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Der Flugapparat

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16.08.2018
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Der Flugapparat

Er hämmerte, sägte, leimte und konstruierte die ganze Nacht. Als am Morgen die ersten Sonnenstrahlen sein Feld berührten, trat er mit einem großen Apparat aus dem windschiefen Schuppen. Die rechte Seite war wohl bereits einmal auseinander gefallen und mit morschen Brettern ausgebessert worden. Zwei dünne Seile kämpften verzweifelt gegen die Schwerkraft, um die dünnen Flügel vorm abbrechen zu bewahren. Die weißen Federn, die auf ihnen befestigt waren, lösten sich bereits und wurden von der morgendlichen Briese nach Osten getragen, in Richtung des Palastes. Skeptisch blickte er hoch zu den vereinzelten Wolken. Der Tag war perfekt. Er legte jeweils einen Gurt über seine Schultern, zurrte sie fest, stellte sich in den Apparat und sprang. Seine Füße lösten sich vom Boden, doch anstatt wieder auf diesem zu landen, flogen sie davon ins ewige Blau über der Welt. Vorsichtig legte er sich in den zwar spärlichen, aber ausreichenden Wind und ließ sich von diesem nach oben treiben. Immer höher und höher stieg er, bis die Bäume aussahen wie grüne Getreidehalme und Dörfer wie braune Pfützen in den reifen Feldern. Entfernte Rufe drangen an sein Ohr, doch er achtete nicht auf sie. Er war zu sehr mit der Euphorie, die ihn überkam, und mit dem wunderschönen Ausblick beschäftigt, um noch auf die Menschen, die so viel schwächer als er wirkten, zu achten. Er hatte sich über sie erhoben und ihr Entsetzen und ihre Überraschung gingen ihn nichts mehr an. Nie wieder würde er über Abgaben nachdenken, über die Ernte, über Geld, selbst über schlechtes Wetter, seine Sorgen waren am Boden verblieben. Er hatte erreicht, was keiner vor ihm vermochte. Nur noch ein Ort war eines Mannes wie ihm würdig. Langsam richtete er seinen Blick nach Osten, wo er sich wenig später auf der Spitze des mächtigen Wachturms in der Mitte des Palastes niederließ.

Mit stolz erhobenem Kinn marschierte er in den Thronsaal, gefolgt von drei Soldaten in glänzender Rüstung.
„Wir haben ihn im Westhof gefunden, eure Hoheit. Er behauptet, er sei hier eingedrungen, indem er einfach über die Mauern geflogen ist.“, berichtete der Hauptmann der Palastwache und zog sich in den Hintergrund zurück.
„Ihr seid geflogen?“, fragte der junge Prinz, der in einem prächtigen Stuhl neben seinem Vater saß, mit glänzenden Augen, bevor er vom König mit einem strengen Blick zum Schweigen gebracht wurde.
„Ist das wahr, Bauer?“, fragte der Herrscher mit einer Mischung aus Neugier und Argwohn.
„So wahr ich hier stehe, Hoheit!“, antwortete der alte Mann, der trotz seiner geringen Körpergröße jeden im Thronsaal zu überragen schien.
„Wie habt ihr das vollbracht?“, wollte der König wissen.
„Mit einem Flugapparat“, antwortete der Bauer, die Anrede des Herrschers vergessend.
„Wo ist dieser Apparat?“
„Auf dem alten Wachturm.“
„Gibt es Zeugen?“, fragte der König den Hauptmann.
„Ein paar Wachen behaupten es gesehen zu haben, eure Hoheit“, antwortete dieser.
„Ihr habt ihn gebaut?“, wollte der Herrscher vom Bauern wissen.
„Jawohl!“, sagte der alte Mann mit Stolz in der Stimme.
„Alleine?“
„Ja.“
„Wusste jemand von deinem Apparat?“
„Nicht vor diesem Morgen.“
„Also wisst nur ihr, wie man ihn baut?“
„Jawohl.“
„Also gut“, seufzte der König, bevor er die Schultern straffte und fortfuhr „Richtet ihn hin“, befahl er dem Hauptmann der Wache mit fester Stimme, „und zerschlagt seinen Apparat.“
„Aber Vater!“, protestierte der Prinz, der aufgesprungen war, während der Bauer ohne Widerstand zu leisten davongeschleppt wurde „Er hat doch nichts verbrochen!“
„Nein, mein Sohn“, sagte der Angesprochene nachdenklich, „aber wofür braucht ein Mensch einen König, wenn er selbst ein Gott ist?“

