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Spinning Infernal

Monster-WG
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10.07.2020
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Spinning Infernal

Christian warf sich das Handtuch über die Schultern, stieg auf das Spinning-Bike und schaltete das Display über dem Lenker ein. Auf Tyler Morgans YouTube-Kanal waren drei neue Videos verfügbar: 90-Minuten Fully-Body-Workout, Warum ich kein Brot mehr esse und Die Extreme Spinning Challenge. Christian wählte die Challenge. Im Bruchteil einer Sekunde erschien der Fitness-Influencer im Bild.
"Heute will ich, dass du mir alles gibst!", rief Tyler Morgan und umfasste den Lenker seines Spinning-Bikes mit beiden Händen.
Tja, dachte Christian, da bist du nicht der Erste. Er schaltete den Pulsgurt ein und begann zu treten.
"Wir werden zehn harte Steigungen fahren", erklärte Tyler Morgan. Ein Höhendiagramm im unteren Bildbereich zeigte den Streckenverlauf an.
Neben dem Diagramm erschien eine Hinweistafel: Die Tyler Morgan Fitness GmbH haftet nicht für gesundheitliche Schäden, die Zuschauer beim Absolvieren der auf diesem Youtube-Kanal veröffentlichten Trainings erleiden. Die Videos der Tyler Morgan Fitness GmbH ersetzen nicht den Rat eines persönlichen Coaches oder eines Arztes.
Christian kannte den Text auswendig. Er las ihn zwei- oder dreimal pro Woche; je nachdem, wie es in der Kanzlei gerade lief. Seit sie am Montagmorgen die bewusstlose Schlampe in seinem Büro gefunden hatten, saß er jede Nacht auf dem Rad. Ein, zwei Stunden auf dem Bike waren allemal besser als ein Ausraster vor den anderen Partnern.
Nach ein paar Minuten fand er seinen Rhythmus. Erste Schweißperlen kitzelten seine Augenbrauen. Ein warmes Kribbeln strömte durch seine Beine.
"Gleich wird's ernst, Leute", sagte Tyler Morgan. "Wir erhöhen auf 16 Prozent in zehn, neun, acht, sieben ..."
Christian erhöhte den Widerstand. Mit einem Mal fühlte er sich, als führe er durch zähen Schlamm. Er wechselte in den Wiegetritt, fasste den Lenker an den Seitengriffen und senkte den Kopf. Ein Schweißtropfen lief über seine Nase und fiel auf den Lenker.
"Nicht nachlassen!", rief Tyler Morgan.

Christian hatte die vierte Steigung fast geschafft, als das iPhone vibrierte. Seine Sachen waren mittlerweile schweißgetränkt, seine Hände rutschten am Kunststoff des Lenkers ab und seine Atmung war schnell und flach. Das Display zeigte einen Puls von 186.
ANRUF VON CLAUDIA.
Mit einem Klick schaltete er den Youtube-Kanal stumm. Dann wischte sich mit dem Handrücken übers Gesicht und drückte auf ANNEHMEN.
"Claudia", sagte er. "Hey."
"Chris." Keine Hintergrundgeräusche. Ist sie noch im Büro?
"Was gibt's?"
"Ich habe gerade mit den Eltern von Louise gesprochen."
"Mit den Hippies? Was haben sie gesagt?"
Claudia lachte kurz. "Sie sind wirklich so wie auf den Fotos, die Louise uns gezeigt hat: Tragen selbstgenähte Kleider, laufen barfuß herum, schneiden sich die Haare nicht. Du kannst dir nicht vorstellen, wie die Leute am Empfang geschaut haben."
Christian schnaubte. Louise war in einer Kommune in der Nähe von Freiburg aufgewachsen. Dass sie Jura studiert hatte, musste ihre Eltern ziemlich verstört haben - zumindest hatte sie erzählt, dass der Kontakt nahezu abgebrochen war.
"Was haben sie gesagt?", fragte er erneut.
"Es ging ein bisschen hin und her. Aber wir haben ihnen ein faires Angebot gemacht."
"Und das heißt?"
"Sie verzichten auf eine Klage."
Auf dem Display richtete sich Tyler Morgan auf und nahm einen Schluck aus seiner Flasche. Die Steigung war geschafft.
"Gut", sagte Christian. "Sehr, sehr gut."
"Die anderen Partner sind einverstanden. Die Kanzlei wird sie entschädigen. Wir übernehmen die Kosten für Louises Behandlung. Dafür halten sie den Mund."
Tyler Morgan hatte sich inzwischen wieder vornübergebeugt. Seine Unterarme lagen jetzt flach auf dem Lenker. Er sieht aus, als wollte er gleich ein Opfer bringen, dachte Christian.
"Danke, dass du das geregelt hast."
"Das ist mein Job."
Ein paar Sekunden lang sagten sie nichts.
"Ist sonst noch was?", fragte er.
Claudia räusperte sich. "Ich ...", sagte sie und hielt inne. "Ich muss wissen, ob sie das Zeug von dir bekommen hat."
Links, rechts, links, rechts, links, rechts.
"Claudia", sagte er. "Nein. Natürlich nicht. Sie war medikamentenabhängig, wahrscheinlich schon auf der Uni. Das weißt du. Sie ..." Er überlegte kurz. "Wir haben uns ein bisschen amüsiert. Aber nichts Gefährliches. Sie muss die Tabletten später geschmissen haben - als ich schon weg war."
"Okay", sagte Claudia. "Dann sehen wir uns morgen."
Er tippte auf den AUFLEGEN-Button. Dann hob er die Stummschaltung auf.
"Gut gemacht", rief Tyler Morgan. "Die kleine Schlampe hat doch nur bekommen, was sie verdient hat!"

