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Das Erbe der Dunkelheit

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20.02.2008
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Das Erbe der Dunkelheit

„Elvira, bitte.“
„Nein, Rincent. Ich verstehe es einfach nicht. Und ich will es auch nicht verstehen.“
„Ich muss das Experiment weiterführen. Ich weiß, dass es möglich ist.“
„Du weißt es eben nicht! Es gibt Mächte, die nicht dazu gemacht worden sind um sie zu verstehen. Es gibt zu viele unberechenbare Variabeln.“
Rincent Oriphiel umkreiste den Tisch im Esszimmer seines Anwesens. Wie fast jeder Magiewirker, der nach dem Krieg in die Hafenstadt Nathal kam um sich dem Institut anzuschließen, musste auch er sich dem Hohen Rat von Eluryh unterstellen. Er arbeitete nun nicht mehr allein und musste sein Handeln strengstens dokumentieren. Dafür wurde er geradezu fürstlich belohnt. Ihm wurde dieses alte Anwesen am Ende der Stadt für seine Familie überschrieben und uneingeschränkten Zugriff in die Forschungsanlagen des Instituts gewährt.
„Aber irgendwer hat sie gemacht. Diese Mächte, nicht wahr?“, fragte er seine Frau in einem übertriebenen, kindischen Ton. Manchmal verspottete er sie unabsichtlich, obwohl sie ebenfalls eine Magierin war.
Elvira seufzte, ging nicht auf seinen Spott ein, während sie ihrem Mann zusah wie er seine Bahnen zog.
„Und was glaubst du wer das war? Die Götter? Glaubst du an diesen Unsinn?“
„Es ist nicht meine Aufgabe zu glauben. Es ist meine Aufgabe zu wissen. Und ich weiß, dass ich eine Macht zur Verfügung haben werde, die mir dienen wird, wie sie noch nie Jemandem zuvor gedient hat.“
„Du bist größenwahnsinnig! Absolut größenwahnsinnig! Das kann einfach nicht dein Ernst sein! Was ist mit deinem Sohn, wenn dir was passiert? Was ist dann mit uns?“
Der Forscher blieb auf der Stelle stehen und begann seine Frau eindringlich anzusehen.
„Es gibt keine Götter, mein Schatz. Es gibt keine unsichtbaren Grenzen für uns Menschen von irgendwelchen Hirngespinsten erschaffen. Die Menschen haben einfach Angst vor allen Dingen, die sie nicht verstehen. Und auch du wirst sehen, was wir alles Gutes damit erreichen können, wenn wir wissen welchen Gesetzen die Magie unterliegt. Verstehst du nicht? Wir können tun und lassen was wir wollen! Dieses Universum komplett verändern. Nach unseren Wünschen…“
Rincent fühlte den Arm seiner Frau auf seiner Seidenjacke. Er blickte nicht mehr in ihr Gesicht. Er wusste, dass sie weinte, deswegen schaute er auf den teuren Marmorboden.
„Hör auf. Bitte. Ich bitte dich ein letztes Mal.“
Aber er konnte nicht aufhören. Er konnte wohl kaum einfach so sein Lebenswerk aufgeben.
Mit der Rechten rückte er seinen Mantel zurecht, sich zur Tür bewegend. Mit der linken Hand drückte er, als er angekommen war, die Türklinke hinunter. Er fragte sich in dieser Sekunde, ob er weinen konnte. Er spürte, dass er es gerne tun würde. Denn die Welt war ungerecht. Er liebte seine Frau und er liebte seinen Sohn. Doch er konnte auch nicht alles für sie aufgeben. Nicht jetzt, kurz vor dem Durchbruch.
Man kann eben nicht alles haben, sagte er sich. Diese Welt macht einen kaputt, bis man sich entscheidet. Und er hatte in diesem Moment eine Entscheidung getroffen.
„Es tut mir leid. Bald wird alles gut“, flüsterte er und trat durch die Tür. Er hörte wie Elviras Schluchzen zunahm. Er fühlte es, wie die Trauer versuchte auch ihn zu greifen. Aber er war einfach nicht in der Lage es zuzulassen. Dann verließ er das Haus. Eine Tür knallte. Und er war nicht der Einzige, der ihr Schluchzen gehört hatte.
„Mutter? Was ist mit dir?“
Ein kleiner, neunjähriger Junge mit dunklen, azurblauen Haaren stand im Türrahmen. Eine braune Ledertasche baumelte in seiner Hand.
„Vhaimor! Solltest du nicht in der Schule sein?“
Elvira schluckte ihre Trauer herunter. Wischte ihre Tränen blitzschnell fort und umarmte ihren geliebten Sohn.
„Die Schule ist doch schon aus. Ist Vater wieder fortgegangen?“
Sie nickte.
„Kommt er dieses Mal wieder?“
Sie rührte sich nicht.


