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Das Träumelein

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18.05.2003
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Das Träumelein

Das Träumelein glitt eilig durch den Wald. Bald hatte sie den Waldrand erreicht und würde dann endlich zu Tom gelangen, der eingeschlafen war. Es war ihr erstes Mal, dass sie zu einem Menschen durfte, um ihn Träumen zu lassen.

Träumelein war ein guter Traum. Sie hatte sich schon einiges Schönes ausgedacht und freute sich auf den Jungen. Sie wusste, wenn sie nur eindringlich auf ihn einwirkte, würde er sie nicht vergessen.
Schnell flog sie weiter, immer Toms Geschichte vor sich hin murmelnd, damit ja keine Zeile vor Aufregung verloren ging. Die Bilder waren in ihrem Körper gespeichert und würden ihm sicher gefallen.

Gerade hatte sie den Rand des Traumlandes erreicht, da hörte sie ein tiefes Grummeln und Rauschen hinter sich. Zitternd versuchte sie schneller zu fliegen, doch etwas Pelziges packte sie und riss sie zurück, zog sie zwischen den Tannen, in das Unterholz. Dunkel und bedrohlich schnappte er nach ihr, versuchte sie zu fressen. Doch sie konnte sich aus dem eisernen Griff befreien und nur ein kleiner Traumfetzen blieb in seinen Händen zurück, den er sofort verschlang. Während sie davon stob, blickte sie kurz zurück und sah einen dunklen Schatten unter sich, der brüllend seine Pranken nach ihr ausstreckte. Den Traumfresser hatte sie in ihrer Aufregung ganz vergessen. Sie spürte den Hass, der ihr entgegen kochte und sie flog schneller.

Als sie sich sicher fühlte, kontrollierte sie ihre Verletzungen. Die Bilder waren zwar durcheinander geraten, aber alle noch da. Erschrocken stellte sie fest, das ihr Schweif fehlte. Das Ende fehlte! Sie wollte doch kein Traumfetzen sein!
Tom würde aufwachen und nichts mehr wissen. Denn das Ende war das Beste gewesen.
Zurück konnte das Träumelein nicht mehr, denn mit einem Traum gab es keinen Weg ins Traumland hinein. Nur hinaus.

Andere Träume flogen an ihr vorbei und sie selbst wurde immer langsamer. Konnte sie so zu Tom? Was würde er tun, wenn er aufwachen würde? Es war so wichtig, dass er sich an sie erinnerte, sonst konnte sie nicht wieder zurück und neue Träume erfinden, sie war sonst vergessen und verloren.
Sie hatte jahrelang gelernt, sich in Träumereien zu üben. Wachte der Mensch auf und dachte an sie, würde sie weiter leben. Wenn nicht, würde sie einfach im Gedankennebel verschwinden und niemals wieder zurück ins Traumland kommen.

Langsam kamen die ersten menschlichen Behausungen in Sicht. Träumelein bremste sich weiter ab, fast bis zum Stillstand. Bedrückt trödelte sie durch die kleinen Gassen. Nur noch zwei Häuserreihen trennten sie von Tom. Dann war es nur noch eine. Und schließlich war sie vor seinem Fenster. Große, mit Büchern und Kleidung gefüllte Kartons standen darin, die Regale an den Wänden waren dagegen fast leer. Tom lag in seinem Bett und schlief, traumlos. Nicht das kleinste Lächeln lag auf seinem Gesicht. Im Gegenteil. Auf seiner Wange waren winzige Salzkrümel und auf dem Boden lagen benutzte Taschentücher. Tom hatte geweint. Nein, dachte sich da das Träumelein. Ich darf nicht so selbstsüchtig sein. Mein Traum ist schön, selbst ohne Ende. Und vielleicht erinnert er sich ja doch an mich. Sie glitt durch das Fenster und ließ sich auf Toms Stirn nieder. Dann schüttelte sie sich ein wenig auf, wurde ganz weich und sackte in Tom hinein. Sogleich formten sich Toms Lippen zu einem Lächeln.

Angstvoll wartete das Träumelein am nächsten Morgen, dass Tom erwachte. Er sah immer noch glücklich aus. Jetzt regte er sich langsam. Doch dann flogen mit einem Mal seine Augenlider weit auf und die Bettdecke beiseite. Tom sprang aus dem Bett und lief in den Flur hinaus.

"Papa, Papa!", rief er durch das Haus. "Ich habe einen Anfang zu deiner Geschichte. Es ist so schön, das wird dem Verlag bestimmt gefallen. Und dann gibt er dir ganz viel Geld und wir können das Haus behalten!"
Träumelein folgte Tom und sah, wie der Junge zu seinen Eltern ins Bett stieg und ihnen aufgeregt seinen Traum erzählte. Der Vater erzählte sein Ende dazu und es hätte nicht schöner geträumt werden können.

Ein warmes, wohliges Gefühl erfüllte Träumelein auf einem Male und sie wusste, sie war ausgeträumt. Endlich konnte sie wieder ins Traumland zurückkehren und sich neue Träume ausdenken.

 
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Hallo Joker

wo hast denn du dich all die Jahre versteckt?
Nein Spass, eine hübsche Traumgeschichte ist dir da gelungen, auch wenn du mit dem Happy End zum Schluss ein wenig gar dick aufträgst.