Christian sah irritiert von seinem Handy zum Display. Fuck, dachte er. Die Sache nimmt mich doch mit. Er griff nach dem Handtuch und wischte sich den kalten Schweiß aus dem Nacken.
"Fünfte Steigung!", rief Tyler Morgan. "15 Prozent über 500 Meter - los!"
Das Treten fühlte sich an, als zöge er einen Bollerwagen voller Ziegelsteine.
"Nicht nachlassen! Zeigt mir, was ihr könnt!"
Seine Oberschenkel pochten schmerzhaft. Das Oberteil des Einteilers klebte kalt und nass an seinem Rücken. Die Pulsanzeige kletterte auf 190.
"Genießt den Schmerz! Spürt, wie das Fett schmilzt!"
Christian trat schneller. 76 Umdrehungen pro Minute. 77. 78. Seine Füße schmatzten nass in den Radschuhen.
"Weiter! Weiter! Weiter! Feel the burn!"
Er fand einen schnellen, harten Rhythmus, senkte den Kopf und zählte seine Atemzüge. Als er bei 300 ankam, fing das Display an zu blinken. Sein Puls war bei 196.
Er richtete sich auf und griff nach einer der Trinkflaschen. Langsam. Lass deinen Puls runterkommen, dachte er und nahm alle Kraft aus seinen Tritten.
Aber das Rad wurde nicht langsamer.
Ich krampfe.
Er ließ die Wasserflasche fallen und schlug mit der flachen Hand auf den STOP-Knopf.
"Oh, Christian", sagte Tyler Morgan.
In diesem Moment erhöhte sich die Steigung von alleine: 16 Prozent, 17, 18, 19, 20. Seine Beine traten weiter, immer weiter, links-rechts, links-rechts. Jeder Tritt fühlte sich an, als triebe jemand einen Schlagbohrer in seine Hüfte. Panisch schlug er mit den Fäusten auf den STOP-Knopf. Das Rad reagierte nicht.
Dann schlossen sich die Pedale um seine Füße.

Die Schlaufen aus dickem Gummi schnürten die Schuhe so fest ein, dass er das Blut unter seinen Zehennägeln fühlte. Einen Augenblick später drehten sich die Enden des Lenkers nach oben und wickelten sich um seine Hände.
Tyler Morgan lächelte ihn an. "Die besten Steigungen kommen erst noch!"
Christian rüttelte an dem Lenker. Sein Herz raste. Die Warnanzeige blinkte dunkelrot: Herzfrequenz 198. Er spürte eine Taubheit unter der Brust, einen dumpfen Druck, der ihm die Luft abschnürte.
"Was willst du..?", krächzte er.
Tyler Morgan lachte auf und trat energisch in die Pedale. "Ach Christian", rief er. "Du hörst nicht zu. Das hier ist kein Workout für Anfänger. Das hier ist ein Workout für echte Männer! Für Typen, die noch jede kleine Trainee-Schlampe zugedröhnt und abgefickt haben!"
Christian stemmte sich gegen die Bewegung, aber das Rad war stärker. Ruckartig rissen die Pedale seine Füße hoch und runter, der Lenker fuhr vor und zurück. Das Spinning-Bike spielte mit ihm wie mit einer lebendigen Marionette.
"Gut so!", rief Tyler Morgan. "Wir erreichen gleich die nächste Steigung!"
Kreisende Schmerzen zermalmten Christians Hüfte, heftige Krämpfe schossen wie Stromschläge durch seine Oberschenkel. Sein Puls kletterte auf 212. TRAINING SOFORT ABBRECHEN!, signalisierte das Display.
Aber Tyler Morgan hatte etwas anderes vor.
"Okay, diese Steigung ist hart. Trotzdem achten wir auf unsere Form: schön gleichmäßig und rund treten!", mahnte der Influencer. Christian schluckte. Er spürte etwas Säuerliches in seiner Kehle. Im nächsten Moment würgte er bitteren Magensaft hervor. Die gelbliche Masse lief über sein Kinn und tropfte auf sein Shirt.
Links-rechts, links-rechts, links-rechts.

Gegen 1 Uhr begann seine Nase zu bluten. Wenig später verlor er die Kontrolle über seine Blase. Er fühlte eine warme Nässe in seinen Shorts.
"Mega!", lachte Tyler Morgan. "Das ist mal ein Training!"
Der Influencer sah immer noch aus, als sei er gerade erst aufs Rad gestiegen. "Weißt du", sagte er, "Du hättest Louise töten sollen." Er zwinkerte und erhöhte den Widerstand an seinem Bike. "Dann hätten ihre Eltern vielleicht nichts erfahren. Aber so ..." Christian riss den Kopf hoch und starrte auf das Display.
Tyler Morgan war nicht mehr allein.
Eine Frau und ein Mann standen auf beiden Seiten des Influencers. Beide waren nackt und trugen dunkle, sechseckige Holzmasken mit schmalen Sehschlitzen.
Die Scheißhippies aus der Kommune.
Die Frau hielt eine kleine Tüte mit einem farblosen Pulver in die Höhe.
"Ich habe ...", flüsterte Christian, bevor er sich erneut über sein Shirt erbrach. "Wir wollten nur Spaß haben", stammelte er. "Ich wusste doch nicht ..."
Die Frau schüttelte den Kopf.
Tyler Morgan lachte, als hätte er gerade einen besonders guten Witz gehört. "Wow, Leute!", rief er. "Die nächste Steigung ist der Hammer! Wir fahren die Baldwin Street aus Dunedin hoch - aber nicht einmal, sondern hundertmal! 35 Kilometer mit einer Steigung von 35 Prozent! Das nenne ich mal ein Training!" Der Lenker schloss sich fester um Christians Hände.
Links-rechts, links-rechts, links-rechts.

Fünf Stunden später tauchte die Morgensonne Christians Wohnung in blutrotes Licht. Ein langer, farbloser Speichelfaden hing von seiner Unterlippe, schwang mit seinen Tritten hin und her und tropfte auf das dunkle iPhone. Christian blutete aus Augen, Ohren und Mund; Urin und Erbrochenes bildeten eine dünne Kruste auf seinen Trainingssachen. Sein Mund öffnete und schloss sich unkontrolliert.
"Das war hart", sagte Tyler Morgan und tupfte sich mit einem kleinen Handtuch ein paar unsichtbare Schweißtropfen von der Stirn. "Ab unter die Dusche!"
Youtube begann, sein nächstes Video zu laden.

 

Hi @AWM,

wow - das war die schnellste Rückmeldung aller Zeiten! Vielen Dank dafür!

Der Vergleich mit den Geschichten aus der Gruft ist sehr schmeichelhaft - hab' ich gleich mal meiner Freundin erzählt. ;-)

Was den Einstieg betrifft: Vielen Dank für deine Hinweise! Ich habe schon mal kräftig gekürzt und bin gerade dabei, das chronologisch aufzubauen. Danke!