 
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Hallo @Yellow,

leider ist deine Geschichte etwas kurz, aber sie hat mir trotzdem in ihrer Idee gefallen. Ist alles drin, was man für eine gute Geschichte benötigt.
Ich würde sie jedoch deutlich intensivieren.
Zum einen würde ich mir mehr Mühe damit machen, die Leistung des Bauern zu würdigen, indem du dem Leser mehr davon berichtest, was alles er dafür tut, um einen Flugapparat zu bauen. Klar, du hast dich jetzt ganz geschickt um die technischen Fragen drücken können, indem du damit anfängst, wie er in seine Maschine steigt.
An dieser Stelle möchte ich noch anmerken, dass ich etwas stutzen musste, denn vor meinen Augen hattest du gerade ein Feld erschaffen und ich dachte, wie kann er von einem Feld aus starten, braucht er dazu nicht einen Abhang, wegen der Aufwinde etc. ?
Aber du siehst schon, man kann deutlich ausführlicher werden. Bring mir als Leserin den Bauer näher, wecke meine Empathien für ihn, für all seine Mühe, sein Wissen, sein Können. Gib mir die Möglichkeit, ihn zu bewundern, mit ihm mitzufiebern, wie er dann endlich losfliegt, mache es spannender, empathischer, gefühlvoller, detailreicher.
Dann nämlich haut die Szene vor dem König viel mehr rein ins Gemüt. Wenn man nämlich erfährt, wie Ignoranz und Unwissenheit und Machtgier Fortschrittlichkeit niedermachen kann.
Auch hier dachte ich einen kurzen Augenblick bei der Szene vor dem König, dass dieser das Wissen des Bauern vernichten möchte, indem er ihn tötet, aber aus dem Grunde, weil der König nicht möchte, dass mehr Menschen die Möglichkeit bekommen, ihn einfach in seinem Palast aufzusuchen oder gar davon zu fliegen aus dem Reich. Ich dachte, du würdest es eher damit begründen.
Immerhin gibt es ja immer mal wieder kräftige Hinweise darauf, dass Leute, die gute Sachen und Techniken erfunden haben, ihre Patente an Firmen verkaufen, die dann nichts anderes damit tun als diese Neuerungen in die Versenkung zu schicken, weil sie sich von dem, was gerade auf dem Markt ist, mehr Profit versprechen. Daran erinnert deine Geschichte, weshalb ich sie inhaltlich gut finde.
Ich würde auch den König noch mit mehr Leben ausstatten. Ich möchte als Leserin ihn hassen oder verstehen können. Diese Emotionen erzeugst du im Moment aber nicht. Der ist für mich einfach eine Figur, die sich König nennt.
Und wenn du schon einen Königssohn mit ins Spiel bringst, dann möchte ich natürlich auch über den etwas mehr erfahren.
Deine drei Figuren sind mir nicht plastisch und lebendig genug.

Ich hoffe, du kannst mit meinen Wünschen etwas anfangen und vielleicht sie sogar in die Tat umsetzen.

Lieben Gruß

lakita

 

Hi @Yellow,
deine Geschichte hat einen netten Ansatz, aber ich finde du hättest sie noch etwas weiter ausführen sollen. Man erfährt relativ wenig über die Charaktere und die Umgebung in welcher sie leben.
Jetzt komme ich zu den Dingen die mich am Inhalt etwas stören.
Zum einen müsste der Bauer nicht irgendwo Baupläne erstellt haben?
Die andere Sache betrifft deinen letzten Satz, der wohl als so eine Art Lehre fungieren soll (vermutlich für die Machtgier der Menschen). Wenn der Bauer der Einzige ist, der weiß wie man die Maschine baut, ist es durchaus logisch, dass der König ihn hinrichten lässt, allerdings missfällt mir bei deinem letzten Satz eines, wenn der König sich Sorgen um seine Macht macht (:D), wieso benutzt er nicht selbst die Flugmaschine, um sich zu einem Gott aufzuschwingen? Das er die Maschine zerstören lässt ergibt in meinen Augen eher wenig Sinn.
Trotzdem nette Geschichte und weiterhin viel Spaß beim Schreiben.
Blutmond

 
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Hola @Yellow,

Du kannst mich wirklich verblüffen! So eine tolle Geschichte mit fünfzehn Jahren zu schreiben ist ungewöhnlich, zumal sie gekonnt und unterhaltsam die Manipulationen der lieben Menschenkinder aufzeigt. Hättest Du neben ‚Fantasy’ und ‚Märchen’ auch ‚Philosophisches’ getaggt, wär’s auch recht gewesen.

