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Der Hof ist zu klein

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24.01.2009
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Der Hof ist zu klein

Wieder ein Fall für Onkel Luca, denke ich. Der Onkel wird entzückt sein. Durch das Fenster beobachte ich, wie der Typ zu einem der Tische mit Blick auf den Hafen schlufft, seinen Rucksack abwirft und auf einen Stuhl niedersinkt. Er streckt die Beine aus, reibt sich die Schultern, das Gesicht, bückt sich, löst die Schnürsenkel und zieht dann Wanderschuhe und Socken aus, nimmt ein Päckchen Tabak aus der Tasche, dreht sich routiniert eine Zigarette, zündet sie mit einem Streichholz an und raucht.
„Was hat er bestellt?“, fragt Onkel Luca, der, wie aus dem Nichts, jetzt neben mir am Fenster des Gastraumes steht und den neuen Gast beguckt.
„Was sie alle bestellen. Das Billigste“, sage ich, obwohl ich seine Bestellung noch nicht aufgenommen habe. „Pasta und Wasser.“
„Wir machen ihm Pasta und danach eine schöne Dorade“, beschließt Onkel Luca. „Frische Dorade á la Luca.“
„Er wird das nicht bezahlen.“
„Er zahlt, was er bestellt.“
„Warum machst du das immer?“
„Weil ich sehe, wenn jemand Hunger hat. Und in meiner Küche liegen fünf frische Doraden. Schau dir die schmalen Schultern an. Diese Beinchen. Und dieses Ungetüm von Rucksack. Er hat Hunger. Basta.“
Ich seufze und Onkel Luca, der kleine Mann mit einem kohlkopfgroßen Buckel, marschiert zurück in seine Küche.
Als ich nach der Pasta mit dem Fisch komme, will der Typ den nicht. Schüttelt mit dem Kopf, wedelt mit den Händen, wiederholt Worte, die ich nicht verstehe, außer: „No, no.“
Ich nicke, zeige auf ihn, auf den Fisch und stammle: „Si, si.“
Er will mir den Teller zurückgeben. Jetzt schüttle ich den Kopf. „No, no.“
Irgendwann sagt und tut er gar nichts mehr. Stellt den Teller ab und guckt mich nur noch an. Ich geh zurück zu Luca.
„Wie? Er will den Fisch nicht? Hat er denn keinen Hunger?“
„Was weiß ich. Vielleicht denkt er, er muss den bezahlen. Ist mir auch egal. Ich habe jetzt Feierabend.“
„Und was wird nun mit dem Fisch?“
„Red' du mit ihm!“

"Bin wieder da", rufe ich ins Haus, als ich von der Mittagsschicht heimkomme.
„Franca? Komm und hilf! Enric hat sich das Knie aufgeschlagen", ruft Mama zurück.
Ich streife die Sandalen ab und lauf barfuß in unsere Küche. Mein kleiner Bruder sitzt auf dem Esstisch und schreit, während Mama mit einem Handtuch das Blut abwischt. Meine Schwester Lore nimmt hinter ihrem Rücken die Keksdose aus dem Regal.
„Stell die Kekse zurück!“, befiehlt Mama. Sie kann Lore nicht gesehen haben, und doch weiß sie genau Bescheid. Mir drückt sie das Tuch in die Hand. „Ich muss mich umziehen. Ich muss in die Schule. Wegen Lore“, sagt sie.
„Was ist diesmal?“, frage ich, nehme Enric auf den Arm und öffne die Schublade mit dem Verbandszeug.
„Frag sie. Und mach endlich, dass er mit dem Geplärr aufhört.“ Damit hastet Mama ins Badezimmer. Ich nehme jeden einzelnen Verband aus der Schublade und errichte einen Turm aus Mull. Das Schreien flacht zu einem Wimmern ab. Ich setze Enric zurück auf den Tisch und beginne vom Fuß aufwärts sein Bein einzuwickeln.
„Was war diesmal?“, frage ich Lore, die über die Keksdose herfällt.
„Sie haben mich mit Vlado erwischt.“
„Erwischt? Wobei?“
„Beim Knutschen.“ Sie grinst.
„Ist Vlado jetzt dein Freund?“
Lore nickt eifrig.
„Wie lange seid ihr schon zusammen?“
„Seit heute.“
„Mit zwölf knutscht man nicht gleich am ersten Tag“, sage ich streng, während ich Enrics anderes Bein verbinde. Lore guckt mich an, als hätte ich ihr die Keksdose geklaut. „Erst ab dem zweiten Tag.“
Sie kapiert und strahlt wieder wie eine Sonntagsfee.
Als Mama das Badezimmer verlässt, bin ich bereits mit Enrics Armen fertig. In Unterwäsche steht sie mitten in der Küche und hält zwei Blusen auf Bügeln hoch. Ich verbinde Enrics Bauch.
„Die, oder die?“
„Die gelbe“, sage ich.
„Die bunte“, sagt Lore.
„Knutschen mit zwölf. Von wem sie das jetzt wieder hat?“
„Du warst sechzehn“, setze ich an.
„Ja ja, weiß ich doch“, unterbricht sie mich. „Stimmt es eigentlich, was die Leute erzählen?“
„Was erzählen sie denn?“
„Dass mein Bruder einen Zigeuner bei sich aufgenommen hat.“
„Zigeuner sagt man nicht.“
„Ist er einer?“
„Er heißt Jorska.“
„Es stimmt also. Mama mia, Luca wird es nie kapieren. Irgendwann verschenkt er noch sein Haus.“
„Jorska hilft ihm in der Küche.“
„Was? Soll das heißen, der Kerl wandert nicht weiter? Wie lang ist er schon da?“
„Eine Woche.“
„Und wo wohnt er? Sag nichts. Er wohnt bei Luca. Beklauen wird er ihn. Sag Luca, er soll zusehen, dass er diesen Zigeuner wieder loswird, bevor es ihm leidtut.“
„Mama! Zigeuner sagt man nicht!“
„Aber er ist einer, ja? Wo kommt er her?“
„Moldawien.“
„Aha.“ Sie streift die bunte Bluse vom Bügel und zieht sie sich über. Ich bin froh, nicht mehr ihre Brüste sehen zu müssen. Dann rauscht sie fort und kommt zurück - vollständig bekleidet mit Rock und Strumpfhose. Inzwischen habe ich auch Enrics Kopf verbunden. Geheilt klettert er vom Tisch und rennt zu seinen Freunden auf die Straße.
„Sag meinem Bruder, dass ich ihn gewarnt habe“, ruft Mama aus der Diele. „Er soll ja nicht angejammert kommen, wenn dieser Zigeuner, wenn ihm alles geklaut wurde.“
„Ich sag es ihm. Und er heißt Jorska.“
„Jorska. Von mir aus. Ich muss los.“ Mit diesen Worten eilt sie zu unserem klappernden Fiat und hupt die Kinder von der Straße.

Jorska ist nun schon seit drei Wochen bei Onkel Luca. Der Onkel hat ihm eines der drei Gästezimmer überlassen. Dafür fährt Jorska zum Fischmarkt einkaufen, putzt und schnippelt Gemüse, nimmt den Fisch aus und schrubbt die Küche nach Feierabend. Er bemüht sich, Italienisch zu lernen, er lernt schnell. Ansonsten versuchen wir es mit Englisch oder mit Händen und Füßen. Wenn in der Küche nichts zu tun ist, sitzt Jorska auf der Hintertreppe zum Hof, liest in einem seiner Bücher oder lernt die Worte, die Onkel Luca ihm in ein kleines Heft schreibt. Anfangs forderte Luca ihn immer wieder auf, sich doch nach vorn, auf die Terrasse, zu setzen, aber Jorska bevorzugt die Hoftreppe, wo er statt auf's Meer, auf die Mülltonnen, auf das Fass fürs Altöl, auf die graue Mauer rund um den Hof und Lucas beulige Blechkiste mit dem Mercedesstern guckt.
„Bis Dienstag“, verabschiede ich mich.
„Gibt es hier irgendwo einen Billard?“
„In der Stadt. Du kommst mit dem Bus hin.“
„Fährst du mit mir?“
Billard. Warum eigentlich nicht. Morgen ist Ruhetag. So entkomme ich Mamas Bügelwäsche. „Ja.“
Jorska lächelt. Er ist schön.

Wir trinken Bier, wir spielen Billard, Jorska raucht und ich gucke ihm zu. Am Tresen vorn sitzen zwei ältere Männer. Sie schlürfen Kaffee und Grappa, verfolgen ein Radrennen im Fernsehen. Ab und an schauen sie zu uns rüber. Ich mag sie nicht. Ich mag nicht, wie sie gucken.
Als unsere Flaschen leer sind, geht Jorska an die Bar, zwei neue kaufen. Einer der beiden Männer sagt etwas zu ihm. Ich kann nicht verstehen, was er sagt, aber Jorskas Lächeln verschwindet. Der andere bläst ihm seinen Zigarrenrauch ins Gesicht. Der Wirt knallt die Flaschen auf den Tresen, so dass das Bier überschäumt. Jorska bezahlt, lässt die Biere stehen, kommt zu mir und sagt: „Wir gehen.“
„Aber wir sind doch noch nicht fertig.“
„Egal. Komm.“
„Was hat der Opa zu dir gesagt?“, frage ich laut und auf Italienisch, so dass es Jorska nicht verstehen kann, aber die beiden da vorn.
„Lass. Komm“, flüstert er.
„Nein!“ Ich stemme die Arme in die Hüften. „Was glotzt ihr so? Wo ist das Problem?“, brülle ich.
Jorska hebt mich hoch und wirft mich wie ein Handtuch über die Schultern. Er trägt mich raus, während ich die beiden weiter beschimpfe. Vorsichtshalber trägt Jorska mich noch ein Stück die Straße runter. Ich fluche so lange, bis mir klar wird, dass die beiden mich längst nicht mehr hören. Erst, als ich still bin, setzt Jorska mich ab. Wir stehen ganz nah beieinander. Jorskas Geruch macht etwas mit mir. Ich werde ganz ruhig und weich und zärtlich und wild.
„Warum?“, frage ich. Er schüttelt den Kopf, legt mir einen Finger über die Lippen. „Psst.“
Küsst er mich jetzt? Das ist doch so ein Moment, wo man sich küsst. Bitte, küss mich!
Sein Finger fährt zärtlich die Konturen meines Mundes nach.
Küss mich! Küss mich! Küss mich!
Aber Jorska küsst mich nicht. Er weicht zurück und entschuldigt sich.
„Kein Problem“, sage ich und schluck' die Enttäuschung hinunter.
„Fahren wir?“
Ich nicke. Vielleicht können wir ja noch schwimmen gehen, hoffe ich.
Aber wir gehen nicht schwimmen. Zurück im Dorf nimmt Jorska das Küchenradio, das kaputt ist, solange wie ich mich erinnern kann, setzt sich auf die Hoftreppe und schraubt es auseinander. Schweigend und ohne einen Blick für mich.

