur Eisenbahn suche.

Das dient dem Aufbau der Provinzatmosphäre.


Wieso nimmt er keinen speziellen Pinsel dafür?

Um seine Obsession zu beschreiben.


Die noch feuchte Farbe hätte er doch sicher abwaschen können.

Das Plakat dabei aber total verschmiert. Ich könnte ein „fast fertig“ einbauen, allerdings hätte ich jetzt gesagt, dass durch das „vier Stunden Arbeit“ klar wird, dass die Karte bereits recht weit gediegen ist.


Hatte erst an einen Ort gedacht, also die Kirche in HO (Abk. für einen Ort).

Das kann an der Stelle passieren, aber ich glaube, das ist so einer von zehn Lesern, wenn überhaupt.


Wer räuspert sich? Wegen des Zeilenumbruches müsste es Hermann sein,

Ich weiß, was du meinst, an diesen Stellen hadere ich manchmal. Den eigentlich unangebrachten Zeilenumbruch baue ich ein, um das Tempo zu erhöhen. Risiko ist, wie du bemerkst: Wer spricht denn jetzt? Ich gleiche das mal an, wesentlich zäher wird die Geschichte dadurch sicherlich nicht.


Wer sagt "„Du weißt, was ich meine.“?

Hermann. Das meinte ich. Wenn ich „Unsere Ausstellung ...“ hochziehe und damit eindeutig Machule zuordne, wird das vermutlich klarer.


Was meint er mit "blank bleiben"?

Dass sie nicht durch Modellberge etc. ergänzt werden, nur die Schienen. Ich schreib das mal mit in den Dialog.


Von welchem Experiment ist hier die Rede?

Naja. Wenn die Frau in der Küche experimentiert, ist damit eine Mahlzeit gemeint. Das lasse ich mal.


Gegenbesuche? Ich dachte, er hat ihn abgeblockt.

Oft gelingt ihm das. Aber:

Manchmal fiel ihm die Ausrede zu spät ein. Dann kam es zu einem ihrer entsetzlichen Treffen.

Danke fürs Lesen und deine Hinweise!


Grüße
JC (fährt schwarz)

 

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