Im Hafen wurde es langsam ruhig. Stände waren abgebaut worden. Die Sonne schob sich langsam in Richtung Meeresgrund. Es war ein geschäftiger Tag gewesen. Doch auch ein solcher geht einmal zu Ende. Rincent schob sich vorbei an den Wagen die übergebliebene Waren abtransportierten. Ab und zu grüßte ihn Jemand, auch wenn er nicht wirklich bekannt bei den Bewohnern der Stadt war. Sie fanden wohl, dass er wichtig aussähe. Er ging die Hauptstraße hinauf bis er vor einem großen Tor stand. Es öffnete sich auf eine Handbewegung seinerseits.
„Seid gegrüßt, Meister.“
Auf der anderen Seite stand ein Mann fortgeschrittenen Alters. Rincent kannte viele Magier. Doch keinen der diesem gleichkam. Er ging auf einen Stab gestützt in einer weiten, roten Robe. Die Jahre hatten seinen Spuren bei ihm hinterlassen und seinen Bart weiß gefärbt. Wenn jemand wie ein Magier aussah, dann sein Freund Emudin.
„Seid ebenfalls gegrüßt, Meister.“
Emudin schob seine Hand hinter den Rücken seines Kollegen und geleitete ihn so in Richtung des Forschungsgebäudes. Rincent merkte, wie er geschoben wurde. Als müsste er sich beeilen.
„Ich muss mit euch über Sarax sprechen.“
„Nicht hier, Meister. Wenn wir im Gebäude sind.“
„Ihr versteht nicht. Er befindet sich bereits in den Gewölben.“
„Was? Ohne meine Erlaubnis? Wie…“
„Wir sollten ihn schnellstmöglichst aufsuchen und ihn zur Rede stellen. Es war nicht klug eine dritte Person in dieses Projekt einzuweihen… Nein… wirklich nicht.“
Rincent ging nun auch schnelleren Schrittes voran.
Was auf keinen Fall passieren durfte war, dass seine Forschungsbemühungen und die seiner Kollegen bekannt wurden. Es gab schon einen Grund warum sich nur wenige mit dieser Art von Magie beschäftigten. Und der war die Todesstrafe.


Sala lief hinter ihrer Herrin her.
„Lady Oriphiel! Was meint ihr damit? Wo soll ich denn hingehen?“
Elvira schleppte in der einen Hand einen Koffer hinter sich her. In der anderen hielt sie ihren Sohn am Arm, der schrie und weinte und nach seinem Vater verlangte.
Sala, eine stolze Fuchsdame, wackelte aufgeregt mit ihrer Rute. In ihren Händen hielt sie eine Beutel voller Goldstücke.
„Ich meine es genau so, wie ich es gesagt habe! Geht. Wir ziehen aus. Ihr habt uns gut gedient. Ist euch eure Belohung nicht großzügig genug?“
Die Hausdame blickte auf den Beutel. Sie war sich sicher, dass sie noch nie so viele Goldstücke auf einem Haufen gesehen hatte.
„Danke, Herrin. Und… Alles Gute.“
Elvira seufzte, erleichtert darüber, dass Sala es hinnahm und nicht hinterfragte. Sie drehte sich noch einmal um. Auch Vhaimor verstummte für einen Moment.
„Das wünsche ich euch auch, Sala.“

