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Der feine Herr Fischstäbchen kauft sich keine Hose und geht auch nicht mit mir essen
Der Typ an der Bar kaut auf seinem Zahnstocher herum, macht richtig eine Show daraus, so als gäbe es da irgendeinen Wettbewerb, so als wäre es cool auf einem Zahnstocher zu kauen, irgendwie eine olympische Disziplin oder so. Er scheint ja fast darauf zu warten, dass ich gleich ein Scheiß-Wertungskärtchen hochhalte. Wobei ich sagen muss – es wäre dann eine hohe Punktzahl. Denn es hat schon was, dieses auf dem Zahnstocher-Herumgekaue von dem Typen mit dem Zahnstocher an der Bar.
Er lässt ihn richtig wandern, nicht nur das Übliche, der schnelle Wechsel sozusagen, wenn man mit der Zunge den Zahnstocher weit herausschiebt, ihn dann wendet und das Ende, das soeben noch die Luft gekostet hat, die rauchschwangere Barluft, dann zwischen den Zähnen hält. Obwohl das nicht sehr hygienisch ist. Aber das könnte ich auch, das wäre keine hohe Punktzahl wert. Nein, der kann noch viel mehr und hat keine Hemmungen, es auch zu zeigen.
Er legt den Kopf in den Nacken, weit in den Nacken, so weit wie ihn nur ein geübter Streichholzolympionike in den Nacken legen kann und vielleicht noch eine gelenkige Nutte, aber bei der bin ich mir nicht so sicher, legt den Kopf also weit in den Nacken, so dass der Zahnstocher aus seinem Mund herausschaut. Es fehlte nur noch ein Fläggchen an diesem Zahnstocher und man könnte meinen, dass eine fremde Nation, vielleicht die Russen, das sind ja Expansionisten, dass eine fremde Nation also den Körper dieses Mannes entdeckt hätte. Entdeckt und für sich in Anspruch genommen, einen Claim abgesteckt hätte sozusagen. So weit schaut der Zahnstocher aus ihm heraus. Dann spuckt er ihn kirschkerngleich in die Lüfte, ruckt nach vorne, so dass er fast, er sitzt ja auf einem Barhocker, so dass er sich fast seinen Arsch von unten ansehen kann, schnellt dann mit irrwitziger Geschwindigkeit wieder nach oben und der Zahnstocher landet – und er balanciert ihn – auf seiner Nase!
Diese Position, er muss teilweise Fakir sein, hält er einige Minuten durch, bis es ihm dann doch zu lang wird, und er stupst den Zahnstocher kurz nach oben, und irgendwie landet er dann wieder in seinem Mund. Ging zu schnell, als dass ich ihm hätte folgen können. Wahrscheinlich hab ich gerade geblinzelt.
Ich stehe auf, gehe zu ihm an die Bar; er sitzt dort, hochkonzentriert, aber doch wahnwitzig lässig. Und ich spucke auf den Dielenboden und frage ihn betont beiläufig und rau, ich kaue dabei auf dem imaginären Zahnstocher, den wir alle in unserem Mund tragen, kaue also auf dem Zahnstocher in uns allen herum und frage ihn: „Mann, wo hast du gelernt, so mit einem Zahnstocher umzugehen?“
Und er antwortet und verstaut dabei den Zahnstocher im äußersten linken Winkel seines Mundes: „Das ist doch so leicht wie einem Baby das Trommelfell zu zerstechen.“
Als er merkt, dass ich nicht lache und ich lache nicht deshalb nicht, weil der Spruch nicht komisch wäre, und das ist er nicht, aber ich lache nicht, weil er mit fiepsiger Stimme gesprochen hat und ohne jeden amerikanischen Akzent, und als er merkt, dass ich nicht lache, sagt er: „Tschuldigung, alter HNO-Witz.“
Ich gehe weg. Ohne ein Wort zu sagen, gehe ich einfach weg. Setze mich in mein Auto, in mein flamingofarbenes Cabriolet au lait, lege die Kassette ein, die einzige verdammte Kassette, die ich besitze. „A little less conversation“ läuft. Und ich denke mir, irgendwo da draußen ist er. Der echte Mann. Der Freund fürs Leben. Der Mann, der dir zeigt, wie du ein Mann bist. So einer wie Elvis.
Ich schniefe den Rotz in meiner Nase hoch, lege einen Gang ein, drehe die Anlage voll auf und sage: „Elvis lebt.“
Dann gebe ich Gas.