Am nächsten Tag spielt das Radio. Onkel Luca singt, Jorska pfeift. Obwohl die Saison inzwischen voll angelaufen ist, und die Essenbons wie Konfetti durch die Küche fliegen, flucht Onkel Luca nicht. Auch kommt er nicht mehr zu mir ans Fenster, um nach jungen Leuten mit großen Rucksäcken zwischen den Segeltouristen Ausschau zu halten, damit er ihnen ein Essen spendieren kann. So bekommen sie, was sie bestellen: Pasta und Wasser, manche einen Viertel billigen Weines dazu.
Nach dem Mittagsgeschäft geht Jorska schwimmen. Seit wir in der Stadt waren, seit er mich fast geküsst hat, warte ich. Mit hochgelegten Beinen und zwei Espressi warte ich darauf, dass er wiederkommt. Mit nassen, tropfenden Haaren, in Badehose und Haut, die nach Sonne und Salz riecht. Er setzt sich dann zu mir, raucht eine Zigarette und zieht sich schließlich in sein Zimmer zurück. Ich gehe nach Hause und schließe mich für eine halbe Stunde ein.

„Bei Alfredo fehlt ein Huhn“, sagt meine Mutter.
„Ihm fehlen immer mal Hühner“, sage ich und feile weiter meine Nägel, ohne aufzublicken.
„Er hat es geklaut“, sagt meine Mutter.
„Wer?“
„Der Zigeuner.“
„Er heißt Jorska. Zigeuner sagt man nicht.“
„Man hat ihn gesehen.“
Jetzt gucke ich Mama doch an. Sie schrubbt die Kasserole, als ob Milch drin angebrannt wäre, dabei hat sie nur Gemüse gedünstet. „Was soll er mit dem Huhn?“
„Was weiß denn ich.“
„Der Fuchs wird es geholt haben.“
„Hörst du mir überhaupt zu? Er wurde gesehen.“
„Wann?“
„Heute Nacht.“
„Wo?“
„Was fragst du denn so dämlich? Bei Alfredo natürlich.“
Das kann nicht sein, denke ich. Aber ich kann es Mama nicht sagen. Sie würde auf der Stelle einen Herzinfarkt bekommen.
„Ich glaub, es war der Fuchs. Jorska braucht kein Huhn.“

Jorska saß schon auf der Hoftreppe, als ich die letzten Gäste abkassierte. Ich räumte die Aschenbecher von den Tischen, schob die Stühle zurecht, reinigte den Tresen und schielte ständig zur Hintertür, die offen stand. Jorska, Jorska, Jorska. Ich dachte nichts anderes mehr. Onkel Luca war zu einem Freund gefahren. Wir waren allein. Ich setzte mich hinter ihn und legte meine Hände auf seine Augen.
„Woran denkst du?“, fragte ich.
„Der Hof ist klein.“
Ich lachte. „Und woran noch?“
„An vieles.“
„Auch an mich?“
„Auch an dich.“
„Ich denke auch an dich.“ Ich gab seinen Blick wieder frei, schob ihm das Haar aus dem Nacken und atmete auf seinen Hals.
„Du wirst es bereuen“, sagte er.
„Nein“, sagte ich. „Niemals.“

Mama hat sich furchtbar mit Onkel Luca gestritten. Sie redet jetzt nicht mehr mit ihm. Ich ergreife still Partei für Luca, sage es Mama aber nicht, damit sie sich nicht noch mehr aufregt.
Onkel Luca fährt wieder selbst zum Einkaufen auf den Fischmarkt. Jorska bäckt in der Zeit das Brot und bereitet die Pasta vor.
Die Mittagspausen verbringen Jorska und ich auf seinem Zimmer. Er hat noch nie in dem Bett geschlafen, seit er in dieses Zimmer gezogen ist. Er schläft auf dem Balkon, bei Regen auf dem Fußboden. Mit Schlafsack und Isomatte.
„Warum?“, habe ich ihn gefragt, und das strahlend weiße Bettzeug ohne Falten und Knitter betrachtet.
„Ich mag es so“, hat er geantwortet und schob mich ins Badezimmer, unter die Dusche, wo wir uns vor der Hitze versteckten.
Nachts gehen wir schwimmen, wenn alle schlafen und das Meer nur uns gehört. Danach schleiche ich mich zu Hause ins Zimmer, um niemanden zu wecken, vor allem nicht Mama.
„Du kommst jetzt immer sehr spät“, hat sie gesagt. „Und nachmittags überhaupt nicht mehr.“
„Es gibt viel zu tun.“
„Hier auch.“
„Ich weiß“, sage ich und gebe Mama einen Kuss. „In einem Monat ist die Saison vorbei.“ Ich überlege, was ich Mama erzähle, wenn die Segelboote nach und nach ausbleiben, der Hafen irgendwann nur noch mit Winterschläfern belegt ist, aber ich will nicht dran denken. Noch kommen die Boote.

„Sag Luca, er soll nicht angejammert kommen“, sagt Mama, als ich mich zum Frühstück setze.
„Du redest nicht mit ihm.“
„Richte es ihm aus!“
„Warum sollte er jammern?“
„Sein Zigeuner ist abgehauen. Heute Morgen. Mit dem Bus.“
Ich spucke den Kaffee aus, pruste ihn über den Tisch. „Nein!“
„Er hat die Kasse mitgenommen. Bestimmt hat er das. Sag Luca, ich hab ihn gewarnt.“
„Woher weißt du?“
„Man hat ihn gesehen.“
So, wie man ihn bei Alfredos Hühnern gesehen hat? Ja, so muss es sein. Ich verzichte auf mein Frühstück, beeile mich mit Anziehen und wische noch schnell den Tisch ab.
„Wohin?“
„Zu Luca. Ihm deine Worte ausrichten.“
Ich renne, so schnell ich kann, zum Hafen runter, zu Luca. Aus der Küche kommt kein Ton. Kein Radio, kein Pfeifen, kein Singen. Die Küche ist leer, Jorska und Luca sind nicht da. Ich haste die Treppe hoch, zu den Zimmern, zu Jorskas Zimmer, nehme zwei Stufen mit einmal. Das Zimmer ist leer. Strahlend weiß das Bett. Als wäre er nie da gewesen. Ich lasse mich darauf fallen, zerwühle es, schlage es, ersticke meine Schreie in den Kissen. Schmiere Rotz und Tränen aufs Laken. Ich weiß nicht, wie lange ich oben geblieben bin, aber die Sonne steht hoch, als ich die Treppen wieder hinabsteige. Auf der Tafel am Eingang steht: Heute geschlossen.
Ich finde Onkel Luca auf der Treppe im Hof. Auf Jorskas Treppe. Er wirkt viel kleiner, schmaler, sein Buckel dafür umso größer. Ich setze mich zu ihm. Wir schweigen, sagen nichts. Irgendwann geht Onkel Luca hinein, kommt mit Wein und ein paar Broten wieder heraus.
„Der Hof ist klein“, sagt er. „Viel zu klein.“
„Wieso?“, frage ich und denke, er ist doch genauso groß wie alle Höfe in der Gegend, vielleicht sogar ein Stückchen größer.
Onkel Luca legt mir eine Hand aufs Knie. „Irgendwann wirst du es verstehen.“
„Was? Was soll ich verstehen?“
„Dass der Hof zu klein ist.“ Dann nimmt er seine Hand wieder fort und gießt uns Wein ein.

 
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Hallo Fliege,

entschuldige, aber ich fang meistens mit den Kleinigkeiten an:

nahe der Bucht schlufft,
ich kenne das Wort als schlurft.

„Seit heute.“
so habe ich es jedenfalls gelernt, aber ist ja schon ein wenig her.

Erst ab am zweiten Tag.
Absicht? ab dem wäre wohl korrekt.

Dass mein Bruder einen Zigeuner bei sich aufgenommen hat

Der andere bläst ihm seinen Zigarrenrauch ins Gesicht

so dass es Jorska nicht verstehen kann

Ich setzte mich hinter ihn und legte meine Hände vor seine Augen.

Auf Jorskas Treppe

Dass der Hof zu klein ist

Ohne die Originale gelesen zu haben, gibt mir die Geschichte viele Ideen, die aber letztlich unbeantwortet in der Luft hängen. Ich weiß noch nicht, ob ich das gut finde. Jedenfalls eine flott geschriebene Geschichte, unaufgeregt erzählt, verständlich und lebendig. Ich habe sie in eins durch gelesen und jetzt sitze ich hier und weiß nicht recht weiter. Also werde ich mir mal die Vorlagen anschauen.

Liebe Grüße

Jobär

Nachdem ich die beiden Vorlagen gelesen habe, kann ich nur sagen: Hut ab! Die erste Geschichte war mir zu grausam, dieser Teil fehlt erfreulicherweise bei Dir. Die zweite fand ich als alter Romantiker sehr schön. Dieses süßliche (klebrige) hast Du nicht übernommen und vielleicht hat die Handlung dadurch gewonnen. Überhaupt streicht Deine Geschichte um die Handlung herum wie der Kater. In Kreisen, die langsam immer enger werden, aber dann wurden sie wohl zu eng und da ist kein Schoß mehr auf dem der Kater schnurren kann. Mit einem leicht traurigen Lächeln.

Jobär

 

Hej Fliege,

Chapeau! :)
Deine Geschichte hat alles, was eine Geschichte für mich braucht. Sie ist schnell, sie "labert" nicht, sie zeichnet wunderbare Charaktere und einen interessanten Verlauf mit einem (leider) immer währenden Thema. Es gefällt mir, dass die Fremdenfeindlichkeit leise und unterschiedlich auftaucht (im Gegensatz zur Originalgeschichte). Es gibt keinen Satz, den ich nicht zweimal gelesen habe, weil er mich berührt. Eigentlich habe ich meist Probleme mit Dialogen. Deine sind ausnahmslos cool. Sie sitzen und wirken authentisch.
Ich liebe Franca, ihre Mutter, Luca und auch den gebeutelten Jorska, Italien, den Sommer ...
Bin heute also schon so früh in deine Geschichte abgetaucht und nichts hat mich daran gestört, hätte ewig weiterlesen können.

Hm, klingt ziemlich euphorisch, aber genau das ist mein Leseeindruck - ungefiltert und spontan ;)

Herzlich Grüße Kanji

 
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Hallo Fliege,

ich war so gespannt auf deine Geschichte, dass ich sie gestern Nacht noch gelesen habe. Ich wollte sie ohne Vorwissen über das Original lesen. Das ist mir leider nicht gelungen. Als der Name Jorska auftauchte, war mir Offshores Geschichte im Kopf und eben auch die Diskussion, die sie ausgelöst hat. Ich war ständig am Vergleichen und dachte, hier hast du strikt auf Kontrast gesetzt: bei Ernst Gefühlsüberschwang und eine traumatisierte, fürs Leben beschädigte Prota, bei dir eine Prota, die bei allem Liebesleid sich
der Realität stellt. Bei Ernst ein Jorska, der ahnungslos in sein Verderben rennt, bei dir ein gewitzter Jorska, der sich davonmacht, bevor es brenzlig wird.

Heute Morgen finde ich, dass deine Geschichte sehr gut ohne Vergleich bestehen kann. Das Problem der unterschwelligen (rassistisch/faschistischen) Vorurteile besteht ja leider in vielen Köpfen, auch wenn es scheinbar harmlos bis lächerlich daherkommt. Insofern ist es nicht immer nötig, explizite Gewaltorgien auszumalen.

Ich denke darüber nach, warum du die zweite Geschichte von Ernst dazu genommen hast. Vielleicht wolltest du mit ihr das Jorska-Original entschärfen. Oder sollte die südeuropäische Hafenidylle zeigen, dass selbst in Hafenstädten, die doch per se eher multikulturell sind, Vorurteile gedeihen?