Obwohl man an jedem Text zu seiner Verbesserung ein bisschen schrauben kann – auch an Deinem – fände ich es jetzt unsinnig, hier zu schulmeistern. Hauptsache, dass Dir das Schreiben etwas gibt, dass es Dich ausfüllt, Dich freut und, wenn ein Text gelungen ist, auch stolz macht. So früh wie Du damit anzufangen, hat den Vorteil, Erfahrungen zu machen – auch im Umgang mit kritischen Kommentaren (Das ist in manchen Fällen ein bisschen heikel).

Und umgekehrt: Kommentiere andere Texte; nur keine Scheu, das schärft die Wahrnehmung.

Statt thumbs up sag ich ‚gerne gelesen!’.
José

PS:

leichte Briese

 

Hallo @Yellow

ein kleiner, feiner Text, beachtlich für dein Alter. :) Ich mag auch die Auflösung, auch wenn ich, ehrlich gesagt, bereits damit rechnete. Wenn ein Bauer einfach so zum Palast fliegt, dann wird das kaum jemand gutheißen.

Aber du hast das Gespräch zwischen Bauer und König und Prinz sehr gut aufgezogen. Ich finde gut, dass du den Prinzen mit eingebaut hast, der quasi noch für Ehrlichkeit und Menschlichkeit steht, wohingegen der Vater nur Macht im Kopf hat. Sehr gut! :)

Mein einziger Schreib-Tipp für dich zu Beginn wäre, mal zu versuchen, etwas weniger Adjektive zu benutzen. :)

Als am Morgen die ersten Sonnenstrahlen sein Feld berührten, trat er mit einem zerbrechlichen Apparat aus dem windschiefen Schuppen. Eine leichte Briese kam von Osten, aus der Richtung des Palastes. Skeptisch blickte er hoch zu den vereinzelten Wolken. Der Tag war perfekt.

Adjektive sind an sich nichts schlimmes, du kannst sie auch gern benutzen, wenn du möchtest. Oft geht es auch garnicht ganz ohne. ;) Aber sie bringen einen dazu, weniger zu beschreiben. Hier ein Beispiel: Wenn du "zerbrechlich" streichst, musst du stattdessen eine Beschreibung finden, die den Leser denken lässt: "Oh, was für ein zerbrechlicher Apparat."

Vielleicht so:
"Da stand er, sein Apparat. Ein Flügel schien etwas länger zu sein, als der andere. Die Seiten musste er am Vorabend mit Leim flicken und die Federn, die er auf die Flügel geklebt hatte, lösten sich und schwebten in der morgendlichen Brise davon."

Dann hat der Leser auch gleich ein Bild vor Augen, wie dein Apparat aussehen soll und denkt sich: "Oh oh, dieses zerbrechliche Ding, hoffentlich geht das gut!" ;)


Alles in allem hast du eine tolle Geschichte geschrieben! Ich bin gespannt auf deine nächste!

Viele liebe Grüße, PP

 

"Yellow is the colour of my true love's hair
In the mornin' when we rise
In the mornin' when we rise
That's the time, that's the time
I love the best"
Donovan, aus: Colours​
Hallo und herzlich willkommen hierorts,

Yellow,

da hab ich mal gut dran getan, die Schublade „Fantasy“ zu öffnen und ein modernes Märchen über Gott und die Welt zu lesen – und warum sollte man sich über dein jugendliches Alter wundern, wenn Sibylla Schwartz mit 13 perfekte Sonette schrieb und mit 17 verstummte und einer der einflussreichsten Lyriker französischer Sprache, Arthur Rimbaud, mit 18 oder 19 die Poesie gegen den Waffenhandel eintauschte? Und es wurde schon angedeutet, was mit geschäftsschädigenden Neuerungen heutzutage geschieht ...

‘n paar kleinere Reparaturen, die durchgeführt werden müssen und darum auch aufzuzeigen sind

Eine leichte Bri[...]se kam von Osten, …

gelegentlich setzt du ein Komma, wo keines hingehört

Seine Füße lösten sich vom Boden, doch anstatt wieder auf diesem zu landen, flogen sie davon[...] ins ewige Blau über der Welt.
Immer höher und höher stieg er, bis die Bäume aussahen[...] wie grüne Getreidehalme und Dörfer wie braune Pfützen in den reifen Feldern.

