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Das immer gleiche Grün

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14.07.2020
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Das immer gleiche Grün

Dem Mann am Steuer das Wagens rechts von mir ist das Kinn auf die Brust gesunken. Seine Augen sind geschlossen, auch wenn sie scheinen, als würden sie sich jeden Moment wieder öffnen. So fährt er geradeaus. Seine Hände halten Kurs. Sie lassen das Steuer nicht los. Unausweichlich kommt die nächste Kurve. Er lebt wohl und ist doch schon zum Tode verurteilt.
Es ist zu spät. Ich kann nicht mehr hupen, ihn anschreien: Wach auf! Ich bin weit weg von ihm, kann nicht umkehren. Kann nichts anderes als weiter. Ich lasse ihn zurück. Nur das Gefühl bleibt. Ich sollte etwas tun.
Ich kann nichts tun.

----------​

Als Hanna zum letzten Mal mit mir im Auto saß, fuhr ich langsam und überholte niemanden. Ich steuerte mit fließenden Bewegungen, die sich langsam und vorsichtig ankündigten. Gab ihrem Körper Zeit, sich gegen jede Kurve, jede Erhebung der Straße zu wappnen.
Etwas in ihr war gebrochen. Als ich morgens aus dem Gästezimmer kam, in dem ich seit Beginn des Sommers schlief, zwischen Wäsche und aussortierten Büchern, stand sie im Bad und kämmte sich die Haare, die Stirn in Falten, die Augen eng und entschlossen. Sie war allein. Laura schlief in ihrem Bettchen, Stefan bereitete wie jeden Morgen das Frühstück vor. Wenn sie den Arm zu einem neuen Bürstenstrich anhob, schrie sie leise auf.
Jemand musste sie ins Krankenhaus fahren. Ich hatte es ihr am Abend versprochen. Dort würde man sie mit Wärme und Umsicht behandeln, mit Wickeln aus Kräutern und winzigen Kugeln aus Zucker. Mit guten Worten und den Gedanken an höhere Mächte.
Fast schmerzte es mich selbst, wenn ich bremste oder beschleunigte. Etwas zerfraß Hanna. Sie würde zerfallen, wenn wir nicht aufpassten. In mir zerfiel nichts. Damit mich ihre Schreie nicht ablenkten, hatte sie Mozarts Requiem in d-Moll bis zum Anschlag aufgedreht. Frauenstimmen rasselten aus den Lautsprechern.
Sie hatte gewollt, dass ich sie fuhr. Laura würde in den Kindergarten gehen, wie an jedem anderen Tag, mit Bildern und Fragen im Kopf, die sich nicht in Ordnung bringen ließen. Stefan würde Hanna besuchen, morgen und an zahllosen anderen Tagen. Ich brachte sie heute fort. Ich weinte nicht und wurde auch nicht laut. Wir stritten nicht. Das taten wir schon lange nicht mehr. Wir waren erwachsen geworden.

Im Winter brachte ein Krankentransport sie nach Hause.

In der Nacht im Frühling saß ich lange an Hannas Bett. Gleich würde sie sich wieder aufsetzen und mit uns sprechen. Erst als sie in der Kirche aufgebahrt lag, war sie nicht mehr lebendig. Nur noch Körper - vergehende Hülle. Aber in den Händen, den kräftigen Fingern, dem zarten Rosa unter der dünnen Hautschicht - in den Händen, die sie monatelang auf Krücken getragen hatten, war etwas von ihr aufgehoben.

Ich hätte etwas tun sollen.
Ich konnte nichts tun.

----------​

Der Wagen des schlafenden Mannes wird im Rückspiegel kleiner und verschwindet in der Dämmerung.
Die Hügel zu beiden Seiten der Straße zeigen noch das gleiche Grün, die bloßen Bäume, vereinzelt Nadelbäume dazwischen. Schlamm. Gras. Autolichter.