Der dunkle Gang endete in Gitterstäben. Er war nur schwach durch ein paar Fackeln beleuchtet, doch Rincent erkannte sofort an welcher Stelle die geheimen Zeichen waren. Und er fühlte auch, dass sie heute bereits durch Magie angesprochen worden. Er murmelte ein paar Worte, die er instinktiv kannte und berührte leicht die Zeichen an der Wand. Die Gitterstäbe verschwommen, während Rincent und Emudin hindurchschritten.
„Was zu den Abgründen hast du vor, Sarax?“, schrie Rincent schon von Weitem.
Der Raum in dem sich sein Schüler aufhielt war ihr Labor. Ein seltsames, fast schwarzes Gestein bedeckte Wände, Boden und Decke. Sarax stand vor einem großen Pergament, welches ausgerollt an der Wand befestigt war. Neben ihm hielt ein silberner Ständer das, was sie „den Stein“ nannten. Ein eingefasster, blauer Kristall, der den Raum in ein seltsames Türkis hüllte.
Eine violette Schockwelle riss einen breiten Schreibtisch vom Boden und wirbelte ihn gegen die Wand, wo er in unzählige Stücke zerriss. Schreibutensilien schwirrten durch den Raum und Papier segelte langsam vor Rincents erhobener Hand zu Boden.
„Ich wiederhole mich nicht gern, Sarax.“
Der Angesprochene legte seine Schreibfeder aus der Hand und drehte sich langsam um. Er war ein kleiner Mann mit spitzen Gesichtszügen und grauen Haaren. Dabei war er erst um die 30 Jahre alt.
„Ich habe das Gefühl, dass ihr es trotzdem tun werdet, Meister.“
Emudin legte eine Hand auf die Schulter seines Freundes, um ihn vor weiteren Wutausbrüchen zu warnen.
„Wie hast du das geheime Zeichen durchdringen können? Und wieso führst du hier ohne meine Erlaubnis Experimente durch? Sprich!“
„Nun. Sicherlich. Ihr fragt euch wie… Wie hat Sarax das wohl fertig gebracht?“, murmelte der Mann.
Emudin beugte sich vor und sprach ins Rincents Ohr: „Er ist völlig von Sinnen. Ich denke er hat Chaos absorbiert. Er hat es auf sich selbst übertragen. Wir müssen ihn aufhalten. So können wir das hier nicht weiter betreiben.“
„Geht, mein Freund. Ich werde mich um ihn kümmern“, antworte Rincent.
Emudin wusste, dass er jetzt nicht helfen konnte. Er wartete lieber draußen, falls etwas schief gehen sollte. Natürlich redete er sich ein, dass nicht schon längst alles schief gegangen wäre.
Der verbleibende Meister ging langsam auf seinen Schüler zu. Er spürte wie seine Wut ins Unermessliche stieg. Er wollte das Experiment heute Abend selbst zu Ende bringen. Sarax hatte alles durcheinandergebracht. Sein Lebenswerk ruiniert. Nach ein paar Sekunden hatte er sich bereits sämtliche Sprüche wachgerufen mit denen es möglich war Sarax in blutigen Brei zu verwandeln. Doch dieser stellte sich ihm entgegen und grinste nur.
„Meister, Meister. Ihr seht verdammt schlecht aus. Seit ihr einmal mit der Magie des Chaos in Berührung gekommen?“
In seiner Stimme lag Etwas. Er wusste es.
Rincent hatte tatsächlich versucht etwas Materie des Chaos in den Stein einzuschließen. Dabei hatte er selbst etwas davon absorbiert. Doch er konnte damit umgehen. Das sagte er sich zumindest. Deswegen hatte er Niemandem davon erzählt.
„Ihr habt alles runiert, Sarax. Sagt mir auf welche Weise ihr sterben wollt und ich werde sehen, ob ich gnädig bin.“
„Ich denke das werde ich nicht tun.“
„Was wollt ihr dann tun? Ihr wisst, dass ihr meiner Macht nicht gewachsen seid. Wollt ihr mich beim hohen Rat anklagen? Sie werden uns alle drei hinrichten lassen, wenn sie davon erfahren. Dessen seid ihr euch bewusst?“
Der Grauhaarige begann zu kichern. Es ließ Rincent das Blut in den Adern gefrieren. Was gab ihm bloß diese Dreistigkeit? Sein Meister bereitete sich gerade vor seinen zerstörerischsten Spruch wachzurufen, als Sarax blitzschnell nach dessen Gesicht griff. Seine andere Hand berührte den Stein.
In diesem Moment spürte Rincent nichts mehr und vergaß alles.


