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Der beste Freund

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04.03.2017
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Der beste Freund

Als sie mir entgegenkommt, lächelt sie. Ihre kastanienbraunen, schulterlangen Haare sind zu einem Dutt gebunden. Ihre blauen Augen blicken mir mit einem Glitzern entgegen. Ich umarme sie zur Begrüßung. Wir sagen beide nichts. Als wir loslaufen, berühren sich unsere Hände. Ich will sie nehmen, doch ich lasse es. Wir sind auf dem Weg in die Bar. Das Wetter ist bedeckt. Ein leichter Märzwind streicht mir durchs Gesicht, während ich leichte Tropfen spüre. Wir beginnen, zu reden. Es sind belanglose Themen. Beide bemerken wir den Regen. Wann wird es Frühling, es war lange genug Winter? Ich erzähle eine Geschichte, ich bringe sie zum Lachen. Lächelnd beobachte ich sie, das Grübchen neben ihrem Mund, die leuchtenden Augen. Sie scheint meine Gegenwart zu mögen. Ich bin ihr bester Freund. Und ich hasse es.

Wir erreichen die Bar. Ich bestelle ein Bier für mich und einen Sekt für sie. Sie mag kein Bier. Es ist ihr zu bitter. Ich weiß das, ich bin ihr bester Freund. Ich übernehme die Runde. Ich schlürfe den Schaum vom Bier, er schmeckt gut, es ist meine Lieblingssorte. Wie immer frage ich sie, ob sie einen Schluck will, sie schüttelt den Kopf. Schnell ist mein Bier leer. Die Bar füllt sich. Die Musik wird lauter. Als sie aufs Klo geht, fragt mich eine junge Frau, ob der Platz bei mir frei ist. Ich mustere sie, sie sieht gut aus. Sie wirkt nett. Als ich den Kopf schüttele und sie meine Begleitung zurückkehren sieht, nickt sie verstehend. Meine beste Freundin setzt sich wieder neben mich. Ich bestelle eine zweite Runde. Auch jetzt zahle ich, sie hat zu wenig Geld dabei. Während wir reden, rücke ich näher an sie heran. Unsere Beine berühren sich. Ich lege meine Hand auf ihr Bein. Sie scheint es nicht zu stören. Zwischendurch sagen wir nichts. Ich kenne das Lied das läuft und singe mit. Sie lächelt, als sie das sieht. Ich lächle zurück. Ihre Hand liegt auf dem Tresen. Erneut will ich sie nehmen. Ich stelle es mir vor. Als ich ihre Hand halte schaut sie mich verwirrt an, lässt dann los und trinkt weiter aus ihrem Glas. Ich will es nicht riskieren. Ich verwerfe den Gedanken. Ich trinke weiter aus meinem Bier, leere es und bestelle mehr. Ich entschuldige mich kurz und gehe Richtung Toilette. Während ich durch die Bar laufe, mustere ich die Leute. Lachende Studentengruppen, küssende Pärchen. Einige Leute jubeln über ein Tor auf dem Fernseher. Andere scheinen tief in Gespräche verwickelt. Keiner ist alleine. Ich betrete das Bad. Bei schlechter Beleuchtung prüfe ich meine Frisur. Ich richte sie so gut wie möglich und versuche, meinem Spiegel-Ich zuzulächeln. Als ich wieder aus der Toilette komme, spüre ich ein bisschen vom Alkohol. Vorsichtig schiebe ich mich durch die Menschenmenge auf meinen Platz zu. Als ich sie erblicke, beobachte ich sie kurz. Sie sieht schön aus, ihr vertrauter Blick erfreut mich. Mein Herz macht einen kleinen Sprung der Enttäuschung, als ich sehe, dass der Platz neben ihr nicht mehr frei ist. Ich frage sie danach. Sie sagt, jemand habe sich einfach hingesetzt, dann war es zu spät um etwas zu sagen. Ich trinke mein Bier im Stehen weiter. Ich merke, wie ihr Alkoholpegel steigt. Sie lacht mehr und spricht ein bisschen undeutlich. Ich lege meinen Arm um sie, während wir reden. Sie legt ihren Kopf auf meine Schulter. In meinem Kopf überstürzen sich die Gedanken. Ich will sie küssen, doch ich lasse es. Ich will ihr sagen, wie ich über sie fühle, doch ich lasse es. Ich will sie fragen, was sie über mich denkt, doch ich lasse es. Die Reaktionen würden mich nur verletzen. Und das weiß ich. Ich bestelle noch ein Bier und noch einen Sekt. Ich weiß, dass es für sie zu viel ist. Sie verträgt nicht so viel. Aber das ist mir jetzt egal, mir ist es nach Alkohol. Mein bester Freund meint, das alles sei nicht gut für mich. Wenn ich wegen ihr nachdenklich werde, rauche ich, wenn ich wegen ihr traurig bin, trinke ich. Ich will das eigentlich alles nicht, aber ich kann mir nicht helfen. Ich ziehe sie näher an mich heran. Mit meinem Daumen streichle ich über ihre Schulter. Langsam wird es Zeit, zu gehen. Ich trinke mein Bier aus, nehme meinen Mantel und gehe Richtung Tür. Ich merke, dass sie ein bisschen schwankt beim Gehen. Als wir draußen sind, hakt sie sich bei mir ein. Ich nehme meinem Mut zusammen und befreie meinen Arm. Ich nehme ihre Hand. Sie lässt nicht los. Schweigend gehen wir Richtung Fluss. Ich streichle abwesend mit meinem Daumen über ihre Hand. Ein starker Windstoß weht mir ins Gesicht, als wir hinter den schützenden Häusern hervorkommen und den Fluss erreichen. Wir bleiben stehen. Ich nehme sie in den Arm. Sie schmiegt ihren Kopf an meine Brust. Mein Puls steigt und ein Kribbeln macht sich in mir breit, als ich sie behutsam an der Hüfte ein Stück nach hinten schiebe. Ich lehne mich ihr zum Kuss entgegen. Als unsere Lippen sich berühren, schließt sie die Augen. Dann sinkt sie zusammen. Ich halte sie fest. Nach einigen Sekunden realisiere ich, was los ist. Ich sage mehrfach ihren Namen. „Mir ist nicht so gut“, stöhnt sie. Ich halte sie kurz, dann begreife ich, dass sie viel zu viel getrunken hat.