 

Hallo @lena_schreibt ,

ist da möglicherweise beim Übertragen etwas mit der Formatierung schiefgelaufen?

Herzlich Willkommen hier! :)

Chutney

 

Hallo @Chutney und vielen Dank! :)

Die Formatierung war größtenteils beabsichtigt, aber ich habe sie gerade nochmal überarbeitet. Im Original hatte ich etwas mehr Platz pro Zeile, sodass die Umbrüche hier z.T. anders waren, was für mehr Chaos gesorgt hat. Und an anderen Stellen habe ich nachgebessert, um mehr Klarheit zu schaffen.
Aber vielleicht findest Du ja auch, dass der Text in dieser Formatierung so grundsätzlich nicht funktioniert? Oder eher unter "Experimente" fällt?

 

Hallo,

Auf meiner Fahrt auf der Autobahn zwischen hier
und drüben
habe ich ihn gesehen: den Mann, der am Steuer eingeschlafen war.
Für mich ist das "hier und drüben" eher eine Spielerei, als dass diese ungenaue Verortung wichtig für einen Satz - noch dazu den ersten - wäre! Gekürzt fände ich den Satz viel eingängiger, was sagst du?

Er fuhr in einem silbergrauen Wagen
auf seiner Spur, immer
geradeaus.
Auch hier

Der Kopf war ihm auf die Brust gefallen.
Sagt man das so? Es klingt ein wenig seltsam - also der gesamte Kopf fällt ja nicht auf die Brust, er kippt eher nach vorne

Ich glaube nicht, dass er gestorben war.
Er sah so aus, als würde er die Augen jeden Moment wieder öffnen. Allerdings –
so sehen Tote auch aus.
Hier widerspricht sich dein lyrisches Ich. Wieso ist es so wichtig, dass sie erst glaubt, er sei nicht gestorben? Ich finde, dieser Satz nimmt auch etwas den Zug und den Konflikt aus der Szene, wenn dein lyrisches Ich das gleich so einordnet für uns Leser: Er ist aber nicht tot! Lass es lieber offen stehen und den Leser selbst entscheiden, wie er mit den ihm gezeigten Szenen umgeht, wie er sie einordnet - my opinion! So würde es mir viel besser gefallen.

Am Bett von Hanna saß ich lange in der Erwartung, sie würde sich gleich wieder aufsetzen,
mit uns sprechen. Erst als sie sie in der Kirche aufgebahrt hatten, erst dann
war sie nicht mehr lebendig,
war sie nur noch Körper – vergehender Körper.
Was ist denn vergehender Körper? Ich finde das redundant, weil du in den folgendne Sätzen genau das beschreibst: Die Hände sind übrig geblieben, etc. Es würde stärker wirken, wenn du den Satz streichen würdest

Zurückgeblieben waren ihre Hände.
Sie sahen noch immer lebendig aus.
Wie sehen denn lebendige Hände im Gegensatz zu toten aus? Eigentlich doch bloß die Hautfarbe, das Rosane und nicht Blaublasse. Ich würde das hier so ausschreiben, genauer formulieren, wie die Dinge aussehen.

Als hätte sich ein Stück ihrer selbst in ihnen aufgehoben, um
noch einen Augenblick
in der Welt zu bleiben.
Würde ich streichen. Man versteht, was du damit meinst, dass ihre Hände noch lebendig aussehen - wir wissen ja, dass sie gleichzeitig bereits tot ist, es ist ihre Beerdigung. Also das bräuchtest du gar nicht extra erklären, das schwingt mit, so wirkt es eher redundant und etwas "übererklärt", meiner Einschätzung nach

Auch die Hände am Steuer halten aufrecht, was der nun schlafende eben noch tat.
Sie halten Kurs.
Voschlag: Auch die Hände des Mannes halten das Steuer. Halten Kurs.