Der Wagen polterte aus der Stadt. Beladen mit einer Magierin, einem kleinen Jungen und einen einzigen Koffer. Der Fahrer blickte auf den prallen Sack mit Goldstücken, den er sich vor dem Losfahren an seinen Gürtel gehängt hatte. Er hatte gefragt wohin die Dame denn wolle. Sie sagte, dass sie einfach nur gen Norden wolle. Er bemerkte, dass sie aber mit dem Wagen nicht den Steilpass nach Saphira hochfahren könnten. Nachdem sie ihn bezahlt hatte, hatte er aufgehört weitere Fragen zu stellen.
Elvira streichelte das Haar ihres Sohnes, der auf ihrem Schoß lag.
Auch er hatte aufgehört Fragen zu stellen. Jetzt konnte sie endlich entspannen. Sie wollte nur noch fort. Es war das Beste. Da war sie sich sicher.
„Wirst du die Schule vermissen?“
„Nein.“
„Warum nicht?“
„Die ist langweilig. Papa hat mir immer alles beigegebracht. Ich kann schon alle drei Alphabete. Und einen richtigen Zauberspruch.“
Hätte sie doch nur den Mund gehalten. Erneut traten ihr Tränen in die Augen. War es wirklich das Richtige gewesen? Warum hatte er auch nicht auf sie gehört. Vielleicht würde er sie suchen, dachte sie. Vielleicht kommt er wenn alles vorbei ist. Vielleicht hört er doch noch auf.
Und was war wenn er Erfolg hatte? Würde der Hohe Rat ihm zuhören? Würden sie ihn trotzdem hinrichten? Hätten sie überhaupt die Macht ihn dann noch hinzurichten? Nein, das war völlig unmöglich.
„Weinst du wieder?“
„Sei still, Vhai. Deine Mutter möchte schlafen.“
„Wann kommt Vater nach?“
Der Junge wartete einen Moment, bis er erneut den Mund öffnen wollte, um die Frage zu wiederholen. In diesem Moment erschütterte ein lauter Knall die Nachtluft. Der Wagen hielt ruckartig an und die Pferde wieherten aufgeregt. Elvira öffnete die Tür der Holzkutsche und sah den Fahrer wie gebannt auf die Stadt starren. Sie folgte seinem Blick über die Ebene, die sie bisher zurückgelegt hatten. Auch sie erstarrte, als sie die Stadt erblickte. Ein Teil des Hafens brannte lichterloh.


