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Der Herr der Welt

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04.12.2008
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Der Herr der Welt

Der Herr der Welt


"Ich kann euch hier nicht vorbeilassen, Meister!" Breitbeinig stand Pavel vor dem Ausgang der Höhlenkathedrale und war zu allem entschlossen. In seinen Händen hielt er trotzig den langen Stock, den er bei den Kampfübungen hunderte Male benutzt hatte. Viel würde ihm diese Waffe nicht helfen, das wusste er. Nicht einmal ein Schwert aus dem härtesten Stahl dieser Welt hätte als Waffe irgendeinen Wert, nicht gegen seinen Meister.

Pavel hob langsam den Kopf und blickte seinen Meister an. Was er sah, schien wenig Furcht erregend zu sein. Ein kleines Männchen mit einem hohen schwarzen Hut, viel zu weit geschnittenen schwarzen Hosen und einem ebenfalls schwarzen, verknitterten Frack, der knapp bis über die Knie ging. Das einzig Besondere war der viel zu lange, mit Diamanten besetzte Gehstock, auf den sich das Männchen stützte.

"Du kannst noch nicht einmal meine wahre Gestalt sehen, Pavel, wie willst du mich da aufhalten? Aber dein Mut spricht für dich! Tritt zur Seite und ich werde dir vergeben."

Pavel wusste, dass jedes weitere Wort sinnlos war. Entweder trat er zur Seite, oder sein Meister würde die ganze Macht ausspielen, ihn aus dem Weg zu räumen und nach oben gehen. Auf keinen Fall durfte er ihn dorthin lassen. Pavel breitete seine Flügel ein wenig aus, griff den Stock noch fester und wartete auf den ersten Angriff.

"Warum stellt sich ausgerechnet mein Lieblingsschüler gegen mich?" Das kleine Männchen schüttelte den Kopf und sah zu Boden. "Aber eigentlich hätte ich das vorausahnen müssen. Im tiefsten Inneren bist du ein Rebell, Pavel, genau wie ich. Deshalb mochte ich dich immer mehr als alle meine anderen Schüler. Schade, dass es so enden muss. Willst du es dir nicht noch einmal überlegen?"

Warum griff sein Meister nicht an? Pavel verstand das nicht, aber vielleicht kannte er ihn doch nicht so gut, wie er immer geglaubt hatte. Das Männchen schien unsicher zu sein, oder war es nur traurig? "Nein, Meister. Ihr wollt alles zerstören. Alles was je eine Bedeutung hatte und alles was je eine Bedeutung haben wird. Wenn ihr das tut, werden auch wir nicht mehr existieren. Ich bitte euch, ich flehe euch an, kehrt um!"

Das kleine Männchen sah Pavel mit großen Augen an. Es schien wirklich traurig zu sein. "Sieh dich doch um, Pavel. Sieh dir die Welt doch an: Nur Schmerz und Kummer. Die Menschen führen Kriege, plündern, rauben und töten aus reiner Habsucht. Wenn alles stirbt, gibt es auch keinen Schmerz mehr und kein Leid. Ich erlöse die Menschen und bringe ihnen Frieden, den sie im tiefsten Herzen so verzweifelt suchen. Warum willst du sie weiter leiden lassen?"

"Leid ist der beste Lehrer, Meister. Es hebt die Menschen hinaus über ihr Selbst und über alle Dinge, die nicht von Bedeutung sind. Die Menschen brauchen Leid, um sich zu entwickeln und wir, wir bringen es ihnen. Das habt ihr mich gelehrt, Meister. Warum wollt ihr jetzt alles beenden?"

"Weil ich genau das satt habe, Pavel. Ich bin schuld an all dem Unglück, weil ich es war, der die göttliche Ordnung zu Fall brachte. Meine Rebellion erschütterte die göttliche Harmonie und ließ sie zerbrechen. Sie barst in einer gigantischen Explosion und das Universum war geboren. Es ist meine Welt, aber ich bin es leid, sie zu regieren. All diese Nichtigkeiten ... Ich werde das Universum zerstören und die göttliche Ordnung wieder herstellen. Dann werde auch ich wieder ein Teil der großen Harmonie sein. Genau wie du, Pavel. Tritt zur Seite!"

"Nein, Meister!" Pavel schloss die Augen. Es gab kein Zurück. Dann fing er an zu weinen.

Manches ist so ungewöhnlich, dass es selbst den Herren der Welt überrascht. Und ein weinender Dämon ist so etwas. Das kleine Männchen zögerte einen Augenblick, einen Wimpernschlag nur, dann schlug es zu, mit aller Macht. Pavel zerfiel zu Staub und seine Seele löste sich im Nichts auf.