Eine letzte Frage noch. Mir geht es wie Franca: Was meint Luca mit "Der Hof ist zu klein"? Ich habe eine Idee, vielleicht ist sie blödsinnig. Der "Hof" ist die kleine Hafenkneipe. Zwei Außenseiter, einer mit Buckel, der andere ein Zigeuner, erträgt die kleine Welt um Luca und seine Familie nicht. :confused:

Zum Sprachlichen nur ein Satz: Bei dir kann man perfekt lernen, was es heißt: zeigen, nicht erzählen.

Copywrite macht Spaß!

Herzliche Grüße
wieselmaus

 
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Erst wollt ich ja warten, bis ernst vorbeischaut (hadder ja bestimmt schon, mut ich ma' Maß), aber wie't so geht,

hallo Fliege,

so'n bissken schlich sich bei mir aufgrund des Titels Dostojewskij ein, dessen Romane sich ja auch keinem Genre, geschweige denn einer Schublade (das manchmal sogar buchstäblich genommen) weder anpassen noch unterordnen wollen/lassen. Sie sind immer alles zugleich, nicht geeignet für ein Schubladendasein. Und wer wollt behaupten, dass da nicht auch alles drin stecke vom ewig währenden Familienklüngel übers zarte Pflänzchen der Liebe und Solidarität zur Schlinge von Hass und Feindschaft, die Vorurteile bestätigt sehen will.

Das ist so aktuell, wie's nur sein kann. Und es ist gut so.

Du hast ein glückliches Händchen, vom Kindermund bis zum zahnlosen Maul der Alten alles erzählen und darstellen zu können, als geschähe es gleich nebenan, wo immer Du gerade wärst (ich schließ mal bestimmte stille Orte aus). So hat/haben die Erzählung/en ernst' eine gelungene Zusammenführung erfahren. Und – kann's anders sein? - der Leser auch. Von allen drei Geschichten! Denn wer wüsste schon um das Schicksal eines zigan, Eriträer, Somali, Afghane etc., wenn er erst einmal den literarischen Rahmen und die Erzählung verlassen hat! Jeder Onkel Luca ist da absehbar überfordert, wenn er's allein bewältigen muss. Syrer wissen zumeist gar nicht, welchen Sonderstatus sie derzeit genießen.

Mit den versehentlich gedoppelten Buchstaben scheinstu's ja zu haben! Mir scheint, da sei die Kasserole zu oft geschrubbt worden. Schau nur

, löst die Schnür[...]senkel …
(kommt von schnüren, nicht schnurren)
Der andere bläs[...]t ihm seinen Zigarrenrauch ins Gesicht.
Und letztlich ist jede Joska mehr oder weniger pfiffig
Jorska pfeifft.
und eigentlich alles andere als eine Pfeife.

Womit wir die elementare Tüddeligkeit verlassen

„Und [n]achmittags überhaupt nicht mehr.“

In diesem kleinen Dialog seh ich nicht den, oder - anders und präziser ausgedrückt – keinen Grund zur Substantivierung
„Die, oder die?“
„Die Gelbe“, sage ich.
„Die Bunte“, sagt Lore.
Ich seh da einfach nur gelb und bunt als Attribute der Bluse/n.

Zum Schluss, was einem an sich so durchgeht - und darum an anderer Stelle mit geflissentlich durchgegangen sein mag, nix schlimmes, aber warum die schwache Klammer

Dann rauscht sie fort und kommt vollständig bekleidet, mit Rock und Strumpfhose, zurück.
Rücken wir ein wenig das Mobiliar und nix geht verloren: „Dann rauscht sie fort und kommt zurück - vollständig bekleidet mit Rock und Strumpfhose. "

Gern gelesen vom

Friedel

 
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Liebe Fliege,

eine wirklich gute Geschichte. Locker und flockig geschrieben, da gibt's nichts zu meckern. Am Anfang dachte ich noch, Mensch, bitte keine brave Urlaubsgeschichte, aber dann wurd's doch nicht so brav und wirklich sehr schön. Das hat mir echt gefallen, das Flair, die Charaktere, das bittersüße Ende.

Die Dialoge mit der Familie sind authentisch, vor allem der zweite Absatz, der zieht einen echt in die Geschichte. Die italienische Mama ist dir wirklich gelungen, ich kann förmlich ihre Stimme hören, während ich lese. Und die Szenen sind so unaufgeregt und dabei so lebensnah, dass man einfach weiterlesen möchte. Dabei passiert anfangs ja nicht wirklich viel. Familiensachen eben, aber mit Charme. Ja, Alltägliches charmant wirken zu lassen, ist schon schwierig, aber das hast du echt drauf. Kompliment.

Da schlummert noch etwas anderes in deinem Text, etwas, was ich so kurz nach dem Lesen noch nicht greifen kann. So ähnlich wie bei offshores Der Koch, die Kellnerin, Pepe und das Boot. Da hab ich auch etwas empfunden, was ich gar nicht so genau in Worte fassen kann. So eine Traurigkeit auf der zweiten Ebene, so Bittersüßes zwischen den Zeilen. Nicht nur, was die Beziehung deiner Prota zu Jorska angeht, die dir übrigens echt gelungen ist, sondern eine Traurigkeit, die auch Luca und Jorska erfasst und über die Beziehungskiste hinausgeht. Vielleicht bin ich zu sentimental, aber irgendwas ist da. Vielleicht seh ich das klarer, wenn ich nochmal drüber geschlafen hab.

Generell habe ich ein ungutes Gefühl, was den Luca und den Jorska und die Männer in der Kneipe betrifft. Da geht was nicht mit rechten Dingen zu. Nicht, dass die den Jorska erledigt (oder sich seiner zumindest entledigt) haben. Das würdest du nie zulassen, oder, Fliege? ;) Aber Sinn ergibt es schon irgendwie. Im Original ist er ja der Prota unschön entrissen worden. Und dann das Gerede, dass der Hof zu klein sei und das gestohlene Huhn, die Typen in der Bar, die Distanziertheit und fragwürdigen Verhaltensweisen von Jorska ... mann, ich check's nimmer. Nicht, dass der gute Mann sich mit Mafiosi oder anderen Verbrechervolk eingelassen hat, das wär nun gar nicht gut. Oder es ist einfach Fremdenhass, das passt auch. Letzteres wird es eher sein, aber je mehr ich drüber nachdenke, umso plausibler erscheint mir beides. Wie das eben so ist.

Zumindest bin ich froh, dass du den Jorska nicht gemeuchelt hast. Das hat mich in offshores Geschichte echt mitgenommen. Da war ja diese melancholische Grundstimmung und dann dieser bestialische Mord mit all den unschönen Details. Gut, dass der Jorska hier nur abhaut (oder eben nicht). Ein zweites Mal hätte mein Herz das nicht verkraftet.

Der Fünfjährige schreit wie eine Frau in den Wehen.

Diesen Vergleich finde ich nicht so passend. Eine Frau in den Wehen schreit ja richtig vor Schmerzen, dass einem ganz anders wird, während ich mir bei dem Jungen eher so ein Gequäcke vorstelle. So ein typisch kindliches Gejammer eben, weniger wegen Schmerzen, mehr wegen dem Verlangen nach Aufmerksamkeit.

Ich setze Enric zurück auf den Tisch und beginne vom Fuss aufwärts sein Bein einzuwickeln.

Fuß

Er streckt die Beine aus, reibt sich die Schultern, das Gesicht, bückt sich, löst die Schnürrsenkel und zieht dann Wanderschuhe und Socken aus, nimmt ein Päckchen Tabak aus der Tasche, dreht sich routiniert eine Zigarette, zündet sie mit einem Streichholz an und raucht.

Schnürsenkel

„Er soll ja nicht angejammert kommen, wenn dieser Zigeuner, wenn ihm alles geklaut wurde.“

Ich weiß, damit muss man vorsichtig sein, aber anstelle des Kommas vor dem zweiten wenn würde ich Auslassungszeichen setzen. Das liest sich irgendwie besser, flüssiger. So wie es jetzt ist, bin ich kurz ins Stocken gekommen. Das fällt bei einem Text, der runtergeht wie Öl, natürlich gleich auf. ;)

Mit diesen Worten eilt sie zu unserem klappernden Fiat und hupt die Kinder von der Straße.

Das liest sich so, als würde der Fiat klappern, selbst wenn der Motor nicht läuft.

Er bemüht sich, italienisch zu lernen, er lernt schnell.

Italienisch

Werden Sprachen nicht immer großgeschrieben? Du schreibst die immer klein, das wundert mich schon. Oder irre ich mich? Kann ja sein.

frage ich laut und auf italienisch, so das es Jorska nicht verstehen kann, aber die beiden da vorn.

sodass/so dass

„Was glotzt Ihr so? Wo ist das Problem?

Warum so förmlich? ;)

Zurück im Dorf, Kein Komma nimmt Jorska das Küchenradio, das kaputt ist, solange wie ich mich erinnern kann, setzt sich auf die Hoftreppe und schraubt es auseinander.

Ohne wie klingt der Satz noch besser.

Er wirkt viel kleiner, schmaler, sein Buckel dafür um so größer.

umso

Eine wirklich gute Geschichte. Stil, Figuren, Setting, da passt sehr vieles. Und dann sind da noch die Dinge, die zwischen den Zeilen schweben und sich nicht greifen lassen. Da bleibt einem die Gesichte natürlich im Kopf. Ich weiß nicht, ob ich zu viel da hineininterpretiere, aber naja ... um es in den Worten von Luca zu sagen:

„Irgendwann wirst du es verstehen.“

Ein sehr gutes Copywrite, Fliege. Toller Text.

Liebe Grüße,
gibberish

 
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Das mal als Intro:

„Franca!“, ruft Mama. „Komm und hilf. Enric hat sich das Knie aufgeschlagen.“
[…] Ich nehme Enric auf den Arm und öffne die Schublade mit dem Verbandszeug.
[…] Ich setze Enric zurück auf den Tisch und beginne vom Fuß aufwärts sein Bein einzuwickeln.
[…] … während ich Enrics anderes Bein verbinde.
[…] … bin ich bereits mit Enrics Armen fertig
[…] Ich verbinde Enrics Bauch.
[…] Inzwischen habe ich auch Enrics Kopf verbunden. Geheilt klettert er vom Tisch und rennt zu seinen Freunden auf die Straße.

Mein Gott, wie süß! Also das ist unverkennbar „Fliege“. :D Diese wie beiläufig in den Dialog geschummelte Szene ist nicht nur herrlich witzig, sondern gleichzeitig erfahre ich damit auch schon ganz viel über die Figuren, über den Umgang in dieser Familie, über Geschwisterliebe und diesen ganzen Kram. Ein Beispiel für effizientes, souveränes Schreiben. Bravo, Fliege.


Es liegt ja in der Natur der Copywrite-Idee, dass man die daraus resultierenden neuen Geschichten entweder als Coverversions oder als eigenständige Geschichten lesen kann, je nachdem, ob man sich vorher die Vorlagen anschaut oder nicht. Als Autor der Vorlage fehlt mir diese Entscheidungsfreiheit natürlich, und ich frage mich, wie ich die Geschichte ohne Kenntnis der Vorlagen gelesen hätte.
Was aber eigentlich egal ist, weil mir schon ziemlich bald klar war, dass du inhaltlich da sowieso dein ganz eigenes Ding durchziehst, dich gerademal des süditalienischen Settings*) der Pepe-Geschichte bedienst, einiger meiner Figuren, oder besser gesagt, derer Namen und ja, natürlich des herzzusammenschnürenden Themas. (Ich muss ehrlich sagen, dass mir deine Franca am Schluss mindestens so leidgetan hat, wie meine Lucie.)