Rincent schwebte wie in einer Zentrifuge gehalten. Vor ihm erhob sich aus einem Abgrund hinter einem grünen Hügel eine Engelsgestalt. Er fragte sich, ob es sich dabei um Ralira, der Göttin des Lebens handelte.
„Armer Jünger. Steig mit uns hinauf. Doch niemals darfst du fallen, wenn du einmal gestiegen bist. Worauf hast du dich eingelassen, Mensch? Wir haben euch doch alles gegeben was ihr braucht. Wieso wollt ihr immer mehr? Mehr als euch zusteht.“
Der Engel verwandelte sich langsam und pulsierend in eine geflügelte Schlange und stürzte sich einen Wasserfall hinab. Rincent wurde mitgerissen. Doch der Wasserfall endete im Nichts. Über oder unter sich – er konnte es nicht sagen – sah er die Sternenschmiede von Mormas. Er flog durch ein Feuerinferno aus brodelnder Lava. Wenn er sie berührte erstarrte sie. Schließlich brach er hinaus und landete mit dem Hintern im Gras. Er taumelte und versuchte aufzustehen, doch seine Sinne wollten nicht wie er. Seine Motorik war völlig aus dem Takt und er stürzte zu Boden. Dieser fing ihn nicht auf. Er fiel einfach weiter und landete in einem riesigen Topf aus Ölen. Das müssen dann wohl die Kessel des Sathorias sein, dachte er. Neben ihm schwammen schwarze Enten. Eine der Enten kam auf ihn zu. Von weitem hatte sie nur viel kleiner ausgesehen. Jetzt wo sie näher kam, merkte er wie riesig sie war. Er versuchte zu fliehen doch sie schluckte ihn so schnell sie konnte. Erneut fiel er. Bis er sich wieder in seinem unsichtbaren Gefängnis befand.
Langsam erkannte er die schwarzen Steine seines Labors. Seine Ohren fühlten sich taub an, als hätte er durchgehend einen unheimlich lauten Ton gehört. Vor ihm stand jetzt ein großes Wesen mit einer Orangeroten Robe und einem stacheligen, schwarzen Helm. Diarago, der Gott des Krieges sprach zu ihm: „Erbärmlicher Mensch. Haben sie dir nicht erzählt, dass du nicht mit dem Universum spielen sollst? Es gibt keine Kräfte außerhalb eurer Welt. Nicht für euch!“
„Das sind alles Sarax faule Tricks! Lasst mich los! Ich werde mit euch abrechnen!“ Rincent schrie, doch er konnte sich aus seinem unsichtbaren Gefängnis nicht bewegen. Er schüttelte immer wieder seinen Kopf, als könnte er das Bild abschütteln, dass sich ihm bot.
Dämonen und Schattenwesen krochen unter Diaragos Robe hervor und begannen unschuldig aussehende Dorfmädchen und Jungen aus Käfigen zu befreien. Sie rissen ihnen die Kleidung vom Leib und taten ihnen unbeschreiblich schreckliche Dinge an.
„Krieg… Hass… Das ist woraus eure Welt besteht. Ihr könnt euch einfach nicht abfinden mit den Dingen die ihr besitzt. Ihr wollt mehr und mehr haben. Wir haben euch Elemente gegeben. Fragmente. Spielzeug. Und ihr? Ihr wollt das Spielzeug benutzen? Ihr wollt mit den großen Dingen spielen, nicht wahr?“
Diarago grunzte bösartig auf und die Gefangenen begannen zu schreien. Wild vor Furcht.
Vereinzelte Mädchen wurden nun an ihren Brüsten an Metallketten aufgehängt. Am besten kamen die davon, die einfach von unsichtbaren Klauen der Schatten aufgeschlitzt wurden.
Rincent wollte die Augen verschließen, doch seine Lider bewegten sich nicht. Er wollte die Ohren verschließen, doch auch seine Arme konnte er nicht fühlen. Das konnte einfach nicht wahr sein. Es gibt keine Götter. Es gibt keine Dämonen. Es gibt keine wirklichen Abgründe außerhalb seiner Welt. Davon war er immer überzeugt gewesen.
Er schrie so laut er konnte.
„Sarax! Du verdammter Bastard! Du Sohn des Abgrunds! Du verdammtes, abartiges…“
Es wurde dunkel um ihn. Als er wieder erwachte, sah er erneut sein Labor. Doch die Teufel waren verschwunden. War er allein? Er wollte sich umblicken. Doch er konnte sich immer noch nicht bewegen.
„Aha. Sind wir wieder wach geworden? Wie hat es euch gefallen, Meister? Ihr habt doch vorher schon vom Chaos gekostet. Nun tut nicht so, als hätte ich euch etwas angetan, was ihr nicht wolltet.“
Rincent war durch einen Zauber gefesselt. Er versuchte einen Gegenzauber zu sprechen, doch es fiel ihm keiner ein. Sein Geist war also auch verzaubert. Für wie lange noch?
„Du elendes… Lass mich sofort frei!“
Sarax brach in schallendes Gelächter aus, dass Rincent sofort verstummen ließ.
„Damit ihr mich im Gegenzug dafür lähmen könnt? Nein, ich bevorzuge es andersherum, Meister.“
„Lähmen? Du kannst froh sein, wenn dein Leichnam noch in einem Stück ist, wenn ich mit dir fertig bin.“
„Ihr sprecht so abfällig über mich, Meister. Wisst ihr eigentlich, was ich in der Zwischenzeit erreicht habe? Während ihr geschlafen habt und Meister Emudin draußen die Knie schlottern?
Ich habe es geschafft! Ich habe ein Stück der Materie des Chaos im Stein eingeschlossen. Das Chaos… Es ist wirklich greifbar! Es ist formbar. Wie die Magie der Erde. Wie die Magie der Elemente. Nur vielseitiger. Und man wird es benutzen können. Ja… die Erde. Die Magie selbst wird formbar sein. Völlig frei formbar! Gottgleich!“
Als er in diesem Moment seinen Schüler sah, wurde Rincent klar was er getan hatte. Als er seine irren Augen sah, da wusste er wie er geklungen haben musste so manches Mal. Wie ein verdammter Fanatiker, dachte er. Er wollte doch nur neue magische Ebenen entdecken. Es hätte ihm von Anfang an klar sein sollen. Sein Zorn verwandelte sich augenblicklich in Trauer. In Reue über all seine Taten. Besonders bereute er die Tatsache, die ihm in diesem Moment bewusst wurde, dass er etwas der Materie in sich selbst aufgenommen hatte. Und diese wahrscheinlich auch an seine Frau weitergegeben hatte. Hoffentlich nicht an meinen Sohn, dachte er.
„Elvira… Es tut mir so leid.“
„Was, Meister? Was sprecht ihr?“
„Es tut mir leid!“
Sarax Lächeln verformte sich zu einem krankhaften, schiefen grinsen. Er sah fast so aus wie einer dieser Dämonen, dachte Rincent.
„Was wimmert ihr da, Meister? Soll ich einmal den Stein an mich nehmen? Hmm… Mal sehen“, gab Sarax kichernt von sich.
Die Finger des Schülers griffen nach der Halterung in dem der Kristall steckte. In dem Moment in dem er den Stein berührte, fühlte Rincent, wie der Fesselzauber um ihn schwächer wurde. Schnell versuchte er sich alles seinen Geist zu rufen.
Es war alles da. Routiniertes Denken. Durch Jahrzehnte eintrainiert. Ein unglaubliches Arsenal an Sprüchen durchströmte ihn, die er nur instinktiv abrufen brauchte. In einer Sekunde hob er den Fesselzauber auf und kam neben Sarax auf dem Boden auf. In der anderen Sekunde bereitete er den Spruch vor und streckte seine Hände der Brust seines Gegner entgegen. Eine unglaubliche Explosion aus Blitzen riss Sarax von den Füßen und zerfetzte seine Brust. Der Mann war schon tot bevor er gegen die Wand schlug. Als Rincent sein Werk betrachtete, merkte er wie es nach Schwefel und verbranntem Fleisch roch. Sein Schüler lag in der Ecke mit weit aufgerissenen, starren Augen, offenem Mund und dem Stein noch in seinen widerlichen Klauen.
Der Magier schaute sich kurz um. Er musste dem jetzt ein Ende setzen. Und dann musste er seine Frau finden. Ihr alles erklären. So schnell wie möglich. Sie mussten hier weg. Weit, weit weg. Tränen füllten seine Augen als er in Richtung des Ausganges lief.
„Elli. Warte auf mich. Ich war so töricht.“
Er nahm sich aus verschiedenen Tischen im Labor Zutaten, einen Stift und Pergament. Er musste ein letztes Mal einen Zauber aus seiner Forschungsreihe anwenden. Denn jeder andere wäre nicht stark genug gewesen das ganze Labor dem Erdboden gleichzumachen. Er malte ein paar Zeichen, die daraufhin anfingen violett zu leuchten. Er verteile den Saft zweier Pflanzen auf ihnen und begann die verbotenen Worte zu sprechen. Dieser Zauber erforderte einen kleinen Augenblick. Rincent konnte sich noch einmal erlauben sein Labor anzusehen bevor er es zerstörte. Als er allerdings seinen Blick über den Teil des Raumes aus dem er gekommen war richtete, blieb ihm fast das Herz stehen.
Sarax war verschwunden! An der Stelle an dem sein Leichnam lag war nur ein schwarzer Fleck zu sehen. Sogleich sprang aus der Dunkelheit ein fratzenziehendes Untier hervor, das wohl einst sein Schüler gewesen war. Er schaffte es gerade so auszuweichen, doch er merkte wie eine Klaue dieses „Tieres“ seine Wange aufriss. Es macht keinerlei Geräusche. Nicht einmal seine Bewegungen!
Rincent sprang su schnell es ging zum Ausgang. Das Pergament flammte in seinen Händen auf. Er hoffte, dass seine Konzentration noch gereicht hatte um diesen letzten Zauber zu aktivieren. Er rannte durch den dunklen Gang, der unter dem Institut aus dem Gewölbe führte. Dicht hinter ihm das Untier. Im Rennen rollte er das Pergament und steckte es in eine seiner Jackentaschen.
Als er am Tor angekommen war, schlug er es so schnell wie möglich zu, stellte sich auf dem Hof auf und begann das Pergament wieder zu entrollen.
Am Eingangstor des Geländes standen zwei Wächter in voller Rüstung. Der eine kam sofort auf ihn zu, als er ihn herausstürmen sah. Das Ungetüm stieß das Tor auf und erblickte seine Opfer. Es stieß einen ekelerregenden Schrei aus. Der zweite Wächter rannte jetzt auch auf Rincent zu und vom Tor her blickten ein paar Passanten auf den Hof des Instituts.
Der Magier war schon dabei die Schriftrolle zu benutzen, den Spruch immer und immer wieder zu wiederholen, bis sich das Pergament auflöste. Das Ungetüm sprang auf ihn zu, doch es war bereits zu spät. Der Zauber entfaltete seine volle Wirkung. Rincent begann violett zu leuchten und seine Augen färbten sich schwarz. Das Ungeheuer wurde von ihm abgestoßen und taumelte zurück. Die Wächter waren auf sicherer Entfernung hinter Rincent stehen geblieben. Jetzt liefen sie wieder zurück zum Tor. Den Anblick ertrugen sie scheinbar nicht. Rincent fühlte sich als würde er zerbarsten. Ein Sturm aus schwarzen Blitzen schoß aus ihm hervor, durchbohrte den mutierten Sarax und drang durch das Tor in das Gewölbe ein. Eine unglaubliche Explosion sprengte den ganzen Ostteil der Institutsanlage. Die Leute und die Wächter rannten davon wie aufgescheuchte Hühner. An Rincents Kopf flog um Haaresbreite ein kutschengroßer Felsbrocken vorbei.
Dann war alles vorbei und er ließ sich fallen. Immer weiter fallen.
„Elvira… Vhaimor… Wartet…“