Den Vorschlag, die Bestrafung an das Verbrechen anzupassen, finde ich spannend. Ich denke drüber nach!

Ich hab' ihm mal eine hässliche, teure Pathek Philippe spendiert.

... und die sprachlichen Sachen sind angepasst. Nochmal herzlichen Dank! Den Einstieg sortiere ich gerade neu - stay tuned.

Sitzt ganz nah am Ventilator:

Christophe

 

Hi @Christophe :- )))
Wow.

die Manschettenknöpfe und seine Patek Philippe 5303R legte er auf die Kommode. Er schlüpfte in seinen dunkelblauen Rad-Einteiler, zog die Klick-Schuhe an und band sich den Pulsgurt um.
Selten, dass ich einen Protagonisten so schnell so ehrlich gehasst habe. Hahaha. Abstoßender Kerl, sehr gut gemacht. Also ich bin für Tyler Morgan, er hat mein vollstes Verständnis.

Hab die Story auch gerne gelesen, ab dem Moment in dem klar ist, wo die Reise hin führt, konnte man sich entspannt zurück lehnen und den Trip genießen. Wenn von Anfang an alles so fein säuberlich in Schubladen serviert kriegt, wenn man also weiß wen man hassen darf, dann ist die Hinrichtung (anders kann ich es gerade nicht nennen) ein Spektakel.
Nur die sechseckigen Tonmasken hab ich nicht kapiert, das muss wohl irgend ein Hippie-Insider sein, den man versteht, wenn man Hippies kennt. Warum tragen sie eigentlich überhaupt Masken?

Sonst: Gute Unterhaltung und wirklich Twilight/Gruftmäßig, da hat @AWM den Nagel versenkt. Mehr davon, mir hat es großen Spaß gemacht. Danke!

 
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Hallo Christophe,

wow - das war die schnellste Rückmeldung aller Zeiten!
Ich wäre schneller gewesen, hatte aber in der Hoffnung abgewartet, dass die erste Rückmeldung positiv ist. Ich finde es übrigens sehr sympathisch, dass - und wie - du dich hier auch kommentierend engagierst. Mein Komm zu diesem Text (ähnlich hätte ich ihn aber auch zu dem babysaugenden Server schreiben können) ist daher keinesfalls irgendwie persönlich gemeint.

Ich finde die Geschichte ganz furchtbar - das fängt bei dem Titel an: ja, zugegeben, das Original in der deutschen Übersetzung ist auch echt bescheuert, aber hier ist so gar kein Sprachwitz drin. [EDIT: Sorry, falsch erinnert - das dt. Original ist ja okay, ich hatte die Dt. Version eines Edward Lee-Romans im Kopf.] Zumal ich absolut keine Ähnlichkeit beim Plot [zu Lovecraft, Lee kenne ich nicht] entdecken kann - da erwartet man doch jetzt eine Lovecraft-Persiflage. Dann erwarte ich auch bei Horror + Spannung einfach nicht so ein Klamauk, da würde ich raten, Spannung gegen Humor auszutauschen.

Das ist selbstverständlich Geschmacksache (wie gesagt, die tags ...), aber ich habe einfach eine extreme Aversion gegen diesen Glossentonfall. Und selbst wenn das aber nun genau dein Ding ist, wäre es sinnvoll, hier einiges an Geschwätzigkeit zu kürzen, den Plot zu straffen bzw. dich weniger in Details zu verlieren, die witzig klingen sollen, aber deine Erzählung nicht vorantreiben. Wie der Server ist dies wohl eine Pointengeschichte, und die funktionieren - hab ich neulich schon woanders drunter geschrieben - wie bei einem Witz, und die sind eben auch selten witzig, wenn so weit ausgeholt wird.

Christian ging ins Schlafzimmer und zog sich aus. Anzug, Hemd und Unterwäsche ließ er auf den Boden fallen; die Manschettenknöpfe und seine Patek Philippe 5303R legte er auf die Kommode. Er schlüpfte in seinen dunkelblauen Rad-Einteiler, zog die Klick-Schuhe an und band sich den Pulsgurt um.
Nimms mir nicht übel, aber das ist so alt, das setzt schon Schimmel an. American Psycho, 80er Yuppiekritik, "Charakterisierung" über Statussymbole. Damit machst du es dir aber auch verdammt einfach, denn du gehst davon aus, der Leser assoziiert das Richtige und nimmt dir die Arbeit ab. Sache ist aber - ich nehme fast an, du hast/hattest irgendwas mit dem mittleren Mangement zu tun, wenn das schon wieder ein identisches Setting ist - dass solche Leute gar nicht so oft diesen platten, ausgenudelten Klischeebildern entsprechen, wie man vielleicht denkt. Ich hatte da auch mal länger zu tun, und fand die allermeisten (Sub)Manager da echt umgänglich und bodenständig.
Die Frau war Polin und hatte eine ungesunde Schwäche für Butter.
Ach du meine Güte ... (Ich bin nicht pc, aber das ist so blöd, da will ich nur noch schreien - Antiheld / unsympatischer Prot okay, aber hier ist ja der Erzähler schlimmer als die Figuren, über die er sich echauffiert. Finde ich ungünstig.)
Anschließend öffnete er Youtube und klickte zum Kanal von Tyler Morgan. Vier neue Videos waren verfügbar: 90-Minuten Fully-Body-Workout, Hardcore Kettlebell 3, Warum ich kein Brot mehr esse und Die Executive Challenge.
Hier wurde mir klar, dass nix mehr Spannendes kommt und ab hier habe ich den Quickread angefangen. Easy targets. Wirkt billig. Ähnlich wie die Nachrichten-Headlines bei yahoo.
"Wir fahren 500 Meter mit fünfprozentiger Steigung", fuhr der Influencer fort, während er auf den Touch-Screen seines Spinning-Bikes tippte. "Danach geht's richtig ab - 16 Prozent auf 600 Meter. Ich hoffe, du hast was zu trinken am Rad!"
:sleep::sleep::sleep: Ich merke, dass hier nix mit Spannung mehr zu erwarten ist, und gebe nicht viel später den Horror auf.
Das Spinning-Bike bäumte sich auf wie ein stählernes Pferd - und sprang geradewegs in den Bildschirm.
Echt? Das ist jetzt deine Pointe?