Pavels Opfer war vergeblich, denn das Universum lebte nur einen Wimpernschlag länger. Doch manchmal ist ein Augenblick mehr wert als 10.000 Jahre.

 

Hi schroeder!
Eigentlich kann man nicht viel zu deiner Geschichte sagen.
Sie ist flüssige geschrieben.

Leid ist der beste Lehrer, Meister
Hier hätte ich eher einen positiven Aspekt des Lebens hervorgehoben. Das wirkt irgendwie so an den Haaren herbeigezogen.
Ansonsten ist sie mir irgendwie zu kurz, man hat keine Zeit sich mit den Personen zu identifizieren.
Was mir auch nicht ganz klar geworden ist: warum will der Meister die Welt zerstören? Geht er dann nicht selbst auch unter? Hab ich da was überlesen?
Sonnige Grüße
Cathy

 

Hallo schroeder!

Das erinnert mich so ein wenig an diese 80er Jahre SciFi-Zeichentrickserien wie He-Man, Saber Rider und so. Ich meine, das war eine schöne Zeit, damals, aber es ist lange her.

Was möchtest du denn mit der Geschichte sagen?

Sie wirkt auf mich eher wie eine Szene aus einer Geschichte, nicht wie eine Geschichte an sich. Man erfährt ja nichts über die Leute, es ist halt "Superböse" gegen "Superböse, aber ich habe gebeichtet und bereut", das ist so pathetisch und lockt eigentlich niemanden mehr hinter dem Kamin hervor.

Klar, dass der "Superböse" natürlich hübsch aussieht, so antisuperheldenmäßig mit Frack und Hut und natürlich ist er klein, trotzdem aber der Herr der Welt. Lustigerweise erfahren wir ja nicht, warum er jetzt plötzlich alles zerstören will, oder warum der Dämon da, also sein Schüler, ihn aufhalten will.

Da fehlt die Geschichte um die Szene, irgendwie.

Mach was draus. Oder schreib was Neues und versuche, mal ohne Extreme auszukommen.

Schöne Grüße,

yours

 

Hallo Leute,

danke für die kritischen Worte! Und die 80er finde ich klasse, mein persönlicher Held ist Captain Future. :)

Im Moment versuche ich einen Schreib/Erzählstil zu entwickeln, der vieles zwischen den Zeilen versteckt und mit Andeutungen auskommt. Vielleicht ist das hohe Erzählkunst und baucht Jahre Erfahrung, aber irgendwann muss man die ersten Schritte tun. Hier ist mir das wohl noch gar nicht gelungen. Dabei steckt doch Einiges drinn.

C-ya

 

Hallo schroeder.

Nach langer Abstinenz schaue ich auch mal wieder im Forum vorbei und habe eben mal deine Geschichte gelesen.

Mir gefällt die Szenerie eigentlich sehr gut und auch wenn der vorerst einfache Start dann zügig einen recht epischen Hintergrund bekommt, gefällt auch dieser mir wirklich gut. Es macht keinen konstruierten Eindruck.

Es fehlt ein wenig an Spannung, denke ich. Das soll nicht heißen, dass du grundlegend zusätzliche Aktionen in der Erzählung vorbringen musst, aber der Konflikt beider Akteure könnte noch etwas weiter herausgearbeitet werden. Der Herr der Welt sollte etwas fordernder und vielleicht auch bedrohlicher werden, wenn ihm sein Schüler nicht gehorcht. Der Schüler wiederum könnte ob seiner Hilflosigkeit durch Zufall dem ersten Versuch des Meisters in den Kathedrale zu kommen, stand halten. Die Erläuterung seiner Unterlegenheit nimmt die Spannung. Schließlich sollte er ihn dann aber doch nicht aufhalten können. Das erhöht meiner Meinung nach den dramaturgischen Effekt des eher düsteren Endes, wenn Pavel es tortzdem versucht hat, einen kurzen Lichtblick (oder sollte man bei Dämonen Dunkelblick) sah und dann scheiterte.

Und schließlich muss meiner Meinung nach dieser Satz nicht erscheinen:
"Und ein weinender Dämon ist so etwas." Erstmal ist der Kontrast sehr gewagt, wenn du "weinen" und "Dämon" in einem Satz bringst (es wirkt ein wenig kitschig, wie in einem Kinderfilm) und zweitens kann man aus den Worten zuvor bereits raus lesen, dass es sich um Dämonen handelt.
Besser wäre, du verdeutlichst die dämonische Gegenwart durch deine Beschreibung (das mit den Flügeln ist bereits sehr gut, umschreibe diese vielleicht noch mehr; das mit den Göttern lässt Spekulation offen, ist aber ausreichend beleuchtet, um das Ende der Geschichte zu verstehen).