„Jetzt fahrt schon weiter. Ich bezahle euch nicht fürs herumstehen!“
Elvira schrie aus voller Lunge. Der Fahrer löste langsam seinen Blick von der Stadt.
„Ja, meine Dame! Aber… Nathal. Der Hafen brennt!“
„Das wird ein Brand im Institut sein… Vielleicht ist ein Experiment schief gelaufen. Das wird ein kleiner Wasserzauber schon wieder beheben. Keine Angst. Wir werden schon nicht vom Ozean aus angegriffen von teuflischen Meerwesen.“
Und tatsächlich bildeten sich jetzt Wolken am Horizont und es begann zu regnen.
„Vhai! Bleib im Wagen!“
Vhaimors Fuß verschwand sogleich wieder in der Kutsche. Elvira setzte sich ebenfalls hinein und schlug die Tür zu. Sie seufzte, vergrub den Kopf in ihren Händen. Nach einer Weile begann der Wagen weiterzufahren. Wenn sie nicht schon längst alle Tränen geweint hätte, dann würde sie jetzt damit weitermachen.
„Mama. Was ist geschehen?“, wollte Vhaimor aufgeregt wissen.
„Nichts, Schatz. Papa kommt bald nach. Alles wird gut.“
Der Wagen rappelte gemächlich durch die Nacht. Den langen Weg nach Norden.


