- Beitritt
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Das Suizid Experiment
Schließlich, nach jahrelanger Forschung, dem Zusammentragen von Informationen aus unzähligen Quellen, der Suche nach dem Spirituellen und der Religion, steht Pierre Stromgaard am Ufer des kleinen Flusses, an dem er als Kind so oft gespielt hat.
Das Offensichtlichste, sagen seine Gedanken ihm immer und immer wieder.
Das hast du aus Angst ständig verdrängt
Viele Dürstende gingen für ihre Leidenschaften in den Tod. Wo die Frage nach dem, was nach dem vermeintlichen Ende kommen mag schlussendlich an einer Antwort scheitert, beginnt Stromgaards Experiment.
Er erwartet ein rationelles Untergehen. Das Auslöschen von der Welt. Es ist nicht unmöglich, sich das vorzustellen.
Unendlichkeit, die kann ein Mensch nicht begreifen, da er sie nie erlebt hat.
Aber "Nichts" zu sein, diese Vorstellung ist möglich. Denn schließlich ist es eben dieser Zustand, aus dem ein jeder selbst gekommen ist. Zumindest möglicherweise.
Pierre Stromgaard verschränkt die Arme im Nacken. Ein Ritual zwar, und auf die gibt er gewöhnlich nicht viel, doch wenn man sich ein halbes Jahrhundert lang mit Religionen auseinandergesetzt hat, bleiben gewisse Macken einfach nicht aus. Dieses Ritual hat ihm immer am Besten gefallen.
Das Einfachste mag das Sinnvollste sein, denkt er sich, als er sich nach vorne fallen lässt.
Seine Stirn schlägt auf dem spitzen Stein am Ufer auf. Stromgaard hat vorher alles genau berechnet. Aufgrund der Fallgeschwindigkeit und dem präzisen Abstand, den er eingehalten hat, wird die Stirnplatte problemlos durchbrochen und das Gehirn ohne Umschweife bis zur Funktionsunfähigkeit hin beschädigt.
Es sollte alles perfekt sein.
Dennoch wundert er sich; denn er liegt auf dem Stein, die vordere Schädelplatte ist zerbrochen. Stromgaard hat das Geräusch gehört, und allein dies wundert ihn. Er hätte das nicht mehr hören dürfen.
Er dürfte auch nicht mehr empfinden können. Geschweige denn denken.
Das Gehirn muss also noch funktionieren. Der Stein hat einige Regionen durchstoßen, aber irgendwie funktioniert es noch.
Ganz ausgeschlossen, verraten ihm seine Gedanken.
Bei dieser Schädigung kann keiner mehr klare Überlegungen anstellen.
Was ist es dann?
Ist es denn möglich? Das Gehirn, bloß ein weiteres Organ unter vielen? Völlig überschätzt?
Es wird Tage dauern, bis man ihn hier finden wird.
Stromgaard freut sich über die Zeit, die er bis dahin zum grübeln hat.
Noch immer verdrängst du das Offensichtlichste aus Angst. Selbst nach dem Tod
Er steht auf, sein Körper bleibt liegen.
Jetzt denkt er viel klarer, viel bewusster.
Nur einmal in deinem Leben denke richtig nach
Die Seele muss sich dem Fleisch unterordnen. Das Gehirn denkt nicht, es verwaltet, und dies ziemlich bürokratisch.
"Ja", sagt Stromgaard.
Und jetzt geh´. Ziehe los und erkunde die Welt außerhalb deines Gefängnisses
Am Horizont erscheint ein Licht.