Kurze Pause

So, nachdem ich die Geschichte jetzt ein zweites Mal gelesen habe, merke ich mehr und mehr, dass ich unmöglich alles, was mir dazu einfällt, in einen Kommentar packen kann. Darum will ich’s diesmal wie Friedel machen, einfach einmal beginnen und dir darüber hinaus einen weiteren Besuch in Aussicht stellen. Ist das okay für dich, Fliege?

Also, gemmas an:

Gleich zu Beginn hatte ich einige Probleme, mir ein Bild der Örtlichkeit zu machen.
Zum einen war es das:

Durch das Fenster beobachte ich, wie der Typ zu einem der Tische nahe der Bucht schlufft,
(Was immer auch schluffen heißen mag.)
Das finde ich ein bisschen unglücklich formuliert. Ich sah ein Haus mit einem Fenster, aus dem irgendwer hinausschaut und draußen … äh, ja, was eigentlich sieht? Das Meer in der Ferne, mit Tischen am Ufer? „Nahe der Bucht“ klingt für mich irgendwie so weit weg, also nicht gerade vor der Haustür, und ich brauchte dann eigentlich bis zum Ende des ersten Absatzes, um zu kapieren, dass es sich hier offenbar um eine Trattoria mit ein paar Tischen davor handelt. Ich würde die missverständliche Bucht ersatzlos streichen, ist ja ohnehin wurscht, wo der Tisch genau steht.
Wenn du allerdings Wert darauf legst, dass ich als Leser erfahre, dass die Kneipe am Meer/am Wasser/am Hafen liegt, müsstest du das anders verpacken.
Und dann noch das:

… marschiert zurück in seine Küche.

„Franca!“, ruft Mama. „Komm und hilf. Enric hat sich das Knie aufgeschlagen.“
Ich streife die Sandalen ab und lauf barfuß in die Küche.

Ja, auch diesen Szenenwechsel machst du mir nicht gerade leicht. Weil ich natürlich automatisch noch von derselben Küche ausgehe. Also momentan habe ich eine Trattoria vor Augen, die offenbar von einer Großfamilie betrieben wird. Erst als im Dialog zwischen Franca und ihrer Mutter Onkel Luca und Jorska erwähnt werden, komm ich schön langsam drauf, dass es sich in Wahrheit um zwei unterschiedliche Örtlichkeiten handelt: Onkel Lucas Kneipe und Francas Zuhause. Das könntest du vielleicht von Beginn an etwas eindeutiger darstellen.

Der Fünfjährige schreit wie eine Frau in den Wehen.
Solche „Infos“ solltest du einer Ich-Erzählerin tunlichst nicht in den Mund legen, weil sie halt furchtbar nach dem Autor/der Autorin klingen. Und nicht nur tut das Alter des kleinen Hosenscheißers nichts zur Sache, obendrein erschließt es sich - zumindest ungefähr - ja ohnehin durch die Art, wie Franca mit ihm umgeht. (Sie nimmt ihn auf den Arm, setzt ihn auf den Tisch, usw. Also da geh ich sowieso nicht von einem, was weiß ich, Zwölfjährigen aus.)

„Du warst 16“,
Ich weiß schon, Zahlen bis zwölf, blabla usw. … trotzdem, schöner wäre sechzehn.

dass er diesen Zigeuner wieder los wird [loswird], bevor es ihm leidtut.“

„Jorska. Von mir aus. Ich muss los.“ Mit diesen Worten eilt sie zu unserem klappernden Fiat und hupt die Kinder von der Straße.
Klar, ist eine hübsche Idee, allerdings passt mir die hier implizierte Gleichzeitigkeit nicht. Bis die Mutter im Auto sitzt und hupen kann, hat sie den Satz doch schon längst zu Ende gesprochen.

wo er statt auf das Meer,
Da könntest du ruhig aufs schreiben. Liest sich besser und passt auch besser zum Sprachduktus von Franca.
Apropos: Francas Erzählsprache gefällt mir wahnsinnig gut, manchmal rotzfrech, dann wieder mädchenhaft romantisch. Nur hin und wieder kommen ihr ein paar etwas geziert klingende Verben im Präteritum aus, wo du durchaus das Perfekt verwenden könntest. Ich hab die Stellen jetzt nicht markiert, aber die findest du vermutlich selber auch.

„Gibt es hier irgendwo einen Billard?“
Ist das Absicht, also Jorskas Schwierigkeiten mit der Sprache geschuldet, oder ein Versehen von dir?
Besser klänge:
„Gibt es hier irgendwo ein Billard/einen Billardtisch?“


*) Noch was zum italienischen Setting:

Möglicherweise hast du ja ganz bewusst versucht, dich nicht allzu sehr aus der Klischeekiste zu bedienen. Trotzdem: Mir hätte es besser gefallen, wenn du für Francas Geschwister typische, genuin italienische Vornamen**) verwendet hättest. Schon aus dem Grund, weil dadurch der Kontrast zu „Vlado“ augenscheinlicher würde.
Ich verstehe den Namen „Vlado“ nämlich so, dass Francas kleine Schwester mit einem "Ausländer" (respektive einem "Jungen mit Migrationshintergrund", jessas, wie das klingt …) herummacht, und deswegen den Ärger in der Schule hat, du damit also sozusagen schon das Thema vorbereitest.

Und hier:

Am Tresen vorn sitzen zwei ältere Männer. Sie schlürfen Kaffee und Weinbrand, verfolgen ein Tennisspiel im Fernsehen.
… hätte ich Grappa passender gefunden und statt des Tennisspiels hätte ich die Alten ein Fußballmatch anschauen lassen, oder, noch italienischer, ein Radrennen. :D

Apropos Fußball:

und beginne vom Fuss aufwärts
Dass du dafür von Friedel nicht mit faulem Obst beworfen worden bist, grenzt an ein Wunder.
(Überhaupt solltest du den Text noch einmal auf s/ss durchschauen. Da liegt nämlich noch einiges im Argen.)

**) z.B. Giuseppe und Enzo :D


Fortsetzung folgt :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Dass du dafür von Friedel nicht mit faulem Obst beworfen worden bist, grenzt an ein Wunder.
Da isser ja, der Vater von J. & co., aber,

lieber ernst,

bei mir wird Obst nicht alt, selbst wenn ich schon mal ne Banane ein wenig angammeln lass - auf dass es auch nach Banane rieche, so Banane bin ich halt -, und dem Obst in flüssiger Form auch nicht abgeneigt bin. Aber, um auf den eigentlichen Grund des Kurzbesuches zu kommen,

liebe Leute
(ich hab weiter vorne schon, und nicht erst bei ernst die Frage nach "schluffen" gesehn).

Da sind wir nämlich wieder nördlich der Benrather Sprachlinie, die das Oberdeutsche (das in allem Anfang, etwa so um 843 mit dem Vertrag von Verdun, die "Ober"hand im alt(HOCH)deutschen (würd jemand auf Anhieb in thiudisc "deutsch" erkennen, da formten die Zungen das tea-aitsch noch perfekt, dass sich heute noch auf dem Thrönchen rumdrückt, statt auch dort kassiert zu werden).

Also ernst & andere: Schluffen ist der Schlappen wie aus der Familie Toffel der Pan (nicht zu verwechseln mit der Kar). Und wie man im Schlappen schlappt, so schlufft es halt im Schluffen. Behaupt ich mal, da ich ja über die Gnade eines tauben Ohres verfüge, kann ich zwischen schluffen und schlappen kaum einen Unterschied hören, der dann i. d. R. auch noch an dem Läufer liegt.

So, jetzt schluff ich hier wieder raus ... und wart Deine/ernsts Fortsetzung ab. Ich hab Zeit!

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey jobär,

entschuldige, aber ich fang meistens mit den Kleinigkeiten an:

Aber sowas von entschuldigt! Habe auch gleich damit angefangen. Außer das "schluffen", das war Absicht.

Ohne die Originale gelesen zu haben, gibt mir die Geschichte viele Ideen, die aber letztlich unbeantwortet in der Luft hängen.

Glaube ich Dir sofort. Allerdings gibt es keine Antworten in den Originalgeschichten. Die Copys sollen ja möglichst eigenständig funktionieren.

Ich weiß noch nicht, ob ich das gut finde.

Ich auch noch nicht. Aber ich werde die Kommentare sehr genau lesen und dann entscheiden, ob ich die Geschichte noch viel, viel länger stricke. Obwohl, doch, eigentlich mag ich sie sehr gern, so wie sie gerade ist. Aber wenns nur Fragezeichen bei den Lesern verursacht, dann vielleicht nicht mehr.

Jedenfalls eine flott geschriebene Geschichte, unaufgeregt erzählt, verständlich und lebendig.

Das freut mich so doll!

Überhaupt streicht Deine Geschichte um die Handlung herum wie der Kater. In Kreisen, die langsam immer enger werden, aber dann wurden sie wohl zu eng und da ist kein Schoß mehr auf dem der Kater schnurren kann. Mit einem leicht traurigen Lächeln.

Das lese ich doch sehr, sehr gern.

Hab ganz vielen lieben Dank für Deine Rückmeldung und Deine Zeit!


Hey Kanji,


Chapeau!

Hola. Ich war mir ja nicht so sicher, wie die Geschichte ankommt. Im Gegenteil, ich habe im Kopf eine ziemliche Liste von Kritikpunkten, die vielleicht ja auch noch kommen (mal von meinen Fehlern abgesehen), auf der anderen Seite mag ich die Geschichte aber auch unglaublich gern, so wie sie ist. Und dann kommst Du und sagst einfach: Chapeau.Und ich so: Yeah!

Deine Geschichte hat alles, was eine Geschichte für mich braucht.

Freu, freu, freu.

Es gefällt mir, dass die Fremdenfeindlichkeit leise und unterschiedlich auftaucht (im Gegensatz zur Originalgeschichte).

Dieses "leise" war mir total wichtig. Und ich glaub, sowas Leises, was aber ständig und immer präsent ist, kann ziemlich zermürbend sein. Das hat schon auch was von Brutalität, nur auf einer anderen Ebene.

Eigentlich habe ich meist Probleme mit Dialogen. Deine sind ausnahmslos cool.

Ich könnt immerzu Dialoge schreiben. Ich mag die gern.

Ich liebe Franca, ihre Mutter, Luca und auch den gebeutelten Jorska, Italien, den Sommer ...

Hach ...

Hm, klingt ziemlich euphorisch, aber genau das ist mein Leseeindruck - ungefiltert und spontan.

Mich freut das so. Glaubst Du gar nicht, wie mich das freut.
Auch Dir vielen, lieben Dank!


Hey wieselmaus,

ich war so gespannt auf deine Geschichte, dass ich sie gestern Nacht noch gelesen habe. Ich wollte sie ohne Vorwissen über das Original lesen.

Ja, wenn man die Originale kennt, dann sind die mit im Kopf. Und Jorska sowieso. Den vergisst man nicht so schnell.