Ein Hahn krähte, um die Bewohner von Nathal zum aufstehen zu bewegen. Dabei hatte in dieser Nacht beinahe niemand geschlafen. Ein lauter Knall gefolgt von einem tosenden Brand hatte den Ostteil des Instituts für Magiewirker in Asche verwandelt. Der schwarze Haufen dampfte noch als der Regen langsam aufhörte.
Ein Zug aus Menschen führten einen alten, dreckigen Mann mit rußbeschmutzter Kleidung auf der Hauptstraße entlang. Besonders ehrenvoll sah es nicht aus, an diesem Morgen. Besonders nicht als einige Passanten hinzukamen und anfingen den Mann mit faulem Obst zu bewerfen. Ein paar beschimpften ihn auch als „Schattenhexer“ oder „Dämonenzüchter“. Die Wächter taten ihr Bestes den wilden Mob von dem Mann fernzuhalten. Ein paar matschige Früchte trafen dennoch ihr Ziel. Als das Geleit das große Gebäude am Ende der Straße erreicht hatte, führten ihn die Wächter hinein. Er wurde sogleich in einen Stuhl und vor das Gericht und einen Ausschuss des hohen Rates verfrachtet. Diesen Menschen war er nicht nur einfach suspekt und verhasst. Nein. Er hatte sie heute Nacht auch um ihren Schlaf gebracht. So schnell hat wohl noch nie jemand ein Eilverfahren bekommen, dachte der Mann.
Der hohe Richter sprach schnell und direkt: „Rincent Oriphiel. Ihr werdet des Verrates am hohen Rat angeklagt. Aber gegenüber der Tatsache, dass ihr Chaosmagie… Oder auch schwarze Magie angewendet habt, ist das noch gar nichts. Wusstet ihr, dass ihr das Gefüge der Welt aufs Spiel stelltet? Wusstet ihr, dass auf dieses Vergehen die Todesstrafe gilt?“
Rincent blickte sich im Saal um. All diese wichtigen Leute vom Institut, die ihn seit Jahren um seine Stelle beneideten. Sie sind da um zu entscheiden. Um sich zu beraten. Und sein Freund Emudin war auch da. Er saß neben Kasos, dem Hausverwalter des Instituts, und blickte stumm auf den Boden. Sag doch was du Schwein, dachte Rincent. Aber das würde auch nichts bringen… Sie würden sie nur beide hinrichten. Bald würden sie herausfinden, dass Sarax verschwunden ist. Vielleicht würde es Emudin gelingen alles zu verschleiern. Aber das interessierte ihn jetzt auch nicht mehr.
Er blickte dem Richter in die Augen und sprach: „Wo ist meine Familie?“
Der Richter seufzte und antwortete: „Sie sind fort. Wir konnten sie nicht finden.“
Der Magier blickte auf seine Fesseln. Sie waren aus Gorloinseide. Verzaubert. Mit Magie nicht zu öffnen. Tränen rannen ihm die Wange hinunter. Das Spiel war verloren. Er würde seine Familie nicht wiedersehen.
Erneut blickte er den Richter an.
„Verbindet mir bloß nicht die Augen“, sagte er grinsend mit einem tränenverschmierten Gesicht.
„Ihr werdet eure Strafe im üblichen Maße erhalten, Schwarzmagier. Aber eine Frage werde ich euch noch stellen.“
„Und die wäre?“
„Hattet ihr Helfer bei eurem Werk?“
Rincent verstummte. Er blickte in Emudins Richtung und dachte für eine Sekunde, dieser hätte den Blick erwidert. Aber er blickte stets stur nach unten.
„Nein.“