Hier – wahrscheinlich unbewusst – streifstu eines der schwierigeren, deutsch-grammatischen Probleme (hoffentlich knack ich das korrekt!), wenn es heißt
Nur noch ein Ort war einem Mann wie ihm würdig.
denn „würdig“ ruft nach einer Genitivergänzung („nur noch ein Ort war eines Mannes wie ihn würdig“)

„Wir haben ihn im Westhof gefunden, eure Hoheit.
Wo, wenn nicht im Pluralis Majestatis wäre die Höflichkeitsform („Eure/Euer“) angebrachter als in der fürstlichen Hoheit?

Er behauptet, er sei hier eingedrungen, indem er einfach über die Mauern geflogen ist.“, berichtete der Hauptmann der Palastwache und ...
Punkt weg!, der bloße Aussagesatz endet punktlos mit den auslaufenden Gänsefüßchen (gilt nicht für Ausruf und Frage!, wenn ein übergeordneter Satz wie etwa "sagte er" folgt.
Weiter unten klappt‘s doch)

„Auf dem alten Wachturm“
hier wäre nun zumindest ein Punkt angesagt ...
„Ja“
Punkt oder Ausrufezeichen!

„Wusste jemand von eurem Apparat?“
Warum der Wechsel in der Anrede?
Aber bei dieser Variante dann doch die Frage: Wird der König so viel Respekt haben, dass er einen Untertanen sich nicht zu duzen traut?

„Nicht vor diesem Morgen“
Kondition zu Ende?
Auch mal ne Pause machen, um Luft und frische Kraft zu tanken, Flüchtigkeit zu verhindern …

darum brech ich hier ab, weil ich von überzeugt bin, dass du den kleinen Rest selbst bewältigst …

Auf alle Fälle ein erstaunliches zwotesWerk!, findet der

Friedel

 
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Hallo Yellow.

eine kleine aber sehr feine Geschichte ist dir hier gelungen. Wer hoch hinaus will, läuft eben Gefahr, tief zu fallen. Eine Abwandlung von Ikarus, wenn man so will.
Fehlerleins wurden dir ja schon aufgezeigt, die würde ich rasch ausbessern, denn gerade bei einem solch kurzen text springen die doch sehr ins Auge - sind aber schnell beseitigt und das fördert unbeschwerten den Lesegenuss.
Denk auch über die Ideen von PlaceboParadise nach, da könnte man durchaus ein bisschen durchsieben.
In jedem Fall schaffst du es mit diesem knappen text, Lust auf mehr aus deiner Feder zu erzeugen. Also weiter so.


Edit: sehr gerade, dass du zu keinem Kommentar auf deine letzte kg geantwortet hast. Das reduziert die Lust, mehr von dir zu kommentieren deutlich.

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo @weltenläufer

Edit: sehr gerade, dass du zu keinem Kommentar auf deine letzte kg geantwortet hast. Das reduziert die Lust, mehr von dir zu kommentieren deutlich.
Mein Problem ist, dass ich einer der Idioten bin, die nicht wirklich wissen, wie sie mit Kritik oder Lob umgehen sollen und deshalb dann einfach gar nichts schreiben. Ich versuch mal das bei meinem nächsten Text zu ändern. Kann ja nicht so schwer sein ;).

Viele Grüße
Yellow

 

Hallo @Yellow
Da ich gerade lese, dass Du total auf Lob und Kritik abfährst:
Fettes Lob von mir für eine Geschichte mit Sinn. Das scheint ja ein selten gewordener Anspruch unter jungen Autoren zu sein. Auch der Aufbau ist ganz gut gelungen. Linear erzählt, ohne unnötige Verschwurbelung und auch eine nette Pointe, die durchaus systemkritisch interpretiert werden kann.
Bisschen Kritik gibt's für bisschen viele Adjektive. Die nehmen den Raum für eigene Vorstellungen der Leser. Also wäre es eine gute Übung, direkt bei dieser Geschichte, die ja grundsätzlich gelungen ist, so viele der Adjektive wie möglich, durch kreative Umschreibungen zu ersetzen.

Schönen Gruß
Kellerkind

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Kellerkind
Freut mich das dir meine Geschichte gefallen hat. Die Kritik an anderen jungen Autoren kann ich leider nicht ganz verstehen. Warum muss eine Geschichte denn immer Sinn ergeben? Die Kritik an mir kann ich aber definitiv nachvollziehen. Du bist schon der zweite, der mich darauf aufmerksam macht, dass ich zu viele Adjektive benutze, also sollte ich wirklich dringend mal daran arbeiten. Danke für den Tipp.
Viele Grüße
Yellow

 

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