Ok, gelesen. Am stärksten fand ich die Szene mit der toten Schwester(?), wie sie aufgebahrt wird. Ich denke, das ist auch das, was du ursprünglich schreiben wolltest, worum es im Kern gehen soll: Um den Verlust, um eine Art Flashback, weil sie einen Mann sieht, der gleich sterben könnte.
Ein Problem, weswegen ich relativ wenig Emotionen bei diesem Text spüre, ist, dass ich Hanna nicht kenne. Ich habe sie als Leser nicht kennen und lieben gelernt. Du bietest keine Szenen, die das möglich machen würden. Ich verstehe deswegen den Schmerz nicht, den deine Erzählerin durchläuft. Ist Hanna bei einem Autounfall gestorben? Dann wären da sicherlich mehr Assoziationen bei deiner Erzählerin zu dem Mann.
Ich frage mich auch: Weswegen hast du die Szene (Mann am Steuer) gewählt, um über den Schmerz der Protagonisten zu erzählen?
Wenn du vom Schmerz des Verlustes sprechen möchtest, würde ich vorschlagen, eher auf Hanna einzugehen und die Erzählerin. In welchem Verhältnis standen sie zueinander? Was hat ihre Beziehung besonders gemacht? Wenn ich das als Leser in Szenen sehen würde, und dann stirbt Hanna oder ich weiß, dass sie gestorben ist, trifft mich das noch mal mehr. Das ist der Unterschied zwischen einer Todesmeldung im Lokalblatt, die nur ein Name beinhaltet, und einem Spielfilm oder eine Reportage, in der ich die Person kennenlerne, sehe, und dann stirbt sie. Zweiteres ergreift doch viel mehr.
Ich denke, dass man eine Flash Fiction in die Richtung durchaus schreiben könnte. Dann wäre eine Beerdiungsszene auch noch mal intensiver, anders, würde mehr an die Nieren gehen. Wenn ich die Figur nicht wirklich kennen gelernt habe, ist das schwierig, nachzuempfinden. Aber ich finde es sehr gut, dass du hier etwas wagst, auch etwas ausprobierst und verknüpfen möchtest. Auch davor, dass du über ein so intensives Gefühl erzählen möchtest, ziehe ich meinen Hut. Ich sehe auch auf jeden Fall bei dir Talent und mich würde interessieren, was noch von dir kommt und wie du dich entwickelst!


Zur Formatierung: Das ist gedichtähnlich; wenn du Pech hast, wird das aus diesem Grund gelöscht werden von den Mods. Ich finde aber, das wäre unnötig, weil dein Text mit normaler Formatierung durchaus eine Flash Fiction ist. Also vllt möchtest du das noch anpassen.

Zu den Kürzungen: Gerade auf so kurzem Raum ist es, denke ich, extrem wichtig zu verdichten, wirklich die richtigen Worte an der richtigen Stelle zu haben. Deswegen würde ich tatsächlich bei einem Text jeden Satz durchgehen und fragen: Brauche ich das? Brauche ich diesen und jenen Begriff, kann ich allgemeine Wendungen wie "gut", "groß", "vergehender Körper" oder "lebendig" anschaulicher beschreiben, so dass sie der Leser genau so vor Augen hat, wie ich das meine? "Die Haut ihrer Hand war grau, die Adern schimmerten lila durch sie hindurch." Wenn man da noch feinschleift, holt man immer noch viel aus einem Text heraus. Ich hab versucht, in der Art mal bei deinem Text durchzugehen.

Nimm meine Kritik jedenfalls bitte nicht persönlich, sondern als reine, sehr ehrliche Textkritik. Ich sehe bei dir auf jeden Fall Potential und bin gespannt, was noch von dir kommt.

Viele Grüße,
zigga

 

Hallo @lena_schreibt ,

da war @zigga jetzt flotter.