Ich war ständig am Vergleichen und dachte, hier hast du strikt auf Kontrast gesetzt: bei Ernst Gefühlsüberschwang und eine traumatisierte, fürs Leben beschädigte Prota, bei dir eine Prota, die bei allem Liebesleid sich der Realität stellt. Bei Ernst ein Jorska, der ahnungslos in sein Verderben rennt, bei dir ein gewitzter Jorska, der sich davonmacht, bevor es brenzlig wird.

Ich finde es spannend, wie Du Franca und Jorska wahrnimmst. Hat mich überrascht, aber ja, ihr seid die Leser.

Das Problem der unterschwelligen (rassistisch/faschistischen) Vorurteile besteht ja leider in vielen Köpfen, auch wenn es scheinbar harmlos bis lächerlich daherkommt.

Mir liegt sehr viel an dem Wörtchen: scheinbar. Und ja, leider.

Ich denke darüber nach, warum du die zweite Geschichte von Ernst dazu genommen hast.

Ich hatte mit der Geschichte überhaupt angefangen. Die ursprüngliche Idee war, Franca sich in jungen Jahren verlieben zu lassen und dann haut der ab und 20 Jahre später trifft sie auf wen, der dieser Jugendliebe sehr ähnelt, wo wir dann beim Original wären. Aber dann sich Jorska mit reingemogelt und sich so breit gemacht, dass ich ihm die Geschichte gewidmet hab und, um nicht noch ein Thema (unverarbeitete Liebesgeschichte) aufzumachen, habe ich den Part dann einfach weggelassen. Insofern ist nur noch das setting übriggeblieben.

Eine letzte Frage noch. Mir geht es wie Franca: Was meint Luca mit "Der Hof ist zu klein"? Ich habe eine Idee, vielleicht ist sie blödsinnig. Der "Hof" ist die kleine Hafenkneipe. Zwei Außenseiter, einer mit Buckel, der andere ein Zigeuner, erträgt die kleine Welt um Luca und seine Familie nicht.

Was auch immer der Leser aus der Geschichte zieht, es ist nie blödsinnig, sondern sein Leseempfinden. Und für mich ist das total spannend (besonders bei dieser Geschichte), wie der Leser sie wahrnimmt. Und wenn ich gern hätte, dass sich nur eine Lesart aus dem Text erschließt, dann hätte ich halt paar Zeilen mehr schreiben müssen.

Copywrite macht Spaß!

Genau!

Lieben Dank auch an Dich für Zeit und Worte. Es war mir eine große Freude.

Ich geh jetzt aufräumen (also den Text) und mach heut Abend mit den Antworten weiter. Vielen Dank aber vorab schon mal, ihr Fleißigen!

Nur dies will ich noch schnell mit anfügen: schluffen ist Absicht und ich will es behalten. Der Friedel sagt es so schön:

Friedrichard schrieb:
Also ernst & andere: Schluffen ist der Schlappen wie aus der Familie Toffel der Pan (nicht zu verwechseln mit der Kar). Und wie man im Schlappen schlappt, so schlufft es halt im Schluffen.

:)

Einen schönen Tag Euch allen!

Liebe Grüße, Fliege

 
Zuletzt bearbeitet:

Und auf zu Runde zwei :).

Hallo Friedel,

so'n bissken schlich sich bei mir aufgrund des Titels Dostojewskij ein,

... oh weh! Wer soll den Erwartungen denn entsprechen?
(Eigentlich wollt ich die Geschichte ja Jorska nennen, aber der Titel war schon vergeben.)

... dass da nicht auch alles drin stecke vom ewig währenden Familienklüngel übers zarte Pflänzchen der Liebe und Solidarität zur Schlinge von Hass und Feindschaft, die Vorurteile bestätigt sehen will.

:D

Du hast ein glückliches Händchen, vom Kindermund bis zum zahnlosen Maul der Alten alles erzählen und darstellen zu können, als geschähe es gleich nebenan, ...

Jetzt werde ich rot. Vielen Dank fürs Kompliment.

Jeder Onkel Luca ist da absehbar überfordert, wenn er's allein bewältigen muss.

Recht haste! Zu wenige davon da.

Mit den versehentlich gedoppelten Buchstaben scheinstu's ja zu haben! Mir scheint, da sei die Kasserole zu oft geschrubbt worden.

Wenn es mal nur die Buchstaben wären. Dabei habe ich die Kasserole noch gegooglet, um sie dann doch falsch abzuschreiben. Und die RS-Prüfung zeigt es auch noch an! Da gebt ihr euch nun schon so lang Mühe mit mir ...

Ich danke Dir fürs Suchen und Finden und Aufschreiben und mir auf den Hinterkopf klapsen. Das hast Du wirklich sehr nett gemacht.Ich habe mich gestern doll gefreut! Und heut morgen auch ;).


Hey ho gibberish,


Am Anfang dachte ich noch, Mensch, bitte keine brave Urlaubsgeschichte, aber dann wurd's doch nicht so brav und wirklich sehr schön.

Ja, das freut doch.

Dabei passiert anfangs ja nicht wirklich viel. Familiensachen eben, aber mit Charme.

Oh, ich habe mich beim Schreiben so wohl bei denen in der Küche gefühlt und hab geschrieben und geschrieben. Ich musste die Szene ziemlich kürzen, damit sie kein Übergewicht bekommt, im Gegensatz zu all den Folgenden. Und ich hatte auch bisschen Schiss, dass die Leute mir abhauen, weil ja eben nix passiert, aber dieses Familienidyll ist für die Geschichte schon wichtig, weil sie für Franca im Folgenden ja auch ein Dilemma bedeutet.

Da schlummert noch etwas anderes in deinem Text, etwas, was ich so kurz nach dem Lesen noch nicht greifen kann.

Das nehme ich einfach mal so mit.

So eine Traurigkeit auf der zweiten Ebene, so Bittersüßes zwischen den Zeilen. Nicht nur, was die Beziehung deiner Prota zu Jorska angeht, die dir übrigens echt gelungen ist, sondern eine Traurigkeit, die auch Luca und Jorska erfasst und über die Beziehungskiste hinausgeht.

Wenn Du es auch nicht fassen kannst, dass es mitschwingt, freut mich doch sehr zu hören.

Generell habe ich ein ungutes Gefühl, was den Luca und den Jorska und die Männer in der Kneipe betrifft. Da geht was nicht mit rechten Dingen zu. Nicht, dass die den Jorska erledigt (oder sich seiner zumindest entledigt) haben. Das würdest du nie zulassen, oder, Fliege? ;) Aber Sinn ergibt es schon irgendwie. Im Original ist er ja der Prota unschön entrissen worden. Und dann das Gerede, dass der Hof zu klein sei und das gestohlene Huhn, die Typen in der Bar, die Distanziertheit und fragwürdigen Verhaltensweisen von Jorska ... mann, ich check's nimmer. Nicht, dass der gute Mann sich mit Mafiosi oder anderen Verbrechervolk eingelassen hat, das wär nun gar nicht gut. Oder es ist einfach Fremdenhass, das passt auch. Letzteres wird es eher sein, aber je mehr ich drüber nachdenke, umso plausibler erscheint mir beides. Wie das eben so ist.

Das habe ich gleich mehrmals lesen müssen. Spannend. Der Hof wird zu klein für all die Leichen ... :D. Nee, so eine bin ich nicht. Und Luca auch nicht. Aber das der Text so Gedanken zulässt ... aiaiaiaiai. Da habe ich ihn gleich selbst daraufhin gelesen. Also, ich finde das ja witzig, aber es wäre natürlich überhaupt nicht witzig und v.a. ganz gegen meine Intention.

Das hat mich in offshores Geschichte echt mitgenommen. Da war ja diese melancholische Grundstimmung und dann dieser bestialische Mord mit all den unschönen Details. Gut, dass der Jorska hier nur abhaut (oder eben nicht). Ein zweites Mal hätte mein Herz das nicht verkraftet.

Meins auch nicht, glaub mir. Vielleicht hat der Jorska sich deshalb in die Copy geschlichen, so eine Art Zeitreise und jetzt kann alles ganz anders für ihn laufen.

Danke auch für die Liste. Im Listensammeln bin ich ganz groß.

Und dann sind da noch die Dinge, die zwischen den Zeilen schweben und sich nicht greifen lassen. Da bleibt einem die Gesichte natürlich im Kopf.

Solange man den Text trotzdem gern liest, kann ich damit gut leben.

Ein sehr gutes Copywrite, Fliege. Toller Text.

Freut!

Danke auch an Dich für Zeit und Zeilen!


Hey ernst,


Mein Gott, wie süß!

Ja oder. Ich mochte das sooooo gern schreiben.

... sondern gleichzeitig erfahre ich damit auch schon ganz viel über die Figuren, über den Umgang in dieser Familie, über Geschwisterliebe und diesen ganzen Kram.

Das hoffe ich doch. Deshalb mach ich das doch. Mein Mann hat übrigens bei der BH-Mama auch gleich Fliegen in der Küche gesehen. Das fand ich auch schön.

Was aber eigentlich egal ist, weil mir schon ziemlich bald klar war, dass du inhaltlich da sowieso dein ganz eigenes Ding durchziehst, dich gerademal des süditalienischen Settings*) der Pepe-Geschichte bedienst, einiger meiner Figuren, oder besser gesagt, derer Namen und ja, natürlich des herzzusammenschnürenden Themas.

Ich stimme Dir in allen Punkten zu.

So, nachdem ich die Geschichte jetzt ein zweites Mal gelesen habe, merke ich mehr und mehr, dass ich unmöglich alles, was mir dazu einfällt, in einen Kommentar packen kann. Darum will ich’s diesmal wie Friedel machen, einfach einmal beginnen und dir darüber hinaus einen weiteren Besuch in Aussicht stellen.

Fein.

Gleich zu Beginn hatte ich einige Probleme, mir ein Bild der Örtlichkeit zu machen.

Verstehe ich. Hab ich nachgelegt. Soll so nicht sein. Habe mich auch sonst sehr gern an deinen Vorschlägen bedient.

Klar, ist eine hübsche Idee, allerdings passt mir die hier implizierte Gleichzeitigkeit nicht. Bis die Mutter im Auto sitzt und hupen kann, hat sie den Satz doch schon längst zu Ende gesprochen.

Das ist mir wurscht :D.

Nur hin und wieder kommen ihr ein paar etwas geziert klingende Verben im Präteritum aus, wo du durchaus das Perfekt verwenden könntest. Ich hab die Stellen jetzt nicht markiert, aber die findest du vermutlich selber auch.

Dass muss ich mir noch anschauen.

Ist das Absicht, also Jorskas Schwierigkeiten mit der Sprache geschuldet, oder ein Versehen von dir?

Absicht. Bleibt.

Trotzdem: Mir hätte es besser gefallen, wenn du für Francas Geschwister typische, genuin italienische Vornamen**)

Ich habe so eine Vornamenseite besucht und da war für Enric als Herkunft italienisch angegeben. Und Lorettas gibt es in Italien sicher auch. Andere Seiten sagen: Enric wäre katalanisch. Aber weißte, ich glaub, der Leser weiß auch so, wir sind in Italien und in unseren Geschichten heißen die Leute auch nicht alle Erika und Horst. Also, mir sind die Namen jetzt nicht so wichtig. Die der Protagonisten durfte ich mir ja auch nicht aussuchen. Die würden sonst auch alle ganz anders heißen;).