Ich bringe sie nach Hause. Sie bedankt sich bei mir. Am nächsten Tag hat sie alles vergessen. Ich bin ein guter bester Freund. Und ich hasse es.

 
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Lieber Malte,

auch zu diesem Text eine kurze Rückmeldung von mir. Das Thema gefällt mir. Es ist ja auch eins, was in der Weltliteratur immer mal wieder auftaucht: Der beste Freund ist eben nicht der Geliebte und wird es möglicherweise auch nie werden. Das hast du sprachlich gut dargestellt. Mir fehlt nur leider ein wenig die Würze in dieser Geschichte. Man kann dieser Situation ja entweder etwas Tragisches oder etwas Humorvolles abgewinnen. Du bleibst auf der eher sachlich-darstellenden Ebene:

In meinem Kopf überstürzen sich die Gedanken. Ich will sie küssen, doch ich lasse es. Ich will ihr sagen, wie ich über sie fühle, doch ich lasse es. Ich will sie fragen, was sie über mich denkt, doch ich lasse es.
Mein bester Freund meint, das alles sei nicht gut für mich. Wenn ich wegen ihr nachdenklich werde, rauche ich, wenn ich wegen ihr traurig bin, trinke ich.

Das wirkt auf mich sehr distanziert.
Beschreib doch mal eine Szene, in der diese Befindlichkeit des Protagonisten richtig deutlich erfahrbar wird und der Leser miterleben kann, wie der sich fühlt, wie er leidet, wie er Hoffnung und Enttäuschung erlebt. Du teilst es mir (als Leser) zwar mit, aber es bewegt mich nicht, weil es meine Gefühlsebene nicht erreicht.

Hier ist dir schon so etwas im Ansatz gelungen:

Ich nehme ihre Hand. Sie lässt nicht los. Schweigend gehen wir Richtung Fluss. Ich streichle abwesend mit meinem Daumen über ihre Hand. Ein starker Windstoß weht mir ins Gesicht, als wir hinter den schützenden Häusern hervorkommen und den Fluss erreichen. Wir bleiben stehen. Ich nehme sie in den Arm. Sie schmiegt ihren Kopf an meine Brust. Mein Puls steigt und ein Kribbeln macht sich in mir breit, als ich sie behutsam an der Hüfte ein Stück nach hinten schiebe. Ich lehne mich ihr zum Kuss entgegen. Als unsere Lippen sich berühren, schließt sie die Augen. Dann sinkt sie zusammen. Ich halte sie fest. Nach einigen Sekunden realisiere ich, was los ist. Ich sage mehrfach ihren Namen. „Mir ist nicht so gut“, stöhnt sie. Ich halte sie kurz, dann begreife ich, dass sie viel zu viel getrunken hat.
Aber dein Protagonist lässt den Leser nicht an sich heran:
Nach einigen Sekunden realisiere ich, was los ist… Ich halte sie kurz, dann begreife ich, dass sie viel zu viel getrunken hat.