Pavel ist bis auf die Flügel in der Geschichte nur ein psychologischer und ein wenig ein sozialer Charakter. Eine physische Beschreibung hilft sicherlich, um das Wesen Pavel zu verdeutlichen.
Vielleicht hilft das auch, sich mit dem Protagonisten zu identifizieren. Das macht die Kürze der Geschichte tatsächlich schwer.

Ahoi und noch viel Spaß beim Schreiben.
Stefan.

PS: "Leid ist der beste Lehrer, Meister" finde ich übrigens passend, vorallem in dieser philosophischen Erläuterung der Dämonenlehre. Diese Wesenheiten haben eben ihre eigenen Ansichten.

 

Im Moment versuche ich einen Schreib/Erzählstil zu entwickeln, der vieles zwischen den Zeilen versteckt und mit Andeutungen auskommt.

Hallo Schroeder,

die Reduzierung gefällt mir, und bezüglich der Kommentare neige ich zur Sicht von Razhiel: Du schreibst nicht zu wenig, im Gegenteil, Du könntest es noch mehr konzentrieren und damit die Wirkung verstärken.

Entweder trat er zur Seite, oder sein Meister würde die ganze Macht ausspielen, ihn aus dem Weg zu räumen und nach oben gehen. Auf keinen Fall durfte er ihn dorthin lassen.
Das ist ein Satz, bei dem ich einen Augenblick nachdenken muß, aber das ist gut.

Kandidaten für die Streichung:

Viel würde ihm diese Waffe nicht helfen, das wusste er. Nicht einmal ein Schwert aus dem härtesten Stahl dieser Welt hätte als Waffe irgendeinen Wert, nicht gegen seinen Meister.

Warum griff sein Meister nicht an? Pavel verstand das nicht, aber vielleicht kannte er ihn doch nicht so gut, wie er immer geglaubt hatte. Das Männchen schien unsicher zu sein, oder war es nur traurig?

"Weil ich genau das satt habe, Pavel. Ich bin schuld an all dem Unglück, weil ich es war, der die göttliche Ordnung zu Fall brachte. Meine Rebellion erschütterte die göttliche Harmonie und ließ sie zerbrechen. Sie barst in einer gigantischen Explosion und das Universum war geboren. Es ist meine Welt, aber ich bin es leid, sie zu regieren. All diese Nichtigkeiten ... Ich werde das Universum zerstören und die göttliche Ordnung wieder herstellen. Dann werde auch ich wieder ein Teil der großen Harmonie sein. Genau wie du, Pavel. Tritt zur Seite!"

Manches ist so ungewöhnlich, dass es selbst den Herren der Welt überrascht. Und ein weinender Dämon ist so etwas.

Ich meine nicht, daß diese Sätze ersatzlos raus müssen, aber sie haben zuviel erzählendes und erläuterndes, es wird zuviel gequatscht. Lies den Text mal ohne die Sätze, und ergänze dann nur das wirklich nötige. Übrigens: der Terminus "Dämon" ist ein bißchen zu niedlich für den Widerpart des "Guten" in der Welt. Weglassen!

"Leid ist der beste Lehrer, Meister" - das ist von überall her, es ist christlich, es ist auch Zen. Interessant ist hier die Übereinstimmung von Lehrer und Schüler. Beide sind sich bewußt, daß nur die Polarität die Schöpfung erzeugt hat. Der Meister will mit der Welt das Leiden beenden, der Schüler will, daß das Leben weitergeht - nicht das Leiden. Beide haben den Widerspruch der Schöpfung auch in sich, gut und böse sind in ihnen, sie sind also nicht nur "die Bösen". Das ist faustisch.

Es ist meine Welt, aber ich bin es leid, sie zu regieren.Nein, er regiert nur mit, seine Macht ist die eine Hälfte. Eigentlich sollte er das wissen.

Gruß Set

 

Hallo Setnemides,
hallo Razhiel!

Vielen Dank für eure griffigen Kommentare. Sie geben Antworten auf Fragen, die ich mir schon gestellt hatte und werfen Fragen auf, die ich mir noch stellen muss. Noch mehr können kritische Worte glaube ich nicht leisten. :)

Ich habe noch eine weitere Geschichte fertig, in der ich aber andere Erzählweisen ausprobiert habe, auch wenn das Thema Meister/Schüler wieder eine Rolle spielt. Die poste ich hier auch möglichst bald.

Und jetzt habe ich übrigens ein schlechtes Gewissen. Ich werde selbst mehr Kritik üben, versprochen! :D

C-ya

 

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