… hätte ich Grappa passender gefunden und statt des Tennisspiels hätte ich die Alten ein Fußballmatch anschauen lassen, oder, noch italienischer, ein Radrennen.

Das habe ich aber genommen. Das fand ich hübsch.

Dass du dafür von Friedel nicht mit faulem Obst beworfen worden bist, grenzt an ein Wunder.

So was macht der Friedel nicht. Bestimmt nicht. Nein, ich will ihn lieber Bockbiertrinkend an der Bar wissen.

Fortsetzung folgt

Bringt mir bestimmt noch bisschen Arbeit mit. Ich freue mich trotzdem drauf!

Ich Danke für alles! Liste, Lob, Kritik, Vorlagen, Namen, Setting und überhaupt!

Schönen Abend Euch!
Liebe Grüße, Fliege

 
Zuletzt bearbeitet:

Fliege schrieb:
offshore schrieb:
Fortsetzung folgt
Bringt mir bestimmt noch bisschen Arbeit mit.

Keine Bange, Fliege, ich hab fast*) nix mehr zu meckern. Schaut ganz so aus, als hättest du deine Hausaufgaben brav gemacht. :D
Der Beginn z.B. ist jetzt viel eindeutiger, obwohl du da ja wirklich nur ein paar winzige Änderungen vorgenommen hast.
Konstruktives kommt jetzt nichts mehr von mir, ich will dir einfach noch von ein paar Gedanken erzählen, die mir beim Lesen so durch den Kopf gegangen sind.
Also wirklich großartig fand ich den Aufbau deiner Geschichte. Diese ich nenn’s mal Collage aus kurzen, überdies sehr dialoglastigen Szenen hat beinahe was Filmisches (short cut-Technik? :D), also damit triffst du voll meinen Geschmack. Du zeigst damit wahnsinnig viel, gleichzeitig verkneifst du dir aber, zu viel zu zeigen, du belässt es manchmal einfach bei herrlich eindeutigen Andeutungen:

Ich gehe nach Hause und schließe mich für eine halbe Stunde ein.
Das z.B. fand ich wirklich schön. Du beschreibst hier nichts explizit, trotzdem meine ich zu kapieren, was du damit sagen willst, und ich erfahre dadurch genug von Francas Verfasstheit, ihren Sehnsüchten, ihrer Verliebtheit Ja, die Kleine ist offenbar total verknallt in den Typen.
Und der blöde Hund lässt sie einfach sitzen … also das hat mir wirklich wehgetan, obwohl … ich mein, dieser Jorska, und das ist mir eigentlich erst so nach und nach klargeworden, der ist ja vermutlich nicht ein ca. dreißigjähriger, quasi erwachsener Mann wie der Jorska in meiner Geschichte, sondern … pff, keine Ahnung, ein zwanzigjähriger Junge? Oder, noch gefühlsduseliger gefragt, in Wahrheit ein halbes Kind? Mutterseelenalleine in einer fremden, bösen Welt? So hab ich ihn zumindest wahrgenommen, zwar abenteuerlustig und mutig genug, seine Heimat zu verlassen, aber gleichzeitig auch hilfsbedürftig und schüchtern. Und wahrscheinlich gehörig verstört durch die Ressentiments, die ihm entgegenschlagen.

Und ganz eigenartig, erst durch das Nachdenken über „deinen“ Jorska ist mir ein Erlebnis aus meiner Jugend wieder eingefallen, an das ich schon seit vielen Jahren nicht mehr gedacht habe, nicht einmal beim Schreiben meiner eigenen Jorska-Geschichte:
Als Siebzehnjähriger lernte ich während einer Tramp-Reise auf einer italienischen Autobahnraststätte einen jungen Rumänen kennen, nicht viel älter als ich. Er nannte sich Peter, glaube ich, und war ein halbes Jahr davor aus seinem Heimatland, dass damals ja noch unter dem Ceaușescu-Regime stand, abgehauen, soviel ich weiß, wegen des drohenden mehrjährigen Militärdienstes. Er war ein unheimlich kluger, herzensguter und hübscher Junge und wir verbrachten gemeinsam ein paar Tage in Rom, wobei er mir natürlich die wildesten Sachen von seiner Flucht erzählte - Stacheldrahtzäune, Durchschwimmen nächtlicher Flüsse, lauter so Scheiß halt - und ich weiß noch, wie sehr ich ihn damals für seinen Mut, für sein Abenteurertum bewunderte. Ein paar Monate später dann tauchte er bei mir zu Hause auf (ich wohnte damals noch bei meinen Eltern), und fand für einige Wochen Unterschlupf bei uns, bevor er sich auf den Weg nach England, seinem Traumland, machte. Mein Vater wollte ihm sogar ein Zugticket kaufen, das hat Peter aber abgelehnt und sich lieber wieder an die Autobahn gestellt. Keine Ahnung, was aus ihm geworden ist.
Ja, und genau an diesen Peter ließ mich dein Jorska wieder denken, und daran, dass Peter einfach ein großes, liebenswertes Kind war, mit Träumen und Zielen und Wünschen ans Leben, mit all diesen Ansprüchen halt, die doch jeder Mensch hat, „haben dürfen sollte“. Und wie leichtfertig und selbstgefällig wir privilegierten Mitteleuropäer einem Großteil der Menschheit die Verwirklichung dieser Wünsche und Träume einfach nicht zugestehen wollen.
Und wenn dein Jorska auch nicht sein Leben verliert, möglicherweise veliert er mit Franca die Liebe seines Lebens, die Frau seines Lebens. Vielleicht hat er das Glück für immer verloren … :cry:

Oder soll ich deinen Jorska lieber als das sinnbildliche Möwenjunge Pepe sehen? Von dem doch die Kellnerin in meiner Geschichte sagt:

Franca schrieb:
„Pepe wird wohl davongeflogen sein“, sagte sie ganz leise. „Ich wünsche es mir so sehr. Am weitesten sieht, wer am höchsten fliegt. Das ist ein Sprichwort hier bei uns.“

Dann nämlich wäre dieser Satz (auch aus der Pepe-Geschichte) als (versöhnliche) Schlussbetrachtung ganz passend:

Vinc schrieb:
„Dinge gehen kaputt, Franca … Dinge gehen kaputt, die Liebe geht zu Ende, Menschen sterben und Küken werden flügge.“

Nochmals vielen Dank, Fliege, für diese wunderbare, traurige, schöne Geschichte.

offshore


*)fast nix:

Anfangs forderte Luca ihn immer wieder auf, sich doch nach vorn, auf die Terrasse, zu setzen, aber Jorska bevorzugte die Hoftreppe,
Da würde ich das Präsens nehmen, weil Jorska es ja nach wie vor bevorzugt.

Sie schlürfen Kaffee undGrappa,
Leerzeichen fehlt

Ich setzte mich hinter ihn und legte meine Hände vor seine Augen.
Schöner fände ich: auf seine Augen

 

Lieber Ernst,

da habe ich mich aber gefreut! Mir ist richtig das Herz aufgegangen.

Diese ich nenn’s mal Collage aus kurzen, überdies sehr dialoglastigen Szenen hat beinahe was Filmisches (short cut-Technik? :D), also damit triffst du voll meinen Geschmack. Du zeigst damit wahnsinnig viel, gleichzeitig verkneifst du dir aber, zu viel zu zeigen, du belässt es manchmal einfach bei herrlich eindeutigen Andeutungen:

Schön, wenn es funktioniert. Und es ist interessant, was diese Andeutungen so mit dem Leser machen.

Ja, die Kleine ist offenbar total verknallt in den Typen.

Das glaube ich auch.

Und der blöde Hund lässt sie einfach sitzen … also das hat mir wirklich wehgetan, obwohl … ich mein, dieser Jorska, und das ist mir eigentlich erst so nach und nach klargeworden, der ist ja vermutlich nicht ein ca. dreißigjähriger, quasi erwachsener Mann wie der Jorska in meiner Geschichte, sondern … pff, keine Ahnung, ein zwanzigjähriger Junge? Oder, noch gefühlsduseliger gefragt, in Wahrheit ein halbes Kind? Mutterseelenalleine in einer fremden, bösen Welt?

Ja. Er gehört in die Fraktion nach der Schule Weltenbummler für mich. Aber auch, wenn der Leser ihn älter schätzt, sollte die Geschichte funktionieren. Deshalb habe ich drauf verzichtet, explizit sein Alter zu nennen.

So hab ich ihn zumindest wahrgenommen, zwar abenteuerlustig und mutig genug, seine Heimat zu verlassen, aber gleichzeitig auch hilfsbedürftig und schüchtern. Und wahrscheinlich gehörig verstört durch die Ressentiments, die ihm entgegenschlagen.

Ja.

Und ganz eigenartig, erst durch das Nachdenken über „deinen“ Jorska ist mir ein Erlebnis aus meiner Jugend wieder eingefallen, an das ich schon seit vielen Jahren nicht mehr gedacht habe, nicht einmal beim Schreiben meiner eigenen Jorska-Geschichte:

Schöne Geschichte.

Und wenn dein Jorska auch nicht sein Leben verliert, möglicherweise verliert er mit Franca die Liebe seines Lebens, die Frau seines Lebens. Vielleicht hat er das Glück für immer verloren … :cry:

Das schwirrte mir im Kopf herum beim Schreiben. Weiß man natürlich nicht. Können auch die beiden nicht wissen, wie es weitergehen würde, wenn die erste Verliebtheit verblasst, aber allein zu wissen, es könnte ...

Oder soll ich deinen Jorska lieber als das sinnbildliche Möwenjunge Pepe sehen? Von dem doch die Kellnerin in meiner Geschichte sagt:

Das ist auch schön, aber dazu müsste man die Kenntnis der Vorlage voraussetzen. Funktioniert vielleicht noch hier in der Runde, aber sonst nicht mehr. Und ich habe die Geschichte schon als "eigenständig" geschrieben. Aber hübsch, dass es auch passt. Irgendwie sogar sehr hübsch :).

Nacharbeit wird gleich erledigt.

Vielen lieben Dank für Kommentar Nr. 2 und all deine Gedanken zu dem Text. Es war mir wirklich ein Lesevergnügen.

Lieben Gruß, Fliege

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Fliege,

ich hab keine Komms gelesen, sonst würde ich es gar nicht schaffen, mal ein paar der Copygeschichten zu kommentieren, das wollte ich nämlich so gerne, weil das einfach eine echt wunderbare Sache ist. Hoffentlich bin ich beim nächsten Mal nicht wieder weg, wenn ausgelost wird. Ist glaub aber auch ganz schön schwieirg. Bei dir sieht das so wunderbar leicht aus.
Was ich mit dem Gebabbel sagen will, wenn sich was wiederholt, liegts daran. ich hab halt nix gelesen.

Mein Grundgefühl zu der Geschichte kann ich eigentlich gar nicht ordentlich und analytisch sagen. Zu sehr blubberts da aus meinem Mund: Och Mann, Mensch, Frau, Fliege, ist das eine schöne und herzenstraurige Geschichte. Da möcht man doch mit der Faust auf den Tisch hauen und dafür sorgen, dass so eine zarte, frische Liebe nicht auf solch eine nüchterne Weise enden muss. Aber auch der Onkel Luca mit seinem Buckel. Und wie traurig der am Ende ist. Wie schreibst du nur immer so schöne, berührende Geschichten. Ganz ganz wunderbar ist das.