Ich bin mir nicht sicher, ob du verstehst, was ich ausdrücken möchte. Vielleicht solltest du dir einmal anschauen, was die Schreibratschläge mit ‚Show, don’t tell’ und ‚szenisches Schreiben’ meinen. Ich glaube, damit könnten deine Texte mehr Farbe und Intensität gewinnen.

Noch zwei kleine Komma-Fehler in deinem ansonsten fehlerlosen Text:

Ich kenne das LiedK das läuftK und singe mit.

Als ich ihre Hand halteK schaut sie mich verwirrt an,

Außerdem glaube ich, dass das Komma hier wegfallen kann, da es sich nicht um einen erweiteren Infinitiv handelt:

Wir beginnen, zu reden.
Langsam wird es Zeit, zu gehen.

Lieber Malte: Bei all meinen kritischen Anmerkungen möchte ich dir doch gerne vermitteln, dass ich finde, dass du wirklich gut schreibst. Du müsstest nur deine Distanziertheit überwinden. Aber da weiß ich selber sehr genau, wie schwer das manchmal ist.

Liebe Grüße
barnhelm

 
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Hallo Malte,

alles, was barnhelm dir geschrieben hat, stimmt mit meinem Eindruck überein. Guter Stil, so gut wie keine Fehler, ansprechendes Thema.

Es gibt die große Distanz des Protagonisten, der klinisch genau beschreibt, was in ihm vorgeht. Das sind gute Beobachtungen, wie von einer dritten Person, mit den Seziermesser. Warum sollte der Leser mit so jemandem mitleiden?

Ich denke, es hat etwas mit der modernen Erzähltechnik der KG zu tun. Unsere moderne Wahrnehmungsweise wird immer mehr von Bildern geprägt. Daher wohl die Vorliebe für 'Show, don't tell'.
Man muss sich ja nicht sklavisch daran ketten. Das richtige Maß stellt sich erst nach gehöriger Übung heraus. Da hilft es, wenn man seine eigenen Texte öfter mal teilweise umschreibt, indem man ganz bewusst neue stilistische Methoden einbaut. Dieses Experimentieren macht Spaß und bringt richtige Aha-Erlebnisse.

So ein Experiment könnte der Einbau von wörtlicher Rede sein. Ich sehe in deinem Text wenigstens zwei Stellen, wo ein Dialog etwas "Würze"(barnhelm) in den Text brächte.

...als ich sehe, dass der Platz neben ihr nicht mehr frei ist. Ich frage sie danach.

Wenn du den Dialog so gestaltest, dass die Prota ihr Bedauern deutlich und dadurch zeigt, dass sie ihren Freund schon gern nahe bei sich hätte, würde ich als Prot richtig Hoffnung schöpfen.

Ich bringe sie nach Hause. Sie bedankt sich bei mir

Ebenso könnte in der Gute-Nacht-Szene das Mädchen (wieso hat sie keinen Namen?) durchaus etwas murmeln, das nach einer Liebeserklärung klingt und dem Prot eine schlaflose Nacht beschert. Umso knalliger wirkt der Schluss:

Am nächsten Tag hat sie alles vergessen. Ich bin ein guter bester Freund. Und ich hasse es.

Das sind natürlich nur Vorschläge. Es ist deine Geschichte, und die ist von der Intention her gut.

Übrigens gibt es noch eine Möglichkeit zu üben: Selbst Kommentare zu schreiben. Es gibt keine bessere Methode, was zu lernen, als wenn man selber einen brauchbaren Kommentar schreiben soll :D

Viel Vergnügen und Erfolg hier im Forum wünscht

wieselmaus

 

Sie scheint meine Gegenwart zu mögen. Ich bin ihr bester Freund. Und ich hasse es
was sich zwischen den ersten drei Sätzen wiederholt
Ich weiß das, ich bin ihr bester Freund. // Meine beste Freundin setzt sich wieder neben mich. // Mein bester Freund meint, …
und den letzten zweien
Ich bin ein guter bester Freund. Und ich hasse es.