Was mir nicht gefallen hat, ist deine Wahl der Personalpronomen (sie/er). Da wurde ich jeweils aus dem Lesefluss gerissen. Warum lässt du das Träumelein nicht sächlich, passt sowieso besser zum Märchenstil.

Die Idee mit den Traumfetzen, das fehlende Ende nach der Auseinandersetzung mit dem Traumfresser, das Erinnern als Rückfahrtticket für Träumelein, all das fand ich sehr reizvoll. Allerdings ist die Geschichte noch ausbaufähig, fast habe ich das Gefühl, du wolltest den Weg von Träumelein rasch hinter dich bringen, damit verschenkst du aber ziemlich viel erzählerisches Potential. Zum Beispiel, wie kommen die Träumeleins überhaupt zu ihren Aufträgen, es gibt neben den schönen ja auch die schrecklichen (Alb)träume. Oder sind das die, die vom Traumfresser gebissen wurden? ;)

Die Begegnung mit dem Traumfresser ist unvermeidlich, da du ihn bereits früh als Warnung präsentierst. Hier wäre es spannender, ihn erst beim Zusammentreffen einzuführen. Vielleicht fliegt Träumelein vor Aufregung viel zu tief und wird so vom Traumfresser überrascht.

Bald hatte sie den Waldrand erreicht und würde dann endlich zu Tom gelangen, der eingeschlafen war.
Hier würde ich noch von "dem Jungen" reden. Wirkt sonst bereits zu vertraut, so als wäre Träumelein bereits einmal dort gewesen. Tatsächlich hatte es wohl den Namen bei der Auftragserteilung erhalten.

"Papa, Papa!", rief er durch das Haus. "Ich habe einen Anfang zu deiner Geschichte. Es ist so schön, das wird dem Verlag bestimmt gefallen. Und dann gibt er dir ganz viel Geld und wir können das Haus behalten!"
Da willst du die ganze Familientragödie in zwei Sätzen abhandeln, das meinte ich mit etwas gar dick auftragen. ;)

Träumelein folgte Tom vorsichtig und hörte, wie der Junge zu seinen Eltern ins Bett stieg und ihnen aufgeregt seinen Traum erzählte. Der Vater erzählte sein Ende dazu und es hätte nicht schöner
geträumt werden können.
Träumelein kann doch sicherlich sehen.

Ein warmes, wohliges Gefühl erfüllte Träumelein auf einem Male und sie wusste, sie war ausgeträumt. Endlich konnte sie wieder ins Traumland zurückkehren und sich neue Träume ausdenken.
Hier würde ich enden. Den letzten Satz brauchts nicht, der wirkt wie angeklebt.

Mein Vorschlag mit "es" und etwas kürzer:
Ein warmes, wohliges Gefühl erfüllte Träumelein, es war ausgeträumt. Endlich konnte es wieder ins Traumland zurückkehren und sich neue Träume ausdenken.

Gruss dot

 

*
Eine schöne, kleine Geschichte für die Kleinen, wie alles miteinander verknüpft sein könnte – der Traum als Lösung für wirtschaftliche Sorgen des Vaters (ob es mehr sein dürfte, als erzählt wird, wird vom Alter der Zuhörer und Leser abhängen)

lieber Joker –
und weil wir uns das erste Mal begegnen erst Mal einen schön guten Tag!
*
Das ist kindgerecht erzählt in der Personifizierung des Traums im Träumelein. Freilich gelingt Dir ein holpriger Geschlechterwechsel

Das Träumelein glitt eilig durch den Wald. Bald hatte sie den Waldrand …
Das Träumalein … hatte sie …
*
Und dann in der Gefährdung wiederholt sich dieses Drama
…, doch etwas Pelziges packte sie und riss sie zurück, zog sie zwischen den Tannen, in das Unterholz. Dunkel und bedrohlich schnappte er nach ihr, versuchte sie zu fressen.
…etwas Pelziges … bedrohlich schnappte er …
*
Lösen ließe sich dieses Problem durch Namengebung (wobei sich fürs Träumelein ein weibl. Name wie Psyche, fürs Pelzige vielleicht in Anlehnung an Meister Petz Pelz nehmen ließe)
Trivialeres
Sie hatte sich schon einiges Schönes ausgedacht
einiges Schöne*
Erschrocken stellte sie fest, das ihr Schweif fehlte.

*
Angstvoll wartete das Träumelein am nächsten Morgen, dass Tom erwachte.
Hier am Ende besser Konjunktiv I „dass T. erwache)
Ein warmes, wohliges Gefühl erfüllte Träumelein auf einem Male
auf einmal
*
gern gelesen vom

Friedel

 
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Hallo dotslash und Friedrichard!
Vielen Dank für Eure Kommentare!
Puh, freut mich das Euch die Idee gefällt Recht habt ihr mit allem. Danke.
Es fiel mir schwer Träumelein immer als *es* zu bezeichnen..wie man merkt. Werde ich ändern, indem ich *es*einen Namen gebe. Dann fällt mir das erzählen leichter. Muss nur noch einen passenden finden ...
Ich habe noch mehrere kleine Geschichten übers Träumelein und wollte daraus vielleicht eine Serie machen. Mal sehen :)
vielen dank erstmal fürs Feedback!!!!!!

Liebe Grüße
JOker

 

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