Mich nervt dieser Text total - das ist jetzt aber nicht die Variante "Negativkritik ist auch gutes Marketing" bzw. "Ablehnung ist doch auch eine Reaktion, also hat der Text funktioniert". Es ist so eine Genervtheit, dass ich wünschte, ich hätte nicht die Zeit investiert, deinen Text zu lesen.

Du hast ja durchaus einen sehr flüssigen, auch angenehm fehlerfreien (oder -armen) Stil. Und auch einen ganz guten Blick bei anderen Texten. Ich wünschte, du würdest das mal in eine Geschichte investieren, die mehr als eine klaumaukige Pointenstory ist, deren Charaktere eine Entwicklung durchmachen und in der ein literarischer Konflikt ausgearbeitet wird. Vllt was mit Subplots und so. Irgendwas, das einen Zacken komplexer ist, als diese billigen, klischeehaften Spaßgeschichten, bei denen man über Leute lachen soll, über die eh schon alle (mich oft durchaus eingeschlossen) lachen, Unsinn breittreten, der durch die SoMe eh überrepräsentiert ist und mehr als nur solche Abziehbilder an Prots erschafft. Ich habe keinen Zweifel, dass du das vom Handwerklichen her könntest. Wenn ich allerdings die beiden Rückmeldungen lese, besteht offenbar kein Handlungsbedarf.

Schade, zumindest für mich.

Viele Grüße, ich wünsche dir trotzdem noch viel Spaß und Erfolg hier,
Katla

 
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Hi @Katla!

Vielen Dank für deine Kritik! Keine Sorge, ich nehme sie nicht persönlich, wohl aber ernst.

Ich befinde mich noch ziemlich am Anfang meiner Schreiberei und fühle mich, ehrlich gesagt, mit diesen "einfachen" Kurzgeschichten ganz wohl. Bis vor ein paar Monaten habe ich kaum geschrieben; und dass ich jetzt sehr einfache, wüst überzeichnende Genre-Stücke zusammenzimmern kann, finde ich ganz cool. Daher nehme ich deinen Begriff der "billigen, klischeehaften Spaßgeschichten" gerne an - wenn das gelingt, ist das schon mehr, als ich mir noch vor ein, zwei Jahren zugetraut hätte.

Klischees, Stereotype, absehbare Plots, alberne Pointen - jupp, da darf ich noch viel lernen, da gebe ich dir recht. Und, naja, ich muss auch gestehen: Ich bin ein großer Horror-Fan und habe einfach Spaß daran, mit diesen Versatzstücken zu spielen. Aber klar, kennt man alles, hat man schon tausendmal besser gesehen.

"Literarische Konflikte" zu verhandeln, überlasse ich gerne den Hertha Müllers und Robert Musils dieser Welt. Aber wenn jemand, wie oben, schreibt - hey, das erinnert ein bisschen an die Geschichten aus der Gruft, dann finde ich das ganz nett. Mehr möchte ich gar nicht erreichen.

Wichtig: Die Beschreibung des Essens im Kühlschrank soll die Meinung des Protagonisten widergeben, wenn das missverständlich ist, nehme ich es raus! -- Das sind dann wohl die Grenzen meiner Schreibe. Danke für den Hinweis!

Und auch deine Hinweise zu Straffungen nehme ich gerne an! Ich schaue nochmal über die Texte drüber!

Vielen Dank für deinen Kommentar, ich nehme ihn mir zu Herzen!

Viele Grüße

Christophe

 
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Hallo Christophe,

ich freue mich sehr, dass du meine Kritik nicht in den falschen Hals bekommen hast. So viel hätte ich auch nicht genölt, hätte ich nicht den Eindruck, dass du zu wesentlich besseren Geschichten fähig wärst.

Kleine Anmerkung:

"Literarische Konflikte" zu verhandeln, überlasse ich gerne den Hertha Müllers und Robert Musils dieser Welt.
Damit meine ich nicht Drama im Goetheschen Ausmaß.
In der Realität ist Konflikt emotional, es geht um Angst, Unsicherheit, Streit etc. Das muss aber nicht gleichzeitig in einer fiktionalisierten Form auch ein literarischer Konflikt sein: Wenn jemand in einem Krimi ermordet wird, ist das für die Person zwar blöd, aber ein Konflikt im Krimi läuft anders: Der Ermittler hat ein Alkoholproblem, oder ein Kindheitstrauma, das das Lösen eines speziellen Falles erschwert; der Hauptverdächtige ist sein eigener Bruder etc.

- In Prosa ist eine missliche Lage (wie das Erleben einer Entführung etc.) nicht zwangsläufig auch ein literarischer Konflikt - d.h. der Dreh- und Wendepunkt einer Erzählung. Egal, welche Definition von Kurzgeschichte man hernimmt (und es gibt keine definitive), ist ein Konflikt und eine - oft überraschende - Entwicklung einer der Hauptfiguren und / oder des Erzählers das Hauptmerkmal. Im Grunde hat man das sogar im Trash (gemeint ist das Genre = nicht per se 'schlechte' Texte). Den Konflikt hast du z.B. bei deiner Pitching-Geschichte: Das Wohl des Kindes gegen den Bann des Routers/Servers bzw. gegen den Karrieredruck. Das ist ein literarischer Konflikt, um den sich die Story dreht. Den sehe ich hier aber nicht - weil sich hier der Prot nur in einer misslichen Lage befindet (vergleichbar zum Mord im meinem Beispiel, bei dir poetic justice), aber keinen Konflikt erlebt.

Literarischer Konflikt ist oft sogar das, was uns eine Kurzgeschichte im Gegensatz zu einem Tagebuch-/Blogeintrag oder einer Zeitungsnotiz erkennen lässt. Daher solltest du den nicht Musil & Co überlassen. ;-)

Viele Grüße nochmal,
:-) Katla

 

Hi @Katla,

nochmal vielen Dank, ich verstehe jetzt besser, was du meinst. Ich kann dein Argument nachvollziehen. Ich stimme dir völlig zu, dass Geschichten, die entsprechende Konflikte entwickeln, die interessanteren sind - und vor allem diejenigen, aus denen der Leser mehr für sich herausholen kann. Lovecraft fand bekanntlich "The Willows" von Blackwood ziemlich prima, und das würde ich sofort unterschreiben - und die ist nun wirklich nicht handlungsgetrieben. Dein "Vierter apokalyptischer Reiter" steht dem kaum nach, da ist viel von Poe, Hoffmann, Maupassant, da sind Sprache und Plot eine untrennbare Einheit, aus der der Leseeindruck entsteht. Ein komplexer Text, kodiert, den man beim ersten Lesen gar nicht vollständig erfassen kann. Sehr (!!) beeindruckend!