Weißt du, was du wirklich so richtig gut kannst, das ist das Charakterisieren. Schon gleich in der zweiten Szene weiß man sofort über die Rollenverteilung in dieser Familie Bescheid. Die Mutter, die zwar mit dem Hinterteil noch mitkriegt, dass die freche Lore die Keksdose klaut, aber trotzdem so sehr auf ihre selbständige Tochter angewiesen ist, die alles Mögliche managt. Das kommt sowas von wunderbar in dieser Szene raus, wenn die Icherzählerin die Mutter in Blusenfragen berät, auch wie siech die beiden Mädchen dann widersprechen, das ist alles so hübsch. Wie die Icherz. der Schwester ein paar gute Ratschläge mit auf den Weg gibt, sie vor der Mutter in Schutz nimmt und gleichzeitig noch den kleinen Enric heilt. Das ist so sehr gezeigt und auf so liebevolle Weise, dass man das Gefühl kriegt, man ist direkt drin in der Szene, wird nur nicht gesehen, ist die Kaffeekann oder sowas.
Das Einzige, was ich mich gefragt hab, war, wie der zur Mumie geheilte Enric noch so schnell auf die Straße flitschen kann. :D Aber das ist sowas von egal. Ich liebe diese Stelle einfach. Ich musste manchmal kurz gucken, und sagen, was ist jetzt, was verbindet sie jetzt noch, das ist einfach eine ganz ganz goldige Stelle. Wie kommst du nur auf sowas? Echt süß.
Und überhaupt, ich liebe diese Szene. Die ist einfach großartig.

Ach, was soll der Vergleich, alle Szenen, die ganze Geschichte ist großartig. Auch die Wiederholung mit dem zu kleinen Hof, bzw. das Einbetten dieses Motivs, das ist so wunderbar symbolisch und doppeldeutig. Nicht nur, dass die Welt, in der sie alle leben, leider so fürchterlich klein und intolerant ist, andererseits wäre so einem Jorska, der es nicht haben mag, in einem echten Bett zu schlafen, diese Welt tatsächlich viel zu klein, und er würde weiterziehen wollen, selbst wenn es keine üble Nachrede, keine Vorurteile, keine geifernden alten Männer, keine falschen Beschuldigungen und Rassisten gäbe. Denn das sind sie, viele dort, sogar die Mutter, die man eigentlich mag.
Aber, das finde ich bei dir auch so stark, Rassismus stellt man sich immer als Hohlköpfe vor, anzutreffen in einem Brandbomben schmeißenden Mob oder einen aalglatten AFD-Politiker, oder meinetwegen auch noch in Form der beiden ekligen Männer und des Wirtes, aber weniger als die Mutter mit ihrem ständigen Gekeife über die klauenden Zigeuner, die wirkt ja trotzdem sympathisch, weil die mit dem Hinterteil klauende Töchter schnappt. Ich mag das so gerne, wenn das so bunt und menschlich zugeht.

Ich höre jetzt mal auf, an Korrekturen ist mir nix eingefallen, irgendwo hat mal ein Buchstabe gefehlt. Aber zu faul, den zu suchen.
Ganz ganz wunderbare Geschichte, die völlig für sich alleine stehen kann.
Hast du toll geschreiben.

Bis die Tage
Novak


Nachträgliches Edit: Jetzt hab ich natürlich doch Kommentare gelesen, in dem Fall den letzten von weltenläufer. Was die allerallererste Szene betrifft, die in der Kneipe, da kann ich das nachvollziehen, was der welti schreibt. Vielleicht nützt das was, wenn du statt "der Typ" schreibst "der neue Gast". Weil man dadurch gleich mal weiß, man ist in irgendeinem Resto oder Ähnlichem. Und man weiß, was das für eine Sorte Typ ist.
Mir ging das zwar nicht so, ich hab leichter drüber weggelesen, aber wenn ich das mit weltenläufers Augen betrachte, ja, dann ist man als Leser erst mal unsicher, wo man denn eigentlich ist und wer was ist.

 

Hallo Fliege

Wieder ein Fall für Luca, denke ich. Der Onkel wird entzückt sein. Durch das Fenster beobachte ich, wie der Typ

Ich musste das zweimal lesen. Ich glaube „Fall für Onkel Luca“ und „Er wird entzückt sein“ hätte mir die Sache einfacher gemacht.

Durch das Fenster beobachte ich, wie der Typ zu einem der Tische mit Blick auf den Hafen schlufft, seinen Rucksack abwirft und auf einem Stuhl niedersinkt.

Müsste es nicht „auf einen Stuhl niedersinken“ heissen? Sonst denke ich, er sitzt schon und sinkt mitsamt dem Stuhl.

Mir drückt sie das Tuch in [die] Hand.

Sag Luca, er soll zusehen, dass er diesen Zigeuner wieder los wird, bevor es ihm leidtut.“

Loswerden, glaube ich.

Hier mal erste Zwischenbilanz: Ich bin ziemlich baff. Du hast vier Personen, die interagieren und dabei noch über eine fünfte (Vlado) sechste (Jorska) und siebte (Luca) sprechen, das ist ein riesiges Durcheinander (in der Welt) aber völlig klar und übersichtlich (in deinem Text). Wie kriegst du das hin? Meisterhaft!

Wenn in der Küche nichts zu tun ist, sitzt Jorska auf der Hintertreppe zum Hof, liest in einem seiner Bücher oder lernt die Worte, die Onkel Luca ihm in ein kleines Heft schreibt. Anfangs forderte Luca ihn immer wieder auf, sich doch nach vorn, auf die Terrasse, zu setzen, aber Jorska bevorzugt die Hoftreppe, wo er statt auf's Meer, auf die Mülltonnen, auf das Fass fürs Altöl, auf die graue Mauer rund um den Hof und Lucas beulige Blechkiste mit dem Mercedesstern guckt.

Toll!

Ich werde ganz ruhig und weich und zärtlich und wild.

Ich bin ja noch immer auf der Suche nach einer geeigneten Stelle, wo ich so was wie: „… namens Michael Kohlhaas, Sohn eines Schulmeisters, einer der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit“ bringen kann. Bloss eleganter. Also so, wie du das hier machst. Neid.


Küss mich! Küss mich! Küss mich!

Das war mir zu sehr Teenie, einmal hätte in meinen Augen gereicht. Aber ist deine Figur.

Schmiere Rotz und Tränen aufs Laken.

Ich habe das blöde Bild im Kopf, dass sie den Rotz zuerst in die Hände nimmt, die Formulierung hat so was aktives.

Fliege, das ist ein toller Text. Du schaffst es, die Intensität hoch zu halten, komplex zu orchestrieren, ohne den Überblick zu verlieren. Und natürlich die Figurencharakterisierung, das ist alles so liebevoll, auch bei den negativen Eigenschaften, nie habe ich das Gefühl, ich lese Klischee. Und die Stimmung, das schwebt alles, da hat’s viele verschiedene Töne drin, ein reiches Bild, das du skizzierst, trotz der sparsamen Mittel.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo Fliege,


ich weiß nicht, beim ersten Lesen war es für mich noch etwas schwierig in den Text zu flutschen. Irgendwie hat sich der Start für mich nicht so recht entfaltet. Ein zu rascher Wechsel zwischen Bar und Zuhause mit insgesamt dann zu großem Personal. Vielleicht war ich schlicht zu ungeduldig. Beim zweiten Lesen war es dann rund und ich konnte mich viel mehr auf die wirklich tollen Dialoge einlassen. Plötzlich waren auch die einzelnen Figuren ganz klar umrissen.
Aber auch nach dem zweiten Lesen finde ich den Anfang am schwächsten.


Der Onkel wird entzückt sein. Durch das Fenster beobachte ich, wie der Typ zu einem der Tische mit Blick auf den Hafen schlufft, seinen Rucksack abwirft und auf einem Stuhl niedersinkt.

Das sind mir persönlich zu viele Artikel auf zu engem Raum. Auch das Wort schluffen kickt mich aus dem Fluss, da ich es als nicht gängig empfinde.


Aber das ist dann auch mein letztes Gemecker. Denn danach wird es stimmig. Vor allem die Dialoge haben es mir schwer angetan. Die sind herrlich dynamisch und zeigen wunderbar die Verhältnisse zwischen den Sprechern auf. Wüsste keine Stelle, wo ich straffen oder streichen würde.


Woran denkst du?“, fragte ich.
„Der Hof ist klein.“
Ich lachte. „Und woran noch?“
„An vieles.“
„Auch an mich?“
„Auch an dich.“
„Ich denke auch an dich.“ Ich gab seinen Blick wieder frei, schob ihm das Haar aus dem Nacken und atmete auf seinen Hals.
„Du wirst es bereuen“, sagte er.
„Nein“, sagte ich. „Niemals.“

Die Passage nur mal exemplarisch. So wenige Worte und dermaßen viel dazwischen. Das beeindruckt mich wirklich, wie souverän das gemacht ist, dass ich da sofort Bilder habe, weiß, wie es in den beiden aussieht, wie es weitergeht, was da alles mitschwingt - und obendrein diese bittersüße Schwere, die da bereits anklingt. Wow


Hast ja bereits viel Zuspruch erhalten - zu recht. Guck dir aber trotzdem noch mal den Einstieg an. Der wird der wirklich tollen Geschichte nicht gerecht. Oder für mich vll erst beim dritten Lesen :D


Grüßlichst
Weltenläufer

 

Hi Fliege

wie ich finde ein ausgesprochen guter Text mit ganz feinen Zwischentönen. Was da zwischen den Personen abläuft, wird so nebenher in den Dialogen, die sehr stark gemacht sind, erzählt.
Okay; was mir nicht gefällt ist diese Mischung aus Zigeuner-Romantik und -stigmatisierung, insbesondere die Stelle, wo der Jorska auf das Bett verzichtet und lieber draußen schläft. Dass er unbehausr ist und bleiben will, ist ja noch erklärbar, aber das mit der Treppe und dem Balkon ein wenig plakativ und tendenziös. Insgesamt aber eine wie gesagt sehr gute Geschichte.

Ein paar Stellen, die mir aufgefallen sind:

Ich seufze und Onkel Luca, der kleine Mann mit einem kohlkopfgroßen Buckel,
Das klingt komisch, müsste vielleicht besser : mit dem... heißen

„Mit zwölf knutscht man nicht gleich am ersten Tag“, sage ich streng, während ich Enrics anderes Bein verbinde. Lore guckt mich an, als hätte ich ihr die Keksdose geklaut. „Erst ab dem zweiten Tag.“
Sie kapiert und strahlt wieder wie eine Sonntagsfee.
grell, aber gut :) vor allem Soontagsfee...

„Was? Soll das heißen, der Kerl wandert nicht weiter? Wie lang ist er schon da?“
das meine ich mit der Zigeunerromantik und warum wandert der eigentlich allein?

Jorska lächelt. Er ist schön.
sehr toll, ganz viel dazwischen

Jorska hebt mich hoch und wirft mich wie ein Handtuch über die Schultern. Er trägt mich raus, während ich die beiden weiter beschimpfe.
auch hier super Bild, in der Folge etwas überdehnt...