Zur Formatierung: Das ist gedichtähnlich; wenn du Pech hast, wird das aus diesem Grund gelöscht werden von den Mods. Ich finde aber, das wäre unnötig, weil dein Text mit normaler Formatierung durchaus eine Flash Fiction ist. Also vllt möchtest du das noch anpassen.
Für mich schrammt das auch haarscharf an der Grenze zwischen Gedicht und Flash Fiction entlang. Und ich glaube, mir persönlich würde es auch besser ohne die Absätze gefallen.

"Auf meiner Fahrt auf der Autobahn zwischen hier und drüben habe ich ihn gesehen: den Mann, der am Steuer eingeschlafen war. Er fuhr in einem silbergrauen Wagen
auf seiner Spur, immer geradeaus. Der Kopf war ihm auf die Brust gefallen. Die Hände lagen noch am Steuer. Ich glaube nicht, dass er gestorben war. Er sah so aus, als würde er die Augen jeden Moment wieder öffnen.
Allerdings – so sehen Tote auch aus."

Ja, gefällt mir besser. Das andere empfinde ich als abgehackt, ohne dass es inhaltlich Sinn macht.

Liebe Grüße von Chutney

 

Ich habe die Formatierung jetzt erstmal entfernt, da ich es sehr schade fände, wenn der Text deshalb gelöscht würde. Danke @zigga für den Hinweis darauf. Für mich funktioniert der Text auch in normaler Formatierung, mindestens für die Kritik hier.

Und ich stimme auch @Chutney zu, dass es recht abgehackt gewirkt hat.

Ich finde deine Kritik sehr ermutigend, @zigga, gerade weil sie so ehrlich ist, aber danke auch, dass Du ein paar lobende Worte verlierst, das macht es mir leichter, vor allem weil es mein erster Text hier ist.
Was Du ansprichst ist wertvoll für mich, um weiter an dem Text zu arbeiten. Ich sehe meinen eigenen Text jetzt klarer. Vor allem mit dem Hinweis, Dinge konkreter und anschaulicher und nicht nur abstrakt zu beschreiben, wie z.B. die toten Hände, kann ich viel anfangen. Die Kritik ist mir auch schon öfter begegnet.
Hanna bzw. die Beziehung des lyrischen Ich zu ihr in den Mittelpunkt zu stellen und vor allem erstmal einzuführen, spricht mich sehr an. Ich kann mir vorstellen, in diese Richtung daran weiter zu arbeiten. Dabei kann ich möglicherweise auch noch klären, was die Verbindung zu dieser Szene mit dem Mann im Auto ist.
Was die Verdichtung angeht: Ich merke, dass ich an einigem, was Du gestrichen hast, hänge, weil mir etwas daran sprachlich gefällt, ohne dass es vielleicht gebraucht wird. Da muss ich mal noch ein wenig drüber nachgrübeln. Ich sehe jedenfalls die Wiederholungen, die Du ansprichst und auch das "Übererklären".

Ich freue mich jedenfalls auch darauf, hier in Zukunft noch mehr von mir zu zeigen (und mein Schreiben dabei weiter entwickeln zu können)!

Viele Grüße,
lena_schreibt

 
Zuletzt bearbeitet:

»War’n das für’n Geklapper / mit stilllebrigem Geplapper?
Geschehn denn hier für Sachen!, / die einen Kirre machen.
Wär’ nicht ich mein eigner Herr? / Hätt’ nimmer ich mich gern!
Doch gäb’s da nix zu lachen.«
aus: Bin ich hier richtig​

Liebe lena,

warum mischt sich nun der wahrscheinlich letzte Fußgänger (naja, ab fünf km Strecke holt er schon mal das Fahrrad hervor, ab 128 km löst er ne Fahrkarte), Lüriker und Autoverächter ins trostloseste wie eine Beschreibung über die AU-tobahn ein, einer, der nie das Bedürfnis hatte, einen Führerschein zu machen, weil er der Auffassung ist, dass Deutschland (und Braunau) mehr als genug Führer hatte, und ausgerechnet die braune Kacke ließ ja die ersten „Autobahnen“ bauen, um Panzer rollen zu lassen.