Trotzdem, aus Neugier, eine Nachfrage: Wie denkst du über "reine Unterhaltungsliteratur"? Also Heftromane wie die John-Sinclair- oder Perry-Rhodan-Sachen oder Autoren wie Edgar Wallace, Clive Cussler, Rosamunde Pilcher u.a.? (Ich vergleiche mich nicht mit ihnen, auf keinen Fall - aber ich mag es, solchen einfachen Stories für ein paar Stunden zu folgen, auch, wenn ich sie danach sofort wieder vergessen habe ;-) ) Das würde mich sehr interessieren!

Uhh, PS: Danke für den Hinweis auf Edward Lee, das Buch sagt mir gar nichts! ("Header" habe ich mal gelesen, ist aber lange her.)

Viele Grüße!

Christophe

 

Hallo @Christophe

ich möchte nur einen kurzen Beitrag zur Diskussion liefern.
Auch leichte Unterhaltungliteratur kommt nicht ohne einen Konflikt aus, der die Handlung voran treibt und das Interesse der Leser weckt. Der Unterschied zur Hochliteratur besteht eigentlich nur im Niveau der Bearbeitung.
Auch in Trash-Heftchen (irgendwas mit Rosen und Liebe) werden Konflikte inszeniert. Beispielsweise die gezähmte Widerspenstige, die urplötzlich ihren Traummann trifft und dann ist der noch verheiratet oder trägt ein dunkles Geheimnis oder pipapo.
Betrachtet man Jane Austens Stolz und Vorurteil genauer, versteht man, warum der Stoff bis heute funktioniert. Nicht (nur) wegen des albernen Missverständnisses der Protagonisten, sondern durch den viel ergiebigeren gesellschaftlichen Konflikt zwischen dem aufstrebenden, fortschrittlichen Bürgertum, das auf erstarrte Standesregeln der adligen Gesellschaft prallte. Und natürlich die Rückwirkung auf den privaten Bereich und der Versuch, diesen Konflikt zu lösen.

Der Konflikt einer Geschichte ist kein Qualitätsmerkmal für Literatur, sondern die Voraussetzung.

Zu Deiner Geschichte: Auch mir hat da ein knackiger Mitreißer gefehlt. Der Protagonist ist unsympathisch und wird durch eine unerklärliche Macht bestraft. Das ist auch für leichte Unterhaltung zu wenig.
Würdest du, z. B. einen inneren Konflikt gestalten, der deutlich macht, dass der Prota mit sich selbst nicht im Reinen ist und gegen seine schlechten Eigenschaften kämpft, (die er nur wegen seiner psychopathischen Mutter entwickelt hat), könnten die Leser wenigstens auf ihn einlassen und auf Rettung hoffen. Wenn Leser von Anfang an denken: so ein Arsch! und dann wird der bestraft - wie soll da Spannung aufkommen? Das wäre wie Hänsel und Gretel ohne Hänsel und Gretel. Da kraucht ne böse Hexe durch den Wald, fällt ins Feuer und verbrennt. Toll!
(Dass in vielen Märchen noch Konflikte auf einer tieferen Ebene verarbeitet werden, lasse ich jetzt beiseite)

Wie oben angedeutet: Egal, welches literarisches Niveau Du anstrebst, eine Geschichte sollte immer unterhalten. Ohne Konflikt, ist das sehr schwierig zu erreichen. Victor Hugo beispielsweise verknüpfte persönliche Konflikte (emotional, sozial) mit gesellschaftlichen Entwicklungen (politisch) und obendrein mit grundsätzlichen ethischen Fragen (gut-böse/richtig-falsch). Dadurch erzeugt er unterhaltsame Gesellschaftskritik. Das muss man erstmal stemmen!
Ich denke, so etwas sucht man bei John Sinclair vergeblich. Trotzdem folgen diese Romane auch einer funktionellen Struktur, sonst würde sie niemand kaufen. Ich hab das als Teenie gelesen, wie Fast Food. Zumindest hatte es mich bis zum Ende der Geschichten getrieben. Kann mich da nicht mehr genau dran erinnern, aber ich bin sicher, es geht nicht nur um das Jagen von Dämonen (oder waren das Vampire). Es spielen immer noch private Konflikte mit hinein.
Stephen King ist es in einigen Geschichten sehr gut gelungen, die oberflächlichen Horroreffekte mit Figuren zu verbinden, die noch mehr machen als zu kreischen und wegzurennen. Da schweben dann Familienkonflikte oder die Auseinandersetzung mit den eigenen Abgründen oder dystopische Elemente über der Geschichte.

Die Einordnung in wertige und wertlose Literatur folgt immer auch dem Zeitgeist. Der visionäre Blick von Mary Shelleys Frankenstein und die innewohnende Metapher auf moralische Fragen der Gesellschaft wurde erst spät durch die Kritik erkannt. Anfangs wurde der Roman als wertlose Schauerliteratur abgetan.
Genauso darf man sicher sein, dass so manch hochgejubeltes Geschwurbel der E-Literatur, zukünftige Generationen nur noch als Pflichtlektüre in der Schule erreichen wird.

Soweit erstmal meine Gedanken zum Thema.

Schöne Grüße
Kellerkind

 

Hallo,

oh, und herzlichen Dank für die Blumen, das freut mich wirklich, weil ich ja auch noch weiter lernen will.

