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Der beste Jahrgang
Der leicht gebeugte Körper des alten Kaufmanns war die einzige organische Form in einer Symphonie aus Marmor, Stahl und Glas. Das gesamte Gebäude war ein Lobgesang an den Minimalismus. Ein heller Marmorboden glänzte im gefilterten Sonnenlicht, das durch die großzügige Glasfassade fiel. Dieser schimmernde Ozean aus Stein wurde gerahmt von schmucklosen weißen Wänden und gekrönt von einer Baustahlkonstruktion, die nur erahnen ließ, dass es eine Decke geben könnte.
Inmitten dieser modernen Architektur wirkte der alte Mann wie ein ehrwürdiges Relikt in einem etwas altmodischen Anzug. Glattrasiert, gepflegt und stilsicher, mit einem Gesicht, das ebenso aus Stein hätte sein können. In sich ruhend stand er hinter einem perfekt symmetrischen Tresen, die Hände hinter dem Rücken verschränkt und fixierte einen Punkt jenseits der Glasfassade.
Zwei Silhouetten schritten durch die Eingangstüre und für einen kurzen Moment hallte das dreckige, brüllende Leben der Stadt von den kahlen Wänden wider, dann kehrte die vornehme Stille zurück. Die beiden näherten sich dem Tresen, der eine mit einem gleichmäßig federnden Gang, der andere etwas schlurfend. Der Takt der Schritte ließ den wartenden Verkäufer vermuten, dass es sich um einen erwachsenen Mann in jüngerer Begleitung handeln müsste. Sein Verdacht bestätigte sich, als ihm ein eindeutiges Vater-Sohn-Gespann gegenüberstand.
Trotz des Generationenunterschieds trugen beide den gleichen luftig geföhnten Seitenscheitel. In der Garderobe waren allerdings gravierende Unterschiede zu erkennen. Vermutlich von einigen Modeblogs inspiriert, hatte der Sohn seine hagere Gestalt in eine Schichttorte namhafter Marken gehüllt. Der Versuch des Vaters mit seinem Sohn im Stil gleichzuziehen, war jedoch kläglich gescheitert. Die Mischung aus Jugendmode und Business offenbarte, dass es sich hier um einen Mann mit zu wenig Freizeit handelte.
Nach einem kurzen Nicken lümmelte sich der blasierte Spross mit dem Rücken an den Tresen und signalisierte jugendliches Desinteresse. Mit routinierten Gesten aktivierte er die Soundimplantate hinter seinen Ohren und die Linsenprojektion seines Smartphones. Seine Augen trübten sich mit einem Flackern und die Umgebung spielte für ihn keine Rolle mehr. Nur ein kurzes Zucken der Augenbrauen in dem ansonsten regungslosen Gesicht des alten Händlers verrieten, dass er ein solches Verhalten nicht gewohnt war.
„Guten Tag, die Herrschaften. Sie wünschen?“Inmitten dieser modernen Architektur wirkte der alte Mann wie ein ehrwürdiges Relikt in einem etwas altmodischen Anzug. Glattrasiert, gepflegt und stilsicher, mit einem Gesicht, das ebenso aus Stein hätte sein können. In sich ruhend stand er hinter einem perfekt symmetrischen Tresen, die Hände hinter dem Rücken verschränkt und fixierte einen Punkt jenseits der Glasfassade.
Zwei Silhouetten schritten durch die Eingangstüre und für einen kurzen Moment hallte das dreckige, brüllende Leben der Stadt von den kahlen Wänden wider, dann kehrte die vornehme Stille zurück. Die beiden näherten sich dem Tresen, der eine mit einem gleichmäßig federnden Gang, der andere etwas schlurfend. Der Takt der Schritte ließ den wartenden Verkäufer vermuten, dass es sich um einen erwachsenen Mann in jüngerer Begleitung handeln müsste. Sein Verdacht bestätigte sich, als ihm ein eindeutiges Vater-Sohn-Gespann gegenüberstand.
Trotz des Generationenunterschieds trugen beide den gleichen luftig geföhnten Seitenscheitel. In der Garderobe waren allerdings gravierende Unterschiede zu erkennen. Vermutlich von einigen Modeblogs inspiriert, hatte der Sohn seine hagere Gestalt in eine Schichttorte namhafter Marken gehüllt. Der Versuch des Vaters mit seinem Sohn im Stil gleichzuziehen, war jedoch kläglich gescheitert. Die Mischung aus Jugendmode und Business offenbarte, dass es sich hier um einen Mann mit zu wenig Freizeit handelte.