Genug des historischen Rückblicks, das Dritte Reich hatte also offensichtlich auch sein Gutes, was heute genutzt wird, um die Luft zu verpesten, zu vergasen und/oder andere zu belästigen mit CO2 und sonstigen Abgasen.

Flusenlese

Auf meiner Fahrt auf der Autobahn zwischen hier und drüben habe ich ihn gesehen: den Mann, der am Steuer eingeschlafen war.
a) „den“ groß, denn es leitet diesseits der Doppelpunkte einen vollständigen Satz (SPO) ein
b) einheitl. Zeitenfolge – „eingeschlafen ist“

Auch die Hände am Steuer halten aufrecht, was der nun chlafende eben noch tat.

Naja, Partizipe haben die Tendenz zur Adjektivierung und die zur Substantivierung, wie z. B. dem Schlafenden


Der Schläfer lebt noch, aber vielleicht ist er schon zum Tode verurteilt

weg mit dem noch, wir leben schließlich alle noch, wer nicht, melde sich!
nachrägliche Anmerkung zwischen gesetzt: Ich weiß nicht, warum das von mir durchgestrichene "noch" die hartnäckige Wirkung des Durchstreichens entwickelt - vllt. weil es in Fettdruck ist? K. A.
Ich will und muss auch nicht alles wissen ...

Als ich ihn erkannt habe, ist es längst zu spät – zu spätKOMMA um zu hupen, ihn anzuschreien:
bei gedoppeltem Infinitief kann man die Übersicht verlieren,
selbst ich

Tschüss und wird schon werden - und nicht einschüchtern lassen, wenn's mal schief läuft. Selbst Goethe würde von mir auf sprachliche Ungereimtheiten hingewiesen und ich hätt mich anshließend mit Schiller oder Hegel dem Trunke ergeben ...

Wird schon werden, meint der

Friedel

PS: Ignorier die (durch)Striche, diedurch formelhafteKlammern oder sonstws ausgelöst wurden

21:17 MEZ

 

Hallo @lena_schreibt,

interessanter Text, den du hier eingestellt hast. Einige Stellen sind mir persönlich zu unscharf. Da könntest du noch schrauben.

Erst als sie sie in der Kirche aufgebahrt hatten, erst dann war sie nicht mehr lebendig, war sie nur noch Körper – vergehender Körper.
Das sie sie ist eine unschöne Doppelung, Vorschlag: Erst als sie in der Kirche aufgebahrt lag
Auch das "Körper – vergehender Körper" finde ich redundant, wie wäre es mit "Körper – vergehende Hülle"?

Auch die Hände am Steuer halten aufrecht, was der nun schlafende eben noch tat.
der Schlafende.

Der Schläfer lebt noch, aber vielleicht ist er schon zum Tode verurteilt. Vielleicht ist die nächste Kurve nur wenige Meter entfernt.
Vielleicht, vielleicht. Vorschlag: Die nächste Kurve kommt unausweichlich.

Als ich ihn erkannt habe, ist es längst zu spät – zu spät um zu hupen, ihn anzuschreien: Wach auf!
Zu spät um zu ist mit zu umständlich. Zu spät zum Hupen, zu spät ihn anzuschreien: Wach auf!

Ich lasse ihn zurück.
Lasse auch sein Bild zurück.
Lasse, lasse. Könntest du auflösen: Ich lasse ihn zurück und mit ihm auch sein Bild (oder besser: das Bild von ihm)

Die Verzweiflung, die aus der Ohnmacht geboren wurde, nichts tun zu können, um den Lauf der Dinge zu ändern, hast du gut eingefangen. Irgendwas zu tun, nur damit es anders wird, ist es gutes Gefühl, auch wenn es mit Schmerzen verbunden ist und doch zeigen die Hügel unbeeindruckt das gleiche grün.