Jorskas Geruch macht etwas mit mir. Ich werde ganz ruhig und weich und zärtlich und wild.
wow :Pfeif:

„Er heißt Jorska. Zigeuner sagt man nicht.“
kommt ein bisschen oft vor, der Satz...

Die Mittagspausen verbringen Jorska und ich auf seinem Zimmer. Er hat noch nie in dem Bett geschlafen, seit er in dieses Zimmer gezogen ist. Er schläft auf dem Balkon, bei Regen auf dem Fußboden. Mit Schlafsack und Isomatte.
na ja ... (siehe oben)

Onkel Luca legt mir eine Hand aufs Knie. „Irgendwann wirst du es verstehen.“
„Was? Was soll ich verstehen?“
„Dass der Hof zu klein ist.“ Dann nimmt er seine Hand wieder fort und gießt uns Wein ein.
du lässt das Bild ausklingen, in der Schwebe, genau das rechte Maß...:thumbsup:

Ja, das hat mit sehr gut gefallen
liebe Grüße
Isegrims

 

Liebe Novak,

da kommt so ein toller Komm (und dann ja auch weitere) und ich habe überhaupt keine Zeit zum Antworten. Zur Zeit ist meine Freizeit irgendwie total voll ... viel Schönes, aber eben voll. Jetzt fallen mir zwar die Augen fast zu, aber ich will doch auch so gern, also fange ich mal besser an, statt hier rumzudaddeln.

Ich habe mich so wahnsinnig gefreut. Zum einen, weil überhaupt mal wieder ein Komm, zum anderen auch über alles, was Du da schreibst.

Mein Grundgefühl zu der Geschichte kann ich eigentlich gar nicht ordentlich und analytisch sagen.

Klingt jetzt komisch, aber ich finde es genial. Mir ging so viel durch den Kopf, als ich die Geschichte geschrieben hab und deshalb geht es in Ordnung, wenn es dem Leser jetzt ebenso geht :D. Vorausgesetzt natürlich, ich schick ihn da nicht in ein Labyrinth, wo er sich nicht zurecht findet.

Zu sehr blubberts da aus meinem Mund: ...

Lass blubbern!

Das ist so sehr gezeigt und auf so liebevolle Weise, dass man das Gefühl kriegt, man ist direkt drin in der Szene, wird nur nicht gesehen, ist die Kaffeekann oder sowas.

Oh, da blubberts in mir auch gleich.

Das Einzige, was ich mich gefragt hab, war, wie der zur Mumie geheilte Enric noch so schnell auf die Straße flitschen kann. :D Aber das ist sowas von egal.

Sind ja Kinderverbände, weißt, die sind bisschen schief und locker und in drei Minuten auf der Straßen wieder runtergerutscht oder so :D. Außer der am Knie natürlich! Das ist ja wirklich krank.

Wie kommst du nur auf sowas?

Keine Ahnung. Ich habe da angefangen zu wickeln und dann hatte Franca noch mehr Text zu sagen, also musste sie weiterwickeln, damit sie keinen Grund hat, die Küche zu verlassen, bevor das letzte Wort gesprochen.

Und überhaupt, ich liebe diese Szene. Die ist einfach großartig.

Ich hab die auch echt gern geschrieben und die war dann ja auch so lang, dass ich ganz viel wieder wegstreichen musste.

Auch die Wiederholung mit dem zu kleinen Hof, bzw. das Einbetten dieses Motivs, das ist so wunderbar symbolisch und doppeldeutig. Nicht nur, dass die Welt, in der sie alle leben, leider so fürchterlich klein und intolerant ist, andererseits wäre so einem Jorska, der es nicht haben mag, in einem echten Bett zu schlafen, diese Welt tatsächlich viel zu klein, und er würde weiterziehen wollen, selbst wenn es keine üble Nachrede, keine Vorurteile, keine geifernden alten Männer, keine falschen Beschuldigungen und Rassisten gäbe. Denn das sind sie, viele dort, sogar die Mutter, die man eigentlich mag.

Einfach nur: :kuss:
Und nicht "sogar" die Mutter. Schon allein wegen ihr, hätte diese Liebe nie eine Chance. Wenn Franca den Jorska mal mitbringen würde, mit dem Besen würde sie ihn wieder vor die Tür schieben. Mit ihrem Bruder Luca hat sie ja auch gebrochen und vielleicht stünde Franca irgendwann vor der Wahl, Jorska oder die Familie. Und das bei Italienern! Das kann nicht gut ausgehen. Niemals! Aber soweit kommt es ja nicht.

Aber, das finde ich bei dir auch so stark, Rassismus stellt man sich immer als Hohlköpfe vor, anzutreffen in einem Brandbomben schmeißenden Mob oder einen aalglatten AFD-Politiker, oder meinetwegen auch noch in Form der beiden ekligen Männer und des Wirtes, aber weniger als die Mutter mit ihrem ständigen Gekeife über die klauenden Zigeuner, die wirkt ja trotzdem sympathisch, weil die mit dem Hinterteil klauende Töchter schnappt.

Es sind ja nicht wenige vom Typus der Mutter. Viele davon gehen auch noch wählen. Gruselig sind die. Aber klar, sie können auch richtig nette Menschen sein, solange man nicht mit ihnen über bestimmte Themen redet.

Ich höre jetzt mal auf, ...

Och Schade.
Nee, hab tausend Dank für deine Zeilen. Es war einfach nur schön!


Hey Peeperkorn,

Deine ganzen Anmerkungen gehe ich in der Woche noch mal durch und werde sie entsprechend einarbeiten. Hab für die Detailliste schon mal vielen Dank!

Hier mal erste Zwischenbilanz: Ich bin ziemlich baff. Du hast vier Personen, die interagieren und dabei noch über eine fünfte (Vlado) sechste (Jorska) und siebte (Luca) sprechen, das ist ein riesiges Durcheinander (in der Welt) aber völlig klar und übersichtlich (in deinem Text). Wie kriegst du das hin?

Ich musste erst deinen Kommentar lesen, um das überhaupt zu bemerken. Cool!


Ich mag die Stelle auch ;)

Ich bin ja noch immer auf der Suche nach einer geeigneten Stelle, wo ich so was wie: „… namens Michael Kohlhaas, Sohn eines Schulmeisters, einer der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit“ bringen kann.

Bin mir sicher, Du wirst die Stelle finden. Ziemlich sicher sogar.
Ich habe auch so einen Satz, den ich irgendwann mal (abgewandelt) anbringen will. Meiner geht so:
Diederich Heßling war ein weiches Kind, das am liebsten träumte, sich vor allem fürchtete und viel an den Ohren litt.

Heinrich Mann, der Untertan

Das war mir zu sehr Teenie, einmal hätte in meinen Augen gereicht. Aber ist deine Figur.

Franca ist Teenie. Der bleibt.

Ich habe das blöde Bild im Kopf, dass sie den Rotz zuerst in die Hände nimmt, die Formulierung hat so was aktives.

Oh je!

Du schaffst es, die Intensität hoch zu halten, komplex zu orchestrieren, ohne den Überblick zu verlieren. Und natürlich die Figurencharakterisierung, das ist alles so liebevoll, auch bei den negativen Eigenschaften, nie habe ich das Gefühl, ich lese Klischee. Und die Stimmung, das schwebt alles, da hat’s viele verschiedene Töne drin, ein reiches Bild, das du skizzierst, trotz der sparsamen Mittel.

Jetzt werde ich rot. Lieben Dank!


Hey ho weltenläufer,

ich weiß nicht, beim ersten Lesen war es für mich noch etwas schwierig in den Text zu flutschen. Irgendwie hat sich der Start für mich nicht so recht entfaltet. Ein zu rascher Wechsel zwischen Bar und Zuhause mit insgesamt dann zu großem Personal. Vielleicht war ich schlicht zu ungeduldig.

Vielleicht hast Du aber auch recht. Ich guck mir das auf jeden Fall noch mal an in den nächsten Tagen.

Auch das Wort schluffen kickt mich aus dem Fluss, da ich es als nicht gängig empfinde.

Damit bist Du ja nicht allein, also mit dem schluffen. Aber ist ein Darling und killt sich so schlecht.

Dialoglob nehme ich ja gern mit. Das freut mich immer so.

Guck dir aber trotzdem noch mal den Einstieg an. Der wird der wirklich tollen Geschichte nicht gerecht.

Ja, ja.

Ihr Lieben, habt vielen Dank für Eure Zeit und Worte und überhaupt. Ich bin gerührt. Total.

Liebe Grüße!

 

Hey Isegrims,

jetzt haben wir uns schön überschnitten. Ich will Dir aber dennoch gleich antworten, weil ich das nicht so stehen lassen will. Erst aber mal, vielen Dank für Zeit und Worte und Lob.

Dass er unbehausr ist und bleiben will, ist ja noch erklärbar, aber das mit der Treppe und dem Balkon ein wenig plakativ und tendenziös.

Das mit der Treppe ist mir aber ganz wichtig. Jorska ist ja kein Typ, der in die Konfrontation geht. Er meidet, wo er meiden kann. Er zieht sich zurück. Er will sich weder den Blicken, noch Sprüchen, noch sonst irgendwas aussetzen. Er will seine Ruhe und die findet er eben auf dem Hof. Er geht irgendwann ja auch nicht mehr am Tag schwimmen oder später nicht mehr zum Markt die Einkäufe machen. Seine Welt, in der er sich bewegt, wird immer kleiner: "Der Hof ist zu klein". Das ist mein Thema. Aber ja, ist nicht mit allen Farben und Möglichkeiten ausgemalt. Schwingt mit. Und Text erklären ist natürlich auch blöd, ich weiß.

und warum wandert der eigentlich allein?

Ja, er kommt aus Moldawien. Ja, er ist Weltenbummler und schläft nicht im Bett. Ja, die Mutter behauptet er ist Zigeuner. Aber muss er deshalb einer sein?

„Er heißt Jorska. Zigeuner sagt man nicht.“
kommt ein bisschen oft vor, der Satz...

Damit wollte ich eigentlich so bisschen Francas Ohnmacht gegenüber der Mutterautorität darstellen. Sie stammelt den Satz wie auswendig gelernt daher, setzt der Mutter nicht wirklich was entgegen, geht auch nicht in die Konfrontation, bei den Typen in der Kneipe ja, bei der Mutter nicht. Und dieser Gegensatz ist mir wichtig. Ich verstehe schon, dass man das so empfinden kann, aber ich hab das sehr mit Absicht gemacht.

Und jetzt lese ich noch mal ganz schnell das ganze Lob und dann geh ich schlafen.
Lieben Gruß, Fliege

 

oha Fliege

und warum wandert der eigentlich allein?
Ja, er kommt aus Moldawien. Ja, er ist Weltenbummler und schläft nicht im Bett. Ja, die Mutter behauptet er ist Zigeuner. Aber muss er deshalb einer sein?

Der Mensch als Nomade, der auf seinen "Traumpfaden" wandelt und grundsätzlich unbehaust ist, sich selbst vor der Liebe fürchtet und die Bequemlichkeit meidet, um sich sein Bewusstsein zu erhalten. Das ist wahrlich ein Aspekt, den ich berücksichtigen muss, wenn ich mir diesen Jorska anschaue.
Es gibt einen Vers von Rilke aus den Duineser Elegien: "Bleiben ist nirgends", an den ich denke.

Liebe Grüße
Isegrims

 

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