Nach einem kurzen Nicken lümmelte sich der blasierte Spross mit dem Rücken an den Tresen und signalisierte jugendliches Desinteresse. Mit routinierten Gesten aktivierte er die Soundimplantate hinter seinen Ohren und die Linsenprojektion seines Smartphones. Seine Augen trübten sich mit einem Flackern und die Umgebung spielte für ihn keine Rolle mehr. Nur ein kurzes Zucken der Augenbrauen in dem ansonsten regungslosen Gesicht des alten Händlers verrieten, dass er ein solches Verhalten nicht gewohnt war.
„Also, äh, ja … Hallo …“
Das Verhalten seines Kindes schien den Vater etwas aus der Bahn zu werfen. Doch ganz Geschäftsmann hatte er sich schnell wieder gefasst und fuhr mit kernigem Brustton fort: „Wir suchen etwas ganz Besonderes, soll Power haben, aber mit Style, Sie verstehen?“
Die unbarmherzige Akustik des Raumes reagierte sofort auf seinen wieder gefundenen Elan und machte sich nachäffend über ihn lustig. So ungewohnt in seine Schranken gewiesen, senkte er seine Stimme zu einem fast ehrfürchtigen Flüstern.
„Für einen Ausflug am Wochenende.“
Der wohlhabende Amateur troff aus jeder Silbe. Mit einem kurzen Blick musterte der alte Verkäufer sein Gegenüber.
„Sehr wohl der Herr. Haben Sie denn etwas Ruhiges geplant? Oder soll es eher unkonventionell werden?“
„Mein Sohn und ich …“, er klopfte ihm in einer bejammernswerten Pseudokumpelhaftigkeit auf die Schulter. „… wollten zu seinem Geburtstag mal so richtig einen drauf machen, so wie wir früher, Sie verstehen?“
Die Augenbrauen des alten Mannes zeigten erneut eine kurze, unwillige Regung.
„Ich verstehe sehr gut.“ Er räusperte sich und fuhr fort. „Wir hätten passend zur Saison Jahrgänge aus südlichen Gefilden auf Lager. Hochwertige Destillationen, wundervoll kräftig mit etwas Feuer. Sie eignen sich eher für die klassische Anwendung, sind aber im Allgemeinen sehr zuverlässig.“
Wartendes Schweigen blieb die einzige Reaktion.
„Ganz neu und limitiert wären die Vorräte aus den nördlichen Breiten. Sehr starke, rustikale Zusammenstellungen, man fühlt förmlich das Herzblut und die Leidenschaft der Herstellung. Der unbeschreiblichen Leistung steht allerdings ein gewisses physisches Risiko gegenüber.“
Die blumige Artikulation hing noch ein wenig im Raum, ehe sie verblühte. Der Vater drehte sich zu seinem Sprössling und versetzte ihm einen leichten Stoß. So aus seiner multimedialen Erlebniswelt gerissen, wandte er sich genervt dem Gespräch der beiden Mumien zu.
„Was meinst du? Eher südlich oder nördlich?“
„Jonathan meinte, es gäbe da was total Reales, soll so richtig initially sein. Aber das haben die sicher nicht.“
Der Blick der nun auf den alten Kaufmann traf, war fast schon flehentlich.
„Es sollte schon sehr außergewöhnlich sein.“
Die Stirn des Angesprochenen runzelte sich.
„Ich bitte die Herrschaften um einen Moment. Ich werde sehen, was ich tun kann.“
Seine faltigen Hände holten einen kleinen Folientabletcomputer unter dem Tresen hervor. Mit fliegenden Fingern navigierte er durch endlose Tabellen, Zahlen und Abkürzungen rauschten über das dünne Display, dann sah er zu seinen beiden Kunden auf.
„Es existieren noch wenige Einheiten aus einer Region in Ozeanien, sehr hochwertig, sehr selten. Die Anlage wurde vor etwa 50 Jahren stillgelegt. Ich denke, diese komprimierte Nostalgie dürfte ihren Ansprüchen gerecht werden.“
„Oh, ja, das hört sich doch genial an, oder?“
Aber das digitale Nirwana hatte die Jugend schon wieder verschlungen. Entschuldigend wandte er sich wieder dem Verkäufer zu: „Die Generation kennt das ja alles nicht mehr, Sie verstehen? Wir nehmen einmal Ozeanien. Voll tanken, bitte.“
„Sehr wohl der Herr. Auf welchen Platz darf denn serviert werden?“
„B6, ein 1985er Ford-Mustang auf einem E-Transporter.“
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