Grundsätzlich hat jedes Buch (wenn es nicht irgendwelche radikale Hetze ist) seine Berechtigung, und alles, was Leute zum Lesen bringt, ist begrüßenswert. Ich lese auch reine Unterhaltung, z.B. Thriller / Krimis (gerade Tana Frenchs Romane zu den Dublin Murders, super unterhaltsam und toll geschrieben). Cussler mag ich auch, allerdings war nach zwei Büchern Schluß, weil sich das irgendwie alles wiederholt. Irgendwas Maritimes, so dumm waren die gar nicht. Genau so:

ich mag es, solchen einfachen Stories für ein paar Stunden zu folgen, auch, wenn ich sie danach sofort wieder vergessen habe ;-)
Da liegt für mich aber auch ein 'Problem': Es gibt wesentlich mehr wirklich interessante Bücher, als ich im Leben lesen kann; ich besitze schon 1000+ in meiner winzigen Bude. Von einem Buch erwarte ich, irgendwas Neues zu entdecken: einen ungewöhnlichen Stil, eine neue Welt, eine spannende Psychologie / Problematik, tollen Aufbau, Backstory, Recherche ... vllt. auch (beim Horror/Spekulativem) Transgression, etwas, das die bekannte Welt aus den Angeln hebt. Das ist ja auch unterhaltend. Ich möchte immer was lernen oder was erkunden, infrage stellen ... Nicht, etwas lesen, was ich schon ein Dutzend Mal so gesehen habe.

Daher greife ich seltener zu einem Buch 'einfach zur leichten Berieselung'. Ich lese auch Trashiges, alle paar Jahre auch mal einen Heftroman. Aber Lebenszeit ist eben begrenzt und dann lese ich lieber was, das mich unterhält und literarisch begeistert.

Es gibt ja gute U-Literatur und furchtbare anspruchsvolle ... Auch 'gehobene' Literatur hat ihre Klischees etc. Daher meine ich, es ginge fast weniger um U vs E, als um andere Dinge wie Stil, Motivik, Plot, Innovation / Individualität. Mainstream und zu viel Welt wie ich sie im Alltag kenne langweilt mich daher eher.

Hier gibt es ein paar Threads zu dem Thema. Wird immer ganz kontrovers diskutiert, und das finde ich auch gut so.

Herzliche Grüße,
Katla

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi @Katla und @Kellerkind,

vielen Dank für eure Gedanken! Ihr habt völlig recht — ich konzentriere mich so stark auf den Plot, dass ich Thema/Konflikt völlig übersehe. Danke für eure Hinweise!

Ich mag das Setting dieser Story, deshalb nehme ich sie nochmal in die Werkstatt ... vielleicht finde ich etwas.

Viele Grüße!

Christophe

 

Hi @Rob F,

vielen Dank für deinen Kommentar! Ja, da ist sicher was dran - gleichzeitig sind gerade diese torture-porn-Sachen oft sehr absehbar. Aber - und ich glaube, in die Richtung denkst du: Minimalistische Plots können prima funktionieren. Siehe Saw 1 und eigentlich das komplette Frühwerk von John Carpenter. Bloß glaube ich, dass @Katla hier zurecht sagen würde: Diese Stories (Assault on Precint 13, Halloween, The Thing ...) handeln immer von mehr als bloß von dem, was man in die Inhaltsangabe schreiben würde. (Bin gerade ganz happy, dass ich nix mit Literatur studiere :-D )

Und nochmal hi, @Katla,
ich habe mal ein bisschen geschaut und bin auf euren Thread zu Asterix/Se7en und Konflikten gestoßen. Sehr spannend, vielen Dank für den Hinweis! Bei mir klicken gerade ganz viele Rädchen. ;)

 
Zuletzt bearbeitet:

Der Konflikt erster Ebene bei Saw 1 besteht darin, dass die Figuren einer unbekannten Gefahr ausgeliefert sind und das Interesse der Zuschauer gecatcht wird, weil sie wissen wollen, was vorgeht. (=Konfliktlösung) Die zweite Ebene besteht im Überlebenskampf der Figuren, der mit jedem Opfer an Dramatik und Dynamik gewinnt. Parallel werden Sympathieträger aufgebaut, deren Überleben der Zuschauer erhofft ( Konfliktlösung) Der Konflikt auf Metaebene besteht im ethischen Widerspruch jeweils einen Unschuldigen zu töten, um das eigene Leben zu retten. Dieser Konflikt ist eine alte philosophische Problemstellung und fordert den Zuschauer zu eigenen ethischen Überlegungen auf.
Saw 1 ist so gesehen ein kleines Meisterwerk, gerade weil er mit minimalistischen Mitteln auf mehreren Ebenen Konflikte erzeugt.
Die Filme die Du, @Christophe , aufzählst sind gute Beispiele für Stoffe, in denen zwar der Tiefgang reduziert wird, aber trotzdem sehr strikt auf Konflikt geachtet wird. Jede Ballerei wird schnell öde, wenn mir die Protagonisten und ihr Schicksal gleichgültig sind.
Die Nachfolger von Saw und ähnliche Gewaltpornos, muss man ja nicht ernsthaft in einem Literaturforum diskutieren.

[edit: wegen missverständlicher Formulierung gelöscht.]

Schönen Gruß!
Kellerkind

 

Hui! Wasserbombe! Ich platsch mal einfach mitten rein. Ist ja grad so heiß.

Hallo @Christophe ,

eigentlich sollte ich gerade das Kapitel "Leistungsumfang und Lieferobjekte" eines Lehrbuches lesen, aber da gibt es weder Konflikt, noch Horror oder Massenmörder, also ... was soll's :)

Vorne weg: Ich gehöre zu der "Gefällt-mir"-Fraktion deiner Geschichte. Ich habe ja alle drei bisher hier von dir veröffentlichten gelesen und empfinde diese hier als die am weitesten entwickelte. Mein spontaner erster Gedanke war "Da hat er ja mal ordentlich abgeliefert."

Trotzdem habe ich - wie immer :) - ein paar Anmerkungen.
- Das Ende
- Der Fernseher
- Die Haushälterin

Sieben Stunden später tauchte die Morgensonne Christians Wohnung in blutrotes Licht. Ein langer, farbloser Speichelfaden hing von seiner Unterlippe, schwang hin und her mit seinen Tritten hin und her und tropfte auf das dunkle iPhone. Christian blutete aus Augen, Ohren und Mund; Urin und Erbrochenes bildeten eine dünne Kruste auf seinen Trainingssachen. Sein Mund öffnete und schloss sich unkontrolliert.
"Wow", sagte Tyler Morgan. "Das war eines der härtesten Trainings, die ich je angeleitet habe." Lachend stellte der Influencer den Widerstand auf Null und begann mit dem Ausradeln. "Jetzt haben wir uns eine Dusche verdient, finde ich." Er zwinkerte in die Kamera und stieg vom Rad. Youtube begann, sein nächstes Video zu laden: Das ultimative Bauch-weg-Programm.
Hier dachte ich noch "Starke Bilder, krass gemacht."
Ein paar Minuten später befreite sich das Spinning-Bike mit einem heftigen Ruck von seinem Ständer. Christian riss die Augen auf. Er wollte schreien, aber sein Körper gehorchte ihm nicht. Das Spinning-Bike bäumte sich auf wie ein stählernes Pferd - und sprang geradewegs in den Bildschirm.
Und dann hier: "Okay, jetzt bin ich raus."