Bin gespannt, was noch von dir kommt, peace, linktofink

 

Danke für eure Kritik, @Friedrichard und @linktofink!
Dann überarbeite ich mal und ja, das heißt wohl in diesem Fall vor allem noch mal schauen, was weg kann/muss. Ich habe den Text ursprünglich mal zum Vorlesen geschrieben und ich glaube, daher kommen die verschiedenen Doppelungen. Ich finde, gesprochen funktionieren sie anders/besser. Umso wichtiger, eure Eindrücke hier zu lesen!

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin, lena_schreibt,

im Grunde ist gesprochene Sprache, wenn schon nicht gänzlich, so doch ziemlich anders als die niedergeschriebene und damit schriftlich eingefangene. Es gibt ja auch gar keine Grammatik der gesprochenen Sprache (obwohl daran gearbeitet wird) und wie alle Regeln (vom Grundgesetz über die Gesetzbücher über Wörterbücher bis hin zu Mathematibüchern) soll da mit Komplexität reduziert werden, die Welt einfacher und damit verständlicher machen.

Das gesprochene Wort weicht aber i. d. T. ab durchTonfall, Betonung und in den Variationen Hochsprache, Dialekt und Soziolekt machen sich die individuellen Abweichungen (die manchmal als Sprachfehler wahrgenommen werden) bemerkbar - am extremsten in meiner Heimatsprache, dem Ruhr(s)pöttlerischen. Das Ruhrlatein wurd von der rheinischen Variante (westliches Ruhrgebiet) und den rheinfränkischen bis niederländischen Dialekten bis zu den sächsischen (Münsterland, Westfalen - zu dem es ein Ostfalen gibt! - und Sauerland), dazu kommen 2.000 Jahre Zuwanderungsgeschichte die seit dem 19. Jh. ostpreußische und slavische (Polen zB) Elemente brachte und in den 1960ern ff. ital., span., port., also vulgärlateinishe Varianten hinzufügten- wobei vor allem das Jiddische seine ursprünglichste, eigentlich mittelhochdeutsche Form bewahrte (zwischen Massel und zuletzt überwiegend Schamassel). Bei mir können sogar tschechische Elemente auftauchen, wenn ich das Pivotelement aus der Mathematik zum Pivo ("Bier") vekürz.

Wird schon werden - meint der Friedel,

der noch schöne Tage diese Tage wünscht!

Und kaum will ich mich hier ausklinken, fallen mir neue Wörter ein. Mit den Flüchtlingen werden sich auch arabische Elemente jenseits des Hadschis und Ali Baba etablieren.

 

Hi @lena_schreibt,

ich finde deinen Text interessant. Ich musste ihn zweimal lesen, da er für mich ziemlich minimalistisch und ein wenig abstrakt ist. Einiges kommt bei mir sehr metaphorisch an, aber ich gehe mal Schritt für Schritt durch. (Die vorigen Kommentare habe ich übrigens absichtlich nicht gelesen.)

Seine Hände halten Kurs. Sie lassen das Steuer nicht los. Unausweichlich kommt die nächste Kurve. Er lebt wohl und ist doch schon zum Tode verurteilt.
Auf mich wirkt diese erste Szene wie eine Metapher fürs Leben. Jeder lebt sein eigenes, ganz persönliches Leben, ist dafür verantwortlich (weiter unten schreibst du "Sie war allein", was dazu passen würde), was er/sie damit macht. Selbst wenn man noch die Hände am Steuer hat, ist der Tod unausweichlich. Und damit kann auch die Prota den Mann nicht vor dem Tod bewahren.

Wenn man das nicht metaphorisch sieht, könnte man bei diesem Part ...