Der Scheiterhaufen war gegen Nachmittag errichtet. Er wurde an einen Holzpfosten gefesselt der auf einem Podest aus Stroh und altem Holz stand. Niemand verband ihm die Augen, sodass er am anderen Ende des Hofes seine Haushälterin Sala sehen konnte. Sie blickte ihn traurig aus ihren Fuchsaugen an. Dann riss er seinen Kopf vor Schmerzen nach oben und drückte sich gegen den Holzpfosten. Das Feuer brannte schnell. Er merkte wie er verzerrt wurde. Doch er ließ keinen Schrei entgleiten. Er sah wie die Menge ihm beim Rösten zuschaute. Doch er schloss nicht die Augen. Sein Körper wand sich im Schmerz bis er erschlaffte.
Und langsam glitt er hinüber in eine Welt, an die er nie geglaubt hatte.

 

Hallo,

noch ein kurzer Kommentar zu meiner "Debut-Geschichte". Leider ist sie recht lang geworden! ("Leider", weil ich sie eigentlich kürzer haben wollte. Aber jetzt will ich auch nichts mehr streichen.) Ich hoffe es lesen sie ein paar :)

Ich hoffe ebenfalls, dass sie so gut wie fehlerfrei ist (ist warscheinlich aber nicht so ;) Hab mich aber echt lange dran gesetzt und sie überprüft)
Kritik und Verbesserungen erwünscht!

Kuma

 

Willkommen auf kg.de, du Bär ;)

Also, so wirklich hat mich die geschichte nicht vom Hocker gehauen. Sie plätschert vor sich hin und gewinnt auch nicht an den Stellen an Tempo und Spannung, wo es zum Kampf kommt. Daran musst du noch arbeiten (z.B. mit verschiedenen Satzlängen - du verwendest häufig recht lange Sätze).

Ich hoffe ebenfalls, dass sie so gut wie fehlerfrei ist (ist warscheinlich aber nicht so ;) Hab mich aber echt lange dran gesetzt und sie überprüft)
Aber nicht lange genug. Auch hier besteht noch überarbeitungsbedarf.

 

Danke für die Willkommensgrüße.

Danke auch, dass du dir meine Geschichte angeschaut hast und sie kommentiert hast. Ich nehme deine Kritik ernst und versuche auf die von dir angesprochenen Dinge zu achten. Schade trotzdem, dass du an meiner Geschichte nichts positives finden konntest :)

Ich hoffe, dass sie dir einigermaßen gefiel und dich nicht tödlich langweilte. :)

Grüße

Kuma

 

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