Will sagen: Der letzte Absatz kann meiner Meinung nach weg. Komplett. Ist gar nicht nötig.

Zu den Details:
Der Fernseher ist mir etwas zu weit weg vom Spinning-Rad. Mir wäre eine direktere Kopplung von Rad und Display lieber, wie es in der aktuellen Werbung dieses Spinning-Online-Trainingprogramms zu sehen ist. Da ist das Display beim Lenker. Du koppelst in deiner Geschichte Video und Rad. Wenn du Display und Rad auch koppelst, ist das mMn direkter und verständlicher.

Dass dein Protagonist eine Haushälterin hat, die nicht das kocht, was er essen will, halte ich für höchst unwahrscheinlich. Meinem Verständnis möchtest du mit der Kost der Haushälterin den Gesundheitswahn des Protagonisten showen anstatt tellen. Das geht für mich klar, allerdings kannst du das auch ohne eine Verneinung. Lass ihn den Kühlschrank öffnen und ein Gericht vorfinden, vor dem ein Zettel liegt, auf dem die Haushälterin fein säuberlich die Zutaten, Micro- und Macro-Nährstoffe notiert hat. In sorgfältigen Druckbuchstaben. Damit detaillierst du den Kontroll- und Gesundheitswahn des Protagonisten genauso - ich finde, sogar noch besser, jedoch ohne, dass du ihm unterstellst, eine unpassende Haushälterin zu behalten und deren Essen jeden Abend im Müll zu entsorgen.
Wenn du dein Ende ersetzen möchtest, könntest du dann sogar die Haushälterin im vorletzten Absatz auffinden lassen, parallel zu

"Jetzt haben wir uns eine Dusche verdient, finde ich."

Zum Thema Konflikt:
Ich finde es interessant, einen Plot aufzubauen, ohne von einem Konflikt auszugehen. Das ist ja normalerweise die Basis. Was will der Protagonist + was hindert ihn daran das zu bekommen = Plot. Nach meinem sehr reduzierten laienhaften Verständnis. Wie bauchst du einen Plot auf?

Da Konflikte ja vielerlei sein können, bin ich mir auch nicht sicher, wie sicher man von konfliktlos sprechen kann. Meiner Meinung nach ist der Konflikt des Protagonisten, dass er bei seiner neuesten ... na ja ... Eroberung über das Ziel hinausgeschossen ist und nun mental damit konfrontiert ist, dass sein Handeln nicht mehr unentdeckt ist, also er für die Zukunft ein Problem hat, außer er ändert sich.
Und wer sagt, dass das Video von den Rache-Gedanken der Hippies gesteuert wird? Vielleicht ist er ja es auch selbst, der dies als Selbstbestrafung in Gang gesetzt hat. Sein Konflikt ist, dass er sein kontrollgesteuertes Verhalten, das regelmäßig im Missbrauch seiner Untergebenen gipfelt, nicht mehr so weiterführen kann. Seine Lösung des Konfliktes ist die Selbstbestrafung.

 

Hi @feurig!

Vielen Dank für deinen Kommentar! Ich habe die Story über Nacht um ein gutes Drittel zusammengekürzt - die Haushälterin ist passé, und auch die comic-hafte Pointe am Ende habe ich gestrichen. Die Sache mit dem Fernseher schaue ich mir nachher mal an - das klingt schlüssig! (Es gibt doch diese Peloton-Bikes, die funktionieren so ..?)

Konflikte: Ja, das Thema treibt mich jetzt natürlich um. So, wie die Geschichte steht, ist sie eine Geisterbahnfahrt, die - hoffentlich - ein bisschen Spaß macht, aber klar sieht man, dass das Kulissen sind und Erschrecker. Ich hirne rum. Möglicherweise ist diese Story schlicht nicht mehr als das - vielleicht komme ich aber noch auf den Dreh. Ist auch arg heiß fürs Denken gerade, gell.

Nochmal vielen Dank - dir und allen anderen; in den vergangenen 24 Stunden habe ich ziemlich viel gelernt!

Bis bald!

Christophe

 

Guten Morgen,

habe über zehn Jahre hier nicht reingeschaut und den Account gerade erst wieder aktiviert. Wow, allein für diese Geschichte hat es sich schon gelohnt. :-)

Ich habe nur die letzte Version gelesen, die stark zusammengekürzte also, und ich kann nicht sagen, dass ich irgendetwas vermisst hätte. Sie kam mir nicht zu kurz vor, sondern im Gegenteil flott und mitreißend.

Gelungen!

Schattige Grüße
Mel

/edit: Ääh, einziger Kritikpunkt, den ich mir jetzt doch rauswringen würde, ist der Titel. Influencer auf der Schwelle? Auf welcher Schwelle? Das macht für mich nicht viel Sinn, zumal ja der Yuppiearsch der Protagonist ist, und nicht Tyler.

 

Hi @elaine,

puuh, das ist nett, vielen Dank!

Mir selbst gefällt die Geschichte inzwischen auch viel besser. Und ich muss ausdrücklich sagen: Daran haben alle Kommentatoren hier im Thread riesigen Anteil! Deshalb reiche ich die Blumen mal gleich weiter. Hättest du die Story gestern aufgemacht ... ach, gar nicht erst daran denken.

Viele Grüße & ich würde mich freuen, mal was von dir zu lesen!

Christophe

EDIT: Sorry - "Der Influencer auf der Schwelle" ist ein müder Lovecraft-Witz. Das muss wohl auch noch weg.

 

Hi @Manlio,

vielen Dank für deinen Kommentar! Das ist ein spannender Ansatz - ich werde ihn verfolgen. Dankeschön!