Es ist zu spät. Ich kann nicht mehr hupen, ihn anschreien: Wach auf! Ich bin weit weg von ihm, kann nicht umkehren. Kann nichts anderes als weiter. Ich lasse ihn zurück. Nur das Gefühl bleibt.
... meinen, dass die Prota ja doch etwas hätte machen können. Jedenfalls stelle ich mir vor, dass sie nebeneinander fahren. Da könnte man im schlimmsten Fall davor fahren und leicht bremsen, sodass er ihr hinten reinfährt und aufwacht. Kann auch sein, dass man das nicht machen würde, ich weiß es nicht, hab ich noch nie erlebt (zum Glück). Aber was man wohl kaum machen würde ist, einfach weiterzufahren. Denn selbst wenn er einen Unfall baut, muss er ja nicht gleich tot sein, man könnte den Krankenwagen rufen etc.
Deshalb kommt das bei mir metaphorisch rüber. Dazu auch das Thema Autofahren. Die zweite Szene beginnt auch im Auto, was für mich die Metapher vom Anfang fortsetzt: Das Leben ist wie eine Autofahrt, einer fährt rasant, der andere muss vorsichtig sein, kann nicht mehr so, irgendwann ist die Fahrt vorbei.

Sie war allein. Laura schlief in ihrem Bettchen, Stefan bereitete wie jeden Morgen das Frühstück vor.
Das gefällt mir. Wie schon oben aufgegriffen: Ich interpretiere es so, dass selbst wenn man Freunde, Familie, Bekannte hat, man am Ende trotzdem allein ist mit sich und seinem Körper. Klar, im Idealfall teilt man sein Leben mit den Obengenannten, teilt die schönen Dinge des Lebens. Aber wenn man krank ist, wie Hanna es zu sein scheint, kann noch so viel Hilfe und Beistand da sein, am Ende ist Hanna es, die den kranken Körper hat und (früher als die anderen) sterben wird.

Jemand musste sie ins Krankenhaus fahren. Ich hatte es ihr am Abend versprochen. Dort würde man sie mit Wärme und Umsicht behandeln, mit Wickeln aus Kräutern und winzigen Kugeln aus Zucker. Mit guten Worten und den Gedanken an höhere Mächte.
Das zeigt mir, dass sie eine unheilbare Krankheit hat. Beim Wort "Krankenhaus" muss ich allerdings an ein normales Krankenhaus denken, und dort bekommt man glaube ich eher keine Wickel und Kräuter, und auch keine Globuli (bzw. Placebos). Gute Worte, ja, man kann wohl Glück haben, aber generell ist die Stimmung in KHs ja eher hektisch und nicht gerade liebevoll. Meinst du also ein anderes KH? Eine Palliativstation? Könntest du vielleicht spezifizieren.

Mozarts Requiem in d-Moll bis zum Anschlag aufgedreht. Frauenstimmen rasselten aus den Lautsprechern.
Ich habe gerade mal reingehört und finde nicht, dasss die Frauenstimmen "rasseln" (das konnte ich mir nämlich schlecht vorstellen, deshalb habe ichs angemacht). Hat es einen Grund, warum du das Verb gewählt hast? Eine Rassel macht für mich Krach, aber die Frauenstimmen empfinde ich nicht also solchen Krach. Ich würde eher sowas schreiben wie, "flossen", wobei das natürlich subjektiv ist.

Laura würde in den Kindergarten gehen, wie an jedem anderen Tag, mit Bildern und Fragen im Kopf, die sich nicht in Ordnung bringen ließen.
Schön geschrieben. Sehr traurig.