lieber Malte -
und damit erst einmal herzlich willkommen hierorts!,

was sich also hier wiederholt, zeigt in der wiederholten Beteuerung die Furcht des/der Prot, - für die weibl. Variante spricht für mich das Haarerichten in der/den Toilette/n - das eigentliche Objekt der Begierde (vgl. Annäherungsversuche wie das Näherrücken in der Bar, Händchenhalten usw. bis zum mehrfachen

…, doch ich lasse es
von nicht wahrgenommen Chancen,

wobei die grundsätzlich Frage für mich in dem gelegentlich verwendeten Possessivpronomen „mein“liegt. Das schöne nun ist,dass die beiden Pole Freundschaft und Liebe (von der Deine erste Geschichte berichtet) näher beieinander liegen, als die neuzeitliche germanistische Zunge in ihrem Generationen währenden Abschleifungsprozess es glauben lässt.

Den Goten – warum kommt der jetzt auf die Goten?, wirstu Dich fragen. Ganz einfach: Die haben die ältesten schriftlichen Dokumente germanistischer Zunge hinterlassen und zu ihrer Hoch- und Blütezeit war das Gotische von der Krim bis Spanien neben dem Lateinischen eine Weltsprache, die von Alemannen und Franken ebenso verstanden wurde wie von Hunnen und Wandalen und selbst im Althochdeutschen (dessen erstes schriftliches Dokument die Straßburger Eide zwischen den Enkeln Karls des Großen sind) seine Spuren hinterlassen hat – die Goten also kannten neben dem liufs für das Verb „lieben“ das Verb frijon und den frijons (küssen/Kuss) und in frijond/i kann man noch heute den/die Freund/in erkennen.

Aber entscheidend ist in der „frijaþwa“ die Freiheit (= frijei) als Unabhängigkeit von irgendwelchen Besitzansprüchen, und „frijon“ war, was man „gern tat“ - immer noch die umfassendere Bedeutung unseres Verbes „lieben“, wie einer auch liebend gerne Bier trinkt – weil als freier Mensch, was allemal im „friond/i“ dem/ der Freund/in mitschwingt.

Trivialeres

Gelegentlich sollte der Konjunktiv versucht werden, etwa hier bei der rhetorischen Frage

Sie mag kein Bier. Es ist ihr zu bitter. ... Wie immer frage ich sie, ob sie einen Schluck will, sie schüttelt den Kopf.
(statt will „wolle“), oder hier die Anfrage der jungen Frau
Als sie aufs Klo geht, fragt mich eine junge Frau, ob der Platz bei mir frei ist.
(frei sei, evtl. „frei wäre“)

Hier ist der Einschub durch Komma abzugrenzen

Ich kenne das Lied[,] das läuft[,] und singe mit.

Hier ist ein Komma zu setzen, weil die vergleichende Konjunktion „als“ einen vollständigen Satz einleitet
Als ich ihre Hand halte[,] schaut sie mich verwirrt an, lässt dann los und trinkt weiter aus ihrem Glas.

... dann war es zu spät[,] um etwas zu sagen.
(das Komma zur Infinitivgruppe wird durch "um" erzwungen

Das ganze Dilemma dieser Freundschaft offenbart sich in dem Satz

Sie sieht schön aus, ihr vertrauter Blick erfreut mich.
Ist sie nun schön oder sieht sie halt nur so aus? Und bis auf die Aussage, dass ihr schlecht sei, erfahren wir alles bestenfalls als indirekt Rede (selbst wenn durchgängig der Indikativ verwendet wird), was die Distanz ausmacht. Der "direkten" Sprachlosigkeit korrespondiert die die Namenlosen ...

Gruß

Friedel

 

Hej Malte,

durch deinen Stil transportierst du geschickt die hoffnungslose, inaktive Situation des Protagonisten. Das machst du konsequent und in einer konstanten Reihenfolge, wobei wir das Paar an einem gewöhnlichen Abend begleiten.
Das ist wirklich gut und und ich bin neugierig.
Aber es passiert nichts, was nicht schon im Titel festgelegt wäre. Auch das ist Konsequent.
Nur dass ich mich ein klein wenig gelangweilt habe. Aufgrund dieser Monotonie der Satzanfänge, der Aufzählungen der Handlung, der kurzen Sätze, der Unaufgeregtheit, der Vorhersehbarkeit.
Meinetwegen muss das nicht geändert werden ;). Das zeichnet diese Geschichte aus, aber nachhaltig ist sie damit eher nicht. Dafür fehlt mir ein Zweifel, ein Ruck und es reichen mir diese zarten Berührungen, Andeutungen nicht. Jesses, was bin ich verdorben. :D

Freundlicher Gruß, Kanji

 

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