Viele Grüße

Christophe

 

Hi Christophe,

die Geschichte wurde nun schon einige Male überarbeitet, und ohne die ursprüngliche Version zu kennen, behaupte ich mal, dass ich nun die bisher beste Version gelesen habe.
Ich fand die Geschichte daher ziemlich gut. Sie hat mich ein wenig an eine Kurzgeschichte von Stephen King erinnert, in der ebenfalls ein Widerling mit der übernatürlichen Rache der Familie eines seiner Opfer fertig werden musste, dort nur in Form von zum Leben erwachten kleinen Spielzeugsoldaten.
Im direkten Vergleich fällt dann aber auf, wo aus meiner Sicht die größte Schwäche deiner Geschichte liegt; dein Protagonist hat keine Chance zur Gegenwehr. Während dieser bei King sogar die Hoffnung hegen darf, lebend aus der ganzen Sache rauszukommen, wird er bei dir lediglich zu Tode gefoltert. Das nimmt der Geschichte leider eine ganze Menge Spannung.
Eine weitere Kleinigkeit die mich stört ist, dass ich nicht ganz verstehe was genau die Eltern des Mädchens mit dem Ganzen zu tun haben. Ich denke eine Stärke von Horrorgeschichten ist es, dass sich Teile davon im Kopf des Lesers abspielen. Sie müssen nicht genau erklärt oder beschrieben werden, im Gegenteil, sie würden wahrscheinlich ihren Schrecken verlieren. Hier aber habe ich leider kaum Anhaltspunkte darüber was sich abgespielt haben könnte. Aus meiner Sicht reicht es nicht aus die Eltern als Hippies zu bezeichnen und ihnen Masken aufzusetzen um das Ganze glaubhaft zu machen. Ich weiß nicht ob Tyler Morgan tatsächlich beteiligt war, oder die Eltern nur aus der Ferne ihren Zauber wirken ließen, oder ob vielleicht auch nur Youtube verhext war.
Die besten Horrorgeschichten verfolgen einen aus meiner Sicht auch nach dem Lesen noch, etwas das King, obwohl er der Unterhaltungsliteratur zuzuordnen ist, häufig fertig brachte.
Und genau an dieser Stelle könnte man, so glaube ich, den dazu nötigen Funken entfachen.

Gruß
Kai

 

Hallo @k3nzngtn,

zunächst: ENTSCHULDIGUNG! Ich habe deinen Kommentar hier komplett übersehen. Das geht gar nicht. Du hast dir Mühe gemacht und einen sehr hilfreichen Kommentar verfasst, und ich verschludere das Beantworten: :bonk:

Jetzt aber zur Sache! Ein Gutes hat der zeitliche Abstand: Ich sehe die Story jetzt mit mehr Distanz und bin ganz optimistisch, dass ich die Vorschläge zum Ausbau, die du, @Manlio und andere gemacht haben, umsetzen kann.

Sie hat mich ein wenig an eine Kurzgeschichte von Stephen King erinnert, in der ebenfalls ein Widerling mit der übernatürlichen Rache der Familie eines seiner Opfer fertig werden musste, dort nur in Form von zum Leben erwachten kleinen Spielzeugsoldaten.
Das stimmt! Ich hatte nicht diese konkrete Story - "Battleground" aus "Graveyard Shift" - im Kopf, aber ja, da gibt's Parallelen. King ist ja insgesamt gut darin, Alltagssituation und -gegenstände ins Groteske zu kippen, das inspiriert mich definitiv.

Im direkten Vergleich fällt dann aber auf, wo aus meiner Sicht die größte Schwäche deiner Geschichte liegt; dein Protagonist hat keine Chance zur Gegenwehr. Während dieser bei King sogar die Hoffnung hegen darf, lebend aus der ganzen Sache rauszukommen, wird er bei dir lediglich zu Tode gefoltert. Das nimmt der Geschichte leider eine ganze Menge Spannung.
Völlig richtig! Hier sehe ich drei Möglichkeiten, die Story entsprechend anzupassen:
1. Der Protagonist kann sich - wie auch immer - physisch gegen das Rad verteidigen.
2. Tyler Morgan nennt ihm ein konkretes Ziel, das er erreichen darf, dann will er ihn laufen lassen. (Huch, da klopft schon die nächste Stephen-King-Story an: "The Ledge" (dt. "Der Mauervorsprung"). Verflixt nochmal!
3. Ich streiche das Rad.

Keine dieser Möglichkeiten scheint mir besonders interessant, aber womöglich fehlt mir gerade die Fantasie. Ganz cool finde ich @manlios Vorschlag, den inneren Konflikt des Protagonisten auszuarbeiten. Aber, klar, auch dann gibt es de facto kein Entrinnen und auch keine Chance zur Gegenwehr. Tricky.

Eine weitere Kleinigkeit die mich stört ist, dass ich nicht ganz verstehe was genau die Eltern des Mädchens mit dem Ganzen zu tun haben. Ich denke eine Stärke von Horrorgeschichten ist es, dass sich Teile davon im Kopf des Lesers abspielen. Sie müssen nicht genau erklärt oder beschrieben werden, im Gegenteil, sie würden wahrscheinlich ihren Schrecken verlieren. Hier aber habe ich leider kaum Anhaltspunkte darüber was sich abgespielt haben könnte. Aus meiner Sicht reicht es nicht aus die Eltern als Hippies zu bezeichnen und ihnen Masken aufzusetzen um das Ganze glaubhaft zu machen.
Touché! :lol: Die ursprüngliche Idee war, dass die Eltern irgendeinem Kult angehören. Sie sind eben keine Hippies - das denkt nur der Protagonist, weil er schlicht keine Ahnung hat -, sondern gehören irgendeinem gruseligen Bund an. Aber, was soll ich sagen, aus dem Text geht das halt nüschte hervor. Zwei Möglichkeiten

1. Ich schreib's rein.
2. Ich streiche die Eltern.

Ich tendiere zu 2. Du sagst ja völlig zu Recht, dass es diese Erklärungen womöglich gar nicht braucht. Die Geschichte ist ja insgesamt eher auf Tempo ausgelegt, da muss ich nicht noch einen Abstecher in Folk-Horror machen.

Insgesamt: Vielen Dank für deinen Kommentar! Die Story muss unbedingt nochmal in die Werkstatt, und ich habe das Gefühl, so langsam bin ich weit genug weg vom Schreiben, um nochmal ranzugehen. Ich freue mich darauf - und deine Beobachtungen haben daran großen Anteil!

Viele Grüße

Christophe

 

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