Erst als sie in der Kirche aufgebahrt lag, war sie nicht mehr lebendig. Nur noch Körper - vergehende Hülle. Aber in den Händen, den kräftigen Fingern, dem zarten Rosa unter der dünnen Hautschicht - in den Händen, die sie monatelang auf Krücken getragen hatten, war etwas von ihr aufgehoben.
Ich finde das schön beschrieben, auch das mit den Händen. Allerdings finde ich es gleichzeitig unlogisch, bzw. für mich passt es nicht so ganz. Ich finde auch hier die Metaphorik schön, die Hände, die sie bis zum Schluss getragen hatten - aber warum ist in den toten Händen nun etwas von ihr aufgehoben, im Rest ihres toten Körpers aber nicht? Mag sein, dass da mein biologisches Denken der Grund ist. Wenn allerdings die Prota das so empfindet, als wäre da etwas von ihr in den Fingern, mehr als im Rest des Körpers, und du das so schreiben würdest (meinst du das so?), dann würde ich es vielleicht anders lesen/wahrnehmen.

Ich hätte etwas tun sollen.
Ich konnte nichts tun.
Das schließt für mich den Kreis mit der Anfangsszene, und was es für mich aussagt, ist, dass man keine Kontrolle übers Leben hat, weder über sein eigenes, noch über das eines anderen. Mit der Ohnmacht muss man sich abfinden, aber es ist schwer.

Das Ende gefällt mir. Die Toten sieht man noch im Rückspiegel, werden aber immer kleiner, während man sein eigenes Leben weiterlebt. Dabei bleibt das Grün der Welt drumherum das gleiche - die Umwelt, die Natur, lebt weiter. Das ist für mich ein schöner Kontrast zur Endlichkeit des eigenen Lebens (auch wenn es natürlich in der Natur auch ständig Tod und neues Leben gibt). Das passt dann auch zum Titel (den alten kannte ich nicht).

Würde mich interessieren, ob meine Deutung auch mit deiner Intention zusammenpasst.

Gern gelesen!
rainsen

 

Hallo @rainsen ,

vielen Dank für deine überlegte Rückmeldung! Ich finde es sehr interessant, dass Du die Autofahrt als Metapher gelesen hast. Das habe ich zumindest nicht bewusst so konstruiert, obwohl der Text wirklich ziemlich abstrakt ist, da gebe ich dir recht.
Für mich stand bisher das Thema Wut und Schuldgefühl im Zusammenhang mit dem Tod anderer Menschen im Vordergrund und dabei auch die Ohnmacht, die das auslösen kann. Aber wenn man sich auf Hanna konzentriert, geht es auch um das fundamentale Alleinsein im Leben und im Sterben, da hast Du Recht.

Eigentlich möchte ich aber, dass man den Text auch auf eine "reale" Weise lesen kann, daher muss ich wohl noch klarer machen, was die Prota daran hindert, einzugreifen oder etwas zu unternehmen, als sie den Schlafenden sieht. Ursprünglich fuhr er auf der anderen Seite der Autobahn vorbei, in die entgegengesetzte Richtung, ich glaube das war wichtig.

Das mit dem Krankenhaus muss vielleicht wieder raus. Ich wollte andeuten, dass das ein anthroposophisches Krankenhaus ist und dabei auch eine subtile Kritik daran unterbringen. Aber es hat bisher noch keine Bedeutung für den Rest der Geschichte und passt nicht so richtig rein, denke ich.

Das "Rasseln" habe ich gewählt, weil ich an übersteuerte/zu laute Musik aus schlechten Auto-Lautsprechern gedacht habe. Aber gut zu wissen, dass das irritiert!

Das mit den Händen... ich kann verstehen, dass es nicht logisch scheint. Es ist aber tatsächlich so gemeint, dass er der Prota so vorkommt. Da der ganze Text die Perspektive der Prota wiedergibt, schien mir das klar.

Und es gefällt mir, dass Du das Ende tröstlich findest. Ich habe bisher eher an die Gleichgültigkeit der Natur gedacht. Die Prota erlebt schreckliche und endgültige Dinge, und trotzdem lebt und vergeht um sie herum alles einfach weiter wie bisher. Stimmt, das kann auch etwas tröstliches haben.

 

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